Duale Berufsausbildung in Lateinamerika -...
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Duale Berufsausbildung
in Lateinamerika Regionale Modelle, Transfererfahrungen und
Lehren für die Weiterentwicklung
Johanna Kupffer
AHK Bolivien/Universität Konstanz
Mit fachlicher Beratung durch:
Annegret Altpeter, Integrierte Fachkraft CIM/GIZ in der AHK Bolivien
Prof. Dr. Thomas Deißinger, Universität Konstanz
Mai 2015
II
Dank
Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denjenigen bedanken, die mich
während der Anfertigung dieser Arbeit unterstützt und motiviert haben.
Ohne die Bereitwilligkeit vieler wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen!
An erster Stelle danke ich Annegret Altpeter (Integrierte Fachkraft
CIM/GIZ in der AHK Bolivien) für ihr Interesse an meinem Forschungsvor-
haben, ihrem engagierten Einsatz, durch den sie mir Kontakte, Arbeits-
gruppen und Dokumente zugänglich machte, sowie ihre konstruktive Art,
mich zu betreuen.
Für die Teilnahme an den Experteninterviews danke ich Peter Linder
(Botschafter in Bolivien), Giselle Arciniega (AHK Peru), Yanina Falugue
(AHK Argentinien), Nina Suzanne Hall (AHK Chile), Paola Martinet (AHK
Bolivien), Wolfgang Päleke (Integrierte Fachkraft CIM/GIZ in der AHK Me-
xiko), Ingrid Portenkirchner (Integrierte Fachkraft CIM/GIZ in der AHK
Ecuador), Udo Schneider (ALTRATEK Mexiko). Herrn Prof. Dr. Deißinger
(Universität Konstanz) danke ich für sein Interesse an der Thematik und
die wissenschaftliche Betreuung.
Des Weiteren danke ich Jürgen Winkel (Schulleiter BBZ, La Paz), Agaton
Nachtigall (Schulleiter BBZ, Buenos Aires), Bernhard Germer (Schulleiter
ITSA, Quito), Laura Doffing (INSALCO, Chile), Oliver Schramm (Leiter des
Referats Deutsche Auslandsschulen), Katharina Hausmann (DIHK Bildungs-
GmbH), Steffen Bayer (Leiter des Referats Berufsbildung im Ausland, Bil-
dungsexport Bereich Weiterbildung DIHK), Yorck Sievers (Leiter Referat
AHK-Projekte Berufsbildung DIHK) und Evamaria Lutz (DIHK), die diese
Arbeit durch ihr Wissen oder die Bereitstellung spezieller Dokumente be-
reicherten.
Karlsruhe, im Mai 2015 Johanna Kupffer
Kontaktinformation: Johanna Kupffer; [email protected]
III
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ................................................................ IV
Tabellenverzeichnis ................................................................... IV
Abkürzungsverzeichnis ............................................................... V
Kurzzusammenfassung ................................................................ VI
1 Einleitung .......................................................................... - 1 -
2 Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika ............... - 3 -
2.1 Wirkungsgeschichte deutscher Entwicklungszusammenarbeit in der
beruflichen Bildung ........................................................ - 3 -
2.2 Eine Synthese aktueller Forschungsbefunde vor der Fragestellung des
Transfers ..................................................................... - 9 -
3 Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika aus Perspektive
der Auslandshandelskammern: Bisherige Modelle, Erfahrungen und Ideen
zur Weiterentwicklung........................................................ - 18 -
3.1 Rolle der Auslandshandelskammern in der Berufsausbildung ....... - 18 -
3.2 Rahmenbedingungen und Strukturmerkmale des Angebots .......... - 21 -
3.3 Das duale System und seine Arbeitsmarktnähe: Herausforderungen und
Potenziale .................................................................. - 45 -
3.4 Rolle der Auslandshandelskammer als zertifizierende Institution .. - 59 -
3.5 Die Zielvorstellung einer Implementierung dualer Ausbildungsberufe:
Vorgehensweise, Zusammenfassung und Diskussion theoretischer und
empirischer Befunde ...................................................... - 66 -
4 Schlussbetrachtung ............................................................. - 76 -
4.1 Reichweite der Arbeit ..................................................... - 76 -
4.2 Grenzen der Arbeit und Forschungsausblick ........................... - 77 -
Literaturverzeichnis .............................................................. - 79 -
Anhang .............................................................................. - 93 -
IV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Strukturmerkmale und Rahmenbedingungen des dualen Systems .............. - 11 -
Abbildung 2:Zentrale Akteure und ihre Kooperation im dualen Ausbildungsmodell des
Bundesstaates Mexikos .................................................................. - 41 -
Abbildung 3: Zugänglichkeit, Breitenwirkung und Durchlässigkeit, deren Zusammenhang und
Wirkung.................................................................................... - 45 -
Abbildung 4: Matrix der landesspezifischen und aktuellen Tendenzen mit den vier
Handlungsstrategien ..................................................................... - 55 -
Abbildung 5: Relevante Faktoren und deren Zusammenhang bei der Implementierung dualer
Ausbildungsgänge ........................................................................ - 71 -
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kernaussagen der acht Thesen Arnolds - 5 -
Tabelle 2: Ausbildungssysteme im internationalen Vergleich - 15 -
Tabelle 3: Anteil von Erwerbstätigen im informellen Sektor - 23 -
Tabelle 4: Jugendarbeitslosigkeitsquoten im Ländervergleich - 24 -
Tabelle 5: Übersicht des Angebots an kaufmännischen und technischen dualen
Ausbildungsberufen - 26 -
Tabelle 6: Häufigkeitsanalyse: Vorteile der dualen Ausbildung - 31 -
Tabelle 7: Häufigkeitsanalyse: Image des dualen Systems - 33 -
Tabelle 8: Zuständigkeiten des Bildungs- und Produktionsministeriums - 40 -
Tabelle 9: Zuständigkeiten und Pflichten der Akteure des dualen Ausbildungsmodells des
Bundesstaates Mexikos - 44 -
Tabelle 10: Merkmale des mexikanischen dualen Ausbildungsmodells - 49 -
Tabelle 11: Häufigkeitsanalyse: Herausforderungen - 53 -
Tabelle 12: Konkretisierung von Praxisbezug, Kooperation, Arbeitsmarktnähe im
Länderüberblick - 57 -
Tabelle 13: International gültige Zertifizierung (DIHK Kategorie A) - 62 -
Tabelle 14: Überblick über das Angebot an Ausbilderkursen - 65 -
Tabelle 15: Häufigkeitsanalyse: Zentrale Komponenten der Vorgehensweise bei der
Implementierung - 66 -
Tabelle 16: Kriterienorientierte Zusammenfassung der wissenschaftlichen Beiträge - 69 -
Tabelle 17: Übersicht der Interviewpartner - 100 -
Tabelle 18: Das induktiv-deduktiv hergeleitete Kategoriensystem - 102 -
V
Abkürzungsverzeichnis
AdA Ausbildung der Ausbilder
BBiG Berufsbildungsgesetz
BIBB Bundesinstitut für Berufsbildung
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
CAMCHAL Cámara Chileno-Alemana de Comercio e Industria
CAMEXA Cámara Mexicano-Alemana de Comercio e Industria
CEDLA Centro de Estudios para el Desarrollo Laboral y Agrario
CES Consejo de Educación Superior
CIM Centrum für internationale Migration und Entwicklung
COMECYT Consejo Mexiquense de Ciencía y Tecnología
CONALEP Colegio Nacional de Educación Profesional Técnica
DAC Development Assistance Committee
DHLA Duale Hochschule Latinoamérica
DIHK Deutscher Industrie- und Handelskammertag
et al. et alii, et aliae, et alia
f. folgend, folgende
ff. fortfolgend, fortfolgende
GIZ Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit
GTZ Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit
IHK Industrie- und Handelskammer
ITTSP Institutos Superiores Técnicos y Tecnológicos Públicos
MCCTH Ministerio de Coordinación del Conocimiento y Talento Humano
MDG Millennium Development Goals
MED Modelo Mexicano Educación Dual
MMFD Modelo Mexicano Formación Dual
n. a. nicht angegeben
o.S. ohne Seitenangabe
OECD Organization for Economic Cooperation and Development
PPP Public-Private-Partnership
SAED Sistema Administrativa Educación Dual
SENESCYT Secretaría Nacional de Educación Superior, Ciencia, Tecnología
SEP Secretaría de Educación Pública
u.a. unter anderem
WiRAM Wirtschaftsreform und Aufbau der Marktwirtschaft
VI
Kurzzusammenfassung
Das duale Berufsausbildungssystem, das über die deutschen Landesgrenzen hinweg als Maß-
nahme zur Fachkräftequalifizierung und Verbesserung der sozialen und ökonomischen Situati-
on einen guten Ruf hat, erfährt aktuell eine große Nachfrage aus zahlreichen europäischen,
aber auch außereuropäischen Ländern. Die deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) sind
teilweise seit vielen Jahren an der Konzeptionierung und Umsetzung dualer Ausbildungsinitia-
tiven im Ausland beteiligt, im Falle lateinamerikanischen Schwellenländer v.a. deswegen,
weil das dynamische Wirtschaftswachstum dort dazu geführt hat, dass die Anpassung und Wei-
terentwicklung des dualen Systems eingefordert wird. In Mexiko, Peru und Argentinien wur-
den im vergangenen halben Jahr Gesetzesentwürfe, die die Umsetzung des dualen Systems
absichern, verabschiedet. In Ecuador hat Präsident Rafael Correa selbst die flächendeckende
Einführung der dualen Berufsausbildung in die Wege geleitet und wird dabei von der deut-
schen Bundesregierung unterstützt. Das vermehrte Interesse macht aber auch eine länderspe-
zifische Anpassung des dualen Systems notwendig. Grundlage dieser Studie ist es, die latein-
amerikanischen Best-Practice-Erfahrungen darzustellen, um eine kontinuierliche Weiterent-
wicklung und eine kontextspezifische Anpassung des dualen Ausbildungssystems zu gewähr-
leisten. Diese Studie soll dem bisherigen Mangel an Publikationen, die Erfahrungen zentraler
Akteure in Lateinamerika und deren Modelle erläutern, begegnen.
Das untersuchungsleitende Modell macht vor der Fragestellung des Transfers in Form einer
Synthese aktueller Forschungsbefunde auf zentrale Strukturmerkmale und Rahmenbedingun-
gen aufmerksam. Dieses Modell bildet die Grundlage für die Konzipierung des Interviewleitfa-
dens. Mithilfe mündlicher Interviews werden je Land die für den Bereich der beruflichen Bil-
dung zuständigen Mitarbeiter der AHK sowie ein deutscher Fachexperte, der seit über 20 Jah-
ren die Modifizierung des dualen Systems in Mexiko begleitet und der deutsche Botschafter
Boliviens zu ihren Erfahrungen und Bewertungen im Hinblick auf Nutzen, Erfolge und Heraus-
forderungen des dualen Systems befragt.
Die Studie zeigt auf, wie die konstitutiven Merkmale des dualen Systems‚ nämlich Praxisbe-
zug, Arbeitsmarktnähe, Kooperation, Zugänglichkeit, Durchlässigkeit, Breitenwirkung, Interes-
se der Regierung, gesetzliche Rahmenbedingungen, gesellschaftliches Ansehen der Be-
rufs(aus)bildung in den untersuchten Ländern aufgegriffen und umgesetzt werden. Dies wird
in Verbindung damit gebracht, welche Vorteile die duale Ausbildung birgt, welche aktuellen
Tendenzen auszumachen sind und welche Herausforderungen den Akteuren begegnen und
welche Lösungsansätze folglich die AHKs entwerfen.
Die Ergebnisse zeigen, dass aktuell u.a. durch den Fachkräftemangel vor allem technische
duale Ausbildungsberufe gefragt sind. Bolivien ist das einzige Land, was derzeit noch keine
technische duale Ausbildung anbietet, was sich jedoch ändern soll. Zwischen Chile und
Deutschland besteht bereits eine Berufsbildungskooperation zwischen dem Bundesinstitut für
VII
Berufsbildung (BIBB) und dem chilenischen Bildungsministerium. Die spezifische chilenische
Marktstruktur zeigt, dass duale Berufsausbildung einen wichtigen Stand hat, aber zugleich
unterschiedlichste Akteure und Anbieter aktiv involviert sind und es zahlreiche verschiedene
Modelle gibt.
Das mexikanische „tropentaugliche“ duale System mit seiner Unterscheidung nach Modell A
und Modell B zeigt eine Möglichkeit auf, wie bei der Anpassung an landesspezifische Beson-
derheiten vorgegangen und zugleich differenziert wird, um auf die unterschiedlichen Bedürf-
nisse der mexikanischen und deutschen Unternehmen einzugehen. Außerdem zeigt die mexi-
kanische Umsetzung zugleich auf, dass das System vom Engagement verschiedener Akteure
wie SEP, COMECYT, ALTRATEK und der CAMEXA lebt.
Ecuador ist ein Beispiel, das verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass die lokale Regierung von
dem System überzeugt ist und in diesen Prozess Manpower und Finanzkraft investiert.
Die jüngst eingereichten Gesetzesentwürfe in Argentinien und Peru machen darauf aufmerk-
sam, dass von Politik und Gesellschaft Interesse an einem Paradigmenwechsel besteht und
nach einer Alternative zum vorherrschenden selektiven universitären Bildungssystem gesucht
wird. Außerdem wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Zuständigkeiten, Verwaltung und Prü-
fungsprozedere transparent und einheitlich geklärt werden.
Nicht kopieren, sondern antizipierend modifizieren, lautet eine Schlussfolgerung. Regelmäßi-
ger Austausch, eine reflektierte Modifizierung und die Denkweise vom Markt her sind wichtig
für eine sinnvolle Umsetzung der dualen Ausbildung. Die AHKs können eine tragende Rolle
einnehmen, da sie deutsches Fachwissen und zugleich landesspezifisches Knowhow vereinen
und zudem als zertifizierende Stelle aufgrund ihrer Reputation in vielen Fällen eine angese-
hene Institution sind. Um aber das duale System zu einem nachhaltigen System im Ausland zu
entwickeln, ist ein regelmäßiger, konstruktiv-offener Wissenstransfer zwischen den Akteuren,
v.a. zwischen den AHKs wichtig. Nicht vergessen werden darf, bestehende Kooperationen,
beispielsweise mit den deutschen Auslandsschulen, weiterhin zu fördern und vom Erfahrungs-
schatz zu profitieren. Es gilt nicht einen Ersatz zu schaffen, sondern das Angebot zu ergänzen
und zu erweitern und bestehende Erfahrungen und Kontakte auszubauen, um auf diese Weise
nationale Bildungspartner, Unternehmen und Interessensgruppen zu involvieren und eine
spanischsprachige Ausbildung, die auf den lokalen Bedarf antwortet, umzusetzen. Das deut-
sche duale System ist lediglich ein Leitbild, das als Grundlage dienen kann und maßgeschnei-
dert angepasst werden muss. Auftrag ist es, den Blick gezielt auf die lateinamerikanischen
Erfahrungen zu richten, um zu reflektieren, welche Strukturmerkmale wie landesspezifisch
angepasst werden können, und unterschiedliche Akteure einzubeziehen um auf diese Weise
ein kooperatives, nachhaltiges, duales Ausbildungssystem zu erhalten.
Einleitung
- 1 -
1 Einleitung
Das deutsche duale System erfreut sich auch international großer Bekanntheit und hoher
Wertschätzung, unter anderem deshalb, weil theoretisches, in der Schule erlangtes Wissen
in der Praxis erprobt und vertieft werden kann.1 „So those German kids, they're ready for a
job when they graduate high school.”2 Dieser Ausspruch Obamas macht auf eine derzeitige
Entwicklung aufmerksam, dass das deutsche System in aktuellen Bildungsdiskussionen auch
international präsent, als Benchmark genannt und als Reforminstrument3 eingesetzt wird.4
Euler betont im Hinblick darauf:
„Eine spektakuläre Note bekam die Diskussion dann schließlich durch den amerikanischen Präsiden-
ten, der im Februar in seiner „Rede zur Lage der Nation“ die duale Ausbildung in Deutschland posi-
tiv hervorhob und zum Vorbild für die Entwicklungen im eigenen Land erklärte.“5
Spanien beispielsweise will das duale System implementieren, um die Wirtschaft zu stärken
und der Jugendarbeitslosigkeit entgegenzutreten.6 Die Nachfrage danach, das duale System
in andere Länder einzuführen und somit einen „Berufsbildungsexport“7 oder partizipativer
formuliert eine „Berufsbildungskooperation“8 zu initiieren, ist in den vergangen Jahren
deutlich gewachsen und politisch gefördert.9 Die Bundesregierung verabschiedete im Jahr
2013 ein Strategiepapier, das die verschiedenen deutschen Akteure durch eine einheitli-
che, festgelegte Vorgehensweise in ihrer Arbeit unterstützen und deren Einsatz im Bereich
der beruflichen Bildung im Ausland sichern soll.10 Daraufhin wurde im Bundesinstitut für
Berufsbildung (BIBB) „eine Zentralstelle für internationale Berufsbildungszusammenarbeit“
eingerichtet.11 Die Auslandshandelskammer (AHK) ist einer dieser zentralen Akteure und
aktiv bei der Planung, Einführung und Weiterentwicklung des dualen Systems.12 Der Ansatz,
das duale Ausbildungssystem auch jenseits der deutschen Landesgrenzen hinweg einzufüh-
ren, um auf diese Weise wirtschaftlich schwächere Länder, so evtl. auch Entwicklungslän-
1 Vgl. Busemeyer, 2012, S. 4 2 Obama, 2013, o.S. 3 Allgemein betrachtet handelt es sich allerdings um eine sehr ambivalente Diskussion, da es auch
kritische Stimmen gibt, die darauf aufmerksam machen, dass das deutsche duale System refor-miert werden müsse. Dies ist nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Doch soll an dieser Stelle weiterführend beispielsweise auf die Publikation „Neue Wege für die duale Berufsausbildung – ein Blick auf Österreich, die Schweiz und Dänemark“ von Christian Ebner, 2009 verwiesen werden.
4 Vgl. BMBF, 2013, S. 6 5 Vgl. Euler, 2013b, S.322 6 Vgl. Busemeyer, 2012, S. 4 7 Lübke, 2013, o.S. 8 BMBF, 2015, o.S. 9 Vgl. BMBF, 2015, o.S.; Lübke, 2013, o.S. 10 Vgl. BMBF, 2015, o.S. 11 Vgl. ebenda, o.S. 12 Vgl. Bundesregierung, 2013, S. 7
Einleitung
- 2 -
der, zu stärken, ist bereits seit den 50er Jahren eine verbreitete, wenn auch teilweise eine
ambivalente, politische Strategie.13
„Komplexe (Berufs-)Bildungssysteme lassen sich nicht eins zu eins übertragen. Insofern dient auch
das deutsche duale System nicht als Blaupause, kann aber als Grundlage und Vorbild für einen
Transferprozess aufgenommen werden.“14
Euler zeigt etwas auf, worauf gerade aktuelle Forschungsbefunde aufmerksam machen,
nämlich dass der Transfer des dualen Systems ein komplexes Unterfangen ist, das eine An-
passung an den Kontext fordert. 15 Weil der Transfer und die berufliche Bildung im Allge-
meinen von soziologischen, kulturellen, historischen, wirtschaftlichen und politischen Fak-
toren beeinflusst werden.16
Ein Ziel der Arbeit ist es, das duale Ausbildungsangebot in Lateinamerika, bei dem die
AHKs involviert sind, darzustellen. Dies umfasst die Beschreibung bestehender Modelle und
Erfahrungen. Landesspezifische Besonderheiten sollen herausgearbeitet und die Möglich-
keit geboten werden, lateinamerikanische Best-Practice-Erfahrungen kennenzulernen und
länderübergreifende lateinamerikanische Gemeinsamkeiten hervorzuheben. Einen Über-
blick über das duale Angebot zu bieten, ist Voraussetzung, um sich überhaupt der überge-
ordneten Zielsetzung der Studie zu nähern. Es wird zu klären sein, wie bei der Implemen-
tierung dualer Ausbildungsgänge vorgegangen wird und welche Folgerungen sich daraus
ergeben. Eine Implementierung von Ausbildungsberufen beeinflusst immer direkt und indi-
rekt eine Vielzahl anderer Faktoren. Auch wird zugleich, beispielsweise die Sicht auf die
Berufe und die Annahme des Angebots, durch Rahmenbedingungen beeinflusst. Die ver-
schiedenen Faktoren, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und die komplexen Wir-
kungsmechanismen verdeutlichen die Wichtigkeit einer umfassenden Analyse ausgewählter
Themenaspekte. Untersuchungsleitend sind die folgenden Fragestellungen:
1. Vor welchen Herausforderungen stehen die Auslandshandelskammern?
2. Was kennzeichnet das bisherige Ausbildungsangebot und die Erfahrungen mit dem
dualen System?
3. Welche länderübergreifenden Merkmale und landesspezifischen Unterschiede sind
auszumachen?
4. Auf was ist bei der Implementierung dualer Ausbildungsgänge in Lateinamerika zu
achten?
13 Vgl. Greinert, 2001, S. 45 f.; Wolf, 2011, S. 1-5; Georg, 2006, S. 509-511; Barabasch/Wolf, 2011, S. 284 f.
14 Euler, 2013b, S. 329 15 Vgl. Bayer, 2013, S. 38; Euler, 2013a, S. 4 ff.; Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 3 & 10 16 Vgl. Deißinger, 1998, S. 265
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 3 -
2 Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
2.1 Wirkungsgeschichte deutscher Entwicklungszusammenarbeit in der berufli-
chen Bildung
2.1.1 Entwicklung bis in die 90er Jahre
Bildungsreisen in andere Länder zu unternehmen, um auf diese Weise zu beobachten, was
das Land voran treibt und von diesem zu lernen, hat Tradition, so sind an dieser Stelle bei-
spielhaft die Reisen des Alexander von Humboldt oder gar Georg Forster zu nennen.17 Im
Zuge der Industrialisierung wurden Beobachtungsreisen aus wettbewerblichen Aspekten
und dem Begehren von wirtschaftlich stärkeren Vorbildern zu lernen üblich und somit kei-
neswegs mehr ausschließlich höfischen Kreisen oder dem Adel vorbehalten. 18 Das Bildungs-
system Deutschlands erregte schon früh die Aufmerksamkeit der Nachbarländer, beispiels-
weise veröffentlichte der Franzose Victor Cousin 1834 nach seiner Deutschlandreise einen
Bericht über das deutsche Bildungssystem, der sogar ins Englische übersetzt wurde und
auch die Reformen der Weimarer Republik sorgten international für Aufsehen.19 Auch die
gewerblichen Schulen Frankreichs wurden von den europäischen Nachbarn interessiert be-
obachtet. 20 Verstärkt zog Deutschland die Aufmerksamkeit auf sich, als es sich gegen Ende
des 19. Jahrhunderts zum ‚Wirtschaftswunder‘ entwickelte und dies auf das duale System
der beruflichen Bildung, das qualifiziertes Fachpersonal ermöglichte, zurückgeführt wur-
de.21
Mitte der 50er Jahre begann die deutsche Berufsbildungshilfe in Entwicklungsländern.22
Auftakt war das „Modell einer Facharbeiterschule für Entwicklungsländer“23, in der im
Rahmen einer vollzeitschulischen Ausbildung Fachkräfte generiert werden sollten.24 Arnold
stellt heraus, dass diese Ausbildung nicht zum erhofften Erfolg führte, da sie nicht die
zeitgemäßen Anforderungen einer praxisorientierten Ausbildung, die in ihrer Konzeption
unter anderem die Bedürfnisse der Unternehmen aufgreift, erfüllte.25 Georg und Greinert
machen auf die Perspektive der „Helfer“ aufmerksam und stellen auf diese Weise die nor-
mative Wertung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit dar und betonen, dass es
sich um eine eurozentrische Perspektive und Denkhaltung handelt, da sich Industrienatio-
17 Vgl. Wolf, 2011, S. 1 f. 18 Vgl. ebenda, S. 1 f. 19 Vgl. Philips/Ochs, 2004, S. 77 20 Vgl. Wolf, 2011, S. 1 f. 21 Vgl. Barabasch/Wolf, 2010, S. 23 22 Vgl. Greinert, 2001, S. 46 23 Ebenda, S. 46 24 Vgl. Greinert, 2001, S. 46 25 Vgl. Arnold, 1986, S. 159
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 4 -
nen automatisch und selbstverständlich als Vorbild und Modell begreifen und dem Entwick-
lungsland die Rolle des Lernenden voller Selbstverständlichkeit zudenken, das nur, wenn es
Strukturen und Vorgehensweisen bereit ist anzunehmen, die Industrialisierung nachholt
und sich auf diese Weise „entwickeln“ kann.26 So betont auch Stockmann, „Entwicklung
wurde mit Wirtschaftswachstum gleichgesetzt.“27
Grundsätzlich war die Idee der Errichtung von Facharbeiterschulen, dass Strukturen, die in
Deutschland zum „Wirtschaftswunder“ maßgeblich beigetragen haben, ebenso zur Förde-
rung von Potenzialen von Entwicklungsländern und zu deren Wirtschaftswachstum beitra-
gen sollten.28 Das Modell wies jedoch mehr Schwächen als Stärken auf und es wurde deut-
lich, dass berufsbildende Projekte nur nachhaltig wirksam und effizient zu initiieren seien,
wenn die Kooperation verstärkt mit Trägern und Akteuren der verfassten Wirtschaft, den
Unternehmen, der Praxis fokussiert werde.29 Waren es zu Beginn die nationalen Erzie-
hungsministerien gewesen, wurde in den Folgejahren die Zusammenarbeit mit den Arbeits-
Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerien ausgebaut.30
2.1.2 Optimierungsbedarf bei der Umsetzung in Lateinamerika
Strukturell hervorheben lässt sich als Ergebnis der ersten dreißig Jahre Entwicklungszu-
sammenarbeit, dass in den meisten Ländern der Staat als einziger Akteur Berufsbildungs-
programme anbot und zum anderen versucht wurde, ausgelöst durch die Bildungsexpansion
der 60er Jahre und der Trend der „vocationalization“ zu Beginn der 70er Jahre die Sekun-
darstufe II mit berufsbezogenen Fächern zu ergänzen, um auf diese Weise soziale Un-
gleichheit und Jugendarbeitslosigkeit zu verringern.31 Diese Ziele wurden jedoch nicht er-
reicht und die staatszentrierte Berufsbildungspolitik wurde kritisiert und in Folge galt be-
rufliche Bildung nach wie vor als zweitklassig, Absolventen fanden keine Anstellung, die
Kosten der Berufsbildungszentren waren immens hoch und auch die Chancen für sozial be-
nachteiligte Jugendliche hatten sich nicht verbessert.32
Um Situation, Problemlagen und Bedarf an beruflicher Bildung in den 90er Jahren speziell
in Lateinamerika verstehen zu können, sind Rolf Arnolds acht Thesen anzuführen, die er
anlässlich der Internationalen Tagungen der Deutschen Stiftung für Internationale Entwick-
lung/ Zentralstelle für gewerbliche Berufsförderung zum Ziel der Implementierung leis-
tungsfähiger Berufsbildungssysteme in Lateinamerika im Rahmen der Entwicklungszusam-
menarbeit vortrug. In seinen Thesen, die in der folgenden Tabelle zusammengefasst sind,
26 Vgl. Georg, 2006, S. 509 f.; Greinert, 2001, S. 46 27 Stockmann, 2004, S. 45 28 Vgl. Stockmann, 2013, S. 114 29 Vgl. Greinert, 2001, S. 46 30 Vgl. Georg, 2006, S. 514 31 Vgl. ebenda, S. 514 f. 32 Vgl. ebenda, S. 515
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 5 -
kommen Kritik am bestehenden System sowie Lösungsvorschläge zum Ausdruck. Er thema-
tisiert und diskutiert, wie seiner Meinung nach ein leistungsfähiges Berufsbildungssystem in
Lateinamerika künftig ausgestaltet sein muss, um wirksam zu sein und die originären Ziele
beruflicher Bildung entfalten zu können.33
Grundsatz Inhalt
Ganzheitlichkeit Eine ganzheitliche Berufsausbildung kann nicht durch eine the-oretische Vollzeitschule gewährleistet werden, sondern muss praxisnah und in die regionale Wirtschaft integriert sein.
Praxisnähe Berufsbildung ausschließlich theoretisch abstrakt zu vermitteln oder gar in das formale Bildungswesen zu integrieren, erweist sich als teuer, ineffizient und macht auf Probleme des unzurei-chenden Lerntransfers aufmerksam.
Orientierung der Ausbil-dung am Bedarf der Wirtschaft
Durch eine intensive Zusammenarbeit zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung wird der Theorie-Praxis-Schere ent-gegen gewirkt und Stellenwert und Einflussnahme der Praxis steigen.
Chancengleichheit Fach- und Branchenwissen kann zugleich durch betriebliche Ausbildung vermittelt und unabhängig von der Herkunft jedem möglich sein. Aufgrund dessen, dass das System die Bedürfnisse der Wirtschaft aufnimmt, verarbeitet und bedarfsorientiert ausbildet, können mehr Jugendliche eine Ausbildung absolvie-ren.
landesweite Finanzie-rung
Auch soll berufliche Bildung nicht nur in den Ballungszentren, sondern auch in ländlichen Regionen möglich und finanziert sein.
Involvierung der Betrie-be unabhängig von der Betriebsgröße
Betriebe sind wichtige Partner, deren Eignung nicht von der Betriebsgröße abhängt. Immer dann jedoch, wenn zu strikte Vorgaben und Standards formuliert werden, hemmt dies die Bereitschaft, insbesondere von kleinen Unternehmen.
Aufwertung der berufli-chen Bildung durch ziel-gruppenadäquate An-sprache
Berufsausbildung soll kein Auffangbecken für Jugendliche dar-stellen, die lieber an die Universität gegangen wären, sondern zielgruppengerecht jene ansprechen, die in den Leistungsers-tellungsprozess handwerklich involviert sein möchten. Auf die-se Weise wäre auch eine Aufwertung der beruflichen Bildung gewährleistet.
pädagogisches und fach-liches Wissen des Be-rufsbildungspersonals
Ausbildungspersonal in Betrieb und Schule muss fachlich, di-daktisch und methodisch kompetent sein
Tabelle 1: Kernaussagen der acht Thesen Arnolds34
Probleme, mit denen sich die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)35 in den
90er Jahren konfrontiert sah und die das Vorhaben, die duale berufliche Bildung zu imple-
mentieren erschwerten, waren gesetzliche Regelungen, wie beispielsweise Militärdienstre-
gelungen, Mindestlöhne, mangelnde Jugendarbeitsschutz- oder Ausbildungsgesetze, spärli-
33 Vgl. Arnold, 1986, S. 155 ff. 34 Eigene Darstellung in Anlehnung an Arnold, 1986, S. 157-175 35 Seit 2011 Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
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che Motivation auf Unternehmensseite Ausbildungsplätze anzubieten, wenige Ausbildungs-
plätze in ländlichen Regionen sowie hohe Abbruchsquoten bei den Auszubildenden.36
Spät, nämlich erst ab dem ‚Sektorkonzept von 1992‘, änderte sich die Ausrichtung der
Entwicklungszusammenarbeit im Hinblick auf die berufliche Bildung, und fortan stand zu-
sätzlich zur Qualifizierung auch die persönliche Entfaltung des Individuums im Vorder-
grund.37 Durch das Angebot dualer Ausbildungsmöglichkeiten sollte auf die Bedürfnisse der
Bevölkerung eingegangen werden, indem auch in arbeitspraktischen Berufen Erwerbsmög-
lichkeiten durch Ausbildungen geschaffen wurden.38 Der entscheidende Wandel war außer-
dem, dass es sich fortan um einen „systemischen Projektansatz“39 in der Berufsbildungshil-
fe handelte und die Konzentration nicht mehr nur noch der Förderung einzelner Projekte
galt.40 Es rückte die Konzeptionierung eines ganzheitlichen Systems in den Vordergrund,
das länderspezifische „berufsbildungspolitische Strömungen“ berücksichtigt und obendrein
Chancengleichheit begünstigen soll durch spezielle Angebote für den dominanten informel-
len Sektor.41
2.1.3 Wachsender Stellenwert beruflicher Bildung in der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit
„Die Millenniumserklärung von 2000 führte zu einer konzeptionellen Neuorientierung der
internationalen wie auch der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.“42 Im Jahr 2001
wurde das „Aktionsprogramm 2015“ verabschiedet, das sich nach den acht, international
vereinbarten Millenniumsentwicklungszielen43 ausrichtet (englisch: Millennium Develop-
ment Goals (MDG)) und als Oberziel die Armutsbekämpfung anvisiert. Um dies zu errei-
chen, sollte die Berufsbildungsförderung am Arbeitsmarkt ansetzen, den Ausgleich zwi-
schen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage bewirken und auf diese Weise langfristige posi-
tive Beschäftigungseffekte schaffen.44 Stockmann stellt dies als verkürzte Denkweise in
Frage und weist daraufhin, dass es empirisch nicht gesichert sei, dass ein Ausgleich zwi-
schen Arbeitskräfteangebot und Arbeitskräftenachfrage zu einem Abbau von Arbeitslosig-
36 Vgl. Heintze, 1986, S. 193-199 37 Vgl. Stockmann, 2013, S. 114 38 Vgl. ebenda, S. 114 39 Barabasch/Wolf, 2011, S. 294 40 Vgl. ebenda, S. 294 41 Vgl. Greinert, 2001, S. 47; BMZ, 2012, S. 34 42 BMZ, 2012, S. 34 f. 43 „Im September 2000 kamen hochrangige Vertreter von 189 Ländern, die meisten von ihnen Staats-
und Regierungschefs, zu dem bis dahin größten Gipfeltreffen der Vereinten Nationen in New York zusammen (Millenniumskonferenz). Als Ergebnis des Treffens verabschiedeten sie die so genannte Millenniumserklärung: Aus ihr wurden später acht internationale Entwicklungsziele abgeleitet, die Millenniumsentwicklungsziele“ (BMZ, 2015a, o.S.)
44 Vgl. Stockmann, 2013, S. 115; BMZ, 2005, S. 5
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 7 -
keit führe.45 Wallenborn macht darauf aufmerksam, dass die berufliche Bildung in der Ent-
wicklungszusammenarbeit durch den Bericht der Weltbank 2006 aufgewertet wurde, weil
sie in übergeordneten Entwicklungszielen repräsentiert ist und als Lösungsansatz gegen
Jugendarbeitslosigkeit und Fachkräftemangel instrumentalisiert wird.46
Als relevante Förderaspekte der Berufsbildungskonzepte in der Entwicklungszusammenar-
beit in den Jahren 2000 bis 2015 sind die folgenden zu nennen:
“Beitrag zur Durchführung von Wirtschaftsreformen und Aufbau der Marktwirtschaft (WiRAM),
Armutsreduzierung, Genderdifferenzierung, Erzielung von nachweisbaren positiven Beschäftigungs-
effekten, Durchführung von Bedarfsanalysen, Entwicklung von Angeboten im non-formalen Bereich,
um größere Bevölkerungsgruppen zu erreichen, Breitenwirksamkeit, Mehrebenenansatz, Vernet-
zung mit Fördermaßnahmen in anderen Sektoren, Intensivierung von Public-Private-Partnership
(PPP), Steigerung der Problemlösungskompetenz der Partnerorganisationen, Arbeitsmarktorientie-
rung und Verknüpfung mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten“47
Bei der Überprüfung der Umsetzung der Förderaspekte am Beispiel von zwölf Ländern im
Rahmen einer Evaluationsstudie wird deutlich, „dass zentrale Förderaspekte in den berufs-
bildungsbezogenen Politik- und Sektorpapieren […] nur zum Teil ihren Niederschlag bei der
Konzeptionierung von Projekten und Programmen gefunden haben.“48
Einerseits wird thematisiert, dass es Bedarfsanalysen geben soll, die untersuchen, welche
Qualifikationen der Markt verlangt, die Wirtschaft fordert oder gar Unternehmen zum Auf-
schwung benötigen, andererseits werden diese nicht durchgeführt. Ganz klar ist, dass es
nach wie vor wenig Ausbildungsangebote im non-formalen Sektor gibt, obgleich gerade
diese zur Zielerreichung von Chancengleichheit und Armutsreduzierung maßgeblich beitra-
gen könnten. Zielkonflikte oder Umsetzungsprobleme werden gerade am Beispiel von
Chancengleichheit deutlich: Denn nach wie vor wird, aus ökonomischen Gesichtspunkten,
in technische Berufsbildungsprojekte investiert, in denen die männliche Arbeitskraft domi-
niert. Wohingegen selten Projekte im Dienstleistungssektor initiiert und gefördert werden,
in welchem auch Frauen beschäftigt sind.49
Im Positionspapier „Berufliche Bildung in der Entwicklungszusammenarbeit“, das im Jahr
2012 erschien, wurden Erkenntnisse unterschiedlicher Akteure und Evaluationsergebnisse
aufgenommen und die Strategien modifiziert.50 Kurz umrissen lassen sich die folgenden
Aspekte hervorheben:
Das „lebenslange Lernen“ steht fortan im Vordergrund. Im Rahmen dessen wird die Bedeu-
tung von Sozialkompetenz erkannt und soll gezielt gefördert werden. Indem Staat, Wirt-
45 Vgl. Stockmann, 2013, S. 115 46 Vgl. Wallenborn, 2007, S. 47 f. 47 Stockmann, 2013, S. 118 f. 48 Ebenda, S. 121 49 Vgl. Stockmann, 2013, S. 119-127 50 Vgl. BMZ, 2012, S. 35
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 8 -
schaft und Gesellschaft enger zusammenarbeiten, soll es möglich sein, ein Ausbildungsan-
gebot zu schaffen, das sich an den Bedürfnissen der Praxis orientiert, diese bei der Kon-
zeptionierung berücksichtigt und in Folge Unternehmen und Auszubildende motiviert und
akquiriert.51
Die Ziele verdeutlichen bereits ausgemachte, erkannte und zurückgemeldete Probleme im
Hinblick auf Akzeptanz und Umsetzung vorangegangener Strategien, da ersichtlich wird,
dass die berufliche Bildung wie fast in allen Ländern mit dem Image kämpft, weniger wich-
tig und weniger geachtet als die allgemeinen Bildung zu sein (‚white collar syndrom‘). Of-
fensichtlich ist dies auch damit in den Zusammenhang zu bringen, dass sie ihre originäre
Aufgabe verfehlt Wissensinhalte und Qualifikationen, die der Arbeitsmarkt fordert, zu ver-
mitteln. Im Umkehrschluss wird ein Circulus vitiosus deutlich, denn aufgrund von mangeln-
der Akzeptanz investieren relevante Akteure, wie Staat und Unternehmen, nur zurückhal-
tend. Erschwert wird die Durchführung auch, weil Zuständigkeiten im Bereich der berufli-
chen Bildung unklar oder gar nicht geregelt sind, weil es beispielsweise mehrere Ministeri-
en gibt und deren Verantwortungsbereiche sich überlappen, was wiederum zu Steuerungs-
problemen führt bzw. eine konsistente, transparente Vorgehensweise verhindert.52
Den Grundsätzen Armut nachhaltig zu bekämpfen und Chancengleichheit zu erreichen, soll
Folge geleistet werden, indem bedeutende Akteure integriert und das berufliche Bildungs-
system reformiert wird, so dass es insbesondere sozial benachteiligte Menschen anspricht.
Wie bereits häufig erwähnt, scheint eine stärkere Ausrichtung am Arbeitsmarkt als elemen-
tar. Dies verdeutlicht auch die Idee, dass künftig Wissen, das obendrein gesellschaftliche
und politische Themen integriert, vermittelt werden soll.53
2.1.4 Kontextbezogene Struktur von Bildungssystemen
In den vorangegangenen Abschnitten des Kapitels wird deutlich, dass es entscheidende
Phasen und Richtungswechsel in der Ausrichtung der Berufsbildungshilfe und Entwicklungs-
zusammenarbeit gab. Prinzipiell könnte man sagen, dass es sich in den 50er und 60er Jah-
ren eher um eine Entwicklungsarbeit und weniger um eine Zusammenarbeit handelte, denn
einseitiges Kopieren und nicht gemeinsames Konzipieren dominierte. Ab den 80er Jahren
wurde erkannt, dass ein Transfer nur dann gelingen kann, wenn es sich nicht um ein ein-
zelnes Vorhaben, das gut gemeint diktiert wird, handelt, sondern Umwelt, Kultur und die
Akteure vor Ort aktiv und langfristig einbezogen werden, so dass es sich zu einem nachhal-
tigen System entwickelt.54 Seit dem Sektorpapier von 1992 wird versucht, das duale Ausbil-
51 Vgl. ebenda, S. 4 52 Vgl. ebenda, S. 10 53 Vgl. ebenda, S. 17 54 Vgl. Stockmann, 2013, S. 114; Barabasch/Wolf, 2011, S. 294; Greinert, 2001, S. 47; BMZ, 2012, S.
34
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
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dungsmodell nach deutschem Vorbild zu implementieren. Vor diesem Hintergrund wirken
aus europäischer Perspektive auch das ‚Aktionsprogramm 2015‘ bzw. die Ziele, wie Ar-
mutsreduzierung und Chancengleichheit durch berufliche Bildung zu erreichen, fortschritt-
lich und verständlich. In den vergangenen Jahren sind verstärkt Ansätze des Qualitätsma-
nagements in der Ausrichtung erkennbar, um auf diese Weise die Wirksamkeit des Systems
kontinuierlich und nachhaltig zu verbessern.55 So wird der Versuch unternommen, Ergebnis-
se von Evaluationen56 in Strategiepapiere aufzunehmen und die Vorgehensweisen daran
anzupassen.57 Bewusst wird versucht das Wissen aller zu schöpfen und nationale Akteure zu
stärken, um partizipative, systemische, konstruktivistische Theorien in der Entwicklungszu-
sammenarbeit anzuwenden. Auch dominiert die Idee, lediglich Elemente des dualen Sys-
tems angepasst an den Kontext zu übertragen.58
„Die Strukturen der deutschen Berufsausbildung, die wir im Allgemeinen als das „duale System“
etikettieren, sind in ihrer heutigen Gestalt keine „Reißbrettkonstruktion“, sondern als Produkt
„realer Antriebe“ das Ergebnis einer nationalen Sozial- und Kulturgeschichte.“59
Diesem Gedanke folgend, wurde in der vorangegangenen Argumentation die historische
Entwicklung der Berufsbildungszusammenarbeit dialektisch erörtert. Ziel ist dabei, den
heutigen Transfer des dualen Systems in Lateinamerika zu begreifen.
2.2 Eine Synthese aktueller Forschungsbefunde vor der Fragestellung
des Transfers
2.2.1 Konzipierung eines Modells
Das deutsche duale System genießt international hohes Ansehen aufgrund seines systemi-
schen Charakters und des vorherrschenden Prinzips, die Praxis einzubeziehen und zu ver-
werten.60 Wallenborn betont, dass Partner aus Entwicklungsländern überzeugt seien vom
dualen System, da aus deutscher Perspektive durch die langjährige, nicht fehlerlose, er-
fahrungsreiche Entwicklungszusammenarbeit eine „Transferkompetenz“61 erlangt worden
sei.62 Doch insbesondere aktuelle Forschungsbefunde machen auf die Transferproblematik,
die nach wie vor existiert, aufmerksam und unterstreichen die Notwendigkeit, Elemente
des dualen Systems an lokale Bedingungen anzupassen,63 um dem Anspruch gerecht zu
55 Vgl. Stockmann, 2013, S. 115 ff. 56 Auf Rolle und Stellenwert von Evaluation im Bereich der Berufsbildungshilfe wird in Kapitel 3.2
näher eingegangen 57 Vgl. BMZ, 2012, S. 34 f.; Borrmann/Stockmann, 2009, S. 17 f. 58 Vgl. Euler, 2013a, S. 7 59 Deißinger, 1998, S. 2 60 Vgl. Wallenborn, 2007, S. 49 61 Ebenda, S. 49 62 Vgl. Wallenborn, 2007, S. 49 63 Vgl. Bayer, 2013, S. 38; Euler, 2013a, S. 4 ff.; Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 3 & 10
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 10 -
werden ein nachhaltiges, effizientes System zu erschaffen, das Jugendarbeitslosigkeit64
senkt, die Wirtschaft stärkt, Fachkräfte generiert Chancengleichheit sichert und Durchläs-
sigkeit erhöht.65 Gerade deswegen scheint in Bezug auf die Fragestellung das von Deißinger
formulierte Fazit so wichtig:
„Ungeachtet der positiven internationalen Positionierung des „dualen Systems“ sollte in diesem
Zusammenhang nochmals in Rechnung gestellt werden, daß wir es im Bereich der beruflichen Bil-
dung mit historischen und kulturellen Prägungen zu tun haben, die bezogen auf unterschiedliche
nationale Kontexte jeweils einzigartig sind.“66
Daher sei mit Empfehlungen vorsichtig umzugehen, wenn über einen Transfer nachgedacht
wird.67 „Apprenticeship is a cultural experience.“68 Deißinger und Harris betonen, dass das
duale System häufig als Instrument gewählt werde, um die wirtschaftliche Situation eines
Landes zu verbessern, aber dass im Rahmen dessen zu wenig berücksichtigt werde, dass ein
Ausbildungssystem auch immer Ergebnis von Erfahrungen einer Gesellschaft sei.69
Das in Abbildung 1 dargestellte Modell, das in dieser Arbeit vertreten wird, ist eine Synthe-
se aktueller Forschungsbefunde und Strategiepapiere (der GIZ und AHK). Es soll eine Aus-
wahl konstitutiver Strukturmerkmale des dualen Systems veranschaulichen und den wech-
selseitigen Zusammenhang der Strukturmerkmale mit den Faktoren, die sowohl auf die
Wirksamkeit einwirken als auch von den Strukturmerkmalen des dualen Systems beeinflusst
werden, verdeutlichen. Auf diese Weise soll es gelingen, konstitutive Elemente des deut-
schen dualen Systems sichtbar zu machen, aber zugleich für neuralgische Punkte zu sensi-
bilisieren und bisherige Erfahrungen zu reflektieren. Wie schon angedeutet handelt es sich
dabei um einen Transfer eines Systems in einen anderen Diskurs70, in dem andere Regeln
gelten. Diese Arbeit soll dazu auffordern, über adäquate Anpassungen nachzudenken und
der Zielvorstellung einer „Transferkompetenz“71, wie Wallenborn es formuliert, Folge zu
leisten. Übergeordnet machen dieser Anspruch, das Modell und die Transferproblematik
auf folgende Fragen aufmerksam:
Welche Strukturmerkmale des dualen Systems sind auszumachen, welche Rahmenbedin-
gungen wirken auf die Wirksamkeit des dualen Systems ein und werden wechselseitig von
diesem beeinflusst?
64 An dieser Stelle soll auf die Expertise von Busemeyer (2012) verwiesen werde, in der er exempla-risch darstellt, dass in Ländern, in denen der Stellenwert beruflicher Bildung gering ist oder voll-zeitschulische Systeme dominieren, die Jugendarbeitslosigkeit hoch ist.
65 Der Frage, ob das deutsche duale System dies auch wirklich leistet, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht nachgegangen werden.
66 Deißinger, 1998, S. 265 67 Vgl. ebenda, S. 264 f. 68 Deißinger/Harris, 2003, S. 1 69 Vgl. ebenda, S. 1 f. 70 Michel Foucault stellte in seiner Antrittsvorlesung „Die Ordnung des Diskurses“ 1970 Mechanismen
vor, die den Diskurs kontrollieren. 71 Wallenborn, 2007, S. 49
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 11 -
Worauf ist bei der Implementierung des dualen Systems nach deutschem Vorbild insbeson-
dere im außereuropäischen Ausland zu achten?
Die folgende Abbildung stellt das Modell der Untersuchung dar und verbildlicht Zusammen-
hang von Rahmenbedingungen und Strukturmerkmalen, die in den folgenden beiden Unter-
kapiteln erläutert werden.
Abbildung 1: Strukturmerkmale und Rahmenbedingungen des dualen Systems72
Die konstitutiven Elemente bzw. Strukturmerkmale, wie Praxisbezug, Kooperation, Ar-
beitsmarktnähe sowie Breitenwirkung, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit sind wichtige
Systemeigenschaften des dualen Berufsausbildungssystems.73 Wohingegen die Faktoren
Finanzierungskonzept, gesellschaftliches Ansehen der Berufs(aus)bildung sowie Zertifikate
und Qualitätsstandards als Rahmenbedingungen aufgefasst werden. Es soll einerseits auf
die Wichtigkeit, Gesellschaft, Staat und Kultur in Überlegungen zu integrieren, hingewie-
sen werden, um Hindernisse und Schwierigkeiten, die sich dadurch ergeben, aufzugreifen,
und andererseits im positiven Sinne Steuerungsmöglichkeiten, die das duale System gerade
im Hinblick auf Beschäftigung und Arbeitsmarkt bietet, aufzuzeigen.
2.2.2 Strukturmerkmale des dualen Systems
Praxisbezug, Kooperation, Arbeitsmarktnähe
72 Eigene Darstellung 73 Euler macht in seiner Expertise auf elf konstitutive Elemente des dualen Systems aufmerksam,
betont, dass es nicht darum geht, alle Elemente eins zu eins umzusetzen, sondern eine Auswahl zu treffen und die Elemente an lokale Gegebenheiten und aktuelle Fragestellungen anzupassen.
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 12 -
Euler führt als konstitutives Element der dualen Ausbildung die „[b]reite Zielausrichtung:
Berufsbildung als Mittel zur Erreichung ökonomischer, sozialer und individueller Ziele“74 an
und weist daraufhin, dass leicht Zielkonflikte entstehen, hebt aber die Chance hervor,
durch die duale Berufsausbildung Fachkräfte zu generieren, die die Leistungsfähigkeit der
Wirtschaft des Landes sichern und steigern.75 „Eine alternierende Ausbildung in Schule und
Betrieb“76 beschreibt das konstitutive Merkmal des dualen Ausbildungssystems, welches
den Wechsel von theoretischem Lernen in der Schule und dessen praktischer Anwendung im
Betrieb sichert. Auf diese Weise soll es gelingen, theoretisches Wissen in der Praxis anzu-
wenden, auf Widersprüche zu stoßen, zu reflektieren und berufliche Handlungskompetenz
zu erlangen. Euler weist auch auf die Flexibilität hin, zeitliche Gewichtung der Aufteilung
von theoretischer Lehre und praktischem Tun spezifisch an Ausbildungsberufe und Ausbil-
dungssituation anzupassen und umgekehrt auch theoretisches Wissen im Betrieb und prak-
tische, fachliche Vertiefung in der Schule zu ermöglichen.77
Die Guidelines der GIZ greifen Praxisbezug, Kooperation und Arbeitsmarktnähe als Grund-
satz und Aufgabe ihrer Arbeit im Bereich der beruflichen Bildung auf. So wird unterstri-
chen, dass Kooperation und Koordination auf verschiedenen Ebenen, wie Wirtschaft und
Bildung, lokal und global, für Staat und Arbeitgeber zwar eine Herausforderung darstellen,
aber zugleich wichtig sind, um lokale Netzwerke aufzubauen und gemeinsam Verantwor-
tung zu übernehmen. Durch die Beteiligung der Betriebe, das Lernen im Arbeitsprozess, die
kompetenzorientierte Formulierung von Lernzielen sollen die Absolventen dazu befähigt
werden, Arbeits- und Geschäftsprozesse zu planen, durchzuführen und kritisch zu beurtei-
len. Dies soll zur Folge haben, faire Arbeitsbedingungen zu erreichen. Empirische Studien,
wie zum Beispiel zu folgenden Themen: „Arbeitsplatz- und Tätigkeitsanalysen“, „Arbeits-
organisationsanalysen“, „Sektoranalysen“, stellen sicher, dass Berufsbildung nicht am Ar-
beitsmarkt vorbeigeht, sondern ein System für ein Land erschafft, das auf zukünftige An-
forderungen bezogen ist.78
Der Erfolg einer beruflichen Ausbildungsmaßnahme muss an dem Erfolg der Absolventen
auf dem Arbeitsmarkt gemessen werden. Gleichzeitig darf kein verkürztes Denken entste-
hen. Bedarfe des Arbeitsmarkts sollen aufgenommen werden und zugleich muss die persön-
liche Entwicklung des einzelnen im Vordergrund stehen und das Individuum dazu befähigt
werden, fachliche, soziale und personale Kompetenzen zu erlangen.79
74 Euler, 2013a, S. 20 75 Vgl. ebenda, S. 20-23 76 Ebenda, S. 32 77 Vgl. ebenda, S. 32-38 78 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 9-14 79 Vgl. Arnold, 2010, S. 147; Baur/Przyklenk/Clement, 2014, 2014, S. 16
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
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Arnold unterstreicht die Wichtigkeit des Praxisbezugs und der -kooperation, indem er dies
sogar als Qualitätskriterium beruflicher Bildung definiert und hervorhebt, dass berufliche
Bildung nur dann erfolgreich ist, wenn es genügend gut ausgebildete Fachkräfte gibt. Dies
gelingt nur, wenn aktiver Kontakt mit den Betrieben und deren Interessensverbänden ge-
pflegt wird und deren Erwartungen umgesetzt werden.80
Auch in der 2014 veröffentlichen Studie von Bliem, Petanovitsch und Schmid wird argumen-
tiert, dass es bei der Konzeptionierung neuer Ausbildungsberufe sinnvoll sei, Betriebe, In-
teressensvertretungen und Gewerkschaften zu beteiligen.81
Aufgrund des im Jahre 2010 geschlossenen Kooperationsabkommen zwischen der DIHK und
der GIZ entstand in Folge auch ein „Orientierungspapier“, das auf Kernkompetenzen, Po-
tenziale und Möglichkeiten im Bereich der beruflichen Bildung aufmerksam macht. In die-
sem wurden unter anderem die Elemente „Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft“,
„Lernen im realen, betrieblichen Arbeitsprozess“ festgelegt, und als Zielvorstellung fixiert,
diese in die Praxis umzusetzen.82
Breitenwirkung, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit
Ein wichtiger Grundsatz beruflicher Bildung ist es, dass niemandem der Zugang verwehrt
und keiner sozial ausgegrenzt wird.83 Arnold weist daraufhin, dass in Entwicklungsländern
aufgrund der hohen Anzahl an informell Erwerbstätigen über Möglichkeiten nachgedacht
werden müsse, die sicherstellen, dass die berufliche Bildung allen offen steht.84 Als Aufga-
be fasst es die GIZ auf, dafür zu sorgen, dass neben der allgemeinen Grundbildung lebens-
langes Lernen möglich sei, dass allgemeine und berufliche Bildung gleichwertig und dass
die Bildungsstrukturen so durchlässig seien, dass nach einem beruflichen Bildungsweg eine
akademische Bildung folgen könne.85 Der Grundgedanke der dualen Ausbildung zielt darauf
ab. berufliche Handlungskompetenz zu erlangen und einen Beruf zu erlernen.86 Ein Beruf
unterscheidet sich von einem Job dadurch, dass verschiedene Tätigkeiten erlernt werden,
die sowohl eine breitangelegte Qualifizierung als auch eine Spezialisierung ermöglichen.87
Das Berufskonzept thematisiert den Anspruch, dass der Lernende neben der fachlichen
Entwicklung auch eine persönliche Entwicklung sowie gesellschaftliche Integration durch
den Beruf erlangen soll.88 Diesen Anspruch hebt auch Euler in seiner Expertise hervor, in-
dem er betont, dass es dem jungen Menschen möglich sein soll, sich persönlich zu entfal-
80 Vgl. Arnold, 2010, S. 146 f. 81 Vgl. Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 56 82 Vgl. Koenig et al., 2013, S. 6 83 Vgl. Euler, 2013a, S. 21 84 Vgl. Arnold, 2010, S. 147 85 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 15 86 Vgl. Euler, 2013a, S. 25 f.; Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 69 87 Vgl. Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 69 88 Vgl. ebenda, S. 69
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
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ten, in die Gesellschaft integriert zu werden und über die Arbeit in den Beruf zu finden.89
Auszubildende sollen nicht nur für den einzelnen Betrieb, sondern für den globalen Ar-
beitsmarkt ausgebildet werden.90
Durch das Aufzeigen von Weiterbildungsmöglichkeiten im Anschluss an die duale Berufsaus-
bildung kommt man dem Ziel näher, dass die berufliche Bildung als eine vollwertige Alter-
native zum akademischen Bildungsweg begriffen wird.91 Dieser Anspruch wird in der Maxi-
me des deutschen Berufsbildungssystems „Kein Abschluss ohne Anschluss“ subsummiert.
Eine Verzahnung setzt voraus, dass das duale System so modifiziert wird, so dass es das
lokale Bildungssystem bereichert, ergänzt und stützt.
2.2.3 Rahmenbedingungen des dualen Systems
Gesellschaftliches Ansehen der Berufs(aus)bildung
In Ländern, in denen die duale Berufsausbildung eine lange Tradition hat, sind die Akzep-
tanz und das Ansehen vergleichsweise höher als in Ländern, in denen sie keine historischen
Wurzeln hat.92 In vielen Ländern ist das Ansehen der beruflichen Bildung gering, weil es mit
Ausweglosigkeit, schmutziger Arbeit und geringem sozialem Status assoziiert wird.93 Doch
um das duale System wirksam transferieren zu können, ist die Akzeptanz eine wichtige
Voraussetzung und kann beispielsweise durch Sozialpartner, Politik, Imagekampagnen und
durch attraktive Branchen, die ein lernförderliches Klima bieten, verbessert werden.94
Nichtsdestotrotz ist es gerade im Ausland eine Hürde, Unternehmen zu finden, die ausbil-
den wollen, da diese Art der Bildung weder üblich noch bekannt ist.95 Gerade deswegen
beteiligen sich häufig fast ausschließlich ausländische Unternehmen am dualen System,
was dann wiederum zu einer „Ausbildungsaristokratie“ führt.96
In diesem Abschnitt soll obendrein die Typologisierung von Berufsausbildungssystemen nach
Busemeyer aufgegriffen werden. Diese Einteilung nimmt zahlreiche genannte Aspekte aus
den Abschnitten Arbeitsmarktbezug, Kooperation, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit auf
und wird daher übergeordnet dem gesellschaftlichen Ansehen der Berufs(aus)bildung zu-
geordnet.
Die folgende Tabelle veranschaulicht eine Einteilung von Ausbildungssystemen in vier un-
terschiedliche Typen. Stärke des Engagements von Privatwirtschaft oder Staat sind ent-
scheidend.
89 Vgl. Euler, 2013a, S. 21 90 Vgl. ebenda, S. 25 f. 91 Vgl. Arnold, 2010, S. 147 92 Vgl. Euler, 2013a, S. 66 93 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 31 94 Vgl. ebenda, S. 31; Euler, 2013a, S. 65-70 95 Vgl. Euler, 2013a, S. 69 96 Vgl. ebenda, S. 69
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
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Tabelle 2: Ausbildungssysteme im internationalen Vergleich97
Die vier Ausbildungssysteme unterscheiden sich dadurch, inwiefern sich Staat und Privat-
wirtschaft in der beruflichen Bildung engagieren und bereit sind, in eine zertifizierte be-
rufliche Qualifizierung zu investieren.98 Bei staatszentrierten oder etatistisch organisierten
Systemen investieren die Unternehmen kaum in die berufliche Bildung und der Staat trägt
fast alle Kosten. Es handelt sich meist um eine vollzeitschulische Ausbildung und die beruf-
liche Bildung ist Bestandteil des allgemeinbildenden Sekundarschulwesens.99 Dies wiede-
rum ermöglicht eine Durchlässigkeit vom beruflichen ins allgemeine Bildungswesen.100 Beim
liberalen System hingegen engagieren sich sowohl Unternehmen als auch Staat kaum.101
Folglich sind allgemeinbildende Abschlüsse die Regel, der Hochschulsektor ist dominant
und Unternehmen können nicht nachvollziehen, warum sie in berufliche Bildung investie-
ren sollten.102 Das segmentalistische Modell wird dadurch gekennzeichnet, dass vor allem
große Unternehmen oder Konzerne beträchtliche Summen in die firmenspezifische betrieb-
liche Bildung investieren, aber diese Ausbildungsform steht nur wenigen Jugendlichen of-
fen.103 Im Rahmen des kollektiven Modells engagieren sich Staat und Privatwirtschaft na-
hezu gleichermaßen, die Kosten werden geteilt, privatwirtschaftlich anerkannte Zertifizie-
rungen spielen eine große Rolle, um Vergleichbarkeit und Mobilität zu sichern.104
Finanzierungskonzept und Nachhaltigkeit
In Deutschland wird das duale System von unterschiedlichen Akteuren getragen und finan-
ziell unterstützt. Der Bildungsfinanzbericht 2013 zeigt auf, dass laut Bildungsbudget 2010
sich der private Bereich mit 41,1 %, die Länder mit 27,8 %, der Bund mit 17,0 % und Ge-
97 Eigene Darstellung in Anlehnung an Busemeyer, 2012, S. 12; Busemeyer, 2013, S. 7 98 Vgl. Busemeyer, 2012, S. 11; Busemeyer, 2013, S. 6 99 Vgl. ebenda, S. 11; ebenda, S. 6 f. 100 Vgl. ebenda, S. 11; ebenda, S. 6 f. 101 Vgl. ebenda, S. 11; ebenda, S. 7 102 Vgl. ebenda, S. 11; ebenda, S. 7 103 Vgl. Busemeyer, 2012, S. 11 104 Vgl. ebenda, S. 11; Busemeyer, 2013, S. 7
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 16 -
meinden und Zweckverbände mit 14,1 % sich an der Finanzierung beteiligten.105 Dieses Mo-
dell ist so nicht übertragbar, da diese Art und Weise der Beteiligung an den Kosten, ge-
meinsam finanziert durch Privatwirtschaft und Staat in Deutschland durch die lange Tradi-
tion selbstverständlich ist, wohingegen dieses Modell für andere Länder, denen diese histo-
rischen Wurzeln fehlen, untypisch ist. Wichtig ist, dass Ausbildung nicht zum Wettbe-
werbsnachteil wird.106 Oft ist es schwierig, die Betriebe von der Vorteilhaftigkeit zu über-
zeugen, und gerade deshalb ist es wichtig, dass die Kosten verteilt werden.107 In Dänemark
zahlen die Unternehmen proportional zu ihrer Mitgliederanzahl in einen Fonds ein, der
Ausbildungsunternehmen unterstützt.108 Zugleich hat derjenige, der berufliche Bildung
finanziert, einen großen Einfluss auf Qualität und Ausgestaltung.109 Durch die Beteiligung
unterschiedlicher Akteure aus der Zivilgesellschaft, der Privatwirtschaft und aus staatlicher
Ebene soll eine beständige, krisensichere Finanzierung erreicht werden. 110 Die Privatwirt-
schaft muss an der Finanzierung beteiligt werden, da diese auch die Nachfrager von quali-
fizierten Fachkräften sind.111 Ergänzend helfen öffentliche Mittel, beispielsweise in Form
von Stipendien, einerseits vom Markt her zu denken und andererseits Bildungsbarrieren
abzubauen und die Zugänglichkeit für alle zu sichern.112
Zertifikate und Qualitätsstandards
Diese Rahmenbedingungen sprechen eine Vielzahl von Themenbereichen an, wie beispiels-
weise Zertifizierung, Qualitätssicherung, Zertifizierungsinstanz, Qualifikation, kompetenz-
orientierte Prüfung, Verwertbarkeit, Mobilität sowie Durchlässigkeit. Deutlich wird aber-
mals, dass die duale Ausbildung ein komplexes System ist, das reziprok mit vielen Faktoren
und Elementen verknüpft ist, sowohl wirtschaftlich, kulturell als auch sozioökonomisch.
„Breite Akzeptanz von Standards“ und „Qualifizierung von Berufsbildungspersonal“ werden
als zwei der fünf zu transferierenden Kernelementen in der Kooperationsvereinbarung zwi-
schen der DIHK und GIZ aufgegriffen.113
Kompetenz durch Zertifikate zu bescheinigen, soll dem Arbeitsmarkt zeigen, wer fähig
ist.114 Unabhängig vom Ausbildungsunternehmen muss garantiert sein, dass jeder Auszubil-
dende eine qualitativ hochwertige Schulung durchläuft.115 Verbindliche Vorgaben, die den
gesamten Ausbildungs- und Prüfungsprozess standardisieren und für Bildungseinrichtungen
105 Vgl. Statistisches Bundesamt, 2014, S. 29 106 Vgl. Euler, 2013a, S. 47 107 Vgl. ebenda, S. 47 108 Vgl. Grollmann/ Gottlieb/ Kurz, 2004, S. 643 zit. n. Euler, 2013a, S. 47 109 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 23 110 Vgl. ebenda, 2014, S. 23 111 Vgl. ebenda, 2014, S. 33 f. 112 Vgl. ebenda, 2014, S. 33 f. 113 Vgl. Koenig et al. 2013, S. 6 114 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 17 115 Vgl. Bliem/Petanovitsch/Schmid, 2014, S. 88
Policy Transfer in der Berufsausbildung in Lateinamerika
- 17 -
sowie Betriebe gelten, sind wichtig.116 Darauf aufbauend wird eine Zertifizierung der Aus-
bildung durch eine gesellschaftlich anerkannte Institution, die häufig nicht staatlich und
daher unabhängig von ökonomischen Rahmenbedingungen ist, priorisiert.117 Ein anerkann-
tes Zertifikat unterstützt die oben genannten Strukturelemente und rückt zugleich die
Dringlichkeit von Qualitätsstandards im Rahmen der Ausbildung in den Vordergrund. Diese
wiederum fordern qualifiziertes und zertifiziertes Ausbildungs- und Lehrpersonals.118 Das
Berufsbildungspersonal muss qualifiziert sein, um ausbildend und lehrend tätig sein zu kön-
nen.119 Aufgrund dessen, dass nur die wenigsten Länder über Berufs- und Wirtschaftspäda-
gogen, betriebswirtschaftliches Lehrpersonal oder arbeitspädagogisch weitergebildete Mit-
arbeiter verfügen, nimmt die Unterstützung durch ein fachliches und oder arbeitspädagogi-
sches Weiterbildungsangebot eine wichtige Rolle ein.120
Transparente Standards, die Themenbereiche wie Ausbildungsordnungen, Rechte und
Pflichten der Akteure umfassen und Ausbildungsbereiche in Rahmenplänen konkretisieren,
sind zu formulieren, um das Ergebnis von Aus- und Weiterbildungsangeboten zu präsentie-
ren, zu zertifizieren und zu evaluieren.121 Insbesondere im Hinblick auf den Abschluss des
Auszubildenden und dessen Chancen spielt die Zertifizierung und ihre Anerkennung eine
übergeordnete Rolle.122 Eine bekannte, anerkannte Institution ist zu wählen, die prüft,
berät, überwacht und zertifiziert.123 Die Richtlinien müssen transparent sein und Kompe-
tenzen verlässlich abbilden, um eine hochwertige Qualität zu gewährleisten.124 In Deutsch-
land übernehmen diese Rolle die Industrie- und Handelskammern (IHK), deren Funktion als
überwachende, beratende, zertifizierende Instanz durch die Paragraphen 27-33, 45-50, 71,
76, 79, 90-92 im Berufsbildungsgesetz (BBiG) legitimiert wird.125 Die IHKs spielen in
Deutschland eine wichtige Rolle, da sie praxisnah im Auftrag des Staates die Ausbildungs-
qualität sichern126
116 Vgl. ebenda, S. 88 117 Vgl. ebenda, S. 17 118 Vgl. Euler, 2013a, S. 57; Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 12; Bliem/Petanovitsch/Schmid,
2014, S. 69 119 Vgl. Euler, 2013a, S. 57; Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 12 120 Vgl. ebenda, S. 57; ebenda, S. 28 f. 121 Vgl. Euler, 2013a, S. 54 f. 122 Vgl. ebenda, S. 55 123 Vgl. Euler, 2013a, S. 25 f.; Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 11 124 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 11 125 BBiG §§ 27-33, 45-50, 71, 76, 79, 90-92 126 Vgl. Bayer, 2013, S. 38
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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3 Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika aus Per-
spektive der Auslandshandelskammern: Bisherige Modelle, Erfahrun-
gen und Ideen zur Weiterentwicklung
3.1 Rolle der Auslandshandelskammern in der Berufsausbildung
Die Auslandshandelskammern weisen langjährige Erfahrung und ein vielschichtiges Enga-
gement in der Durchführung dualer Berufsausbildungsangebote im Ausland auf.127 Häufig
waren die AHKs maßgeblich an der Einführung der dualen Berufsausbildung beteiligt und
beschäftigen sich mit Fragestellungen, wie das duale Berufsausbildungssystem kontinuier-
lich verbessert und erweitert werden kann. Die AHK Bolivien bspw. führte die duale Be-
rufsausbildung in Kooperation mit der Deutschen Auslandsschule im Jahr 1992 ein.128 Be-
reits im Jahr 1979 waren Analysen durch die AHK Bolivien vorausgeschaltet worden, um
den Bedarf einer praxisnahen Ausbildung zu verdeutlichen.129 1990 wurde das Projekt wie-
der aufgenommen, von der AHK koordiniert und der GTZ mit 250 DM pro Schüler monatlich
unterstützt.130
Im Aktionsplan des DIHK (Deutscher Industrie- und Handelskammertag) vom 15.11.2012
wurden die AHKs verpflichtet ihr Dienstleistungsangebot im Bereich der dualen Berufsaus-
bildung zu prüfen, um herauszufinden, ob es quantitativ und qualitativ die Nachfrage de-
cke und nicht womöglich erweitert werden könne.131
Spätestens seit 2013 ist die Verantwortung der AHKs auch von Seiten der Bundesregierung
stärker fokussiert und präzisiert. Die Unterrichtung durch die Bundesregierung der 17.
Wahlperiode trägt die Bezeichnung „Strategiepapier der Bundesregierung zur internationa-
len Berufsbildungszusammenarbeit aus einer Hand“.132 Gerade die Rolle, dass AHKs Dienst-
leistungen für Unternehmen anbieten, die darauf abzielen qualifizierte Fachkräfte im Aus-
land zu sichern, konkretisiert Spektrum, Möglichkeit und Verpflichtung der AHKs.133 Die
tragende Rolle der AHKs wird deutlich, da sie unter „Strategische Ziele der Bundesregie-
rung“ als Institutionen genannt werden, die verantwortlich dafür sind die Außenwirtschaft
zu fördern und schlussendlich ihren Erfahrungsschatz einbringen sollen, um kooperative
Strukturen im Bereich der beruflichen Bildung zu etablieren.134 BIBB, iMove, IHK, Hand-
127 Vgl. Lutz, 2014a, S. 4 f.; Bundesregierung, 2013, S. 7 128 Vgl. AHK Bolivien, 2013, S. 31 129 Vgl. ebenda, S. 31 130 Vgl. ebenda, S. 31 f. 131 Vgl. Auswärtiges Amt, 2013, S. 2 132 Vgl. Bundesregierung, 2013, S. 1-10 133 Vgl. ebenda, S. 4 134 Vgl. ebenda, S. 6 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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werkskammer, DIHK, Zentralverband des deutschen Handwerks und die AHKs werden als
wichtige Partner angeführt.135 In Anlehnung an das deutsche duale Berufsausbildungssystem
ist es Aufgabe der AHKs beratend aktiv zu sein und bedarfsspezifisch Dienstleistungen zu
entwickeln und anzubieten.136 „AHKs können zudem im Rahmen von Pilotprojekten die
Stärken der dualen Berufsausbildung und die Bedeutung von Integration, Beratung und
Qualitätssicherung demonstrieren.“137 Eine Weisung des Auswärtigen Amts ruft zur Koope-
ration zwischen Auslandsvertretung und AHKs auf und konkretisiert die Zusammenarbeit:
Alle deutschen Akteure sollen sich regelmäßig am „Runden Tisch“ austauschen, ihr Wissen
vernetzen und ihre Aktivitäten abstimmen und darüber nachdenken, wie Berufsausbildung
mit anderen aktuellen Themenbereichen verknüpft ist oder lösungsorientiert eingesetzt
werden kann.138 Die Ziele des Berufsbildungsexports verdeutlichen die Rolle der Auslands-
handelskammer aufgrund des Erfahrungsschatzes, aber machen zugleich aufmerksam auf
das eigentliche Output orientierte Motiv des Transfers zum Ziel der deutschen Außenwirt-
schaftsförderung. Denn die drei Ziele lauten: „Fachkräfte für deutsche Unternehmen si-
chern; Investitionen im Ausland fördern; IHK-AHK-DIHK-Organisation weiterentwickeln und
als wichtigen Kompetenzträger und Kooperationspartner im Bereich Berufsbildungsexport
positionieren.“139
Doch die 2010 geschlossene Kooperationsvereinbarung zwischen GIZ und DIHK, AHK macht
obendrein auf entwicklungspolitische Möglichkeiten im Geschäftsfeld der beruflichen Bil-
dung von AHKs aufmerksam.140 In dieser Koalitionsvereinbarung werden die Synergieeffekte
thematisiert, die aus der Kombination von Außenwirtschaft und Entwicklungszusammenar-
beit gewonnen werden können.141 Deutlich wird, dass sich eben durch die teilweise kom-
plementären Zielvorstellungen und Kompetenzen der Institutionen Chancen ausmachen
lassen.142 Die Kooperation bietet Möglichkeiten und Potenziale, da gemeinsam durch inter-
disziplinären Meinungsaustausch an zentralen Schnittstellen gearbeitet werden kann, um
Ausbildungsplätze zu sichern, das Image der beruflichen Bildung zu verbessern, Curricula
zu entwickeln und das Ausbildungspersonal zu qualifizieren.143
Die DIHK-Vollversammlung erstellte, gleichzeitig mit der Verabschiedung des oben erwähn-
ten Aktionsplanes für die Jahre 2013-2016, Qualitätskategorien, die diesen konkretisieren
135 Vgl. ebenda, S. 7 136 Vgl. ebenda, S. 7 137 Ebenda, S. 7 138 Vgl. Auswärtiges Amt, 2013, S. 4 f. 139 Vgl. ebenda, S. 3 140 Vgl. Koenig et al., 2013, S. 5 141 Vgl. ebenda, S. 12 142 Vgl. ebenda, S. 12 143 Vgl. ebenda, S. 12
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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sollen.144 Die Qualitätskategorien sollen dabei unterstützen, konstitutive Elemente des
dualen Systems zu übertragen, lokal anzupassen und einen Überblick geben, welche Mög-
lichkeiten des Transfers wie einheitlich und transparent zu zertifizieren sind.145
Drei Kategorien werden detailliert im Abschnitt Zertifikate und Qualitätsstandards erläu-
tert. Die Bandbreite reicht von Kategorie A bis Kategorie C. Kategorie A wird im Rahmen
eines eins zu eins Transfers umgesetzt, häufig in Kooperation mit deutschen Auslandsschu-
len angeboten und umfasst letztendlich eine zweisprachige, internationalgültige Zertifizie-
rung. Berufsbildungsaktivitäten der Kategorie B erlauben eine stärkere Anpassung der dua-
len Ausbildung an die lokalen Bedürfnisse. Kategorie C umfasst alle betriebliche Aus- und
Weiterbildungen, die eine duale Komponente aufweisen.146
Dass noch Unklarheiten herrschen, was die Kategoriendefinition und deren Abgrenzung
anbelangt, wurde im Rahmen dieser Untersuchung deutlich, da vor allem die Unterschei-
dung zwischen Kategorie A und B in der Umsetzung noch nicht definitorisch korrekt umge-
setzt wird. Mexiko erfüllt als einziges Land die Bedingungen, um nach Kategorie A zu zerti-
fizieren, da die Ausbilderqualifizierung nach „AdA-International“ Kategorie A angeboten
wird und die Unternehmen auch tatsächlich über einen zertifizierten Ausbilder verfügen
müssen, um im Modell A ausbilden zu dürfen. In vielen Ländern ist dieser Standard noch
nicht umgesetzt. In der vorliegenden Arbeit wird die Bezeichnung Modell A, Kategorie A,
internationale Zertifizierung auch dann gewählt, wenn es sich um ein Mischkonstrukt zwi-
schen A und B handelt und nicht alle Standards erfüllt werden. In manchen Ländern ist
beispielsweise die Qualifizierung und Zertifizierung der Ausbilder gemäß deutscher Ausbil-
der-Eignungsverordnung AEVO oder „AdA-International“ nicht gegeben, aber die Absolven-
ten erhalten dennoch ein Zertifikat nach Standard der Qualitätskategorie A.
Die AHKs sind in 90 Ländern mit 130 Standorten vertreten.147 Sie sind im Partnerland vor
Ort etabliert, kooperieren mit den IHKs in Deutschland und sind verknüpft und vernetzt mit
dem DIHK.148 Der DIHK ist Dachorganisation der IHKs und koordiniert die Aktivitäten der
AHKs.149 Die DIHK-Bildungs-GmbH ist operativer Partner von DIHK, AHKs und IHKs und zu-
dem insbesondere Ansprechpartner für die AHKs im Bereich des Bildungsservices,150 wie
beispielsweise der ins spanisch übersetzte AdA-Schein-International, die Prüfungsaufgaben
und die Materialien zählen zu diesem Dienstleistungsangebot.151 Einerseits sind die AHKs
eingebunden im Partnerland und verfügen über Kontakte zu internationalen und lokalen
144 Vgl. Bayer/Sievers, 2014, S. 2 145 Vgl. ebenda, S. 2 f. 146 Vgl. ebenda, S. 3-12 147 Vgl. Lutz, 2014a, S. 2 148 Vgl. Bayer, 2013, S. 39 149 Vgl. Auswärtiges Amt, 2013, S. 2 150 Vgl. Lutz, 2014b, S. 5 151 Vgl. Hausmann, 2014, S. 1; Hausmann, 2015, S. 1
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Unternehmen, andererseits aber sind sie eng verknüpft mit den deutschen IHKs und so er-
möglicht das Netzwerk der IHK-AHK-DIHK-Organisation es ihnen, lokale Kontakte zu knüp-
fen und zugleich von deutschem Fachwissen, Fachmaterial und Fachexperten im Bereich
der beruflichen Bildung zu profitieren.152 Laut einer Umfrage153 des DIHK im Jahr 2014, bei
welcher 63 AHKs zu ihrem Engagement in der beruflichen Bildung Auskunft gaben, zählen
„Nachfrage von Mitgliedsunternehmen“, „Nachfrage von lokalen Berufsbildungsakteuren“,
„Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes“ und „Imagegewinn in der Öffentlichkeit“ zu
häufig genannten Beweggründen.154 Das Angebot der AHKs im Bereich der beruflichen Bil-
dung reicht von der am häufigsten genannten „Prüfungsorganisation & Zertifikatsvergabe“,
über die prozentual nahezu gleich verteilten genannten Aspekte wie „Gewinn dualer Part-
ner“, „Qualitätssicherung“, „Erstellen von Curricula“ und „Ausbilderqualifizierung“.155
2014 boten 28 % der AHKs Ausbildungsberufe im gewerblich-technischen und 40 % der AHKs
im kaufmännischen Bereich an.156
3.2 Rahmenbedingungen und Strukturmerkmale des Angebots
3.2.1 Stellenwert beruflicher Arbeit als Einflussfaktor auf die Bildung
Eine gewagte These, warum in Lateinamerika generell eine praxisnahe Ausbildung, die
auch körperlichen Einsatz fordert, gesellschaftlich auf Ablehnung trifft, könnte auf die
Kolonialisierung und die Gewaltherrschaft der spanischen Kolonialherren zurückzuführen
sein, denn die Indios wurden durch ein Dekret im Jahre 1503 durch Königin Isabella degra-
diert auf die Ausübung körperlicher Tätigkeit.157 Las Casas begründete das Massensterben
durch die „exzessive Arbeit, den Mangel an Nahrung und Unterhalt, die Unzufriedenheit an
der Arbeit mit der Hoffnungslosigkeit, jemals daraus freizukommen.“158
152 Vgl. Bayer, 2013, S. 39; Lutz, 2014a, S. 16 f. 153 Laut Auflistung der Berufe nahmen die AHK Ecuador und die AHK Bolivien nicht an der Umfrage
teil. Die Ergebnisse sind also global und nicht lateinamerikaspezifisch zu deuten. 154 Vgl. Lutz, 2014a, S. 9 155 Vgl. ebenda, S. 16 156 Vgl. ebenda, S. 19 157 Vgl. Gillner, 1998, S. 149 158 HI III 2356 zit. nach ebenda, S. 149
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Womöglich hat diese Erfahrung mit harter körperlicher Arbeit, die zum Tode führte und
auferlegt wurde, zu einer gänzlich anderen Konnotation des Arbeits- und folglich des Be-
rufsbegriffes geführt, als in Deutschland.159 Folglich wird körperliche Arbeit als Zwangsar-
beit aufgefasst, die nicht autonom und selbstbestimmt ausgesucht wurde und gegenüber
der akademischen Bildung als minderwertig und erzwungen gilt.
Auf Besonderheiten des lateinamerikanischen Kulturraums und dessen Auswirkungen auf
die berufliche Bildung einzugehen, könnte Gegenstand einer weiteren Studie sein. Im fol-
genden Abschnitt soll lediglich auf ausgewählte Punkte hingewiesen werden, die nach Mei-
nung der Autorin für das Verständnis des Kontextes, in welchem ein Transfer des dualen
Systems angedacht ist, grundlegend sind. Zu diesen Punkten zählen der große Sektor in-
formeller Arbeitskräfte, die Jugendarbeitslosigkeit und der technische Fachkräftemangel.
Ob es sich hierbei um Argumente dafür handelt, das duale System als Maßnahme zu imple-
mentieren oder aber um Rahmenbedingungen, die einen Transfer unmöglich machen, oder
zumindest ein Modell verlangen, das an lokale Bedürfnisse angepasst ist, soll an dieser
Stelle unkommentiert bleiben.
3.2.2 Beschaffenheit des informellen Sektors und sein Zusammenhang mit der Jugend-
arbeitslosigkeit
Oberliesen und Oberliesen stellen als eines der Merkmale, das im gesamten lateinamerika-
nischen Raum ähnlich ausgeprägt ist und sich auf die Entwicklung der Bildung ausgewirkt
hat, den hohen Anteil an informellen Arbeitstätigkeiten heraus. Es handelt sich hierbei um
Arbeiten, die an Jahreszeiten oder Aufträge gebunden sind, wie beispielsweise fliegende
Händler, Marktverkäufer, Schuhputzer, Reparaturen und Dienstleistungen jeglicher Art.
Viele Frauen verkaufen selbstgekochtes Essen auf der Straße oder Obst und Gemüse auf
dem Markt. So verschieden die Arbeiten auch sein mögen, sie haben allesamt folgende
Gemeinsamkeiten: die Einnahmen sind ungewiss, die Arbeitsbedingungen unsicher und es
gibt keinerlei soziale Absicherung abseits vom familiären Netzwerk. Neben dem informel-
len Sektor sind in den meisten Branchen die einheimischen Unternehmen klein und verfü-
gen lediglich über geringes technologisches Knowhow.160
Der informelle Sektor ist laut Angaben der Weltbank 2013 in Bolivien im Vergleich zu den
anderen lateinamerikanischen Ländern am höchsten ausgeprägt. Auf dem Land sind es
159 Im Hinblick auf das „okzidentale“ Berufsverständnis ist Max Weber zu nennen, der Luther und
dessen Übersetzung des „Berufes“ Weber im dritten Kapitel seines Werkes „Die Protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus“ (1904/1905) diskutiert und an dieser Stelle auf die etymo-logische Herkunft, Bedeutung und Assoziation von Beruf eingeht und betont, dass sowohl in der englischen Übersetzung „calling“ als auch im deutschen Substantiv „Beruf“ eine religiöse Ver-pflichtung zu erkennen sei, nämlich, dass ein Beruf eine Aufgabe darstelle, die Gott dem Men-schen auferlege. Dieser Anspruch verdeutlicht das positiv konnotierte Verständnis des Berufes.
160 Vgl. Oberliesen/Oberliesen, 2012, S. 212 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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knapp 80 % und durchschnittlich 60 % der Menschen. Das erklärt die offizielle, relativ ge-
ringe Arbeitslosenquote, 70 % der Arbeiter zahlen in keinerlei Rentensystem ein. Gründe
für die hohe informelle Rate sind, dass öffentliche Institutionen sehr schwach ausgeprägt
sind und es kaum Vorteile mit sich bringt, im formalen Sektor eine Anstellung innezuha-
ben.161
Die folgende Tabelle gibt Aufschluss über den Anteil des informellen Sektors in den ver-
schiedenen Ländern.
Tabelle 3: Anteil von Erwerbstätigen im informellen Sektor162
In Peru arbeiten laut der nationalen statistischen Behörde 35,5 % der 15 bis 29-jährigen als
ungelernte Arbeitskraft, Dienstleister, Bauchladenverkäufer oder fliegende Händler, weite-
re 16,7 % arbeiten als Verkäufer und Köche.164
Als Gründe für den großen Anteil an informellen Erwerbstätigen in Bolivien werden vom
Studienzentrum für Arbeit und ländliche Entwicklung Centro de Estudios para el Desarrollo
Laboral y Agrario (CEDLA) in einer 2011 veröffentlichten Studie die Folgenden angegeben:
Der Kapitalismus setzte spät ein, viele der betroffenen Branchen produzieren geringe
Stückzahlen und verfügen nicht über fortschrittliche Technologie, wie beispielsweise das
(Kunst-)-Handwerk. Bolivien im Allgemeinen ist im Hinblick auf die Industrialisierung noch
wenig entwickelt, was dazu führt, dass sich die Wirtschaft in den Städten zu einem tertiä-
ren Sektor entwickelte und sich die lokale Produktion in wenigen Zentren ballt. 2004 waren
92 % der neugegründeten Firmen in La Paz und auf El Alto kleine und mittelständische Un-
ternehmen. Bolivien ist ein typisches Exportland, das sich auf wenige, aber wiederum sehr
lukrative, Branchen beschränkt. In der Konsequenz profitieren nur wenige Firmen und
Branchen, in erster Linie sind dies die Erdölindustrie und der Bergbausektor, von den Ge-
winnen. Grundsätzlich haben die Exportmärkte vor den lokalen Märkten Vorrang. Das führt
dazu, dass insbesondere Sektoren, in denen mehr Menschen eine Anstellung finden würden,
eine geringe staatliche Unterstützung oder Subvention erhalten. Häufig findet man Ar-
161 Vgl. The World Bank, 2013, o.S. 162 Eigene Darstellung, Datenquellen: 1: OECD, 2009, S. 2; 2: ILO, 2012, S. 9 163 nicht angegeben (n. a.) 164 Vgl. INEI, 2011, S. 32
Land 20091 20122
Argentinien 53,30 % 49,70 %
Bolivien 63,50 % 75,10 %
Chile 35,80 % n. a.163
Ecuador 74,90 % 69,90 %
Mexiko 50,10 % 53,70 %
Peru 67,90 % 69,90 %
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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beitsverträge, die sehr flexibel geregelt sind, je nach Auftragslage und Saison. Öffentliche
Institutionen, die unterstützen, sind sehr schwach ausgeprägt. Daher wird nach Möglichkei-
ten gesucht, um die Familie zu ernähren, was wiederum die hohen Raten des informellen
Sektors erklärt.165
Der informelle Sektor hat, wie von der Weltbank angesprochen, Auswirkungen auf die Ar-
beitslosigkeitsraten und dies wiederum erklärt die in Bolivien offizielle, relativ geringe
Jugendarbeitslosigkeitsquote.
Tabelle 4: Jugendarbeitslosigkeitsquoten im Ländervergleich166
Land 2011 2013
Argentinien 18,80 % 19,90 %
Bolivien 5,50 % 4,90 %
Chile 17,60 % 16,10 %
Ecuador 10,70 % 10,10 %
Mexiko 10,00 % 9,40 %
Peru 9,50 % 8,90 %
Die Jugendarbeitslosigkeit der 14 bis 29-jährigen lag in Mexiko bei 8,3 % im zweiten Quar-
tal des Jahres 2014. Hector Magaña vom Forschungszentrum für Wirtschaft und Handel
(Centro de Investigación en Economía y Negocio) betont, dass 41 % der Arbeitslosen hoch-
qualifiziert sind und über Bildungsabschlüsse der Sekundarstufe II oder sogar universitäre
Abschlüsse verfügen.167
3.2.3 Technischer Fachkräftemangel168
„Das Defizit an qualifizierten Fachkräften ist in allen Ländern Lateinamerikas sehr hoch.
Die meisten lateinamerikanischen Länder sind überschwemmt von Akademikern.“169 Mit
diesen Worten fasst der deutsche Botschafter Boliviens Peter Linder, der von 2010 bis 2013
in Quito Botschafter war, die Situation, die durch Interviews, Literatur, Beobachtungen
und Gespräche bestätigt wurde einprägsam zusammen. In allen Interviews kommt der
Fachkräftemangel zur Sprache, so wird in Chile betont, dass „ […] insbesondere in den
letzten Jahren ein extremer Fachkräftemangel [herrsche], der auf die Notwendigkeit tech-
nischer, qualifizierter, praxisnaher, ausgebildeter Menschen aufmerksam macht.“170 Der
Fall Ecuador beleuchtet eine weitere Facette des Fachkräftemangels, nämlich, dass es
nicht das Problem sei, dass Unternehmen nicht wüssten, wo die Fachkräfte herzubekom-
165 Vgl. CEDLA, 2011, S. 1 166 Eigene Darstellung, Datenquelle: El Banco Mundial, 2014, o.S. 167 Vgl. Zenyazen, 2014, o.S. 168 Kategorie: Landesspezifische Besonderheiten 169 Linder, Z. 30-32 (Gedächtnisprotokoll) 170 Hall, Z. 28-30
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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men seien, sondern dass diese „dermaßen weit von der Praxis weg [sind], dass diese dann
eine komplette Investition tätigen müssten, um die Absolventen praxisfit zu machen.“
Auch in Peru gäbe es genügend sehr gute Universitäten und Hochschulabsolventen, aber
„[e]in Großteil der Techniker in Peru ist kurz davor in den Ruhestand zu gehen und es wer-
den dringend junge Leute benötigt.“171 In Argentinien fehle es an qualifiziertem techni-
schem Personal, insbesondere im mechanischen Bereich.172
3.2.4 Angebot an dualen Ausbildungsberufen173
Die folgende Tabelle soll einen Überblick über das duale Ausbildungsangebot, das derzeit
in den Ländern Argentinien, Bolivien, Chile, Ecuador, Mexiko und Peru in Kooperation mit
den deutschen Auslandshandelskammern angeboten wird, geben. Überwiegend handelt es
sich um duale Ausbildungsangebote, aber bei einigen wenigen, handelt es sich auch um
berufsbegleitende Weiterbildungsangebote, die von der Kammer zertifiziert werden.
Die Tabelle unterscheidet zwischen kaufmännischen Ausbildungsangeboten und techni-
schen Ausbildungsangeboten. Diese Einteilung führt schnell vor Augen, dass die kaufmänni-
schen Ausbildungsberufe meist in Kooperation mit privaten Bildungseinrichtungen, meist
der Deutschen Schule, angeboten werden und die Schüler über spezielle Eintrittsvorausset-
zungen, wie zum Beispiel Abitur und das Sprachzertifikat deutsch verfügen müssen. Viele
der technischen Ausbildungsberufe wurden erst in den letzten Jahren eingeführt, oder sind
teilweise noch in der Pilotprojektphase. Allerdings wird hier deutlich, dass diese selten mit
Kosten für die Schüler verbunden sind, die Unterrichtssprache spanisch selbstverständlich
ist und in Kooperation mit öffentlichen Bildungseinrichtungen angeboten wird. Dies führt
auch dazu, dass diese Ausbildung häufig staatlich gefördert und gewollt ist.
Die Übersicht soll dem Leser dazu dienen, bereits einen umfassenden Überblick über das
derzeitige duale Ausbildungsangebot zu erhalten. Außerdem werden auf diese Weise be-
reits implizit viele der Themen, die im späteren Verlauf detailliert thematisiert werden,
angesprochen, wie beispielsweise: Kooperation, Zugänglichkeit, Durchlässigkeit und Inte-
resse der Regierung.
171 Arciniega, Z. 76 f. 172 Vgl. Falugue, Z. 335-337 173 Kategorien: Angebot an dualen Ausbildungsberufen, Finanzierungskonzept, Durchlässigkeit
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Tabelle 5: Übersicht des Angebots an kaufmännischen und technischen dualen Ausbildungsberufen174
Argentinien Bolivien Chile Ecuador Mexiko Peru duale kaufmän-nische Ausbil-dungs-berufe
Industriekaufmann, Groß- und Außenhan-delskaufmann, Kauf-mann für Bürokommu-nikation1
Industriekaufmann, Groß- und Außenhan-delskaufmann1
Groß- und Außenhan-delskaufmann, Schiff-fahrtskaufmann, Kaufmann für Büro-kommunikation, Spedi-tionskaufmann1
Groß- und Außenhan-delskaufmann, Indust-riekaufmann, Büro-kaufmann, Speditions-kaufmann1
Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker, Mechatroniker12
Industriekaufmann, Groß- und Außenhan-dels-kaufmann, Büro-kaufmann1
duale technische Ausbildungs-berufe
Mechatroniker14,16, Kfz-Mechatroniker14,16, Chemielaborant14, Industriemeister (Wei-terbildung)14
kein Angebot Industriemechaniker, Elektroniker, Mechat-roniker, Mechatroniker für Kältetechnik, Kin-dergärtner, Erzieher, Sozialarbeiter9 (teil-weise als duale Wei-terbildung)
42 duale technische Ausbildungsberufe in den folgenden Sekto-ren (Anzahl der Spezia-lisierungen): - Ingenieur, Industrie Bauwirtschaft (18) - Landwirtschaft (4) - Softwareentwicklung und Biotechnologie (2) - öffentlicher Dienst (11) - Medienberufsbil-der (5) - Gesundheits-sektor (1) Bildungsbe-reich (1).2
Modell B, bzw. Modelo Mexicano Formación Dual (MMFD) bzw. Modelo Educación Dual (MED) in 6 unter-schiedlichen Branchen Elektromechanik, Werkzeugmaschinen-bau, Mechatronik, Informatik, Verwaltung (kaufm.), Tourismus & Hotellerie (kaufm.)4
Modell A: Industrieme-chaniker, Werkzeug-mechaniker, Mechat-roniker12
Piura: Landwirt, Landwirtschaftstechni-ker Jaén: Agrarwirt in Kooperation mit Senati & GIZ: Wasseraufberei-tungstechniker & Techniker in Wasser-versorgung und Abwas-serbehandlung; Me-chatroniker6,7,8
Bildungs-einrichtung (kaufm.)
Deutsche Schule, BBZ1 Deutsche Schule, BBZ1 Deutsche Schule, Insti-tuto Superior Alemán de Comercio (INSAL-CO)1
Deutsche Schule, Insti-tuto Tecnólogico Supe-rior Alemán1
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
Deutsche Schule, BBZ1
174 Quelle: eigene Darstellung, Datenquellen: 1: ZfA, 2014a, S.1-5; 2: SENESCYT, 2015b. o.S.; 3: SENESCYT, 2015c, o.S.; 4: CONALEP, 2013, S. 1-29; 5: iMove, 2012, S. 17-22; 6: AHK Peru/Gobierno Regional Piura, 2014, S. 2 f.; 7: A, 2014, S. 2-8; 8: Arciniega, 2015, S. 3; 9: H, 2014, S. 2; 10: Por, 2014, S. 2-9; 11: F, 2015, S. 4-14; 12: Pä, 2014, S. 1-9; 13: Martinet, 2014, S. 25-31; 14: AHK Argentinien, 2015, o.S.; 15: AHK Argentinien /Hölters Schule, 2014, o.S.; 16: Centro de Formación Industrial, 2015, o.S.; 17: Bandowski, 2014, o.S.; 18: Cáceres-Reebs/Schneider, 2013, S. 12; 19: COMECYT, 2015, o.S.; 20: AHK Mexiko/PROCEI, 2013, S. 1-6; 21: ITSA, 2015a, o.S.; 22: ITSA, 2015b, o.S.; 23: AHK Bolivien, 2013, S. 33; 24: BBZ Lima, 2014, o.S.; 25: INSALCO Chile, 2015, o.S.; 26: Hall, 2015, o.S.; 27: Porten-kirchner, 2015, o.S.; 28: Doffing, 2015, o.S.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Argentinien Bolivien Chile Ecuador Mexiko Peru
Bildungs-einrichtung (techn.)
Kfz- & Mechatroniker: Centro de Formación Industrial16; Chemie-laborant: Universidad Tecnólogica de Buenos Aires (ITBA)11; Indus-triemeister: Mercedes-Benz11,14
kein Angebot staatlich: sekundäres Niveau; privat: tertiä-res Niveau9
Institutos Técnicos y Técnologicos Superio-res Sectoriales (INTES), Institutos Técnicos y Tecnológicos Superio-res Territoriales (INT-TER)3
Colegio Nacional de Educación Profesional Técnica (CONALEP)4 ; Universidad Politécni-ca im Valle de México (UPVM), Universidad Politécnica im Valle de Toluca (UPVT), Univer-sidad Politécnica in Tlaxcala (UPT)18
n. a.
privat oder öffentlich (kaufm.)
privat1 privat1 privat1 privat1 In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
privat1
privat oder öffentlich (techn.)
privat11,14,16 kein Angebot Über 200 ‚liceos técnico-profesionales‘ einige mit chileni-schem dualen System, zahlreiche Institutio-nen auf tertiärem Ni-veau25
40 öffentliche Bildung-seinrichtungen: INTES, INTTER3,10
50 öffentliche Bil-dungseinrichtungen: CONALEP & UPVM, UPVT, UPT4
Piura: 5 öffentliche Bildungseinrichtungen8;
Jaén: 1 öffentliche7;
Ausbildungsberufe im Bereich Wasser: 2 pri-vate7; Mechatroniker: privat (Senati)7
Eingangs-voraussetzung (kaufm.)
Sekundarschulabsch-luss, Sprachdiplom II1
Bolivianische Hochs-chulreife, Sprachdi-plom II1
Sekundarschulabsch-luss, Hochschulreife, Sprachdiplom II1
Ecuadorianischer Se-kundarschulabschluss, Sprachdiplom II1
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
Peruanischer Sekun-darschulabschluss, Sprachdiplom II1
Eingangs-voraussetzung (techn.)
Kfz- & Mechatroniker: Alter zwischen 18 bis 24 Jahren; Schulab-schluss einer techn. Schule15
kein Angebot keine25 Abitur10 Sekundarstufe I5 n. a.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Argentinien Bolivien Chile Ecuador Mexiko Peru
Unterrichts-sprache (kaufm.)
meist deutsch, sonst spanisch und englisch1
meist deutsch, sonst spanisch und englisch1
meist deutsch, sonst spanisch und englisch1
meist deutsch, sonst spanisch und englisch1
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
meist deutsch, sonst spanisch und englisch1
Unterrichts-sprache (techn.)
spanisch, technisches Deutsch & Englisch sind Bestandteil11
kein Angebot spanisch9 spanisch10 spanisch12 spanisch7
Dauer (kaufm.)
2 Jahre1 2 Jahre1 2 Jahre1 2 Jahre (plus ggf. 1 Jahr Deutsch kom-pakt)1
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
2 Jahre1
Dauer (techn.)
Kfz- & Mechatroniker: 2 Jahre16;
kein Angebot auf Sekundärstufe: 3 und 4 Jahr (entspricht 11 und 12 Jahre in Dtld. - die letzten beiden); tertiär 1.600 Stunden/2 Jahre25
2,5-3 Jahre27 Modell A: 3 Jahre, Modell B/ MMFD/MED: 2 Jahre20
n. a.
Abschluss (kaufm.)
Industriekaufmann, Groß- und Außenhan-delskaufmann, Kauf-mann für Bürokommu-nikation1
Groß- und Außenhan-delskaufmann (drei-sprachig) und ggf. Fachhochschulreife, Industriekaufmann (dreisprachig) und ggf. Fachhochschulreife1
Groß- und Außenhan-delskaufmann, Schiff-fahrtskaufmann, Kaufmann für Büro-kommunikation, Spedi-tionskaufmann1
Groß- und Außenhan-delskaufmann, Indust-riekaufmann, Büro-kaufmann, Speditions-kaufmann, Kaufmann für Tourismus1
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
Industriekaufmann (zweisprachig) und ggf. Fachhochschulrei-fe, Groß- und Außen-handelskaufmann (zweisprachig) und ggf. Fachhochschulrei-fe, Bürokaufmann (dreisprachig) und ggf. Fachhochschulreife1
Anerkennung (kaufm.)
DIHK, KMK, AHK1 DIHK, KMK, Nationale Anerkennung als "Técnico Superior Bi-lingue en Comercio Exte-rior/Administración y Organización indus-trial"1
DIHK, KMK, Chilenis-ches Erziehungsminis-terium1
DIHK, KMK,1 Ecuado-rianische Hochschul-behörde27
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
DIHK, KMK, Peruanis-ches Erziehungsminis-terium1
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Argentinien Bolivien Chile Ecuador Mexiko Peru
Abschluss & Anerkennung (techn.)
keine nationale Aner-kennung der Titel11
kein Angebot n. a. ecuadorianischer Ab-schluss geplant als Técnico oder Tecnólogo27
Modell A (DIHK, KMK, AHK, CONOCER):4, 12 Industriemechaniker, Werkzeugmechaniker, Mechatroniker; Modell B: Mexikanisches Er-ziehungsministerium4, AHK Mexiko zertifiziert Kategorie B (DIHK) durch CONOCER bestä-tigt12, Sekundarstufe II5
Piura: Peruanisches Erziehungsministerium - AHK Peru zertifiziert: Kategorie B (DIHK)6,7
Abkommen mit Universitäten (kaufm.)
Universidad del Salva-dor (USAL), Universität Passau14
Universidad Nuestra Señora de La Paz (UNSLP), Universidad Católica Boliviana San Pablo (UCB), technis-che Hochschule Wil-dau23
Universidad Mayor25 Universidad Católica del Ecuador (PUCE)21
In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
Kosten des Unternehmens (kaufm.)
700 USD monatlich11 240 USD monatlich13 ca. 2.400 USD jährlich 4.980 USD jährlich21 In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
n. a.
Kosten des Unternehmens (techn.)
n. a. kein Angebot keine25 Momentan ungeklärt, soll gesetzlich festge-legt werden. Aktuelle Vorschläge liegen bei 2,50 USD / Std.27
Modell A: trägt Ausbil-dungskosten & Prü-fungskosten12
258 USD/Monat7
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Argentinien Bolivien Chile Ecuador Mexiko Peru
Kosten des Schülers (kaufm.)
keine11 90 USD monatlich13 ca. 2.400 USD jährlich 1.668 USD jährlich21 In 2 Branchen (MMFD/MED) siehe technische Ausbil-dungsberufe
3.410 USD jährlich24
Kosten des Schülers (techn.)
n. a. kein Angebot generell umsonst in der Schule, technische Ausbildung (tertiär) kostenpflichtig25
keine10 keine12 keine7
weitere Finanzierung (techn.)
n. a. kein Angebot Stipendien vom Staat und demnächst staatl. gelenkte und finan-zierte Ausbildungsein-richtungen tertiäres Niveau25
Staat investiert 308 Millionen Dollar um die 40 Bildungseinrichtun-gen (INTES, INTTER) auszustatten10; Deut-sche Bundesregierung unterstützt Projekte mit einem Zuschuss in der Höhe von 1,2 Milli-onen Euro17
Stipendien durch den mexikanischen Wissen-schafts- und Technolo-gierat COMECYT (Consejo Mexiquense de Ciencía y Tecnología)19
Regionale Landesver-waltungen müssen die "Institutos Superiores finanzie-ren",7Regionalverwaltung Piura zahlt 24.500 USD an die AHK Peru für die Implementie-rung der Ausbildungs-berufe Landwirt und Landwirtschftstechniker6; Jaén: Firmen erhal-ten staatliche Unter-stützung7
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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3.2.5 Potenzielle Vorteile der dualen Ausbildung175
Die Vorteile, die durch die duale Ausbildung entstehen könnten, lassen sich zu unterschied-
lichen Argumenten bündeln. Die sich im Anhang befindende Excel-Tabelle dokumentiert
die Zuordnung.
Tabelle 6: Häufigkeitsanalyse: Vorteile der dualen Ausbildung
Argument Nennungen
Kompetenzen 11
beidseitiger Nutzen 10
Soziale Aspekte 6
Arbeitserfahrung 5
Theorie-Praxis-Transfer 5
Qualifizierung 4
Antwort auf Bedarf 4
Das duale Berufsausbildungssystem sei generell eine Antwort auf einen Bedarf und im Spe-
ziellen auf den hohen Bedarf an Fachkräften. In verschieden Aussagen, wie auch der fol-
genden, wird deutlich, dass es an qualifizierten Facharbeitern fehle: „Man sagt ja in diesen
lateinamerikanischen Ländern es gibt sehr viele Generäle, aber wenig Soldaten. Und so ist
es in der Industrie eigentlich auch. Also dass die Leute/Facharbeiter fehlen, die in der In-
dustrie arbeiten“176 Die praxisnahe Art der dualen Ausbildung führe nach Meinung der Ex-
perten zu Qualifizierung und Spezialisierung. Die Arbeitserfahrung, die die Jugendlichen
durch die duale Ausbildung sammeln, wird von den Interviewpartnern als sehr wichtig er-
achtet. Die Ausbildungszeit sei wesentlich geringer, als die bei herkömmlichen Studiengän-
gen und vor allem trage die Praxisnähe zur Überwindung der Theorie-Praxis-Schere bei und
wurde von den Experten als beachtlicher Vorteil, im Gegensatz zur „[s]ehr
verakademisiert[en], sehr theoretisch[en], sehr schulisch[en], sehr wenig zum eigenständi-
gen Handeln angeleitet[en] und wenig problemlösen[den] [üblichen Art der Ausbildung]“177
angeführt. Denn bei der dualen Ausbildung werde „erfolgsversprechend arbeitsnah“178 ge-
lernt. Dass durch die duale Ausbildung auch gesellschaftliche und soziale Aspekte berührt
werden oder sogar Missstände behoben werden sollen, wird beispielsweise durch den fol-
genden Ausspruch deutlich: „Entwicklung und Industrialisierung sollen durch die duale Aus-
bildung bewirkt werden durch eine Investition in Humankapital“179. Des Weiteren wird ge-
nannt, dass es gelingen könne gesellschaftliche Problemlagen wie „Jugendkriminalität“180
175 Kategorie: Vorteile 176 Päleke, Z. 268-271 177 Portenkirchner, Z. 32-34 178 Martinet, 6, Z. 18 179 Linder, Z. 111 f. (Gedächtnisprotokoll) 180 Schneider, Z. 179
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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und „Jugendarbeitslosigkeit“181 einzudämmen, soziale Bedingungen zu verbessern und
„dass das duale System für Lateinamerika eine Lösung der Probleme wäre, die wir heutzu-
tage im Bereich Bildung haben“182. Mithilfe der dualen Berufsausbildung könnten Kosten
gesenkt werden, da nicht extra Fachpersonal eingeflogen werden müsse, der Auszubilden-
de würde gemäß den Bedürfnissen des Unternehmens ausgebildet werden und auf der an-
deren Seite erhalte der Absolvent eine fundierte Ausbildung, Wertschätzung, persönliche
Betreuung, und viele der Absolventen würden im Anschluss übernommen werden, Karriere
machen und vergleichsweise schnell hohe Positionen erreichen.183 Die angeführten Argu-
mente sollen dem beidseitigen Nutzen für Auszubildenden und Unternehmen, „diese[m]
Win-Win, das das duale System eigentlich überall mitbringt, wenn man’s richtig macht.“184
zugeordnet werden. Kompetenz oder „berufliche Handlungsfähigkeit“185 wurde häufig als
Schlagwort, auch im Kontext der bereits angesprochenen Vorteile, genannt. Zu den wichti-
gen Kompetenzen, die durch die duale Ausbildung erlangt werden, gehören „Umgang mit
Menschen“186, Flexibilität187, „Achtung untereinander“188, „im Team arbeiten“189, „Sauber-
keit, Ordnung“190, „Arbeitskompetenz“191, sich „an den Wandel anzupassen“192, und die
häufig genannte fachliche Kompetenz.
3.2.6 Gesellschaftliches Ansehen der Berufs(aus)bildung193
Generell sei es ein „lateinamerikanisches Phänomen, wo so mittellange sehr praxisorientierte oder
kurze Ausbildungen an sich nicht so attraktiv sind, weil sie nicht das hohe Sozialprestige haben,
auch wenn man damit vielleicht besser oder gleichgut verdienen kann, vielleicht auch gleich einfach
eine Arbeit findet.“194
Diese Aussage betont, dass die berufliche Bildung gegenüber der universitären, generell in
Lateinamerika eine geringe Akzeptanz genießt. Familien, die über die finanziellen Mittel
verfügen, ermöglichen ihren Kindern einen Studienplatz an einer Universität.195 Eine Aus-
bildung zu absolvieren, die zum Titel des ‚Técnicos‘ führt, wird als minderwertig betrach-
181 Ebenda, Z. 180 182 Falugue, Z. 133 f. 183 Vgl. Päleke, Z. 67 f.; Schneider, Z. 271-275; Arciniega, Z. 30-35; Martinet, Z. 76 f.; Falugue, Z.
24 f.& 61 & 65 184 Schneider, Z. 184 f. 185 Hall, Z. 25 186 Päleke, Z. 244 f. 187 Vgl. Martinet, Z. 25 188 Päleke, Z. 245 189 Ebenda, Z. 246 190 Ebenda, Z. 246 191 Schneider, Z. 183 192 Falugue, Z. 33 193Kategorie: Gesellschaftliches Ansehen der Berufs(aus)bildung, Gesprächsthema, Unkenntnis, Pa-
radigmenwechsel 194 Portenkirchner, Z. 126-130 195 Vgl. Päleke, Z. 266-268
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 33 -
tet, denn „Menschen betrachten es nicht als gut ein ‚Técnico‘ von Beruf zu sein. In der
Gesellschaft wird der ‚Técnico‘ mit dem Maurer gleichgestellt oder dem ‚Técnico‘, der den
Fernseher repariert.“196
Doch länderspezifisch sind Unterschiede im Hinblick auf Bekanntheit und Umgang mit dem
dualen System in der Gesellschaft, aus Sicht der interviewten Personen, zu machen:
Die Antworten ließen sich zu drei unterschiedlichen Argumenten bündeln, deren Verteilung
in Tabelle 9 dargestellt und in der Excel-Tabelle im Anhang detailliert aufgelistet sind:
Tabelle 7: Häufigkeitsanalyse: Image des dualen Systems
Argument Nennungen Land
Gesprächsthema 7 Chile, Ecuador, Mexiko
Unkenntnis 5 Argentinien, Bolivien, Peru
Kulturwandel/Paradigmenwechsel 4 Ecuador
In Chile, Ecuador und Mexiko sei das duale System ein aktuelles Gesprächsthema in Politik
und Gesellschaft. In Chile wurde das positive Image betont, in Ecuador kamen die ver-
schiedenen Radiospots, Werbemittel zur Sprache und in Mexiko, dass die Implementierung
des dualen Systems, angepasst an lokale Bedürfnisse, von der Regierung gewollt sei:
Chile: „[…] das ist im Moment eigentlich recht positiv, weil das System mehr diskutiert
wird heutzutage.“197
Mexiko: „Heute stark, das ist natürlich in den 20 Jahren nicht immer so gewesen.“198
Ecuador: „Es ist jetzt natürlich in der öffentlichen Diskussion, es ist in den Medien“199
„[…]es gibt Fernsehspots, Radiospots, die eben diese ‚formación técnica y tecnológica‘
bewerben, die dann auch auf die ‚modalidad dual‘ hinweisen und das erleichtert das Arbei-
ten schon sehr.“200
In Argentinien, Peru und Bolivien wurde betont, dass das duale System unbekannt sei und
dass es wichtig wäre aktive Pressekampagnen zu starten, Firmen, Auszubildende, Eltern,
Interessenten, die Gesellschaft insgesamt über Merkmale und Möglichkeiten, die das duale
System ausmachen, zu informieren:
Argentinien: „[…] wenn wir vom dualen System berichten, müssen wir bei null anfangen,
weil niemand das duale System kennt.“201 „Wir wollen neue Wege eröffnen, uns auf dem
argentinischen Markt positionieren, dass man weiß, was das duale System bedeutet.“202
Bolivien: „[…]nicht viele Menschen wissen, was die duale Berufsausbildung ist“203
196 Martinet, Z. 357-359 197 Hall, Z. 280 f. 198 Schneider, Z. 99 199 Portenkirchner, Z. 64 200 Ebenda, Z. 77-29 201 Falugue, Z. 482 f. 202 Ebenda, Z. 488 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Peru: „Wir sind mit diesen im Kontakt, um sie als Verbündete zu gewinnen und auch um
das duale System nicht nur an die Firmen heranzutragen, sondern auch an die Studenten,
Eltern von Familien, so dass diese wissen, dass eine Alternative in Form von einer techni-
schen Ausbildung besteht und dass diese nicht universitär strukturiert ist und den Absol-
venten sehr interessante Möglichkeiten im Leben eröffnet.“204
Durch die flächendeckende Einführung des dualen Systems in Ecuador, initiiert von der
Regierung, wird eben aber gerade auch die Herausforderung thematisiert, dass ein wesent-
licher Bestandteil, der die Implementierung stützt, nur mit einem Paradigmenwechsel,
einem Kulturwandel innerhalb der Gesellschaft einhergeht und dass dieser häufig mit un-
kalkulierbaren Ereignissen einhergeht :
„Und natürlich auch der Kulturwandel, im Sinne von, wie schafft man es denn, diese Ausbildungen
auch wirklich attraktiv zu machen in einer Gesellschaft, die sehr daran orientiert ist, möglichst viele
und möglichst hohe Titel zu erlangen.“205
Dass es sich um eine Umstellung handelt, die für alle Beteiligten Zeit, Kraft und Umdenken
fordert und bei welcher Rückschläge auszuhalten sind, wird durch die folgende Anekdote
deutlich:
„Selbst der Minister sagte mal, zuständig für ‚talento humano‘, aktuell ist die ‚formación
técnica y tecnológica‘ das Letzte was sich Eltern hier für ihre Kinder wünschen.“206
203 Martinet, Z. 355 f. 204 Arciniega, Z. 303-307 205 Portenkirchner, Z. 125-127 206 Ebenda, Z. 133 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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3.2.7 Interesse der Regierung am dualen System207
Der deutsche Botschafter Boliviens Peter Linder, der zuvor Botschafter in Ecuador war und
daher aus Erfahrung spricht, stellt deutlich klar, dass, wo immer ein Transfer des dualen
Systems gewollt ist, die nationale Regierung echtes Interesse bekunden und demonstrieren
müsse, bereit zu sein Investitionen zu tätigen.208
„Die deutsche Bundesregierung kann dann als Berater zur Seite stehen. Doch handelt es sich hierbei
nicht um Entwicklungshilfe, sondern viel eher um die Preisgabe von Expertenwissen.“209
Er untermalte seine Argumentation mit dem Beispiel des ecuadorianischen Präsidenten,
der dies demonstriert habe und eine Reise nach Deutschland im Frühjahr 2013 unternom-
men habe, um den Vorvertrag für die Berufsbildungspartnerschaft zwischen Ecuador und
Deutschland zu unterschreiben.210
Der ecuadorianische Präsident Rafael Correa will das duale System für sein Land gewinn-
bringend implementieren und treibt bereits seit zwei Jahren durch konkrete Maßnahmen
Umstrukturierung und Neupositionierung von Wirtschaft und Bildung voran, 211
„[…] weg vom reinen Rohstofflieferanten hin zur Wissensgesellschaft bzw. zum Exporteur von hoch-
wertigeren Produkten.“212. „[…] [D]a setzt man aufs duale System, vor allem weil man die Praxisori-
entierung erhöhen möchte und um Fachkräfte zu haben, die etwas komplexere Produktionsprozesse
managen können.“213
Auch zwischen Chile und Deutschland - es gibt eine Kooperation zwischen dem BIBB und
dem chilenischen Bildungsministerium - wird auf Geber- und Nehmerseite Interesse und
Bereitschaft am dualen System bekundet:214
„Nun war ja Frau Bachelet auch gerade mit Frau Merkel zusammen. Da wurde ja auch bekräftigt,
dass Chile und Deutschland zusammenarbeiten und viel mehr Deutschland das Berufsbildungssystem
zur Verfügung stellen sollte und Chile beraten soll damit.“215
Frau Bachelet verdeutlicht Interesse an der Kooperation mit Deutschland im technischen
und wissenschaftlichen Bereich.216 In einem Interview, das in Der Welt erschienen ist, ant-
wortet die Präsidentin Chiles auf die Frage nach der besten Chance der Zusammenarbeit:
„Das vor Kurzem [sic!] unterzeichnete Abkommen zur Vertiefung der wissenschaftlichen und tech-
nologischen Zusammenarbeit nutzt dazu ebenso wie die Vereinbarungen über Nachhaltigkeit und
berufliche Bildung.“217
207 Kategorie: Interesse der Regierung 208 Vgl. Linder, Z. 64 f. 68-70 & 109 f (Gedächtnisprotokoll) 209 Linder, Z. 66-68 (Gedächtnisprotokoll) 210 Vgl. ebenda, Z. 72-74 211 Vgl. Portenkirchner, Z. 36-38, 62-64 212 Ebenda, Z. 39-41 213 Ebenda, Z. 51-53 214 Vgl. Hall, Z. 292 f. 215 Ebenda, Z. 281-284 216 Vgl. Stausberg, 2014, o.S. 217 Ebenda, 2014, o.S.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 36 -
In Peru ist man „in der Diskussion mit der regionalen Landesregierung von Piura“218 und
„[…] sowohl der Minister als auch der Präsident haben klargestellt, dass die Implementie-
rung des dualen Systems im Land von hoher Bedeutung ist.“219 In Bolivien stellte man fest,
dass die Regierung im Bereich Erneuerbare Energien und Wasserwirtschaft interessiert
ist.220 Vor allem in Argentinien und Mexiko sei es so, dass Zuspruch, Ausbau des dualen Sys-
tems und dann wieder Widerstand und Rückschläge stark von Regierungswechseln abhängig
seien:221
Argentinien: „Wir hoffen, dass die Positionierung sich im Jahr 2016 ändert durch Wechsel
[…]“222
Mexiko: „[…] dann gab es Regierungswechsel, dann haben wir mal eine Zeit lang wieder
nur intern arbeiten können.“223
Im Bundesstaat Mexiko schätzte man die Lage nun optimistisch ein, bald schon über gesetz-
liche Rahmenbedingungen zu verfügen, da der derzeitige Bildungsminister des Bundesstaa-
tes Mexikos schon seit Jahren ein „überzeugter Fürsprecher für das duale System“224 sei
und nun von dieser Position aus wirksam initiieren und lenken könne.225 Die zu Anfang die-
ses Kapitels dargestellte Tabelle (Abschnitt 4.2.4) zeigt auf, welche Regierung in welchem
Land finanziell in Umsetzung und Ausbau des dualen Systems investiert.
3.2.8 Die aktuelle Entwicklung bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen226
Auch wenn teilweise die Implementierung von der Regierung gewollt ist, wie der obige
Abschnitt demonstriert, existiert bisher in keinem der fünf Länder ein Berufsbildungsge-
setz. Oft ist es sogar so, dass die Akteure rechtliche Bedingungen, die für die Legalität der
dualen Ausbildung notwendig sind, in Form von komplexen Absprachen mit unterschiedli-
chen Ministerien koordinieren müssen:
Argentinien: „Wir haben eine Garantie des Arbeitsministeriums, weil wir keinen gesetzli-
chen Rahmen haben. Das was wir haben ist eine unterschriebene Garantie mit dem Ar-
beitsministerium, dass die Kammer dazu befähigt ist, jene Ausbildungsberufe gemäß unse-
rer eigenen Vorgehensweise anzubieten. Genauso haben wir mit dem Arbeitsministerium
eine Vereinbarung geschlossen. Es ist ein Rahmen, den die Kammer und die Firma unter-
schreiben, ein individueller Vertrag, den die Firma mit dem jungen Menschen schließt, und
218 Arciniega, Z. 58 f. 219 Arciniega, Z. 294-296 220 Vgl. Martinet, Z. 390 f. 221 Vgl. Päleke, Z. 17-19; Arciniega, Z. 502-504 222 Falugue, Z. 505 f. 223 Schneider, Z. 100 f. 224 Ebenda, Z. 124 225 Vgl. Päleke, Z. 286; Schneider, Z. 42 f. & 124 f. 226 Kategorie: Gesetzliche Rahmenbedingungen
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 37 -
das kam also vom Ministerium, dass sie ohne Probleme innerhalb der Firma arbeiten kön-
nen.“227
Bolivien: „Also mussten wir auch die Übereinkünfte mit den Firmen, die wir anfangs ge-
schlossen hatten, bei denen der gute Wille dominiert hatte, von arbeitsrechtlich speziali-
sierten Anwälten überarbeiten lassen. Das hatte den Grund, dass die Firmen keine Proble-
me mit dem Arbeitsministerium bekommen, da nach dem bolivianischen Recht es sich um
Praktikanten handelt, die länger als drei Monate in einer Firma sind, gehören sie zur Beleg-
schaft, müssen ein Gehalt der Firma erhalten, müssen abgesichert sein, müssen in der Ren-
tenversicherung AFP (=Administración de Fondo de Pensiones) sein, was die Sache für die
Firmen komplizierter gemacht hätte.“228
Ecuador: „Alle gesetzlichen Rahmenbedingungen, die uns immer so ein bisschen Schwie-
rigkeiten bereitet haben (also Sozialversicherung, muss ich was bezahlen, wie schauen
Ausbildungsverträge aus und wer ist eigentlich wofür verantwortlich), haben wir bisher in
kleinen Insellösungen erarbeitet und alles eher über juristische Ausnahmen geregelt, als
über ein wirkliches Berufsbildungsgesetz.“229
Im zweiten Halbjahr 2014 wurden in Argentinien, Peru und im Bundesstaat Mexiko Geset-
zesentwürfe, die die Umsetzung des dualen Systems erleichtern sollen, eingereicht. In
Ecuador rechnet man, „[…] im nächsten halben Jahr damit, dass alle verschiedenen
‚reglamentos‘, Richtlinien, Durchführungsbestimmungen und Verordnungen abgestimmt
sind und wir so dann ein relativ solides Rahmenwerk haben.“230
Im folgenden Abschnitt werden Inhalte der vorliegenden Gesetzesentwürfe von Argentini-
en, Peru und dem Bundesstaat Mexiko präsentiert und über relevante Akteure und deren
Verantwortung informiert:
Gesetzesentwurf: Argentinien
Der Gesetzesentwurf von Roberto G. Basualdo erschien am 18. November 2014 auf der Ta-
gesordnung der Bildungs- und Kulturkommission. 231 Man könnte den Entwurf wohl eher als
Absichtserklärung bezeichnen, da keine konkreten Zuständigkeiten, Verantwortlichen oder
gar konkret umsetzbare Klauseln genannt werden. Inhalte sind im folgenden Abschnitt Ge-
genstand:232
Das duale System im Bereich des mittleren Ausbildungsniveaus sowie auf univer-
sitärer Ebene zu integrieren sei von landesweitem Interesse, da die argentini-
227 Arciniega, Z. 434-441 228 Martinet, Z. 150-156 229 Portenkirchner, Z. 64-68 230 Ebenda, Z. 89-91 231 Vgl. Congreso de la Nación Argentina, 2015, o.S. 232 Die folgenden Informationen sind weitestgehend dem Gesetzesentwurf “Proyecto de Ley“ (S-
2237/14) verfasst von Roberto G. Basualdo (2014), entnommen.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 38 -
sche Bildung in den vergangenen Jahren deutlich an Qualität abgenommen ha-
be, wie PISA und der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt bescheinigen.233
Zwei Seiten lang argumentiert und erläutert Basualdo, dass das duale System
bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Argentinien Tradition hatte, da
schon im Jahr 1871 nationale technische Bildungseinrichtungen in Catamarca,
Salta und San Juan gegründet wurden.234
In einem Dokument, das vom Bildungsministerium und technischen Bildungsrat
veröffentlicht wurde ist für die Schulperiode 1980 von einem Pilotprojekt die
Rede, das in unterschiedlichen Provinzen wie Cordoba, San Juan Santa Fé und
Gran Buenos Aires der technische Bildungsrat CONET (Consejo Nacional de
Educación Tecnica) in Kooperation mit 45 Ausbildungsunternehmen gemeinsam
eine berufliche, technische duale Ausbildung anbieten werde. Dieses Projekt sei
begründet dadurch, dass bereits in den 70ern und Anfang der 80er auf den
Technikermangel hingewiesen worden sei. Auch die Wichtigkeit von Kooperation
zwischen Staat und Privatwirtschaft, um qualifizierte Arbeitskräfte zu schaffen,
wird hier betont. Als Ausbildungsberufe sind die folgenden angedacht: Mechani-
ker in verschiedenen Bereichen, Elektroniker und Laboranten. Ebenfalls be-
schrieben sind Vorteile, Prüfungsmodalitäten, Eintrittsvoraussetzungen, Ausbil-
dungsablauf, Theorie-Praxis-Anteil und Wissensaustausch und Unterstützung
durch die Kooperation mit der Bundesrepublik Deutschland.235
In den 90er Jahren mussten aufgrund einer Gesetzesänderung viele der techni-
schen Schulen schließen und nur sehr wenige Schulen, die engagierte Direktoren
und Lehrer besaßen, konnten bestehen bleiben. Diesen Wandel führt Basualdo
darauf zurück, dass von diesem Moment an technische Ausbildung in den Hinter-
grund geraten sei, da verstärkt auf Finanzmärkten spekuliert wurde.236
Das duale System kombiniere geschickt die Stärken des theoretischen Fachwis-
sens der technischen Schulen oder Universitäten mit dem Praxisbedarf und den
Fähigkeiten eine zeitgemäße, praxisnahe Ausbildung durch die Firmen anzubie-
ten. Als weitere Vorteile verweist er auf die deutsche Erfolgsgeschichte, führt
Mexiko, Ecuador und Chile als Länder an, die bereits aktiv implementieren. Des-
gleichen hebt er hervor, dass das duale System in vielen Ländern dazu führe,
233 Vgl. Basualdo, 2014, S. 1 234 Vgl. ebenda, 2014, S. 2 235 Vgl. Ministerio de Cultura y Educación Consejo Nacional de Educación Técnica, 1980, S. 1-6 236 Vgl. Basualdo, 2014, S. 3
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 39 -
gesellschaftliche Barrieren aufzubrechen: Denn häufig schließe Studieren kate-
gorisch Arbeiten aus und wer arbeite, habe kein Geld zum Studieren.237
Absicht seines Gesetzesentwurfs sei es nicht nur Werbung für das duale System
zu machen, sondern auch gesetzliche Grundlagen voranzutreiben.238
Gesetzesentwurf: Peru
Der peruanische Gesetzesentwurf, der am 12. Dezember 2014 im Kongress einging, ist we-
sentlich konkreter als der argentinische Gesetzesentwurf. Er ist in vier Kapitel bzw. zwölf
Artikel unterteilt, definiert zentrale Begriffe, beschreibt konkrete Bestimmungen, Struk-
turmerkmale, den Ausbildungsprozess und geht auf Zielvorstellungen und Nutzen des dua-
len Systems im Allgemeinen und für Peru ein.239
Die Berufsausbildung im dualen System soll eine technische Ausbildung sein, bei der die
theoretische Ausbildung von öffentlichen oder privaten Fachoberschulen Institutos
Superiores angeboten wird und die praktische Ausbildung durch Unternehmen begleitet
wird. Die Dauer von drei Jahren soll nicht unterschritten werden. Freiwilligkeit der Teil-
nahme von Seiten der Unternehmen und Fachoberschulen ist grundlegend sowie die Einhal-
tung der von der Kommission des Produktionsministeriums erlassenen Mindestbedingungen.
Zuständig für die Auswahl der Auszubildenden im Sinne derer Kompetenzen und der Be-
dürfnisse der Firmen sind die Bildungseinrichtungen. Der Auszubildende muss in einer
Fachoberschule eingeschrieben sein und seine Rechte und Pflichten dem Ausbildungsver-
trag entnehmen. Der Auszubildende muss wöchentliche Berichte verfassen und für den
Fall, dass er sich nicht im Sinne der Firma einbringt, kann er, durch die Fachoberschule
veranlasst, in eine andere Firma versetzt werden. Firmen, die am dualen System teilneh-
men, können bis zu 10 % der entstehenden Kosten der dritten Kategorie im Hinblick auf
Weiterbildung des Ausbilders und Auszubildenden abziehen. Jede Firma muss pro Ausbil-
dungsbereich über einen qualifizierten und zertifizierten Ausbilder verfügen. Der Ausbil-
dungsrahmenplan stellt sicher, dass der Auszubildende alle Unternehmensbereiche, die für
seine beruflichen Kompetenzen unerlässlich sind, durchläuft. Die Zeiten sind als Richt-
bzw. Mindestzeiten vom jährlichen Ausschuss der Berufsausbildung im dualen System erlas-
sen und müssen vom Ausbilder eingehalten werden.
Zentrale Akteure sind Fachoberschule, Firma, Bildungsministerium, Produktionsministerium
und der jährlichen Ausschuss der Berufsausbildung im dualen System. Deren Zuständigkei-
ten und Aufgabenbereiche sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt.
237 Vgl. ebenda, S. 5-7 238 Vgl. ebenda, S. 12 239 Die folgenden Informationen sind dem sich im Anhang befindenden Gesetzesentwurf “Proyecto
de Ley (Nº 4081/2014-CR). Proyecto de Ley del Sistema Dual de Formación Profesional” verfasst von Leyla Chichuán Ramos (2014), entnommen.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Tabelle 8: Zuständigkeiten des Bildungs- und Produktionsministeriums
Bildungsministerium Produktionsministerium
Überwachung Qualität der technischen Bil-dung in jeder Bildungseinrich-tung
Durchführung der praktischen Ausbildung in jedem Ausbil-dungsunternehmen
Erlass
Regelungen, die Tauglichkeit von Firmen garantieren
Registrierung & Verwaltung
der Ausbildungsunternehmen des Ausbildungsvertrags
Prüfung zuständig für die theoretische Prüfungen
praktische Prüfung wird von einer unabhängigen Kommissi-on, die aus einem Lehrer, ei-nem Unternehmer und einem Mitarbeiter des Ministeriums besteht, abgenommen
Zertifizierung
der Ausbilder (inkl. Ausbil-dung), der Auszubildenden
Dem jährlichen Ausschuss der Berufsausbildung im dualen System gehören je vier Reprä-
sentanten der regionalen Regierungen, der teilnehmenden Firmen und der Fachoberschu-
len sowie je ein Repräsentant des Bildungsministeriums und des Produktionsministeriums
an. Es handelt sich um ein beratendes Organ, das unabhängig vom Bildungsministerium ist
und Mindeststandards für jede technische Laufbahn entwickelt, die Spielraum lassen, um
sie an Bedürfnisse von Region und Firma anzupassen.
Um Notwendigkeit und Vorteilhaftigkeit des dualen Systems für Peru hervorzuheben, wird
auf die deutsche Erfolgsgeschichte verwiesen sowie die erfolgreichen Projekte im Bereich
der dualen Ausbildung, die von der AHK Peru durchgeführt werden, und es wird auf die
Paragraphen 13 und 14 der Verfassung Bezug genommen, die eine vollwertige Bildung zum
Grundrecht erklärt. Abgeleitet wird, dass gerade die berufliche, technische, duale Bildung
als weitere Säule neben der akademischen Bildung begriffen werden muss, um Gesellschaft
und Wirtschaft für künftige Herausforderungen zu stärken.
Gesetzesentwurf: Bundesstaat Mexiko
MED (Modelo Mexicano Educación Dual) oder auch MMFD (Modelo Mexicano Formación Dual)
ist das duale mexikanische System, das Strukturmerkmale des deutschen Systems integriert
und auf die eigenen lokalen Bedürfnisse zugeschnitten hat.240
In dem Gesetzesentwurf241, der am 25.11. 2014 dem Bildungsminister des Bundestaates
Mexikos durch Udo Schneider präsentiert wurde, werden Zuständigkeiten, Verantwortun-
240 Vgl. Cáceres-Reebs/Schneider, 2013, S. 13 241 Die Rechtsnatur der mexikanischen "Lineamientos de Administración" wurde der Autorin während
ihrer Recherchen nicht gänzlich deutlich. Die relevanten Akteure sprechen zwar von einem Geset-zesentwurf. Es könnte jedoch auch eine Regelung gemeint sein, die sich an die Verwaltung rich-
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 41 -
gen und Aufgabenbereiche detailliert beschrieben und der Versuch unternommen, dass
dies als ein verbindliches Regelwerk anerkannt wird.242
Die Abbildung veranschaulicht die zentralen Akteure, deren Kooperation und Schnittstel-
len.
Abbildung 2:Zentrale Akteure und ihre Kooperation im dualen Ausbildungsmodell des Bundesstaates Mexikos243
Je ein Mitglied der Deutsch-Mexikanischen IHK CAMEXA (Cámara Mexicano-Alemana de Co-
mercio e Industria), der deutsch-mexikanischen Allianz für Technologietransfer ALTRATEK,
des mexikanischen Wissenschafts- und Technologierats COMECYT (Consejo Mexiquense de
Ciencía y Tecnología) und des Sekretariats für öffentliches Bildungswesen SEP (Secretaría
de Educación Pública) gehören dem technischen Komitee an, das eine überwachende In-
stanz des dualen Systems darstellt. Um das langfristige Bestehen und Wachstum des dualen
tet, vergleichbar mit der deutschen Verwaltungsvorschrift. Dabei handelt es sich um behördliches Innenrecht ohne Außenwirkung, das bestimmt, wie geltendes Recht durch die Verwaltung anzu-wenden ist (Siehe zum Begriff der Verwaltungsvorschrift: Detterbeck (2015), § 14, Rn. 852 ff.). Dazu würde passen, dass Schneider sie dem Bildungsminister vorgelegt hat: In Deutschland können Verwaltungsvorschriften von der Regierung, also meistens von dem jeweiligen Minister in seinem Fachbereich erlassen werden und es ist keine Beteiligung des Parlaments nötig, weil es auch keine direkte Wirkung auf den Bürger hat.
242Die folgenden Informationen sind dem Dokument “Lineamientos de Administración para la Prepa-ración, Certificación y Auditoría del Modelo de Educación Dual en las Instituciones de Educación Media Superior y Superior de la Secretaría de Educación del Gobierno del Estado de México” ent-nommen. Sie wurden von Udo Schneider am 25.11.2014 dem Bildungsminister des Bundestaates Mexikos vorgelegt.
243 Eigene Darstellung
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 42 -
Systems zu sichern, zahlt das Sekretariat für öffentliches Bildungswesen SEP gemeinsam
mit dem mexikanischen Wissenschafts- und Technologierat COMECYT in einen Fonds ein.
Das Sekretariat für öffentliches Bildungswesen SEP ist von staatlicher Seite die autorisie-
rende Stelle und daher von großer Bedeutung. Die Bildungseinrichtungen werden jährlich
vom technischen Komitee geprüft, überwacht und zertifiziert. CAMEXA und ALTRATEK sind
in der Abbildung mit einem doppelseitigen Pfeil verbunden, da ALTRATEK teilweise Aufga-
ben im Auftrag der CAMEXA durchführt, wie die Ausbildung der Ausbilder oder die Prüfung
der Firmen und Bildungsinstitutionen. Die Administrationssoftware des dualen Berufsaus-
bildungssystem SAED (Sistema Administrativa Educación Dual) ist eine Instrument, das aus
der langjährigen Erfahrung mit dem dualen System in Mexiko entstand und in Form eines
Informationssystems umgesetzt wurde, um eine Schnittstelle zu schaffen und den gesam-
ten Prozess von der Anmeldung bis zum Abschluss einheitlich für jedes Unternehmen, jede
Bildungseinrichtung und jeden Schüler zu gestalten und Überprüfbarkeit zu sichern. Dieses
System basiert auf den deutschen Gesetzesregelungen und den technischen und fachlichen
Regelungen des dualen Bildungsmodells MED des Bundesstaates Mexikos. Mithilfe von SAED
werden die Ausbildungsrahmenpläne individuell erstellt und auf den Server hochgeladen,
um eine chronologische, transparente Reihenfolge festzulegen, wann welcher Wissensin-
halt und welche praktische Fertigkeit erlernt wird. Folglich handelt es sich um eine Bewer-
tungsplattform, die Autoevaluation und einen Qualitätsnachweis und zugleich Kontrolle, ob
Vorgaben eingehalten werden, ermöglicht. Die theoretischen Bildungseinrichtungen sowie
die Unternehmen sind registriert und haben Zugriff auf Rahmenlehrpläne, den Ausbildungs-
rahmenplan und die Ausbildungsplatzbeschreibung. Von der Erstregistrierung des Auszubil-
denden durch die Bildungseinrichtung, was die Registrierung von Firma und Student um-
schließt, bis hin zu Registrierungen von Klausuren, Prüfungsleistungen und vertraglicher
Rahmenwerke wird alles über diese Administrationssoftware, die von ALTRATEK weiter-
entwickelt und gepflegt wird, abgewickelt.
Die Auswahl und Ausbildung der Verantwortlichen wird in einem separaten Kapitel disku-
tiert, was auf den hohen Stellenwert der arbeitspädagogischen Qualifizierung der Ausbilder
aufmerksam macht. Die Verantwortlichen müssen mindestens ein Jahr Arbeitserfahrung im
administrativen Bereich oder der Lehre haben, positiv gegenüber dem MED eingestellt sein
und einen Beweis erbringen, dass sie fachlich sowie pädagogisch-ethisch für diesen Beruf
qualifiziert sind. Im Rahmen einer Weiterbildung, die von der CAMEXA oder ALTRATEK
durchgeführt wird, werden ihnen Grundzüge des MED erläutert, institutionelle Verantwort-
lichkeiten exponiert und deren Rechte und Pflichten veranschaulicht sowie zentrale Para-
digmen der dualen Pädagogik gelehrt, um zu einer professionellen Arbeitsweise, die der
weiteren Verbreitung des dualen Systems dient, zu gelangen.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 43 -
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über Funktion und Pflichten bzw. Bedingungen,
die ALTRATEK, CAMEXA und die Bildungseinrichtung erfüllen müssen.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 44 -
Tabelle 9: Zuständigkeiten und Pflichten der Akteure des dualen Ausbildungsmodells des Bundesstaates Mexikos244
Funktion der Institution
Bildungseinrichtung CAMEXA ALTRATEK
- theoretischer und oder
praktischer Unterricht
- eine Institution (wenn ein
Unternehmen auch über
eine Lehrwerkstatt, Räum-
lichkeiten und Lehrkräfte
verfügt)
- oder zwei unterschiedliche
Institutionen (z.B. Schule
und Betrieb)
Sicherung der Qualitätsstan-
dards, um die deutsche Aus-
bildung als Möglichkeit zu
sichern, qualifizierte Fach-
kräfte auszubilden
Vereint das Wissen über das
deutsche System und Erfah-
rungen, die in Mexiko in den
vergangenen Jahren gesam-
melt wurden
Paradigmenwechsel sicher-
stellen vom schulischen zum
praxisnahen Modell
Zu erfüllende Voraussetzungen und Aufgaben der Institution
Bildungseinrichtung CAMEXA ALTRATEK
- AdA-Schein: 1 Person im
technischen & 1 Person im
administrativen Bereich
- ausreichender Personalbe-
stand
- Vorgaben des MED müssen
strikt ohne Ausnahmen be-
folgt werden
- alternative Modelle sind
nicht erlaubt
- Verwendung der Administ-
rationssoftware SAED ist
verbindlich für alle
- Verträge müssen unter-
schrieben und in SAED
hochgeladen sein
- fristgerecht sind Vorgaben
des SEP oder technischem
Komitee Folge zu Leisten
- nur vom Komitee autori-
sierte Ausbildungsberufe
anbieten
- in Kooperation mit den
Firmen die Anwendung der
technischen und administra-
tiven Überwachung durch-
führen und ermöglichen
- Zuständig und verantwort-
lich für die Zertifizierung
der Ausbilder
- die Definierung von Stan-
dards bei Ausbildungsberu-
fen
- verleiht das Zertifikat des
MED des Bundesstaates Me-
xikos
- Einfluss auf methodologi-
sche Details des MED im
Hinblick auf Implementie-
rung und Überwachung und
rechtmäßige Umsetzung im
Sinne des SEP
- zuständig für Planung und
Realisierung der Abschluss-
examen für das internatio-
nal anerkannte Zertifikat
- betreibt und bietet die
Administrationssoftware
SAED an
- kommuniziert mit CAMEXA
und BIBB, um das SEP über
relevante, interessante
Punkte, wie bspw. aktuelle
Forschungsbefunde, Rege-
lungen oder aktuelle Ten-
denzen zu informieren
- Qualitätssicherung des MED
durch enge Zusammenar-
beit mit deutschem und me-
xikanischem Staat
- Ausbildung der Ausbilder
im Unternehmen und Wei-
terbildung und Ausbildung
aller Verantwortlichen im
administrativen Bereich
(Handling SAED)
244 Eigene Darstellung
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 45 -
3.3 Das duale System und seine Arbeitsmarktnähe: Herausforderungen und Po-
tenziale
3.3.1 Kriterien für die Kompatibilität des dualen Systems mit den nationalen
Bildungssystemen245
Die Kategorie Breitenwirkung, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit thematisiert Zugangsvo-
raussetzungen, Zielgruppe und Berührungspunkte des dualen Systems mit dem nationalen
System. Wer zu der Zielgruppe des dualen Systems in den unterschiedlichen Ländern ge-
hört und welche Auswirkungen dies auf Umsetzung, Anpassung und Durchführung hat, wird
im kommenden Abschnitt dargestellt. Das mexikanische und ecuadorianische Modell sollen
aufgrund ihrer Besonderheiten und Aktualität vertiefend erläutert werden. Die folgende
Grafik soll die These verdeutlichen, die durch Interview und Beobachtungen gewonnen
wurde, nämlich, dass nur, wenn Breitenwirkung, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit in kon-
zeptionelle Überlegungen integriert und das duale System landesspezifisch daraufhin ange-
passt wird, man sich dem Ziel anzunähern vermag, das duale System ins nationale Bil-
dungssystem einzugliedern.
Abbildung 3: Zugänglichkeit, Breitenwirkung und Durchlässigkeit, deren Zusammen-hang und Wirkung246
245 Kategorie: Breitenwirkung, Zugänglichkeit, Durchlässigkeit 246 Eigene Darstellung
'Fit' mit dem nationalen Bildungssystem
Breitenwirkung
Teilnahme sozialer Bevölkerungs-schichten
Durchlässigkeit
Abkommen mit Universitäten
Zertifizierung informell erworbener Kompetenzen
Zugänglichkeit
Eintritts-voraussetz-ungen
Modifizierung
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 46 -
Zugänglichkeit247
An dieser Stelle soll bei den kaufmännischen Ausbildungsberufen, die von den Beruflichen
Schulen im Ausland angeboten werden, auf die Übersichtstabelle (Abschnitt 3.2.4) hinge-
wiesen werden, die länderübergreifend aufzeigt, dass die Schüler ein Sprachdiplom in
Deutsch sowie ein Abitur vorweisen müssen. Diese Voraussetzungen schränken die Ziel-
gruppe der beruflichen Bildung in diesem Bereich erheblich ein, was die folgende Aussage
unterstreicht: „Aber das Klientel von INSALCO248 – das hat nichts mit unserem Berufsschüler
im Rest von Chile zu tun. Das ist eine Elite, die da ausgebildet wird. Da kommen die meis-
ten Chilenen allein wegen der sprachlichen Barriere überhaupt nicht rein und letztendlich
sind das ja auch kaufmännische Berufe.“249 In Argentinien werden von der AHK Bewer-
bungsgespräche geführt, Wissenstests und psychologische Tests durchgeführt, „um [die
Bewerber] zu beurteilen und zu sehen, ob sie tatsächlich Interesse haben, um deren aka-
demisches Niveau zu beurteilen“250, außerdem werden sie in einem Bewerbertrainings-
Seminar auf die Vorstellungsgespräche vorbereitet.251 Auch die Deutsch-Bolivianische IHK
führt Auswahltests, Bewerbungsgespräche und ein Bewerbertraining durch. In manchen
Ländern, wie in Chile, Ecuador und Peru wirkt zusätzlich der finanzielle Aspekt auf die
Zugänglichkeit ein, da den Schülern für die kaufmännischen Ausbildungsberufe Kosten ent-
stehen (siehe Tabelle 7). In Bolivien denkt man darüber nach "[…] einen Fonds zu erschaf-
fen, ähnlich wie ein Stipendium, das Schülern, die wirklich die finanziellen Mittel nicht
haben, trotzdem ermöglicht daran teilnehmen zu können.“252
Durchlässigkeit253
Die Durchlässigkeit der dualen kaufmännischen Ausbildungsberufe soll durch unterschiedli-
che Abkommen mit Universitäten (siehe Tabelle 7) gewährleistet werden. Insbesondere
durch die Mitarbeiterinnen der Auslandshandelskammern Argentinien und Bolivien wurde
betont, dass spezielle Stipendien für überdurchschnittlich gute Absolventen für Universitä-
ten in Deutschland erteilt würden.254 Die Deutsch-Chilenische IHK Cámara Chileno-Alemana
de Comercio e Industria (CAMCHAL) führt ein internationales Berufsbildungsprojekt durch.
„Da geht es genau darum. So lebenslanges Lernen zu beschreiben und informell gewonnene
Kompetenz zu zertifizieren und den Menschen zu ermöglichen in so einer tertiären Bil-
dungsstätte die Kompetenzen weiterzustecken.“255
247 Kategorie: Zugänglichkeit 248 Instituto Superior Alemán de Comercio (INSALCO): kaufmännisches Berufsbildungszentrum 249 Hall, Z. 187-190 250 Falugue, Z. 230 f. 251 Vgl. ebenda, Z. 235-238 252 Martinet, Z. 337 f. 253 Kategorie: Durchlässigkeit 254 Vgl. Falugue, Z. 465 ff.; Martinet, Z. 50 ff. 255 Hall, Z. 65-68
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 47 -
Von mexikanischer Seite wurde das Argument der Förderung und Investition in Humankapi-
tal und die daraus entstehende Durchlässigkeit betont, weil „diese Unternehmen, die dual
ausbilden, suchen sich natürlich auch junge Leute, die sie sponsern, also die sie weiter-
schicken, zum Studieren schicken, die dann auch mal später in dem Unternehmen leitende
Funktionen übernehmen.“256
Breitenwirkung257
Eine Breitenwirkung oder gar einer verhältnismäßig größeren Zahl an jungen Menschen, die
aus „einkommensschwächeren Verhältnissen kommen“258 eine technisch qualifizierte Aus-
bildung zu bieten, hat sich die Deutsch-Peruanische IHK zum Ziel gesetzt, weil „bei diesen
Projekten wird eine ungefähre Anzahl an Auszubildenden von ca. 120 bis 150 angestrebt“259
und die einzige Voraussetzung sei es „junge Leute mit Talent zu finden“260. In Piura han-
delt es sich um fünf öffentliche Institutionen, die im Jahr 2015 150 Auszubildenden die
Möglichkeit des Agrartechnikers bieten, in Jaén beim Agrarwirt sind es 25 Auszubildende,
die zwei Ausbildungsberufe im Bereich Wasser werden in Kooperation mit Senati und GIZ
Proagua realisiert und werden 30 Auszubildende umfassen. 26115 Auszubildende werden den
Ausbildungsberuf Mechatroniker erlernen.262 Auch die Mitarbeiterin der Deutsch-
Argentinischen IHK stellt bei den technischen Ausbildungsberufen die soziale Wirksamkeit
heraus, da es sich teilweise um öffentliche Schulen handle:263 „[I]m Bereich der techni-
schen Ausbildungsberufe erzielen wir die besten Ergebnisse, was die sozialen Aspekte an-
belangt.“264 (Vergleiche hierzu Tabelle 5 in Abschnitt 3.2.4)
In Mexiko sei es gerade so, dass die Auszubildenden des dualen Systems vom Land kämen
und meist aus einkommensschwächeren Verhältnissen stammen und so einen Beitrag leis-
ten ihr soziales Milieu nachhaltig zu verändern: 265 „Die sind dann schon die Ernährer der
Familie und bringen da auch in dieses soziale Gefüge ein bisschen Veränderung rein.“ 266
Wie gelingt die Umsetzung dieses Anspruches in Mexiko? Der folgende Abschnitt erläutert
Grundzüge und Modalitäten des mexikanischen „tropenfesten“ dualen Systems:
2009 unterzeichnete das öffentliche nationale Kolleg für technische professionelle Ausbil-
dung CONALEP eine Kooperationsvereinbarung mit dem BIBB, um das duale System neu zu
256 Päleke, Z. 271-273 257 Kategorie: Breitenwirkung 258 Arciniega, Z. 60 f. 259 Ebenda, Z. 82 f. 260 Ebenda, Z. 275 261 Vgl. ebenda, 2015, S. 3 262 Vgl. ebenda, 2015, S. 3 263 Vgl. ebenda, Z. 452-457 264 ebenda, Z. 479 f. 265 Vgl. Päleke, Z. 237-249 266 Ebenda, Z. 243 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 48 -
beleben und mexikoweit zu verbreiten. 267 ALTRATEK wurde von CONALEP für die fachliche
Beratung engagiert.268 Es entstanden zwei unterschiedliche Modelle: Modell A ist identisch
mit dem deutschen dualen System, das in den anderen Ländern bei den kaufmännischen
dualen Ausbildungsberufen in Kooperation mit den Deutschen Berufsschulen im Ausland
angeboten wird und bei dem die Absolventen ein international gültiges Zertifikat (DIHK-
Kategorie A) erhalten. Ausbildungsunternehmen können hier lediglich eingeschriebene
Kammermitglieder sein.
Das an lokale Bedürfnisse angepasste Modell B, MED bzw. MMFD entstand auf Nachfrage der
Privatwirtschaft und wird in Kooperation mit drei Universitäten269 und CONALEP angeboten,
welches „[d]ie mit Abstand wichtigste Institution der beruflichen Bildung in Mexiko ist […]
für Technisch-Professionelle Ausbildung.“270 Das CONALEP besuchten im Schuljahr
2012/2013 305.310 Schüler, was knapp 79 % der Berufsschüler Mexikos entspricht.271 In den
ersten drei Semestern werden im CONALEP allgemeine und fachliche Inhalte theoretisch
gelehrt, im Anschluss daran folgt ein Pflichtpraktikum in einem von CONALEP anerkannten
Unternehmen.272
Die folgende Tabelle weist auf Besonderheiten und Modifizierungen des mexikanischen
Modells hin. Die kürzere Ausbildungsdauer, der anders gewichtete Theorie-Praxis-Anteil
und die Ausbildereignung sind die wesentlichen Unterschiede zur deutschen dualen Praktik.
267 Vgl. Cáceres-Reebs/Schneider, 2013, S. 12 268 Vgl. ebenda, S. 12 269 Siehe hierzu die Auflistung der teilnehmenden Universitäten in Tabelle 5 270 iMove, 2012, S. 20 271 Vgl. SEP, 2013a, S. 44 272 Vgl. iMove, 2012, S. 21
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 49 -
Tabelle 10: Merkmale des mexikanischen dualen Ausbildungsmodells 273
Kriterium Modell B/MED/MMFD
Theorie-Praxis-Anteil je 50 %
Vertragsregistrierung bei der CAMEXA, muss kein Kammermitglied sein
Ausbildungsdauer mindestens 2 Jahre
Ausbildungsrahmenplan verpflichtend, mithilfe von SAED zu erstellen
Ausbildereignung
kein dt. AdA-Schein nötig, aber ein kürzeres, angepasstes Ausbilderseminar
Außerbetriebliche Zentren
sollen gewährleisten, dass auch kleine und mittelständi-sche Unternehmen teilnehmen können und Lerninhalte ggfls. dort durchgeführt werden
Wochenberichte Empfehlung, aber keine Verpflichtung
Konstrulab interaktive Lernplattform im Bundesstaat Mexiko ver-pflichtend
Zwischenprüfung existiert nicht
Abschlussprüfung
deutsche Prüfungen werden übersetzt, abgeändert, leich-ter gestaltet
Zertifizierung
durch CAMEXA (von CONOCER bevollmächtigt) mit natio-naler Gültigkeit
Dieses Modell wird in zwölf Bundesstaaten Mexikos angeboten. 2003 waren es ca. 800 Aus-
zubildende.274 Die betriebliche Ausbildung wird durch die E-Learning-Plattform Konstrulab,
die ALTRATEK entwickelt hat, ergänzt. Sie vermittelt theoretische Berufsschulinhalte, folgt
dem Grundsatz der Handlungsorientierung, bietet Möglichkeiten der Selbstevaluation und
der kontinuierlichen Überprüfung und Prüfung im Hinblick auf die Erreichung der kompe-
tenzorientierten Lernziele. Jedes Ausbildungsunternehmen verpflichtet sich dazu
Konstrulab zu installieren, zu nutzen und den Auszubildenden eine Stunde pro Tag dafür
freizustellen.275
Durch Konstrulab und die öffentliche Bildungseinrichtung CONALEP ist es sowohl Schülern
aus einkommensschwächeren als auch ländlicheren Regionen möglich einen dualen Ausbil-
dungsberuf zu erlernen
Das Sekretariat für öffentliches Bildungswesen SEP betont in einer Veröffentlichung nebst
dem Ziel, dass 2018 10.000 Auszubildende in 300 Bildungseinrichtungen und 500 Unterneh-
men teilnehmen, dass durch vier Maßnahmen sichergestellt werden solle, dass es sich um
ein nachhaltiges, langfristig wirksames System handle, das an lokale Bedürfnisse angepasst
ist:276
273 Eigene Darstellung in Anlehnung an AHK Mexiko/PROCEI, 2013, S. 1-6 274 Vgl. Cáceres-Reebs/Schneider, 2013, S. 12 275 Vgl. ebenda, S. 12 f. 276 Vgl. SEP, 2013b, o.S.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 50 -
1. Die konstante Ausbreitung des Modells solle durch die Kooperation mit mehr Bil-
dungseinrichtungen sowie die Integration aktueller Lerninhalte gewährleistet
sein.277
2. Durch die Vergabe von Stipendien solle eine langfristige Sicherung des Modells
gewährleistet sein.278
3. Weiterbildung der Lehrkräfte im Bereich neuerer Technologien stelle sicher,
dass die Ausbildung zeitgemäß ist.279
4. Eine angemessene akademische Bildung zu genießen fordere, dass jede Bil-
dungseinrichtung einen engen Bezug mit, bzw. sogar einer Denkweise von, der
regionalen Wirtschaft her folge bzw. diese umsetze.280
‚Fit‘ mit dem nationalen Bildungssystem281
In Ecuador wird die Kompatibilität bzw. der ’Fit‘ mit dem nationalen Bildungssystem deut-
lich, da hier die Transferierung des dualen Systems ins nationale Bildungssystem von Präsi-
dent Rafael Correa beschlossen wurde: 282 Am 21. Mai 2012 wurde ein Abkommen zwischen
dem koordinierenden Ministerium für Wissen und menschliches Talent, dem Ministerio de
Coordinación del Conocimiento y Talento Humano (MCCTH) und der Deutsch-
Ecuadorianischen IHK unterschrieben.283 Dieses Abkommen legt fest, dass gemeinsam an
der Weiterentwicklung der Implementierung des dualen Systems in Ecuador gearbeitet
wird.284 Die AHK ist beratend tätig und soll dabei helfen Lehrcurricula zu entwerfen, das
Prüfungswesen und die Evaluation zu konzipieren und zu standardisieren, Qualität zu si-
chern und natürlich die Privatwirtschaft für das duale System zu gewinnen und dieses an
den Bedürfnissen der Privatwirtschaft auszurichten.285 Seit diesem Abkommen arbeiten
verschiedene Akteure an der Anpassung und Umgestaltung des dualen Systems. Dass es
eine systemberatende und keine autoritative, direktive Position ist, die die Deutsch-
Ecuadorianische IHK einnimmt, wird daran deutlich, dass Schwerpunkte, Ausbildungsberufe
und Bedarfe von der ecuadorianischen Regierung und den zuständigen Ministerien vorgege-
ben werden. 286 Die Kammer übersetzt daraufhin, wo möglich, die Ausbildungsberufe, oder
entwirft in anderen Fällen, je nach Wunsch des Auftraggebers, in Kooperation mit lokalen
277 Vgl. ebenda, o.S. 278 Vgl. ebenda, o.S. 279 Vgl. ebenda, o.S. 280 Vgl. ebenda, o.S. 281 Kategorien: Breitenwirkung, Durchlässigkeit, Zugänglichkeit, Berührungspunkte mit dem nationa-
len Bildungssystem 282 Vgl. AHK Ecuador/Ministerio de Coordinación de Conocimiento y Talento Humano, 2012, o.S. 283 Vgl. ebenda, o.S. 284 Vgl. ebenda, 2012, o.S. 285 Vgl. ebenda, 2012, o.S. 286 Vgl. Portenkirchner, Z. 145-150
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 51 -
Fachexperten, maßgeschneiderte duale Ausbildungsberufe (Tabelle 5, Abschnitt 3.2.4).287
Dass bei diesem Vorhaben Breitenwirkung, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit eine große
Rolle spielen unterstreicht die folgende Aussage der CIM-Fachexpertin Portenkirchner:
„Also gerade in dem großen Staatsprojekt ist es ja eines der Ziele, auch einkommensschwächere
Schichten miteinzubeziehen, gerade eben durch kostenlose Erstausbildung und, das ist auch die Idee
dahinter, dass das sehr attraktive Ausbildungen für Jugendliche aus einkommensschwächeren
Schichten sind, weil sie eben zum einen für den schulischen Teil nicht bezahlen müssen und zum
anderen die Möglichkeit haben, vom Unternehmen noch querfinanziert zu werden. Also es gibt eine
Idee, dass das Unternehmen an den Auszubildenden was bezahlt und das macht es natürlich sehr
attraktiv und davon erwartet man sich auch, dass es kein abgehobenes, elitäres System ist, sondern
auch vor dem Hintergrund der ‚inclusión‘ Effekte gibt.“288
Das zuständige Hochschul-Bildungsministerium für den Bereich Technik, Forschung und
Innovation Secretaría Nacional de Educación Superior, Ciencia, Tecnología e Innovación
(SENESCYT) erläutert, dass es sich um einen Umwandlungsprozess handelt, in welchen ver-
schiedene Akteure, unterschiedliche Branchen und zahlreiche Partner involviert sind und
dass im Rahmen dessen bereits 40 öffentliche Bildungseinrichtungen zu technischen und
technologischen praxisorientierten Berufshochschulen Institutos Superiores Técnicos y
Tecnológicos Públicos (ITTSP) umgewandelt worden sind.289
„Wir sind dabei andere Zeiten in Ecuador zu erleben; wir haben eine intensive universitäre Reform
ausgelöst, die 2012 begann indem wir Universitäten schlechter Qualität geschlossen haben. Nun
intensivieren wir unseren Einsatz im Bereich des menschlichen Talents durch Stipendien […]. Ein
weiteres wichtiges Ziel ist die Umwandlung der technischen und technologischen Bildungseinrich-
tungen und in diesem Fachgebiet, ist Deutschland Führer.“ 290
René Ramírez, der Sekretär des SENESCYT und Präsident des Höheren Bildungs-Ausschusses
Consejo de Educación Superior (CES), macht durch seine Aussage deutlich, dass die Erfah-
rung und das Fachwissen, das Deutschland im Bereich der beruflichen Bildung vorweist,
genutzt werden soll. Gleichzeitig aber wird deutlich, dass ein Paradigmenwechsel im Land
stattfinden soll, da es sich um ein national initiiertes und gewolltes Projekt handelt, das
durch die Vergabe von Stipendien allen Bevölkerungsschichten die Teilnahme ermöglichen
soll, ohne zu selektieren. Rafael Correa stellt heraus, dass seine Regierung im Bildungssek-
287 Vgl. ebenda, Z. 145-150 288 Ebenda, Z. 346-354 289 Vgl. SENESCYT, 2015a, o.S. 290 „Estamos viviendo otros tiempos en el Ecuador; hemos iniciado una intensiva reforma universita-
ria que pasó en el 2012 por el cierre de universidades de mala calidad. Ahora intensificamos nues-tra apuesta por el talento humano, con becas [...] otro ambicioso objetivo es la reconversión de los institutos técnicos y tecnólogicos, y en esa materia, Alemania es lider.” Ministerio de Educa-ción Superior, 2013, o.S.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 52 -
tor 30 Mal mehr Stipendien vergeben hätte als die vorherigen sieben Regierungen gemein-
sam.291
Es handelt sich um einen Umwandlungsprozess, der Wirtschaft und Gesellschaft betrifft
und in welchen der Staat eine hohe Summe investiert: 308 Millionen USD werden benötigt,
um die notwendigen strukturellen Veränderungen im Hinblick auf den akademischen und
administrativen Prozess der öffentlichen technischen und technologischen Berufshochschu-
len zu bewirken. Die Maßnahmen umschließen u.a. die Errichtung von Gebäuden und Lehr-
werkstätten, deren Ausstattung sowie die Konzeptionierung der Lehrcurricula.292 Laut An-
gaben des SENESCYT handelt es sich aktuell um 42 duale technische und technologische
Ausbildungsberufe in zahlreichen Sektoren, wie Ingenieurwesen, Industrie, Bauwirtschaft,
Landwirtschaft, Softwareentwicklung, Biotechnologie, Öffentlicher Dienst, Medien, Ge-
sundheit und Bildung.293
Modifizierung294
Könnte es nicht sein, dass gerade die Modifizierung, zu der von Wallenborn angesproche-
nen und in Mexiko und Ecuador demonstrierten „Transferkompetenz“295 führt? Auch die
Mitarbeiterin der Deutsch-Chilenischen IHK macht mit ihrer Aussage deutlich, dass ihrer
Erfahrung nach der Auftrag laute, nicht zu kopieren, sondern antizipierend und anpassend
zu agieren. „Es geht hier nicht darum den deutschen Industriemechaniker zu kopieren. Die
chilenischen Berufe stehen im Mittelpunkt und es geht bisschen weg von Deutschland.“296
3.3.2 Herausforderungen297
Im Hinblick auf Probleme, die bei der Umsetzung des dualen Systems auftauchen, konnten
die Aussagen nach drei Argumenten gebündelt werden. In diesem Abschnitt sind landesspe-
zifische Besonderheiten nicht auszumachen, außer, dass Akzeptanz und Aufnahme des dua-
len Systems „ […] auch mit der Marktstruktur zu tun [haben], die in Chile herrscht, [wo]
immer verschiedene Systeme nebeneinander existieren.“298 Daher sei es in Chile schwer
„etwas Systemveränderndes“299 zu machen und „überhaupt richtig Einfluss zu nehmen auf
die Politik und auf politischer Ebene irgendwie was zu bewirken, hinsichtlich der Planung
und Koordinierung“300 Akzeptanz, Beschäftigung und Vertrauen einem Experten gegenüber
291 Vgl. Ministerio de Educación Superior, 2013, o.S. 292 Vgl. SENESCYT, 2015a, o.S. 293 Vgl. SENESCYT, 2015b, o.S. 294 Kategorie: Breitenwirkung, Zugänglichkeit und Durchlässigkeit 295 Vgl. Wallenborn, 2007, S. 49 296 Hall, Z. 85-87 297 Kategorie: Probleme 298 Hall, Z. 208-210 299 Ebenda, Z. 322 300 Ebenda, Z. 275 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 53 -
überlebe selten einen Regierungswechsel.301 Die folgende Tabelle veranschaulicht die Häu-
figkeit der genannten Argumente, die im darauffolgenden Abschnitt erläutert werden.
Tabelle 11: Häufigkeitsanalyse: Herausforderungen302
Argument Nennungen
Unbekannt 4
Modell A 7
Einsatz 12
Die Praktik und Philosophie der dualen beruflichen Ausbildung sind bei der Bevölkerung der
meisten Länder, wie bereits im Abschnitt gesellschaftliches Ansehen der Be-
rufs(aus)bildung dargelegt, unbekannt. So äußert sich dies häufig in Skepsis303 und „Unver-
ständnis“304, da es sich um ein „sehr komplexes Thema“305 handelt, was eine Hürde bei der
Implementierung darstellt. Auch fehle es vielen Firmen an qualifiziertem Personal, um die
Ausbildung anzubieten „und [die Firmen] kennen [die duale Berufsausbildung] unter Um-
ständen gar nicht, oder wissen gar nicht, welchen Nutzen sie daraus ziehen können.“306
Bei dem Modell, Kategorie A (DIHK) das seit Jahren in den unterschiedlichen Ländern La-
teinamerikas in Zusammenarbeit mit den Deutschen Auslandsschulen angeboten wird, han-
delt es sich aufgrund der Eins-zu-eins-Umsetzung und der Unterrichtssprache Deutsch nicht
um ein „wachstumsfähiges“307 Modell, das allen zugänglich und breitenwirksame Vorteile
erzielt, sondern vielmehr „handelt es sich aber bei diesem Projekt, um ein kleines Mikro-
Projekt und wir können keine Vorteile nennen, wie beispielsweise die Verringerung der
Jugendarbeitslosigkeit oder eine Verbesserung der wirtschaftlichen Bedingungen.“308 Diese
Umsetzung selektiert und führt nicht zu einer Verbesserung der ökonomischen Situation, da
es nur von wenigen Jugendlichen in Anspruch genommen werden kann, auch, da die Schü-
ler teilweise für diese Form von Ausbildung Schulgebühren bezahlen müssen.309 „Es gibt
einige [Ausbildungsunternehmen], die lediglich teilnehmen, aufgrund eines Versprechens
gegenüber der Kammer.“310
Die Implementierung und Verbreitung stellen eine umfangreiche Aufgabe dar, die komple-
xe Bedingungen an die Akteure stellt. Die Aussagen der interviewten Personen verdeutli-
chen, dass insbesondere der Einsatz, das Engagement und das Umdenken, welches mit ein-
301 Vgl. ebenda, Z. 296-298 302 Eigene Darstellung, Datenquelle: Die sich im Anhang befindende Auswertungsdatei der Experten-
interviews 303 Vgl. Schneider, Z. 29 304 Ebenda, Z. 166 305 Ebenda, Z. 167 306 Hall, Z. 120 f. 307 Linder, Z. 23 (Gedächtnisprotokoll) 308 Vgl. Arciniega, Z. 36-38 309 Vgl. ebenda, Z. 22-25 & 40-45 310 Martinet, Z. 221 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 54 -
her geht bei der Umsetzung des dualen Systems, ein Problem darstellt für Firmen, Akteure,
Ausbildungsunternehmen und Verantwortliche.311 Denn die duale Ausbildung kostet Geld,
da man bereit sein muss in Material und Maschinen zu investieren. Dies sei häufig unge-
wohnt, und das schulisch-orientierte bekannte System sei wesentlich günstiger, da man
„40, 50 Leute, Studenten in einem Saal zusammensetzt und den Lehrer auch nicht richtig
bezahlt.“312 Etwas Neues zu initiieren, ist häufig unbequem und trifft auf Ablehnung.313
Und „viele holt man aus ihrer Komfortzone.“314 „Duale Ausbildung heißt eigentlich indivi-
duelle Betreuung, und bei der Massenabfertigung, die man in solchen Ländern gewohnt ist,
ist das dann doch äußerst schwierig, dass dann eine Schule sich umstellt […].“315
Das duale Ausbildungssystem umzusetzen fordert eine offene, neue Denkhaltung und
Herangehesweise, da Firmen Verantwortung übernehmen und den Willen zur Kooperation
demonstrieren müssen. Außerdem ist es wichtig, dass sie fähig dazu sind, ihre Bedürfnisse
zu formulieren und bereit dazu sind für diese Investition Geld und Kraft einzusetzen.316
„Das Problem ist, dass wenn wir uns dem annehmen, also allem, was mit dem Projekt zu
tun hat und aufzeigen, was damit verbunden ist, dass einige dann den Rückzieher ma-
chen.“317
3.3.3 Aktuelle Tendenzen und Lösungsansätze318
Die Vernetzung der Themen wird auch in diesem Abschnitt deutlich, da aktuelle Tendenzen
in gewisser Weise bereits im obigen Abschnitt im Zusammenhang mit den eingereichten
Gesetzesentwürfen thematisiert wurden. Im folgenden Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf
operativen, exemplarischen Anpassungen und der Einordnung landesspezifischer Trends.
Dabei geht es weniger darum darzustellen, wie strategisch auf Rahmenbedingungen Ein-
fluss genommen wird, wie es im Abschnitt der Gesetzesentwürfe im Vordergrund stand. Die
Matrix soll den durch das Interviewmaterial gewonnenen Eindruck der aktuellen landesspe-
zifischen Tendenzen im Hinblick auf den Umgang mit dem dualen System abbilden. Chile
bleibt unberücksichtigt, da keine Einordnung aufgrund des Interviewmaterials vorgenom-
men werden konnte. Die Achse Neuigkeit soll auf Bestrebungen neue Wege im Rahmen der
dualen Ausbildung zu beschreiten hinweisen, wohingegen es bei der horizontalen Achse
Tiefe darum geht, die bestehende Strategie weiterhin fokussiert zu verfolgen und auszu-
bauen.
311 Vgl. Päleke, Z. 257-261 312 Schneider, Z. 51-53 313 Vgl. ebenda, Z. 133-136 314 Ebenda, Z. 135 315 Schneider, Z. 167-169 316 Vgl. Falugue, Z. 290; Martinet, Z. 191; Arciniega, Z. 108 f.; Hall, Z. 137 f.; Schneider, Z. 170 f. 317 Arciniega, Z. 161-163 318 Kategorien: Aktuelle Tendenzen, Lösungsansätze
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 55 -
Abbildung 4: Matrix der landesspezifischen und aktuellen Tendenzen mit den vier Handlungsstrategien319
In Argentinien und Bolivien nähme vor allem der Auftrag, die jüngere Generation zu erzie-
hen, in den vergangenen Jahren einen hohen Stellenwert ein.320 Es sei heute mehr Bera-
tung, Unterstützung und Begleitung der Jugendlichen von Nöten als früher.321 Daher sei
man auch dazu übergegangen Bestandteile zu standardisieren, beispielsweise Handbücher,
die Richtlinien für die Auszubildende, Tutoren und Firmen enthalten, zu formulieren und
die Unternehmen zu besuchen und zu schulen.322 Das System müsse mit der Zeit gehen und
angepasst werden, was durch die Umstellung auf Blockunterricht, um Schüler und Ausbil-
dungsunternehmen des ganzen Landes einzubeziehen, Expertengespräche und Austausch-
programme umgesetzt werde.323
In Ecuador und Mexiko wird durch das momentane starke Interesse und den „Zuspruch“324
eher der Anspruch deutlich, die Umsetzung zu intensivieren und Beständigkeit zu sichern,
so „dass die Masse nicht die Qualität erdrückt.“325 Es sei wichtig, sich auf die bestehenden
Ausbildungsgänge zu fokussieren und sich immer gut zu überlegen, was angepasst, geän-
dert werden dürfte, ohne dass man dem dualen System die konstitutiven Elemente raube,
319 Eigene Darstellung 320 Vgl. Falugue, Z. 137 & 220 f. 321 Vgl. ebenda, Z. 224 & 226 & 260 f. 322 Vgl. Martinet, Z. 123-135 323 Vgl. Falugue, Z. 135 f. & 86 & 275 f.; Martinet, Z. 137 f. 324 Schneider, Z. 106 325 Ebenda, Z. 104 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 56 -
verdeutlichte die mexikanische Perspektive.326 Vor allem die Rolle der Betriebe zu stärken
sei wichtig, um auch dadurch zu bewirken, dass der berufliche, praxisorientierte Abschluss
Akzeptanz und Anerkennung in Gesellschaft und Wirtschaft genieße, betonte die ecuadori-
anische Expertin.327
Von peruanischer Seite wurde der Anspruch zum Ausdruck gebracht, dass die Projekte, die
2014 gestartet wurden und meist in Kooperation mit der regionalen Landesverwaltung
durchgeführt werden, in Zukunft ausgebaut werden müssen. Klar sei, dass dies viel Arbeit
mit sich bringe, da die Bildungseinrichtungen strukturell verändert werden müssten.328
In Bolivien wird zusätzlich der Aspekt der Erweiterung des dualen Konzepts deutlich, da
bisher noch keine technische Ausbildung angeboten wird.
„Im Wasser- und Elektrizitätssektor mangelt es jeweils an ca. 9000 Fachkräften (Summe 18.000). Mit
der Ausbildung von Fachkräften in diesem Sektor könnte man eine Lösung für alle sozialen Schich-
ten, Branchen und Sektoren offerieren […].“329
So Peter Linder der deutsche Botschafter Boliviens. Diese Ansicht teilt auch die Mitarbeite-
rin der Deutsch-Bolivianischen IHK und betont, dass vor allem technische Ausbildungsberu-
fe künftig von Interesse seien und es im Bereich Wasser, sanitäre Grundversorgung und
Erneuerbare Energien bereits eine Projektinitiative mit der GIZ gäbe.330
326 Vgl. ebenda, Z. 37 f, & 107 f. 327 Vgl. Portenkirchner, Z. 107 & 221-223 328 Vgl. Arciniega, Z. 343-348 329 Linder, Z. 57-61 (Gedächtnisprotokoll) 330 Vgl. Martinet, Z. 172 f. & 203
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 57 -
3.3.4 Praxisbezug, Arbeitsmarktnähe und Kooperation331
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick wie Zusammenarbeit, die Nähe zum lokalen Ar-
beitsmarkt und die Integration der Praxis umgesetzt werden:
Tabelle 12: Konkretisierung von Praxisbezug, Kooperation, Arbeitsmarktnähe im Län-derüberblick332
Kriterium Land Umsetzung
Praxisbezug Argentinien: Ausbildungsberufe werden je nach Bedarf der Nach-frager auf Spanisch oder Deutsch konzipiert333
Ecuador: Praxisbezug ist von hoher Relevanz334
Kooperation Argentinien: „Wir arbeiten immer im Team mit der Firma, der zuständigen Bildungseinrichtung“335
Chile:
Es wird „mit verschiedenen Kooperationsinstanzen zusammengearbeitet“336, „auch auf tertiärem Ni-veau“337, „Berufsbildungsausschüsse“338 wurden eingerichtet, Intensivierung der „Zusammenarbeit zwischen Staat und Schule“339
Ecuador: Aktuelle Zielvorstellung: Stärkere Integration und klare Aufgabenzuweisung gegenüber Privatwirt-schaft, Kammern, Verbänden340 „Dualität und den Dialog auf gleicher Ebene zwi-schen Staat und Wirtschaft herstellen“341
Peru: Zusammenarbeit mit Firmen und privaten sowie öffentlichen Bildungseinrichtungen dem Grundsatz folgend:342 „Wir gehen gemeinsam, langsam, aber sicher mit der Zustimmung aller Beteiligten.“343
Arbeitsmarktnähe Chile: „Erhebung von industrienahen Ausbildungsprofi-len“344, nur bedingte Übertragbarkeit deutscher Berufe,345 weil „zum Beispiel in Deutschland ist al-les hochautomatisiert, in Chile mechanisiert“346
Mexiko: Initiative ging vor allem von ausländischer Unter-nehmen aus, weil sie qualifizierte Facharbeiter für ihre Arbeitsprozesse benötigen347
Peru: Ausbildungsberuf muss Bedarf der Region decken348
331 Kategorie: Praxisbezug, Kooperation und Arbeitsmarktnähe 332 Eigene Darstellung 333 Vgl. Falugue, Z. 162 f. 334 Vgl. ebenda, Z. 53 f. 335 Ebenda, Z. 253 336 Hall, Z. 28 337 Ebenda, Z. 49 f. 338 Ebenda, Z. 43 339 Ebenda, Z. 38 340 Vgl. Portenkirchner, Z. 111-113 341 Ebenda, Z. 113 f 342 Vgl. Arciniega, Z. 329-332 343 Ebenda, Z. 332 f. 344 Hall, Z. 83 345 Vgl. ebenda, Z. 87-90 346 Ebenda, Z. 90 f. 347 Vgl. Päleke, Z. 263-266 348 Vgl. Arciniega, Z. 173 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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Gerade im Hinblick auf die Kooperation mit Bildungseinrichtungen wird an dieser Stelle auf
die in Kapitel 4.1 eingangsdargestellte Übersichtstabelle verwiesen, die verdeutlicht, dass
im kaufmännischen Bereich gemeinsam mit der Deutschen Schule zusammengearbeitet
wird. Wohingegen es im technischen Ausbildungsbereich überwiegend öffentliche, nationa-
le Bildungseinrichtungen sind, nämlich in Peru bisher sechs öffentliche und zwei private, in
Ecuador 40 öffentliche, in Mexiko 50 und in Chile sind es über 200 öffentliche Bildungsein-
richtungen (siehe Tabelle 5 in Abschnitt 3.2.4).
Engagement der Ausbildungsunternehmen349
Es sind unterschiedliche Ausprägungen des Engagements ersichtlich. Teilweise ist dies wo-
möglich auch durch den Grad der Industrialisierung des Landes, den Anteil an Unterneh-
men, die das duale Ausbildungssystem und das Interesse der Regierung kennen, erklärbar:
In Mexiko sind die Motoren oder Nachfrager der dualen Ausbildung überwiegend große
deutsche Unternehmen, die die duale Ausbildung forderten:350 „Die Anfragen kommen […]
von den Unternehmen, und die Unternehmen wenden sich an die Kammer.“351
Auch in Ecuador sind Unternehmen, Unternehmensgremien und Fachverbände involviert
und es wird ihnen ein hoher Stellenwert eingeräumt.352 Man versucht sie in konzeptionelle
Entscheidungen zu integrieren,353 im Rahmen von Workshops „die Notwendigkeit oder die
Bedürfnisse, die die Unternehmen in Bezug auf die berufliche Ausbildung haben“354, her-
auszufinden und deren konstruktives Feedback einzuholen.355
In Peru ist es vom Modell abhängig. Bei Modell A wird die Verpflichtung von Unternehmer-
seite her deutlich: „Die Firmen bilden aus, weil sie einen Vertrag haben, wissen aber auch,
dass die große Mehrheit nach Deutschland möchte.“356 Bei den neu initiierten Projekten
hingegen wird „[d]er erste Schritt [.] immer durch die Firmen ausgelöst, die auf uns zu-
kommen“357, und die u.a. in Kooperation mit den Genossenschaftsunternehmen oder der
regionalen Landesverwaltung entstanden.358 Hier wurden„ […] die teilnehmenden Firmen
von Anfang an eingeladen, damit sie auch die Möglichkeit hatten über das Design des Curri-
culums zu entscheiden, und sie haben teilgenommen in einem Rat, in dem Entscheidungen
getroffen wurden, wie bei der Implementierung vorgegangen wird.“359
349 Kategorie: Rolle der Betriebe 350 Vgl. Päleke, Z. 21-24 351 Ebenda, Z. 147 f. 352 Vgl. Portenkirchner, Z. 187-190 353 Vgl. ebenda, Z. 224-226 & 234-236 354 Ebenda, Z. 238 f. 355 Vgl. ebenda, Z. 196 f. 356 Arciniega, Z. 52 f. 357 Ebenda, Z. 158 358 Vgl. ebenda, Z. 70 f. & 83 f. 359 Arciniega, Z. 132-135
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 59 -
Auch die argentinische Expertin betont, dass die Aktivität im Falle neuer Ausbildungsberufe
immer von den Unternehmen ausginge und dass diese ihren Bedarf auch konkret verbalisie-
ren könnten.360 „Genau diese Unternehmen schätzen ein, was benötigt wird und ob das auf
Deutsch, Spanisch, Englisch sein soll.“361
„[D]ie Industrie müsste mehr Verantwortung übernehmen“362, so die chilenische Expertin.
Es gäbe einige „Leuchtturmprojekte“, in denen sich Firmen wie LAN und Teléfonica sehr
engagierten doch, dies sei kein Standard.363
3.4 Rolle der Auslandshandelskammer als zertifizierende Institution
3.4.1 Absolventen der dualen Ausbildung364
Die AHKs wurden vom DIHK aufgefordert nach den eingangserwähnten Qualitätskategorien
zu zertifizieren. Ein kurzer Überblick über die drei unterschiedlichen Kategorien soll die
Einordnung erläutern:
Die Qualitätskategorien sollen dabei unterstützen, konstitutive Elemente des dualen Sys-
tems zu übertragen, lokal anzupassen und einen Überblick geben, welche Möglichkeiten
des Transfers wie einheitlich und transparent zu zertifizieren sind.365 Es werden drei Kate-
gorien unterschieden: Die Kategorie A beschreibt Berufsbildungsaktivitäten, die fast voll-
ständig mit der deutschen Praxis übereinstimmen:366 Die Ausbildungszeit ist der deutschen
Ausbildungsordnung zu entnehmen, die praktische Ausbildung nimmt mindestens 70 % der
Ausbildungszeit in Anspruch.367 Die Zertifikate sind zweisprachig und tragen sowohl das
DIHK- als auch AHK-Logo und werden von beiden Institutionen unterzeichnet.368 Bei Katego-
rie A ist je Ausbildungsunternehmen ein qualifizierter Ausbilder mit AdA-Schein Internatio-
nal mit 80-100 %iger Übereinstimmung mit dem deutschen Produkt vorgeschrieben.369 Häu-
fig wird diese Ausbildung in Kooperation mit Deutschen Auslandsschulen angeboten und
findet überwiegend auf Deutsch statt.
Berufsausbildungsaktivitäten, die sich der Kategorie B zuordnen lassen, gehen stärker auf
regionale Schwerpunkte ein, aber lehnen sich dennoch eng an der deutschen Umsetzung
an.370 Grundlage ist eine deutsche Ausbildungsordnung, aber die Ausbildungsdauer kann
360 Vgl. Falugue, Z. 163 f. & 341 & 362 361 Ebenda, Z. 165 f. 362 Hall, Z. 44 f. 363 Vgl. Hall, Z. 115-118 364 Kategorien: Zertifikate und Qualitätsstandards, Internationale Zertifizierung 365 Vgl. Bayer/Sievers, 2014, S. 2 f. 366 Vgl. ebenda, S. 3 367 Vgl. ebenda, S. 3-12 368 Vgl. ebenda, S. 3-12 369 Vgl. ebenda, S. 2 f. 370 Vgl. ebenda, S. 2
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 60 -
kürzer sein, muss aber mindestens zwei Jahre betragen und die praktische Ausbildungszeit
muss mindestens 50 % ausmachen.371 Auch in diesem Fall wird das Prüfungsprozedere von
der AHK organisiert und überwacht.372 Die Absolventen erhalten ein zweisprachiges Zertifi-
kat, das den Titel „Zertifikat - Duale Berufsbildung - für Land xyz“ trägt.373 Laut den 2014
veröffentlichten Qualitätskategorien müssen die Ausbilder hier über den „AdA-
International Kategorie B“374 verfügen, wie Recherchen ergeben haben, gibt es ein Produkt
mit dieser Bezeichnung allerdings nicht und es ist derzeit das Produkt „AdA-Light“ in Pla-
nung.375 Bei Kategorie C handelt es sich um eine Ausbildung, ein Training oder eine Wei-
terbildung, die duale Komponenten aufweist, aber deren Ausrichtung und Konzeption von
Bedürfnissen des lokalen Arbeitsmarktes ausgeht.376 Die AHK ist beratend tätig und koope-
riert mit Unternehmen, Regierung oder anderen relevanten Akteuren eng und partner-
schaftlich zusammen.377
Die Auslandshandelskammern Chile, Peru und Mexiko, sind auch im Bereich der national
gültigen Zertifizierung aktiv (DIHK Kategorie B, C), wie die folgende Auflistung verdeut-
licht:
Die AHK Chile zertifiziert nicht offiziell, hat jedoch im Rahmen von Pilotprojekten, Model-
le dargeboten, wie eine solche nationale Zertifizierung aussehen könnte.378
Die AHK Peru zertifiziert sowohl vom peruanischen Staat anerkannt im Rahmen der darge-
legten technischen Ausbildungsberufe, als auch betriebliche Weiterbildungen, die sich über
sechs Monate erstrecken.379 „[Die Absolventen] erhalten einen betriebsinternen Titel mit
firmenspezifischem Wissen.“380
Die AHK Mexiko ist durch die nationale Zertifizierungsinstanz CONOCER dazu bevollmäch-
tigt, ein national anerkanntes Zertifikat auszugeben.381
In jedem der Länder werden die kaufmännischen Ausbildungsberufe durch die Auslands-
handelskammern gemäß DIHK: Kategorie A zertifiziert.382 In Mexiko sind es die technischen
371 Vgl. ebenda, S. 5 f. 372 Vgl. ebenda, S. 8 373 Vgl. ebenda, S. 10 374 Ebenda, 2014, S. 4 375 Vgl. Hausmann, 2015, S. 1 376 Vgl. Bayer/Sievers, 2014, S. 2 377 Vgl. ebenda, 2014, S. 3 378 Vgl. Hall, Z. 163-166 379 Vgl. Arciniega, Z. 198-206 380 Ebenda, Z. 207 f. 381 Vgl. Päleke, Z. 41-44 382 Nach Meinung der Verfasserin zertifiziert im eigentlichen Sinne lediglich Mexiko nach Kategorie
A, da in diesem Fall die Ausbilder der Unternehmen über den Internationalen AdA-Schein verfü-gen. Diese Voraussetzung ist laut Angabe der interviewten Personen in den anderen Ländern zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gegeben. Dennoch erhalten die Absolventen der Beruflichen Auslands-schulen das international gültige Zertifikat der Kategorie A.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 61 -
Ausbildungsberufe. In diesem Jahr werden durch die AHK Mexiko die ersten 65 Zwischen-
prüfungen abgenommen.383 Zuvor zertifizierte die IHK München.384
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Anzahl der Absolventen, die ein in-
ternational gültiges Ausbildungszertifikat erhalten:
Es lassen sich keine signifikanten Zu- oder Abnahmen der Absolventen verzeichnen. Die
Ausbildungsberufe haben bereits eine lange Tradition, aber deshalb ist es keinesfalls ein
Modell, das breitenwirksam eine größere Anzahl Jugendlicher als Zielgruppe auswählt und
kontinuierlich wächst. In diesen Fällen stellt das duale System ein Nischenprodukt dar, das
angeboten für und gewählt von einer privilegierten Zielgruppe wird. Diese kennen das dua-
le System und sehen es häufig als Möglichkeit, sich für den internationalen Arbeitsmarkt zu
qualifizieren.
383 Vgl. Päleke, Z. 48 384 Vgl. ebenda, Z. 32
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 62 -
Tabelle 13: International gültige Zertifizierung (DIHK Kategorie A)385
Latein-amerika Argentinien Bolivien Ecuador Mexiko
20131 19772 20112 20132 19923 20113 20133 20114 20134 20115 20135
Industrie-kaufmann
107
15 16
6 8 4 3
Groß- und Au-ßenhandels-kaufmann
115
9 11 15 6 7 16 10
Kaufmann für Büro-kommunikation
58 16 3 3
21 12
Schifffahrts-kaufmann
14
Speditions-kaufmann
40
4
Fremdsprachen-sekretärin
9
Versicherungs-kaufmann
4
Informatik-kaufmann
1
Werkzeug-macher
12
21 12
Mechatroniker 6
6
385Eigene Darstellung, Datenquellen: 1: ZfA, 2014b; 2: BBZ Buenos Aires, 2014; 3: AHK Bolivien, 2014; 4: ITSA Ecuador, 2014; 5: IHK München, 2014; leider war der Zugang zu den Statistiken Perus und Chiles nicht möglich
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
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3.4.2 Ausbilderqualifizierung und –zertifizierung386
Um den international gültigen Ausbilderkurs anbieten zu können, wendet man sich an die
DIHK-Bildungs-GmbH und wird Lizenznehmer.387Die AHKs zahlen eine Lizenz für die Text-
bände (4 Handlungsfelder) in Höhe von 28,30 € (Standardsprache: Deutsch, erhältlich in
Spanisch) und erwerben ein einjähriges Nutzungsrecht für die Prüfungsaufgaben in der
Höhe von 600 €.388 Aufgrund der Initiative und des Engagements der AHK Mexiko gibt es den
international anerkannten AdA-Kurs und somit die kompletten Prüfungsmaterialien und –
aufgaben auf Spanisch.389 In Mexiko war der „AdA-International“ als Pilotprojekt erprobt,
die Prüfungsaufgaben und -materialien vor Ort übersetzt und dann wiederum von der DIHK-
Bildungs-GmbH zurückgekauft und in die Qualitätssicherung gegeben worden.390 Dieses Zer-
tifikat gewährleistet eine 80 bis 100 %ige Übereinstimmung und Anerkennung mit dem
deutschen AdA-Schein.391 Aufbau und Inhalte sollen dem deutschen Produkt stark ähneln,
doch machen gerade die landesspezifischen Anpassungen das Produkt zu einem wirksamen
Instrument.392 Daher sind in dem Curriculum jeweils Teile vorzufinden, die landesspezifisch
von den AHKs mit Inhalten, wie beispielsweise arbeitsrechtlichen Bestimmungen, anzurei-
chern sind.393 Erfahrungen haben gezeigt, dass der international gültige AdA-Kurs für den
einen oder anderen eine anspruchsvolle Herausforderung darstellt und fürs erste zu um-
fangreich ist. 394 Das wirkt nachvollziehbar, da es sich um Länder handelt, in denen die
Ausbilderqualifizierung bis dato nahezu unbekannt ist. Denn mindestens 80 Stunden, auf
ca. 10 bis 14 Tage verteilt, ist für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber viel Zeit.395 Hinzu
kommen die schriftliche und die praktische Prüfung.396
Um noch weitere begeisterte Ausbilder zu qualifizieren, ist daher momentan der „AdA-
Light“ in Planung, der lediglich 40 Stunden umfassen soll. 397 Eine Anrechnung von Modulen
für den „AdA-International“ ist aber bewusst nicht geplant.398 Der „AdA-Light“ hat den Vor-
schlag der Umsetzung der AHK Mexiko aufgenommen, der im Folgenden erläutert wird399
Um eine weitere Variante anzubieten und die Ausbilder langsam an die verantwortungsvol-
le Aufgabe heranzuführen, bietet die AHK Mexiko einen weiteren, kürzeren Kurs für die
386 Kategorie: Zertifizierung der Tutoren/Ausbilder 387 Vgl. Päleke, Z. 157-161 388 Vgl. Hausmann, 2015, S. 1 389 Vgl. Hausmann, 2014, S. 1 390 Vgl. Hausmann, 2015, S. 1 391 Vgl. Hausmann, 2014, S. 1 f. 392 Vgl. Hausmann, 2015, S. 1 393 Vgl. ebenda, S. 1 394 Vgl. ebenda, S. 1 395 Vgl. ebenda, S. 1 396 Vgl. ebenda, S. 1 397 Vgl. ebenda, S. 1 398 Vgl. ebenda, S. 1 399 Vgl. ebenda, S. 1
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 64 -
Ausbilder an, der lediglich 40 Unterrichtsstunden umfasst und als Schwerpunkt die „In-
strumente dualer Berufsausbildung“ thematisiert.400 Bisher waren es 50 Teilnehmer in zwei
Städten, was die Prognose zulässt, dass es sich, künftig landesweit angeboten, um ca. 300
Teilnehmer handeln wird.401 Da es sich, jedoch offiziell noch nicht um den „AdA-Light“
handelt, wird er in der folgenden Tabelle als AdA-National bezeichnet.
Die folgende Tabelle gibt Aufschluss über das derzeitige Angebotsspektrum das auf Qualifi-
zierung der Tutoren und Ausbilder abzielt.
400 Vgl. Hausmann, 2014, S. 1 401 Vgl. Päleke, Z. 200 f.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 65 -
Tabelle 14: Überblick über das Angebot an Ausbilderkursen402
Land AdA-International 80 Stunden
AdA-National
Tutoren-Seminar
Argentinien interessant, aber zu kostenintensiv für die Tutoren403
X Eintägiges Semi-nar in Koopera-tion mit ehema-ligem Tutor von Siemens404
Bolivien in Planung405 X Allgemeiner Workshop für Tutoren406
Ecuador in Planung407 X Seminar für Tu-toren des BBZ und der Fir-men408
Chile X in Planung 120 Stun-den409
Initiative: Firma Merck410
Teilnehmer: 20 aus dem mittlerem Management, Personal-abteilung, Bildungsin-stitutionen411
Peru X
Initiative: SENATI412
Teilnehmer: Von SENATI: Dozenten, Ausbilder, akademische Behörden ; zweiter Kurs startet Februar 2015413
Eventuell als kürzere Variante geplant414
Mexiko X X 40 Stunden415
Initiative: VW/Sparkasse416
Teilnehmer: 50, 60 innerhalb von 2 Kursen: Ausbilder417
402 Eigene Darstellung 403 Vgl. Falugue, Z. 565 404 Vgl. ebenda, Z. 553-555 405 Vgl. Martinet, Z. 288 f. 406 Vgl. ebenda, Z. 286 407 Vgl. Portenkirchner, Z. 313-316 408 Vgl. ebenda, Z. 322 409 Vgl. Hall, Z. 233 f. 410 Vgl. ebenda, Z. 202 f. 411 Vgl. ebenda, Z. 197 f. 412 Vgl. Arciniega, Z. 232 413 Vgl. ebenda, Z. 232-235 414 Vgl. ebenda, Z. 147-149 415 Vgl. Päleke, Z. 176 f. 416 Vgl. Hausmann, 2014, S. 1 417 Vgl. Päleke, Z. 196
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 66 -
Zwar engagieren sich alle AHKs in der Ausbilderqualifizierung, aber im Hinblick auf Stel-
lenwert und Zertifizierung wird deutlich, dass sich die Bedürfnisse landesspezifisch unter-
scheiden. In Argentinien wird rückgemeldet, dass der Kontakt zu den Tutoren so intensiv
sei und dass der AdA-Schein aufgrund der Kosten nicht auf großes Interesse stoße.418 Die
AHK Chile nahm den „AdA-International“ als zu kurz war und plant daher einen landesspe-
zifisch angepassten Ausbilderkurs, der umfangreicher sein wird. Wohingegen die Rückmel-
dungen in Peru zeigten, dass der „AdA-International" als zu zeitintensiv wahrgenommen
wurde.
3.5 Die Zielvorstellung einer Implementierung dualer Ausbildungsberufe:
Vorgehensweise, Zusammenfassung und Diskussion theoretischer
und empirischer Befunde
3.5.1 Vorgehensweise bei der Implementierung419
In der folgenden Tabelle wird eine Übersicht geboten, welche Argumente, die Fachexper-
ten der unterschiedlichen Auslandshandelskammern als richtungsweisend bei der Imple-
mentierung neuer Ausbildungsberufe nennen, um im darauffolgenden Abschnitt diese Ar-
gumente exemplarisch zu erläutern.
Tabelle 15: Häufigkeitsanalyse: Zentrale Komponenten der Vorgehensweise bei der Implementierung420
Argument Nennungen
Modifizierung 6
Kooperation 5
Unternehmen 4
Arbeitsmarktnähe 3
Standardisierung 3
Ausbilderqualifizierung 2
Bei den Antworten der Experten auf die Frage, wie sich die Vorgehensweise bei der Imple-
mentierung charakterisieren lasse, wurden einige der zuvor genannten Themenschwer-
punkte bzw. Elemente des Modells (Abschnitt 2.2) aufgegriffen. Viele der Experten ver-
deutlichten, dass man sich an deutschen Ausbildungsinhalten orientiert, diese aber inhalt-
lich oder sprachlich anpasst. Auch die Kooperation mit unterschiedlichen Akteuren ist ein
wichtiger Meilenstein im Rahmen der Implementierung. Im Hinblick darauf wurde insbe-
sondere die wichtige Rolle der Unternehmen, um bedarfsgerecht zu konzipieren und im-
418 Vgl. Falugue, Z. 558 ff. 419 Kategorie: Vorgehensweise bei der Implementierung dualer Ausbildungsberufe 420 Eigene Darstellung, Datenquelle: Die sich im Anhang befindende Auswertungsdatei der Experten-
interviews
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 67 -
plementieren, betont. Dies wiederum ist eng verknüpft damit, dass Ausbildungsberufe je
nach Bedürfnissen des nationalen oder gar regionalen Arbeitsmarktes zu konzipieren sind.
Um das Modell nachhaltig und praktikabel zu gestalten, hat man folglich den Anspruch
Standardisierungen vorzunehmen und die Qualifizierung der Ausbilder zu thematisieren.
Die Ausbilderqualifizierung sei einer der ersten Punkte gewesen, die man habe angehen
müssen, als die Firmen den Wunsch geäußerten hatten die duale Ausbildung zu implemen-
tieren und die Absolventen zertifizieren zu lassen.421 Auch sei es so, dass man berücksichti-
gen müsse, dass, wenn man mit nationalen Bildungseinrichtungen zusammenarbeite, man
die Verantwortlichen schulen und weiterbilden müsse.422 Zur Standardisierung gehöre
auch, die Betriebe zu prüfen423 und ein Modell zu konzipieren und den Verantwortlichen zu
präsentieren, das auch die Möglichkeit der Evaluation biete.424 Es seien Prozesshandbücher
geschrieben worden, um den Bildungseinrichtungen und Ausbildungsunternehmen zu ver-
deutlichen, wie bei Planung, Durchführung und Prüfung der dualen Ausbildung vorzugehen
sei.425 Die Arbeitsmarktnähe wird am Beispiel von Peru deutlich, denn bevor über die Kon-
zeptionierung nachgedacht wird, muss von den interessierten Unternehmen eine Marktstu-
die angefertigt werden, die die Notwendigkeit des Ausbildungsberufs belegt.426 Insbesonde-
re sei es wichtig, dass der Ausbildungsberuf auf Bedürfnisse der Region antworte, und be-
vor man mit der Implementierung beginne, würden die Branche und die Berufe erneut ana-
lysiert und evaluiert werden.427 Dass die Anfrage und Forderung nach der Implementierung
eines neuen Ausbildungsberufes immer aus der Wirtschaft kommen müsse,428 unterstreicht
die Rolle der Unternehmen und folglich müssten diese nicht nur den Bedarf verbalisieren,
sondern auch die Marktstudie verfassen.429Auch in welcher Sprache es sinnvoll sei den Aus-
bildungsberuf anzubieten, könnten die Unternehmen am besten entscheiden. 430 Arbeits-
marktnähe und die aktive Rolle der Unternehmen verdeutlichen den Bedarf der Kooperati-
on. Die Wichtigkeit der nationalen, aber auch der länderübergreifenden Zusammenarbeit
kam in Argumenten zum Ausdruck, wie bspw., dass im Rahmen von Berufsbildungsausschüs-
se oder an Rundtischen zwischen lokalen und deutschen Fachexperten gemeinsam an Aus-
bildungsplänen und deren Implementierung gearbeitet würde und dass in Fällen in denen
es bereits den lateinamerikanisierten Ausbildungsberuf gäbe, auch vom Wissen und den
421 Vgl. Päleke, Z. 27-30 422 Vgl. Martinet, Z. 273-276 423 Vgl. Päleke, Z. 128-132 424 Vgl. Portenkirchner, Z. 248-251 425 Vgl. ebenda, Z. 254-257 426 Vgl. Arciniega, Z. 163-165 427 Vgl. ebenda, Z. 172 f. & 296 f. 428 Vgl. ebenda, Z. 159; Martinet, Z. 241 f. 429 Vgl. ebenda, Z. 168-170 430 Vgl. Falugue, Z. 166-168
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 68 -
ausgearbeiteten Materialien der Kollegen profitiert werde.431 Die Zusammenarbeit mit na-
tionalen Bildungseinrichtungen habe den Vorteil, dass die Anerkennung des nationalen Ab-
schlusses leichter sei.432 Vorbild ist das deutsche duale Ausbildungssystem. Dies kann und
soll nicht geleugnet werden, aber zahlreiche Aussagen der Experten machen auf die
Selbstverständlichkeit aufmerksam, dass kontinent- oder landesspezifische Anpassungen
bzw. Modifizierungen vorgenommen werden müssten, die gerade im Hinblick auf die Vor-
gehensweise bei der Implementierung richtungsweisend sind: In manchen Fällen kann
Lehrmaterial übersetzt werden oder deutsche Ausbildungsordnungen, Ausbildungsrahmen-
lehrpläne und Ausbildungslehrpläne als Grundlage genommen werden.433 Auch können die
nationalen schulorientierten Lehrpläne als Ausganspunkt genommen werden oder in die
Überlegungen integriert werden, um beraten zu können, wie diese dual umgestellt werden
können .434 Immer jedoch müssen sprachliche oder inhaltliche Anpassungen vorgenommen
werden und in einigen Fällen wird das didaktische Material landes- und branchenspezifisch,
in Zusammenarbeit mit Fachexperten neu entwickelt.435
3.5.2 Zusammenfassung und Interpretation wissenschaftlicher Befunde
In Kapitel zwei wurden Wirkungsgeschichte deutscher Berufsbildungsentwicklungszusam-
menarbeit und Hintergründe des Policy Transfer-Prozesses veranschaulicht, um den Erfah-
rungsschatz der vergangenen Jahrzehnte zu diskutieren, aus der Geschichte zu lernen und
zu prüfen, inwieweit die dort vorgestellten Schwerpunkte noch zentral sind und zu fragen,
ob sie dann vor dem Hintergrund aktueller Forschungsbefunde Bestand haben.
Die folgende Tabelle soll wesentliche Aussagen aus den ersten beiden Kapiteln zusammen-
fassen und den Zusammenhang, Prozess und die Denkweise der Argumentation veranschau-
lichen.
431 Vgl. Linder, Z. 29 f. (Gedächtnisprotokoll); Hall, Z. 92-95; Portenkirchner, Z. 78 f. & 180-185 432 Vgl. Martinet, Z. 245 f. 433 Vgl. Portenkirchner, Z. 272 & 147-150; Falugue, Z. 183 434 Vgl. Schneider, Z. 39-43; Portenkirchner, Z. 208-212 435 Vgl. Hall, Z. 95-98
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 69 -
Tabelle 16: Kriterienorientierte Zusammenfassung der wissenschaftlichen Beiträge436
Abgeleitete Kriterien
Gesellschaftliches Ansehen der Be-rufs(aus)-bildung
Arnold (1986, S. 155-175): Aufwertung der beruflichen Bildung durch zielgruppenadäquate Ansprache. BMZ (2012, S. 10): Berufliche Bildung kämpft mit einem negativen Image. Deißinger (1998, S. 2): Ausbildungssysteme entwickeln sich in Abhängigkeit von der „nationalen Sozial- und Kul-turgeschichte“. Wolf (2011, S. 2-12): Berufsbildung wird beeinflusst und beeinflusst zahlreiche Themen von Gesellschaft, Wirt-schaft und Arbeitskultur.
Praxisbezug, Koope-ration, Arbeits-marktnähe
Arnold (1986, S. 159): Strategie der 50er Jahre führt nicht zum Erfolg, da die Facharbeiterschulen vollzeit-schulisch und nicht dual konzipiert sind. Greinert (2001, S. 46): Berufsbildende Projekte sind nur nachhaltig wirksam, wenn die Kooperation mit der Pri-vatwirtschaft Bestandteil des Konzepts ist. Arnold (1986, S. 155-175): Praxisnähe, Orientierung der Ausbildung am Bedarf der Wirtschaft, Involvierung der Betriebe unabhängig von der Betriebsgröße soll Zielvor-stellung sein. BMZ (2012, S. 10): Selten gelingt es beruflichen Bil-dungsprojekten, Fertigkeiten zu vermitteln, die der Ar-beitsmarkt nachfragt. Euler (2013, S. 4 ff.): Transfer fordert eine beidseitig motivierte und engagierte Grundhaltung. Gräsel (2010, S. 8 & 15 f.): es bedarf der Integration unterschiedlicher Akteure im Bildungsbereich, um Trans-fererfolge zu verzeichnen.
Zertifikate und Qua-litätsstandards
Arnold (1986, S. 155-175): pädagogisches und fachliches Wissen des Berufsbildungspersonals ist wichtig.
Zugänglichkeit, Brei-ten-wirkung, Durch-lässig-keit
Arnold (1986, S. 155-175): Chancengleichheit, landes-weite Finanzierung als Anspruch. Greinert (2001, S. 47); BMZ (2012, S.34): Seit 1992 wird in der Entwicklungszusammenarbeit ein ganzheitliches System priorisiert, das Chancengleichheit erreichen will, u.a. dadurch, dass es den informellen Sektor berücksich-tigt. Stockmann (2013, S. 118 ff.) untersucht im Rahmen einer Evaluationsstudie, ob bei den Berufsbildungskon-zepten u.a. Breitenwirksamkeit gegeben ist und stellt fest, dass es wenig Angebote im non-formalen Sektor gibt, und Chancengleichheit selten gewährleistet wird.
436 Eigene Darstellung
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 70 -
In den unterschiedlichen Publikationen, in Abschnitt 2.2 diskutiert, wird deutlich, dass be-
rufliche Bildung zur Verbesserung der Bedingungen beitragen kann, dass aber wesentliche
Aspekte nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Dazu zählen, dass ein praxistaugliches
System dem Anspruch Durchlässigkeit Genüge leisten muss, dass der vorherrschende Ge-
danke, dem das Berufsprinzip437 gehorcht, über den temporären Job, die Arbeit hinaus-
geht.438 Eine deutliche Orientierung an der beruflichen Handlungskompetenz wird ange-
strebt, um fit zu machen für die Privatwirtschaft, aber auch um die Wirksamkeit überprü-
fen und messen zu können.439 Doch soll die berufliche Bildung nicht nur das Ziel verfolgen,
fit für den Arbeitsmarkt zu machen, sondern obendrein das Subjekt, also gerade die perso-
nale Kompetenz des Auszubildenden, fördern.440 Nur wenn es sich, um eine partnerschaft-
liche Entwicklung eines Systems gemeinsam mit nationalen Partnern handelt, kann es zu
einem System werden, das nachhaltig wirkt, weil es auf das Land und somit auf die spezifi-
schen Problemlagen antwortet.441 Im Rahmen dessen ist auch zu beachten, dass ein starrer
eins zu eins Transfer des deutschen dualen Systems nur für eine privilegierte Zielgruppe
die Lösung sein kann. Da berufliche Bildung aber den Anspruch in sich trägt für alle sozia-
len Schichten zugänglich und attraktiv zu sein, muss darüber nachgedacht werden, wie das
System auf regionale Bedürfnisse angepasst werden kann.442 Gerade in den lateinamerika-
nischen Ländern strukturiert der informelle Sektor den lokalen Arbeitsmarkt, daher sollte
über Möglichkeiten, wie non-formale Fähigkeiten zertifiziert werden können, nachgedacht
werden. 443
3.5.3 Zusammenfassung und Interpretation der qualitativen Analyseergebnisse
Die Interviews mit den acht Experten aus sechs unterschiedlichen Ländern Lateinamerikas
machten einerseits auf große Unterschiede aufmerksam, da beispielsweise in Ecuador eine
Transferierung ins nationale System bereits eingeleitet wurde, wohingegen dies in Bolivien
zum derzeitigen Zeitpunkt undenkbar scheint. Andererseits konnten jedoch auch Merkmale
herausgefunden werden, die auf Parallelen hinweisen, zu verallgemeinern sind und schluss-
folgernd bei der Implementierung dualer Ausbildungsberufe in Lateinamerika zu Rate zu
ziehen und bei der Reflexion dienlich sein können. Die folgende Grafik soll als Analysein-
437 An dieser Stelle soll weiterführend auf Deißinger, 1998, S.134 ff. verwiesen werden, der „Das Berufsprinzip in seiner Bedeutung als Integrations- und Sozialisationsvorgabe für die nachwach-sende Generation“ differenziert darstellt.
438 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 10 439 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 10 & S. 16; Euler, 2013a, S. 23-32; Arnold, 2010, S. 146 440 Vgl. ebenda, S. 15-16; ebenda, S. 20-23; ebenda, S. 147 441 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 9 & S. 10 & S. 18; Euler, 2013a, S. 38-42 442 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 9 & S. 16 & S. 18; Euler, 2013a, S. 20-23; Arnold, 2010, S.
147 443 Vgl. Baur/Przyklenk/Clement, 2014, S. 17
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 71 -
strument dienen und auf reziproke Zusammenhänge aufmerksam machen und auf diese
Weise bei der Reflexion und Planung weiterer dualer Ausbildungsberufe hilfreich sein.
Abbildung 5: Relevante Faktoren und deren Zusammenhang bei der Implementierung dualer Ausbildungsgänge444
Länderübergreifend wurde der Mangel an technischem qualifiziertem Fachpersonal betont,
dem die duale Berufsausbildung durch ihre Vorteile entgegenwirke. Diese orientiert sich an
messbaren und überprüfbaren Kompetenzen, nutzt sowohl den Arbeitgebern als auch den
Auszubildenden, kann dazu beitragen, soziale Probleme einzudämmen, ermöglicht Auszu-
bildenden Arbeitserfahrung, begünstigt den Theorie-Praxis-Transfer, qualifiziert den Ju-
gendlichen und ist schlechthin eine Antwort auf den Bedarf der Privatwirtschaft. Doch die-
se Vorteile sind eng verknüpft mit vielen weiteren Themen und Fragestellungen, die im
Hinblick auf den Berufsbildungsexport auftreten. Ob diese Vorteile sich entfalten können
und ob diese überhaupt zur Geltung kommen ist von dem gesellschaftlichen Ansehen ab-
hängig: Ist das duale System bereits bekannt? Wird es bereits in der Gesellschaft diskutiert?
Wie kann der Kulturwandel oder Paradigmenwechsel, wie am Beispiel von Mexiko und Ecu-
ador, begleitet werden? Maßgeblich wirkt das Interesse der Regierung zum einen auf das
gesellschaftliche Ansehen und zum andern auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die
444 Eigene Darstellung
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 72 -
einen Transfer begünstigen oder erschweren können. Wenn gesetzliche Rahmenbedingun-
gen formuliert werden, müssen Strukturen geschaffen werden, die das System und dessen
Anspruch nach Meinungspluralität sichern, wie am Beispiel der Gesetzesentwürfe von Peru
und dem Bundesstaat Mexiko veranschaulicht. Relevante Faktoren sind die Findung oder
Bestimmung zentraler Akteure mit der Definition ihrer Verantwortlichkeiten und Aufgaben,
das Finanzierungsgerüst, die Evaluation, das Prüfungswesen sowie die gesamte Verwaltung
der Auszubildenden. Ob das duale System vereinbar, bzw. kompatibel mit dem nationalen
Bildungssystem ist, also ein ‚Fit‘ erkennbar ist, ist abhängig von dem gesellschaftlichen
Ansehen, dem Interesse der Regierung und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Brei-
tenwirkung, Zugänglichkeit, Durchlässigkeit und Modifizierung sind Fundament, Basis
und Voraussetzung. Am Beispiel Mexikos sieht man, dass die Breitenwirkung die Teilnahme
aller sozialen und ländlichen Bevölkerungsschichten durch die elektronische Lernplattform
sichert. Durch die Zertifizierung non-formal erworbener Kompetenzen, wie am Beispiel
Chile und den Abkommen mit Universitäten wird das System in alle Richtungen durchlässig,
was Attraktivität, Ansehen und Zielsetzung stärkt. Indem man Eintrittsvoraussetzungen
definiert, wie Unterrichtssprache, Bildungsabschluss, wirkt man auf die Zugänglichkeit ein.
Das Beispiel Ecuadors zeigt, dass hier bewusst das Abitur als Eintrittsvoraussetzung gewählt
wurde, da dies zu Bildungssystem und Denkweise der Gesellschaft passt, weil es sich um
eine hochwertige, praxisnahe, aber dennoch theoretisch gehaltvolle und anspruchsvolle
Alternative zur akademischen Bildung handeln soll. Doch darf im Umkehrschluss nicht an-
genommen werden, und diese Argumentation soll durch das Argument der Modifizierung
oder kontextspezifischen Anpassung thematisiert werden, dass die Eintrittsvoraussetzung
Abitur für alle Länder künftig sinnvoll wäre. Das Beispiel Mexiko weist auf das Gegenteil
hin, weil hier Sekundarabschluss I als Eintrittsvoraussetzung wichtig und richtig ist. Auch
macht die Transferierung ins nationale Bildungssystem in Ecuador auf die Vernetzung der
unterschiedlichen Themen aufmerksam. Rafael Correa hat die Vorteile erkannt, machte
durch seinen Zuspruch und seine Investition das duale System zu einem Gesprächsthema
und auch der Gesetzesentwurf ist bereits in Planung und soll im kommenden halben Jahr
verabschiedet werden. Um ein gutes System zu schaffen, sind Probleme oder Herausfor-
derungen in der bisherigen Umsetzung als Chance der Verbesserung zu begreifen, weil sie
auf beispielhafte Möglichkeiten und Bedarfe der System-Verbesserung aufmerksam ma-
chen, was wiederum ebenso mit dem Aspekt der Modifizierung und landesspezifischen An-
passung verknüpft ist. Gezeigt hat sich, dass der Transfer u.a. aus den oben genannten
Punkten komplex ist und dadurch mit viel Arbeit, Engagement, Einsatz und Rückschlägen
verbunden ist. Das traditionsreiche Modell A, mag zwar kein flächendeckendes Modell sein,
bietet jedoch die Möglichkeit, vom langjährigen Erfahrungsschatz zu profitieren, Kontakte
zu nutzen, Wissen der Beteiligten abzuschöpfen und die Unternehmen in Marktstudien zu
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 73 -
involvieren. Gerade die Einsicht in die ortsspezifischen Strukturen und der Wunsch nach
kontinuierlicher Verbesserung bewirken die Fähigkeit, die Vorgehensweise an aktuelle
Tendenzen anzupassen und Lösungsansätze zu formulieren. Landesspezifisch kann das
System folglich beibehalten, ausgebaut, standardisiert oder intensiviert werden. Fragestel-
lungen im Hinblick darauf, ob neue Wege mit anderen Akteuren, Bildungseinrichtungen und
Branchen gewählt werden sollen, resultieren aus den Erfahrungen und Herausforderungen.
Die Unterrichtssprache nach Bedarf vor Ort zu bestimmen und Unternehmen durch Berufs-
bildungsausschüssen und bei der Erstellung von Marktstudien zu integrieren, um industrie-
nahe und regionenspezifische Ausbildungsberufe und die Einbeziehung privater und öffent-
licher Arbeitgeber in konzeptuelle Überlegungen zu sichern, verdeutlicht den Zusammen-
hang zu aktuellen Tendenzen und konkretisiert die Bestrebungen, Praxisbezug, Arbeits-
marktnähe und Kooperation zu gewährleisten. Diesen Anspruch formulierten die Fachex-
perten der Auslandshandelskammern der unterschiedlichen Länder, was die Verknüpfung
mit Rolle und Aufgabenbereichen der Auslandshandelskammern, was vor allem die
Ausbilderqualifizierung, Zertifizierung der Absolventen und Definierung von Qualitäts-
standards umschließt und dann als übergeordneter Start- und Endpunkt die Vorgehenswei-
se bei der Implementierung aufzeigt. Das in der Grafik dargebotene Resümee und die
nachfolgenden Fragen, die der Reflexion dienen, sollen bei der Implementierung helfen,
indem sie die Erfahrungen der befragten Experten zusammenfassen. Es ergeben sich da-
durch übrigens zahlreiche Übereinstimmungen mit theoretischen und empirischen Befun-
den.
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 74 -
Fragen, die der Reflexion dienen
Gesellschaftliches Ansehen der Berufs(aus)bildung
Welche (Vor)urteile begegnen der dualen Berufsausbildung?
Wie kann mit diesen umgegangen werden?
Durch welches Medium kann bei der Zielgruppe Interesse geweckt werden?
Wer sind die nationalen überzeugten Fürsprecher und wie können diese bei der
Imageverbesserung unterstützt werden?
Interesse der Regierung
Welches Ministerium ist für die berufliche Bildung zuständig?
Gibt es Fürsprecher für das duale System bei Senatoren oder Politikern?
Gesetzliche Rahmenbedingungen
Welche zentralen Akteure sind für die Umsetzung des dualen Systems auszuma-
chen?
Welche Aufgaben und Verantwortungen übernehmen sie?
Wie ist die Finanzierung des dualen Systems strukturiert?
Wie wird die Standardisierung und Unabhängigkeit der Prüfungsverwaltung ge-
währleistet?
Wer prüft und überwacht die theoretische und die praktische Ausbildung?
Wie wird der nationale Titel verliehen?
Breitenwirkung, Durchlässigkeit, Zugänglichkeit
Wer ist die Zielgruppe der dualen Berufsausbildung?
Welche Eintrittsvoraussetzungen ergeben aufgrund des Bildungssystems des
Landes Sinn?
Wie kann das duale System eine interessante Ausbildungsmöglichkeit für jeder-
mann sein?
Durch welche Maßnahmen kann sichergestellt werden, dass die Ausbildung auch
für Schüler aus ländlichen Gegenden oder sozial schwächeren Familien möglich
ist?
Welche Abkommen oder Wege könnten die deutsche Maxime „Kein Abschluss
ohne Anschluss“ sichern?
Transfer der dualen Berufsausbildung in Lateinamerika
- 75 -
Herausforderungen
Welche Probleme werden von wem, wie konkret zurückgemeldet?
Gelingt eine Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken?
Aktuelle Tendenzen & Lösungsansätze
Was fordert das Land im Hinblick auf aktuelle ökonomische Entwicklungen und
im Hinblick auf das bestehende System?
Sollen neue Wege beschritten werden?
Ist das bestehende System ausbaufähig, bzw. verlaufen die Pilotprojekte erfolg-
reich und können ausgebaut werden?
Sollte vordergründig mehr Zeit in Standardisierungen und Optimierungen von
Prozessen, Handbüchern und Strukturen investiert werden?
Wird der bestehende Wissensschatz gesichert und wird darauf geachtet, dass
die Qualität über der Menge an Neuem nicht leidet?
Praxisbezug, Kooperation und Arbeitsmarktnähe
Wie gelingt es die Stimme und den Bedarf der Privatwirtschaft einzuholen?
Welche Fachausschüsse existieren und sind zu integrieren?
Werden Marktstudien erstellt? Von wem? Wie werden sie evaluiert? Wer ist Auf-
traggeber?
Wie kann es gelingen, möglichst viele aktive Mitdenker zu überzeugen und zu
gewinnen?
Rolle und Aufgabenbereiche der Auslandshandelskammer
Welche Möglichkeiten hat die Auslandshandelskammer im Bereich der Zertifizie-
rung?
Welche Kurse sind für die Qualifizierung der Ausbilder möglich und nötig?
Wie können Qualitätsstandards in Kooperation mit weiteren relevanten Akteu-
ren erarbeitet werden?
Schlussbetrachtung
- 76 -
4 Schlussbetrachtung
4.1 Reichweite der Arbeit
Die Forschungsfragen konnten fast vollständig wie folgende Aufzählung darlegt, beantwor-
tet werden:
Der Policy Transfer in Lateinamerika wurde im Rahmen dieser Arbeit kriterienorientiert
beschrieben. Doch zugleich muss kritisch angemerkt werden, dass im engeren Sinne ledig-
lich in Ecuador und im Bundesstaat Mexiko ein umfassender Policy Transfer Prozess statt-
findet, da es sich bei den anderen Angeboten viel eher um Einzelprojekte handelt. Nichts-
destotrotz wurde im Rahmen dieser Arbeit eine Vielzahl an Informationen, durch Artikel,
interne Dokumente, Interviews, Veröffentlichungen in Zeitungen und nicht zuletzt Geset-
zesentwürfe gewonnen, die Folgerungen zuließen und konkrete Beispiele boten, wie bei
der Konzeptionierung und Implementierung dualer Ausbildungsberufe in Lateinamerika vor-
gegangen wird bzw. werden könnte.
Die AHKs stehen vor der Herausforderung, dass die Nachfrage nach dem dualen System
derzeit fast in allen Ländern groß ist. Zunächst kann dies positiv gedeutet werden. Doch
muss gerade dadurch, dass das duale System momentan im Trend ist, jetzt an einem nach-
haltig wirksamen, sich kontinuierlich anpassenden Ansatz gearbeitet werden, um zu ver-
hindern, dass es nur ein kurzer Trend bleibt. Es ist darauf zu achten geeignete nationale
Bildungspartner zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam an einer qualitativ hochwertigen
Entwicklung zu arbeiten.
Es wurde versucht die länderübergreifenden und länderspezifischen Merkmale durch den
Rückgriff auf unterschiedlichste Quellen, möglichst unabhängig und differenziert zu gestal-
ten. Durch Tabellen und Schaubilder sollte Anschaulichkeit und Verständnis erhöht und
komplexe Sachverhalte nachvollziehbar dargestellt werden.
Obendrein konnten zentrale Merkmale und Faktoren ausgemacht werden, die zunächst
theoriebasiert hergeleitet und schließlich durch Aussagen der Experten bestätigt oder kon-
kretisiert wurden. Die zusammenfassende Abbildung (Abschnitt 3.5.3), die relevante Fakto-
ren und deren Zusammenhang bei der Implementierung dualer Ausbildungsgänge sichtbar
macht, zeigt, dass das Modell aus Abschnitt 2.2 erweitert und strukturell modifiziert wur-
de.
Die Vermutung dass das gesellschaftliche Ansehen und der historische Kontext die Imple-
mentierung erheblich beeinflussen, wurde bestätigt und wirft weiterhin die Frage auf, ob
eine Implementierung des dualen Systems im Bereich der Sekundarstufe in Lateinamerika
überhaupt möglich ist oder ob in vielen der Länder eher über eine Implementierung im
Hochschulbereich nachgedacht werden muss.
Schlussbetrachtung
- 77 -
Positiv hervorgehoben werden können des Weiteren in Bezug auf die Aussagekraft dieser
Arbeit:
Perspektivenvielfalt: ein breitgefächertes, umfassendes Thema, das, durch die
kriterienorientierte Vorgehensweise strukturiert und konzentriert, interessante Ergebnisse
hervorbrachte.
Der Versuch, die Theorie für die Praxis zu nutzen und andersherum die Praxis für die The-
orie, wurde folgendermaßen umgesetzt: Durch eine theoriegeleitete Vorgehensweise wur-
de eine strukturierte Aufbereitung der Daten möglich, die als Basis für einen Wissenstrans-
fer innerhalb der AHKs in Lateinamerika dienen kann und einen lateinamerikanischer Policy
Transfer ermöglichen soll.
Aktualität und Vielschichtigkeit: Die im letzten halben Jahr veröffentlichten Gesetzes-
entwürfe wurden gegenübergestellt und relevante Akteure, Instrumente und Strukturen
aufgezeigt. Diese Gesetzesentwürfe, wurden bisher noch in keiner wissenschaftlichen Pub-
likation erwähnt.
Mehrsprachigkeit und Zugänglichkeit: Der Interviewleitfaden wurde ins Spanische, und
die die spanischen Transkriptionen ins Deutsch übertragen. Ein Großteil der spezifischen
Literatur liegt hauptsächlich auf Spanisch vor. Außerdem sind Statistiken und Publikationen
im lateinamerikanischen Kulturraum weniger leicht zugänglich als in Deutschland.
4.2 Grenzen der Arbeit und Forschungsausblick
Doch insbesondere Mehrsprachigkeit und Komplexität der Thematik machen auf einige me-
thodische und inhaltliche Schwächen der Arbeit aufmerksam, wie beispielsweise:
Wenn mehrere Codierer und Übersetzer in den Forschungsprozess einbezogen worden wä-
ren, was aus Kostengründen nicht möglich war, wäre Objektivität und Reliabilität, bzw. die
Intersubjektivität erhöht worden. Denn dann hätte beispielsweise die
Codierübereinstimmung mit Cohen’s Kappa berechnet werden können.445 Die Befragung,
ausschließlich deutscher Akteure oder Angestellter deutscher Institutionen, überwiegend
Mitarbeiter der AHKs in den unterschiedlichen Ländern war einerseits eine logische Ein-
grenzung, andererseits, macht sie jedoch auch auf eine einseitige eurozentrische Denkwei-
se aufmerksam. Eine kritische Evaluation im Sinne von „Ausübung von Kontrolle“446 oder
„Legitimation der durchgeführten Maßnahmen, Projekte oder Programme“ 447 konnte im
Rahmen dieser Arbeit nicht gewährleistet werden. Schon allein deshalb, weil die Teilneh-
445 Vgl. Hussy/Schreier/Echterhoff, 2010, S. 248 446 Vgl. Stockmann/Meyer, 2014, S. 81 f. 447 Vgl. ebenda, S. 81 f.
Schlussbetrachtung
- 78 -
mer der Studie zwar intern kritisch-konstruktiv ihre Erfahrungen evaluieren möchten, aber
eine kritische Darstellung in der Öffentlichkeit ökonomischen Schaden anrichten könnte.
Diese Studie wirft eine Vielzahl an Themen auf, die es wert wären, nun detailliert und über
einen längeren Zeitraum untersucht zu werden.
Interessant wäre es u.a. den Policy Transfer-Prozess in Ecuador in einer neuen Studie zu
begleiten. Hier handelt es sich bei der Transferierung ins nationale System tatsächlich, um
den Prototyp des Policy Transfers. In Ecuador wird nämlich die Basis für eine langfristig,
nachhaltig angelegte Umsetzung geschaffen, weil die Implementierung politisch gewollt
ist, Geld investiert wird und deutsche Akteure lediglich beratend in den Prozess involviert
sind. Der Anspruch, der damit deutlich wird, ist, beim Policy Transfer zu modifizieren und
auf diese Weise zu profitieren, aber nicht einfach zu kopieren. Diesen Prozess in Ecuador
nun über mehrere Jahre zu untersuchen, den Ausbildungserfolg zu messen und Stimme von
Arbeitnehmern, Unternehmen, Schülern und Regierungsvertreter in einer Kombination aus
quantitativer und qualitativer Forschung aufzunehmen, wäre nach Meinung der Autorin ein
erfolgsversprechendes Vorhaben. Dies könnte in Anlehnung an das Modell, das dem in Ab-
schnitt 2.2.3 dargestellten dynamischen Forschungsansatz zugrunde liegt anhand der fol-
genden Kriterien geschehen: betriebliches Arbeitsregime, Arbeitsrecht, Entwicklungs-und
Anwendungsprozess von Technik, Konstitution des sozialen Akteurs, Mechanismen sozialer
Sicherung und die administrative Ordnung einer Gesellschaft.448
Abschließend soll gesagt werden, dass diese Arbeit längst nur einen kleinen Überblick der
umfassenden Thematik bieten kann, aber die unterschiedlichen Akteure darin unterstützen
soll, kontinuierlich an der landesspezifischen Anpassung und Erweiterung des dualen Aus-
bildungsangebots zu arbeiten.
448 Vgl. Barabasch/Wolf, 2011, S. 290
- 79 - Literaturverzeichnis
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- 93 - Anhang
Anhang
Methode
Aufbau des Interviewleitfadens
Der Leitfaden ist in sieben Themenabschnitte unterteilt, zwei Seiten lang und enthält
sieben übergeordnete Erfahrungs- und Wissensfragen und 21 fakultative Detailfragen.
Zunächst wurde das Ziel der Untersuchung und des Interviews von der Interviewerin
vorgestellt, nämlich einen Überblick über das duale Ausbildungsangebot in Latein-
amerika zu bieten und ausgehend von bestehenden Modellen und Erfahrungen, Mög-
lichkeiten der Implementierung abzuleiten. Daher werden im Rahmen des Interviews,
Erfahrungen und Modelle des dualen Systems aufgenommen und landesspezifische
Besonderheiten herausgearbeitet. Im ersten Themenabschnitt stehen die landesspe-
zifischen Besonderheiten und Vorteile der dualen Ausbildung im Vordergrund, welche
Anpassungen im Laufe der Jahre vorgenommen worden waren und welche Fragestel-
lungen mittel- und langfristig von Interesse seien. Im zweiten Themenabschnitt ist
das Angebot an dualen Ausbildungsberufen, bei denen die AHK in irgendeiner Weise,
z.B. an der Konzeptionierung oder Zertifizierung beteiligt ist, im Fokus. Im Zentrum
des Interesses stehen an dieser Stelle, Berufsbilder, Unterrichtssprache und die Bil-
dungseinrichtung, die den theoretischen Unterricht anbietet. Der dritte Themenab-
schnitt umfasst Praxisbezug, Kooperation und Arbeitsmarktnähe, um die Rolle der
Ausbildungsunternehmen einzuordnen und herauszufinden, ob und wie Erwartungen
und Anforderungen derer in konzeptionelle Überlegungen integriert werden und ob
diese eine aktive Rolle im Hinblick auf Bedarfsermittlung und Konzeptionierung neuer
Ausbildungsberufe spielen. Eine der Hauptaufgaben der AHK besteht in der Zertifizie-
rung und Sicherstellung von Qualitätsstandards laut Umfrage.449 Aufgrund dessen ste-
hen im nächsten Themenabschnitt Facetten dieses Angebots und im Speziellen Zerti-
fizierungsgültigkeit der Abschlüsse und Qualifizierung und Zertifizierung der Tutoren
und Ausbilder im Vordergrund. Der fünfte Themenabschnitt, in dem es um das Finan-
zierungskonzept geht, stellt eine Hinführung zum darauffolgenden Abschnitt (Brei-
tenwirksamkeit, Durchlässigkeit und Zugänglichkeit) dar. Hier geht es darum die Kos-
ten, die Schüler, Unternehmen und weitere Akteure für die duale Ausbildung auf sich
nehmen müssen, zu erfassen. Der bereits angekündigte sechste Abschnitt will heraus-
finden, ob das landesspezifische Modell des dualen Systems eine Möglichkeit für alle
449 Vgl. Lutz, 2014a, S. 16
- 94 - Anhang
darstellt und ob es langfristig sogar denkbar wäre, das duale System ins nationale
Bildungssystem zu transferieren. Reziprok mit dieser Thematik zusammenhängend
greift der siebte Themenabschnitt den Stellenwert des Ansehens der Be-
rufs(aus)bildung in Politik und Gesellschaft auf und eruiert, inwieweit gesetzliche
Grundlagen den Transfer begünstigen oder verhindern und welche aktuellen Tenden-
zen momentan in diesem Bereich auszumachen sind.
- 95 - Anhang
Charakteristika dualer Ausbildungsgänge in Lateinamerika – eine qualitative aus-
landspädagogische Analyse
Datum: Beginn: Ende:
Ort/Medium:
Information zum Interviewpartner
Institution:
Name:
Funktion:
Email:
Ziel der Untersuchung: Überblick über das duale Ausbildungsangebot in Lateiname-
rika bieten und ausgehend von bestehenden Modellen und Erfahrungen, Möglichkei-
ten der Implementierung ableiten.
Ziel des Interviews: Erfahrungen und Modelle des dualen Systems sollen aufgenom-
men und landesspezifische Besonderheiten herausgearbeitet werden.
Ergebnisse: werden vorab in Textform zur Korrektur versandt (spätestens Ende Feb-
ruar) und im Rahmen einer Masterarbeit veröffentlicht.
Besteht Einverständnis zur Tonbandaufzeichnung? Ja: Nein:
I VORTEILE DER DUALEN AUSBILDUNG
Das deutsche duale Ausbildungssystem ist derzeit Exportschlager und wird hoch
gelobt. Gerade in ____________ hat es bereits seit ____Jahren Tradition. Wel-
che Vorteile bietet das duale System Ihrer Meinung nach im speziellen für
____________?
- Was hat sich in den vergangenen Jahren an der Umsetzung des dualen Sys-
tems verändert?
- Was sollte sich Ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren verbessern?
- Was ist das Besondere am dualen System in ___________________?
II ANGEBOT AN DUALEN AUSBILDUNGSBERUFEN
Bei welchen Ausbildungsberufen ist die Kammer involviert?
- Wie viele?
- Durch welche Institution wird der theoretische Unterricht vollzogen?
- In welcher Sprache?
- 96 - Anhang
III PRAXISBEZUG, KOOPERATION, ARBEITSMARKTNÄHE
Welche Rolle spielen die Betriebe in der dualen Berufsausbildung?
- Wie werden Erwartungen und Anforderungen der Betriebe in konzeptionel-
le Überlegungen integriert?
- Wie wird vorgegangen, wenn neue Ausbildungsberufe eingeführt werden?
o Bedarfsermittlung
o Konzeptionierung
IV ZERTIFIKATE UND QUALITÄTSSTANDARDS
Welche Leistungen werden von der Kammer zertifiziert?
- Wird die Ausbildung der Ausbilder durchgeführt und zertifiziert?
o Welche Zertifikate existieren?
- Wie viele der Tutoren/Ausbilder im Unternehmen sind zertifiziert?
V FINANZIERUNGSKONZEPT
Wer beteiligt sich an der Finanzierung der Ausbildung?
- Wie setzt sich die Finanzierung zusammen?
o Zahlen die Schüler eine monatliche Gebühr? Wie hoch ist diese?
o Was zahlen die Unternehmen?
o Wie viel bezahlt die Kammer?
VI BREITENWIRKUNG, DURCHLÄSSIGKEIT UND ZUGÄNGLICHKEIT
Gibt es Berührungspunkte des dualen Systems nach deutschem Vorbild mit dem
nationalen Bildungssystem?
- Besteht auch für Schüler aus ärmeren Bevölkerungsschichten die Möglich-
keit der dualen Ausbildung?
- Wie erlangt der Absolvent den nationalen Abschluss?
- Gibt es besondere Abkommen mit Universitäten?
VII GESELLSCHAFTLICHES ANSEHEN DER BERUFS(AUS)BILDUNG
Welchen Stellenwert genießt die berufliche Bildung, insbesondere das duale Sys-
tem in Politik und Gesellschaft?
- Welche gesetzlichen Grundlagen beeinflussen den Transfer des dualen Sys-
tems?
- Ist die Regierung an dem dualen Ausbildungssystem interessiert?
- 97 - Anhang
Característica del Sistema Dual en Latinoamérica – un análisis cualitativo en el
extranjero
Fecha: Comienzo: Fin:
Lugar/Medio:
Información sobre el interlocutor:
Institución:
Nombre y Apellido:
Función:
Correo electrónico:
Objetivo de la investigación: Presentar una síntesis de las ideas e información obte-
nida en base a un estudio comparativo del Sistema Dual en países Latinoamericanos,
recabando datos sobre los distintos modelos empleados y las experiencias de las per-
sonas que integran el desarrollo de este sistema.
Objetivo de la entrevista: Recabar información acerca de las experiencias y modelos
de Sistema Dual y hacer resaltar las peculiaridades de cada país.
Resultados: Los resultados serán de conocimiento de todas las personas y organiza-
ciones que colaboraron con mi estudio, para su revisión y aprobación.
¿Estoy autorizada grabar la entrevista? Si: No:
I VENTAJAS DE LA FORMACIÓN DUAL
Muchos países del mundo han implementado el Sistema Dual alemán durante los
últimos años. Sobre todo en _____________, este sistema cuenta con una trayec-
toria de _____ años. ¿Cuál es su opinión sobre las ventajas que ofrece el Sistema
Dual especialmente en ______________?
- ¿Qué ha cambiado durante los últimos años con respecto a la implementa-
ción y desarrollo del Sistema Dual?
- ¿Qué aspectos cree usted que se deberían mejorar para mejorar en el Sis-
tema Dual para el futuro?
- ¿Cuál cree que es la característica principal en el Sistema Dual en
___________________?
II OFERTA DE LAS DIFERENTES FORMACIONES PROFESIONALES
¿En cuales de las formaciones profesionales está involucrada la cámara?
- ¿Qué formaciones profesionales ofrece la cámara?
- ¿Qué institución es responsable del desarrollo de las clases teóricas?
- 98 - Anhang
- ¿En qué idioma se desarrollan las clases?
III ORIENTACIÓN PRÁCTICA, COOPERACIÓN, CERCANÍA AL MERCADO LABORAL
¿Cuál es el papel de las empresas en el Sistema Dual?
- ¿Cuáles son los requisitos y expectativas de las empresas con respecto a
las consideraciones conceptuales del Sistema Dual?
- ¿Cómo se puede describir el procedimiento, en el caso que se pensará en
la implementación de nuevas formaciones profesionales?
o ¿Cómo funciona la definición de las necesidades de una nueva for-
mación profesional?
o ¿Cómo funciona la creación del concepto?
IV CERTIFICADOS Y NORMAS DE CALIDAD
¿Qué rendimientos certifica la cámara?
- ¿Existe una formación para los tutores en las empresas y cuentan con un
certificado?
o ¿Qué certificados existen?
- ¿Cuántos tutores en las empresas tienen un certificado?
V CONCEPTO DE FINANCIACIAMIENTO
¿Quién contribuye al financiamiento de la formación profesional dual?
- ¿Cómo está compuesto el financiamiento?
o ¿Existe un monto mensual a pagar por parte de los estudiantes?
¿Cuánto es?
o ¿Qué porcentaje pagan las empresas?
o ¿Qué porcentaje paga la cámara?
VI EFECTIVIDAD PARA TODOS, PERMEABILIDAD Y FLEXIBILDAD DEL SISTEMA
¿Hay puntos de contactos del Sistema Dual con el sistema de la educación nacio-
nal en _________?
- ¿Existe la posibilidad para estudiantes que cuentan con bajos recursos de
participar en la Formación Profesional Dual?
- ¿Cómo recibe el graduado su título nacional?
- ¿Existen convenios con universidades?
VII REPUTACIÓN DE LA FORMACION PROFESIONAL EN LA SOCIEDAD
¿Qué importancia o qué imagen tiene el Sistema Dual en la política y en la socie-
dad?
- ¿Cuáles son las leyes, los decretos nacionales que influyen a la implemen-
tación del Sistema Dual?
- ¿Cuál es el interés del gobierno por el Sistema Dual? ¿podría brevemente
describirlo?
- ¿Existe el interés del gobierno por la ampliación del Sistema Dual?
- 99 - Anhang
Vorbereitung des Auswertungsmaterials
Bei sieben Interviews wurde in die Audioaufzeichnung eingewilligt. In einem Fall
wurde ein Gedächtnisprotokoll erstellt, da einer Audioaufzeichnung nicht zugestimmt
wurde. In der Literatur werden unterschiedliche Vorgehensweisen im Hinblick auf
Umfang, Art und Weise sowie Transkriptionsregeln diskutiert. Gerade weil es keine
allgemeingültigen Transkriptionsregeln gibt, wird der Empfehlung von Gläser und
Laudel Folge geleistet und diese explizit aufgeführt. Die Transkriptionsregeln wurden
in Anlehnung an Gläser, Laudel und Kuckartz erstellt:450
1. Unterbrechungen wurden nicht gekennzeichnet, genauso wenig wie nicht-
verbale oder paraverbale Äußerungen, wie zum Beispiel lachen, ähms oder
Stottern.451
2. Die Standardorthographie wurde angewandt, so dass Dialekte ins Hoch-
deutsch übersetzt und kleinere grammatikalische Fehler korrigiert wurden.
Im Rahmen dessen wurden Sprache und Interpunktion leicht geglättet.452
3. Absätze wurden gekennzeichnet und die Interviewerin mit dem Kürzel „I“
versehen sowie die Interviewpartner mit einem eindeutigen Kürzel verse-
hen.453 Es wurden die folgenden Kürzel eingeführt, die in der folgenden
Tabelle aufgeführt sind:
450 Vgl. Gläser/Laudel, 2010, S. 193 f.; Kuckartz, 2014, S. 136 f. 451 Vgl. ebenda, S. 194; ebenda, S. 136 452 Vgl. ebenda, S. 194; ebenda, S. 136 453 Vgl. ebenda, S. 194; ebenda, S. 136
- 100 - Anhang
Tabelle 17: Übersicht der Interviewpartner
Nr. Kürzel Interviewpartner Institution Funktion Land
1 L Peter Linder Botschaft Botschafter Bolivien
2 Pä Wolfgang Päleke AHK Leiter Aus- und Wei-terbildung, CIM-AHK-Programm
Mexiko
3 S Udo Schneider ALTRATEK Geschäftsführer Mexiko
4 H Nina Hall AHK Projektmanagerin Aus- und Weiterbil-dung
Chile
5 A Giselle Arciniega AHK Leiterin Aus- und Wei-terbildung & Job-Börse
Peru
6 M Paola Martinet AHK Leiterin Berufsausbil-dung & Mitglieder-marketing
Bolivien
7 Por Ingrid Portenkirch-ner
AHK Berufliche Bildung: DHLA454, CIM-AHK- Programm
Ecuador
8 F Yanina Falugue AHK Leiterin Aus- und Wei-terbildung
Argentinien
Zunächst wurden alle Interviews vollständig transkribiert und die spanischen Inter-
views dann sinngemäß übersetzt. Immer dem Anspruch folgend, die Aussagen so zu
übersetzen, dass sie die Absicht des Sprechers bestmöglich verdeutlichen. Für die
Aussagekraft dieser Arbeit, muss Anonymität nicht gewährleistet werden. Ganz im
Gegenteil ist es sogar wichtig die Aussagen den Ländern zuzuordnen. Die Aussagen
sollen nicht pauschalisiert werden, sondern bilden lediglich die Ansicht, Erfahrung
und Wissensspektrums eines Fachexperten ab.
454 Duale Hochschule Latinoamérica (DHLA)
- 101 - Anhang
Datenanalyse und Auswertung
Das induktiv-deduktiv hergeleitete Kategoriensystem soll einen transparenten Über-
blick der inhaltsanalytischen Vorgehensweise sicherstellen. Dadurch, dass die Haupt-
kategorien aus dem theoretischen Modell aus Abschnitt 2.2 abgeleitet wurden, be-
kam das Kategoriensystem bereits eine nachvollziehbare und auf alle Interviews
übertragbare Struktur, da der Interviewleitfaden ebenfalls bewusst in diese Themen-
abschnitte untergliedert wurde. Hierdurch wurde gewährleistet, dass alle Interviews
eine sich ähnelnde Gesamtstruktur aufweisen. Bei der inhaltlichen Analyse der Inter-
views stand dann regelgeleitet das Vergleichen von Phänomenen, Aussagen und Kon-
zepten im Vordergrund und nahm eine Schlüsselfunktion hinsichtlich der Entdeckung
und Definierung der Subkategorien sowie der Festlegung von Strukturen in den Bezie-
hungen zwischen den jeweiligen Kategorien ein. Es wurde versucht, sämtliche Sinn-
einheiten, die in den Interviews vorgefunden wurden, aufzunehmen und eine ge-
meinsame Kategorie, die diese Sinneinheiten zusammenfügt, zu bilden. Auf diese
Weise lag es nahe, beispielsweise in der ersten Hauptkategorie Vorteile und Vorge-
hensweise der dualen Ausbildung die Subkategorie Vorteile zu definieren. In engem
Zusammenhang mit den Vorteilen nannten die Interviewpartner auch Probleme, die
bei der derzeitigen Umsetzung der dualen Ausbildung auftreten, womit sich eine wei-
tere Subkategorie definieren lässt. Dieses Verfahren ergibt das in Tabelle 4 darge-
stellte Kategoriensystem mit acht Hauptkategorien, 28 Subkategorien und der Zu-
satzkategorie landesspezifische Besonderheiten.
- 102 - Anhang
Tabelle 18: Das induktiv-deduktiv hergeleitete Kategoriensystem455
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Vorteile und Vorgehensweise der dualen Ausbildung“
Subkategorien Definition Ankerbeispiele
Vorteile Positive Wirkung, die das duale Sys-tem in Lateinamerika leistet bzw. leisten könnte.
„Weil die lernen im dualen System […] auch den Umgang mit Men-schen.“ (Pä, Z. 244 f.)
Probleme Herausforderungen, die im Umgang mit dem dualen System auftreten.
„Es gibt einige, die le-diglich teilnehmen, auf-grund eines Verspre-chens gegenüber der Kammer.“ (M, Z. 221)
Aktuelle Tendenzen Änderungen, die an der Umsetzung des dualen Systems vorgenommen werden, Ideen und Zukunftsvorschlä-ge.
„die Idee sollte sein […] eine duale Ausbildung im nationalen Kontext anzubieten“ (A, Z. 27-29)
Lösungsansätze Konkrete Beispiele und Reaktionen auf Probleme bei der aktuellen Um-setzung des dualen Systems.
„mehr Expertengesprä-che, mehr Besuche neuer Firmen, mehr Austausche“ (F, Z. 86 f.)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Angebot an dualen Ausbildungs-berufen“
Merkmale des Ange-bots
Beschreibt die Merkmale und das duale Ausbildungsangebot
„Mechatroniker“ (Pä, Z. 94 )
Kooperation mit Bil-dungseinrichtungen
Umfasst, welche Art von Bildungs-einrichtung für den theoretischen Unterricht zuständig ist.
„in Jaén ist es eine öffentliche“ (A, Z. 181 f.)
Unterrichtssprache Thematisiert in welcher Sprache der theoretische Unterricht angeboten wird.
„72 % der Fächer auf Deutsch“ (F, Z. 153)
455 Eigene Darstellung in Anlehnung an Kuckartz, 2014, S. 85
- 103 - Anhang
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Praxisbezug, Kooperation, Ar-beitsmarktnähe“
Subkategorien Definition Ankerbeispiele
Praxisbezug Anteil der praktischen Lerninhalte und Ausrichtung an der Praxis.
„Es geht in erster Linie um die Praxisorientie-rung hier.“ (Por, Z. 53 f.)
Kooperation Umfasst Engagement und Initiative der unterschiedlichen Akteure, die am dualen System beteiligt sind.
„Wie kann man denn da wirklich diese Dualität und den Dialog auf glei-cher Ebene zwischen Staat und Wirtschaft herstellen.“ (Por, Z. 113 f.)
Arbeitsmarktnähe Thematisiert, inwiefern duale Aus-bildungsberufe am Arbeitsmarkt aus-gerichtet werden.
„Die Erhebung von in-dustrienahen Ausbil-dungsprofilen.“ (H, Z. 83)
Rolle der Betriebe Umfasst Engagement und Initiative der Betriebe im Hinblick auf Bedarf, Wirksamkeit und Konzeption dualer Ausbildungsberufe.
„[…] und die Unterneh-men wenden sich an die Kammer“ (Pä, Z. 147 f.)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Praxisbezug, Kooperation, Ar-beitsmarktnähe“
Vorgehensweise bei der Implementie-rung neuer Ausbil-dungsberufe
Beschreibt die konkrete Vorgehens-weise, wie vorgegangen wird, wenn neue Ausbildungsberufe eingeführt werden.
„Natürlich waren vo-rausgeschaltet eine Analyse und Evaluation der Sektoren und die Auswahl der Ausbil-dungsbranchen.“ (A, Z. 296)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Rolle der Kammer als zertifizie-rende Institution“
Zertifikate und Qua-litätsstandards
Umfasst generell welche Zertifikate und Qualitätsstandards im Bereich der beruflichen Bildung von der Kammer vorgegeben oder geprüft werden.
„Also wir als Kammer haben die Möglichkeit in dreierlei verschiedener Hinsicht zu zertifizie-ren.“ (A, Z, 195)
Internationale Zerti-fizierung
Umfasst welche Auszubildenden ei-nen international anerkannten Ab-schluss erhalten.
„Dieses Zertifikat nützt ihr in ganz Europa […]“ (M, Z. 21)
Zertifizierung der Tutoren/Ausbilder
Thematisiert, wie bei Qualifizierung und Zertifizierung der Tutoren & Ausbilder in den Unternehmen vor-gegangen wird.
„Das erste AdA456-Seminar, das wir der-zeit durchführen, wird im Rahmen von SENATI angeboten. (A, Z. 232)
456 Ausbildung der Ausbilder (AdA)
- 104 - Anhang
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Finanzierungskonzept“
Subkategorien Definition Ankerbeispiele
Staatliche Finanzie-rung
Thematisiert, ob die nationale Re-gierung sich an der Finanzierung des dualen Systems beteiligt.
„[…] und die Firmen erhalten ökonomische Unterstützung“ (A, Z. 258)
Kosten des Schülers Umfasst die Kosten, die dem Auszu-bildende für die duale Ausbildung entstehen.
„die Institutionen, jetzt auch diese staatlichen dürfen von den Auszu-bildenden kein Geld verlangen“ (Por, Z. 334 f.)
Ausbildungskosten für das Unterneh-men
Umfasst Kosten, die dem Unterneh-men für die Ausbildung entstehen.
„Aktuell zahlen sie 1400 Bolivianos.“ (M, Z. 294)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Breitenwirkung, Zugänglichkeit und Durchlässigkeit“
Breitenwirkung Umfasst Argumente, die diskutieren, ob es sich um einen Berufsausbil-dungsansatz handelt, der grundsätz-lich allen Jugendlichen offen steht.
„dann kommen eben ganz ärmliche Eltern und staunen, wenn ihre Tochter da neben der riesen CNC Fräs-maschine steht.“ (Pä, Z. 240 f.)
Zugänglichkeit Thematisiert Eintrittsvoraussetzun-gen, durch welche die Interessenten von vornherein selektiert werden.
„Also unsere Leute, die ins duale System einsteigen hier, haben alle ein Abitur.“ (Por, Z. 101)
Durchlässigkeit Umfasst Möglichkeiten der darauf aufbauenden Weiterbildung oder vorgeschalteten Anerkennung von Kompetenzen.
„Abkommen mit den Universitäten bewir-ken, dass die Studen-ten nach Abschluss an der Uni studieren.“ (M, Z. 51 f.)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Breitenwirkung, Zugänglichkeit und Durchlässigkeit“
Berührungspunkte mit dem nationalen Bil-dungssystem
Beschreibt, inwiefern das duale Sys-tem mit dem nationalen Bildungssys-tem zusammenhängt bzw. bereits in dieses integriert ist.
„[…] Verbindung zwi-schen dem Bildungs-system und des dualen Systems zu errei-chen.“ (Por, Z. 394 f.)
Verleihung des natio-nalen Abschlusses
Umfasst alle Modalitäten, Prozesse und Hindernisse, die relevant sind, um den nationalen Titel zu erhalten.
„Also das ist ein deut-scher Facharbeiterab-schluss, der hier in Mexiko durch CONOCER eigentlich bestätigt wurde und der dann hier aner-kannt ist.“ (Pä, Z. 251 f.)
Definition von Subkategorien zur Hauptkategorie „Gesellschaftliches Ansehen der
- 105 - Anhang
Berufs(aus-)bildung“
Subkategorien Definition Ankerbeispiele
Gesprächsthema Greift Aspekte auf, die verdeutli-chen, dass das duale System ein ak-tuelles Thema in Gesellschaft und oder Politik darstellt.
„das ist im Moment ei-gentlich recht positiv, weil das System mehr diskutiert wird, heutzu-tage“ (H, Z. 280 f.)
Unkenntnis Umfasst Aussagen, die darstellen, dass das duale System unbekannt ist
„nicht viele Menschen wissen, was die duale Berufsausbildung ist.“ (M, Z. 355)
Paradigmenwechsel Umfasst Aussagen, die aufzeigen, dass mit der Implementierung ein Umdenken in der Gesellschaft nötig ist oder einsetzt
„Auch wenn es jetzt von der Wirtschaftsseite und dem „cambio de la matriz productiva“ ein sehr logisches Thema ist, steht da ein kom-pletter Kulturwandel dahinter.“ (Por, Z. 136 f.)
Gesetzliche Rah-menbedingungen
Thematisiert zum einen, ob gesetzli-che Rahmenbedingungen den Trans-fer des dualen Systems erschweren und zum anderen, ob ein nationales Berufsausbildungsgesetz existiert.
„Es entsteht ein Berufs-bildungsgesetz und das ist natürlich enorm hilf-reich für alle Beteilig-ten“ (Por, Z. 69)
Interesse der Regie-rung
Umfasst Handlungen und Beispiele, die Aufschluss darüber bieten, ob die nationale Regierung bzw. Politiker einen Transfer wollen und Initiative zeigen.
„da hatten wir das Glück mit den Autoritä-ten hier einen großen Zuspruch zu bekom-men.“ (S, Z. 43 f.)
Definition der Zusatzkategorie „Landesspezifische Besonderheiten“
Umfasst Aspekte, die die Praktik des dualen Systems landesspezifisch be-schreiben und keiner anderen Kate-gorie zuzuordnen sind. Auch werden Argumente, in diese Kategorie ein-geordnet, die gesellschaftliche oder soziale Probleme thematisieren, die evtl. durch das duale System beho-ben werden könnten.
„Ein Großteil der Tech-niker in Peru ist kurz davor in den Ruhestand zu gehen und es werden dringend junge Leute benötigt.“ (A, Z. 77 f.)
- 106 - Anhang
Die strukturierende qualitative Inhaltsanalyse wurde computergestützt mit dem Pro-
gramm MAXQDA durchgeführt, einem verbreiteten Programm in der qualitativen So-
zialforschung. Neben dem Vorteil, das Kategoriensystem mit der Software zu erstel-
len und zu erweitern, bewog der einfache Vorteil zu diesem Entschluss, dass die
Auswertungsdatei im Anschluss in eine Excel-Tabelle, die sich im Anhang befindet,
exportiert und der Forschungsprozess transparenter und dadurch intersubjektiv über-
prüfbar gestaltet werden konnte.
Die Auswertung wurde größtenteils entlang der Hauptkategorien vorgenommen. Da
jedoch Zusammenhänge zwischen den Kategorien festgestellt wurden, sind im fol-
genden Auswertungsteil teilweise übergeordnete Überschriften gewählt worden, die
mehrere Kategorien umfassen. Darüber hinaus ergänzen Informationen, die aus der
Dokumentenanalyse gewonnen wurden, zentrale Aussagen. Doch durch die stringente
Zitierweise wird deutlich, welche Informationen aus welcher Quelle, direkt oder indi-
rekt, stammen. Außerdem wird in jedem Kapitel explizit darauf verwiesen, welche
Kategorien Grundlage der Auswertung sind. Die bereits erwähnte umfangreiche Ex-
cel-Tabelle (im Anhang befindend) enthält alle Analyseeinheiten nach dem vorge-
stellten Kategoriensystem sortiert und verfügt außerdem über eine Spalte Argumen-
te. Diese Argumente wurden induktiv am Textmaterial erschlossen, Häufigkeitsanaly-
sen, auf die im Text verwiesen wird, wurden erstellt, um die Datenauswertung und –
darstellung übersichtlich, verständlich und zugleich transparent zu gestalten.