EAWAG Jahresbericht

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Jahresbericht Eawag 2010 Jahresbericht 2010 Eawag: Das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs

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Jahresbericht 2010

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2010

EawagÜberlandstrasse 133Postfach 6118600 DübendorfTelefon +41 (0)58 765 55 11Fax +41 (0)58 765 50 [email protected] Jahresbericht 2010

Eawag: Das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs

Impressum

Konzept: Andri Bryner, Andres Jordi

Redaktion: Andres Jordi

Mitarbeit: Andri Bryner, Samuel Derrer, Jean-Martin Fierz, Herbert Güttinger, Kirstin Kopp, Thomas Lichtensteiger, Anke Poiger, Annette Ryser,

Anke Schäfer, Monika Tobler, Sören Vogel, Lenny Winkel

Bilder: Alle nicht gezeichneten Bilder sind von der Eawag.

Gestaltung: TBS Identity, Zürich

Layout: SLS Nadler, Fällanden Druck: Mattenbach AG, Winterthur

Copyright: Eawag, April 2011 Abdruck mit Quellenangabe erwünscht:

«Eawag – aquatic research; Jahresbericht 2010» Belegexemplare an:

Eawag, Kommunikation, Postfach 611, 8600 Dübendorf, Schweiz

Eawag, Überlandstrasse 133, Postfach 611, 8600 DübendorfTelefon +41 (0)58 765 55 11, Fax +41 (0)58 765 50 28

Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum Telefon +41 (0)58 765 21 11, Fax +41 (0)58 765 21 68

www.eawag.ch

Der Jahresbericht 2010 zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus Forschung, Lehre und Beratung an der Eawag. Unter

www.lib4ri.ch/institutional-bibliography/eawag.html finden Sie alle Eawag-Publikationen samt Zusammenfassungen

der einzelnen Artikel. Darin enthaltene «open access»-Publikationen können frei heruntergeladen werden.

Bei Problemen: [email protected]

Der Jahresbericht ist auch in Englisch erhältlich.

UmschlagsbildCornelia Kienle und Tamas Mengesha vom Oekotoxzentrum der Eawag und ETH Lausanne diskutieren über die Kultivierung von Grünalgen; im Vordergrund sieht man eine Anlage zur Festphasen-extraktion chemischer Substanzen aus Wasserproben. Das Oeko-toxzentrum untersucht und beurteilt die Wirkung von Chemikalien auf die Umwelt und engagiert sich in der Beratung und Weiter-bildung (siehe auch Seite 44). Foto: Peter Schönenberger, Winterthur

Die Eawag ist das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs. Zu diesem gehören neben den beiden Hochschulen ETH Zürich und ETH Lausanne (EPFL) die vier selbstständigen Forschungsinstitutionen Empa, PSI, WSL und Eawag. Die Eawag befasst sich – national verankert und international vernetzt – mit Konzepten und Technologien für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser und den Gewässern. In Zusammenarbeit mit Hochschulen, weiteren Forschungsinstitutionen, öffentlichen Stellen, der Wirtschaft und mit Nichtregierungsorganisationen trägt die Eawag dazu bei, ökologische, wirtschaftliche und soziale Interessen an den Gewässern in Einklang zu bringen. Sie nimmt damit eine Brückenfunktion wahr zwischen Wissenschaft und Praxis. An den Standorten Dübendorf (Zürich) und Kasta-nienbaum (Luzern) sind insgesamt 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung, Lehre und Beratung tätig.

2 WortderDirektorin

4 Höhepunkte2010

6 Forschen

8 FlüsseweltweitinderKrise

10 WastunmitdemSpitalabwasser?

12 Hahnenwasseristbeliebt

13 VieleFliegenaufeinenStreich

14 EinLebenohneArsen

16 StauseenstossenTreibhausgaseaus

18 GutesWasserausdemBodensee

19 RisikobehafteteAbbauprodukte

20 ÜberlebenimChemikaliencocktail

22 AnpassungsfähigeFrösche

23 SchweresErbeausdemGletscher

24 UmweltgeschichteauseinemtürkischenSee

26 Lehren

28 KomplementäreZusammenarbeit

29 Analysierenundkommunizieren

30 Sichpraxisorientiertweiterbilden

32 DenHorizonterweitern

34 ImWaldfürBerufundLebenlernen

36 Beraten

38 MehrsauberesWasserfürdieseWelt

39 FischeundFischerinBedrängnis

40 GeldundEnergiespareninderAbwasserreinigung

42 Künstlichbeatmet

44 VielversprechendeBiotests

46 DasGrundwasserlebt

48 DieEawag2010

49 EawagimDialog

50 Auszeichnungen

50 Infrastruktur

51 Umweltmanagement

52 Chancengleichheit

52 Personelles

54 Organisation

55 Personen

55 Aktivitäten

56 Finanzen

Inhalt

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Die Probleme von heute lösen, die Probleme von morgen erkennen

Eine der grossen Herausforderungen unserer Zeit ist es, dem Bedarf des Menschen nach Wasser gerecht zu werden und gleichzeitig die aquatische Umwelt und ihre Ökosystemdienstleistungen zu bewahren. Die Eawag trägt mit fundierter Fachberatung und angewandter Wissenschaft zur Lösung dieser Probleme bei. Um zukünftige Problemfelder voraussehen und benennen zu können, braucht es die Forschung als Innovationsquelle und die Lehre, um die Experten von morgen auszubilden.

TreueLeserinnenundLeserdesEawag-JahresberichtswerdenindieserAusgabegewisseVeränderungenderStrukturfeststellen.UnterderRubrik«Höhepunkte»zuBeginnwollenwirinZukunftherausragendeLeistungenderEawagwürdigen.ZudemorientiertsichderJahresberichtnichtmehrandendreisogenanntenHandlungsfeldern(aquatischeÖkosysteme,urbaneWassersysteme,ChemikalienundEffekte),sondernamgesetzlichenAuftragderEawag:imBereichWasser-wissenschaftund-technologiezuforschen,zulehrenundzuberaten.

ObwohlForschung,LehreundBeratungdreieigenständigeBereichedarstellen,sindsiedochintegralmiteinanderverbunden.BeratungbenötigtForschungalsQuellefürInnovationenundneueLösungen,stelltdieseaufderanderenSeiteaberauchimmerwiedervorneueHerausforderungen.DieLehreistnichtnureineInvestitionindieZukunft,sondernträgtüberdiesneuePerspektivenundFragenindieForschungundstellteinePlattformfürdieIntegrationundSyntheseneuenWissensdar.

Der Schutz der Umwelt sichert unsere ZukunftEinezentraleLektiondesinternationalenJahresderBiodiversität2010istdieErkenntnis,dassnureineintaktebiologischeVielfaltdiefürunsMenschenüber-lebenswichtigenÖkosystemdienstleistungenwiesauberesWasseroderNahrungsicherstellt.BesondersdieBedrohungundderVerlustderBiodiversitätinSüss-wasserökosystemen(Seite8)bedingendringendeinbesseresVerständnisdafür,wiederMenschinaquatischeLebensräumeeingreift.DieEawaghatdazuimver-gangenenJahrverschiedeneBeiträgegeleistet:Eawag-WissenschafterwiesenunteranderemunerwarteteanthropogeneVeränderungenderBio-GeochemievonÖkosystemennach,zumBeispiel,dassStauseendasKlimagasMethanproduzierenundausstossen(Seite16);untersuchtendasVorkommenvonMikroschadstoffeninGewässern(Seiten18und19)einschliesslichheuteverbotenerSubstanzen,diedurchdasAbschmelzenderGletscherwiederindieUmweltgelangen(Seite23);analysierten,amBeispielvonFröschen,diesichevolutivanunterschiedlichsaureMilieusanpassen,wieÖkosystemeoderihreOrganismenmitUmweltverände-rungenumgehenkönnen(Seite22).VordemHintergrundderWichtigkeitöko-toxikologischenWissensfürGesellschaftundFachleutefreutsichdieEawagauchüberdiepraxisorientiertenAktivitätendesSchweizerischenZentrumsfürange-wandteÖkotoxikologiederEawagundETHLausanneunddieErnennungvonIngeWernerzudessenneuerLeiterinbesonders(Seite44).

WORTDERDIREKTORIN 3

WiesichdienegativenAuswirkungendesMenschenaufdieaquatischeUmweltverringernlassen,isteinweitererForschungsschwerpunktderEawag.UmdieBelastungderGewässerdurchMedikamentezureduzieren,evaluiertenWissen-schafterbeispielsweise,wiemitSpitalabwässernambestenzuverfahrenist(Seite10).ZudementwickeltedieEawagfürdieSchweizundEntwicklungsländerinnovativeTechnologien,mitdenensichbeiderAbwasserreinigungEnergieundNährstoffezurückgewinnenlassen(Seite40)oderwelchedienegativenAuswir-kungenvonzunährstoffreichenSeendämpfen(Seite42).

TechnischeLösungenalleinegarantierendieUmsetzungvonUmweltmassnahmennicht.VielmehrentscheidenoftsozioökonomischeundsozialpsychologischeFak-torenüberderenErfolgoderMisserfolg.DieBedeutungsolcherFaktorenunter-suchtenEawag-ForschendeinzweivölligunterschiedlichenFällen:beiMenscheninBangladeschundihremUmgangmitarsenverseuchtemTrinkwasser(Seite14)sowiebeiMenscheninderSchweizundihrerVorliebe,WasserabHahnoderausderFlaschezutrinken(Seite12).

Ein Ausblick auf 20112011feiertdieEawagihren75.Geburtstag.DiesistnichtnureineGelegenheit,umvergangeneErrungenschaftenzuzelebrieren,sondernauchumsichkritischeGedankenzurzukünftigenAusrichtungzumachen.WährendihrerganzenGe-schichtelagderFokusderEawagaufderLösungwasserspezifischerProbleme,mitdenendieGesellschaftinderSchweizundweltweitkonfrontiertwar.DieEawagrealisierteschonfrühdieNotwendigkeiteinessolidenwissenschaftlichenFundaments,umdieseProblemeanzugehen.Spätererkanntesie,dassauchdieEntscheidungsprozesseinderGesellschaftwissenschaftlichfundierteUnter-stützungbrauchenunddamitdieNotwendigkeit,SozialwissenschaftenindieNatur-undIngenieurwissenschaftenzuintegrieren.

VordiesemErfahrungshintergrundentstehtzurzeitdieStrategieplanung2012bis2016derEawag,die2011abgeschlossenseinwird.EinedergrossenHeraus-forderungenunsererZeitistes,demBedarfdesMenschennachWassergerechtzuwerdenundgleichzeitigdieaquatischeUmweltundihreessenziellenDienst-leistungenzuerhalten.DieEawagwirdauchinZukunftmitrichtungsweisenderWissenschaftdazubeitragen,dieBereitstellungvonWasserfürdieGesundheitderMenschenundderSchutzdesWassersfürdieGesundheitderÖkosystemezusichernunddiegegensätzlichenAnsprücheinBalancezuhalten.

Ichfreuemich,nichtnurzusammenmitmeinenKolleginnenundKollegenanderEawagdievergangenenErrungenschaftenundBeiträgezuWissenschaftundGesellschaftzufeiern,sonderndieTraditionderEawagfortzuführen.EsisteingrossesPrivileg,einsolchbedeutendesWerkmitzugestalten,undichbinüber-zeugt,dassdieEawagihreVerantwortunggegenüberderGesellschaftauchinZukunftgenausoerfolgreichwahrnehmenwirdwiewährendderletzten75Jahre.

JanetHering,Direktorin

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Höhepunkte 20101 DieBill-und-Melinda-Gates-StiftungunterstützteinProjektder

EawagundderWasserversorgungeThekwiniinDurban,Süd-afrika,mitdreiMillionenFranken(imBildProjektleiterKaiUdertundObedMlaba,BürgermeistervonDurban).DabeiwillmaninnovativeLösungenzurVerbesserungderSiedlungshygieneer-arbeitenundMethodenzumRecyclingvonStickstoff,PhosphorundKaliumausUrinweiterentwickeln.DasProjektschliesstandasEawag-EngagementinNepalan,woForschendedieProduk-tiondesDüngersStruvitausUrinwissenschaftlichbegleiteten.

2 Über200FachleuteausWissenschaft,Wasserwirtschaft,Ver-waltungundPolitikliessensichamjährlichenInfotagderEawagüberneueForschungsergebnisseausdemBereichBiodiversitätimSüsswasserinformieren.

3 DerETH-RathatvierForschendederEawagzuProfessorengewählt.ErwählteJanetHering(Drittevonlinks)undUrsvonGuntenzuordentlichenProfessorenderETHLausanneunder-nanntedieUmwelttoxikologinKristinSchirmer(Zweitevonlinks)unddieUmweltchemikerinJulianeHollenderzuTitularprofesso-rinnenderETHLausannebeziehungsweisederETHZürich.

4 EinForschungsteamumFredrikHammesundThomasEglivonderEawagerhielt2010denMuelheimWaterAward.EshatzusammenmitzweiKollegenderWasserversorgungZürichaufBasisderDurchflusszytometrieeineneuepraxistauglicheMethodezurBewertungvonTrinkwasserentwickelt(sieheArtikelSeite46).

5 DerWissenschaftsbeobachtungsdienstvonThomsonReuterszeichneteinderRubrik«UmweltundÖkologie»zweiwissen-schaftlichePublikationenderEawagalsherausragendaus.RenataBehrauntersuchteinihrerimFachmagazin«Environ-mentalScienceandTechnology»veröffentlichtenArbeitdieToxizitätvonNanosilber;dieStudievonOleSeehausenimWissenschaftsmagazin«Nature»beleuchtetdieArtbildungbeiBuntbarschen.

6 EineStudieunterMitarbeitvonEawag-ForscherMarkGessnerinderZeitschrift«Nature»zeigterstmalsimglobalenMassstab,wiestarkFlüsseunterDrucksind.BedrohtistnichtnurdiewichtigsteRessourcederMenschheit,dasSüsswasser,sondernauchdieBiodiversitätderFlusssysteme(sieheArtikelSeite8).

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HÖHEPUNKTE2010 5

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ForschenLehrenBeraten

Die Eawag bestätigte 2010 mit verständnis- und lösungsorientierter

Forschung ihre weltweit führende Position im Bereich der aquatischen

Wissenschaften und Technologie. Gesundheit durch gute Wasserver-

sorgung und Hygiene sowie das Funktionieren der Ökosysteme und

ihre Nutzung standen dabei im Vordergrund. Als Weiterentwicklung

des Abwasserprojektes Novaquatis zur Urinseparierung wurden 2010

verschiedene Projekte im Bereich der dezentralen Aufbereitung der

Abwasserströme zusammen mit industriellen Partnern und Nutzerin-

nen und Nutzern umgesetzt.

Ausserdem wurde im Frühjahr 2010 das Nationale Forschungspro-

gramm NFP 61 «Nachhaltige Wassernutzung» gestartet, an dem die

Eawag wesentlich beteiligt ist. Sie kann hier vor allem ihre Stärke

in der interdisziplinären und transdisziplinären Forschung nutzen.

Auch im NFP 64 «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» über-

zeugte die Eawag mit ihrer Expertise. Das Projekt bietet den Wissen-

schafterinnen und Wissenschaftern die Möglichkeit, die Wirkung

von Nanomaterialien in der Umwelt zu prüfen und Empfehlungen

für die Schweiz auszuarbeiten. Mit der Einrichtung ihres Kompetenz-

zentrums Ökologie, Evolution und Biogeochemie (CEEB) setzt die

Eawag in Kastanienbaum zudem einen Schwerpunkt in der Forschung

über die Funktionsweise der aquatischen Ökosysteme. Auf der Basis

dieser Erkenntnisse kann sie in Zukunft die Wirkung von mensch-

lichen Eingriffen in die Umwelt genauer beurteilen.

Michael Berg

Detektivarbeit am Tatort Boden

«Anschätzungsweise3000StandorteninderSchweizistderBodenmitAltlastenverunreinigt»,sagtderUmweltchemikerMichaelBerg.VoralleminMetallver-arbeitendenBetriebenundchemischenReinigungenseimanfrüherunachtsammitchloriertenLösungsmitteln

umgegangen.«Esmussverhindertwerden,dassdieseChemikalienheuteviaGrundwasserinsTrinkwassergelangen»,sagtBerg.Dasheisst,derBodenmussab-getragen,ausgespültodermitHilfsstoffen

undMikroorganismengereinigtwerden.Dasistmeistensaufwändigundteuer.EinegünstigereAlternativeist«naturalattenuation»,aufDeutsch«VerminderungdurchdieNatur».Berg:«DerMenschunternimmtfüreinmalnichtsundüberlässtesderNatur,dieSchadstoffeabzubauen.»JedochkannderProzessjenachBoden-beschaffenheitJahrzehntebisJahrhundertedauern.DerForscherentwickeltdaherMethoden,umdasPotenzialdesBodens,sichquasiselbstzureinigen,bestimmenzukönnen.MitdersogenanntenIsotopenanalysekannBergsogarvergangeneProzesserekonstruierenundkünftigevoraussagen.«DerBodenistfürmichwieeinTatort–ichwillherausfinden,welcheVorgängesichdortabgespielthaben.»

Kathrin Fenner

Risikoanalyse vom ComputerWieverhaltensichchemischeStoffeinderUmwelt?UndwaswäreeinnachhaltigerUmgangmitihnen?DiesenFragengehtdieUmweltchemikerinKathrinFennerseitüberzehnJahrennach.Zurzeitkämenweltweitmehrals100000ChemikalienzumEinsatz,sagtsie.«VieledavonstelleneinRisikofürunsereGewässerdar.»Mitihrer

ForschungträgtFennerdazubei,dieSicherheitvonTrinkwasserundOberflächengewässernzuverbessern.DazuarbeitetsieabernurseltenamGewässerselbst–sondernvorallemamComputer.DieForscherinent-

wickeltmathematischeModelle,umdasRisikoneuerChemikalienabzuschätzen,bevordiesegesetzlichzuge-lassenwerden.«FrüherwurdeninsolchenModellenoftnurdieAusgangsstoffeberücksichtigt»,sagtFenner.

AllerdingswerdendieChemikalienimWasserchemischumgewandelt,vorallemvonMikroorganismen.«DabeientstehenZwischenprodukte,dieesimModellebensozubeachtengilt.»DankderZusammenarbeitmitAna-lytikernderEawagkannFennerdieModellelaufendmitempirischenDatenabgleichenundentsprechendverbes-sern.DieForscherinarbeitetzudeminExpertengremieninderSchweizundinEuropamit,umdieneustenwis-senschaftlichenErkenntnissedirektindiebehördlichenRichtlinieneinfliessenzulassen.

Katja Räsänen

Veränderungen auf der SpurDieUmweltverändertsichlaufend–undmitihrverän-dernsichauchihreBewohner.«DochnichtalleArtenundIndividuenkönnendasgleichgut»,sagtdieBiologinKatjaRäsänen.WarumdieseUnterschiede?IneinemSeeaufIslanduntersuchtRäsänendieFresswerkzeuge

desDreistachligenStichlings.DerenFormhatsichzwischen1998undheutedeutlichver-ändert.DaindieserZeitauchdieZahlderZuckmückenlarven,HauptnahrungderStichlinge,starkschwankte,vermutetRäsänen,dassdieFischeihreFresswerkzeugemitderZeitanderenBeutetierenanpassten:«DasehenwirwohleinenganzkurzenAbschnittausderEvolu-tion.»DochdieGenebestimmen

nichtalles.WiestarksichdieStichling-MännchenumihrenNachwuchskümmernwürden,seizumBeispielhauptsächlichdurchdieUmweltbestimmt.«NocheinenanderenMechanismusfindenwirbeidenMoor-fröschen»,sagtRäsänen.WenndieMutterauseinersaurenUmweltstamme,könnesieihremNachwuchseinenVorteilmitaufdenWeggeben.DazuverändertsiedieGallerthülleumihreEier,wasdieÜberlebens-chancenderEmbryosinsauremWassererhöht.FürihreForschungkombiniertRäsänenunterschiedlicheMethoden:vonderUntersuchungderTiereimFeldüberLaborexperimentebishinzumolekulargenetischenUntersuchungen.«NursokannichzuverlässigeSchlüsseziehen–sonstsiehtmanimmernureinenTeildesGanzen.»

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Flüsse weltweit in der KriseErstmals zeigt eine Studie, wie stark Flüsse weltweit unter Druck sind. Bedroht ist nicht nur das Süsswasser, sondern auch die Biodiversität der Flusssysteme. Die Arbeit macht deutlich, wie stark die gute Wasserversorgung und Abwasserentsorgung in Mitteleuropa und Nordamerika die Bevölkerung über den schlechten Zustand der Gewässerbiodiversität hinwegtäuschen.

VonderGewässerverschmutzung,derLandnutzungüberdenVerlust vonFeuchtgebieten, denBauvonDämmenundStauseenbiszurVerbreitungvoninvasivenTierarten:Datenvoninsgesamt23FaktorenhateininternationalesForscherteam zusammengetragen, um den Zustand derFlüsseweltweitzubeurteilen.Miteinemkomplexendigi-talenGewässermodellerstelltendieWissenschafterda-rausanschliessendglobaleKartenderGesamtbelastungfürdiegrossenFlusssystemederErde.

Die im September 2010 in der Fachzeitschrift Naturepublizierte Arbeit macht deutlich, dass rund 80 ProzentderWeltbevölkerungvonüberdurchschnittlichstarkbelas-tetenFlüssenabhängigsind.VielfachgefährdendieselbenFaktoren gleichzeitig sowohl die menschliche NutzungsauberenWassersinausreichendenMengenalsauchdieBiodiversität.SoschmälertzumBeispieldieAbkopplungderAuenvoneinemFlussdenHochwasserrückhaltunddie Grundwasseranreicherung und entzieht gleichzeitigseltengewordenenArtendenLebensraum.

Die Schweiz ein Entwicklungsland«Wir dürfen die Fragen rund um das Wasser für denMenschenundumdieBiodiversitätnichtlängergetrenntvoneinanderbetrachten»,sagtMarkGessner,derandenUntersuchungenmitbeteiligtwarundbisEnde2010anderAbteilungAquatischeÖkologiederEawag forschte.DerGewässerökologeisteinerderInitiatorendesinterdiszipli-närenProjekts,dasauseinerZusammenarbeitzwischendemInternationalenWissenschaftsforumfürBiodiversität

(Diversitas)mitSitz inParisunddemGlobalWaterSys-temProject(GWSP)mitSitzinBonnhervorgegangenist.

«ObwohlwirunsindenindustrialisiertenLändernseitJahrzehntenumsauberesWasserbemühenundunsfürden Gewässerschutz engagieren, zeigt die Synthese,dass die Flüsse auch in Ländern wie den USA und imwestlichen Europa unter massivem Druck stehen», soGessner.GrosseInvestitionenindieWasserreinigung,dieWasseraufbereitung und den Hochwasserschutz hättenverhindern können, dass die Situation für die Bevölke-rung problematisch geworden sei. «Aber vergleichbareMassnahmenzumErhaltderBiodiversitätgibtesnicht»,sagtderWissenschafter.DieBedrohungderBiodiversitätunterscheidesichdarumhierzulandekaumvonderprekä-renSituationinvielenEntwicklungsländern.

Aus den Fehlern der anderen lernen EsseiwieinderMedizin,sagtderErstautordesArtikels,Charles Vörösmarty von der City University New York:«LetztlichzeigtunsereStudie,dassesvielgünstigerundvernünftiger ist,Gefahren frühzeitig zuerkennenundzubegrenzen,alsSchädenspäterzuheilen.»

DieweltweiteAnalyse,sohoffendieAutoren,könnteRegierungen und Planern in vielen Teilen der Welt hel-fen,imWassermanagementnichtdieFehlerderreichenLänder zu wiederholen, sondern aus den gemachtenErfahrungen zu lernen. Statt Milliarden ausschliesslichfür punktuelle Wiederherstellungsmassnahmen und fürTechnologienaufzuwenden,geltees,grundlegendneue

Biodiversität

Bedrohung für die Biodiversität der Flüsse (links) und für die wasser­wirtschaftliche Situation (rechts):

Dass die wasserwirtschaftliche Situation in Westeuropa und in den USA als wenig bedroht erscheint, ist auf die positiven Wirkungen der immensen Investitionen zurückzu führen, die für Abwasserreinigung, Trinkwasseraufbereitung und andere technische Bereiche im Wasser sektor ge­tätigt wurden. Vergleichbare Investitionen im Bereich der Biodiversität fehlen bislang weitgehend.

FORSCHEN 9

Konzepte und Strategien zu entwickeln. Diese müsstendie Biodiversität neben der Sicherung aller wasserwirt-schaftlichen Aspekte zugunsten des Menschen gleich-wertigberücksichtigen.«MitderWasserrahmenrichtliniehatdieEUeinenwichtigenSchrittindierichtigeRichtunggetan»,sagtGessner,«nationaleundregionaleAktivitätensowie internationale Abkommen zum grenzübergreifen-denSchutz undManagement vonWasser- undGewäs-sersystemen können dank unserer Resultate jetzt nochbesserbegründetwerden.»

Basisdaten fehlen oftTrotz der klaren Resultate sind die Autoren der Studievorsichtig mit ihren Schlussfolgerungen – dies, weil invielen Fällen die Datengrundlage unzureichend ist. «Esfehlen vor allem Informationen, die international ver-gleichbar sind», sagt der Zoologe Peter McIntyre vonder Universität Wisconsin. Er fordert deshalb, dass dieVerwaltungendenvielerorts vorherrschendenAbbau im

Umweltmonitoring stoppen und mehr in die ErhebungvonBasisinformationenzurWasserqualitätund-quantitätinvestierensollen.«PatienteninderNotaufnahmewerdenauchnichtbehandelt,ohneihrelebenswichtigenFunktio-nenmitGerätenzuüberwachen.DochgenaudastunwirweltweitmitdenFlüssen»,ziehtMcIntyredenVergleich.DieDatengrundlageinderSchweizbezeichnetGessnerinden Bereichen Hydrologie und Wasserqualität hingegenalsgut,vorallemdankderMessnetzevonBundundKan-tonen. Im Bereich Biodiversität, so Gessner, bestündenjedochsehrgrosseLücken. i i i

23 SchlüsselgrössenHinterdenerstelltenWeltkartenstehteineenormeDatenmenge.IndieModellierungeinbezogenwurden23Schlüsselgrössenunterteilt,indiefolgendenvierGruppen:EInformationenzurLandnutzungimEinzugsgebiet:zumBeispielAnteilAckerland,Viehbestand,Bodenversiegelung.EVerschmutzung:zumBeispielStickstoff-undPhosphoreinträge,BodenversalzungundPestizideinsatz.EFlussbaulicheMassnahmenundEingriffeindieHydrologie:zumBeispielAnzahlStauhaltungen,FragmentierungderFlusssysteme,Wasserentnahmen.EBiotischeFaktoren:zumBeispielAnteilundAnzahldernichteinheimischenFisch-arten,BelastungdurchAquakultur.

UmdieBedrohungfürdiewasserwirtschaftlicheSituationundfürdieBiodiversitätgetrenntzuermitteln,gewichtetendieForschendendieselbenSchlüsselgrössenfürdiebeidenBetrachtungenjeweilsunterschiedlich.TrotzdemzeigendieglobalenMusterzurWasserwirtschaftundzurBiodiversitäteineüberraschendhoheÜber-einstimmung.GrosseVerschiebungenresultierenerst,wennfürdieQualitätderWasserwirtschaftdiepositivenFolgenderInvestitioneninWassertechnologienberücksichtigtwerden.SolässtsichzumBeispielinWesteuropaundOstaustraliendiegeringeeffektivewasserwirtschaftlicheBedrohungerklären,währendsieinOsteuropa,IndienundChinahochbleibt.

www.riverthreat.net

Kontakt:Prof.MarkGessner,seit2011amLeibniz-InstitutfürGe-wässerkundeundBinnenfischereiundanderTechnischenUniversitätBerlin,[email protected]

Wasserwirtschaft

Uferverbauungen, Begradigungen und Stauhaltungen – das typische Bild der Flüsse in den Industrieländern. Am meisten leidet darunter die Biodiversität. Im Bild die Aare.

Bedrohung

gering hochgrau: keine Daten

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Was tun mit dem Spitalabwasser?Spitalabwasser enthält wie kommunales Abwasser Medikamentenrückstände, die von Klär­anlagen nur unzureichend entfernt werden. Für Spitäler mit einer hohen Belastung kann daher eine separate Abwasserbehandlung sinnvoll sein. Sozialwissenschaftliche Entscheidungs­analysen helfen, im einzelnen Fall eine Lösung zu finden, die bei den beteiligten Akteuren breit abgestützt ist.

MedikamentenrückständegelangenviaToiletteundKana-lisationauchinFlüsseundSeen,dennvielewerdenvonden Kläranlagen nicht aus dem Abwasser entfernt. ObundwiesichdiepharmazeutischeFrachtaufWasserlebe-wesenauswirkt,istweitgehendunbekannt.Vonhormon-aktiven Stoffen weiss man immerhin, dass sie unteranderem bei Fischen zu Fruchtbarkeitsstörungen führenkönnen.Eawag-ForschendeversuchtenimRahmennatio-nalerundinternationalerProjekte(fürProjektpartnersieheWebseiten unten) herauszufinden, welche BedeutungSpitäler für den Eintrag von Arzneimitteln haben undwelcheTechnologiensicheignen,umSpitalabwässervorOrtaufzubereiten.

Grosse Unterschiede zwischen den SpitälernChrista McArdell von der Abteilung Umweltchemie undihre Mitarbeitenden evaluierten den Spitalverbrauch der100 in der Schweiz am häufigsten eingenommenenMedikamente.DazuuntersuchtensiedieAbwässerdesKantonsspitalsBaden(KSB)undderIntegriertenPsychia-trieWinterthur(IPW).«Klinikenverabreichenhierzulanderund20ProzentderArzneimittel»,sagtMcArdell.

Je nach Ausrichtung eines Spitals variiert die Mengeallerdings sehr. So verbrauchte das KSB im Jahr 2007zumBeispielrund1200Kilogramm,dieIPWnur50.Dem-entsprechendtrugendiebeidenInstitutionenunterschied-

lichstarkzurAbwasserbelastungbei. ImFallvonBadenstammtenrund40ProzentderMedikamentenrückständein der lokalen Kläranlage vomKSB, während die IPW inWinterthur lediglich 5 Prozent beitrug. «Das zeigt, dasseinzelneKrankenhäuserwichtigeQuellenfürArzneimittelimAbwassersind»,erläutertdieUmweltchemikerin.

DiebeidenKlinikenunterschiedensichaberauchhin-sichtlich der verwendeten Pharmazeutika deutlich. ImKSBmachtenalleineRöntgenkontrastmittel fast60Pro-zent der Substanzen aus; in der IPW dominierten Ab-führmittel sowie schmerz- und entzündungshemmendeArzneien.ObwohldiePatientendieMedikamenteindenKlinikenzusichnahmen,schiedensienureinenTeildavonauch vor Ort wieder aus. So konnten die Forschendennur50bis80ProzentderverabreichtenRöntgenkontrast-mittel imSpitalabwassernachweisen,derRestgelangteinsSiedlungsabwasser.

Reales GefahrenpotenzialWieökotoxikologischeUntersuchungenvonBeateEscherzeigen,kamendiemeistenderanalysiertenWirkstoffeinden Spitalabwässern in Konzentrationen vor, von denenkeine akuteGefahr für dieUmwelt ausgeht. «AllerdingsliegendieSubstanzenimAbwassernichteinzeln,sondernalsGemischevor, sodass sich ihreWirkungensummie-ren»,erklärtsie.BetrachtetmandieÖkotoxizitätderWirk-stoffgemische, bergen die Spitalabwässer durchaus einrealesGefährdungspotenzialfürdieaquatischeUmwelt.

FüreineRisikoabschätzungseieszudemwichtig,nichtwie üblich nur die Pharmazeutika zu evaluieren, die ingrossenMengenverbrauchtwürden,betontsie,sondernauch jene, die besonders toxisch seien. So waren imAbwasser des KSB für über 99 Prozent des gesamtenGefährdungspotenzialslediglich14ProzentderWirkstoffeverantwortlich.

Für Spitäler mit einer hohen Medikamentenbelastungwäre eine separate Behandlung des Abwassers lautMcArdell vorteilhaft, um die Kläranlagen zu entlasten.Obwohl vondendominierendenRöntgenkontrastmittelnkeinedirekteGefahrfürdieUmweltausgeht,siesichabernursehrlangsamabbauen,seiesimSinnederVorsorgewünschenswert,wennsienichtingrossenMengenindieGewässergelangten.

Zusätzliche Reinigungsstufen nötigUm herauszufinden, mit welchen Verfahren sich dieMedizinalstoffeameffektivstenausdemSpitalabwassereliminieren lassen, installierten McArdell und LubomiraKovalova zusammen mit Hansruedi Siegrist und Jakob

Lubomira Kovalova steigt in den Schacht des Kantonsspitals Baden, wo das Abwasser für die Pilotanlage entnommen wird.

FORSCHEN 11

EugstervonderAbteilungVerfahrenstechnikimKantons-spital Baden eine Pilotanlage. Sie besteht aus einermechanischenundbiologischenReinigungsstufe,wobeiein Membranbioreaktor mit einem Membranfilter ver-wendetwird.«DerMembranbioreaktordientalswichtigeReinigungsstufeundkannKrankheitserreger,zumBeispielantibiotikaresistenteBakterien,zurückhalten,Arzneimittelaber nur unvollständig aus dem Abwasser entfernen»,sagt McArdell. Viele Substanzen liessen sich damit umwenigerals20Prozentvermindern.

Deshalb behandelten die Forschenden das vorgerei-nigte Wasser zusätzlich entweder mit pulverförmigerAktivkohleodermitOzon.BeimerstenVerfahren lagernsichdieMikroverunreinigungenandieKohlepartikel, dieanschliessend mittels Sedimentation oder Filtration ausdemWasserentferntundverbranntwerden.ImzweitenFall oxidiert dem Abwasser zugeführtes Ozon-Gas dieunerwünschtenWirkstoffeundbautsiedadurchab.

MitbeidenMethodenkonntensieeinenGrossteilderPharmazeutika mehr oder weniger vollständig aus demAbwasserentfernen.VorallemdieRöntgenkontrastmittelliessen sich damit jedoch nur ungenügend reduzieren.«Da die Kontrastmittel hauptsächlich über den Urin insWasser gelangen, wäre in diesem Fall eine Separat-sammlung eine probate Lösung», meint McArdell. Mankönne den Patientinnen und Patienten beispielsweiseUrinbehälterabgeben.DamitliessensichzudemauchdieKontrastmittel-EinträgeausserhalbderSpitälererfassen.

EinevollumfänglicheEliminationderPharmazeutikaausdem Spitalabwasser böte die Umkehrosmose, wie sieauchbeiAnlagenzurMeerwasserentsalzungzumEinsatzkommt.HierbeiwirddasWasserunterDruckdurcheinenfeinporigenFiltergepresst,welcherdieVerunreinigungenzurückhält. Das Verfahren steckt für die Abwasserreini-gungabernochindenKinderschuhenundistrelativteuer.

Alle relevanten Akteure einbeziehenWie die Gesellschaft mit dem Problem Spitalabwasserletztlich umgeht, liegt nicht allein im Entscheidungs-bereich der Wissenschaft. Doch bietet diese – nebennatur-undingenieurwissenschaftlichenMethoden–auchsozialwissenschaftliche Werkzeuge, um komplexe Ent-scheidungsprozessemitvielenAkteurenundunterschied-lichen Interessen systematisch zu erfassen, transparentunddadurchbesserabgestütztzugestalten.

Im Fall des Spitalabwassers wendeten Judit Lienertund Nele Schuwirth der Abteilung Systemanalyse undModellierungfürdasKSBundfürdieIPWeinsolchesVer-fahren an: die multikriterielle Entscheidungsanalyse. BeidieserMethodegehtesdarum,eineArtAuslegeordnungder zur Verfügung stehenden technischen LösungeneinesProblemsunddenVorliebenderrelevantenAkteurezuerstellensowiedieAkzeptanzdereinzelnenAnsätzezubewerten.«AllfälligeInteressenkonfliktelassensichdamitrascherkennen»,sagtLienert.

Ausgehend von den Erkenntnissen ihrer Kolleginnenstellten Lienert und Schuwirth für beide Kliniken einbreitesSpektrummöglicherMassnahmenzurAbwasser-

behandlung zusammen und identifizierten vier Haupt-ziele: geringe Kosten, gute Abwasserqualität, geringerAufwandfürAngestellteundPatientensowieeineposi-tive öffentliche Wahrnehmung. Um die Prioritäten derinvolvierten Akteure bezüglich Ziele und AuswirkungenderMassnahmenzuermittelnundbewerten,führtensiebei Ökotoxikologie-Fachleuten, Ingenieuren, Gewässer-schutzfachstellen, Gesundheitsbehörden, Spitalleitungund-personalstrukturierteBefragungendurch.

«Im Fall des Kantonsspitals mit seiner relativ hohenArzneimittelbelastung zeigte die Entscheidungsanalyse,dass eine umfassende Behandlung des Abwassers diebeste Lösung wäre», kommentiert Lienert die Ergeb-nisse. Die Kosten spielten dabei keine prioritäre Rolle.DieUmkehrosmose,dasgründlichste,aberauchteuersteVerfahren, erfüllte die persönlich gewichteten Ziele derBefragtendabeiambesten,gefolgtvonVakuumtoilettenmit anschliessender Verbrennung der Ausscheidungen.Bei der Psychiatrischen Klinik, die nur einen geringenAnteil zur Pharmazeutika-Fracht der Kläranlage beiträgt,warendieKostenehereinkritischerFaktor.

«GeradebeikomplexenProblemstellungenisteinesol-cheEntscheidungsanalysesinnvoll,gehtesdochdarum,möglichstbreitabgestützteMassnahmenzurealisieren»,sagt Lienert. «Nur so ergeben sich Lösungen, die auchwirklichgreifen.» i i i

http://tinyurl.com/eawag-spitalabwasserhttp://tinyurl.com/eawag-entscheidungsanalyse

Kontakt:Dr.ChristaMcArdell,[email protected],[email protected]

Im Labor werden die Abwasserproben mit aufwändigen chemischen Analysen untersucht.

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Hahnenwasser ist beliebtLeitungswasser ab dem Hahn oder Mineralwasser aus dem Laden? Wie sich Schweizerinnen und Schweizer bei dieser Frage entscheiden, hat viel mit ihren sozialen Gewohnheiten zu tun – insbesondere mit der Familie.

Hahnenwasser ist billiger und um-weltfreundlicher als Mineralwasseraus der Flasche und steht in derSchweiz als Getränk hoch im Kurs.So ergaben Umfragen des Schwei-zerischenVereinsdesGas-undWas-serfachs (SVGW) 2001 und 2006,dassSchweizerinnenundSchweizerihr «Hahnenburger» sehr schätzenundhäufig trinken.Aufder anderenSeitezeigenaktuelleVerkaufszahlen,dass der Umsatz von Flaschenwas-serinderSchweizsteigt.

Bequem und leicht verfügbarPsychologen unter der Leitung vonHans-Joachim Mosler von der For-schungsabteilung Systemanalyseund Modellierung der Eawag gin-gendeshalbderFragenach,warumSchweizerinnenundSchweizer zumFlaschenwassergreifen,obwohldasLeitungswasser so gute Noten be-kommt. Die Sozialwissenschafterwollten dabei die psychologischenFaktorenergründen,diefürdenKon-sumvonFlaschen-beziehungsweiseLeitungswassermassgeblichsind.

Um dies zu erfahren, befragtensie731deutschsprachigeSchweize-rinnen und Schweizer im Alter zwi-schen 14 und 90 Jahren mit einemFragebogen. Dieser enthielt Fragenzum Trinkverbrauch, zum demo-grafischen und sozialen Hintergrundsowie zu den Beweggründen und

emotionalenFaktorendesKonsums,wiezumBeispieldiewahrgenomme-ne Wasserqualität, die Bequemlich-keit, Gesundheitsaspekte oder dasPreisempfinden.

DieErgebnisseunterstreichendiehohe Wertschätzung für Hahnen-wasser. Etwa 50 Prozent der Be-fragten trinken demnach zu HauseausschliesslichHahnenwasser,bloss10 Prozent trinken nur Flaschen-wasser,derRestgehörtzudenGe-mischttrinkern.AmArbeitsplatztrin-kenimmernochüber40Prozentaus-schliesslichHahnenwasser,währendderAnteilderreinenFlaschentrinkernunaberbeiüber30Prozentliegt.

Letzteregebenan,dassihnenamArbeitsplatzUmweltaspektewenigerwichtig,kohlensäurehaltigesWasserdagegenwichtigerseienalszuHau-se. Ausserdem beobachten sie imArbeitsumfeld häufiger Personen,dieFlaschenwassertrinken,wasdieVorliebezubeeinflussenscheint.

DerKaufvonFlaschenwasserhältsich ebenfalls in einem überschau-barenRahmen.Nuretwasmehralsdie Hälfte der befragten Personenkauft überhaupt Flaschenwasser,unddannineinerMengevondurch-schnittlich rund 9 Litern pro Woche(einüblichesSechserpack).Demge-genüberkaufenreineFlaschentrinkerproWocherund12,5LiterWasser.

Analog zu den UntersuchungendesSVGWkonntendieForschendenauchdiehoheZufriedenheitmitdemSchweizer Leitungswasser bestäti-gen. Demnach sind 82 Prozent derBefragtendamitzufriedenodersehrzufrieden–unddasAusmassderZu-friedenheit spielt letztlich auch eineRolle bei der Konsumentscheidung:Wer mit Leitungswasser zufriedenoder mit Flaschenwasser unzufrie-den ist, entscheidet sich sowohlzu Hause als auch am Arbeitsplatzmehrheitlich für Leitungswasser.Einen ebenso positiven Einflusszugunsten des Hahnenwasserkon-

sums zuHausehabenAspektewieBequemlichkeit und Verfügbarkeit.WichtigsindzudemdieReinheitdesWassers und das Vertrauen in des-senQualität.

FamilienbandeEin besonders wichtiger Grund fürden Konsum von Mineralwasseraus der Flasche ist die Vorliebe fürKohlensäure.WerKohlensäuremag,sprudeltdasWassernichtselbstauf,sondernkauftesinderFlasche.AberauchdieGewohnheitscheintKonsu-mentenzueingefleischtenFlaschen-wassertrinkernzumachen.

Interessanterweise ist Wasser-konsum nicht nur eine individuelleEntscheidung. Vielmehr lenkt dassoziale Umfeld die Vorliebe. Zwarbeeinflusst die gefühlte Pflicht, imRestaurant Flaschenwasser zu be-stellen, den Konsum zu Hause undam Arbeitsplatz nicht, wohl abertrinkenSchweizerinnenundSchwei-zer mehrheitlich jenes Wasser, dasauch ihreVerwandten,FreundeundBekanntentrinken.Obendreinfühlensie sich zu Hause eher verpflichtet,Gäste mit Flaschenwasser zu be-wirtenalsmitHahnenwasser.

NachwievorscheintdasWasservom Hahn also bei Herr und FrauSchweizersehrbeliebtzusein.Solltesich dies dereinst ändern und willmandieKonsumentenzurRückkehrzum Hahnenwasser bewegen, istweniger beim Preis oder bei derQualität anzusetzen als beim Ge-wohnheitsverhalten der sozialenGruppen. i i i

www.eawag.ch/forschung/siam

Kontakt:SörenVogel,[email protected],[email protected],[email protected]

Die Schweiz ist ein Land der Hahnenwassertrinker.

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FORSCHEN 13

Viele Fliegen auf einen StreichDas Wegwerfen von organischem Abfall führt in Entwicklungsländern zu Hygieneproblemen und Umweltverschmutzung. Eine Müllverwertung mit Fliegenmaden könnte dem abhelfen und dem lokalen Gewerbe erst noch eine Einkommensquelle bescheren.

Das Abfallmanagement in Entwick-lungs-undSchwellenländernhatsichin den letzten Jahren stark verbes-sert. Vor allem wiederverkäuflicheMaterialien wie Metall, Kunststoffoder Glas landen auch dort immerhäufiger in Recyclingzentren. Dem-gegenüber enden organische Haus-halt- und Marktabfälle meist aufMüllhalden, in Strassengräben oderGewässern, wo sie nicht selten zuBrutstätten für Krankheitserregerwerden oder ihr unkontrollierterAbbau Klimagase wie Methan frei-setzt.«HättendieAbfälleeinenkon-kreten Wert, würden sie ebenfallsvermehrt gesammelt», sagt StefanDienervonderForschungsabteilungWasserundSiedlungshygieneinEnt-wicklungsländern. Er ist überzeugt,dassmandieHygieneproblemeunddie Umweltverschmutzung mit denrichtigen Anreizen beträchtlich ver-mindernkann.

Neues Produkt aus AbfallDerForschersetztdabeiaufeineun-konventionelle Lösung: Maden derSchwarzen Waffenfliege (Hermetia illucens). Die Larven vertilgen wäh-rend ihrerEntwicklunggrosseMen-genverrottendenMaterials,wassichnach Dieners Meinung zum Abbauorganischer Abfälle in industriellemRahmennutzen liesse.Undmitdensich vollfressenden Maden entstün-de quasi nebenbei ein Produkt, mitdem das lokale Gewerbe Geld ver-dienen könnte: «Die ausgewachse-nen Larven, die sogenannten Prä-

puppen,bestehenzu40ProzentausEiweissen und zu 30 Prozent ausFett», sagt Diener, «und sind einewertvolle und nachhaltige Alterna-tive zu dem heute in der Tierfutter-industrie verwendeten Fischmehl».Dieses stammt meist nicht ausFischabfällen,sondernausderHoch-seefischerei und ist damit Teil derÜberfischungsproblematik. ZudemverdreifachtesichderPreisfürFisch-mehl inden letztenzehnJahren,sodass vor allem für die in Entwick-lungsländern boomende Aquakulturein Umsteigen auf andere tierischeEiweissquellen auch aus ökonomi-schenGründenunumgänglichist.

DassderAbbauorganischerAbfäl-lemitdenFliegenlarvenvomPrinzipher tatsächlich funktioniert, konnteDieneranhandeinerVersuchsanlagean der Universidad Earth im costa-ricanischen Guácimo zeigen. Diesebesteht aus mehreren Wannen vonjeweils2MeternLängeund80Zen-timetern Breite, die der Forschermit Hermetia -Larven bestückte undregelmässig mit frischem Haus-haltsabfall versorgte. Um bis zu80 Prozent der Trockenmasse redu-zierten die hungrigen Maden dabeidie Abfallmenge. In der PilotanlageverarbeiteteeraufdieseWeiseüber2 Tonnen organisches Material undkonnte rund 80 Kilogramm Präpup-pen ernten. Trotz des erfolgreichenPraxistests sei man aber noch imVersuchsstadium,betontDiener,undkönneeinesolcheAnlagenochnichtinindustriellemMassstabbetreiben.

Die Waffenfliegen eignen sichnicht nur aufgrund der gründlichenVerwertungidealfürdaskombinierteEntsorgungs- und Produktionskon-zept. Die in den Tropen und Sub-tropenheimischenundauchimTes-sin vorkommenden Insekten über-tragen auch keine Krankheiten undsie lassen sich sehr einfach ernten.«SobaldsiedasPräpuppen-Stadiumerreichen,hörensiemitFressenauf,

kriechenausdemAbfallundkönnenbequem eingesammelt und weiter-verarbeitetwerden»,sagtDiener.

Auch mit Fäkalien möglichNeben der Verwertung zu protein-reichemTierfuttersiehtderWissen-schaftler für die Präpuppen nochweitereVerwendungsmöglichkeiten.So könne man das Chitin, aus demvor allem die Aussenhaut der Tierebesteht, zur Herstellung von Kolla-gen für die Wundheilung einsetzen,undausdemFettlassesichBiotreib-stoff produzieren. «Der verbleiben-de Abfall, im Wesentlichen ist dasLarvenkot, kann zudem als DüngerverwendetoderineinerVergärungs-anlage inBiogasumgewandeltwer-den»,soDiener.

Die Produktion der Fliegenmadenbeschränkt sich überdies nicht aufHaushaltsabfälle.ErsteUntersuchun-genderEawagunddesAsian Insti-tuteofTechnologyinBangkokhabengezeigt, dass das System auch beigetrocknetem Fäkalschlamm erfolg-reichanwendbarist.Besonderseffi-zient scheint die Verwertung dabei,wenn den Fäkalien zusätzlich Haus-halts- und Marktabfälle beigemischtwerden. i i i

www.sandec.ch

Kontakt:Dr.StefanDiener,[email protected]

Eine Studentin in der Pilotanlage in Costa Rica überprüft, wie die Maden den Abfall verwerten.

Die Fliegenlarven sind reich an Eiweissen und Fett.

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Ein Leben ohne ArsenDas Grundwasser vieler Regionen Südostasiens ist mit Arsen verseucht. Der regelmässige Konsum führt zu schweren gesundheitlichen Schäden. In Vietnam lassen sich dank einer dreidimensionalen Risikokarte nun arsenarme Trinkwasserbrunnen planen. Ob die lokale Bevölkerung tatsächlich arsenfreies Trinkwasser bevorzugt, hängt aber auch von psychologischen Faktoren ab.

Hohe Arsenkonzentrationen im Trinkwasser gefährdenweltweit über 100 Millionen Menschen. Arsen kommtnatürlicherweise überall in Gesteinen und vor allem ingeologischjungenSedimentenvor.LöstsichdasSpuren-element imGrundwasser, kannes sichdort anreichern.Der regelmässige Konsum arsenverseuchten Wassersführtoft zuschwerengesundheitlichenSchädenbishinzuKrebs.

Besonders häufig tritt kontaminiertes Grundwasser indenFlussdeltasSüdostasiensauf,daszugleich fürvieleMenschen eine wichtige Trinkwasserquelle darstellt. SofandenForschendederEawagheraus,dassimDeltadesRotenFlusses inVietnamrunddreiMillionenMenschenvonarsenverseuchtemWasserbedrohtsind.

Von den rund 17 Millionen Bewohnerinnen und Be-wohnern,dieinderDeltaregionleben,haben11Millionenkeinen Zugang zur öffentlichen Wasserversorgung undsindüberwiegendaufGrundwasserbrunnenangewiesen.

Symptome entwickeln sich schleichendWährend fünf Jahren untersuchten Michael Berg, Caro-line Stengel und Lenny Winkel von der Forschungs-abteilungWasserressourcenundTrinkwasserderEawagzusammenmitKollegenderHanoiUniversityofSciencedas Grundwasser der Region auf die Belastung mitArsen und anderen Elementen. Dazu analysierten sieProbenausüber500privatenGrundwasserbrunnender

14000QuadratkilometergrossenDeltaregioneinschliess-lichderHauptstadtHanoi.

«Bei 27 Prozent aller Brunnen überstieg die Arsen-konzentration den von der WeltgesundheitsorganisationWHO als unbedenklich festgelegten Grenzwert», sagtBerg. Gemäss WHO sind Konzentrationen von wenigerals 10 Mikrogramm pro Liter unbedenklich. Bereits ineinerfrüherenStudiehattendieWissenschafterzumTeilKonzentrationen gemessen, die mehr als das Hundert-facheüberdemWHO-Standardlagen.BeieinemKonsumab50MikrogrammproLiterüberlängereZeitkanneinechronischeArsenvergiftungauftreten.

Der Bau von Grundwasserbrunnen begann in der Re-giondesFlussdeltasMitteder1990er-Jahre.1998stell-ten Forschende der Eawag und der Hanoi University ofScienceimRahmeneinesProjektesderEidgenössischenDirektionfürEntwicklungundZusammenarbeiterstmalshohe Arsenkonzentrationen im Grundwasser fest. Dieersten Patienten mit einer chronischen Arsenvergiftungtraten hingegen erst 2004 auf, da sich die Symptomesehrlangsam–übereinenZeitraumvonzehnodermehrJahren–entwickeln.

Neben der Arsenbelastung stellten die Forschendenüberdies fest, dass 44 Prozent der Brunnen gesund-heitlichbedenklicheMangan-Gehalteaufwiesen.ZuvielMangan kann bei Kindern die Entwicklung des Gehirnsbeeinträchtigen.

Langzeitfolgen einer ÜbernutzungAnhand geologischer Daten und mithilfe eines mathe-matischenModellserstelltendieWissenschafter fürdiegesamteRegionausserdemeindreidimensionalesRisiko-profil. Mit diesem lässt sich die Arsen-Belastung desGrundwassersräumlichbisineineTiefevon100Meternabschätzen. «Das Modell erleichtert die Planung neuerarsenarmerGrundwasserbrunnen»,sagtBerg.

Die Forschenden fanden überdies heraus, weshalbdieTrinkwasservorrätevonHanoirelativstarkmitArsenkontaminiert sind. Um die wachsende Bevölkerung mitWasser versorgen zu können, pumpt die Stadt bereitsseitüber100JahrenWasserauchaustiefen,arsenfreienGrundwasserleitern,dieunterhalbdesarsenverseuchtenGrundwassers liegen. Dadurch fliesst aus den darüberliegendenSchichtenarsenhaltigesWasserindietieferenGrundwasserreservoirenach.«DieErkenntnisseübersol-cheLangzeitfolgenkönnenfürandereLändermiteinemArsenproblem nützlich sein, zum Beispiel für Bangla-desch,daserstseitden1970er-JahrenGrundwasserausderTiefefördert»,erklärtBerg.

Grundwasserbrunnen sind für viele Menschen Südostasiens die einzige Quelle für Trinkwasser.

FORSCHEN 15

DaeinTeilderBevölkerungimDeltadesRotenFlussesin absehbarer Zeit keinen Zugang zu arsenfreiem Trink-wasser habenwird, sindeinfacheAufbereitungstechno-logiennotwendig,umdasverseuchteWasserzureinigen.VielversprechendsindzumBeispielSandfilter,wieUnter-suchungenderWissenschafter in verschiedenenRegio-nendesFlussdeltasgezeigthaben.«MitSandfilternlässtsichdasArsensehreffizientundmitgeringenKostenausdemWasserentfernen»,sagtderWissenschafter.

Aufklärung alleine reicht nichtDementsprechend sind in Regionen mit hoher Arsen-belastung diverse Nichtregierungsorganisationen aktiv,um Massnahmen für eine saubere Trinkwasserversor-gung–nebenderBenutzungvonSandfilternzumBeispieleinenWechselaufandereBrunnen,denBauvonWasser-leitungen oder das Sammeln von Regenwasser – zuinitiieren.

Die Propagierung und Bereitstellung angemessenerTechnologien ist das eine, ob und inwieweit die lokaleBevölkerung davon tatsächlich Gebrauch macht, etwasanderes.SokonntenJennifer InauenundHans-JoachimMosler von der Eawag-Forschungsabteilung System-analyse und Modellierung für ein betroffenes Gebiet inBangladeschzeigen,dassrund40ProzentderBewohne-rinnen und Bewohner weiterhin mit Arsen verseuchtesWasser nutzen, obwohl sie Zugang zu sauberen Alter-nativenhaben.

«Es herrscht immer noch die Ansicht vor, dass einfehlendes Risikobewusstsein der Grund für ein solchesVerhalten sei und Aufklärung im Sinn einer Wissens-vermittlungdiesesändernkönne»,sagtJennifer Inauen.Doch aus der Sozialpsychologie wisse man inzwischen,dass das alleine meist nicht reiche. «Vielerorts sindsoziale Normen und die Vorstellung, was andere voneinemerwartenkönnten,dieentscheidendenFaktoren»,erklärtsie.

Umherauszufinden,wodieUrsachenfürdieNutzungbeziehungsweise Nichtnutzung arsenfreien Wassers in

Bangladesch liegen und wo man für eine Verhaltens-änderung ansetzen muss, führten Mosler und Inaueneine sozialpsychologische Untersuchung durch. MithilfestrukturierterBefragungenvonrund750Haushalten,dieZugangzusauberemTrinkwasserhaben,ermitteltensie,welcheFaktorendieWasserwahlbeeinflussen.

DieanschliessendenstatistischenAuswertungenzeig-tenunteranderem,dassdieaufwändigereundzeitinten-sivere Handhabung des arsenfreien Wassers die Leutevon dessen Gebrauch abhält. Zudem fühlen sie sich imUmgangmitStörungenundDefekten zuwenig kompe-tent.EbenfallseinengrossenEinflusshatdasVerhaltenderanderenDorfbewohner.

Aus diesen Erkenntnissen konnten die Forschendenmögliche Massnahmen ableiten, mit denen sich dieverhaltensbestimmenden Faktoren günstig beeinflussenlassen. Eine viel versprechende Intervention wäre dem-nachzumBeispiel,überöffentlicheVorbildpersonenaufdas Verhalten der anderen Dorfbewohner einzuwirkenunddiearsenfreienTrinkwasseroptionenbessersichtbarzu machen. Praktische Anleitungen zu deren sicherenHandhabung sollen die Anwenderkompetenz und damitdieAkzeptanzerhöhen.Zudemgiltes lautdenWissen-schaftern, die Einstellung bezüglich des Mehraufwandszuverbessern.

IneinemnächstenSchrittwollendieForschendennunvor Ort entsprechende Interventionen durchführen unduntersuchen, wie diese das Verhalten der Bevölkerungverändern. i i i

Den Gebrauch von Wasserfiltern erhöhenEinähnlichesProblemwiebeimArsenstelltsichinbestimmtenGegendenÄthiopiensmitFluorid:ZuvielFluoridimTrinkwasserführtzuWachstumsstörungen,Zahnschä-denundKnochendeformationen.ObwohleineTrinkwasseraufbereitungmiteinemFilterausTierknochenkohlebesteht,benutzenvieleBetroffeneweiterhinungefiltertesWasser.

WiebeiderArsenproblematikentwickeltenAlexandraHuberundHans-JoachimMoslervonderEawagdeshalbeinpsychologischesVerhaltensmodell,umherauszufinden,welcheFaktorenfürdieBenutzungdesFilterseineRollespielenundsichdurchgezielteInterventionenpositivbeeinflussenlassen(siehenebenstehenderArtikel).

BeiHaushaltsfilternwardemnachvorallemdasvermeintlichzugeringeVolumenderentscheidendeFaktor–obwohlproTag40bis50Litergefiltertwerdenkönnen.DieInterventionzieltdaherdarauf,mitdenAnwenderneineTagesplanungauszuarbeiten,wanndieFilterzufüllensind,umwährenddesganzenTagesausreichendsauberesWasserzuhaben.ErsteErgebnissedeutendaraufhin,dasseineentsprechendeAn-leitungdasVerhaltenimgewünschtenSinnverändernkonnte.

Kontakt:Prof.Hans-JoachimMosler,[email protected],[email protected]

www.eawag.ch/arsenic-vietnamwww.eawag.ch/forschung/wutwww.eawag.ch/forschung/siam

Kontakt:Dr.MichaelBerg,[email protected],[email protected],[email protected],[email protected]

Gefahrenkarte für das Delta des Roten Flusses: Rot signalisiert eine hohe Wahrscheinlichkeit für das Vorkommen arsenverseuch­ten Grundwassers.

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Stauseen stossen Treibhausgase ausNicht nur grosse Stauseen in den Tropen, sondern auch Schweizer Fluss­Stauhaltungen produzie­ren beachtliche Mengen Methangas. Vor allem im Sommer steigen beispielsweise im Wohlensee an der Aare Gasblasen an die Oberfläche. Wie sind solche Emissionen einzuschätzen? Verliert die Wasserkraft den Vorteil der klimaneutralen Stromproduktion?

Methan kann aus den Sedimenten am Grund einesStausees auf verschiedenen Wegen die Atmosphäreerreichen.AlsgelöstesGasdiffundierteslangsamindieWassersäule und gelangt an der Seeoberfläche in dieLuft. Oder das Methan entweicht nach den Turbinen indieLuft,weildortstarkeTurbulenzenentstehen.JehöherdieMethankonzentrationimWasserist,destomehrent-weichtauchindieAtmosphäre.WievielMethanineinemStauseegebildetwird,kannmandurchdieMessungdergelöstenKonzentrationimWasserabschätzen.

Alpine Stauseen nicht klimarelevantWenn die Methanproduktion im Sediment sehr grosswird,bildensichBlasen,diedurchdieWassersäule«blub-bern».DerSeegleichtdanneinemGlasChampagneroderMineralwasser.DieBlasenströmetransportiereninkurzerZeitgrosseGasmengenindieAtmosphäre.IhreMessungist allerdings schwierig, weil sie lokal und zeitlich starkschwanken.MankanndieBlaseninTrichternauffangen,braucht dann jedoch eine grosse Zahl von Messungen,umstatistischgesicherteResultatezuerhalten.WeilsichMethanblasen beim Aufsteigen teilweise aber doch imWasser auflösen, nimmt dessen MethankonzentrationvomGrundgegendieWasseroberflächehinzu.DasMassdieser Konzentrationszunahme haben Forschende vonderAbteilungOberflächengewässerderEawaggenutzt,umgemesseneDatengenauerzuanalysierenundabzu-stützen.

Torsten Diem verglich dazu die Treibhausgasemissio-nen von elf Stauhaltungen. In den Voralpen und imMittelland waren dies der Sihlsee, Lungernsee, Greyer-zer- und Wohlensee. Im alpinen Bereich analysierte erdieSpeicherseenLuzzone,Zeuzier,SantaMaria,Grimsel,Lago Bianco, der Oberaarsee und die Grande Dixence.Die Resultate zeigen, dass alle Seen Kohlendioxid undMethan (CH4) abgeben. Allerdings sind die Stoffflüssesehr gering: Im Mittel – ohne den Wohlensee – liegendiesebeietwa1GrammCO2und0,2MilligrammCH4proQuadratmeterundTag.DieTreibhausgasemissionenderalpinenSpeicherseensinddeshalbnichtklimarelevant.

Spezialfall WohlenseeIm Gegensatz zu den übrigen untersuchten Stauseenbeobachtete die Umweltchemikerin Tonya Del Sontroim Wohlensee an der Aare bei Bern einen intensivenGastransport über aufsteigende Blasen – vor allem beiwarmen Temperaturen im Sommer. Es ergaben sichEmissionswerte von bis zu 200 Milligramm pro Quad-ratmeter und Tag, also 1000-mal mehr als im Mittelbei den anderen Stauseen. Zusätzlich diffundiert in denWintermonatenwenigMethaningelösterFormausdemSediment.

RechnetmandieseEmissionenaufeinJahrhoch, soproduziertderWohlensee rund150TonnenMethanproJahr. Wegen der hohen Klimawirksamkeit des Methans

Mit trichterförmigen Gasfallen fangen Forschende das Methan auf, das vom Grund des Wohlensees an die Seeoberfläche aufsteigt.

Stauseen in den Alpen (im Bild Grande Dixence im Wallis) haben wenig Einfluss auf das Klima.

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FORSCHEN 17

entsprichtdiesetwa3700TonnenCO2oder25Millionengefahrenen Autokilometern. Das ist ein Rekord für dieMethanemissioneinesWasserkraftwerksausserhalbderTropen.VerglichenmitStromauseinemKohlekraftwerkproduziertdasAarekraftwerkWohlensee (Jahresproduk-tion160Gigawattstunden)allerdings immernochwenigKlimagas, umgerechnet auf Kohlendioxid nämlich etwa20GrammCO2proKilowattstunde.BeieinemKohlekraft-werksindesetwa1KilogrammCO2proKilowattstunde,also50-malmehr.

FürdieProduktionvonMethanblasenbrauchtesleichtabbaubaren Kohlenstoff, warme Temperaturen und einerelativ geringe Wassertiefe. In den alpinen Speicher-becken sind der Eintrag pflanzlichen Kohlenstoffes sehrgeringunddieTemperaturentief.DarumfallendieTreib-hausgasemissionen nicht ins Gewicht. Der WohlenseeliegtjedochunterhalbdesThunersees,sodassAlgenmitder Aare in die Stauhaltung transportiert werden. Dazukommen wahrscheinlich Altlasten im Sediment aus derZeit, alsdieAbwässernochweniggereinigt indieAaregelangten.

OhneStauseewürdendieseFrachtenindenBielerseegelangen, wo sie meist in grösserer Tiefe abgelagertwürden.WeilderBielerseeimSommerstabilgeschichtetist, wäre dort die mögliche Methanemission via Gas-blasenaberaufdasAaredeltabeschränkt.AuchvorderJura-Gewässerkorrektion,alsdieAarenochdirektindenRhein floss, waren die Methan-Emissionen wohl tieferausgefallen. Denn Ablagerungen im Meer produzierenwesentlich weniger Methan, weil das Sulfat im Meer-wasser für die Oxidation organischen Kohlenstoffs imSedimentsorgt.

Problematik vor allem in den TropenBisher wurden vor allem tropische Stauseen als grosseQuellen von Treibhausgasen untersucht. Demnach trägtdieüberflutetePflanzendeckehäufigzurEntstehungderklimaschädigendenGasebei.EssindFälledokumentiert,in denen die geschätzten Emissionen um mehr als denFaktor zehn grösser sind als im Wohlensee. Das sindMethan-undKohlendioxidwerte,dienichtmehrvernach-

lässigbarsind.Diesumsomehr,weilvieledieserStudienvermutlichdiewahrenEmissionenunterschätzen,daderEffektvonGasblasennichtzuverlässigberechnetwurde.

NeueKraftwerkeamAmazonas,amMekongoder imtropischen Afrika können deshalb nicht als klimaneutralgelten.SieproduzierenStromzumTeilmitähnlichhohenNebenwirkungenwiemoderneKohlekraftwerke.

Gegenwärtig entwickeln Wissenschafter Methoden,um die Blasenströme mit einem Echolot genauer zuquantifizieren. Damit lässt sich deutlich schneller erfas-sen, wo und wann in einem See oder einem ReservoirMethan freigesetzt wird. «Wir hoffen, dass solche Ver-besserungendieakrobatischenÜbungenbeiderBlasen-beobachtungmitschwimmendenGastrichterninZukunftüberflüssigmachen»,sagtDelSontro.

«StauseenunterhalbnatürlicherSeenundflacherFluss-mündungen sind mögliche Hotspots von Treibhausgas-emissionen», fasst Bernhard Wehrli, Professor für Um-weltchemie,zusammen.«DasistindenglobalenMethan-bilanzen nicht zu vernachlässigen.» Stauseen könntenweltweit für etwa 18 Prozent der vom Mensch verur-sachten Methanemissionen verantwortlich sein, schätzter und ergänzt: «Wie klimafreundlich ein Stausee ist,entscheidet dabei nicht nur der Standort, sondern auchderGewässerschutzunddieAbwasserreinigung imEin-zugsgebiet.» Um die wissenschaftliche und vor allemauchpolitischeDebattezudenTreibhausgasemissionenausStauseenzuversachlichen,habendieUnescounddieInternationalHydropowerAssociationeineExpertengrup-peeingesetzt. i i i

Lachgas aus der KläranlageNichtnurausStauseen,sondernauchausAbwasserreini-gungsanlagengelangenklimawirksameGaseindieAtmo-sphäre.ImVisiervonUmweltingenieurenderEawagstehtdabeivorallemdasLachgas(N2O).Esisteinüber300-malstärkeresTreibhausgasalsCO2undbedeutendanderZerstö-rungderstratosphärischenOzonschichtbeteiligt.BisherigeSchätzungen,wievielN2OausderbiologischenAbwasser-reinigungstammen,sindsehrvage.MessungenanderVer-suchsanlagederEawagdeutendaraufhin,dassungünstigeBetriebsbedingungen–zumBeispielzuwenigSauerstoffoderhoheAmmoniumbelastungen–zudeutlichhöherenN2O-Emissionenführenkönnen,alsbisherangenommen.DieEawagentwickeltdaheraktuellzusammenmitderEmpaeineMethode,dieanhandderunterschiedlichenStickstoffisotopeaufzeigensoll,inwelchenProzessendasLachgasgenaugebil-detwird.DasistdieGrundlagefürReduktionsstrategien.

www.eawag.ch/forschung/surf/gruppen/methane/index

Kontakt:Prof.BernhardWehrli,[email protected]

Das Ablesen der Gaszylinder an den schwimmenden Trichtern vom Boot aus gleicht einer akrobatischen Übung.

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Gutes Wasser aus dem BodenseeDie Wasserqualität des Bodensees, einer der wichtigsten Trinkwasserquellen Mitteleuropas, ist sehr gut. Bei einzelnen Zuflüssen liegt die Belastung durch Mikroverunreinigungen hingegen in einem Bereich, der für gewisse Wasserlebewesen problematisch sein könnte.

Der Bodensee ist eines der wich-tigsten Trinkwasserreservoire Mit-teleuropas. Ungefähr 4,5 MillionenMenschen in der Schweiz und inDeutschland beziehen ihr Trinkwas-serausihm.17Wasserwerkeberei-tenproJahr rund180MillionenKu-bikmeterTiefenwasserausdemSeezuTrinkwasserauf.UntersuchungenderEawagzeigen,dassdieQualitätdesTiefenwasserssehrgutist.

Geringe Belastung im SeeUmdieSchadstoffbelastungdesGe-wässerszuerfassen,erstelltenHeinzSinger und seine Mitarbeiter vonder Forschungsabteilung Umwelt-chemie im Auftrag der Internatio-nalen Gewässerschutzkommissiondes Bodensees ein umfassendesInventar der organischen Mikro-verunreinigungen. Mit modernstenAnalysemethoden untersuchten siedasVorkommenvonPestiziden,Bio-ziden, Arzneimitteln, Lebensmittel-und Industriechemikalien und derenAbbauprodukte. «Insgesamt fandenwir47Substanzen»,sagtSinger.

Alle Befunde lagen teilweise er-heblichunterdemZielwertfürPesti-zide von 100 Nanogramm pro Liter(ng/l), der für die Trinkwassernut-zunggilt.Über80ProzentderStoffetraten in Konzentrationen von weni-genNanogrammproLiterauf.«Das

sindderartgeringeMengen,dasssiesichmitderheutigenTechnikkaumnachweisen lassen», so Singer. InvergleichsweisehohenKonzentratio-nenvon50bis100ng/lkamenein-zelneMedikamenteundzweihaupt-sächlich in Geschirrreinigern einge-setzteKorrosionsschutzmittelvor.

Hohe Werte in FlüssenUmherauszufinden,auswelchenZu-flüssen die grösste Stoffbelastungkommt,benutzteSinger fürdasge-samteEinzugsgebietdesBodenseeseinanderEawagentwickeltesStoff-flussmodell. Demzufolge wiesenbesonders die im Kanton St.Gallenentspringende Steinach, die Schus-sen in Baden-Württemberg und dieDornbirnerAchimVorarlbergerhöh-teKonzentrationenderuntersuchtenSubstanzen auf. «Dafür verantwort-lich ist der relativ hohe Anteil angeklärtem Abwasser in diesen dreiFlüssen»,sagtderUmweltchemiker.Bei der Steinach etwa stamme beiNiedrigwasserbiszu80ProzentdesWassersvonKläranlagen.

Für gewisse WasserlebewesenproblematischeWertevonteilweisemehr als 500 ng/l stellte der For-scherfürdasSchmerzmittelDiclofe-nac fest. Fast die Hälfte aller unter-

suchten Flussabschnitte wiesen beiNiedrigwassersohoheKonzentratio-nenauf,dassbeiWasserorganismenlangfristig Schädigungen auftretenkönnen. «Mit speziellen VerfahrenzurAbwasserreinigung,zumBeispielmit pulverisierter Aktivkohle oderdurch Ozonierung, liessen sich diemeisten der Wirkstoffe aus demWasserentfernen»,erläutertSinger.

Anhand seiner Modellrechnungenkonnte er zudem abschätzen, wiesich die Konzentrationen der näheruntersuchtenSubstanzenimBoden-seeüberdienächsten20Jahreent-wickeln werden: Während sich dieEin- und Austräge einzelner StoffeimGleichgewichtbefinden,wirdsichbeispielsweisedieMengevonDiclo-fenacimSeeverdoppeln,wenndie-ses weiterhin im heutigen Umfangverwendet und die Reinigungsleis-tung der Kläranlagen nicht verbes-sertwird.«AuchdannwirddieKon-zentration aber weniger als 10 ng/lbetragen und immer noch deutlichunter dem Trinkwasser-Grenzwertliegen»,sagtSinger. i i i

www.eawag.ch/forschung/uchem

Kontakt:HeinzSinger,[email protected]

Mehr Salz im BodenseeSeitden1960er-JahrenhatderChlorid-GehaltdesBodenseesumdasZweieinhalbfachezugenommen.DieKonzentrationliegtgegenwärtigbeirundsechsMilligrammproLiter.LautEawag-ForschernlässtsichdieZunahmeaufdenvermehrtenGebrauchvonStrassensalzundvonSalzinHaushaltenundinderLandwirtschaftimEinzugsgebietzurückführen.2006wur-deninsgesamtüber100000TonnenChloridausgebracht.AllerdingsgelangennurrundzweiDritteldavonindenBoden-see,derRestverbleibtimBodenundimGrundwasser.DieWissenschafterrechnenauchinZukunftmiteinemAnstieg.NochseienzwarkeineMassnahmennötig,dadieUmweltmitSalzgehaltendieserGrössenordnungumgehenkönne,sagendieForscher,dochseiderBodenseeeinBeispieldafür,wiemassivderMenschindienatürlichenStoffkreisläufeeingreife.

Kontakt:Dr.BeatMüller,[email protected]

Die Wasserproben werden in Glasbehälter abgefüllt.

FORSCHEN 19

Risikobehaftete AbbauprodukteNicht nur Pflanzenschutzmittel oder Medikamente können eine ökotoxikologische Gefahr für die Gewässer darstellen, sondern auch deren Abbauprodukte. Mit einem auf Computermodellen und Messungen basierenden Verfahren lässt sich das Risiko solcher Verbindungen einschätzen.

Immer mehr Studien zeigen, dassnichtnurchemischeSubstanzeneinökotoxikologisches Risiko darstellenkönnen,sondernauchderenAbbau-produkte.Diesesindoftmalsbesserwasserlöslich, weshalb sie leicht inGewässeroderinsGrundwasserge-langen. InderSchweizerGewässer-schutzverordnung haben sich dieseErkenntnissebisjetztabernochnichtniedergeschlagen.«Esfehltebislangvor allem eine allgemein anwend-bare Methode, mit der man poten-ziell problematische Umwandlungs-produkte systematisch identifizierenundbewertenkonnte»,sagtKathrinFennervonderForschungsabteilungUmweltchemiederEawag.

Abbau am ComputerUm dieseLücke zu schliessen, ent-wickelte die Umweltchemikerin zu-sammen mit ihren Mitarbeitendenim Rahmen des Projektes «Strate-gie Micropoll» des Bundesamts fürUmwelteinaufModellenundMes-sungen beruhendes Priorisierungs-verfahren. Damit ermittelten sie für62inderSchweizgängigePflanzen-schutzmittel, Biozide und pharma-

zeutische Wirkstoffe die relevantenAbbauprodukte und bewerteten de-renökotoxikologischesPotenzial.

DaUmwandlungsproduktenurfürwenige Substanzen bekannt sind,führten die Forschenden selberAbbauexperimente mit Mikroorga-nismen durch oder simulierten dieBildung von Abbauprodukten amComputer. Um die dabei entstan-denen oder postulierten Produktein Gewässerproben nachzuweisen,wendetensiediesogenanntehoch-auflösende Massenspektrometriean.MitdieserMethodekannmandieMasseeinerchemischenVerbindungso exakt bestimmen, dass für sienurnochwenigeMolekülformelnin-frage kommen. Unter Zuhilfenahmeweiterer Analysen lassen sich dieVerbindung und ihre Struktur weit-gehendzuverlässigeruieren.

In verschiedenen Schweizer Bä-chen, Flüssen, Zu- und Abläufenvon Kläranlagen und im Grundwas-ser fahndeten die WissenschafternachAbbauprodukten–undwurdenfündig. «51 Verbindungen kamenin den Wasserproben in relevantenKonzentrationen vor», erläutert Fen-ner. Bei den Pflanzenschutzmittelnüberschritten beispielsweise neunUmwandlungsprodukte den für dieTrinkwassernutzunggeltendenQuali-tätsgrenzwert von 0,1 Mikrogrammpro Liter in mehreren Proben. DreidieserProduktefandensichauch inverschiedenenGrundwässern inho-henKonzentrationen.InKläranlagen-abläufen konnten die Forschendenzudem sieben von Pharmazeutikastammende Verbindungen nachwei-sen,diedenGrenzwertfürPestizideebenfallsüberschritten.

«UnsereUntersuchungenzeigten,dassvieleUmwandlungsprodukteinvergleichbaren Konzentrationen vor-kommen wie ihre Ausgangsstoffe»,sagtFenner.Häufigentstündenauseiner Substanz gleichzeitig sogarmehrereunterschiedlicheAbbaupro-

dukte. «Da die Verbindungen nichtsofort weiter abgebaut werden unddaher länger im Wasser verbleiben,sindsiefürökotoxikologischeRisiko-abschätzungen nicht vernachlässig-bar», konstatiert die Umweltchemi-kerin.

Die hohe Stabilität einzelner Ab-bauprodukte kann imFall derPflan-zenschutzmittel laut Fenner sogarzu einer chronischen Belastung derGewässer führen: Sie versickern imBoden, gelangen ins Grundwasserund von dort sukzessive wieder indie Oberflächengewässer, währenddie Ausgangssubstanzen selbermeist kurzlebiger sindundnur überden Zeitraum ihrer Anwendung zuBelastungsspitzenführen.

Ins Monitoring einbeziehenDoch stellen die Abbauprodukte fürdie aquatische Umwelt überhauptein Problem dar? Um diese Fragebeantworten zu können, entwickel-ten die Forschenden ein Verfahren,mit dem sich das ökotoxikologischeGefahrenpotenzialderVerbindungenabschätzenlässt.

Bei der Analyse der Umwand-lungsprodukte zeigte sich, dass diemeisten in einem ähnlichen Toxizi-tätsbereich liegenwie ihre jeweiligeAusgangsverbindung. Doch einigewenige Abbauprodukte, zum Bei-spieljenedesSchmerzmittelsMeta-mizol,wurdenalsdeutlich toxischerals ihr Ausgangsstoff eingeschätzt.«Für solche Verbindungen lohntsichaufjedenFalleinegenaueöko-toxikologische Überprüfung», sagtFenner.Längerfristigseiesüberdieswichtig,solcheprioritärenUmwand-lungsprodukteinMonitorprogrammeeinzubeziehen und für sie Grenz-wertezudefinieren,sodieUmwelt-chemikerin. i i i

www.eawag.ch/forschung/uchem

Kontakt:Dr.KathrinFenner,[email protected]

Ein Mitarbeiter überwacht die automa­tische Probenahme an der Petite Glâne im Einzugsgebiet des Murtensees.

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Überleben im ChemikaliencocktailWasserlebewesen sind in ihrem Element ständig einer Vielzahl von Chemikalien ausgesetzt. Um sich gegen schädliche Stoffe zu schützen, haben sie im Lauf der Evolution ein ausgeklügeltes Abwehrsystem entwickelt. Doch gewisse Substanzen machen diesen Schutzwall durchlässig – und die Organismen damit anfälliger für Umweltgifte.

PflanzlicheStoffwechselprodukte,Algentoxine,Bestand-teileoderAbbauproduktevonKunstdüngern,Pestiziden,Medikamenten, Kosmetika, Brandschutz- oder Putzmit-teln: Unsere Gewässer sind unüberschaubare Chemika-liencocktailsnatürlichvorkommenderundvomMenschenindieUmweltgebrachterSubstanzen.Auchwenndiesein der Regel nur in geringsten Konzentrationen vorkom-men, sind die Wasserlebewesen ihnen dauernd ausge-setzt. InsbesondereüberdieLangzeitwirkungensolcherStoffe auf aquatische Organismen weiss man meistenspraktischnichts.

Doch Lebewesen sind Umweltgiften nicht gänzlichwehrlosausgeliefert,dennsiehabenimLaufderEvolu-tiongewisseAbwehrmechanismenentwickelt.WiesichOrganismenvorunerwünschtenSubstanzenschützen,istvor allem aus Untersuchungen an Säugetieren bekannt.Ihre Zellen besitzen verschiedene Entgiftungs- und Re-paratursysteme, die toxische Fremdstoffe bis zu einemgewissen Grad abfangen, unschädlich machen oderentstandene Schäden reparieren können. Nun konnteStephanFischervonderAbteilungUmwelttoxikologieder

Eawag auch bei Fischen ein solches Abwehrdispositivnachweisen: sogenannte Multi-Xenobiotika-Resistenz-TransportproteineoderkurzMXR-Transporter.

Fremdstoffe aus den Zellen spedierenDiese Proteine sitzen in der Zellmembran und dienenals Transportkanäle. Sobald von ihnen erkannte Fremd-stoffeindieZellegelangen,werdensieerfasstundunterEnergieaufwandwiederherausspediert.Aufmerksamaufderartige Transporter-Eiweisse wurde man erstmals beimenschlichenTumorzellen,weil siedortAntikrebsmittelabfingen und «unschädlich» machten. Fachleute ver-muten zudem, dass Krankheiten wie Cystische Fibroseoder Arteriosklerose auf defekte MXR-Eiweisse zurück-zuführen sind. «Die Proteine bilden beim Menschennormalerweise eine wirksame Schranke zwischen demBlutunddenGewebenundkommengehäuftimDarm,indenNieren,derLeber,aberauchimGehirn,indenHodenoderderPlazentavor»,erklärtFischer.

BeiZelllinienvonRegenbogenforellenundbeiEmbryo-nen des Zebrabärblings konnte Fischer mehrere MXR-Proteinenachweisen.«SiekommenunteranderemindenKiemen vor und bilden dort eine Art Umwelt-Gewebe-Barriere», sagter.Umzu zeigen,dasssieauchbeidenFischenalszelluläreTürsteherwalten,setzteerdieZellenundEmbryonenfluoreszierendenFarbstoffenaus,dievondenMXR-Proteinenerkanntundabgefangenwerden.

UnternormalenBedingungenfunktioniertendieTrans-portkanäletatsächlicheinwandfrei,wassichdarinzeigte,dasssichkeineFarbstoffeinnerhalbderZellenanreicher-tenunddieseunterspeziellemLichtdunkelerschienen,während ihre Umgebung hell leuchtete. Ein anderesBild ergab sich, als der Forscher die MXR-Transporterchemisch blockierte oder Fischembryonen untersuchte,bei denen einzelne für die Synthese der MXR-ProteinenotwendigeGeneausgeschaltetwaren.NunfluoresziertedasZellinnere:DieFarbstoffehattendieZellabwehrüber-wunden.

Sensibilisierung für GifteDie Laborexperimente führen auch vor Augen, wie be-stimmte Chemikalien durch die Blockade der Transport-kanäledenzellulärenSchutzwallfürFremdstoffedurchläs-sigmachenkönnen.DieWissenschaftbezeichnetsolcheMXR-Proteine blockierende Substanzen als Chemosen-sitizer. «Diese können die zelluläre Abwehr aushebelnundeinenOrganismusanfälligerfürGiftemachen,ohneselbertoxischzusein»,erklärtFischer.

Wasdaskonkretbedeutet,hatderUmwelttoxikologeineinemweiterenExperimentuntersucht.ErsetzteFisch-Ihr zellulärer Entgiftungsmechanismus ist für Zebrabärblinge überlebenswichtig.

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FORSCHEN 21

embryonenwährend48StundendemZellgiftVinblastinaus. Das aus dem Madagaskar-Immergrün gewonneneAlkaloid hemmt die Zellteilung und wird in der Krebs-therapiealsChemotherapeutikumeingesetzt.Unternor-malenBedingungenundbeimoderatenVinblastin-DosenfunktioniertediezelluläreAbwehrderZebrabärblingegut:BeieinerKonzentrationvon1,6MilligrammVinblastinproLiterWasserstarbendurchschnittlichrund20ProzentderIndividuen.

Gab der Wissenschafter aber noch das aus einemSchlauchpilz gewonnene und in der Transplantations-medizin eingesetzte Cyclosporin hinzu, sah die Sacheandersaus.«CyclosporinwirktalsChemosensitizer»,soFischer,«weshalbdieTieredeutlichsensibleraufschäd-liche Substanzen reagieren». Dementsprechend führtedieselbeVinblastin-Konzentrationwie imerstenVersuchzusammen mit dem Cyclosporin nun bei bis zu 80 Pro-zent der Embryonen zum Tod. Bei funktionstüchtigenKanalproteinen brauchte es für solch hohe SterberatenmindestensdiedoppelteDosisVinblastin.

Wenig Wissen über ChemosensitizerErstvorwenigenJahrenbeganndieWissenschaft,Che-mosensitizer genauer zu untersuchen. Daher sind bisheuteerstwenigeumweltrelevanteSubstanzenbekannt,die über die Blockierung der MXR-Proteine eine Sensi-bilisierung für andere Chemikalien auslösen. Zu den alsChemosensitizer wirkenden Stoffen gehören zum Bei-spielkünstlicheMoschusverbindungen,wiesie invielenPflege-undReinigungsproduktenalsParfumzumEinsatzkommen,oderpolyzyklischearomatischeKohlenwasser-stoffe,dieinPestiziden,FarbstoffenundfossilenEnergie-trägern sowie als Stabilisatoren oder Weichmacher ver-wendetwerden.

DiebisherbekanntenStoffegehörenzuchemischsehrunterschiedlichenGruppen,waslautExpertendaraufhin-deutet,dasssolchefüraquatischeLebewesenanundfürsichnichttoxischenStoffe indenGewässernrechtweitverbreitetsind.Fischerbetont,dasseswichtigsei,nichtnurdieWirkungisolierterEinzelstoffe,sondernauchjenevonChemikaliengemischenzuuntersuchen,wiesieinder

Umwelt realistischerweise meist vorkämen. Denn dasseinGiftstoffinGegenwartvonanderenSubstanzenunterUmständen viel grösseren Schaden anrichten könne,zeigedasBeispielderChemosensitizer.

Der Forscher will nun in einem nächsten Schritt mitHilfe von Zelllinien der Regenbogenforelle und Embryo-nen des Zebrabärblings verschiedene in der UmweltvorkommendeChemikalienaufihreWirkungalsChemo-sensitizeruntersuchen.SeinerMeinungnach liessesichdieserAnsatzsogarzueinemstandardisiertenVerfahrenweiterentwickeln,mitdemmaninZukunftökotoxikologi-sche Risikoabschätzungen von Chemikalien durchführenkönnte. i i i

Limitierte Entgiftung bei AlgenUmsichvorgiftigenMetallenwiezumBeispielBleizuschützen,bildenAlgensoge-nanntePhytochelatine.DieseeiweissartigenMolekülebindendietoxischenMetalleundmachensieaufdieseWeiseunschädlich.WieUntersuchungenvonChristian

ScheideggervonderEawaganeinzelli-genSüsswasseralgenderArtChlamydo­monas reinhardtiizeigen,reagierendiesesehrraschauferhöhteBleikon-zentrationenimWasserundbildendieschützendenPhytochelatineinnertwenigerMinuten.Ausserdemproduzie-rensieumsomehrEntgiftungsmoleküle,jehöherderBleigehaltist.

MitkurzzeitigenBelastungenvonweni-genStundenkonntendieAlgeninScheideggersExperimentendankdemzellulärenSchutzmechanismusgutum-gehen.BeilängerfristigenBlei-Expositio-nenvonmehrerenTagenreichtediesjedochnichtmehrausunddieVitalitätderChlamydomonas-Algennahmab.«MitderZeitsindnichtmehrgenügend

PhytochelatineindenZellenvorhanden,umdassichakkumulierendeBleizubin-den»,erläutertderForscherdieschleichendeVergiftung.DieAlgenreagiertenaufdenchronischenStress,indemsiedieFotosyntheseunddasWachstumreduziertenoderganzeinstellten.DieseEffektetratenbereitsbeiBleikonzentrationenauf,wiesiefürstärkerbelasteteGewässerrealistischsind.DieStudiezeigtauch,dassLang-zeitbelastungenfüraussagekräftigeökotoxikologischeAbschätzungenzwingendberücksichtigtwerdenmüssen.

Kontakt:Prof.LauraSigg,[email protected]

www.eawag.ch/forschung/utox

Kontakt:StephanFischer,[email protected]

Einzellige Süsswasseralgen.

Bei intakter Abwehr kann kein Farbstoff in den Fischembryo dringen (oben), bei blockierten MXR­Transportproteinen dagegen schon (unten).

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Anpassungsfähige FröscheDie Evolution geht bisweilen relativ rasch vonstatten. Aufgrund natürlicher Selektion konnten sich Moorfrösche in Schweden innerhalb weniger Jahrzehnte an versauerte Gewässer anpassen und änderten ihre Abwehrstrategie gegen Fressfeinde.

Saurer Regen und das Waldsterbenwaren in den 1970er-Jahren vorallem in Europa die grossen Um-weltthemen. In Skandinavien undNordostamerika ist diese Form derUmweltverschmutzung auch heutenoch ein Problem. Die Versauerungbedeutet allerdings nicht nur StressfürdenWald,BödenundGewässersind genauso betroffen – und mitihneneineVielzahlvonOrganismen.InSchwedensinddieGewässerzumTeil stark davon beeinträchtigt undaus ehemals artenreichen Weihernsind vielfach Tümpel mit wenig Le-bengeworden.

Evolution zum MiterlebenIn Südwestschweden haben jedochMoorfrösche das Kunststück voll-bracht,mitdenwidrigenUmständenumzugehen.SielebeninTeichen,diedurch den sauren Regen einen pH-Wert von bis zu vier haben und sosauersindwieeinGlasWein.SandraHangartner und Katja Räsänen vonderForschungsabteilungAquatischeÖkologiederEawagkonntenzeigen,dass sich die schwedischen Moor-frosch-Populationen sowohl an dentiefen pH-Wert des Wassers ange-passt haben als auch an das verän-derte Ökosystem. Mit ihrer Arbeit

wiesendieForscherinnennach,dassumweltbedingte Stressfaktoren, indiesemFalldieVersauerung,beiOr-ganismeninnertwenigerJahrzehnteevolutive Veränderungen bewirkenkönnen.

Frösche sind vor allem währendderFortpflanzungsphaseundimLar-venstadium ans Wasser gebunden.Saure Bedingungen beeinträchtigendeshalb bereits die Eier im Laich.«Die Gallerthülle der Eier verändertsich, die Embryonen sind meistwenigeraktivundauswenigerEiernschlüpfen Kaulquappen», erklärtHangartner.DieForscherinnenkonn-ten in Experimenten aber zeigen,dass Embryonen, die aus Teichenmit tiefem pH stammen, mit sau-renBedingungenwesentlichbesserzurechtkommen und eine höhereÜberlebensrate haben als ihre Art-genossen aus neutralen Ursprungs-gewässern.

Nach dem Schlüpfen sind Fress-feinde eine der grössten GefahrenaufdemWegzumausgewachsenenFrosch.WährenddieKaulquappeninneutralenTümpelnvonanderenAm-phibien,FischenundInsektengejagtwerden,reduziertsichdieVielfaltderRaubfeinde in versauerten TeichenvorallemaufInsekten.DieseVerän-derungdesÖkosystemsbeeinflusstauchdieAbwehrstrategiederFrosch-larven.KaulquappenaussaurenundinsektenreichenGewässernbildetenleistungsfähigere Schwanzflossenaus,konntendadurchbesserfliehenundüberlebtendiedirekteKonfronta-tionmitLibellenlarven inVersuchenhäufigeralsdiejenigenausneutralen,räuberarmenTümpeln.

Zudem legten die Kaulquappenaus sauren Gewässern schneller anGewichtzu.«AuchdiehoheWachs-tumsrate ist eine Anpassung an diespeziellen Lebensbedingungen be-ziehungsweiseeinSchutzvorräube-rischen Insekten», sagt Hangartner,«denn grosse Kaulquappen können

von vielen Insekten nicht mehr ge-fressenwerden.»

Genetische Vielfalt nötigDamit solche evolutiven Anpas-sungsmechanismenspielenkönnen,braucht es grosse Populationen miteinerhohengenetischenVielfalt.Da-durch steigt die Wahrscheinlichkeit,dasseinzelne Individueneinegene-tischeAusstattungbesitzen, die siemit den veränderten Umweltbedin-gungen besser umgehen lässt alsihre Artgenossen. Solche Individu-ensindvitalerundhabenmehrundebenfalls besser angepasste Nach-kommen, sodass sich aufgrunddie-sernatürlichenSelektionmitderZeitdie«besseren»Genedurchsetzen.

Oft spielen bei solchen Anpas-sungsleistungen zudem sogenanntematernale Effekte eine wichtigeRolle. Dabei vererben Mütter spezi-fischgewissegenetischeoderdurchUmweltveränderungen ausgelösteAnpassungenanihreNachkommen,die vor allem deren frühe Entwick-lungbeeinflussen.

Die Fähigkeit der schwedischenMoorfrösche, sich an gewisse Um-weltveränderungenanpassenzukön-nen, macht Hoffnung, dass Amphi-bienarten gegenüber (oftmals vomMenschen verursachten) Stressfak-torennichtgänzlichschutzlosausge-liefertsind,sondernineinemgewis-sen Mass damit umgehen können.EinenotwendigeVoraussetzungda-für sind allerdingsgenügendgrosseund genetisch vielfältige Populatio-nen–unddies istoftnichtgewähr-leistet. i i i

Dass bei Moorfröschen vitaler Nachwuchs zur Welt kommt, hat nicht nur mit den guten Genen der begattenden Männchen zu tun, sondern auch mit maternalen Effekten.

www.eawag.ch/forschung/eco

Kontakt:Dr.SandraHangartner,[email protected]äsänen,[email protected]

FORSCHEN 23

Schweres Erbe aus dem GletscherAls Folge des Klimawandels ziehen sich weltweit die Gletscher zurück. Mit dem Schmelzwasser können sie Umweltgifte freigeben, die über Jahrzehnte im Eis eingeschlossen waren. Dadurch werden sie zu bedeutenden Sekundärquellen längst verbotener Schadstoffe.

Stoffe wie Dioxine, DDT oder PCBstehen für vergangene Umweltsün-den, Chemieunfälle, Lebensmittel-skandale,MissbildungenundKrebs.SeiteinigenJahren ist ihreVerwen-dung weltweit nur noch sehr ein-geschränkt erlaubt. Doch aus derWelt schaffen lassen sie sich prak-tischnichtmehr,auchinderSchweiznicht, wo sie seit 1986 vollständigverbotensind.Dennsiegehörenzudensogenanntenpersistentenorga-nischen Schadstoffen, die nur äus-serstlangsamabgebautwerdenundüberJahrzehntebisJahrhunderte inderUmweltverbleiben.

Schadstoffe in SedimentenAufgrundihrerphysikalischenEigen-schaften verbreiten sie sich viaAtmosphäre über grosse DistanzenundlassensichvondenTropenbiszudenPolenüberallnachweisen.Wis-senschaftler der Eawag haben zu-sammenmitKollegenderEmpaundder ETH Zürich entdeckt, dass sichin den Sedimenten verschiedenerSchweizerGebirgsseenindenletztenJahrenwiederzunehmendeMengensolcher Substanzen finden lassen –undherausgefunden,warum.

Mithilfe von SedimentbohrkernenuntersuchtendieForscher,wie sichdie Schadstoffbelastung im Ober-aar-,Stein-undEngstlenseeimBer-ner Oberland über die letzten rund100 Jahre veränderte. Um die Pro-benzuentnehmen,triebensielangeKunststoffrohre in den Seegrund.Die mit Sediment gefüllten Rohreschnitten sie später im Labor längsauf.WiedieJahrringeeinesBaumes

präsentierten sich die im Lauf derZeit abgelagerten Schichten. «Dieverschiedenen Sedimenttypen zeu-genvonvergangenenUmweltverän-derungen»,erklärtFlavioAnselmettivon der Abteilung Oberflächenge-wässerderEawag.DerGeologewarverantwortlich fürdieProbenahmensowie die Interpretation und Alters-datierung der Sedimente, währenddie Empa die chemischen Analysendurchführte.

AnhandderSchichtenkonntendieWissenschaftlerzeigen,dassdieVer-wendung persistenter organischerSchadstoffeinden1960er-und70er-JahreneinenHöhepunkterreichthat-te. Mit dem Verbot der SubstanzengingderenGehaltdanachsehrstarkzurück.Überraschenderweiseoffen-barten die Sedimentbohrkerne desOberaar-unddesSteinsees jedoch,dassdieChemikalienabden1990er-Jahren plötzlich wieder viel häufi-ger auftraten und gewisse Verbin-dungendieHöchstwertevon früherzumTeilsogarübertrafen.Waswargeschehen?

Gletscher als QuellenDieAntwortlagindiesemFallwort-wörtlich nah, nämlich gleich ober-halb der Seen. Beide werden vorallem vom Schmelzwasser jeweilseines Gletschers gespeist: der einevom Oberaar-, der andere vomSteingletscher. In den Gletschernist gespeichert, was einst mit demSchnee auf sie gelangt war und imEis eingeschlossen wurde, so auchUmweltgiftewieDioxine, DDToderPCB. Und seit die Eismassen auf-grund der Klimaerwärmung rascherabschmölzen, gelangten die Schad-stoffewiedervermehrt indieSeen,vermuteten Anselmetti und seineKollegen. Sie konnten zum Beispielnachweisen, dass die jährliche Län-genabnahme des SteingletschersmitdemAnstiegderSchadstoffeimSeekorreliert.

BestätigtfandendieForscherihrenVerdacht in den Proben des Engst-lensees. Diese zeigten nach den70er-Jahren den charakteristischenRückgangderSchadstoffeindenSe-dimentenzwarebenfalls–allerdingskeinenerneutenAnstieg.DerGrund:Der Engstlensee wird als einzigerdieser drei nicht von Gletscherwas-ser gespeist, sondern von WasserausQuellenundNiederschlägen.

Was gewisse Fachleute schonlangevermuteten, konntendieWis-senschaftler damit erstmals nach-weisen: Gletscher sind in Zeitendes Klimawandels ernst zu neh-mendesekundäreQuellen füreinenerneuten Eintrag von bedenklichenChemikalien in die Umwelt. ZumBeispielschrumpftederOberaarglet-scherindenvergangenenzehnJah-ren alleine um mehr als 120 Meterund gab mit dem SchmelzwasserdeutlichnachweisbareMengentoxi-scherSubstanzenfrei. i i i

www.eawag.ch/forschung/surf

Kontakt:Prof.FlavioAnselmetti,[email protected],[email protected],[email protected]: Der aufgeschnittene

Bohrkern zeigt die Sedimentschichten.

Damit die Geräte zur Entnahme der Bohrkerne stabil stehen, findet die Sedimentbohrung auf dem gefrorenen Steinsee statt.

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Umweltgeschichte aus einem türkischen SeeDer Vansee im Osten der Türkei ist ein besonderes Gewässer. Sieben Mal grösser als der Bodensee, aber ohne Abfluss und selbst während der Eiszeiten eisfrei, haben seine Sedimente nicht nur jahreszeitliche Zyklen auf­gezeichnet, sondern auch Vulkanausbrüche, Erdbeben, längere Warm­ und Kaltzeiten und weitere Umweltdaten. Nun wurden die Ablagerungen erstmals bis zum Felsgrund erbohrt. Bis zu 450 000 Jahren Klima­ und Umwelt­geschichte hoffen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter damit erklären zu können.

1) Sommer2010:DieschwimmendeBohrplattformaufdemVansee,dessenklaresWassermiteinempH-Wertvon9,6extrembasischist.ImHintergrundder4058MeterhoheVulkanSüphan.

2) ZweiGeologinnentrennennochaufdemSeedieerbohrtenKernein1,5MeterlangeAbschnitteundbeschriftensie.

3) SofernWindundWellengangeszulassen,wirdgebohrt–auchinderNacht;vornedasLagerderBohrgestänge,hintenderBohrtischüberdemBohrloch,dasam375MetertieferliegendenSeegrundbeginnt.

4) ImimprovisiertenLaborimHotelSeldschukeninAhlatwerdendiefrischgebohrtenKernemitmehrerenSensorengescannt.Dichte,Leitfähigkeit,magnetischeundelastischeEigenschaftengebendenForschendenersteHinweiseaufdieHerkunftdesMaterialsunddieBedingungenbeiderAblagerung.

5) FortlaufendwirdlosesSedimentuntersucht,dasandenÜbergängenzumnächstenKernanfällt.DieganzenKernebleibennochunange-tastet.

6) Mitbiszu170barDruckwirddasPorenwasserausdenProbengepresstundunteranderemaufSalzgehaltundpH-Wertuntersucht.

7) KleinsteProbemengenwerdenunterdemMikroskopbegutachtet;sosindzumBeispielvulkanischeMineralien,KieselalgenoderPollen-körnerzuerkennen.

8) Februar2011:AnderUniversitätBremenwerdendieKernemiteinerspeziellenKreissägesorgfältigzweigeteilt.DiedetailliertenUnter-suchungenderSchichtenbeginnen.

9) KunstvolleMusterinje20ZentimeterKernmaterial(entsprichtbiszu400Jahren):SchwarzeLagensindVulkanaschen,durchsetztmitBims-steinen.ImdrittenundviertenAbschnittsindkleineVerwerfungen,imfünfteneineFaltungzuerkennen,ausgelöstdurchErdbebenundvulkanischeAktivität.Diefeinenbraun-beigenSchichtensindtypische,vondenJahreszyklengeprägteSeesedimente.

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FORSCHEN 25

Interdisziplinäres Abenteuer

ZwölfBohrkerne,dasentsprichteinerTagesleistungvon18MeternerbohrtemSediment,verladendiefünfWissen-schafterinnenundWissenschafterheutevonderBohrplatt-formaufdasVersorgungsschiffAlikaptan.PaläobotanikerThomasLittvonderUniversitätBonnundGeologeFlavioAnselmettivonderEawagtauschenkurzdiewichtigstenInformationenaus,dannschippertderKahndiedreiFor-schendenunddrei«Drillers»derTagschicht–nach12Stun-denEinsatz–zurückindenkleinenHafenvonAhlat.

DreiMonatelanghatdasinterdisziplinäreTeammitFor-schendenausderSchweiz,DeutschlandundderTürkeimiteineramerikanischenBohrcrewinOstanatolienausdem400MetertiefenVanseeSedimentkerneerbohrt,insgesamtüber800Meter.Wellengang,derspezielleChe-mismusdesabflusslosenSees,unerwartetebürokratischeHürdenundeinefürdiemeistenfremdeKulturimKurden-gebietOstanatolienshabendasGrossprojektfüralleBe-teiligtenzurHerausforderungwerdenlassen.UnterstütztvomNationalfondsundderDeutschenForschungsgemein-

schaft,istdasmassgeblichvonderEawaginitiierteVor-habenTeildes«InternationalContinentalScientificDrillingProgram»(ICDP).DabeiistdaserfolgreicheBohrenderKernenurdieerstePhasedesProgramms.ImFebruar2011wurdendieKerneanderUniversitätBremenaufgeschnittenundzurZeitlaufendiedetailliertenUntersuchungen.

DiegutzählbarenJahreslagen,dieMöglichkeit,indendazwischeneingelagertenvulkanischenGläsernmitHilfevonArgon-IsotopendasabsoluteAlterzubestimmen,undvieleweitereIndizienmachendasVansee-SedimentzueinemeinmaligenArchiv.NichtnurfürdieRekonstruktionderGeschichtedesSeesundderumliegendenVulkane,sondernfürdieKlima-undUmweltgeschichteganzZentral-europas.EinsolcherRückblickübermehrereEis-undZwi-scheneiszeitenhinwegistetwaindenSchweizerSeennichtmöglich.SiewurdenallewährendderEiszeitenver-ändertodersindsogarerstnachdemRückzugdesEisesentstanden.Ewww.eawag.ch/vansee,Ewww.icdp-online.org

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ForschenLehrenBeraten

Mit der Ausbildung von Studierenden übernimmt die Eawag einen

wichtigen Auftrag in der Schweiz. Sie trägt dazu bei, dass Fachkräfte

im In- und Ausland die neuen Fragen bezüglich Wassernutzung und

Gewässerschutz ganzheitlich kennen und den nachhaltigen Umgang

mit der Ressource Wasser umsetzen können. 2010 hat die Eawag ihre

Lehranstrengungen wiederum auf konstant hohem Niveau gehalten.

Mehr als ein Fünftel des wissenschaftlichen Personals der Eawag

lehrte 2010 an Universitäten, der ETH Lausanne und ETH Zürich sowie

an Fachhochschulen. Die Zahl der betreuten Studierenden auf

Bachelor-, Master- und Diplomstufe hat in den vergangenen Jahren

stetig zugenommen. Noch deutlicher angestiegen ist die Zahl der

betreuten Doktorarbeiten, nämlich von 111 im Jahr 2009 auf 153 im

Jahr 2010.

An der Eawag lernen die Studierenden, sich im Umfeld lösungs-

orientierter Forschung einzubringen und sich auch international zu

messen. Sie erhalten die Gelegenheit, bei internationalen Forschungs-

projekten wie zum Beispiel dem Vansee-Projekt in der Türkei, mit-

zuarbeiten und in Forschungsprojekten mit externen Partnern zur

Lösung aktueller Probleme in der Praxis beizutragen. Die zahlreichen

Auszeichnungen der Arbeiten von Studierenden und jungen Forsche-

rinnen und Forschern der Eawag sind dafür ein Beleg.

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Jukka Jokela

Werbung für die Ökologie

«EshatdortmehrWasseralsLand»,sagtJukkaJokelaüberseineHeimat,dieFinnischeSeenplatte.DiesistmiteinGrund,warumderBiologedieaquatischenÖko-systemezuseinemHauptforschungsgebietmachte.NebenderForschungdozierterzudemregelmässigan

derETHZürich.«ImGrundemacheichbeidenStudierendenWerbungfürdieÖkologie.»ErwollesiezumDenkenanregen,ihnendieRichtungweisen.«IcherkläreihnendiegrossenKon-zepte–dieDetailsmüssensiesichselbsterarbeiten.»DieVor-lesungengebenihmauchdieMöglichkeit,seineigenesWissenaufzufrischenoderneueszuer-werben.Woesmöglichist,lässterzudemBeispieleausseiner

aktuellenForschungeinfliessen,zumBeispieldieWirt-Parasit-InteraktionenzwischenWasserschneckenundSaugwürmern.«Ichwillwissen,wiesichdiegenetischeVielfaltderWirtsorganismenimLaufderEvolutionver-ändert.»InderevolutionärenÖkologieseidieSchweizweltweitführend,wasJokelaschliesslichvorfünfJahrenandieEawagführte.ZudemwürdenhiervieleWissen-schafterausderganzenWeltzusammenarbeiten.«DieStudierendenprofitierenvondieserMischungverschie-denerKulturenundErfahrungen»,istderForscherüber-zeugt.

Armin Peter

Die Leidenschaft weitergeben«WenndieStudierendenersteinmalbisüberdieKnieimströmendenWasserstehenundeinenFischfangenkönnen,dannhabensiebegriffen,umwasesgeht»,sagtArminPeter,BiologeundDozentfürFischökologieundFlussrevitalisierungen.ObETH-StudierendeoderFach-leuteindenPraxisorientiertenEawag-Kursen–Peterwill

nichtnurseinWissen,sondernauchdieLeidenschaftfürseinFachgebietweiter-geben.«NaturnaheFliessgewässersindäusserstdynamisch,sowohlökologischalsauchphysikalisch»,sagter.DieFische

hättensogaretwasGeheimnisvolles:blitzschnellundvonblossemAugeschwerzuerkennen.«ErstdankunsererForschungsmethodenkönnenwirsiefüreinenAugen-blicksichtbarmachen.»InseinerForschunginteressiert

Peter,wiesichUmweltveränderungenaufdenLebens-raumderFischeauswirkenundwiesicheinverbauterFlusswiedernaturnahgestaltenlässt.«IndenletztenJahrenhatdieSchweizzwarvieleGewässerrevitalisiert–aufgrundderdichtenBesiedelungbestehtjedochnochimmergrosserHandlungsbedarf.»PeterfördertdiesenProzess,indemerBundundKantoneberatendunterstützt.SeinenStudierendenzeigternichtnurdieSchönheitderGewässer,sondernauchderenProbleme.«VielleichtsindsiespätereinmalinderPosition,überdieGestaltungvonFliessgewässernentscheidenzukönnen.Darumisteswichtig,sieschonfrühzeitigdafürzusensibilisieren.»

Max Reutlinger

Jugendliche begleiten und fördernSiekommenalsKinderundgehenalsjungeErwachsene:26LernendebeschäftigtdieEawagaktuellinDübendorfundKastanienbaum.ÜberdieHälftevonihnensindChemielaboranten,dieübrigenBiologielaboranten,kauf-

männischeAngestellteoderInformatiker.FürdieBerufsbildungver-antwortlichzeichnetseitfast40JahrenMaxReutlinger.1972,direktnachseinemChemie-studium,kamerandieEawag,wodamalserstzweiLernendezu

Chemielaborantenausgebildetwurden.«UrsprünglichwollteichdreiJahrebleiben,umeinneuesAusbildungs-programmaufdieBeinezustellen»,sagtReutlinger.DochdieArbeitgefielihmsogut,dasserbisheutegebliebenist.IndenletztenJahrzehntenhaterdieBerufsbildunglaufendweiterentwickelt–dieerstenseinervielenSchützlingesindmittlerweilebereitsüberfünfzig.«JedesJahrkommenwiederneueMenschenundmitihnenneueHerausforderungen–dasistes,wasmichmotiviert»,sagteer.DieJugendlichenindiesemrichtungsweisendenLebensabschnittzubegleiten,ihnenTürenzuöffnenundeineaussichtsreicheZukunftzuermöglichen–fürReutlingerwaresBeruf,aberauchper-sönlichesAnliegen.ImSommer2011gehterinPension.«DannwerdeichmehrZeitfürmeinezweiteLeiden-schafthaben.»ErwillOrchideenkartierenundzüchtenundsichimNaturschutzgebietEigentalaktivfürdenNaturschutzeinsetzen.

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Komplementäre ZusammenarbeitDie Eawag engagiert sich auch in der Ausbildung von Studierenden und pflegt ein enges Netzwerk mit Schweizer Hochschulen. Dadurch lassen sich Synergien nutzen und die Inter­disziplinarität fördern. In der Lehre stützt sie sich stark auf die eigene Forschung.

Obwohl die Eawag als Forschungs-institut des ETH-Bereichs primär inderForschungtätig ist,zeigtsieeingrosses Engagement in der Ausbil-dung von Studierenden. So lehrten2010 über 20 Prozent des wissen-schaftlichen Personals der Eawagan Universitäten, der ETH Zürich,derÉcolepolytechniquefédéraledeLausanne (EPFL) und an Fachhoch-schulen.

Insgesamtarbeiteten2010anderEawagachtordentlicheProfessorin-nen und Professoren, sieben davonlehrten an der ETH Zürich und anderEPFL.EawagundEPFLverstärk-ten ihre Zusammenarbeit mit zweineuenordentlichenProfessuren:dieProfessur für Umweltchemie derEawag-Direktorin Janet Hering, dieauch Professorin an der ETH Zürichist, und die Professur für Trinkwas-seraufbereitungvonUrsvonGunten.Kristin Schirmer, Leiterin der Abtei-lungUmwelttoxikologie,wurde2010ebenfallsanderEPFLzurTitularpro-fessorinernannt.

Diverse LehraufträgeVerschiedeneEawag-Angehörigeha-benzudemLehraufträgealsProfes-sorinnenoderProfessorenankanto-

nalenUniversitäten:MarioSchirmervonderAbteilungWasserressourcenund Trinkwasser ist TitularprofessorfürHydrogeologieanderUniversitätNeuenburg.AnderUniversitätBernunterhältdieEawaggemeinsammitdem dortigen Institut für Ökologieund Evolution einen Lehrstuhl; OleSeehausen, Leiter der AbteilungFischökologieundEvolution,hatdorteineProfessurimBereichderAqua-tischenÖkologieinne.

FürseineLehreüber Innovations-verhalten wurde Bernhard Truffer,Leiter der Abteilung Sozialwissen-schaftlicheInnovationsforschung(Ci-rus),vonderUniversitätBernkürzlichmiteinerTitularprofessurgewürdigt.MitHeikoGebauerbeteiligtsicheinzweiter Wissenschafter von CirusimBereichTechnologiemanagementan der Universität St.Gallen an derLehre.AnderUniversitätZürichsetztHans-Joachim Mosler von der Ab-teilungSystemanalyseundModellie-rungeinenSchwerpunkt imBereichUmweltpsychologie.

Fachliche SpezialisierungDer besondere Ansatz der Eawag-Lehre liegtdarin,dasssiesichsehrstark auf die eigene, auf Interdis-ziplinarität und ganzheitlichem Sys-temdenken basierende Forschungabstützt.DadurchkönnendieDozie-renden neustes wissenschaftlichesWissen vermitteln; die Studieren-den lernen dabei, sich im UmfeldlösungsorientierterForschunginderSchweiz und im Ausland einzubrin-genundsichweltweitzumessen.

Die Anzahl Dissertationen sowieBachelor- und Masterarbeiten mitEawag-Beteiligung ist 2010 im Ver-gleich zum Vorjahr insgesamt umrundeinDrittelangestiegen(153be-treute Dissertationen, 142 betreuteBachelor- und Masterarbeiten). Diemeisten dieser Arbeiten werden anderEawagdurchgeführt,dieStudie-rendenjedochinengerPartnerschaft

zwischenihrerjeweiligenHochschu-leundderEawagbetreut.DieseArtder Zusammenarbeit ermöglicht einkomplementäresLehrangebot:Wäh-rend die Hochschulen die Grund-ausbildung der Studierenden sicher-stellen,gewährleistetdieEawagdiefachlicheSpezialisierung.

Transfer in die PraxisDas hohe Niveau ihrer Arbeit unddamit auch ihrer Ausbildung zeigtsichunterandereminnationalenundinternationalen Auszeichnungen, dieEawag-Studierende regelmässig er-halten. So wurden für ihre Doktor-arbeitenimJahr2010LindaRobertsmitdemOtto-Jaag-Gewässerschutz-Preis und Natacha Pasche mit demHydrobiologie-Limnologie-Preis aus-gezeichnet.

Während die Doktorandinnen undDoktorandenderEawagzunehmendauch von ausländischen Hochschu-len stammen – 2010 entstand rundein Fünftel der abgeschlossenenDissertationen in ZusammenarbeitmiteinerHochschule imAusland–,erfolgt der Unterricht überwiegendin Zusammenarbeit mit SchweizerHochschulen,insbesondereauchmitjenenderfranzösischsprachigenKan-tone.DurchdiesesNetzwerklassensichgrosseSynergiennutzenunddieInterdisziplinaritätfördern.

Zudem erlaubt es, einen Teil derLehre,zumBeispielBlockkurseoderPraktika, an der Eawag durchzufüh-ren, wodurch sich die Bindung derjungen Forschenden an die Eawagals Institution verstärken lässt. Um-gekehrt ist es ein Anliegen derEawag,mitihrerLehreganzheitlichesund problemorientiertes Denken inderPraxiszuverankern. i i i

www.eawag.ch/lehreGut vernetzt: Die Eawag arbeitet in der Lehre eng mit anderen Hochschulen zusammen.

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LEHREN 29

Analysieren und kommunizierenIm Praktikum «Aquatische Systeme» lernen Studierende das methodische und analytische Handwerk der Wissenschaft. 2010 untersuchten sie an der Thur die Auswirkungen der Fluss­revitalisierung – und schafften es damit sogar in die Medien.

Wie funktioniert Wissenschaft, wiearbeiten Forscherinnen und For-scher?DaserfuhrenBachelorstudie-rendederUmweltnaturwissenschaf-ten der ETH im Praktikum «Aquati-sche Systeme» ganz konkret. «DieStudierenden sollen das gesamteSpektrumwissenschaftlichenArbei-tens an einem realen Forschungs-projekt erleben und erlernen», sagtPraktikumsleiterBernhardWehrli.EristProfessorfürAquatischeChemiean der ETH und forscht an der Ab-teilung Oberflächengewässer derEawag.

Ganzheitlich denken2010fanddasjährlichdurchgeführtePraktikumander renaturiertenThurbei Frauenfeld im Rahmen des Re-vitalisierungsprojekts Restored cor-ridor dynamics (Record) der Eawagstatt.NebenWehrlibetreuteneinzel-neForschendederdreiAbteilungenWasserressourcenundTrinkwasser,Umweltchemie und Gewässeröko-logiesowievomInstitutfürBiogeo-chemie und Schadstoffdynamik derETH Zürich die Studierenden. «WirwollendieInterdisziplinaritätunddasganzheitlicheSystemdenken,dasdieEawag-Forschungauszeichnet,auchdenStudierendennäherbringen»,er-klärtWehrli.

Ziel des Praktikums war zudem,die rund 20 Studierenden mit denmodernen Methoden der Probe-nahmeundderphysikalischen,che-mischen und biologischen Analyseeines Gewässersystems bekanntundvertrautzumachen.Nichtzuletztgingesauchdarum,Erfahrungen inderArbeitimTeamzusammeln.

Während rund 30 Tagen verteiltaufdasWintersemestererforschtendie angehenden Wissenschafterin-nenundWissenschafterAuswirkun-gen der Thur-Revitalisierung auf dieGrund-undFlusswasserqualität, dieökologischen Verbesserungen desLebensraumes oder den Einflusschemischer Verunreinigungen ausdennahenKläranlagenaufdasÖko-system. In verschiedenen Arbeits-gruppen befassten sie sich jeweilsmit einem Thema aus dem Bereich

Umweltchemie,Mikrobiologie,Mak-robiologieundUmweltphysik.

DieTeilnehmendenspieltendabeidengesamtenAblaufwissenschaft-licher Forschung durch: von derkonkretenFragestellungüberProbe-nahmenimFeld,AnalysenimLabor,die Aufbereitung und Auswertungder Daten bis zur Dokumentation,Präsentation und Diskussion derErgebnisse. Die einzelnen Prozess-schritte hatten sie individuell ineinem Feld- und Laborbuch und alsGruppeinFormvonProtokollenundFotos zu dokumentieren. In einemIntegrationsblock am Schluss desKursesstelltendieGruppeneinanderihreArbeitenundErkenntnissevor.

In der ZeitungWiesichwissenschaftlicheSachver-halteundResultateambesteninderÖffentlichkeitkommunizierenlassen,erläuterte schliesslich der Medien-verantwortliche der Eawag, AndriBryner. Die jungen Forschenden or-ganisierten unter seiner Anleitungeine öffentliche Exkursion und ver-fassten zwei Artikel, die von einzel-nenMedientatsächlichaufgegriffenwurden und zum Beispiel Eingangin einen Zeitungsbeitrag der NZZfanden. i i i

Die Renaturierung wirktDerrund700MeterlangerenaturierteAbschnittderThurunterhalbvonFrauenfeldbeherbergtimVergleichzumkanali-siertenBereicheineüberdurchschnittlicheVielfaltvonKiesel-algenundInsekten.DiesisteinederErkenntnisseausdemletztjährigenPraktikum«AquatischeSysteme».Imrevitalisier-tenFlussabschnittfandendieStudierendenzumBeispiel23ArtengruppenvonInsektenlarven,50Prozentmehralsimbegradigten.DarunterbefandensichauffälligvieleSteinflie-gen,diehoheAnsprücheanihrenLebensraumstellen.VondenpositivenResultatenwarensogargestandeneForschendeüberrascht.

www.ibp.ethz.ch/research/aquaticchemistry/teaching/Systempraktikum

Kontakt:Prof.BernhardWehrli,[email protected]

Die angehenden Umweltwissenschafter bei den Probenahmen an der Thur.

Öffentlichkeitsarbeit: Die Studierenden organisierten eine Exkursion, die lokal auf reges Interesse stiess.

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Sich praxisorientiert weiterbildenDie Praxisorientierten Eawag­Kurse (Peak) vermitteln aktuelles Wissen aus der Wasserforschung und fördern den Dialog zwischen der Forschung und der Praxis. Das Verhalten von Nano­materialien in der Umwelt, Trinkwasserqualität in Entwicklungsländern sowie Methoden zur Untersuchung von Grundwasser waren 2010 wichtige und aktuelle Weiterbildungsthemen.

Nanopartikel – oft in Verbindung mit Metallen – findenKonsumentinnen und Konsumenten immer häufiger inAlltagsprodukten wie Putzmitteln, Kleidern, Medika-menten oder als Bestandteil von Fassadenanstrichen.Trotzdem sind die Kenntnisse über das Verhalten derwinzigen,einigemillionstelMillimetergrossenTeilcheninderUmweltunddiedamitverbundenenRisikennochsehrlückenhaftundauchinderFachweltnurwenigverbreitet.ZusammenmitderEmpaundweiterenPartnernerforschtdie Eawag seit mehreren Jahren verschiedene Fragen-komplexeimZusammenhangmitderUmweltproblematikvonNanopartikeln.DieEawagkanndabeiauflangjährigeErfahrungen bei der Erforschung der Chemie und Öko-toxikologievonMetallenaufbauen.

Mit Fachkollegen austauschenDementsprechendwaresdasZieldes2010imRahmendesWeiterbildungsprogrammsPeak(sieheKasten)statt-findenden Vertiefungskurses «Metalle und synthetischeMetallnanopartikel in der aquatischen Umwelt», den ak-tuellenStanddesWissensinderChemie,Ökotoxikologieund Analytik von Metallen und Metallnanopartikeln inaquatischen Systemen zu vermitteln. Laura Sigg undRenata Behra von der Abteilung Umwelttoxikologie undRalf Kägi von der Abteilung Verfahrenstechnik stelltenden Fachleuten aus der Praxis neue Erkenntnisse undForschungsresultate der Eawag und der Empa vor unddiskutiertensiemitihnen.

«Eine solide Analytik ist die Basis für eine Risiko-beurteilung», fassteinerder rund30AbsolventenseineErkenntnisseausdemzweitägigenKurszusammen.Teil-genommenhabenvorallemFachleuteauskantonalenGe-wässerschutzämternundLaboratoriensowieausprivatenAnalyselabors und Umweltbüros. Der Kurs zeigte auch,wiewenigmanüberNanopartikelzurzeitnochweiss.SogebeesbeispielsweisenochkeinanalytischesVerfahren,dasineinemnormalenUmweltlaborangewendetwerdenkönne,wieeinandererTeilnehmerfeststellte.

Die Kursbesuchenden schätzten besonders den an-geregten Austausch mit anderen Fachpersonen, diePräsentation konkreter Fallbeispiele und Daten sowiedass der Anlass theoretisches Wissen mit praktischerAnwendung verband. Einen allgemeinen Wissens- undWeiterbildungsbedarf orteten sie insbesondere bei denanalytischenMethoden,derRisikobeurteilungund-hand-habungsowiebeidenrechtlichenGrundlagen.

Praktikable Lösungen aufzeigenBeim international ausgerichteten Vertiefungskurs«Improvement of drinking water quality in developingcountries» unter der Leitung von Annette Johnson vonder Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasser undRickJohnstonvonderAbteilungWasserundSiedlungs-hygiene in Entwicklungsländern war die Verbesserungder Trinkwasserqualität in Entwicklungsländern Thema.Die beiden Forschungsabteilungen der Eawag befassensichunteranderemmitderProblematikvonmikrobiellenund geologisch bedingten Verschmutzungen von Trink-wasserquellen.NebenHygienemangelstellenArsen-undFluorid-Kontaminationen von Trinkwasser in verschiede-nen Regionen Südostasiens eine wichtige Ursache fürErkrankungendar.

Die Sanierung von verschmutzten TrinkwasserquellensetztvertiefteKenntnisseunddieVerfügbarkeitmodernerTechnologienvoraus,die–andersalsinbetroffenenEnt-wicklungsländern–anderEawagverfügbarsind.DaherhatdieEawagmitlokalenPartnernUntersuchungenundForschungsaktivitätenentwickelt,umdieVerbreitungderProblematikzuuntersuchenundLösungenzuerarbeiten,diedenMöglichkeitenderBetroffenenangepasstsind.

Der Kurs wandte sich an Wasser- und Hygienefach-leute, die in Entwicklungs- und Schwellenländern indiesenBereichenaktiv sind. InVorträgenundGruppen-arbeitenwurdedieProblematikaufgezeigt,vertieftundeswurden Lösungsansätze erarbeitet. Die Teilnehmendenschätzten am Weiterbildungsanlass vor allem den ganz-heitlichenAnsatzderVeranstaltungsowiediemotivierteundkompetenteLeitung.Aufmerksam folgen die Kursteilnehmenden den Ausführungen von Ralf Kägi.

LEHREN 31

Effiziente Methoden kennen lernenEin dritter Weiterbildungskurs des vergangenen Jahresorganisierte die Eawag zum Thema «Moderne Unter-suchungsmethodenzurBewirtschaftungvonGrundwas-ser».GrundwasseristdiewichtigsteTrinkwasserquelleinvielenRegionenderWelt.DieErneuerungvonGrundwas-ser kann je nach klimatischenBedingungenund lokalenVerhältnissenwenigeWochenbisTausendevonJahrendauern.Verunreinigungenwirkensichdementsprechendunterschiedlich rasch auf Wasserversorgungen aus und

entsprechend schwierig und langwierig kann sich ihreEntfernunggestalten.

Speziell bei der Erkundung von Altlasten in Grund-wasserschichtensinddeshalbeffizienteUntersuchungs-methoden von sehr grosser praktischer Bedeutung. IhrEinsatz ist ein wichtiger Kostenfaktor und bedarf einersorgfältigenPlanung.EduardHoehnundMarioSchirmervon der Abteilung Wasserressourcen und Trinkwasserzeigten imKursanhandderFlussrevitalisierungderThurbeiNiederneunforn(TG),wasdieAnalysevonZeitreihenunddiesogenannteDirect-Push-Methodeleistenkönnen.BeiLetzterer treibtmanmiteinemspeziellenBohrgerätschnellundkosteneffizientkleineSondenfürMessungenoderProbenahmenindenUntergrund.

Die Teilnehmenden lernten, wie sich mit Hilfe vonZeitreihen zur Temperatur und elektrischer LeitfähigkeitEigenschaften des Grundwassers herleiten lassen. Zu-demerfuhrensie,wiemanaufgrundvonIsotopenunter-suchungen die Wege des Wassers und jene von Ver-schmutzungenverfolgenkann.

Aktuelles Wissen weitergebenNeben den drei vorgestellten Kursen standen 2010zum wiederholten Mal die Kurse «Elektrofischen fürAusbildner» und «Chemische Umweltanalytik» auf demProgramm.ImBereichElektrofischenistdieEawaginderSchweiz die einzige Institution mit der entsprechendenKompetenz, während die Umweltanalytik ein dynami-schesGebietmiteinemhohenBedarfanWissenstransferdarstellt.ZudemführtedieEawag imvergangenenJahrauch wieder den äusserst beliebten Kurs «Fische inSchweizerGewässern»durch,bei demdieTeilnehmen-den die heimische Fischfauna und deren Biologie undÖkologiekennenlernten. i i i

Praxisorientierte Eawag­Kurse (Peak)DiePraxisorientiertenEawag-KurserichtensichanFachleuteausWirtschaft,Verwaltung,Ingenieur-undUmweltbüros.SievermittelnaktuellesWissenundstärkendenAustauschunterdenTeilnehmendensowiezwischenWissenschaftundPraxis.JährlichwerdenfünfbiszehnVeranstaltungendurchgeführt.

DiePeakwurden1993insLebengerufen,umneueErkennt-nisseundResultateausderEawag-ForschungderPraxisdirektzugänglichzumachenunddabeigleichzeitigErfahrun-genauszutauschen.NachdenLehr-undFortbildungskursen«ChemischeWasseranalyse,InterpretationderWasserquali-tät»,welchedieEawaginden1970er-Jahrenangebotenhatte,warendiePeaknebendemNachdiplomstudiumunddemNachdiplomkurs«SiedlungswasserwirtschaftundGe-wässerschutz»daserstesystematischeWeiterbildungsange-botderEawag.DieKursewurdenalsfreiwählbareModuleauchindasNachdiplomstudiumbeziehungsweiseindenNachdiplomkurseinbezogen.

BasiskursevermittelndieGrundlagenfürdasVerständnisvonUmweltproblemensowieeinenaktuellenÜberblicküberdiejeweiligeThematik.VertiefungskursegebeneineGesamtsichtvonUmweltproblemenanhandkonkreterBeispieleundFall-studien,währendAnwendungskursedemErlernenpraktischerMethodenzurErfassung,VermeidungundVerminderungspezifischerUmweltproblemedienen.DieKursedauerninderRegelzweibisdreiTageundbeinhaltenVorlesungen,ÜbungenundGruppenarbeiten.

BisEnde2010hatdieEawag31verschiedeneVertiefungs-,16Basis-und28Anwendungskursedurchgeführt,einigedavonsogarmehrmals.GemeinsammitderEidgenössischenTechnischenHochschuleLausanne(EPFL)unddemInstitutderechercheensciencesettechnologiespourl’environne-ment(Cemagref)inLyonhatsieinderselbenZeitperiodejähr-licheinbiszweiÖkotoxikologie-KursefürdiePraxisorganisiert–einAngebot,dasab2008dasneugegründeteOekotox-zentrum(sieheSeite44)übernimmt.

www.eawag.ch/lehre/peak

Kontakt:Dr.HerbertGüttinger,[email protected]

Gut besucht: Der Kurs zum Thema Nanopartikel in der aquatischen Umwelt rief grosses Interesse hervor.

Analysemethoden für Nanopartikel werden vorgestellt.

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Den Horizont erweiternIn den Summer Schools der Eawag haben junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter die Möglichkeit, sich mit Spitzenforschenden auszutauschen. Eawag­Direktionsmitglied Peter Reichert betont die internationale Ausrichtung und den Weiterbildungscharakter der Veranstaltungen.

Was unterscheidet eine Summer School vom normalen Lehrbetrieb einer Hochschule?EineSommerschuleistinvielenAspektenmiteinerBlock-veranstaltung, bestehend aus Vorlesungen, Workshops,ÜbungenundPraktikaaneinerHochschulevergleichbar.DiewesentlichstenUnterschiedesind,dassmanbeieinerSommerschuleinderRegelaufeinbreites, internationalverankertesFeldvonReferierendenzurückgreiftunddassdie Sommerschule auch für Teilnehmende internationalausgeschriebenwird.DieserinternationaleAustauschisteinwesentlicheszusätzlichesElementvonSommerschu-len.ZudemfindensiejeweilsindervorlesungsfreienZeitderSemesterferienstatt.

Was ist die Idee hinter den Eawag-Sommerschulen?Der Dialog zwischen den eingeladenen Wissenschaf-terinnen und Wissenschaftern und dem internationalenFeldderTeilnehmenden imRahmeneiner längerenVer-anstaltung soll den Horizont erweitern und kann auchkonkretzuneuenForschungsideenbeitragen.Ausserdemergibt sich für Eawag-Mitarbeitende die Möglichkeit,mit deneingeladenenForschenden inKontakt zu tretenundsichintensiverauszutauschen.Insbesonderekönnendie Gastwissenschafterinnen und -wissenschafter ihrenBesuch für einen ausgedehnteren Aufenthalt zur For-schungszusammenarbeitkombinieren.EinweitererProfitfürdieEawagistdieWeiterbildungihrerDoktorierenden.Schliesslich tragen Sommerschulen auch zur ErhöhungderSichtbarkeitderEawagindenbetreffendenGebietenbei.

An wen richten sich die Veranstaltungen?Die Eawag-Sommerschulen richten sich primär an Dok-torierende.WegenderMitfinanzierungdurchdasDokto-rierendenförderprogrammdesSchweizerischenNational-fondswardieTeilnahmebeieinerderbeidenletztjährigenSommerschulen in Kastanienbaum im Wesentlichensogar auf Doktorierende beschränkt. Die zweite Som-merschule und jene in Dübendorf waren dagegen füralle Interessentinnen und Interessenten offen. Für dieAuswahl waren der Lebenslauf, der aufgrund des Moti-

vationsschreibens zu erwartende persönliche Profit undReferenzenwichtig.BeiderSommerschuleinDübendorfwurdezudemaufeineausgewogeneBeteiligunginternerund externer Teilnehmender geachtet. Das erlaubt deninternen Teilnehmenden, sich in einem internationalenUmfeldweiterzubilden.

In welchem Rahmen finden die Sommerschulen an der Eawag statt?DieEawaghatdazukeinestarrenRichtlinien.DieOrga-nisierenden der Sommerschulen können über den Rah-men weitgehend selber entscheiden. Wichtige Kriteriensind die Verfügbarkeit der Referierenden und der Um-fang des gewählten Themas. Wegen der WichtigkeitdespraktischenTeilswurdenzumBeispiel2010einederSommerschuleninKastanienbaumzweiwöchigdurchge-führt,währendsichdieanderenauffünfbissiebenTagebeschränkten.

Finden die gleichen Kurse regelmässig statt?Die Sommerschule in Dübendorf fand bereits zweimalzumThema«Environmentalsystemsanalysis»stattundwirdauch2011wiederzudiesemThemaangeboten.DadieSommerschulenwenigerdirektmitdemMandatderEawag verknüpft sind als die Weiterbildung von Fach-leuten in der Schweiz, besteht für die OrganisierendeneingrosserFreiraum.EinwichtigesKriterium,eineSom-merschule durchzuführen, ist sicher der oben erwähnteerwartete Zusatznutzen für die Eawag. In Abhängigkeitvom Thema, der zur Verfügung stehenden externenReferierenden und dem internen Weiterbildungsbedarfkann sich dieser Zusatznutzen mit der Zeit ändern. AusdiesemGrund istesnicht sinnvoll, sich längerfristig aufeinregelmässigesAngebotzuverpflichten.

Wie finanziert die Eawag ihre Summer Schools?DiedirektenAuslagenderSommerschuleninKastanien-baumwurden2010zueinemgrossenTeildurchdasDok-torierenden-Förderungsprogramm des SchweizerischenNationalfondsunddasNetzwerkprogramm«Frontiers inspeciationresearch»derEuropeanScienceFoundationfi-nanziert. Jene in Dübendorf wurden durch Beiträge derTeilnehmendengedeckt.DieEawagunddieHeiminstitu-tionenderexternenReferierendenhaben in allenFällendieSalärkostenderReferierendengetragen.PeterReichertistLeiterderForschungsabteilungSystem-

analyseundModellierungderEawag,TitularprofessoramDepartementfürUmweltwissenschaftenderETHZürichundMitgliedderEawag-Direktion.IndieseristerverantwortlichfürdasRessortWeiterbildung.

Kontakt:[email protected]

LEHREN 33

Referentin Katie Peichel vom Fred Hutchinson Cancer Research Centre, USA, beobachtet Stichlinge im Kurs über Artbildung.

Ein Doktorand der Universidad de Granada, Spanien, präsentiert sein Poster über Artbildungsprozesse bei Pflanzen.

Kursteilnehmende bei der Probenahme auf dem Vierwaldstättersee im Rahmen der Sommerschule über Schadstoffdynamik und die Biogeochemie von Seen.

Abwechslungsreiches Programm2010 führte die Eawag drei Sommerschulen durch. DieSommerschule «Environmental systems analysis» vonPeter Reichert, Leiter der Abteilung Systemanalyse undModellierung, befasste sich mit modellbasierter Daten-analyse in den Umweltwissenschaften. In der Wissen-schaft haben mathematische Modelle zum Testen vonHypothesen,zurZusammenfassungundKommunikationdesWissensundfürPrognoseneinegrosseBedeutung.Der Kurs vermittelte einen Überblick über systemana-lytischeTechniken,diewichtigsindfürdiemodellbasierteDatenauswertung, und ermöglichte erste Erfahrungen,wie man diese Techniken praktisch einsetzen kann. Zu-dem bekamen die Teilnehmenden Hilfestellungen zurAuswertung ihrer eigenen Daten. Die rund 35 Teilneh-mendenwarenvorallemDoktorierende,vereinzeltjedochaucherfahrenereForschendeundLeuteausderPraxis.

Die Sommerschule «Methods of empirical speciationresearch»vonOleSeehausen,LeiterderAbteilungFisch-ökologieundEvolution,hattedieEntstehungneuerArtenzum Thema. Die Teilnehmenden lernten die wichtigenklassischenundneuenKonzepteimBereichArtbildungs-forschungkennenunderhieltenEinblick indiemoderneMethodik insbesondere imBereichPopulationsgenomik.Zudem wurden interdisziplinäre Forschungsansätze dis-kutiert. Der Anlass bot auch die Möglichkeit, sich mitSpitzenforschernauszutauschen.DerKursrichtetesichanDoktorierende,Postdoktorierendesowieaussergewöhn-lich qualifizierte und motivierte Masterstudierende undwarauf25Teilnehmendebeschränkt.

DieSommerschule«Understandingandmodellingpol-lutantdynamicsandbiogeochemistryinlakes»vonBern-hard Wehrli von der Abteilung OberflächengewässerbefasstesichmitderSchadstoffdynamikundBiogeoche-mie von Seen. Die rund 20 Teilnehmenden lernten ver-schiedene quantitative Ansätze kennen, um organischeChemikalien und biogeochemische Schlüsselstoffe zuanalysieren und deren Schicksal und Verhalten in Seenvorherzusagen. Zudem bestand im Rahmen des Kursesdie Möglichkeit, die Auswertung eigener Daten zu dis-kutieren.AuchdieseSommerschulerichtetesichinersterLinie an Doktorierende und qualifizierte und motivierteMasterstudierende. i i i

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Im Wald für Beruf und Leben lernenNeben den beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten fördert die Berufsbildung der Eawag gezielt auch die Sozial­ und Selbstkompetenz der Lernenden. Die Fähigkeit, das eigene Handeln zu reflektieren, und eine hohe Kommunikationskompetenz sind für die angehenden Berufsleute wichtige Schlüsselqualifikationen, um im heutigen Arbeitsmarkt zu bestehen.

InderSchweizmit ihremdualenBildungssystemabsol-vieren rund zwei Drittel aller Jugendlichen eine beruf-liche Grundausbildung. Damit stellt die Berufslehre diebedeutendste Form der Erstausbildung dar. Die Eawaghatsichbereits1997inihremLeistungsauftragzurLehr-lingsausbildungbekannt.SieverpflichtetsichgegenüberderÖffentlichkeit, imRahmendesschweizerischenBe-rufsbildungssystemsamAusbildungsauftragmassgeblichmitzuwirken.Die Eawag bildet in erster Line Laborantinnen und La-boranten der Fachrichtungen Biologie und Chemie aus.DanebenbietetdasForschungsinstitutnachMöglichkeitauchLehrstellen imkaufmännischenBereichund inderInformatikan.DieLernendenstammeninderRegelausdemGrossraumZürich. ImSchuljahr2010/2011sindanderEawag27Lernendeangestellt(sieheTabelle).

Lernen im eigenen LaborMit dem Inkrafttreten verschiedener neuer Bildungs-verordnungen in den vergangenen Jahren wurde dieBerufsbildung in der Schweiz auf ein neues Fundamentgestellt.ZieldermodernenBerufsbildungistdieArbeits-

marktfähigkeit der ausgebildeten jungen Erwachsenen.Die Berufsbildung ist deshalb nicht mehr mit straffenGesetzengeregelt.DieneuenBildungsverordnungenundBildungspläne setzen vielmehr bloss die Rahmenbedin-gungen, innerhalb derer die verschiedenen Berufs- undIndustrieverbändediezuvermittelndenunddemmoder-nen Arbeitsmarkt angepassten Lerninhalte ausarbeiten.DieKantonestellendiePlanungundDurchführungsicherundorganisierendieQualifikationsverfahren,diezumAus-stellen der Eidgenössischen Fähigkeitszeugnisse (EFZ)führen.

Die übliche Form der Berufslehre hierzulande basiertaufeinerzweigleisigenAusbildung ineinemLehrbetriebundinderBerufsbildungsschule,ergänztmitkantonalenüberbetrieblichenKursen,diegrundlegendeFertigkeitenvermitteln. Da die Eawag in Dübendorf für die ange-hendenLaborantinnenundLaborantenderFachrichtungChemie füreinehochwertigeGrundausbildungeineige-nesLehrlaborbetreibt–woauchdieLernendenderEid-genössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt(Empa)ausgebildetwerden–,sinddieseLernendenvondenkantonalenüberbetrieblichenKursenbefreit.

Neben der Vermittlung der gewohnten praktischenLerninhalte (FähigkeitenundFertigkeiten) undder theo-retischenLerninhalte(FachwissenundAllgemeinbildung)siehtdieBerufsbildungderEawagihreAufgabevorallemdarin, bei den Lernenden die für ihren Beruf wichtigenHandlungskompetenzen zu entwickeln. Die BerufslehreanderEawagsolldemzufolgeeinÜbungsfelddarstellen,in dem sich die angehenden Berufsleute die erforder-lichen Kompetenzen in echten, dem Berufsalltag ent-sprechendenSituationenaneignenunddieseanwendenkönnen.

Berufsbildner als VorbilderIm Unterschied zur Berufsbildung in der Vergangenheitliegt die Gewichtung heute stärker auf der SchulungvonSozial-undSelbstkompetenz.DiedamitverbundeneFähigkeit, das eigene Handeln zu reflektieren und da-rausSchlüsseabzuleiten,ermöglichtesdenLernenden,in neuen Situationen adäquat agieren zu können. Einezentrale Rolle spielen dabei die Berufsbildner, welchedie Lernenden auf den verschiedenen Stationen desPraxisalltagsbegleiten.SiesindVorbilder,undihreWerte,Haltungen und Einstellungen beeinflussen die Entwick-lungderLernendenineinemnichtzuvernachlässigendenMass. Teamfähigkeit ist in der modernen und globali-sierten Arbeitswelt ebenfalls eine Grundvoraussetzung.Sie bedingt viel Sinn für Kommunikation sowie grosseBelastbarkeitundKonfliktfähigkeit.

Zu Beginn der Berufsausbildung schulen die Lernenden in einer Waldprojektwoche in Bergün Teamfähigkeit und Sozialkompetenz.

LEHREN 35

MitdemZiel,dieSozialkompetenzunddiepersönlicheEntwicklung der Lernenden zu fördern, organisiert dieEawag verschiedene Lehrlingslager. Ihre neue Lebens-undAusbildungsphasebeginnendieangehendenBerufs-leute mit einer Waldprojektwoche in Bergün unter demPatronatderBildungswerkstattBergwald.Siesinddabeivon Anfang an gefordert, sich unter nicht alltäglichenUmständenindieGruppezuintegrieren,undlernen,ver-schiedene Ziele in Teamarbeit zu erreichen. Neben denTätigkeiteninderNaturbearbeitensieunterderAnleitungeinesprofessionellenLerncoachsdasThemaLernen.

Weitere Lager werden hauptsächlich von den Berufs-lernenden selbst organisiert und gestaltet. In der RegelwirddabeieinWochenthemafestgelegt,dassieeinzelnoderinGruppenvertieftbearbeiten,dazuVorträgehalten,Diskussionenführenundlernenzuargumentieren.

Einblick in verschiedene GebieteWiegestaltetsichdiefachlicheAusbildunganderEawag?Die Berufslernenden verbringen jeweils drei bis sechsMonate am gleichen Ausbildungsplatz und wechselndann in eine andere Arbeitsgruppe oder Abteilung. DieAusbildung ist dementsprechend breit und gibt Ein-blicke in ganz unterschiedliche Arbeitsgebiete. InterneTheorieanlässe vertiefen und ergänzen die praktischenAusbildungsinhalteunddenSchulstoff.ImFallderLabo-rantinnenundLaborantenarbeitetdieEawagzudemmit

verschiedenenexternenBildungspartnernzusammen.BeidiesenerwerbendieLernendenunteranderempraktischeBerufskenntnisseundFertigkeitenuntergewerblich-kom-merziellenBedingungeneinesRoutinebetriebes.

KontinuierlicheAus-undWeiterbildungwerdenanderEawag grossgeschrieben. Daher ermuntern die Berufs-bildner die Lernenden, ergänzend zu deren Ausbildungauch die eidgenössische Berufsmaturität zu absolvie-ren, die bei erfolgreichem Bestehen einen nahtlosenÜbertritt an eine entsprechende Fachhochschule er-möglicht. i i i

LernendeanderEawag(2010/2011)

Beruf 1.Lehrjahr 2.Lehrjahr 3.Lehrjahr

Laborant/inEFZBiologie 1 1 1

Laborant/inEFZChemie 6 6 7

Informatiker/inSystemtechnik 1 – 1

Kauffrau/Kaufmann 1 1 1

Total 9 8 10

www.eawag.ch/lehre/bb

Kontakt:SamuelDerrer,[email protected]

AusgezeichnetDerBerufsverbandfürInformations-undKommunikationstechnologie,ICT-Berufs-bildungSchweiz,hat2010dieAbschlussarbeitvonRaphaelRietmannvonderEawagalseinederzehnbestenFacharbeitenderSchweizimSchwerpunktSystemtechnik

ausgezeichnet.DieArbeitmitdemThe-ma«DieImplementierungundIntegrationeinesEdge-Transport-ServersineinerExchange-2007-Organisation»hattezumZiel,mithilfeverschiedenerAntispam-FilterundTransportregelnSpammailsvonerwünschtenMitteilungenzutrennenundzuüberprüfenbeziehungsweisesicher-zustellen,dassLetzterekorrektzugestelltwerdenkönnen.

«Wirsindstolz,dassunsereLernendensoengagiertundwissbegierigsind»,sagtBouzianeOutiti,deranderEawagfürdieAusbildungderLernendenimBereichInformatikverantwortlichist.«MiteinemsolchenEngagementistdieLehresowohlfürdenBetriebalsauchfürdenLernen-deneingrosserGewinn.»NachdemerfolgreichenLehrabschlusswarRaphaelRietmannbiszuseinemMilitärdienstals

InformatikeranderEawagangestelltundzuständigfürdieSoftwareverteilungüberdasNetzwerk.NachdemMilitärhatervor,einStudiumaneinerhöherenFachschuleaufzunehmen.

Übungsfeld für die Praxis: in der Gruppe neues Wissen und Lösungen erarbeiten.

ForschenLehrenBeraten

Die Basis guter Beratung ist ausgezeichnete Forschung. Die Eawag

fördert den Transfer ihres Know-how in die Praxis und schafft

deshalb innerhalb ihrer Institution Anlaufstellen für Fachleute von

Behörden und Industrie. Im September 2010 hat das Kompetenz-

zentrum Trinkwasser (CCDW) an der Eawag seine Arbeit aufgenom-

men. Als Plattform für Forschung im Bereich Trinkwasser wird es

Behörden, Wasserversorger und Partner unterstützen.

Ein Beispiel ist die Begleitung der beiden Basler Kantone mit wissen-

schaftlicher Expertise für die Trinkwasseraufbereitung im Hardwald.

Die Eawag sucht aber auch die Zusammenarbeit mit den nationalen

Behörden. Im Projekt «Integriertes Fluss-Management» erarbeiteten

Wissenschafter neue Erkenntnisse für Bund und Kantone und gaben

diese in einer gemeinsam mit dem Bundesamt für Umwelt veranstal-

teten Tagung an die Praxis weiter. Im Projekt «Komet» wurden im

gegenseitigen Wechselspiel Messmethoden und Vorhersagemodelle

entwickelt, um Umwandlungsprodukte von Pestiziden, Bioziden und

Pharmaka zu identifizieren, die aufgrund ihrer Konzentrationen und

Effekte gewässerrelevant sind. Die Eawag leistet mit solchen Projekten

einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung des Gewässerschutzes in

der Schweiz.

Hansruedi Siegrist

Beraten und forschen Hand in Hand

«MitderZeitverliertmandieAbscheudavor»,sagtHansruediSiegrist.ErsprichtvomSiedlungsabwasser–seinemHauptforschungsgebiet.«MeineFreundeschauenaberschonmanchmalkomisch,wennichbeimAbendessenvonmeinerArbeiterzähle.»Denstudierten

ChemikerundBau-ingenieurinteressierendieProzesse,diebeiderReinigungvonAbwasserablaufen.Vor30JahrenkamerandieEawag:DamalsgingesinersterLiniedarum,dieNährstoffeausdemAbwasserzuentfernen.

SpäterkamendieanthropogenenSpurenstoffehinzu.NebenseinerForschungstätigkeitwirdSiegristhäufigvonKläranlagen,IngenieurbürosundÄmternalsExpertehinzugezogen,umAnlagenundProzessezubeurteilen.UmgekehrtergabensichauchschonneueForschungs-gebieteausBeratungsprojekten.SofragteunlängsteinKläranlagen-Betreiberan,obesmöglichwäre,denStickstoffimAbwasserstattmikrobiellabzubauenzuDüngerzuverarbeiten.«Daranforschenwirzurzeit»,sagtSiegrist.DenKontaktzudenunterschiedlichenAkteurenschätzterbesondersanseinerTätigkeit:«DieAbwasserforschungistinterdisziplinär–dashatmichimmerfasziniert.»

Inge Werner

Natur vor dem Menschen schützenWannisteinchemischerStofftoxisch?«DieseFrageistnichttrivial»,sagtIngeWerner.«Woranerkenneich,obeinFischvergiftetist?»AlsLeiterindesOekotoxzent-rumserarbeitetdieBiologinMethoden,umdieGiftigkeitvonChemikalienzumessen,zubewertenundzuredu-zieren.«Esistzueinfach,dafürnurdenToddesOrganis-

muszuberücksichti-gen»,sagtsie.WiegiftigeineSubstanzsei,sehemanunterande-remauchdaran,obdieinnerenOrganeeinesTiersgeschädigtseienoderwieerfolgreichsichdieArtfortpflanze.Zusammenmitihren

14MitarbeitendenentwickeltsiedeshalbVerfahren,umdenEinflussvonSchadstoffenaufdieUmweltzubestim-men.DieBandbreitereichtvonUntersuchungenmitAlgenoderZuckmückenbishinzuTestsaufzellulärerEbene.VorallemBundundKantonemachenvondieser

DienstleistungGebrauch.GefragtsindzudemExpertisenzukonkretenFragestellungenwiedieBehandlungvonAbwasserundDeponiesickerwasser.UndfürFachleuteausderPraxisbietetdasZentrumauchWeiterbildungs-kurseinÖkotoxikologie.SchonvorihremStudiumbe-fassteWernersichmitdenThemenÖkotoxikologieundGewässerschutz:DiedamaligeFremdsprachensekretärinentschiedsichfüreineZweitausbildungindiesemBereich,«weilwirdieUmweltvorunsselberschützenmüssen».

Alfred Wüest

Wissenschaft ist kein Selbstzweck«Ichfühlemichverpflichtet,meinWissenderGesell-schaftzurVerfügungzustellen»,sagtAlfredWüest.ErwolledieWissenschaftnichtumihrerselbstwillenbetreiben,sonderndazubeitragen,dienatürlichenGewässerzuerhalten.«BeimeinerArbeitgehtesumdasGleichgewichtzwischenNutzungundSchutzder

natürlichenGewässer»,sagtWüest.Derstu-dierteTeilchenphysikererstelltheuteExper-tisenfürkantonaleUmweltämter,Wasser-kraftwerkeoderOrga-nisationenimAusland.ImZentrumdesbishergrösstenProjektsstand

derBrienzersee:«VoretwazehnJahrenstelltendieFischerfest,dassdieFischeimSeekaummehrwuch-sen.»BeiderAnalysewurderaschklar:DerSeeführtheutedeutlichwenigerNährstoffealsfrüher,wodurchdasliebsteFressenderFische,dieWasserflöhe,fastausstarb.WüestundseineKollegenfandenheraus,dassdieKläranlagenheutenichtmehrPhosphatdemSeezuführen,alsvondenStauseenamGrimselzurückgehal-tenwird.«DerSeekehrtedadurchquasiinseinennatürlichenZustandzurück.TatsächlichwarderBrienzer-seeursprünglicheinnährstoffarmerSeegewesen–erstdurchmenschlicheAktivitätenhattesichdiesim20.Jahrhundertverändert.«BlosswusstendiemeistenMenschennichtmehr,wiedasvor100Jahrenwar»,sagtWüest.ErseheseineAufgabedeshalbauchdarin,VerständnisfürdienatürlichenGewässerzuschaffen.«WirsagenunserenPartnernabernicht,wassiezutunhaben–wirliefernihnenEntscheidungsgrundlagen.»

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Mehr sauberes Wasser für diese WeltMit wissenschaftlichen Fakten, Schulungen und Überzeugungsarbeit will die Eawag noch mehr Menschen in Entwicklungsländern für die Sodis­Methode zur einfachen Desinfektion von Trinkwasser gewinnen. Für Katastrophen­Einsätze entwickelt sie einen mobilen Beutel.

Vor rund zwanzig Jahren entwickel-tenForschendederEawagmitSodis(dieAbkürzungstehtfürSolarWaterDisinfection)eineMethodezurDes-infektion von Trinkwasser. Das ein-facheundkostengünstigeVerfahrenermöglicht es speziell Menschen inEntwicklungsländern, ihr Wasserselber zu reinigen und sich so vorKrankheitenzuschützen.VerkeimtesWasser wird dabei in transparentePET- oder Glasflaschen gefüllt undwährendsechsStundenandieSon-ne gelegt. In dieser Zeit tötet dieUV-Strahlung der Sonne DurchfallerzeugendeKrankheitskeimeab.

Regierungen überzeugenSeitmehralszehnJahrenengagiertsich die Eawag für die Verbreitungder Methode in Afrika, Asien undLateinamerika.DieSodis-GruppederAbteilung Wasser und Siedlungs-hygieneinEntwicklungsländernführtinZusammenarbeitmitlokalenPart-nernProjektedurch,umdieMetho-de bei jenen Menschen bekannt zumachen, die unter einer schlechtenWasserqualität leiden. Bereits wen-

denweltweitmehralsfünfMillionenMenschen die Sodis-Methode an.Doch in Anbetracht der 900 Millio-nen Menschen ohne Zugang zusauberemTrinkwasser istdieArbeitnochlangenichtgetan.

Neben der konkreten AusbildungvonFamiliendurchHaushaltbesucheliegt ein grosser Schwerpunkt derAktivitäten bei der Überzeugungs-arbeit auf Regierungsebene. ÜberRegierungsinstitutionen, zum Bei-spielSchulenoderGesundheitszent-ren, lassen sich zusätzliche Men-schenausbilden.«DieseKanälesindkostengünstig und erreichen lang-fristigvieleMenschen»,sagtRegulaMeierhofer, Geschäftsführerin vonSodis.UmdieRegierungenvonderWirksamkeit der Methode zu über-zeugen, seien neben PilotprojektenaberauchwissenschaftlicheStudiennotwendig.

Beutel statt FlaschenSokonntenMikrobiologenderEawaginLabor-undFeldversuchenzeigen,dassdieMethodezuverlässigKrank-heitskeime abtötet. Mehrere Ge-sundheitsstudien untersuchten, obsie auch tatsächlich Durchfälle ver-hindernkann. IndenSlumsvonYa-oundé,Kamerun,verglichenWissen-schafter der Eawag Durchfallratenbei Kindern aus Haushalten, die ihrTrinkwassermitderSodis-Methodebehandelten,mitjenenvonKindern,

die unbehandeltes Wasser tranken.Dabei fanden sie heraus, dass dieKinder aus Sodis-Haushalten rund40 Prozent weniger an Durchfall lit-tenalsdieanderenKinder.

Persönliche Erfahrungsberichteunterstützen die Studienresultate:KindervonSodis-Anwendernerkran-kenselteneranDurchfallundgehendadurchregelmässigerindieSchule(sieheKasten).AusserdemspartdieFamilie das Geld für MedikamentezurBehandlungvonDurchfallerkran-kungen.

ZurzeituntersuchenSozialpsycho-logen,obundwarumdieMenschendieMethodeauchnachProjektendelangfristig anwenden. Die darausgewonnenen Erkenntnisse werdendirektindieProjektarbeiteinfliessen.

FürEinsätzeinKatastrophengebie-ten oder in Regionen mit zu wenigPET-Flaschen entwickeln Mitarbei-tende der Eawag zudem einen So-dis-Beutel,dergleichzuhandhabenist wie die Flaschen. Dieser liessesich rasch und kostengünstig trans-portieren. Bei der Gestaltung desBeutels spielen neben technischenAspekten auch lokale Bedürfnisseund Gegebenheiten eine grosseRolle. i i i

www.sodis.ch

Kontakt:RegulaMeierhofer,[email protected]

«Unsere Kinder sind gesünder»NalisheboKwibisaist39JahrealtundlebtmitihremMannundihrenvierKinderninKaeyaimWestenSambias.DaskleineDorfverfügtüberkeinefunktionierendeWasserversorgung,dasWasserlochimDorfistungeschütztunddasWasserdarinverseucht.DernächsteBrunnenmitsauberemTrinkwasseristübereineStundeentfernt.«DerWegistzuweit,umdortWasserzuholen»,sagtKwibisa.«Vomver-seuchtenWassererkranktenunsereKinderfrüheraberoftanDurchfall.»

DurchdieGesundheitsberaterinihresDorfeserfuhrsievonderSodis-Methode.ImAprilletztenJahresabsolviertensieundihreNachbarneineAusbildungzurAnwen-dungderMethodeundinverbesserterHygiene.«Zuerstwarichskeptisch.Alsichjedochsah,dassdieGesundheitsberaterinihrWasserebenfallsdamitbehandelt,überzeugtemichdas»,sagtKwibisa.JetztreinigesieihrTrinkwasserjedenTagmitderSodis-Methode.«SeithersindunsereKindergesünder,dasistfürunseinegrosseErleichterung.»

Keimfreies Wasser vom Dach: Anwendung der Sodis­Methode in einem Slum in Yaoundé, Kamerun.

BERATEN 39

Fische und Fischer in BedrängnisDie Förderung erneuerbarer Energien darf nicht zulasten von Gewässern und Fischen gehen, lautet das Fazit einer von der Fischereiberatungsstelle (Fiber) organisierten Tagung. Dort sorgte auch die neue Tierschutzverordnung für kontroverse Diskussionen.

Seit Januar 2009 erhalten Klein-wasserkraftwerke in der Schweizdie sogenannte kostendeckendeEinspeisevergütung. Damit will derBunderneuerbareEnergienfinanziellfördern.DieAuswirkungenaufÖko-systeme und ihre Bewohner – ins-besondere auf die Fische – wurdenbei der Einführung weniger starkgewichtetalsdieKlimaschutzziele.

Massvolle NutzungDas sorgte für Diskussionsstoff amSeminar,dasdieFischereiberatungs-stelle(Fiber)undderSchweizerischeFischereiverband(SFV)2010inOltenunterdemTitel«FischeundFischerin Bedrängnis» organisiert hatten.In mehreren Referaten informiertenKraftwerksbetreiber, Fischökologen,Naturschutz- und Behördenvertre-terüberdieverschiedenenAspektederWasserkraftnutzungdurchKlein-kraftwerke.

SogingenalsFolgederfinanziellenNeuregelung bereits über 700 An-trägefürdenBauneuerAnlagenbeidenKantonenein.Davonwärenauchrund 190 bisher noch unbenutzteGewässerbetroffen.DasBundesamtfür Umwelt (Bafu) will die Kantoneunter anderem mit einer am Fiber-

Seminar vorgestellten Vollzugshilfebei den anstehenden Entscheidun-genunterstützen.SabineZellervomBafuempfahldenKantonenamSe-minar,eineStrategiezurLenkungderWasserkraftnutzung zu erarbeiten,diezwischenNutzungs-undSchutz-interessenabwägtundaufzeigt,wosinn- und massvolle Nutzung mög-lichistundwoSchutzVorranghat.

InderanschliessendenDiskussionkam das Publikum zu Wort. Vor al-lem zu den beantragten Anlagen innoch unberührten Gewässern undinschützenswertenGebietengabesvielekritischeStimmen.Dabeizeigtesich einmal mehr, dass für nach-haltige Projekte eine konstruktiveZusammenarbeit zwischen Kraft-werksbauern,Umwelt-undFischerei-verbändenunabdingbarist.

Untauglicher TierschutzDas zweite kontroverse Themaam Fiber-Seminar waren die 2008in Kraft getretene neue Tierschutz-verordnung und ihre Auswirkungenauf die Angelfischerei. Aus Sichtder meisten Fischer ist die neueVerordnung nicht praxistauglich– Tierschützer sehen das anders.Rolf Frischknecht vom Bundesamt

für Veterinärwesen erläuterte Hin-tergründe und Entstehung der Tier-schutzverordnung.

Aus seiner Sicht wird der DruckvonTierschutzorganisationenaufdieAngelfischereianhalten.ErempfiehltKantonen und Fischereiverbänden,für angemessene Kontrollen zu sor-gen, um extremen GruppierungenkeineAngriffsflächezubieten.Frisch-knechtbetonte,dassbezüglichTier-schutz grösstenteils die nicht ineinemVereinorganisiertenFreianglerohneSachkundenachweisProblemebereitenwürden.

InderanschliessendenDiskussionwurde der uneinheitliche Umgangder Kantone mit dem Widerhaken-verbotkritisiert:EinigeKantonema-chenvonihrerKompetenzGebrauch,beim Angeln Widerhaken teilweisezuzulassen, andere dagegen nicht,waszuUnsicherheitenführt. i i i

Fischereiberatungsstelle FiberSeitMitte2004betreibendieEawag,dasBundesamtfürUmwelt(Bafu)undderSchweizerischeFischereiverband(SFV)dieFischereiberatungsstelleinKastanienbaum(LU).DerenHauptaufgabeistdieInformationderFischerinnenundFischerüberdieneuestenwissenschaftlichenErkenntnisseindenBereichenGewässerökologie,Fischbiologieundzumfischerei-lichenGewässermanagement.SeitEnde2009leitetder30-jährigeFischbiologeundpassionierteSportfischerJean-MartinFierzdieBeratungsstelle.

FibergingausdemForschungsprojektFischnetzhervor,dasdieUrsachendesFischrückgangsinderSchweizuntersuchtundverschiedeneGegenmassnahmenvorgeschlagenhatte.

DievonFischern,kantonalenundkommunalenFachstellenundUmweltbürosgeschätztePartnerinbeantwortetregel-mässigAnfragenundbringtanGewässernvorOrtoderbeiProjektenihrFachwissenein.SowarFiber2010etwafürdieMarkierungvon10000LachsenimRahmendesWiederbe-siedlungsprojektesLachs2020verantwortlich.DieBeratungs-stellegibtzudemInformationsmaterialundeinenNewsletterheraus,führtSeminaredurchoderhältVorträgebeiFischereiver-bändenundInteressierten.

www.fischereiberatung.ch

Kontakt:Jean-MartinFierz,[email protected]

Gut besucht: Rund 100 Teil­nehmende kamen ans Fiber­Seminar nach Olten.

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Geld und Energie sparen in der AbwasserreinigungDie Kläranlagen haben in der Schweiz einen sehr guten Standard. Nach wie vor ist aber die Ent­fernung der Nährstoffe aus dem Abwasser ein energie­ und kostenintensives Unterfangen. Nun vereinfacht die Weiterentwicklung eines biologischen Verfahrens die Stickstoffelimination aus dem Klärschlammwasser und halbiert in diesem Bereich des Reinigungsprozesses die Kosten.

Kläranlagen müssen in der Lage sein, giftiges Ammo-nium(NH4

+)inunschädlichenLuftstickstoffumzuwandeln.KonventionellwirddasinzweiSchritten,derNitrifikationund der Denitrifikation, durchgeführt. Im ersten Schrittbenötigt der Prozess viel Sauerstoff, im zweiten mussorganischer Kohlenstoff aus dem Abwasser zugegebenwerden. Ist zuwenigoder gar kein organischerKohlen-stoffvorhandenwiebeimFaulwasserausderSchlamm-faulung,wirdeinekünstlicheKohlenstoffquellebenötigt,zumBeispielMethanol.

Bakterienkolonien erledigen die ArbeitVorrund15JahrenhabenzweiTeamsvonderEawagundvon holländischen Wissenschaftern einen Prozess ent-deckt: die anaerobe Ammoniumoxidation, abgekürzt alsAnammoxbezeichnet.Anammox-BakterienkönnenAm-moniumohneKohlenstoffinunschädlichenLuftstickstoffumbauen.DamitderProzessläuft,mussauchhierzuerstein Teil des Ammoniums mit Sauerstoff zu Nitrit (NO2)umgewandeltwerden(partielleNitritation).MitdemNitritoxidieren dann die Bakterien das restliche AmmoniumunteranaerobenBedingungenzumolekularemStickstoff.

Langewurdeversucht,diesezweiStufendesProzes-ses getrennt ablaufen zu lassen. Zweistufige AnlagenbenötigenabermehrPlatz,undihreRegulierungistkom-plexer.DerDurchbruchkammitderErkenntnis,dasssich

derUmwandlungsprozessauch ineinerStuferealisierenlässt.DennandenBakterienkolonienderkaummillimeter-grossen Klärschlammflocken findet aussen die aerobeAmmoniumoxidationstatt,imsauerstofffreienInnernderFlockengleichzeitigdieanaerobeAnammox-Reaktion.

DieVorteilederFaul-oderSchlammwasserentstickungmitAnammox-BakteriengegenüberderklassischenNitri-fikation/Denitrifikation sind bedeutend: Vor allem mussdas Becken nur noch mit knapp halb so viel Sauerstoffversorgt, das heisst, weniger belüftet werden, und die

Betriebsoptimierung dank Strömungs simulation DieInvestitionenfürKläranlagensindbeträchtlich.EinmalerstellteBautenkönnenohnegrossenAufwandnichteinfachumgebautwerden.DochinvielenFällenkönnenmitbetrieb-lichenÄnderungenohneneuetechnischeEinrichtungenVer-besserungenerzieltwerden.MitHilfevonComputermodellenkonntenIngenieurederEawag,zusammenmitprivatenPart-nern,zumBeispieldieStrömungs-undMischungsverhältnisseindenBeckenderbiologischenReinigungsstufeverbessern.

ImFallderZürcherKläranlageWerdhölzligingesdarum,dieUmstellungvoneinemkonventionellzueinemalternierendbeschicktenBeckenzubegleiten.Insbesonderemusstefest-gelegtwerden,wieeinWanddurchbruchzwischenzweiBeckenamvorteilhaftestenangelegtwerdensollundobeineveränderteAnordnungoderneueBetriebsartenderBelüfterundRührerdieDurchmischungverbessernkönnten.DieSimulationzeigteschliesslichdieoptimalePositionundGrössedesDurchbruchsauf,wiesabernach,dassauchdasoptimierteBeckeninkeinerBetriebsphasevollständigdurch-mischtist.AusdenResultatenkonntensodanndiebestenStandortefürdieSauerstoffsensorenunddieZugabederFällungsmittelfürdiePhosphoreliminationabgeleitetundSchlüssefürkünftigeRegelungskonzeptegezogenwerden.

Modellierte Fliessgeschwindigkeiten in einem Belebungs­becken.

Anammox­Testanlage in der Versuchshalle der Eawag.

Fliessgeschwindigkeit in m/s

1,00

0,75

0,50

0,25

0,00

BERATEN 41

Zugabe zusätzlichen Kohlenstoffs entfällt (siehe Grafik).Das spart Energie und Betriebsaufwand, die Kostensinken aufdieHälfte – rund zwei statt vier FrankenproKilogrammentferntemStickstoff.ImFallderZürcherAn-lageWerdhölzlimachtdasjährlichrundeinehalbeMillionFranken aus. Ausserdem ist der Prozess sehr effizient:DieUmwandlungdesAmmoniumsimProzesswasserzuLuftstickstoffzuüber90ProzententlastetdieKläranlage.

DadurchkönnenderVergärungmehrorganischeStoffe–jenachAnlagesogarzusätzlichesMaterial–zugeführtwerden, sodass die Kläranlage mehr Biogas produziert.EinFernzielallerAbwasserfachleute,dassnämlichdieAb-wasserreinigungsanlage (ARA) vom EnergieverbraucherzumKraftwerkwirdoderwenigstensohneEnergiezufuhrfunktioniert,rücktdamiteinStücknäher.

Die Schweiz ist führendWeildasAnammox-VerfahrendertraditionellenNitrifika-tion/DenitrifikationbezüglichPlatzundKostenüberlegenist, ist es eine Alternative zum Ausbau einer ARA oderhilft, dassgeplanteAusbautennochaufgeschobenwer-denkönnen.BereitsnutzensechsSchweizerKläranlagendasVerfahren,darunterauchgrosseBetriebewiedasZür-cherWerdhölzlioderdieARASt.Gallen.WeitereAnlagensindinPlanung.NichtzuletztdankderUnterstützungundBeratungdurchdieEawaggiltdieSchweizalsführendindiesemBereich.

DieEntwicklungderAbwasserreinigungzeigt,dassesbeineuenProzessenoftJahredauert,bissieinderPraxisstabilablaufen.SelbstbeimBelebtschlammverfahren,dasbereitsvor1920entwickeltwurde,scheintdasOptimie-rungspotenzial noch nicht voll ausgeschöpft. Es ist alsonichterstaunlich,wennderEntstickungsprozessüberdasAnammox-Verfahren – erst seit fünf Jahren in grossemMassstab betrieben – gegenwärtig noch Möglichkeitenzur Verbesserung aufweist. So haben Untersuchungender Eawag in der ARA Werdhölzli gezeigt, dass dieLeistung zeitweise um bis zu 50 Prozent einbricht. DieForschenden vermuten, dass toxische Stoffe im Faul-wasserdieAmmoniumoxidationbeeinträchtigen,sodassfürdieanaerobenAnammox-BakterienimzweitenSchrittdesProzessesnochzuvielSauerstoffvorhandenist.

HeutewirddasAnammox-VerfahrenhauptsächlichzurBehandlung von Prozesswasser bei der kommunalenAbwasserreinigung sowie bei einigen industriellen Pro-zessen eingesetzt. Das Anwendungspotenzial ist damitaber noch nicht ausgeschöpft. Ob allerdings Anammox-basierte Prozesse dereinst generell für die Entstickungkommunalen Abwassers genutzt werden können, istfraglich. Im Unterschied zum Faulwasser erschwerentiefereTemperaturen,geringereAmmoniumkonzentratio-nenunddiedeutlichhöhereorganischeFrachtdiestabileAnsiedlungvonAnammox-Bakterien.

Nitritelektrode in EntwicklungDie Prozessstabilität könnte gesteigert werden, wennes durch verbesserte Regelungsstrategien gelänge, dieBelüftung besser an den schwankenden Sauerstoff-

bedarf zu koppeln. Dazu entwickeln private Partner derEawag zurzeit eine ionenselektive Nitritelektrode, dielaufend feststellt, wann die Ammoniumoxidations- dieAnammox-Rate übersteigt. Die Anforderungen an einesolche Elektrode sind allerdings hoch: Bereits ein Milli-grammNitritstickstoffproLitermussimSchlammerkanntwerden–beieinerBelastungmitbiszu100MilligrammNitratstickstoff.NebstderSondesollaucheinvertieftesVerständnis der Flockenstruktur und der Konkurrenz-situation zwischen den beteiligten Mikroorganismen dieSteuerungdesProzessesverbessern.

In allen Schweizer Anammox-Anlagen liegt die Bio-masse als suspendierte Flocken im Reaktor vor. DerSchlammsiehtdemBelebtschlammsehr ähnlich.Dem-gegenübertestenForschendederTechnischenUniversi-tätDelft(Niederlande)undderUniversitätGent(Belgien)denselbenProzessinReaktorenmiterhöhtenTurbulenzenundgeringerenhydraulischenAufenthaltszeiten.DasführtzuvielkompakterenundgröberenSchlammteilchenoderGranulaten. Die besseren Sedimentationseigenschaftensowie die höhere Dichte dieses granulären SchlammskönntenvonVorteilsein,weilsiehöhereUmsatzratener-lauben. i i i

www.eawag.ch/forschung/eng

Kontakt:Prof.HansruediSiegrist,[email protected]

Die konventionelle Umwandlung von Ammonium zu Luftstickstoff (links) benötigt mehr Sauerstoff und zusätzlichen Kohlenstoff. Die Umwandlung über das Anammox­ Verfahren (rechts) dagegen braucht weniger als die Hälfte Sauerstoff und keine Zugabe von Kohlenstoff.

100%Sauerstoff

(O2)

43%Sauerstoff

(O2)

Stickstoff(N2)

Stickstoff(N2)

Nitrit(NO2)

Nitrit(NO2)

Denitrifikation Anaerobe Ammoniumoxidation

Nitrifikation Partielle Nitritation

Kohlenstoff(z.B.

Methanol)

Ammonium(NH4

+)Ammonium

(NH4+)

Ammonium(NH4

+)

42

Künstlich beatmetAufgrund hoher Phosphoreinträge werden in der Schweiz verschiedene Seen künstlich belüftet und mit Sauerstoff versorgt. Eine Evaluation der Eawag zeigt, dass sich der Zustand der beiden Zürcher Mittellandseen, Türlersee und Pfäffikersee, heute eher durch eine zusätzliche Phosphor­reduktion und weniger durch die Belüftung weiter verbessern liesse.

ÜbermässigePhosphoreinträgeausdemSiedlungsabwas-serundderLandwirtschaftführtenabden1950er-JahreninderSchweizzueinerÜberdüngung(Eutrophierung)vie-lerSeen.ErstmitdemzunehmendenBauvonKläranlagenunddemVerbotvonPhosphateninWaschmittelngingendieEinträgeabden80er-Jahrenwiederzurück.Vielerortswaresnötig,demmitderEutrophierungeinhergehendenSauerstoffmangel im Tiefenwasser der Seen entgegen-zuwirken. Man begann deshalb, einzelne Gewässer mitSauerstoff zu versorgen. So werden zum Beispiel imKantonZürichseit1987derTürlerseeundseit1992derPfäffikerseeimWinterkünstlichbelüftet,wassichpositivausgewirkthat.WieeineEvaluationderEawagzeigt,lässtsichderZustanddieserbeidenGewässerheutevorallemmiteinerweiterenPhosphorreduktionundwenigerdurchdieBelüftungverbessern.

Im Sommer geht der Sauerstoff ausUm im Winter regelmässig eine vollständige Durchmi-schungderbeidenSeenzuermöglichenunddenSauer-stoffgehalt in den tiefen Wasserschichten zu erhöhen,installierte man seinerzeit Anlagen zur Zirkulationsunter-stützung.DiesepumpenjeweilsvonNovemberbisAprilLuftblasen über den Seeboden und halten damit dieWasserzirkulationbisingrössteTiefeaufrecht.«AlsFolgeder guten Durchmischung steigt der Sauerstoffgehaltim Tiefenwasser der beiden Seen im Winter auf über

10 Gramm pro Kubikmeter an», erklärt Alfred WüestvonderEawag-AbteilungOberflächengewässer, der zu-sammenmitseinenMitarbeitendendieUntersuchungimAuftragdeskantonalenAmtsfürAbfall,Wasser,EnergieundLuft(Awel)durchführte.DurchdenSauerstoffeintragimWintervergrössertsichderLebensraumfürFische.

ImSommeristdieZirkulationsunterstützungallerdingsausser Betrieb, damit die in Seen natürlich auftreten-deTemperaturschichtungdesWassersnichtbeeinflusstwird.DabeischwimmtvonderSonneerwärmtesleichte-resWasseraufdemkaltenundschwererenTiefenwasser.EineDurchmischung findetnur inderoberflächennahenWasserschicht statt. Im Spätsommer ist der SauerstoffimTiefenwasservollständigaufgebrauchtundfürFischenichtmehrzugänglich.

HoheGehalteanNährstoffen,etwadurcheinenDünge-mitteleintragausderLandwirtschaft,haben inSeeneinstarkes Algenwachstum zur Folge. Sterben die Algenspäterab,sinkteinGrossteilaufdenSeegrund,woMikro-organismendieBiomasseabbauen.DieZersetzungbenö-tigtvielSauerstoff,sodassinüberdüngtenGewässernmitentsprechendvielAlgenindentieferenWasserschichtenakuterSauerstoffmangelherrscht.

Trotzdem haben sich im Türler- und Pfäffikersee imVergleichzufrüherdieSauerstoffgehaltelautWüeststarkverbessert – allerdings weniger wegen der Zirkulations-unterstützung,sondernwegenderdeutlichenReduktionder Phosphorbelastung. Demnach haben die Phosphor-konzentrationeninbeidenSeenseitMitteder70er-Jahredeutlich abgenommen. Während der Türlersee früherKonzentrationenvonüber200MilligrammproKubikmeteraufwies, liegt der Wert heute bei 16 Milligramm, jenerdes Pfäffikersees bei 20 Milligramm pro Kubikmeter imVergleichzuüber100Milligrammfrüher.Seenmitsolchhohen Phosphorgehalten gelten als hypertroph: lebens-feindliche Gewässer, in deren Tiefe kaum noch Lebenexistiert.

Belüftung nicht ersetzen«Wenn die Zufuhr von Phosphor in den beiden Seenweiterreduziertwürde,liessesichsauerstoffhaltigesTie-fenwasserwährenddesganzenJahresohnezusätzlicheBelüftungerreichen»,betontWüest. ZudementsprechedieDurchmischungjedenWintereigentlichgarnichtdennatürlichen Begebenheiten der beiden Seen. Beispiels-weiseseies früher imPfäffikersee imDurchschnittnuretwaallezweiJahrezueinervollständigenWasserumwäl-zung gekommen. Der Türlersee dürfte im Winter sogarnurallepaarJahrzehnteeinekompletteTiefenmischungerfahrenhaben.

Die Anlage zur Zirkulationsunterstützung im Türlersee sorgt für eine Durchmischung und einen höheren Sauerstoffgehalt in den tiefen Wasserschichten.

BERATEN 43

UmeinepositiveSauerstoffbilanzüberdasganzeJahrzuerreichen,müsstediePhosphorkonzentrationlautdemWissenschafter im Türlersee jedoch nochmals halbiertwerden.DagegenseimanimPfäffikerseeschonfastamZiel,soWüest.

Eine Zirkulationsunterstützung ist hingegen für beideSeennichtmehrzwingendnotwendig.DeshalbwirddasAwel die in die Jahre gekommene Belüftungsanlage imPfäffikerseenichtersetzen.ImWinter2010standsiezumletzten Mal im Einsatz. Die künstliche Zirkulationsunter-stützunghatjedochbeibeidenSeengeholfen,dieAnrei-cherungvonNährstoffenimTiefenwasserzuunterbindenundsiewiederineinennährstoffärmeren(mesotrophen)Zustandzurückzuführen.

Für die Felchen wird es engUmderGefahreinesFischsterbensvorzubeugen,belüftetderKantonZürichseit2009aucheinenTeildesGreifen-sees.DortbleibtvorallemdenFelchenimHochsommeroftnurnocheineschmaleWasserschichtvonwenigeralseinemMeter.Oberhalbistesihnenmitüber21GradCel-siuszuwarm;daskühleTiefenwasserdarunteristwegen

derhohenAlgenproduktionabMitteSommerohneSauer-stoff. Zwar ist die Phosporkonzentration in den letzten20 Jahren von rund120MilligrammproKubikmeter auf40Milligrammzurückgegangen, doch ist derSeedamitimmernochsehrnährstoffreich(eutroph).

EinDiffusorsystemsolldiekritischeÜbergangsschichtzwischen warmem Oberflächenwasser und sauerstoff-freiemTiefenwasserinfünfbiszehnMeternTiefe(Meta-liminion) während des Sommers auf einer Fläche vonrundeinemQuadratkilometermitSauerstoff anreichern.AufdieseWeisewurdenabEndeMaibisAnfangOktoberrund26TonnenSauerstoffindenGreifenseegepumpt.

Das Awel beauftragte Alfred Wüest, die WirksamkeitderAnlagenacheinemJahrzubeurteilen.DessenFazitistdurchzogen:DieeingetrageneMengeSauerstoffhabeden Sauerstoffverbrauch nicht befriedigend kompensie-ren können. «Der Sauerstoffeintrag war nur im AugusteffizientundvorMitteJuliundnachAnfangSeptemberweitgehendwirkungslos»,soWüest.Überdieserwärmeder Betrieb der Diffusoren das Metalimnion. Falls dieAnlage weiterbetrieben werde, solle man sich auf dieZeit von Mitte Juli bis Anfang September beschränkenund dafür einen höheren Sauerstoffumsatz erzeugen,empfiehlter.DieAnlagehattejedochaucheinepositiveWirkung: Wie vereinzelte Beobachtungen zeigten, nutz-tendieFelchendieDiffusorenimHochsommeralsRück-zugsnische. i i i

Nährstoffreicher ZugerseeDerZugerseeistmiteinermittlerenPhosphorkonzentrationvon85MilligrammproKubikmetereinerdernährstoffreichs-tenSeenderSchweiz.ZudembeträgtdieVerweildauerrund15Jahre,sodassderNährstoffnursehrlangsamausdemSeeabfliesst.ImRahmeneinesProjekteszurReduktionderPhos-phorbelastungüberprüftenAlfredWüestundBeatMüllervonderAbteilungOberflächengewässerälterePrognosen,nachdenendasvonderBegleitkommissionZugersee1994ange-strebteSanierungsziel,bis2040denPhosphorgehaltaufhöchstens40MilligrammproKubikmeterzusenken,realisier-barist.GemässWüestsneuenHochrechnungenwirdderZugerseeunterdenheutigenVoraussetzungenin30Jahrennochrund160TonnenPhosphorenthalten,waseinerKon-zentrationvonetwa50MilligrammproKubikmeterentspricht,unddamitdasZielfüreinenwenignährstoffreichenSeenochnichterreichen.AllerdingskönnesichderPhosphoreintragaufgrundneuerEntwicklungeninderLandwirtschaftdeutlichsenkenlassen,betontderWissenschafter.DarumseieineneueEvaluationin15Jahrensinnvoll.

www.eawag.ch/forschung/surf

Kontakt:Prof.AlfredWüest,[email protected] pumpten im Jahr 2009 rund 26 Tonnen Sauerstoff in

den Greifensee.

Montage des Diffusorsystems, das den Greifensee mit Sauerstoff versorgen soll.A

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Aw

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44

Viel versprechende BiotestsToxizitätstests auf der Basis von Zelllinien oder mit ganzen Organismen eignen sich, um die Reinigungsleistung einer Kläranlage in Bezug auf Mikroverunreinigungen zu überprüfen. Damit lassen sich im Routine­Einsatz nicht nur Einzelstoffe, sondern auch Gemische ökotoxiko­logisch beurteilen, wie eine Untersuchung des Oekotoxzentrums zeigt.

Das Ziel einer erfolgreichen Abwasserreinigung istqualitativ einwandfreies Abwasser. Um die Entfernungschädlicher Inhaltsstoffe zu kontrollieren,wirdmeistdiechemischeAnalytikherangezogen,obwohleinNachweisvon Stoffen und deren ökotoxikologischer Wirkung mitHilfe von Zelllinien oder Testorganismen zahlreiche Vor-teile bringt. Mit solchen sogenannten Biotests könnenzum Beispiel toxische Effekte von Stoffgemischen undnicht nur von Einzelstoffen beurteilt werden wie beichemischen Analysen. Biotests mit ganzen OrganismenerfassensogardieWirkungallerSubstanzenineinerWas-serprobe – unter anderem Chemikalien und Nährstoffe.ZudemlässtsichmiteinemeinzigenspezifischenBiotesteineganzePalettevonEinzelstoffenmitdemselbenWirk-mechanismustesten.

Im Rahmen des Projekts «Strategie Micropoll» desBundesamts für Umwelt hat das Oekotoxzentrum derEawagundETHLausannefürzahlreicheBiotestsystemeuntersucht, ob sie geeignet sind, die Entfernung vonMikroverunreinigungeninKläranlagenzuverfolgen.

Zusätzliche Reinigungsstufen im TestMikroverunreinigungensindorganischeSpurenstoffe,dieunterandereminPflanzenschutzmitteln,Medikamenten,Bioziden, Duftstoffen, Imprägnierungen, Reinigungsmit-telnundFarbenvorkommen.EinTeildieserSubstanzenwirdindernormalenAbwasserreinigungnurunvollständigentfernt.DaherlassensichdieseStoffeimgeklärtenAb-wasser teilweise in Mengen nachweisen, die negativeAuswirkungenaufdieGewässerundderenOrganismenhaben. Zusätzliche Reinigungsstufen in der KläranlagereduzierendenEintragsolcherMikroverunreinigungenindieGewässer.

CorneliaKienlevomOekotoxzentrumprüftezusammenmit verschiedenen Projektpartnern zwei dieser Techno-logien in einer Pilotanlage der ARA Vidy in Lausanne.Im einen Fall sollten die Mikroverunreinigungen durcheineBehandlungmitOzon-GasundeineanschliessendeSandfiltrationentferntwerden,imanderenFalldurcheine

Aktivkohlebehandlung, gefolgt von einer Ultrafiltration.DabeiwirddasAbwasserdurcheinenextremfeinporigenFiltergeleitet.

AnhandvonBiotestswolltendieForschendenmessen,ob die Entfernung der Mikroverunreinigungen durch dieerweiterte Wasserbehandlung verbessert wird, und er-mitteln,obdieTestssichfürdieErfolgskontrolle inKlär-anlagen eignen. Die Tests sollten überdies nachweisen,ob bei der Ozonung toxische Umwandlungsprodukteentstehen.

Die Ökotoxikologen setzten zwei verschiedene TypenvonBiotestsein(sieheTabelle):DiesogenanntenIn­vitro -TestsbasierenaufdemNachweisspezifischerbiochemi-scher Vorgänge in Zelllinien oder in einzelligen Organis-men und können Chemikalienklassen wie zum BeispielÖstrogeneoderHerbizidehochsensitivnachweisen.«In­vitro -Testszeigenabernursehrbegrenzt,wieSubstanzenaufganzeOrganismenwirken»,erklärtKienle.BeiIn­vivo­TestsnutztmandaherganzeOrganismenunduntersuchtdie Effekte auf biologische Funktionen wie Wachstum,SterblichkeitoderVermehrung.SieerfassendieAuswir-kungenallerStoffeineinerAbwasserprobe,gebenaller-dingsnurwenigInformationenüberdieverantwortlichenSubstanzklassen.

Eine Reduktion von bis zu 100 ProzentDieMitarbeitendenderKläranlagenahmenan verschie-denen Stellen in der Pilotanlage Abwasserproben: imKläranlagenzulauf,nachderbiologischenReinigungsstufe,nach der Aktivkohlebehandlung mit Ultrafiltration, nachderOzonungundnachderOzonungmitnachgeschalte-ter Filtration. Anschliessend untersuchten die Wissen-schafterdieProbenmitdenverschiedenenBiotestsundchemischerAnalytik.

Cornelia Kienle und Petra Kunz diskutieren über die Resultate eines Hefe­Östrogen­Tests.

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Das OekotoxzentrumDasOekotoxzentrum(dasSchweizerischeZentrumfürangewandteÖkotoxikologie)untersuchtundbeurteiltdieWirkungvonChemikalienaufdieUmweltmitdemZiel,Risikenzuminimieren.DasanderEawagundderETHLausanneangesiedelteZentrumisteinwichtigesBindegliedzwischenForschungundPraxis.DasOekotox-zentrumengagiertsichinderBeratung,derWeiterbildung,derDurchführungvonstarkangewandtenForschungsprojektenunddernationalenundinternationalenVernetzungimBereichÖkotoxikologie.SeitSeptember2010istdieaquatischeÖko-toxikologinIngeWernerLeiterinderInstitution.

BERATEN 45

Wie die In­vitro -Tests zeigten, verringerte die biolo-gische Reinigungsstufe die toxische Wirkung des Ab-wassers. Die Substanzen konnten damit jedoch nichtvollständigentferntwerden.DasAbwasserenthieltunteranderemnochStoffemitherbiziderundhormonähnlicherWirkung.

Demgegenüberzeigtendiespezifischen In­vitro -Tests,dass sowohl die Ozonung als auch die Behandlung mitAktivkohleeinenGrossteilderverbliebenenMikroverun-reinigungen aus dem Abwasser entfernten. «Durch dieKombinationvonbiologischerReinigungundzusätzlicherReinigungsstufeliessensichinsgesamt84bis100ProzentdervorhandenenMikroverunreinigungeneliminieren»,er-läutertKienle.DiechemischeAnalysevon58 typischenorganischen Spurenstoffen bestätigte dieses Ergebnis.

Die toxischen Effekte nahmen nach der Ozonung innahezuallenIn­vitro­Testsab,wasdaraufhindeutet,dassbei der Abwasserreinigung keine schädlichen Umwand-lungsprodukte entstanden. Defekte am Erbgut oder ge-netischeMutationenstelltendieForschendenkeinefest.

Bei In­vivo -Tests mit Glanzwürmern zeigten die Ver-suchstierenachderOzonungeineverminderteBiomasse,nachderSandfiltrationjedochnicht.UrsachefürdieBio-massenreduktionkönntenlautdenÖkotoxikologenlabileUmwandlungsproduktesein,dienegativeAuswirkungenaufdasWurmwachstumhabenunddiebeiderOzonungentstehen. Der Sandfilter entfernt diese aber aus demAbwasser.«NachderOzonungsolltealsostetseinzusätz-licherFiltrationsschrittmitbiologischerAktivitäteingefügtwerden,umdasRisikosolcherUmwandlungsproduktezureduzieren»,sagtKienle.

Bei den In­vivo­Tests mit Regenbogenforellen nahmdie Toxizität durch die Ozonung und die Behandlungmit Aktivkohle und Ultrafiltration ab, was sich im Ver-gleich zu den nur in biologisch gereinigtem Abwassergehaltenen Fischen in einer geringeren Sterblichkeit,höheren Schlupfrate oder einem höheren Gewicht derFischembryonenzeigte.

In-vitro­Tests eignen sich zur BeurteilungDieErgebnissederübrigenIn­vivo -Testswarennichtein-heitlich.BeidenmeistennahmdieToxizitätnachderbio-logischen Behandlung ab. Allerdings verringerte keinederzusätzlichenReinigungsstufendieverbliebene,meistschwacheResttoxizitätweiter.Grundsätzlich zeigtesichinden In­vivo -TestsnachderOzonungkeinkonsistenterAnstiegderToxizität,deraufdieBildungstabilertoxischerUmwandlungsproduktehindeutenwürde.

DerVergleichderverwendetenBiotestszeigt,dasseskeinenEinzeltestgibt,dersichfürdieGesamtbeurteilungderToxizitäteinerAbwasserprobenutzenlässt.VielmehrmussmanstetseineGruppevonBiotestsverwenden.InderPilotstudieinderARAVidyerwiesensichaufzellulä-renVorgängenbasierende In­vitro -Testsalsvielverspre-chendundgeeigneteralsintegrativeIn­vivo -Tests,umdieEntfernung von Mikroverunreinigungen und den Erfolgverbesserter Abwasserreinigungstechnologien zu kont-rollieren. Dieser Ansatz sollte laut den Wissenschaftern

weiterverfolgtwerden.EsseivorallemeineStandardi-sierungundZertifizierungderMethodenwichtig,umeineguteVergleichbarkeitderErgebnissezugewährleisten.

In­vivo -Tests sind generell schwieriger zu interpretie-ren, da die ablaufenden biologischen Prozesse komplexsind; auch die Kosten dieser Tests sind deutlich höher.«DennochsindchronischeIn­vivo -Testssinnvoll,umdenEffektaufganzeOrganismenzubeurteilen»,sagtKienle.Noch fehlen allerdings geeignete Tests mit besonderssensitiven Organismen, die mit vertretbarem Aufwandroutinemässigdurchgeführtwerdenkönnten. i i i

UntersuchteBiotests

Test Organismus NachweisbareEffekte

In vitro

Hefezell-Östrogen-Test(YES)

Bäckerhefe (Saccharo­myces cerevisiae

ÖstrogeneWirkungdurchBindunganZellrezeptoren

VerschiedeneCalux-Tests(ER,AR,GR,PR)

MenschlicheZelllinien WirkungaufverschiedeneHormon-rezeptoren(Östrogen-,Androgen-,Glucocorticoid-,Progesteronrezeptoren)

PPARg1-Calux-Test MenschlicheZelllinie WirkungaufSubstanzen,diedenFett-stoffwechselbeeinflussen

H295R-Steriod-genese-Test

MenschlicheZelllinie WirkungaufdieBildungvonSteroid-hormonen

Micronucleus-Test Hamster-Zelllinie SchädigungdesErbguts

UmuC-Test Salmonellen (Salmonella typhimurium)

SchädigungdesErbguts

Ames-Test Salmonellen (Salmonella typhimurium)

VeränderungdesErbguts

KombinierterAlgentest

Grünalge (Pseudokirchne­riella subcapitata)

HerbizideWirkungdurchHemmungvonFotosyntheseundWachstum

In vivo

Lumineszenz-Hemmtest

Bakterien(Vibrio fischeri) HemmungderBiolumineszenz

Wachstumstests Grünalge (Pseudokirch­neriella subcapitata)Wasserlinsen(Lemna minor)

HemmungdesWachstums

ChronischerVer-mehrungstestmitDaphnien

Wasserfloh (Cerio­daphnia dubia)

HemmungderVermehrung,ErhöhungderMortalität

Amphipoden-Test Bachflohkrebs (Gamma­rus fossarum)

ReduktionderFressaktivität,ErhöhungderMortalität

Glanzwurm-Vermehrungstest

Glanzwurm (Lumbriculus variegatus)

HemmungderVermehrung,ReduktionderBiomasse

Schnecken-Vermehrungstest

NeuseeländischeZwerg-deckelschnecke (Potamo­pyrgus antipodarum)

HemmungderVermehrung,ErhöhungderMortalität,hormonaktiveWirkung

Fischeitest Zebrabärbling (Danio rerio)

ErhöhungderMortalität

Fish-early-life-stage-Test(FELST)

Regenbogenforelle (Oncorhynchus mykiss)

ReduktionderSchlupfrate,ErhöhungderMortalität,Fehlbildungen,Verhaltens-störungen,HemmungdesWachstums,WirkungaufdieHormonproduktion

www.oekotoxzentrum.ch

Kontakt:Dr.IngeWerner,[email protected],[email protected]

46

Das Grundwasser lebtMit der an der Eawag weiterentwickelten Durchflusszytometrie können Forschende erstmals nachweisen, wie viel mikrobiologisches Leben im Grundwasser tatsächlich existiert. Die neue Methode liefert bedeutend realistischere Ergebnisse als bestehende Verfahren zur Wasser ­analyse und könnte diese in Zukunft ersetzen.

«Lange hatte man angenommen, dass gutes Grund-wasserpraktisch‹steril›sei»,sagtThomasEgli,LeiterderForschungsabteilung Umweltmikrobiologie der Eawag.UnteranderemmitdervonihmundseinenMitarbeiternweiterentwickelten Methode der Durchflusszytometriekonnte er erstmals nachweisen, dass diese Annahmegänzlich falsch istunddassdieSchweizerGrundwässervollermikrobiologischenLebenssind.

Genauer und schnellerIm Auftrag des Bundesamts für Umwelt analysierteStefanKötzsch zusammenmitThomasEgli imRahmendesProjektes«MikrobiologischerZustanddesSchweizerGrundwassers»Grundwasserprobenvon50Messstellendes nationalen Grundwasser-Beobachtungsnetzwerks(Naqua).«MitunsererMethodekonntenwirindenWas-serprobenrund1000bis1000000MikroorganismenproMilliliternachweisen»,sagtKötzsch.

Die Durchflusszytometrie lieferte damit wesentlichrealistischere Ergebnisse als die für die Beurteilung dermikrobiologischen Qualität und Hygiene des Wassersgesetzlich vorgeschriebene Plattierungsmethode. Mitdieser lassen sich lediglich jene Bakterienzellen nach-weisen, die auf dem Nährmedium Agar-Agar wachsen.«MittelsPlattierungkonntemanbislangnurgerade0,1bis1Prozentaller ineinernatürlichenWasserprobevorhan-denen Mikroorganismen nachweisen», erklärt Egli. EinweitererVorteilderDurchflusszytometrieistderdeutlichgeringereZeitaufwand.WährenddiePlattierung jenachAnalyse mehrere Tage bis Wochen beansprucht, liegenhierdieResultatebereitsnacheinerViertelstundevor.

Die Medizin wendet die Durchflusszytometrie bereitsseit über 20 Jahren zumZählen vonBlutzellen an.WeilBakteriensehrvielkleinerunddamitschwierigerzuhand-haben sind als menschliche Zellen, kam das VerfahreninderMikrobiologiebishernichtzumEinsatz.Technischverbesserte und preiswertere Geräte finden allerdings

vermehrtEingang indiemikrobiologischeÜberwachungbiotechnologischer Prozesse und in die Lebensmittel-industrie.

Mehr aktive Zellen als angenommenVomPrinzipher istdieDurchflusszytometrieeinerelativeinfache Technik: Man schleust die MikroorganismeneinzelndurcheineGlaskapillare,dievoneinemLaserstrahldurchdrungen wird. Trifft der Lichtstrahl auf eine Zelle,wird ein Teil der Strahlung abgelenkt und über Linsen,Spiegel und optische Filter auf einen Lichtdetektor um-geleitet.Solassensichbiszu1000PartikelproSekundezählen.DieZellenkönnenzusätzlichmitfluoreszierendenFarbstoffeneingefärbtwerden,diesichandasErbgut,anEiweisse oder bestimmte Strukturen der Zelloberflächeanlagern.

Auf diese Weise können die Umweltmikrobiologenlebende(grünangefärbte)vontotenoderinaktivenMikro-organismen(rotangefärbt)unterscheiden.«UnsereUnter-suchungenzeigen,dassimGrundwasserunabhängigvonStandortundZeitpunktderProbenahmedurchwegsrund

Der Eawag­Techniker Hans­Ueli Weilenmann am Durchfluss­zytometer.

Mikrobiologische Fingerabdrücke: Die grafische Darstellung der Durchflusszytometrie­Daten ergibt für verschiedene Wassertypen charakteristische Punktmuster. Im Bild Grundwasser (links), Trinkwasser (Mitte), Flusswasser (rechts).

BERATEN 47

90 Prozent der Zellen aktiv und lebensfähig sind», sagtKötzsch.DasisteindeutlichgrössererAnteil,alsbisherigeMethodennachweisen.

Die Eawag-Forscher konnten nicht nur zeigen, dassdieSchweizerGrundwässererheblichmehrmikrobiellesLeben aufweisen als bisher angenommen, sie konntenmit weiteren Verfahren auch deren gute Qualität bestä-tigen.

«DieDurchflusszytometrieoffenbartausserdem,dasssichGrund-,Quell-,TrinkwasserundWasserausBächen,FlüssenoderSeenhinsichtlichMikroorganismendeutlichvoneinanderunterscheidenunddurcheineArtmikrobio-logischenFingerabdruckcharakterisiertwerdenkönnen»,sagt Egli. Auch zeitliche Veränderungen seien mit derMethodeleichterfassbar.ZumBeispielvariierteineinigenderanalysiertenGrundwässerdieAnzahlderMikroorga-nismenimJahresverlaufundwarwährenddesHerbstesgeringeralsimFrühjahr.«EbensokannmandenEinflussvonRegenperiodenoderHochwasserereignissenaufdasGrundwasser rasch und detailliert analysieren», erklärtKötzsch.

In Zürich bereits im EinsatzDa Grundwasser in der Schweiz die mit Abstand wich-tigsteRessourcefürTrinkwasserdarstellt, istnebenderKontrollevonLetzteremaucheineQualitätsüberwachungdesErsterendurchkantonaleStellenunddenBundvor-geschrieben. «Mit der Durchflusszytometrie steht jetzterstmals eine solide Methode zur Verfügung, mit dersichGrundwässerzuverlässigmikrobiologischbeurteilenlassenunddiesichfüreineffizientesMonitoringeignenwürde»,sagtEgli.DieWasserversorgungZürich,mitderzusammen der Eawag-Forscher Frederik Hammes dieDurchflusszytometrie weiter entwickelt hatte, setzt dasneue Verfahren neben den gesetzlich vorgeschriebenenPlattierungsmethodenbereitsroutinemässigzurKontrolledesTrinkwassersein.

FürdieWeiterentwicklungderDurchflusszytometrieimBereich mikrobiologischer Wasseranalyse erhielten dieEawag-Wissenschafter und ihre Kollegen von der Was-serversorgungZürich2010zudemdenMuelheimWaterAward. Der internationale Wasserpreis zeichnet heraus-ragendeProjektezurpraxisorientiertenForschungundzurImplementierung innovativer Konzepte aus, die zu einerVerbesserung der wasserwirtschaftlichen Situation inEuropabeitragen.TrägerderAuszeichnungsinddieRWEAquaGmbHinMülheimanderRuhrunddieRheinisch-WestfälischeWasserwerksgesellschaft. i i i

Naqua und NadufDasBundesamtfürUmwelt(Bafu)unterhältimRahmendernationalenGrundwasser-beobachtung(Naqua)inderSchweizeinNetzvonüber500Messstellen.DasÜber-wachungsprogramm,andemauchdieEawagbeteiligtist,solldenZustandunddieEntwicklungderGrundwasserressourcenverfolgenunddokumentieren.DasNaquasolldiewichtigstenGrundwasservorkommenderSchweizcharakterisierenundklassi-fizieren,dasAuftretenproblematischerStoffebeziehungsweiseunerwünschterEnt-wicklungenfrühzeitigerkennen,notwenigeSchutzmassnahmenaufzeigenundderenWirksamkeitkontrollieren.

DanebenbetreibtdasBafugemeinsammitderEawagundderEidgenössischenFor-schungsanstaltfürWald,SchneeundLandschaft(WSL)dasProgramm«NationaleDaueruntersuchungderschweizerischenFliessgewässer»(Naduf).ErgänzendzumNaquasolldasMessnetzfürdieSchweizerFliessgewässerGrundlagenzurBeurtei-lungdesgegenwärtigenZustandessowiemittel-undlangfristigerVeränderungenliefern.

www.eawag.ch/forschung/umik

Kontakt:Prof.ThomasEgli,[email protected]ötzsch,[email protected]

liefern.

Grundwasserleitertyp� Lockergesteins-

Grundwasserleiter� Karst-Grundwasserleiter� Kluft-Grundwasserleiter

� Modul Trend� Modul Spez

Hauptbodennutzung� Ackerbau� Gras- und Viehwirt-

schaft� Obst- und Rebbau� Wald� Siedlungen und

Verkehr� Sömmerungsweiden� Unproduktive Gebiete� nicht zugeordnet

Das Naqua­Netz zur Beobachtung der Grundwasserqualität (Module Trend und Spez) umfasst insgesamt 545 Messstellen.

Wasserprobe

Zellen

Filter 2

Filter 1

488 nm

520 nm

630

nm

FluoreszierendeFarbstoffe oderMarkermoleküle

Durchfluss-Messzelle

Glaskapillare

Argon-Laser

SeitwärtsstreulichtVorwärts-streulicht

Grün-fluoreszenz

Rot-fluoreszenz

Bun

desa

mt

für

Um

wel

t

Funktionsprinzip der Durchflusszytometrie.

2010Die Eawag 2010

Die Eawag sucht den Dialog mit der

Gesellschaft in der Schweiz und

im Ausland, um auf die anstehenden

Probleme im Bereich Wasser auf-

merksam zu machen und tragfähige

Lösungen zu finden. Damit dies gelingt,

braucht es motiviertes und qualifizier-

tes Personal mit viel eigener Initiative,

eine ausgezeichnete Infrastruktur und

ein produktives Klima. Der Kontakt mit

der Öffentlichkeit, Chancengleichheit,

die Förderung des akademischen

Nachwuchses, Gebäudesanierungen

und die Erneuerung der Infrastruktur

prägten neben Forschung, Lehre und

Beratung dementsprechend auch das

Eawag-Jahr 2010.

Starker Austausch mit Asien: eine Delegation aus China zu Besuch an der Eawag.

2010Eawag im DialogViele BesucherDie Eawag pflegt und schätzt denAustausch mit interessierten Krei-sen. Auch im Jahr 2010 gab esvielfältige Möglichkeiten für einenDialogmitVertreternausderPraxis,der Politik, der Wirtschaft und mitPrivatpersonen.AlleinbeiBesuchenan den Standorten Dübendorf undKastanienbaumbegrüsstedieEawagmehr als 1200 Personen. Das In-teresse galt dabei sowohl Themen

aus der Wasserforschung als auchdem innovativen Hauptgebäude derEawag,demForumChriesbach,undderInstitutionalssolcher.

Starker Austausch mit AsienBei den internationalen Kontaktenstehtder täglichewissenschaftlicheAustausch der Eawag-Forschendenim Vordergrund. Daneben sind vorallemBehördenvertreterausbenach-barten europäischen Ländern undaus Asien, insbesondere aus China,anderEawaginteressiert.Fachleuteaus den Bereichen Infrastrukturma-nagement und Kommunalplanungsuchen den Kontakt zu den Eawag-Expertinnen und -Experten. AuchdertaiwanesischeBotschafterFadahHsiehvonderBotschaftinBernbe-suchte die Eawag im August undtauschte sich mit Eawag-DirektorinJanetHeringaus.

Im September trat Rik Eggen,StellvertretenderDirektorderEawag,zudem an der Weltausstellung inSchanghai an einer von der ETHZürichorganisiertenTagungaufundreferierte über die Herausforde-rungen im Bereich Wasser in boo-menden Städten. Er traf bei dieserGelegenheit auch den chinesischenWasserministerChenLei.

Verankerung im GlattalNeben den internationalen Kontak-tensindderEawagdieBeziehungenzu ihren Standortgemeinden Horwim Kanton Luzern und DübendorfimKantonZürichwichtig.Sowohl inLuzern als auch in Zürich steht siedeshalb in gutem Kontakt mit denGemeindevertreterinnenund-vertre-tern und unterstützt standortbezo-gene Projekte. So war die EawagimDezember2010GastgeberinderVerkehrsbetriebe Glattal, die mitdemFahrplanwechseldieneueGlat-talbahnaufdieSchienegebrachthat.

DieBahnverbindetdieEawagmitdem Flughafen Zürich und anderenVerkehrsknotenpunkten. Der Eröff-nungsanlass mit über 300 GästenausWirtschaft,BehördenundPolitikfand im Hauptgebäude der Eawag

Grosse und kleine Besucher interessieren sich für die Arbeit der Forschenden in Kastanienbaum.

Eröffnung der Glattalbahn im Forum Chriesbach.

50

in Dübendorf in unmittelbarer Näheder neuen Haltestelle statt. Am an-schliessenden Fest für die Bevölke-rungpräsentiertesichdieEawagmiteinem eigenen Stand und Wasser-experimentenfürKinder.

Kunst aus dem LaborEin Austausch der besonderen Artwarin2010jenermitderKunst.Seit2003 nimmt die Eawag am Projekt«Artist in Lab» teil. Dieses von derZürcherHochschulederKünstekoor-dinierteProjektermöglichtesKunst-schaffenden aus der Schweiz und

Eawag an der Ausstellung «2 Grad» DieEawagwar in2010anderAus-stellung «2 Grad – das Wetter, derMensch und das Klima» in Baselpräsent. Anhand eines Modellszeigte sie eine neue Methode zurRegenmessung, die mit Hilfe vonMobilfunkantennen räumlich deut-lich exaktere Messdaten liefert alsdie traditionelle Regenmessung miteinzelnen Regensammlern. Die bisFrühling 2011 dauernde Ausstellungauf dem Basler Dreispitzareal warsechs Monate lang eine Plattformfür Diskussionen um die ThemenWetter, Mensch und Klima und hatmehr als 31000 Menschen angezo-gen,darunter650Schulklassen.

AuszeichnungenErfolgreicher ForschernachwuchsDieForschungderEawaghateinenexzellenten Ruf und zieht viele jun-ge Spitzenforscherinnen und -for-scher an. Für ihre herausragendenForschungsleistungen wurden 2010gleich mehrere ausgezeichnet: DerBernerUmweltpreisgingimMärzanEawag-Forscher David Bittner undseinen Kollegen Daniel Bernet vonder Universität Bern für ihre Arbeitüber anormale Veränderungen beiFelchen im Thunersee. Die Eawag-ForscherinMartineMaanhatimJunidenDutchZoologyPrizederKönig-lich-Niederländischen Gesellschaftfür Zoologie erhalten. Der Preis

zeichnetdiebestenArbeitenimBe-reichderintegrativenZoologieaus.

Gleich zwei junge Wissenschaf-terinnen der Eawag erhielten imNovember Preise für ihre Disser-tationen. Linda Roberts wurde ander ETH Zürich mit dem Otto-Jaag-Gewässerschutz-Preis für ihre Dis-sertationüberdieArsenbelastunginReisfeldernvonBangladeschausge-zeichnet,undNatachaPascheerhieltden Hydrobiologie-Limnologie-Preis2010 für ihreDissertation zumThe-ma«NährstoffkreislaufundMethan-produktionimKivuseeinAfrika».

Langjährige Forschung honoriertNeben den Nachwuchsforscherin-nen und -forschern wurden auchlangjährige Eawag-Wissenschaftermit hohen Auszeichnungen geehrt.Der frühere Eawag-Direktor Alexan-der Zehnder durfte im Februar2010 das Bundesverdienstkreuz fürseine Leistungen in deutschen For-schungsinstitutenentgegennehmen,mit denen er in Deutschland zurStärkung des Forschungsstandortsbeigetragenhat.

Besonders erfreulich ist auch dieVergabe des international ausge-schriebenenMuelheimWaterAwardan die Eawag-Forscher FrederikHammes,ThomasEgliundihrTeam,densiegemeinsammitderWasser-versorgungZüricherhielten.Dermit20000FrankendotiertePreiswurdeihnenfürdieEntwicklungeinerneu-en praxistauglichen Methode verlie-hen,mitdersichschnellTrinkwasserbewertenlässt(sieheSeite46).

InfrastrukturModerne Bauten für zeitgemässe ForschungUmdieForschungaufeinemhohenNiveau zu halten, ist die Eawag aufzeitgemässeArbeitsplätzeundInfra-struktur angewiesen. 2010 konntesie die Wiedereröffnung ihres total

Aniu Chen präsentiert seine Arbeiten.

Linda Roberts bei der Feldarbeit in Bangladesch.

China, inchinesischenoderschwei-zerischen ForschungsinstitutionenmitForschendenzusammenzuarbei-tenundihreEindrückewährenddesfünfMonatedauerndenAustauschesin künstlerischenArbeitenumzuset-zen.

In 2010 war Aniu Chen, FotografundKünstlerausShenzhen,Gast inder Abteilung Aquatische Ökologiean der Eawag. Er beschäftigte sichvor allem damit, welche BedeutungdasWasserfürdieForschendenundMitarbeitenden der Eawag hat, undmachte Experimente mit WasserunterdemMikroskop.SeineFotogra-fienundInstallationenwurdenanderEawag in Dübendorf, in SchanghaiundinBernausgestellt.

DIEEAWAG2010 51

sanierten Laborgebäudes in Düben-dorf feiern. Das Gebäude mit rund3600 Quadratmetern Hauptnutzflä-che wurde 1970 bezogen und nunwährendzweierJahrebeiWeiterfüh-rungdesBetriebsumgebaut.

Die Sanierung war auch energe-tisch ein Erfolg: Durch die erhöhteWärmerückgewinnung und weitereMassnahmen liess sich der Ver-brauch an fossiler Energie nahezuhalbieren.

Am Standort Kastanienbaum er-öffnetedieEawagalsErsatz fürdiealtenBürocontainerzudemeinneuesGebäude.DerHolzbauistnachdemMinergie-P-Standard gebaut. DenInnenausbau und die MöblierunghabendieMitarbeitendenmassgeb-lichmitbestimmt.

Neues Risiko­managementIn 2010 strukturierte die Eawag ihrRisikomanagement neu und setz-te einen Risk-Manager ein. Er stehtdemRisikoausschussvor,derausjezweiSicherheitsbeauftragtenfürdiefünf Bereiche Brand- und Gebäude-schutz, Chemiesicherheit, IT-Sicher-heit,BiologiesicherheitundStrahlen-sicherheit besteht. Zum Risikoaus-schussgehören ausserdemdiedreiBeauftragtenfürdasinterneKontroll-system.DieRisikenderEawagwur-den zudem in 2010 neu bewertetundentsprechendeMassnahmenzurVermeidung der Risiken umgesetzt.Ein jährlicher Risikoreport gibt Aus-kunftüberdierelevantenVorkomm-nisseimBereichSicherheit.

Fusion der Forschungs­bibliotheken

Der neue Leiter der Eawag-Biblio-thek, Lothar Nunnenmacher, hat in2010dieFusionderBibliothekendervier Forschungsanstalten Eawag,Empa,PSIundWSLvorbereitetundderenZusammenarbeitstarkintensi-viert. Die neue gemeinsame Biblio-thekträgtdenNamenLib4RI(Libra-ryfortheResearchInstituteswithintheETHdomain:Eawag,Empa,PSIandWSL).Siewurdenacheinerkur-zenPlanungsphasevonnurwenigenMonatenbereits imJanuar2011er-öffnet. Die Bibliothek Lib4RI ist or-ganisatorisch und administrativ derEawag zugeordnet und hat inner-halbderEawagdenStatuseinerAb-teilung.

Lib4RI ist dem von der ETH-Bib-liothek betriebenen AusleihverbundNebisangeschlossen,wasdienach-haltigeZusammenarbeit imETH-Be-reich gewährleistet. Zusätzlich zumphysischen Bestand, der an denbisherigen Standorten weiter zurVerfügung steht, entsteht neu eineverbesserte, zeitgemässe elektroni-sche Bibliothek, weil ein orts- undzeitunabhängigerZugriffaufdieBib-liotheksangebote für die vier For-schungsinstitute mit insgesamt elfStandorten in der ganzen SchweizvonbesondererBedeutungist.

UmweltmanagementMit dem Velo zur EawagBereits zweimal zeichnete derDachverband für die Interessen derVelofahrenden, Pro Velo Schweiz,dieEawagalsbesondersvelofreund-lichen Betrieb aus. Auch 2010 hatsich die Eawag dafür eingesetzt,dass ihre Mitarbeitenden vermehrtdas Velo für den Arbeitsweg be-nutzen. Seit Anfang Mai steht denMitarbeitendenderEawagundEmpaam Bahnhof Stettbach an der Zür-cherStadtgrenzeeineneueseparateVeloabstellanlagezurVerfügung.Dieneue Anlage ist in bester Lage undsehrgutausgerüstet:100Velostän-der, gute Beleuchtung, AbstellplatzfürAnhänger.DassichereEinstellender Fahrräder ist für die Mitarbei-tenden der beiden Institutionenkostenlos.

Die Eawag deckt die Kosten fürden Investitionsbeitrag, die Mieteund den Unterhalt durch CO2-Kom-pensationsgebühren aus betrieb-

Das sanierte Gebäude in Dübendorf ist kein Elfenbeinturm.

Die Bibliotheken von Eawag, Empa, PSI und WSL haben fusioniert.

Der abschliessbare Velounterstand am Bahnhof Stettbach.

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lichen Flugreisen. Es ist dies dieersteVeloabstellanlageanSchweizerBahnhöfen, die ausschliesslich fürMitarbeitendebestimmterInstitutio-nen zugänglich ist. Die Kooperationvon Eawag, Empa und IG Velo mitder Stadt Dübendorf und den Ver-kehrsbetrieben Glattal war erfolg-reich.

SeitEndeOktoberbestehtzudemein neuer Rad- und Fussweg zwi-schen dem Eawag-HauptgebäudeunddemBahnhofStettbach,der zumehr Sicherheit und einem erhebli-chenZeitgewinnfürFussgängerundVelofahrerinnen führt. Der KantonZürich baute diesen WegabschnittaufInitiativederEawag.Paralleldazuwurde mit Geldern aus dem EWZ-Ökostromfonds der Chriesbach imAbschnitt entlang des neuen Wegsrevitalisiert.

ChancengleichheitMehr Frauen in der ForschungFür das Komitee für Gleichberech-tigung und Chancengleichheit derEawag stand in 2010 die Unterstüt-zung der Karriere von Wissenschaf-terinnenimFokus.DieEawaghateinMentoring-Projekt fürPostdoktoran-

dinnengestartet,dasamInstitutbe-schäftigte Wissenschafterinnen beider Karriereplanung unterstützt unddazubeitragensoll,dassderFrauen-anteilinderForschungzunimmt.

Zusätzlich wurde in Zusammen-arbeitmitdenanderenInstitutenimETH-Bereich die Initiative «Fix theleaky pipeline» weitergeführt, diedasgleicheZielverfolgt.

Mehr Frauen in der FührungDer Anteil von Frauen in Führungs-positionen ist an der Eawag hoch.Um ihn noch weiter auszubauen,werden speziell für die Besetzungvon Fakultäts- und Tenure-Track-Stellen talentierte Kandidatinnennicht nur identifiziert, sondern auchermuntert, sich zu bewerben. JedeBerufungskommission für Fakultäts-und Tenure-Track-Stellen muss sichdabei an spezifische «Guidelinesfor Search Committees: IncreasingDiversity»halten.Ausserdemunter-stütztdieEawagzusammenmitderEmpadiegemeinsameKinderkrippe.

Respekt für Sprache fördernNicht nur die Verteilung der Füh-rungspositionen, auch das Ver-ständnisunddieWertschätzung fürdie unterschiedlichen Kulturen derMitarbeitenden sind für eine inter-nationalgeprägte InstitutionwiedieEawagwichtig.In2010hatdahereinTeam aus dem Komitee für Gleich-berechtigungundChancengleichheitaufgrund einer Befragung an derEawagEmpfehlungen zumUmgangmit Sprachen und Sprachbarrierenerarbeitet.Soschlägtdiesesvor,beiAnlässenschonbeiderAnkündigungdarüber zu informieren, in welcherSprachediesestattfinden,oderplä-diertbeiVorträgenfürMischformen(zumBeispieldenVortraginDeutschzuhalten,währenddieFolieninEng-lischsind).

Daneben engagierte sich dieEawag auch für die Integration er-krankter oder behinderter Mitarbei-

terinnenundMitarbeiterundkonnteindividuelleLösungenerarbeiten,umbetroffene Personen im Arbeitspro-zesszuintegrieren.

PersonellesEintritte und neue ProfessurenDerETH-RathatimBerichtsjahrvierForschendederEawagzuProfesso-rengewählt.JanetHering,DirektorinderEawag,undUrsvonGuntener-hielteneineordentlicheProfessurander ETH Lausanne (EPFL). EbensowurdendieUmweltchemikerinJulia-neHollenderanderETHZürichunddie Umwelttoxikologin Kristin Schir-meranderEPFLzuTitularprofesso-rinnengewählt.

Auch weitere wichtige Positionenkonnten mit versierten Fachkräftenneubesetztwerden.SohatimAprilLothar Nunnenmacher die Leitungder Bibliothek der Eawag und derEmpaübernommen.Erbringteinenreichen Erfahrungsschatz aus derBibliothek der ETH Zürich mit undhat erfolgreich die bereits geplan-te Fusion der Bibliotheken aller For-schungsanstalten im ETH-Bereichumgesetzt.

ImSeptember2010hatIngeWer-ner ihreStellealsneueLeiterindesOekotoxzentrums angetreten. Zuvorleitete sie an der University of Ca-lifornia in Davis, USA, das AquaticToxicology Laboratory (ATL) undengagierte sich als Adjunct-Profes-sorin in der Lehre. Das ATL ist einstaatlichzertifiziertesLabor,dasdieGewässerqualität und die Gesund-heitderaquatischenÖkosystemeinganzKalifornienuntersucht.DorthatdiepromovierteZoologinzusammenmit staatlichen und lokalen Behör-denzahlreicheangewandteProjektein der aquatischen Ökotoxikologiedurchgeführt.

Seit Januar 2010 ist Jukka JokelaMitglied der Direktion der Eawag.

Ein Mentoring­Programm unterstützt junge Wissenschafterinnen bei der Karriereplanung.

WeitereInformationenzumRessourcen-undUmweltmanage-mentderEawagundzuProjektendesUmweltteamsfindenSieunterwww.umwelt.eawag.ch

DIEEAWAG2010 53

Jokela ist finnischer Staatsbürgerund seit 1996 als Wissenschafterim Bereich Gewässerökologie anderETH Zürich tätig. Seit dem Jahr2005isterordentlicherProfessorander ETH Zürich. Von 2005 bis 2009leitete er ausserdem die AbteilungAquatischeÖkologie.

Stabiler Personalbestand DerPersonalbestandhatimVergleichzum Vorjahr, vor allem im wissen-schaftlichenundtechnischenBereichim längerfristig geplanten Rahmenzugenommen. Insgesamt erhöhtesichdieZahlderMitarbeitendenum24Personen (plus5,6Prozent).DieZunahme von Mitarbeitenden imwissenschaftlichen Bereich verteiltsichetwahälftigzwischenMännernundFrauen.Imtechnischenundad-ministrativen Bereich überwiegt dieZunahmevonmännlichenPersonen.ImKaderbereichliegtderAnteilvonweiblichen Führungskräften weiter-hinbeihohen23Prozent,miteinemAnstieg insbesondere in den hohenFunktionsstufen.

Nach wie vor engagiert sich dieEawaginderAusbildungvonLernen-den.Siebietet26Ausbildungsplätzein der kaufmännischen Ausbildung,Informatik und im Labor an (sieheSeite34).

Integrität in der ForschungAuf wissenschaftlicher Integritätgründen der Ruf eines Forschen-den und jener einer Forschungs-institution.Deshalbengagiertensichdie vier Forschungsanstalten desETH-Bereichs (Eawag, Empa, PSI,WSL) im Jahr 2010 gemeinsam fürdie Integrität in der Forschung inihren Instituten. Sie führten ent-sprechendeRichtlinienfüreinegutewissenschaftliche Praxis ein undinformierten ihre Mitarbeitenden ineiner gemeinsamen Veranstaltungdarüber.Demnachmüssenbeispiels-weisewissenschaftlicheErgebnissefür andere reproduzierbar sein undVersuchsanordnungennachvollzogenwerdenkönnen.ErfindenundDieb-stahl von Primärdaten oder PlagiatesindebensounzulässigwiedieVer-öffentlichung derselben Inhalte inverschiedenen wissenschaftlichenMedien oder das Aufteilen in meh-rereunvollständigeTeilpublikationenzwecks Erhöhung der Anzahl ver-öffentlichter Artikel. Jede an einemForschungsprojekt beteiligte Personsoll zudem für den Teil der Arbeitdie Verantwortung übernehmen,diesiedirektbeeinflussenkann.DieGesamtverantwortungfürdenInhalteiner Publikation liegt beim korres-

pondierenden Autor. Bei Problemenrund um das Thema Integrität kön-nen sich Mitarbeitende an spezielleOmbudspersonenwenden.

Beratende Kommission im WandelDie Beratende Kommission derEawaghat einenhohenStellenwertfürdieForschungsanstalt.Siedecktdie wichtigsten Akteure im BereichWasserinderSchweizabundberätdie Direktion bei wichtigen strategi-schenEntscheidungen.In2010kames zu verschiedenen Wechseln indiesem Gremium. Als wichtige Ver-treter des Bundes und der KantonehabenStephanR.Müller,Abteilungs-leiter Wasser beim Bundesamt fürUmwelt, und Heinz Habegger, Vor-steher des Amtes für Wasser undAbfall des Kantons Bern, Einsitzin die Beratende Kommission ge-nommen.AlsVertreterderIndustriesind neu Claus Conzelmann, LeiterSafety,HealthandEnvironmentSus-tainabilityderNestléSuisseSA,undRetoSchneider,LeiterEmergingRiskManagement der Swiss Re, Zürich,dabei. Die Beratende KommissionwirdseitMai2010vonUrsulaBrun-ner, Rechtsanwältin bei Ettler SuterRechtsanwälte,Zürich,präsidiert.SiefolgtaufdenbisherigenPräsidentenAndréBachmann,DirektorderBMGEngineering,Schlieren. i i i

Die Eawag­Belegschaft besteht zu 48 Prozent aus Frauen.

Integrität: Die Eawag führte Richtlinien für die gute wissen­schaftliche Praxis ein.

Ursula Brunner ist neue Präsidentin der Beratenden Kommission.

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Ständige Kommissionen

Oekotoxzentrum Eawag/EPFLInge Werner

Kompetenzzenten� Kompetenzzentrum für Ökologie,

Evolution und Biogeochemie (CEEB)� Kompetenzzentrum für Trinkwasser

(CCDW)

DirektionJanet Hering (Direktorin)Rik Eggen (Stv. Direktor)Jukka JokelaPeter ReichertBernhard WehrliWilli Gujer

Forschungsabteilungen Supportabteilungen

Fischökologie und Evolution Ole Seehausen

Oberflächengewässer Alfred Wüest

Aquatische ÖkologiePiet Spaak

UmweltchemieJuliane Hollender

UmweltmikrobiologieThomas Egli

UmwelttoxikologieKristin Schirmer

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Sozialwissenschaftliche InnovationsforschungBernhard Truffer

SiedlungswasserwirtschaftMax Maurer

Wasserressourcen und TrinkwasserRolf Kipfer

VerfahrenstechnikHansruedi Siegrist

Wasser und Siedlungshygiene in Entwicklungsländern Chris Zurbrügg

Systemanalyse und ModellierungPeter Reichert

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Personal und FinanzenGabriele Mayer

KommunikationAnke Poiger

InformatikGabriel Piepke

StabThomas Lichtensteiger

BerufsbildungMax Reutlinger

Technischer DienstMax Mauz

Bibliothek Lothar Nunnenmacher

KinderkrippeJoerg Klausen

Eawag/Empa

Beratende KommissionUrsulaBrunner(PräsidentinseitMai2010),Rechtsanwältin,EttlerSuterRechtsanwälte,ZürichAndréBachmann(PräsidentbisMai2010),DirektorBMGEngineering,SchlierenPeterArbenz,PräsidentHelvetasClausConzelmann(Vizepräsident,seitMai2010),LeiterSafety,HealthandEnvironmentalSustainability,NestléSuisseSAErikaForster-Vannini(bisDezember2010),Ständerätin,St.GallenGünterFritz,LeiterUmwelt,GesundheitundSicherheit,BASFSchweizAGUrsGantner,LeiterFachbereichForschungundBeratung,BundesamtfürLandwirtschaft,BernHeinzHabegger(seitMai2010),VorsteherAmtfürWasserundAbfalldesKantonsBernJürgMeyer,DirektorInfrastruktur-Services,ISSSchweizAG,ZürichStephanR.Müller(seitNovember2010),AbteilungsleiterWasser,BundesamtfürUmwelt,BernRetoSchneider(seitMai2010),LeiterEmergingRiskManagement,SwissRe,Zürich

Organisation

ZAHLENUNDFAKTEN2010 55

PersonenBeschäftigungsgrad Frauen Männer Total

1–49% 13 8 21

50–79% 39 7 46

80–99% 38 24 62

100% 128 193 321

Total 218 232 450

Herkunft Frauen Männer Total

Schweiz 130 143 273

EU-Länder 68 71 139

ÜbrigesAusland 20 18 38

Total 218 232 450

Lernende Frauen Männer Total

Biologielaborant/in 1 2 3

Chemilaborant/in 8 10 18

Informatiker/in 0 2 38

Kauffrau/Kaufmann 2 1 3

Total 11 15 26

Personal Personeninsgesamt

Frauen Ausländer/innen

Vollzeit-äquivalent

OrdentlicheProfessorinnenundProfessoren1 9 1 3 9

Assistenz-undTitularprofessorinnenund-professoren 15 3 5 14

WissenschaftlicheMitarbeitende(Mittelbau) 161 58 82 149

DoktorandinnenundDoktoranden 97 52 62 97

TechnischesPersonal 90 43 12 75

AdministrativesPersonal 60 50 11 43

Lernende 26 11 4 26

Total 458 218 179 413

MitarbeitendeEawag-Empa-Kinderkrippe 19 18 2 17

PraktikantinnenundPraktikanten2 38 20 26 38

1 8davonsindnichtodernichtdirektvonderEawagangestellt2 UnterschiedlichlangeAnstellungsdauern,Anzahlinsgesamtin2010

80 60 40 20 0 20 40 60 80

27%

50%

54%

39%

60%

48%

Frauen Männer

Anzahl

Altersstruktur Frauen Männer Total

60–65 7 19 26

50–59 35 35 70

40–49 45 38 83

30–39 53 82 135

20–29 65 44 109

15–19 13 14 27

Total 218 232 450

(48,4%)

2008 2009 2010

BetreuteDissertationen 119 111 153

BetreuteBachelor-undMasterarbeiten 97 109 142

PublikationeninreferiertenZeitschriften 253 232 259

PublikationeninnichtreferiertenZeitschriften 55 114 72

Spin-offs 1 – –

Patente,Lizenzverträge – – –

Dienstleistungsaufträge 31 24 35

Preise 12 19 26

LehrveranstaltungenETHZ,EPFL 81 82 95

LehrveranstaltungenandereuniversitäreHochschulen 52 41 24

LehrveranstaltungenFachhochschulen 2 6 0

Peak-Kurse(Weiterbildung) 4 5 6

Fachtagungen 39 53 54

MitarbeitinKommissionen 178 184 190

DetailliertereAngabenunterwww.eawag.ch/jahresbericht

Aktivitäten

56 ZAHLENUNDFAKTEN2010

Finanzen

Erfolgsrechnung 2008 2009 2010

Personal 39498230 39278708 41923339

Material 3693473 11426136 2990640

Betriebs-undInfrastrukturaufwand 13049526 14011009 14920290

Abschreibungen 1315815 1896647 2109090

Rückstellungen 5780247 1001944 –210058

Aufwand 63337291 67614444 61733302

Bundesbeitrag 54429850 47596574 54239254

Drittmittel(inkl.Bestandesveränderungen) 11237615 11068789 14246016

DiverseErlöse 935584 1238918 1717018

Ertrag 66603049 59904281 70202289

Ergebnis 3265758 – 7710163 8468987

Investitionen 15823645 3849680 6774457

Immobilien 13890051 1484507 3713999

Mobilien 1663563 2047665 3006300

Informatik 270031 317508 54158

alleZahleninCHF

Personal-ausgaben(67,6%)

Ausgabenverteilung 2010

Materialausgaben (4,8%)

Betriebs- und Infrastrukturaufwand

(24,2%)

Abschreibungen(3,4%)

0

10

20

30

40

50

60

70

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Aufwand

Drittmittel

Bundesbeitrag

Mio

. CH

F

Entwicklung 2004–2010

ForschungsförderungCHF 5,0 Mio.

(34,7%)

Ressort-forschung

CHF 4,23 Mio. (29,4%)

Wirtschaftsorientierte Forschung

CHF 3,57 Mio. (24,8%)

Europäische Forschungs-programme

CHF 1,22 Mio. (8,5%)

Übrige Mittel CHF 0,38 Mio. (2,6%)

Drittmittel 2010

Impressum

Konzept: Andri Bryner, Andres Jordi

Redaktion: Andres Jordi

Mitarbeit: Andri Bryner, Samuel Derrer, Jean-Martin Fierz, Herbert Güttinger, Kirstin Kopp, Thomas Lichtensteiger, Anke Poiger, Annette Ryser,

Anke Schäfer, Monika Tobler, Sören Vogel, Lenny Winkel

Bilder: Alle nicht gezeichneten Bilder sind von der Eawag.

Gestaltung: TBS Identity, Zürich

Layout: SLS Nadler, Fällanden Druck: Mattenbach AG, Winterthur

Copyright: Eawag, April 2011 Abdruck mit Quellenangabe erwünscht:

«Eawag – aquatic research; Jahresbericht 2010» Belegexemplare an:

Eawag, Kommunikation, Postfach 611, 8600 Dübendorf, Schweiz

Eawag, Überlandstrasse 133, Postfach 611, 8600 DübendorfTelefon +41 (0)58 765 55 11, Fax +41 (0)58 765 50 28

Eawag, Seestrasse 79, 6047 Kastanienbaum Telefon +41 (0)58 765 21 11, Fax +41 (0)58 765 21 68

www.eawag.ch

Der Jahresbericht 2010 zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus Forschung, Lehre und Beratung an der Eawag. Unter

www.lib4ri.ch/institutional-bibliography/eawag.html finden Sie alle Eawag-Publikationen samt Zusammenfassungen

der einzelnen Artikel. Darin enthaltene «open access»-Publikationen können frei heruntergeladen werden.

Bei Problemen: [email protected]

Der Jahresbericht ist auch in Englisch erhältlich.

UmschlagsbildCornelia Kienle und Tamas Mengesha vom Oekotoxzentrum der Eawag und ETH Lausanne diskutieren über die Kultivierung von Grünalgen; im Vordergrund sieht man eine Anlage zur Festphasen-extraktion chemischer Substanzen aus Wasserproben. Das Oeko-toxzentrum untersucht und beurteilt die Wirkung von Chemikalien auf die Umwelt und engagiert sich in der Beratung und Weiter-bildung (siehe auch Seite 44). Foto: Peter Schönenberger, Winterthur

Die Eawag ist das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs. Zu diesem gehören neben den beiden Hochschulen ETH Zürich und ETH Lausanne (EPFL) die vier selbstständigen Forschungsinstitutionen Empa, PSI, WSL und Eawag. Die Eawag befasst sich – national verankert und international vernetzt – mit Konzepten und Technologien für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Wasser und den Gewässern. In Zusammenarbeit mit Hochschulen, weiteren Forschungsinstitutionen, öffentlichen Stellen, der Wirtschaft und mit Nichtregierungsorganisationen trägt die Eawag dazu bei, ökologische, wirtschaftliche und soziale Interessen an den Gewässern in Einklang zu bringen. Sie nimmt damit eine Brückenfunktion wahr zwischen Wissenschaft und Praxis. An den Standorten Dübendorf (Zürich) und Kasta-nienbaum (Luzern) sind insgesamt 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Forschung, Lehre und Beratung tätig.

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2010

EawagÜberlandstrasse 133Postfach 6118600 DübendorfTelefon +41 (0)58 765 55 11Fax +41 (0)58 765 50 [email protected] Jahresbericht 2010

Eawag: Das Wasserforschungs-Institut des ETH-Bereichs