dsj-intern Spezial "Sport und Schule"

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dsj-SPEZIAL SPORT UND SCHULE [ intern ] SPEZIAL 3/2015 Ingo Weiss, Walter Schneeloch, Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper und Bernd Neuendorf (v.l.n.r.) Foto: Andrea Bowinkelmann Sport und Schule dsj SPEZIAL „Der organisierte Sport zwischen Dienstleister und Mitgestalter im Ganztag“: Unter diesem Titel stand die Fachkonferenz Sport & Schule des Deutschen Olym- pischen Sportbun- des (DOSB) und der Deutschen Sportjugend (dsj), die am 22./23. Oktober 2015 in Düsseldorf durch- geführt wurde. Rund 160 Teilnehmer/-innen aus den unterschiedlichsten Bereichen kamen auf Einladung des DOSB und der dsj im Künstlerverein Malkasten e. V. zusammen, um sich zum Thema auszutauschen. Vertreter/-innen der Landessportbünde/-jugenden und Spitzenverbände und deren Jugendorganisationen, Schulverantwortliche sowie Mitarbeiter/-innen aus den Ministerien und Sportwissenschaftlichen Instituten diskutierten über die aktuellen schulpolitischen Her- ausforderungen für den gemeinnützigen Kinder- und Jugendsport. Walter Schneeloch, Vizepräsident des DOSB und Präsident des Landessportbundes Nord- rhein-Westfalen, begrüßte die Teilnehmer/-innen eben- so wie Staatssekretär Bernd Neuendorf vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen und sie stellten gemeinsame Pro- jekte sowie Maßnahmen aus Nordrhein-Westfalen vor. Das Programm der zweitägigen Konferenz glieder- te sich in Impulsvorträge, Talkrunden sowie insge- samt sechs verschiedene Gesprächsforen. Letztere beinhalteten die Themen Mitgliedschaftsmodelle für Vereine, die Qualifizierung von Übungsleiter/-innen und Trainer/-innen sowie Sportkonzepte der Spit- zenverbände in der Ganztagsbildung. Ergänzend wurde das Thema Vielfalt und Teilhabe als Chan- ce durch den Sport im Ganztag und der Einsatz von Freiwilligendiensten in den Kooperationen zwischen Schule und Sportverein in den Foren diskutiert. Mit dem Ergebnis der Fachkonferenz zeigte sich die Vi- zepräsidentin für Bildung und Olympische Erziehung im DOSB, Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper, sehr zufrieden. In der Folge sei es nun wichtig, die „Ideen und Lösungs- ansätze in die Strukturen der Verbände hineinzutragen und die Sportvereine an der Basis für den Einsatz inner- halb der Ganztagsschulen bestmöglich vorzubereiten.“ Prof. Dr. Thomas Rauschenbach, der Direktor des Deutschen Ju- gendinstituts, ging in seinem Hauptvortrag unter dem Titel: „Zwischen Schu- le und Verein – Der Sport im Zeitalter der ins- titutionalisierten Kindheit“ aus- führlich auf die Folgen der immer stärker werdenden Institutionalisierung des Auf- wachsens und deren Herausforderungen für den organisierten Sport ein. Er riet u.a. zu einer stärke- ren Profilierung der Angebote, aber auch zu einer weiteren Professionalisierung der Akteure, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden. Prof. Dr. Nils Neuber von der Westfälischen Wil- helms-Universität Münster betonte in seinem Im- pulsvortrag zum Thema: „Bewegung, Spiel und Sport im Ganztag - Status Quo und Herausforde- rungen“, dass Partizipation der Schüler/-innen der Schlüssel zum Gelingen der Ganztagsschule sei. Selbstverantwortung und Mitbestimmung spielen beim Aufwachsen heute eine zentrale Rolle. Als ein weiteres Ergebnis stellte Neuber treffend fest: „Die Frage ist nicht mehr, ob der Sport in Ganztagsschu- len stattfindet, sondern wie er stattfinden soll!“ Zusammengefasst kann herausgestellt werden, dass die Entwicklung hin zur Ganztagsschule im deut- schen Schulsystem stetig voran schreitet. So bieten mittlerweile knapp 60 Prozent der Schulen Ganz- tagsangebote an, wobei weit über ein Drittel aller Schüler/-innen regelmäßig daran teilnimmt. Positiv ist herauszustellen, dass Bewegung, Spiel und Sport in nahezu jeder Ganztagsschule angeboten wird. Sport macht etwa jedes dritte außerunterrichtliche Angebot aus. Es wurde deutlich, dass es viele Mög- lichkeiten für den Sport gibt, sich in die (Ganztags-) Schulen einzubringen. Der organisierte Sport sieht sich dabei mehr als Mitgestalter denn als Dienstleister. Ingo Weiss, der Vorsitzende der Deutschen Sportju- gend, appellierte an die Teilnehmer/-innen der Fach- konferenz: „Setzt euch in den Fahrersitz und nehmt das Heft des Handelns in die Hand.“ Liebe Leserinnen, liebe Leser, im deutschen Schulsystem geht die Entwicklung hin zur Ganztagsschule stetig voran. So bieten mittler- weile knapp 60 Prozent der Schulen in unserem Land Ganztagsangebote an. Mehr als ein Drittel aller Schülerinnen und Schüler nehmen regelmäßig daran teil. Auch wenn der Dritte Kinder- und Jugendsportbericht bestätigt, dass etwa jedes dritte Ganztagsangebot ein Sportangebot ist und damit der organisierte Sport ein sehr wichtiger außerschulischer Bildungspartner der Ganztagschulen ist, findet die Zusammenarbeit zwi- schen Sport und Schule leider nicht immer auf Augen- höhe statt. Vielen Kooperationen fehlt es bislang noch an abgestimmten Inhalten und tragfähigen Strukturen. Ende Oktober haben wir gemeinsam mit dem DOSB bereits zum vierten Mal eine Fachkonferenz „Sport & Schule“ durchgeführt, um mit unseren Mitgliedsor- ganisationen und weiteren Partnern vorrangig die Fragestellung zu diskutieren, inwieweit zum einen der organisierte Sport sich selbst in seinem Engagement in Ganztagsschulen eher als Dienstleister oder bereits als Mitgestalter versteht und zum anderen auch zu erörtern, in welcher Rolle der organisierte Sport von kooperierenden Schulen gesehen wird. Neben den richtungsweisenden Vorträgen von Prof. Dr. Thomas Rauschenbach und Prof. Dr. Nils Neu- ber wurden in einer Talkrunde und verschiedenen Gesprächsforen aktuelle Themen des Sports in der Ganztagsbildung aufgegriffen und diskutiert. An drei Good-Practice-Beispielen wurde verdeutlicht, welche konkreten Möglichkeiten bestehen, sich sowohl als Großverein, aber auch als kleinerer Sportverein in Ganztagsschulen engagieren zu können. Es bestehen bereits viele gute Lösungsansätze, ei- nige davon stellen wir hier vor. Darüber hinaus er- scheint es uns wichtig, systematische, länderüber- greifende Befunde zur Qualität und Wirkung der Sportangebote im Ganztag und nicht zuletzt auch zur Perspektive von Kindern und Jugendlichen im Ganztag und in deren Lebenswelten zu erhalten, um bedürfnisorientierte Sportangebote setzen zu können. Ihr Ingo Weiss Fachkonferenz Sport & Schule 2015 Der organisierte Sport zwischen Dienstleister und Mitgestalter im Ganztag

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Sonderausgabe, Fachkonferenz Sport und Schule, Schulsport

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[intern]spezial 3/2015

ingo Weiss, Walter schneeloch, prof. dr. Gudrun doll-tepper und Bernd neuendorf (v.l.n.r.)

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„der organisierte sport zwischen dienstleister und Mitgestalter im Ganztag“: unter diesem titel stand die Fachkonferenz sport & schule des deutschen olym-pischen sportbun-des (dosB) und der deutschen sportjugend (dsj), die am 22./23. oktober 2015 in düsseldorf durch-geführt wurde. rund 160 teilnehmer/-innen aus den unterschiedlichsten Bereichen kamen auf einladung des dosB und der dsj im Künstlerverein Malkasten e. V. zusammen, um sich zum thema auszutauschen. Vertreter/-innen der landessportbünde/-jugenden und spitzenverbände und deren Jugendorganisationen, schulverantwortliche sowie Mitarbeiter/-innen aus den Ministerien und sportwissenschaftlichen instituten diskutierten über die aktuellen schulpolitischen her-ausforderungen für den gemeinnützigen Kinder- und Jugendsport. Walter schneeloch, Vizepräsident des dosB und präsident des landessportbundes nord-rhein-Westfalen, begrüßte die teilnehmer/-innen eben-so wie staatssekretär Bernd neuendorf vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und sport des landes nordrhein-Westfalen und sie stellten gemeinsame pro-jekte sowie Maßnahmen aus nordrhein-Westfalen vor. das programm der zweitägigen Konferenz glieder-te sich in impulsvorträge, talkrunden sowie insge-samt sechs verschiedene Gesprächsforen. letztere beinhalteten die themen Mitgliedschaftsmodelle für Vereine, die Qualifizierung von Übungsleiter/-innen und trainer/-innen sowie sportkonzepte der spit-zenverbände in der Ganztagsbildung. ergänzend wurde das thema Vielfalt und teilhabe als chan-ce durch den sport im Ganztag und der einsatz von Freiwilligendiensten in den Kooperationen zwischen schule und sportverein in den Foren diskutiert. Mit dem ergebnis der Fachkonferenz zeigte sich die Vi-zepräsidentin für Bildung und olympische erziehung im dosB, prof. dr. Gudrun doll-tepper, sehr zufrieden. in der Folge sei es nun wichtig, die „ideen und lösungs-ansätze in die strukturen der Verbände hineinzutragen und die sportvereine an der Basis für den einsatz inner-halb der Ganztagsschulen bestmöglich vorzubereiten.“

prof. dr. thomas rauschenbach, der direktor des deutschen Ju-gendinstituts, ging in seinem hauptvortrag unter dem titel: „zwischen schu-le und Verein – der sport im zeitalter der ins-titutionalisierten Kindheit“ aus-führlich auf die Folgen der immer

stärker werdenden institutionalisierung des auf-wachsens und deren herausforderungen für den organisierten sport ein. er riet u.a. zu einer stärke-ren profilierung der angebote, aber auch zu einer weiteren professionalisierung der akteure, um den wachsenden anforderungen gerecht zu werden. prof. dr. nils neuber von der Westfälischen Wil-helms-universität Münster betonte in seinem im-pulsvortrag zum thema: „Bewegung, spiel und sport im Ganztag - status Quo und herausforde-rungen“, dass partizipation der schüler/-innen der schlüssel zum Gelingen der Ganztagsschule sei. selbstverantwortung und Mitbestimmung spielen beim aufwachsen heute eine zentrale rolle. als ein weiteres ergebnis stellte neuber treffend fest: „die Frage ist nicht mehr, ob der sport in Ganztagsschu-len stattfindet, sondern wie er stattfinden soll!“ zusammengefasst kann herausgestellt werden, dass die entwicklung hin zur Ganztagsschule im deut-schen schulsystem stetig voran schreitet. so bieten mittlerweile knapp 60 prozent der schulen Ganz-tagsangebote an, wobei weit über ein drittel aller schüler/-innen regelmäßig daran teilnimmt. positiv ist herauszustellen, dass Bewegung, spiel und sport in nahezu jeder Ganztagsschule angeboten wird. sport macht etwa jedes dritte außerunterrichtliche angebot aus. es wurde deutlich, dass es viele Mög-lichkeiten für den sport gibt, sich in die (Ganztags-) schulen einzubringen. der organisierte sport sieht sich dabei mehr als Mitgestalter denn als dienstleister. ingo Weiss, der Vorsitzende der deutschen sportju-gend, appellierte an die teilnehmer/-innen der Fach-konferenz: „setzt euch in den Fahrersitz und nehmt das heft des handelns in die hand.“

Liebe Leserinnen, liebe Leser,im deutschen schulsystem geht die entwicklung hin zur Ganztagsschule stetig voran. so bieten mittler-weile knapp 60 prozent der schulen in unserem land Ganztagsangebote an. Mehr als ein drittel aller schülerinnen und schüler nehmen regelmäßig daran teil.

auch wenn der dritte Kinder- und Jugendsportbericht bestätigt, dass etwa jedes dritte Ganztagsangebot ein sportangebot ist und damit der organisierte sport ein sehr wichtiger außerschulischer Bildungspartner der Ganztagschulen ist, findet die zusammenarbeit zwi-schen sport und schule leider nicht immer auf augen-höhe statt. Vielen Kooperationen fehlt es bislang noch an abgestimmten inhalten und tragfähigen strukturen.

ende oktober haben wir gemeinsam mit dem dosB bereits zum vierten Mal eine Fachkonferenz „sport & schule“ durchgeführt, um mit unseren Mitgliedsor-ganisationen und weiteren partnern vorrangig die Fragestellung zu diskutieren, inwieweit zum einen der organisierte sport sich selbst in seinem engagement in Ganztagsschulen eher als dienstleister oder bereits als Mitgestalter versteht und zum anderen auch zu erörtern, in welcher rolle der organisierte sport von kooperierenden schulen gesehen wird.

neben den richtungsweisenden Vorträgen von prof. dr. thomas rauschenbach und prof. dr. nils neu-ber wurden in einer talkrunde und verschiedenen Gesprächsforen aktuelle themen des sports in der Ganztagsbildung aufgegriffen und diskutiert. an drei Good-practice-Beispielen wurde verdeutlicht, welche konkreten Möglichkeiten bestehen, sich sowohl als Großverein, aber auch als kleinerer sportverein in Ganztagsschulen engagieren zu können.

es bestehen bereits viele gute lösungsansätze, ei-nige davon stellen wir hier vor. darüber hinaus er-scheint es uns wichtig, systematische, länderüber-greifende Befunde zur Qualität und Wirkung der sportangebote im Ganztag und nicht zuletzt auch zur perspektive von Kindern und Jugendlichen im Ganztag und in deren lebenswelten zu erhalten, um bedürfnisorientierte sportangebote setzen zu können.

ihr ingo Weiss

Fachkonferenz Sport & Schule 2015Der organisierte sport zwischen Dienstleister und Mitgestalter im Ganztag

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Der Deutsche Golfverband führt ein inklusions- projekt mit dem GC skyline Oberursel, der Hans-Thoma-schule Oberursel und der phorms schule steinbach durch.

als der Golfclub oberursel 2006 gegründet wurde und in seine satzung den passus, „Förderung der jugend-lichen Mitglieder, nachwuchsspieler, schüler, senioren und Menschen mit Behinderung“ aufnahm, konnte keiner ahnen, dass aus den danach jährlich durch-geführten schnupperkursen für Kinder und Jugendli-che unterschiedlichster Beeinträchtigungen im Jahre 2014 ein erfolgversprechendes inklusionsmodell des Golfsports erwachsen würde.

im herbst 2013 wurde die hans-thoma-schule obe-rursel, Förderschule mit den Förderschwerpunkten körperliche und motorische entwicklung und lernen, zu einem Golfschnuppertag auf die anlage in Winnrod eingeladen. am schnuppertag in Winnerod war auch der referent für den schul- und hochschulsport des deutschen Golf Verbandes (dGV) anwesend und noch während der Veranstaltung liefen die Gespräche nur noch in eine richtung, für diese begeisterten schüler eine allgemeinbildende partnerschule zu suchen und „abschlag schule“ zu einem inklusionsprojekt aller Beteiligten zu entwickeln. ziel: schüler mit und ohne Behinderung sollten unbefangen miteinander das Golfspiel erlernen. in Winnerod kam von seiten der hans-thoma-schule ein deutliches und erwartungsfro-hes „Ja“ zu dieser idee.

nach einigen Gesprächen war dann auch mit der pho-rms schule steinbach eine partnerschule gefunden, bei der von Beginn an deutlich wurde, dass die schullei-tung nicht nur die sportliche herausforderung für ihre schüler sah, sondern primär auch den sozialen Kontakt zu schülern, mit denen sie im alltag nur selten zusam-men kommen, als wichtig herausstellte. Über inklusion sollte nicht nur gesprochen, sondern sie sollte in einem teilbereich des schulischen alltags um-gesetzt werden.

da es in oberursel keinen Golfplatz gibt, wurde die anlage des Bad Vilbeler Golfclubs lindenhof e.V. aus-gewählt. Große unterstützung kam nun von seiten des dGV, der ganz erheblich zur finanziellen absicherung des projektes beitrug.

Beide schulen benannten je acht schülerinnen und schüler, die von einem Golflehrer unterrichtet wurden. dieser erhielt meist unterstützung von zwei bis drei weiteren personen, die dann individuelle hilfe gaben

oder sich um teilgruppen kümmerten. Von Beginn an war bei den schülern beider schulen die Motivation hoch. Fast alle begannen bei null, mussten sich mit ihren individuellen schwächen und stärken auseinan-dersetzen und kamen wöchentlich mit großer Begeis-terung und entwickelten ehrgeiz.

Besonders nahm man sich in der unterschiedlichkeit wahr, beobachtete, verglich und stellte fest, dass der Mitschüler, ob mit oder ohne Behinderung, sich auf seine individuelle Weise bemühte und erfolge erlebte.

ein schüler der phorms schule beschrieb es seiner Mutter und seinem lehrer so: „ich habe natürlich auch

die anderen Kinder beob-achtet, wie die so spielen. Bei manchen sah es etwas unbeholfen aus, aber alle haben ihr Bestes gege-ben und schließlich waren wir ja alle anfänger. dass die Kinder der hans-tho-ma-schule anders waren als ich und meine Klassen-kameraden, störte mich bald nicht mehr. einige waren genau so lustig oder auch mal launisch wie viele meiner Freunde. Manch einer wurde tat-sächlich zu einer ernst zu

nehmenden sportlichen Konkurrenz! Beim Golf – so sagte unser trainer – hat man mal schlechte tage und mal gute tage. und dann ist es egal, ob du von der phorms oder von der hans-thoma-schule kommst. ich fand das projekt wirklich toll und würde mich freuen, wenn es weiter geht.“

Was weder von den initiatoren geplant oder erwartet wurde, waren die vielen kleinen erfolge der schüler der hans-thoma-schule, die von deren eltern und leh-rern/-innen nach den ersten sechs Monaten des pro-jektes geschildert wurden.

diese schüler/-innen, die ihre Freizeit größtenteils im häuslichen umfeld verbrachten, waren von ihrer wö-chentlichen Golfstunde fasziniert, waren auf die regel-mäßige teilnahme bedacht, erlebten erfolge und die-jenigen, die zu Beginn lieber nicht teilnehmen wollten, weil sie sich überfordert fühlten, entwickelten Vertrau-en in ihre eigenen Fähigkeiten. die lehrer stellten fest, dass ihre schüler geduldiger, ausdauernder wurden und sich bemühten, regeln einzuhalten. diese erhöhte ausdauer und zunahme an Konzentrationsfähigkeit zeigte sich im sinne eines transfers bisweilen auch im unterricht.

Bei fast allen schülern/-innen konnte eine Verbesse-rung der Koordinationsfähigkeit festgestellt werden. Bei grob- und feinmotorischen Bewegungen zeigten sich nach einigen trainingsstunden differenziertere, zielgenauere Bewegungen. auch war bei einem schü-ler mit einer starken schwäche der augen-hand-Ko-ordination eine deutliche Verbesserung festzustellen.

die eltern stellten bei ihren Kindern nicht nur eine höhere Frustrationstoleranz bei Misserfolgen fest, sondern ihre Kinder entwickelten auch ein positives

ein Kommentar von prof. Dr. Detlef Kuhlmann

die daten und ergebnisse der schulsportstudie, die der deutsche sportbund (dsB) als Vorläuferorga-nisation des deutschen olympischen sportbundes (dosB) zusammen mit der deutschen sportjugend (dsj) seinerzeit in auftrag gegeben hatte, sind jetzt zehn Jahre alt geworden. die knapp 9.000 schülerin-

nen und schüler, die vor genau einem Jahrzehnt in den (ausgewählten) Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, hamburg, nordrhein-Westfalen, sachsen, sachsen-anhalt und schleswig-holstein befragt wur-den, haben ihre schulsportlaufbahn längst beendet; viele der über 1.100 befragten sportlehrkräfte dürften mittlerweile im ruhestand sein. aber nicht allein des-wegen ist die Frage berechtigt: Brauchen wir eine neue schulsportstudie?

Blenden wir kurz zurück: Mit „spendengeldern“ der deutschen Bewerberstädte für die olympischen spiele 2012 war es dsB und dsj damals gelungen, den For-schungsauftrag an renommierte sportwissenschaftler von insgesamt sechs universitätsstandorten mit dem bekannten paderborner sportpädagogen prof. dr. Wolf-dietrich Brettschneider als leitenden Koordinator in auftrag zu geben. seitdem ist die „dsB-sprint-stu-die“ zum terminus technicus geworden, wenn hier-zulande über den „sportunterricht in deutschland“ (untertitel der studie, aus der sich die abkürzung sprint zusammensetzt) diskutiert wird. insofern ließe sich die Frage präzisieren: Brauchen wir also eine neue sprint-studie, vorzugsweise mit finanzieller hilfe aus hamburg, wo doch bis 2019 allein insgesamt 270 Mio. euro in schulsporthallen investiert werden sollen?

die ausgangslage des schulsports hat sich in der zwischenzeit gravierend verändert. Kinder verbringen heute im zuge der Ganztagsschulentwicklung deut-lich mehr zeit in der schule als noch vor zehn Jahren. demzufolge könnte „sprint ii“ z.B. auch Befunde über die inhaltliche Gestaltung und die (wünschens-werten) Wirkungen von sportangeboten im Ganztag sowie speziell über die rolle des sportvereins als Bildungspartner und Mitgestalter im Kontext von Bil-dungsnetzwerken hervorbringen, zumal wenn der or-ganisierte sport mit dem dosB und der dsj wiederum die initiative übernimmt, eine solche studie zu initi-ieren. aber völlig unabhängig davon, wer das projekt schließlich finanziert bzw. als Motor und Moderator begleitet, stellt sich die Frage, inwieweit es mit einem ausgefeilten untersuchungsdesign gelingt, ergebnisse zu erzielen, die sich auf die Vision eines „besseren“ schulsports in deutschland projizieren lassen. dabei ist die sache dann im umkehrschluss ganz einfach – denn: Wer sich für einen besseren schulsport hier-zulande stark machen will, hat die Frage, ob wir eine neue schulsportstudie brauchen, im Grunde per se schon mitbeantwortet. und für interessierte Forscher/ -innen und Forscher aus der sportwissenschaft käme das einem startsignal gleich: „Bitte fertig machen zum sprint!“

schüler/-innen können beim Golfspiel das spieltempo ohne zeitdruck selbst bestimmen

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prof. dr. detlef Kuhlmann

Brauchen wir eine neue Schulsportstudie?

Mit Handicap zum Schwung

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selbstwertgefühl. Für sie war die Golfstunde immer der höhepunkt der Woche. Über positive Veränderun-gen bei den schülern kamen auch rückmeldungen von seiten der physio- und ergotherapeuten. im Gegensatz zum alltag, wo zwei schüler immer wieder von ihren therapeuten zur nutzung beider hände (bei einer vor-liegenden hemiparese) aufgefordert werden mussten, war dies für sie beim Golfspiel kein problem. Koordi-nierte, beidhändige Bewegungsabläufe waren hier nun möglich.

die schüler zeigten deutliches interesse für den Golfsport, schauten sich im Fernsehen Berichte an, berichteten im Gegensatz zum normalen schulalltag ihren eltern vom unterricht und nutzten dabei Golf-fachbegriffe wie pitchen, putten, eisen und hölzern.

Bemerkenswert sind die Äußerung mehrerer eltern, dass ihre Kinder verschiedenste sportarten, Verein-sangebote probierten und jetzt ihre Kinder beim Golf erstmals einen sport für sich fanden, bei dem sie ohne äußeren druck, ohne zeitdruck ihr spieltempo selbst bestimmen können, jeder seine eigenen ziele sich selbst setzten kann und damit individuelle erfolgser-lebnisse hat. die ruhe, keine hektik, kein lärm beim

Üben ist für viele schüler der hans-thoma-schule sehr wichtig. im Gegensatz zu ihren Mitschülern von der phorms schule profitieren sie noch stärker von diesem „Bewegungsausgleich“ zu einem für sie eher bewe-gungsarmen schultag und häuslichen alltag.

neben den für die schüler beider schulen positiven erlebnissen im sinne der inklusion zeigte sich, dass der Golfsport problemlos gemeinsam von schülern mit und ohne „handicap“ betrieben werden kann. einige der schüler/-innen der Förderschule möchten diesen sport weiter betreiben. sie erhalten das angebot in die Jugendabteilung des Golfclubs oberursel übernom-men zu werden. Wer sich dafür entscheidet, wird dann reguläres clubmitglied und trainiert in der Jugend-gruppe. damit ist aus einem inklusiven projekt auf zeit Jugendarbeit und inklusion im Verein geworden.

im nächsten Jahr soll es wieder eine projektphase ge-ben, in der neue interessierte mit und ohne Behinde-rungen kostenlos in das schulprojekt „Mit handicap zum schwung“ einsteigen, ihre persönlichen erfahrun-gen machen und eine neue sportart für sich entdecken können.

Norbert Fleischmann

der offene Ganztag stellt die Kinder- und Jugendarbeit der sportvereine vor große herausforderungen. dar-um entwickelt der landessportbund/die sportjugend nrW im rahmen des programms „nrW bewegt sei-ne Kinder!“ ideen und Modelle, wie aus Koopera-tionen mit schulen handfeste Mit-gliedschaften entstehen können. seit 2013 gibt es verschiedene Mitglied-schaftsmodelle, die von den sport-vereinen genutzt werden können. die herausforderung ist bekannt: der schulische Ganztag dominiert das le-ben der Kinder und Jugendlichen. Für außerschulische aktivitäten, Musik oder sport im Verein fehlt es zuneh-mend an zeit. die Vereine leiden unter dem nachwuchsschwund, besonders Mannschaften können kaum noch wettkampffähig gehalten werden. die lösung klingt einfach: Kommen die Kinder nicht zum Verein, dann kommt der Verein eben zu den Kindern. aber wie und mit welchen angebo-ten können auch neue Mitglieder gewonnen werden? eine berechtigte Frage, die sich viele Vereine auch in nordrhein-Westfalen stellen. denn bisher zeigte sich das engagement eines sportvereins im Ganztag nicht direkt in der steigerung der Mitgliederzahlen. im Verbundsystem des nrW-sports und in zusam-menarbeit mit dem schulministerium nrW wurden vor diesem hintergrund so genannte „Mitgliedschaftsmo-delle“ für die Kooperation von sportvereinen mit schu-len im Ganztag entwickelt. die Überlegung, die hinter dem Mitgliedschaftsmodell steckt, ist, die durch schu-len bzw. träger bewirtschafteten Ganztagsmittel nicht nur im rahmen von honorarkosten für die Übungslei-ter/-innen zur Gestaltung der sportstunde einzusetzen, sondern darüber hinaus auch für Mitgliedsbeiträge der Kinder und Jugendlichen im jeweiligen sportverein zu nutzen. Kindern und Jugendlichen wird so während der laufzeit des Mitgliedschaftsmodells eine für sie

kostenfreie Mitgliedschaft im sportverein ermöglicht. 49 Mitgliedsorganisationen haben sich zwischen 2013 und 2015 in nrW intensiv mit dem thema auseinan-dergesetzt und für die erprobung des entwickelten Modells in sportvereinen und schulen geworben.

im rahmen der erprobung wurden Vereinsberatungen, um vereinsrechtliche aspekte zu klären (z.B. satzungs-fragen, Kalkulation des fiktiven Mitgliedschaftsbei-trags), und Gespräche mit schulen und trägern ge-führt, um sich auf eine für beide seiten (schule/träger und sportverein) tragbare Finanzierung zu verstän-digen. so kamen 18 erfolgreiche Modelle zu stande. erste ergebnisse der evaluierten Modelle zeigen, dass sich rund 25% der am jeweiligen Ganztagsangebot teilnehmenden Kinder während der laufzeit gleichzei-tig für eine Vereinsmitgliedschaft entschieden haben. zudem zeigte sich, dass das Modell aufgrund der not-wendigen Vorarbeiten nicht für jeden sportverein bzw. jede schule und jeden träger das passende ist, es aber die bestehenden Möglichkeiten zur Kooperation von schule und Verein ergänzt und gezielt zu neuen Mit-gliedschaften im sportverein führt. eine abschließende evaluation hat Gelingensbedingungen und stolper-steine identifiziert und wird demnächst veröffentlicht.

Julian Emde

GrundmodellKooperationbasis

Vertragsportverein schule/Träger Ganztag

sportangebot Ganztag durch Ül des VereinsMitgliedschaft/Beteiligung

• Mitglied während Dauer des angebots

• Beitritt/Kündigung durch eltern

• Gleiche Rechte und pflichten

• Weitere sportliche angebote im Verein

• Gemeldet beim Bund/Verband

Kosten/Finanzen/Versicherung

• MG-Beiträge/weitere Kosten aus Ganztagesmitteln

• „Fiktiver“ MG-Beitrag• Ül über Ganztagesangebot versichert

• schüler/-innen über schulveranstaltung versichert

langfristige Mitgliedschaft

Mit Handicap zum Schwung NRW bewegt seine KINDER! sport bewegt Mitgliedschaftsmodelle

schüler/-innen mit und ohne handicap trainieren gemeinsam

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Für außerschulische aktivitäten fehlt es zunehmend an zeit.

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Das sportkarussell aus sicht der Beteiligten

Für die Kinder ist das sportkarussell eine tolle erfah-rung. Vor allem die Vielfältigkeit und die nicht all-täglichen sportarten wie drums alive, Fechten oder Kanupolo stießen bei vielen Kindern auf Begeisterung. ungefähr 1/3 der Kinder ist am ende des Jahres in einem der Vereine zum probetraining erschienen. die Kinder konnten durch die recht kleinen Gruppen im-mer optimal an die sportart herangeführt werden und sich so individuell verbessern.

auch die Übungsleiter/-innen empfinden das sport-karussell als durchweg positiv. da das sportkarussell zum größten teil durch hauptamtlichkeit orga-nisiert wird, fällt für den Übungsleiter nur seine eigene stundenvorberei-tung als arbeit an. auch die frühzeitige und flexible einteilung im Jahresverlauf ist für die Übungsleiter/-in-nen von Vorteil, da so auf semesterferien, urlaube, Wettkämpfe, etc. rücksicht genommen werden kann.

die eltern sind besonders von der Vielfältigkeit des programms begeistert und begrüßen, dass ihre Kinder viele sportarten kennenler-nen können. durch die Flyer und die schule sind alle eltern gut informiert und lernen bei der halbzeit- als auch abschlussveranstaltung die beteiligten sportver-eine kennen.

die schulen sehen im sportkarussell den Vorteil, dass die sportart alle sechs Wochen wechselt und so die Motivation bei den Kindern besonders hoch bleibt. auch sehen die schulen die Möglichkeiten, sich selbst zu profilieren, um so für Bewegungsfreude zu werben, aber auch die Gesundheitsförderung zu stärken und an die eltern weiter zu tragen.

sowohl für die sportvereine, als auch für den Kreis-sportbund als organisator entstehen durch das sport-karussell viele Vorteile. durch die enge und vor allem

regelmäßige zusammenarbeit wird die Kommunikati-on im ennepe-ruhr-Kreis unter allen Beteiligten deut-lich gestärkt. die fortlaufende evaluation mittels Fra-gebögen an eltern und Übungsleiter/-innen zeigt die Vorteile auf einen Blick.

Die Vorteile auf einen Blick• Vielfältige Bewegungserfahrungen - Kinder können sechs sportarten innerhalb eines schuljahres auspro-bieren und lernen die Vereinslandschaft kennen!

• Bewegung und Gesundheit – eltern erfahren Wis-senswertes über die Bedeutung von Bewegung für die Gesundheit und ein lebenslanges sporttreiben im

Verein.

• sportvereine arbeiten zusammen – nicht nur ein Verein profitiert von der Kooperation, sondern gleich mehrere Vereine haben die chance, Kinder und eltern für ihre sport-art und damit auch ihren Verein zu begeistern!

• absehbares sportan-gebot - der sportverein muss nur für sechs Wo-

chen eine/-n Übungsleiter/-in oder trainer /-in be-reitstellen und hat frühzeitig planungssicherheit. Wer mehr zeit hat, kann an einer weiteren schule einen sportblock übernehmen!

• Vernetzung in der Kommune – durch die zusam-menarbeit entsteht ein enger und kontinuierlicher austausch aller Beteiligten. Vereine, schule, KsB/ssB und stadtverwaltung finden auch in anderen projekten schnell zueinander!

• Vernetzung im Kreis – die sportjugend und sport-fachverbände arbeiten eng zusammen, können weite-re Vereine im Kreisgebiet für das Modell gewinnen und sich deutlich als Bildungspartner und dienstleister für die Vereine positionieren!

Philipp Topp

Sportvereine arbeiten zusammen im SportkarussellSeptem

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Februar

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Juni

exemplarische sportkarussell-Runde

abschlussfest am schuljahresende

start nach den sommerferien

Herausgeber: deutsche sportjugend im dosB e.V. V.i.s.d.p.: ingo Weiss

www.dsj.de

@dsj4sport www.facebook.com/deutschesportjugend

IMPRESSUMGefördert durch das Bundesministerium für Familie, senioren, Frauen und Jugend (BMFsFJ) aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans des Bundes (KJp)

Redaktion: ute Barthel, Gisela nüssler

otto-Fleck-schneise 12 60528 Frankfurt a. M. telefon: 0 69 / 67 00-333 e-Mail: [email protected]

satz & Gestaltung: www.amgrafik.de

Das sportkarussell stellt ein durch den Kreis- oder stadtsportbund ennepe-Ruhr organisiertes Ko-operationsmodell für sportvereine und schulen dar. Kinder sammeln in einem schuljahr vielfäl-tigste Bewegungserfahrungen aus bis zu sechs sportarten, jeweils in einem zeitraum von sechs Wochen á 90 min pro Woche. aber nicht nur die sportart wird vermittelt. eltern und Kinder lernen die verantwortlichen Übungsleiter/-innen und Trainer/-innen kennen, um langfristiges sporttreiben im Verein zu begünstigen. Die Verantwortung für die sportangebote übernehmen die jeweiligen Vereine - aber nur für sechs Wochen, sodass Übungsleiter/-innen entlastet werden und gleichzeitig die Kinder bzw. schulen ein durchgehendes und vielfältiges sportangebot erhalten. ziel ist es, alle Kinder für eine sportart (im Verein) zu begeistern, zusätzliche Bewegungsangebote durch Vereine in schulen zu schaffen und das zusammenwirken aller Beteiligten zu stärken.

Vereine stellen ihre sportangebote vor

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