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Bosch hat eine domänenübergreifende Simulationsumgebung für die Entwicklung von Hybridantriebssträngen entwickelt. Der Ansatz lässt sich durchgängig von der Konzeptphase und Systemauslegung bis hin zur Fahrzeug- applikation einsetzen, was Entwicklungszeit und -kosten spart. Die erste Anwendung erfolgte bei der Entwicklung eines Hybridsystems für einen Sportwagen. Dabei wurden sowohl zyklusrelevante als auch rennstreckenbezogene Anforderungen berücksichtigt. DURCHGÄNGIGE SIMULATION ZUR ELEKTRIFIZIERUNG DES ANTRIEBS 26 TITELTHEMA ELEKTRIFIZIERUNG Link: https://www.springerprofessional.de/durchgaengige-simulation-zur-elektrifizierung-des-antriebs/6108166

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Bosch hat eine domänenübergreifende Simulationsumgebung für die Entwicklung von Hybridantriebssträngen

entwickelt. Der Ansatz lässt sich durchgängig von der Konzeptphase und Systemauslegung bis hin zur Fahrzeug-

applikation einsetzen, was Entwicklungszeit und -kosten spart. Die erste Anwendung erfolgte bei der Entwicklung

eines Hybridsystems für einen Sportwagen. Dabei wurden sowohl zyklusrelevante als auch rennstreckenbezogene

Anforderungen berücksichtigt.

DURCHGÄNGIGE SIMULATION ZUR ELEKTRIFIZIERUNG DES ANTRIEBS

26

TITELTHEMA ElEKtriFiziErung

Elektrifizierung

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DURCH HYBRIDISIERUNG CO2-ZIELE ERREICHEN

Mit der Einführung und zunehmenden Verschärfung von Emissionsgrenzwerten erfährt die Entwicklung der klassischen Verbrennungsmotoren einen stetigen Wandel. In den vergangenen Jahren lag dabei ein Schwerpunkt auf der Einhal-tung der strengen Abgasgrenzwerte nach Euro 5 und Euro 6. Mit Einführung der CO2-Gesetzgebung gewinnt die Reduktion des Kraftstoffverbrauchs rasant an Bedeu-tung – der Blick der Automobilhersteller ist heute auf das Jahr 2020 und den für diesen Zeitpunkt aktuell diskutierten CO2-Zielwert von 95 g/km für Pkw gerichtet. Auch der ab 2015 geltende Zielwert von 130 g/km erfordert bereits zusätzliche technische Maßnahmen, um die CO2-Emission der Fahrzeugfl otten entspre-chend den Zielvorgaben zu reduzieren.

Hersteller von Sportwagen stehen hier-bei vor einer ungleich größeren Heraus-forderung als beispielsweise Hersteller von Pkw in der großen SUV-Klasse. Im Sportwagensegment lag in der Vergan-genheit ein Entwicklungsfokus auf maxi-maler Motorleistung bei geringem Fahr-zeuggewicht, jedoch nicht auf der Errei-chung zukünftiger Emissions- und CO2- Zielwerte. Dennoch setzt man im Sportwagensegment bereits heute klassi-sche Maßnahmen zur motorischen CO2-Reduzierung ein, wie Downsizing und Entdrosselung (Dethrottling). Durch die Kombination dieser und außermotori-scher Maßnahmen, wie die Verringerung des Rollwiderstands, die Reduzierung des Fahrzeuggewichts sowie die Opti-mierung der Aerodynamik, kann bereits ein signifi kanter Beitrag zur Erreichung der Emissionsziele für das Jahr 2020 geleistet werden. Die Elektrifi zierung des Antriebs eröffnet darüber hinaus das Potenzial, die geforderten Grenzwerte zu erreichen oder zu unterschreiten.

Die Hybridisierung und damit die Kombination von Verbrennungsmotor und Elektromotor(en) setzt Systemwis-sen voraus, um das Zusammenspiel von Antriebsstrang, Fahrdynamik sowie Karosserie- und Fahrwerkselektronik zu beherrschen. Denn Erfolgsgaranten bei Sportwagen sind neben der Reduzierung der CO2-Emissionen besonders die Leis-tungsfähigkeit des Fahrzeugs und die Fahrdynamik. Letzteres gilt es, durch die Hybridisierung zu erhalten und zu ver-bessern. Die Auslegung des Hybridan-triebsstrangs und damit die Anzahl und die Einbauposition der Elektromotoren werden in diesem Segment intensiv dis-kutiert. Die Integration der Elektromoto-ren in den verbrennungsmotorischen Antriebsstrang (paralleler oder Power-Split-Hybrid) oder ihre Anbindung an eine der Fahrzeugachsen als separater Antrieb (Axle-Split-Hybrid) sind verbrei-tete Topologien. Zusätzlich muss die Einbauposition des Verbrennungsmotors sowie der Hochvoltkomponenten berück-sichtigt werden, da sie direkte Auswir-kungen auf die Gewichtsverhältnisse des Fahrzeugs haben. Der optimale Einbau der Komponenten kann den Schwerpunkt verlagern und damit die Fahrdynamik positiv beeinfl ussen.

AUSWAHL HYBRIDKONZEPT

Zukünftig reichen im Sportwagenseg-ment rein verbrennungsmotorische Maßnahmen nicht aus, um die disku-tierten CO2-Grenzwerte für das Jahr 2020 zu erreichen. Die Elektrifi zierung des An triebs, beispielsweise durch ein Plug-in-Hybridkonzept, wird zwingend erforderlich. Bosch bietet hierzu ver-schiedene Hybridsysteme und Kompo-nenten an, ❶. Um die optimale Topolo-gie des Antriebsstrangs zu identifi zie-ren, hat die Bosch Engineering GmbH verschiedene Hybridkonzepte unter-

AutOrEn

CHRISTIAN APPEL ist Experte für Systemsimulation

für Powertrain Systems Engineering bei der Bosch Engineering gmbH

in Abstatt.

DR. STEFANIE FREUDENSTEIN ist gruppenleiterin für Powertrain

Systems Engineering bei der Bosch Engineering gmbH in Abstatt.

CHRISTIAN TEMMEN ist Entwicklungsingenieur für die Applikation von Hybridsystemen

bei der Bosch Engineering gmbH in Abstatt.

❶ Hybridkomponenten Elektromotor SMG 180/120 (links) und Leistungs-elektronik INVCON 2.3 (rechts) von Bosch

02i2014 75. Jahrgang 27

Elektrifi zierung

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sucht, wie den Axle-Split-Hybrid, den parallelen Hybrid, den seriellen Hybrid und den Power-Split-Hybrid, ❷. Eine Randbedingung der Untersuchung war, dass die zur Hybridisierung notwendi-gen Komponenten in eine bestehende Sportwagenarchitektur mit konventio-nellem Verbrennungsmotor integriert werden können, ohne das Fahrzeug komplett neu zu entwickeln. Dabei über-zeugte das Axle-Split-Hybridkonzept mit zwei Elektromotoren (EM), da speziell in den für Sportwagen relevanten Kate-gorien „Fahrzeugdynamik und Potenzial für Zusatzfunktionen“ sowie bei der

„Packaging-Flexibilität“ in ② besonders positive Ergebnisse erzielt wurden. Die Gewichtung der Kriterien kann je nach Kundenwunsch und Basisfahrzeug indi-viduell angepasst werden.

Um die Möglichkeiten der Hybridi-sierung für die Emissionsreduzierung und Verbesserung der Fahrdynamik auf-zuzeigen, hat Bosch Engineering einen Aston Martin DB9 mit manuellem Sechs-gang-Getriebe zu einem Hybridfahrzeug modifiziert, ❸ und ❹. Dabei werden die beiden Vorderräder des Konzept-fahrzeugs nach dem Axle-Split-Hybrid-konzept von jeweils einem Elektromotor

angetrieben. Der Verbrennungsmotor treibt sowohl die Hinterräder als auch den Hochvoltgenerator an. Dieser kann den Verbrennungsmotor starten und die Batterie laden. Die zusätzlichen Kompo-nenten verursachen jedoch ein Mehr-gewicht des Hybridkonzeptfahrzeugs gegenüber seiner Basisvariante, ❺. Die Herausforderung bei der Konvertierung des Antriebsstrangs bestand demnach darin, trotz zusätzlichem Fahrzeug-gewicht die CO2-Emissionsgrenzen ein-zuhalten und gleichzeitig die Leistungs-fähigkeit zu verbessern. Obwohl durch die Hybridisierung die Antriebsleistung

Verbrennungs-motor

INVCON 2.3

SMG 138

INVCON 2.3

Strom-verteilungs-einheit

SMG 180

INVCON 2.3

SMG 180

BatterieKühlsystem

Getriebe

ESP-Hydraulik-aggregat

KupplungCAN-Bus

Getriebe-übersetzung

Hybrid-Motronic

Kühlsystem

Hochvolt-Verbindung

Hydraulische Verbindung

Mechanische Verbindung

ThermodynamischeVerbindung

Getriebe-übersetzung

❷ Evaluierung unterschiedlicher Hybridtopologien für das Konzeptfahrzeug Aston Martin DB9 (EM: Elektromotor)

❸ Übersicht der Antriebsstrangkomponenten des Konzeptfahrzeugs Aston Martin DB9 mit Axle-Split-Hybridtopologie

AXLE-SPLIT-HYBRID MIT EINEM EM

AXLE-SPLIT-HYBRID MIT

ZWEI EM

PARALLELER HYBRID

SERIELLER HYBRID

POWER-SPLIT-

HYBRID

leistungsdichte + 0 ++ –– +

Effizienz ++ + ++ 0 ++

Packaging- Flexibilität + ++ 0 – 0

Fahrzeugdynamik und Potenzial

für zusatzfunktionen+ ++ 0 0 0

Kosten ++ + ++ –– ++

Rangfolge 2 1 3 5 4

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um 169 kW erhöht und ein hohes Dreh-moment ermöglicht wird, bestimmen das Mehrgewicht, die Änderung des Schwerpunkts sowie die Federungsei-genschaften das fahrdynamische Ver-halten des Sportwagens. Zur Analyse dieser domänenübergreifenden Abhän-gigkeiten wurde eine umfassende Fahr-zeugsystemsimulation eingesetzt. Damit lassen sich unter Berücksichtigung der Quer dynamikeigenschaften die Grenzen des Fahrverhaltens auf einem definier-ten Streckenprofil mit dem entsprechen-den Fahrzeug und seiner individuellen Motorisierung simulieren. Das erlaubt den direkten Vergleich mit dem Serien -fahrzeug.

DOMÄNENÜBERGREIFENDE FAHRZEUGSIMULATION

Damit in der Fahrzeugentwicklung bereits in einer frühen Projektphase eine durchgängige Betrachtung des domänen-übergreifenden Fahrzeugsystems ermög-licht wird, hat Bosch Engineering eine entsprechende Simulationsplattform ent-wickelt. Sie basiert auf einer Standard-Simulationsumgebung von Bosch, die mit einem generischen Modellansatz einen schnellen und effizienten Vergleich ver-schiedener Antriebsstrang-Topologien im Hinblick auf Verbrauch sowie die grund-sätzliche längsdynamische Leistungsfä-higkeit ermöglicht. Damit die fahrdyna-mischen Eigenschaften für die Auslegung eines Sportwagens mit einbezogen wer-den, wurde die Simulationsplattform um diese Aspekte erweitert und um entspre-chende Teilmodelle ergänzt. Beispiels-weise bildet die Fahrzeugsimulation das thermische Verhalten der Antriebskom-ponenten ab. Hierzu wurde der Einfluss auf die Fahrleistung durch thermisch bedingtes Herabsetzen der Betriebswerte (sogenanntes Derating, zum Beispiel bei der Batterie) beim Überschreiten von Temperaturgrenzen berücksichtigt. Somit kann der Kühlkreislauf entsprechend der maximalen Anforderung in spezifischen Anwendungsfällen, beispielsweise dem Betrieb auf Rennstrecken, realistisch aus-gelegt werden.

Die Simulationsplattform, ❻, gliedert sich in Antriebsstrang (Vorder- und Hin-terachse), Fahrdynamik (Chassis, Räder und Bremse) sowie Steuerungssoftware. Matlab/Simulink wird als Integrations-plattform verwendet. Modell- und Kom-ponentenbibliotheken mit unterschied-

licher Detaillierungstiefe bilden die Berech nungsgrundlage. Je nach Anfor-derung und Einsatzgebiet werden somit die optimale Detaillierung der Modelle und die bestmögliche Laufzeit der Simu-lation gewährleistet. Bestehende Kompo-nentenmodelle aus Simulink, beispiels-weise von Verbrennungsmotor, Getriebe, Elektromotor(en), Leistungselektronik und Batterie, wurden in die Antriebs-strangsimulation integriert und eine Schnittstelle zu den weiteren Modellen geschaffen. Zudem wurde ein detaillier-

tes 1D-Modell des V12-Verbrennungs-motors in GT-Power entwickelt, um die Auswirkung der motorischen Maßnah-men auf Zyklusverbrauch und Leistung zu bewerten und diese Ergebnisse im zweiten Schritt auf das vereinfachte Modell auf Fahrzeugebene zu über-tragen. Die Anzahl aufzubauender Motorvarianten wird somit verringert und die Zeit am Motorprüfstand redu-ziert. Die Hybridbetriebsstrategie kann entweder als Teil der Modellbibliothek aus Simulink übernommen werden, oder

❺ Vergleich der Fahrzeugdaten

❹ Konzeptfahrzeug Aston Martin DB9 mit Axle-Split-Hybridantrieb

BASISFAHRZEUG ASTON MARTIN DB9

HYBRIDKONZEPTFAHRZEUG ASTON MARTIN DB9

leergewicht 1689 kg 1983 kg

Verbrennungskraftmaschine

(VKM)V12-Frontmotor,

HeckantriebV12-Frontmotor, Heckantrieb

getriebe Sechsgang-Schaltgetriebe Sechsgang-Schaltgetriebe

Maximale leistung (VKM) 421 kW 421 kW

Maximales Moment (VKM) 620 nm 620 nm

Elektromotoren (EM) –

2 x SMg 180/120 auf der Vorderachse (2 x 85 kW)

1 x SMg 138/80 an der VKM (25 kW)

leistungselektronik – 3 x inVCOn 2.3

Hochvolt-lithium-

ionen-Batterie– 8 kWh nutzbarer Energieinhalt

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der Steuergeräte-Code wird direkt als so-genannte dll-Datei (dynamic-link library) in Simulink eingebunden. Die Einbindung der realen Software der Hybridbetriebs-strategie hat den Vorteil, dass beispiels-weise entsprechend realistische Kompo-nentenlastprofile abgeleitet werden kön-nen, um zuverlässige Aussagen über deren Lebensdauer zu treffen.

Der größte Unterschied zu den Ver-brauchssimulationstools, die bisher in der Fahrzeugentwicklung verwendet wurden, ist die Detaillierung der fahr dynamischen Aspekte und damit der Modelle für Fahr-werk, Reifen und den Fahrer. Das entspre-chende Subsystem Fahrdynamik wird über eine Anbindung an die Fahrdyna-miksoftware CarMaker von IPG realisiert. Damit sind sehr detaillierte Aussagen zur Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs mög-lich. Je nach Anwendungsfall und Anfor-derung kann auch auf vereinfachte Simu-link-Modelle zurückgegriffen werden. Dies verringert den Aufwand der Parame-trierung sowie die Laufzeit der Simula-tion. Um flexibel auf Kundenanforderun-gen einzugehen, ist es zudem möglich, weitere spezifische Simulink-Modelle sowie zusätzliche Software einzubinden, zum Beispiel das Werkzeug CarSim des Herstellers Mechanical Simulation.

Bei der Entwicklung des Konzeptfahr-zeugs Aston Martin DB9 mit Hybridan-

trieb wurde die domänenübergreifende Fahrzeugsimulation durchgängig für alle Voruntersuchungen zur Grobausle-gung und Dimensionierung der Kompo-nenten sowie zur Leistungs- und Energie-verbrauchsvorhersage und damit zur Berechnung der elektrischen Reichweite verwendet. Zusätzlich wurden weitere Simulationen speziell zur Ermittlung des Kühlbedarfs und Auslegung des Kühl-kreislaufs der Batterie für den Anwen-dungsfall auf einer Rennstrecke durchge-führt. Gegenüber der Fahrzeugbasisvari-ante ergeben sich durch die Simulation signifikante Vorteile, ❼. Der Kraftstoff-verbrauch des Konzeptfahrzeugs konnte demnach trotz Mehrgewicht um 50 % reduziert und gleichzeitig die sportliche Leistungsfähigkeit, gemessen an der Beschleunigungszeit, deutlich erhöht werden. Für die Berechnung des Kraft-stoffverbrauchs wurde dabei das ECE R101-Verfahren für Plug-in-Hybridfahr-zeuge (Plug-in-Hybrid Electric Vehicles) im neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) verwendet.

DOMÄNENÜBERGREIFENDE ANWENDBARKEIT

Mit der beschriebenen Fahrzeugsimu-lation wurde eine Arbeitsplattform ge -schaffen, die zeitgleich und domänen-

übergreifend von verschiedenen Berei-chen und Projektteams verwendet werden kann. Beispielsweise profitiert die ESP-Entwicklung und -Applikation von detaillierten Antriebsstrangmodel-len, während man bei der Auslegung des Antriebsstrangs durch eine Detaillierung der Fahrdynamik auf belastbare Leis-tungssimulationen zurückgreifen kann. Bei der Fahrzeugauslegung können sich die Entwickler somit bereits frühzeitig auf eine detailliertere und breitere Datenbasis abstützen, um unterschiedli-che Konzepte zu bewerten. Obwohl bei der Modellerstellung und -bedatung ein Mehraufwand entsteht, wird dieser durch den durchgängigen Einsatz in den weiteren Entwicklungsphasen, vom Pro-totypenaufbau bis zur Serienentwick-lung und Applikation, kompensiert, ❽.

Die durchgängige, domänenübergrei-fende Simulationsumgebung deckt alle Bereiche vollständig ab, von der System- und Komponentenauslegung über die Software- und Funktionsentwicklung bis hin zur Applikation der Hybrid-betriebsstrategie. Je nach Anwendungs-gebiet und Ziel kann der Modellumfang der Simulation individuell angepasst werden. Das Ergebnis ist stets eine durch-gängige Simulationsplattform, mit der die verschiedenen Teams ihre Entwicklungs-geschwindigkeit, Effizienz und Qualität

Steuerung

Fahrzeug- und Komponentenkonfigurationbasierend auf validierten Bibliotheken

Simulation und Konzeptverifizierung

AscetMatlab/Simulink

Antriebsstrang

GT-SuiteMatlab/Simulink

Integrations-plattform

Matlab/Simulink

Fahrzeugsystem-simulation

Nachbearbeitungder Ergebnisse

Lastprofile derKomponenten

Abgleich mitKundenanforderung

Fahrdynamik

CarMakerCarSim

❻ Domänenübergreifende Simulationsplattform

TITELTHEMA ElEKtriFiziErung

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steigern können. Die domänenüber-greifende Simulationsplattform kann zu jedem Zeitpunkt der Fahrzeugent-wicklung eingesetzt und flexibel auf die Anforderungen einzelner Phasen ange-passt werden. Damit kann die An zahl der eingesetzten Werkzeuge und der Aufwand der Parametrierung über das gesamte V-Modell hinweg signifikant ver-ringert werden. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet auch eine vollständige Vali-dierung des Gesamtmodells. Ein validier-tes Modell kann effizient zur Bewertung der funktionalen Sicherheit herangezogen

werden und den Testkatalog für Entwick-lungsfahrzeuge verkleinern. Die Entwick-lungszeit kann so signifikant verkürzt und die Kosten können gesenkt werden.

APPLIKATION DER HYBRIDBETRIEBSSTRATEGIE

Eine Anwendung der Simulationsplatt-form ist die Applikation der Hybrid-betriebsstrategie. Die Simulation ist zwingend erforderlich, um Zertifizie-rungs-Fahrzyklen wie den NEFZ für den EU-Markt oder den FTP75/US06 für den US-Markt abzubilden. Minimale CO2-Emissionen, maximale Reichweite oder die Einhaltung geforderter Energie-bilanzen können somit simuliert werden. Die Simulationsergebnisse bilden hier eine wichtige Grundlage für eine effi-zientere Bedatung von Prototypen.

In einer bereits umgesetzten Anwen-dung wurden alle verwendeten Kompo-nenten anhand eines Sportwagens mit serienmäßigem Parallelhybrid-Antrieb parametriert und die von Bosch entwi-ckelte Betriebsstrategie integriert. Um

später schnell einzelne Funktionen aus-tauschen zu können, wurde hierzu eine dll-Einbindung verwendet. Funktionen der Betriebsstrategie können somit aus der Hybridbetriebsstrategie in die Simu-lationsumgebung integriert und ohne großen Zeitaufwand aktualisiert werden. Die Grundbedatung der Betriebsstrategie wird durch die Design-of-Experiment-Methode (DoE) durchgeführt und opti-miert. Die Parameterräume werden auf die wichtigsten raumbegrenzenden Werte beschränkt. Nach der Simulation der Parametersätze wird mithilfe der Software Ascmo (Advanced Simulation for Calibration Modelling and Optimiza-tion) der Etas GmbH die optimale Beda-tung der Betriebsstrategie definiert, die auf Kriterien wie CO2-Emissionen, Reich-weite oder Energiebilanz beruht. Resul-tat ist eine Grundbedatung der Betriebs-strategie, die im Konzeptfahrzeug erprobt und im Detail appliziert werden kann. Durch diese Applikationsmethode kann die rechnergestützte Grundbedatung frühzeitig gestartet werden. Dies spart Zeit in der Entwicklung bis zum Proto-

❼ Simulationsergebnisse der Schlüsselkriterien

HYBRID KONZEPT-FAHRZEUG

ASTON MARTIN DB9

zeit von 0 bis 100 km/h – 20 %

zeit von 0 bis 200 km/h – 13 %

zeit bis 1000 m – 7 %

Verbrauch im nEFz – 50 %

Elektrische reichweite 25 km

02i2014 75. Jahrgang 31

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typenaufbau. Zudem kann der Appli ka-tionsumfang an Versuchsfahrzeugen durch die Simulation von Fahr zyklen verringert werden. Die Fahrzeugentwick-

lung wird dadurch unabhängiger von der Prototypenverfügbarkeit und die Kosten, beispielsweise für Tests auf Prüfständen, werden gesenkt.

VALIDIERUNGSKONZEPT

Bei der Validierung der Hybridbetriebs-strategie ist die Modellgüte für den erfor-derlichen Detaillierungsgrad der einzel-nen Systeme ausschlaggebend. Das Validierungskonzept der domänen über-greifenden Fahrzeugsimulation gliedert sich dafür in zwei Stufen. In der ersten Stufe werden alle Subsysteme beziehungs-weise Komponentenmodelle separat geprüft. Dafür existieren spe zialisierte Testumgebungen für die einzelnen Sub-modelle, deren Ergebnisse jeweils mit entsprechenden Messungen abgeglichen werden. Der aus Simulink übernommene Steuergeräte-Code wird ebenfalls durch Fahrzeugmessungen isoliert validiert. Diese erste Stufe stellt sicher, dass die Bewertung der Konzepte möglichst genau erfolgen kann, noch bevor Demonstra-toren aufgebaut und Bauteiltests durch-geführt werden. In der zweiten Stufe der Validierung wird die Simulation des Fahrzeugs, also des Gesamtmodells, mit Messungen aus dem Fahrzeug oder dem Prototypen abgeglichen. Dies wurde be-reits für einen Sportwagen mit Paral lel-hybrid-Antrieb durchgeführt. Für die Applikation der Hybridstrategie wurden die Ergebnisse der Simulation mit realen Messdaten, die auf einem Rollenprüfstand erhoben worden sind, abgeglichen.

Den Vergleich von Simulations- und Messdaten für eine Parallelhybrid-Topo-logie über den NEFZ zeigen ❾ und ❿.

2000

1750

1500

1250

1000

750

500

250

0

Verbrennungsmotor aus

Verbrennungsmotor an

125

100

75

50

25

200 400 600 800 1000

Dre

hzah

l Kup

plun

g [1

/min

]

1200 Zeit [s]

Geschwindigkeit

Fahrzeug, Messung

Fahrzeug, Simulation

Ges

chw

indi

gkei

t[k

m/h

]

❿ Vergleich Drehzahl, Trennkupplungsbetätigung und Motorstartanforderung aus NEFZ-Messung und Simulation

300

250

200

150

100

50

0

-50

-100

-150

-200

-250

-300200 400 600 800 1000 1200 Zeit [s]

125

100

75

50

25

Geschwindigkeit

Fahrzeug, Messung

Fahrzeug, Simulation

Ges

chw

indi

gkei

t[k

m/h

]

Fahr

erw

unsc

hmom

ent

[Nm

]

❾ Vergleich Fahrerwunschmoment aus NEFZ-Messung und Simulation

Entwicklungder Subsysteme

Testder Subsysteme

Integration undTest des Gesamtfahrzeugs

Validierungdes Gesamtfahrzeugmodells

Integration und Applikationder Subsysteme

Validierungder Subsystemmodelle

Durchgängige EntwicklungKundenanforderungen Systemfreigabe

Simulation der Konzepte

Fahrzeugauslegung

Lastprofileder Komponenten

Anforderungen an Subsysteme(Komponenten, Software)

❽ V-Modell in der Fahrzeugentwicklung

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Die hohe Übereinstimmung beider Daten sätze wird bei-spielsweise durch die Werte für das Drehzahlverhalten an der Trennkupplung sowie die Motor startanforderungen während des Zyklus be legt. Diese Anforderung wird unter an derem in Abhängigkeit des Fahrerwunschmoments, der Katalysator-/Kühlwassertemperatur und des Batteriestatus ausgegeben. Die Simu lations daten stimmen hierbei exakt mit den gemessenen Werten der Motor startan forderung überein und die Drehzahlen an der Kupplung werden richtig dargestellt. Die geringfügigen Abweichungen bei den Werten der Motorstartanforderung basieren auf der Pedaldynamik des „menschlichen“ Fahrers und der daraus resultierenden Überschreitung spezifi scher Schwellenwerte, die eine Start-anforderung frühzeitig auslösen. Durch die Weiterentwick-lung des Verbrennungsmotormodells mit Fokussierung auf die Warmlaufphase mit Parametern wie Kaltstartanreiche-rung, Sekundärluft sowie Katalysatorheizen sind die Simu-lationsergebnisse der CO2-Emissionen und des Kraftstoff-verbrauchs im Fahrzyklus bis auf 1 % genau.

AUSBLICK

Für das Sportwagensegment stellt die künftige CO2-Gesetz-gebung durch die leistungsstarken Motorisierungen eine große Herausforderung dar. Um das Potenzial zur Emissions- und Verbrauchsreduzierung bei gleichzeitiger Verbesserung der fahrdynamischen Eigenschaften aufzuzeigen, hat Bosch Engineering einen Premium-Seriensportwagen mit einem Hybridantriebsstrang ausgerüstet. Dafür wurden verschie-dene Antriebsstrang-Topologien während der Konzeptphase mittels Simulationen untersucht. Um den gesamten Fahrzeug-entwicklungsprozess mit einer Simulationsumgebung abzu-decken, wurde eine Softwareplattform für die domänenüber-greifende Fahrzeugsimulation entwickelt, die die klassischen Arbeits gebiete (Antriebsstrang, elektrische Systeme und Fahr-dynamik) miteinander verknüpft. Somit können neben Zyklus- auch Rennstreckensimulationen mit detaillierten Antriebs-strang- und Fahr dynamikmodellen durchgeführt werden.

Der domänenübergreifende Simulationsansatz wird durchgängig von der Konzeptphase und Systemauslegung bis hin zur Fahrzeugapplikation eingesetzt. So kann die Plattform beispielsweise zur Integration und virtuellen Applikation der Steuergeräte-Software verwendet werden. Als erste Anwendung wurde dafür die Applikation der Hybridbetriebsstrategie herangezogen. Dabei wurden bemerkenswerte Ergebnisse erzielt. Die gewonnenen Erkenntnisse und Methoden werden in weiteren Projekten im Sportwagensegment und in anderen Einsatzgebieten, beispielsweise bei Off-Highway-Anwendungen, eingesetzt. Die neue Simulationsplattform ermöglicht somit in vielen Bereichen eine schnelle und effektive Durchführung von domänenübergreifenden Gesamt system projekten.

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Cum

. PN

emiss

ions

(1/101

1 /km

)

0

5

10

15

20

25Engine out level – TWC

Time (s)0 200 400 600 800 1000 1200