Economic Community of West African States (ECOWAS) · der ECOWAS dürfte vor allem den frankophonen...

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Stefan Mair Economic Community of West African States (ECOWAS) Regionale Integration und Kooperation in Afrika südlich der Sahara, Teil II SWP-Studie Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit S 15 Juli 2001 Berlin

Transcript of Economic Community of West African States (ECOWAS) · der ECOWAS dürfte vor allem den frankophonen...

Stefan Mair

Economic Community ofWest African States (ECOWAS)Regionale Integration und Kooperationin Afrika südlich der Sahara, Teil II

SWP-StudieStiftung Wissenschaft und PolitikDeutsches Institut für InternationalePolitik und Sicherheit

S 15Juli 2001Berlin

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Gestaltungskonzept

Gorbach Büro für Gestaltung

und RealisierungBuchendorf

Inhalt

Problemstellung und Empfehlungen 5

Ziele und Struktur der ECOWAS 7Vorgeschichte 7Kontext der Wiederbelebung 8Grundsätzliche Ziele und Prinzipien 11Struktur und Organe 14Finanzen 24

Chancen regionaler Integration und Kooperation in Westafrika 27Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt 27Ausgangsbedingungen 27Zielsetzungen der ECOWAS und deren Umsetzung 34Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer 40Politische Zusammenarbeit und politische Föderation 47Ausgangsbedingungen 47Zielsetzungen und Umsetzungsstrategie 49Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer 52Sektorale Kooperation 57Ausgangsbedingungen 57Zielsetzungen und Umsetzungsstrategie 61Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer 62Erweiterung 63

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen 64UEMOA und Mano River Union 64Kompatibilität 64Prioritätensetzung der Mitgliedsländer 65Post-Lomé 66

Schlußfolgerungen und Empfehlungen 69Schwächen und Stärken 69Zielkompatibilität 72Ziele und Interessen der Mitgliedsländer 74Fortentwicklung der ECOWAS 77Kompatibilität mit anderen Regionalorganisationen 78Post-Lomé und REPA 78Empfehlungen 78

Abkürzungen 83

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Problemstellung und Empfehlungen

Economic Community of West African States (ECOWAS).Regionale Integration und Kooperation in Afrika südlichder Sahara, Teil II

Die Förderung regionaler Kooperation und Integration in Afrika südlichder Sahara gehört zu den vorrangigen Zielen deutscher Afrikapolitik. Inseinen Leitlinien für die Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika südlichder Sahara und in seinem Strategiepapier für die Politik gegenüber demsüdlichen Afrika betonen das Bundesministerium für wirtschaftlicheZusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bzw. das Auswärtige Amt diegroße Bedeutung dieses Förderansatzes. Der Cotonou-Vertrag zwischen EUund den Ländern Afrikas, der Karibik und der Pazifik (AKP) räumt Regio-nalorganisationen einen hohen Stellenwert ein. Parallel hierzu haben afri-kanische Regionalverbände ihre Integrationsbemühungen verstärkt.

Beide Entwicklungen waren Anlaß für die Durchführung eines For-schungsprojekts »Regionale Integration und Kooperation in Afrika südlichder Sahara«, das vom BMZ finanziell unterstützt wurde. In drei Fallstudien� East African Community (EAC), Economic Community of West AfricanStates (ECOWAS), Southern Africa Development Community (SADC) �wurden folgende Punkte analysiert: Schwächen und Stärken der jeweiligenRegionalorganisation; Kompatibilität ihrer Ziele mit jenen der Bundes-regierung bei der Förderung regionaler Kooperation und Integration; Zieleund Interessen der jeweils zentralen Mitgliedsländer in bezug auf regio-nale Kooperation und Integration; Vorstellungen zur Fortentwicklung derOrganisationen in den zentralen Mitgliedsländern und auf der Führungs-ebene der Sekretariate; Kompatibilität und Konkurrenz der einzelnenRegionalorganisationen; Rückwirkungen des Cotonou-Vertrages; Empfeh-lungen für die Förderung der jeweiligen Regionalorganisationen.

Empirische Grundlage der Fallstudien sind Gespräche und Recherchenim Rahmen von zwei- bis dreiwöchigen Feldaufenthalten in den Sekretaria-ten der Regionalorganisationen und in den Hauptstädten ihrer wichtig-sten Mitgliedsländer. Die Ergebnisse der Feldstudien werden jeweils ineiner Teilstudie präsentiert. Sie werden abschließend in einer Synopsezusammengefaßt und dabei durch grundsätzlichere Ausführungen zuRatio und Erfolgsbedingungen regionaler Integration und Kooperation inLändern des Südens ergänzt.

Die vorliegende Teilstudie beschäftigt sich mit der ECOWAS. 1975 inLagos gegründet, führte sie lange Zeit ein Schattendasein. In den 90erJahren erlebte sie eine spürbare Dynamisierung. Im überarbeiteten Grün-dungsvertrag von 1993 wird das Ziel bekräftigt, eine westafrikanischeWirtschaftsunion zu bilden und in ausgewählten Politikfeldern zu koope-rieren. Der ECOWAS-Vertrag formuliert keine politischen Integrations-ziele, betont jedoch politische Grundsätze im Prinzipienkatalog. Nimmt

Fragestellung

Auswahl der Fallstudien

Die ECOWAS und ihreFörderungswürdigkeit

Ziele und Struktur der ECOWAS

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man die allgemeinen Ziele der deutschen Entwicklungszusammenarbeitzum Ausgangspunkt, läßt sich eine gewisse Förderungswürdigkeit derECOWAS ableiten. Das Hauptinteresse der internationalen Gebergemein-schaft und des BMZ dürfte vor allem auf den möglichen Beitrag derECOWAS zur Lösung der Konflikte in Westafrika und zur politischen Stabi-lisierung der Region gerichtet sein.

Eine Förderung von außen muß an der Beseitigung von Integrations-hemmnissen und der Verstärkung von Integrationskatalysatoren ansetzen.Die entscheidenden politischen Integrationshemmnisse sind der Grabenzwischen anglophonen und frankophonen Staaten der Region, der regio-nale Vormachtanspruch Nigerias und der Widerstand Côte d�Ivoires dage-gen. Externe Akteure können in diesem schwierigen politischen Gefüge andrei Stellen ansetzen. Erstens ist innerhalb der EU eine kritische Ausein-andersetzung mit Frankreich über seine Politik gegenüber Westafrika drin-gend erforderlich. Zweitens ist eine Intensivierung des Dialogs mit Nigeriaund Côte d�Ivoire über regionalpolitische Ziele und Strategien notwendig.Ein entscheidendes Integrationshemmnis in anderen Regionalverbändenhat in der ECOWAS noch keine große Sprengkraft entwickelt: die Frage derKompensation jener Volkswirtschaften, die bei Errichtung einer Freihan-delszone kurzfristig zusätzliche Kosten tragen müssen. Dennoch sollte sichdas Augenmerk auf die Unterstützung von Ausgleichsmaßnahmen richten� weniger in Form direkter finanzieller Hilfe als vielmehr durch die Bereit-stellung von Expertise für die Errichtung eines funktionierenden Finanzie-rungssystems. Darüber hinaus ist ein Beitrag zur Entwicklung effizienterund fairer Steuersysteme in den westafrikanischen Staaten unabdingbar.

Defizite bei der Kompetenzverteilung zwischen den ECOWAS-Organenund bei der Zielformulierung sollten durch bevorzugte Förderung be-stimmter Organe und Konzentration der Fördermittel auf spezifischeArbeitsbereiche bekämpft werden. Drei ECOWAS-Institutionen bedürfender Stärkung: das ECOWAS-Sekretariat, der regionale Gerichtshof sowiedas Regionalparlament. Sie sind potentielle Motoren der Integration sowieein mögliches Korrektiv zu der Allmacht der Gipfeltreffen und dem dortherrschenden Voluntarismus. In der Sektorkooperation verdient dieECOWAS beim Ausbau der physischen Infrastruktur selektive materielleUnterstützung. Darüber hinaus sollte das BMZ versuchen, seinen allge-meinen entwicklungspolitischen Zielen mehr Geltung zu verschaffen, ins-besondere der Armutsbekämpfung und der Schaffung menschenwürdigerLebensumstände sowie der Förderung des ökologischen Gleichgewichtsund der Bewahrung natürlicher Lebensgrundlagen. Die innerhalb derECOWAS ausgeprägten Ansätze zu politischer Kooperation sind förde-rungswürdig. Dies gilt insbesondere für den Konfliktbewältigungsmecha-nismus. Vordringlich ist in diesem Bereich die Entwicklung von Mechanis-men für den intraregionalen Interessenausgleich. Parlamente, Interessen-verbände, Nichtregierungsorganisationen, Medien und die Wissenschaftbedürfen der Unterstützung, um außen- und sicherheitspolitische Exper-tise zu entwickeln und im Integrationsprozeß geltend zu machen.

Verbesserung derIntegrationsbedingungen

Förderung der ECOWAS

Vorgeschichte

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Ziele und Struktur der ECOWASZiele und Struktur der ECOWASZiele und Struktur der ECOWASZiele und Struktur der ECOWAS

Die ECOWAS ist eine der ältesten Regionalorganisationen Westafrikas. Siewurde auf gemeinsame Initiative Nigerias und Togos hin 1975 in Lagosgegründet. Dennoch wäre es nicht fair und angemessen, die Erfolge undDefizite der ECOWAS an dem Zeitrahmen von 25 Jahren zu messen. Übereine lange Phase hinweg � von der Gründung bis Ende der 80er Jahre �führte die ECOWAS ein Schattendasein. Sie war kaum mehr als ein Forumfür regelmäßige Treffen der Staatschefs der Region, das über ein Sekre-tariat in Lagos verfügte. Mit den veränderten politischen und wirtschaft-lichen Rahmenbedingungen zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts undmit den innenpolitischen Veränderungen in denMitgliedsländern zum gleichen Zeitpunkt hat dieRegionalorganisation eine gewisse Dynamisierungerfahren, die sich in der Unterzeichnung einesüberarbeiteten Gründungsvertrags 1993 in Abujaniederschlug. Die Intervention der ECOWAS-Moni-toring Group (ECOMOG) in Liberia 1990 und 1997in Sierra Leone stellt einen weiteren wichtigen Ein-schnitt dar. Das dritte wichtige Ereignis für dieregionale Integration Westafrikas im Rahmen derECOWAS liegt nur wenige Monate zurück: dieZustimmung des ECOWAS-Gipfels, unterschied-liche Geschwindigkeiten und variable Geometriebei der Vertiefung der Integration zuzulassen. Dasbedeutet nichts anderes, als daß eine Gruppe vonMitgliedsstaaten auf freiwilliger Basis Integrations-anstrengungen vorantreiben kann, ohne auf dieZögerlichen warten zu müssen.

Vorgeschichte

Die ECOWAS wurde zu einem Zeitpunkt gegründet, als emanzipatorischeForderungen der Entwicklungsländer die Nord-Süd-Beziehungen prägtenund Rufe nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung in den Entwicklungs-und Industrieländern kräftige Unterstützung fanden. Die Hauptinitiatorender Gründung, die Staatspräsidenten Togos und Nigerias, GnassingbeEyadema und Yakubu Gowon � beide durch Militärputsche an die Machtgekommen �, sahen in der ECOWAS ein Instrument, diesen Forderungeninsbesondere gegenüber Europa mehr Durchschlagskraft zu verleihen. DieGründung der ECOWAS ist auch im Kontext der zu jenem Zeitpunkt begin-nenden Verhandlungen zum Lomé-I-Vertrag zu sehen. Das in der ECOWASvereinte Gewicht der westafrikanischen Staaten sollte deren Verhand-lungsposition gegenüber der EWG stärken.

25 Jahre ECOWAS

Internationaler Kontextder Gründung

ECOWAS• Gambia• Ghana• Guinea• Kap Verde• Liberia• Nigeria• Mauretanien• Sierra LeoneECOWAS+UEMOA• Benin• Burkina Faso• Côte d�Ivoire• Guinea-Bissau• Mali• Niger• Senegal• Togo

! Abuja

Ziele und Struktur der ECOWAS

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Die beiden Initiatoren wurden aber auch von weiteren, weniger altrui-stischen Motiven bewegt. Nigeria sah sich nach Beginn des Ölbooms An-fang der 70er Jahre eindeutig in der Rolle der regionalen Führungsmacht �ein Anspruch, der damals noch nicht durch den späteren wirtschaftlichenNiedergang des Landes und der internationalen Delegitimation von Mili-tärdiktaturen getrübt war. Das Haupthemmnis für die praktische Umset-zung dieses Anspruchs bestand in der regionalen Dominanz Frankreichs,das die frankophonen Länder Westafrikas nicht nur durch die Währungs-union der Franc-Zone an sich gebunden, sondern auch in Senegal, Côted�Ivoire und Togo Truppen stationiert hatte. Mittels einer engen politi-schen Allianz mit Senegal und vor allem mit Côte d�Ivoire kontrollierteFrankreich fast das ganze frankophone Westafrika. Nigeria sah in einer diefrankophonen Staaten umspannenden westafrikanischen Regionalorgani-sation einen geeigneten Rahmen, seinen regionalen Führungsanspruch zuinstitutionalisieren und den Einfluß Frankreichs zurückzudrängen.

Dieses Interesse Nigerias traf sich mit dem Bedürfnis Togos, sich aneinen starken Partner der Region anzulehnen. Mitte der 70er Jahre war dasVerhältnis Togos zu seinen drei Nachbarstaaten Benin, Ghana und BurkinaFaso gespannt. Von seiten Frankreichs war keine Parteinahme zugunstenTogos zu erwarten, da zwei dieser Nachbarstaaten ebenfalls Bestandteil derFrankophonie waren. Togo versuchte, sich gegenüber seinen NachbarnFreiräume und gegenüber Frankreich zusätzliches strategisches Gewichtdurch eine Annäherung an Nigeria zu verschaffen.

Dem Vorstoß Togos und Nigerias konnten sich die anderen zur Mitglied-schaft eingeladenen Staaten schwerlich entziehen, zumal regionale Inte-gration schon Mitte der 70er Jahre als Zwischenstufe zur Schaffung einerafrikanischen Union Konjunktur hatte. Die Zustimmung zur Gründungder ECOWAS dürfte vor allem den frankophonen Führungsmächten um soleichter gefallen sein, als sich die Zielsetzung des ursprünglichen Grün-dungsvertrags ausschließlich auf wirtschaftliche Integration bezog. DieAussicht, über eine Wirtschaftsgemeinschaft am nigerianischen Ölreich-tum teilhaben zu können und Zugang zum schnelle Expansion verspre-chenden nigerianischen Markt zu erhalten, besaß einige Attraktivität.

Kontext der Wiederbelebung

Die anfängliche Dynamik war schnell verflogen. Nur wenige Jahre nachder Gründung der ECOWAS wurde deutlich, daß der Wille, aber auch dieFähigkeit, die ehrgeizigen Integrationsziele umzusetzen, völlig unzurei-chend waren. Hierfür sind folgende Gründe maßgeblich:Die tiefe Kluft zwischen den frankophonen und anglophonen Staatender Region: Sie äußert sich nicht nur in sprachlich begründeten Verständi-gungsschwierigkeiten, sondern auch in unterschiedlichen politischen Tra-ditionen und kognitiven Dissonanzen. Frankophoner Etatismus und Zen-tralismus waren für Fortschritte in der regionalen Integration Westafrikasein mindestens ebenso starkes Hemmnis wie Anarchie und Partikularis-mus in Nigeria.

Die Initiatoren: Nigeria...

...und Togo

Integrationsdynamik

Integrationshemmnisse

Kluft zwischenAnglophonen undFrankoponen

Kontext der Wiederbelebung

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Konkurrierende Hegemonialansprüche: Frankreich war nicht bereit,Nigerias Anspruch auf eine regionale Führungsrolle anzuerkennen. DieVormachtstellung im frankophonen Westafrika war bis in die 90er Jahrehinein Frankreichs wichtigstes Faustpfand für eine wichtige weltpolitischeRolle. Mit Ausnahme Guineas, das sich schon unmittelbar nach der Unab-hängigkeit von Frankreich losgesagt hatte, empfingen alle frankophonenStaaten Westafrikas umfangreiche materielle Alimentierungen und warenObjekt massiver wirtschaftlicher und politischer Einflußnahme bis hin zumilitärischer Intervention. Aber nicht nur Frankreich mangelte es anBereitschaft, eine Vormachtstellung Nigerias zu akzeptieren. Wenn auchkeiner der anderen ECOWAS-Staaten in bezug auf Größe, wirtschaftlicheStärke und militärische Macht mit Nigeria konkurrieren konnte, bemüh-ten sie sich doch um die Formierung von Gegengewichten zum regionalenKoloß. Dies gilt vor allem für Côte d�Ivoire, das aufgrund seines wirtschaft-lichen Entwicklungsstands und der bevorzugten Behandlung durch Frank-reich die Führungsrolle im frankophonen Afrika beanspruchte. ImVerbund mit den anderen frankophonen ECOWAS-Staaten und mit Frank-reich im Rücken konnte es Nigeria ein beträchtliches wirtschaftliches undpolitisches Gewicht entgegensetzen. Erschwert wurde die Herausforderer-rolle jedoch durch das Konkurrenzverhältnis Côte d�Ivoires zu Senegal.Dessen Führungsanspruch beruhte weniger auf wirtschaftlicher Stärke alsvielmehr auf der traditionellen Rolle eines administrativen und poli-tischen Zentrums des französischen Kolonialreichs in Westafrika und aufeinem beträchtlichen intellektuellen Überlegenheitsgefühl. Noch kompli-zierter wurde die regionale Gemengelage durch das zeitweilig äußerstgespannte Verhältnis Ghanas zu Nigeria und Côte d�Ivoire.Der wirtschaftliche Niedergang Nigerias: Wirtschaftliches Mißmanage-ment und Korruption waren verantwortlich für die Verschleuderung desnigerianischen Ölreichtums in den 80er Jahren. Die Hoffnungen der Nach-barstaaten auf Partizipation an diesem Reichtum zerschlugen sich. Ent-sprechend sank ihre Bereitschaft, sich enger an Nigeria zu binden. ImGegenteil: die rapide zunehmende Kriminalisierung der nigerianischenÖkonomie verstärkte Abschottungstendenzen.Die politische Instabilität der Region: Nicht nur Nigeria war von zahl-reichen Militärputschen in den 70er, 80er und auch noch 90er Jahrenbetroffen. Westafrika ist die Region Afrikas und wohl auch weltweit, diedie höchste Zahl gewaltsamer Regierungswechsel in den vergangenen 35Jahren zu verzeichnen hat. Die daraus resultierende politische Instabilitätmacht regionale Integration, die eines Minimums an Rechtssicherheit undpolitischer Verläßlichkeit bedarf, nahezu unmöglich. Die Tatsache, daßeine Reihe von Staaten der Region sowohl an erfolglosen wie auch erfolg-reichen Umsturzversuchen in Nachbarstaaten beteiligt war, schuf zusätz-liche Spannungen. Sie entluden sich zum Teil in Grenzschließungen, Aus-weisung von Staatsangehörigen der Nachbarstaaten und anderen Sank-tionsmaßnahmen.Die mangelnde Steuerungsfähigkeit der Mitgliedsstaaten: Eine Reihe derECOWAS-Mitgliedsstaaten war und ist kaum in der Lage, das gesamte

KonkurrierendeHegemonialansprüche

Niedergang Nigerias

Politische Instabilität

Mangelnde staatlicheSteuerungsfähigkeit

Ziele und Struktur der ECOWAS

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ihnen unterstehende Territorium effektiv zu kontrollieren und staatlichenVorgaben in allen wesentlichen politischen, wirtschaftlichen und gesell-schaftlichen Bereichen Geltung zu verschaffen. Es mangelt an Legitimitätpolitischer Herrschaft, an starken und kompetenten staatlichen Institutio-nen sowie an personellen und materiellen Ressourcen für die Verwaltungund Entwicklung des Staates. Vor allem Mauretanien, Mali, Niger, Guinea,Liberia und Sierra Leone sind hier zu nennen. Aber auch weite Teile Nige-rias, Togos, Benins, Ghanas, Senegals und Burkina Fasos entziehen sichstaatlicher Steuerung. Selbst wenn die Bereitschaft zur Umsetzung regio-naler Integrationsbeschlüsse vorhanden wäre, ist mehr als zweifelhaft, obsie sich in der administrativen Praxis niederschlagen würde.Mangelnde wirtschaftliche Diversität und beträchtliches Wohlstands-gefälle: Mit Ausnahme Nigerias und Côte d�Ivoires sowie � mit Einschrän-kungen � Ghanas und Senegals sind die Mitgliedsstaaten der ECOWASindustriell kaum entwickelt. Das erhebliche mineralische Rohstoff-potential der Region wird kaum vor Ort verarbeitet und fließt in nurgeringem Maße in den regionalen Wirtschaftskreislauf ein. Der intraregio-nale Handel ist gering, ebenso wie die Komplementarität der Fertig- undHalbfertigwaren. Gleichzeitig ist das Wohlstandsgefälle zwischen Côted�Ivoire am oberen Ende der Skala und Sierra Leone am unteren beacht-lich. Dies gibt Befürchtungen der wirtschaftlich schwächeren Mitglieds-länder Nahrung, von der regionalen Integration würden vor allem diewirtschaftlich stärkeren durch erhöhte Exporte in die Region und durchzusätzliche Auslandsinvestitionen profitieren.

Die Dynamisierung, die die ECOWAS seit Anfang der 90er Jahre dennocherfahren hat, ist auf sechs Faktoren zurückzuführen:" den wachsenden Integrationsdruck, den Globalisierung und Regionali-

sierung von Märkten in anderen Teilen der Welt Anfang der 90er Jahreentstehen ließen;

" das Ende des Ost-West-Konflikts, das einerseits die politische Marginali-sierung Afrikas beschleunigte, andererseits ideologische Differenzenund divergierende Blockloyalitäten zwischen den Mitgliedsländern ab-baute;

" die Demokratisierungswelle, die zu einer außenpolitischen Öffnung derRegierungen Westafrikas beitrug und zu einer Ausdehnung der Integra-tions- und Kooperationsziele in den politischen Bereich führte;

" den graduellen Rückzug Frankreichs aus Westafrika, der auf einer ratio-naleren Kosten-Nutzen-Analyse des afrikapolitischen Engagements inParis beruhte und der dem Gegensatz zwischen anglophonen und fran-kophonen Staaten der Region etwas an Schärfe nahm sowie den außen-politischen Spielraum der frankophonen Staaten Westafrikas ver-größerte;

" die Bürgerkriege in Liberia und Sierra Leone, aber auch in Guinea, dieden Staaten der Region verdeutlichten, daß sie nur durch gemeinsameAnstrengungen ein Übergreifen politischer Gewalt und kriegerischerAktivitäten auf ihr Territorium verhindern können � auch wenn dieseEinsicht nach wie vor hinter gegensätzlichen Interessenformulierungen

Mangelnde wirtschaft-liche Diversität

Dynamisierung zu Beginnder 90er Jahre

Grundsätzliche Ziele und Prinzipien

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Nigerias und Ghanas auf der einen Seite sowie Côte d�Ivoires und Burki-na Fasos auf der anderen zurückstehen muß;

" die Beendigung des Militärregimes in Nigeria, was vor allem in Ghana,aber auch in anderen ECOWAS-Staaten neue Hoffnung aufkommen ließ,Nigeria könnte seine regionale Führungsrolle verantwortungsvoller undzum Nutzen der gesamten Region wahrnehmen sowie ein höheres Maßan wirtschaftlicher und politischer Stabilität erreichen.

Diese dynamisierenden Faktoren fanden ihren Ausdruck in:" der Unterzeichnung einer ECOWAS-Deklaration zu Politischen Prinzi-

pien im Jahre 1991;" in einem überarbeiteten ECOWAS-Vertrag im Jahre 1993, in dem die Bin-

dungswirkung von ECOWAS-Beschlüssen festgeschrieben, das Konzeptder variablen Geometrie und der unterschiedlichen Geschwindigkeitenaufgenommen und der politischen Zusammenarbeit zur Sicherung vonFrieden, Demokratie und Menschenrechten ein höherer Stellenwert ein-geräumt wurden;

" in der Formierung und Intervention der ECOMOG in Liberia 1990, inSierra Leone 1997 und in Guinea-Bissau 1998;

" in der Verabschiedung von Protokollen zur Schaffung eines regionalenGerichtshofs 1991, einer regionalen parlamentarischen Versammlung1994 und eines Mechanismus für Konfliktmanagement, Friedensschaf-fung und Sicherheit 1999;

" sowie in der Akzeptanz des sogenannten fast track approach im Jahre1999, dessen Hauptergebnis bisher die Selbstverpflichtung Ghanas undNigerias ist, bis zum Jahr 2003 eine Währungsunion zu bilden.

Grundsätzliche Ziele und Prinzipien

Im überarbeiteten Vertrag von 1993 bekräftigen die ECOWAS-Mitgliederdas Ziel des Gründungsvertrags von 1975, eine westafrikanische Wirt-schaftsunion zu bilden. Diese Wirtschaftsunion soll den Lebensstandardder Bevölkerung der Union erhöhen, wirtschaftliche Stabilität erhaltenund stärken, die Beziehungen zwischen den Mitgliedsländern festigen undzu Fortschritt und Entwicklung des gesamten afrikanischen Kontinentsbeitragen. Die Mitgliedsländer bekennen sich dazu, daß die ECOWAS letzt-endlich die einzige Wirtschaftsgemeinschaft der Region sein soll, die aufökonomische Integration abzielt. Sie sehen sie als Baustein für die Realisie-rung der Afrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Der ECOWAS-Vertrag for-muliert keine politischen Integrationsziele.

Das Oberziel der Wirtschaftsunion soll schrittweise durch Erreichen fol-gender Vorgaben sichergestellt werden:" Harmonisierung und Koordinierung nationaler Politiken und Förde-

rung von Integrationsprogrammen, -projekten und -aktivitäten insbe-sondere in den Bereichen Nahrungsmittelsicherheit, Landwirtschaftund natürliche Ressourcen, Industrie, Transport und Kommunikation,Energie, Handel, Geld und Finanzen, Besteuerung, wirtschaftliche Re-formprogramme, menschliche Fähigkeiten, Bildung, Information, Kul-

Die Schritte vorwärts

Wirtschafts-, aber keinepolitische Union

Oberziel Wirtschafts-union

Ziele und Struktur der ECOWAS

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tur, Wissenschaft, Technologie, Dienstleistungen, Gesundheit, Touris-mus, Recht;

" Harmonisierung und Koordinierung im Umweltschutz;" Förderung der Gründung gemeinsamer Produktionsunternehmen;" Gründung eines gemeinsamen Marktes mit folgenden Elementen:

� Freihandelszone (keine Ex- und Importzölle, Abschaffung nichttari-färer Handelshemmnisse),

� gemeinsamer Außenzoll und gemeinsame Handelspolitik gegenüberDrittländern,

� Freizügigkeit des Personen-, Güter-, Dienstleistungs- und Kapitalver-kehrs sowie Niederlassungsfreiheit;

" Übernahme gemeinsamer Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Kulturpoli-tik sowie Schaffung einer Währungsunion;

" Förderung von privaten Gemeinschaftsunternehmen insbesonderedurch regionale Übereinkünfte zu grenzüberschreitenden Investitionen;

" Maßnahmen für die Integration des Privatsektors insbesondere zurFörderung von Klein- und Mittelbetrieben;

" Schaffung eines positiven Rechtsumfelds;" Harmonisierung nationaler Investitionsbestimmungen;" Harmonisierung von Normen und Maßen;" Förderung ausgeglichener Entwicklung in der Region, wobei insbeson-

dere die Belange der Binnenländer und kleinen Inselstaaten berücksich-tigt werden sollen;

" Ermutigung und Stärkung von Kontakten und Informationsaustauschzwischen der ländlichen Bevölkerung, Frauen- und Jugendorganisatio-nen sowie Berufsorganisationen wie Medien- und Unternehmerverbän-den, Gewerkschaften;

" gemeinschaftliche Bevölkerungspolitik;" Schaffung eines Fonds für Zusammenarbeit, Kompensation und Ent-

wicklung;" jede andere Aktivität, die der Erreichung der Gemeinschaftsziele nützt.Dieser umfassende und detaillierte Zielkatalog wird durch eine Reiheweiterer Prinzipien ergänzt, zu deren Beachtung sich die Mitgliedsländerverpflichten:" Gleichheit und Interdependenz der Mitgliedsländer," Solidarität und collective self-reliance," zwischenstaatliche Kooperation, Politikharmonisierung und Integration

von Programmen," Angriffsverzicht," Aufrechterhaltung des regionalen Friedens, Stabilität und Sicherheit

durch Förderung und Stärkung guter Nachbarschaft," friedliche Beilegung von Konflikten unter den Mitgliedsländern," Anerkennung, Förderung und Schutz von Menschen- und Völkerrechten

in Übereinstimmung mit der Afrikanischen Charter der Menschen- undVölkerrechte,

" Rechenschaftspflichtigkeit, wirtschaftliche und soziale Gerechtigkeitsowie breite Teilhabe an der Entwicklung,

Prinzipien

Grundsätzliche Ziele und Prinzipien

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" Anerkennung und Beachtung der Regeln und Prinzipien der Gemein-schaft,

" Förderung und Konsolidierung demokratischer Regierungssysteme inÜbereinstimmung mit der Erklärung politischer Prinzipien,

" gleiche und gerechte Verteilung von Kosten und Nutzen der wirtschaft-lichen Zusammenarbeit und Integration.Der Katalog der grundsätzlichen Ziele und Prinzipien enthält fünf

Elemente, die besondere Beachtung verdienen. Da ist erstens der Verzichtauf die Definition politischer Integrationsziele, der in merkwürdigem Kon-trast zur hervorgehobenen Rolle politischer Grundsätze im Prinzipien-katalog steht. Zweitens fällt die Betonung des Alleinvertretungsanspruchsder ECOWAS in Sachen regionaler Integration in Westafrika auf. Als drittesbemerkenswert ist die Einrichtung eines Kompensationsfonds. Viertensüberrascht die Detailliertheit der Zielbestimmung in bezug auf wirtschaft-liche Integration bereits in den ersten Artikeln des Vertragstexts, dieschließlich, fünftens, im Gegensatz zur Allgemeinheit und Beliebigkeit derAusführungen zur Zusammenarbeit in ausgewählten Politikfeldern steht.

Im Verzicht auf politische Integration unterscheidet sich die ECOWASvon anderen ehrgeizigen Projekten regionaler Integration. Andererseitshat die ECOWAS wie keine andere Regionalorganisation in Mitgliedsländerinterveniert, in denen gewaltsame Konflikte eskalierten, und relativ ent-schlossen und eindeutig auf Militärputsche in Niger, Gambia und Côted�Ivoire reagiert. Dies deutet darauf hin, daß die unter den Prinzipien defi-nierten politischen Grundsätze der intraregionalen Kooperation und Inte-gration mehr sind als Lippenbekenntnisse. Allerdings wird das Bekenntniszu den Menschenrechten durch das gleichgewichtige Bekenntnis zu denVölkerrechten relativiert. Wenig überzeugend ist auch, daß die Selbstver-pflichtung zur Förderung von Demokratie, guter Nachbarschaft und fried-licher Konfliktbeilegung zu einem Zeitpunkt (1991!) unterzeichnet wurde,an dem die Mehrheit der Mitgliedsländer der ECOWAS gegen diese Grund-sätze verstoßen hat. Die Erklärung für diese Diskrepanz liegt in denunterschiedlichen politischen Interessenlagen, die die Mitgliedsländer mitder ECOWAS verbinden und die weiter unten (S. 74ff) eingehend darge-stellt werden. Insbesondere handelt es sich um das Mißtrauen der franko-phonen Führungsmacht Côte d�Ivoire gegenüber einer Dominanz Nigeriasinnerhalb einer politischen Union und eben dem Versuch Nigerias, dieECOWAS zu diesem Zweck zu instrumentalisieren.

Dieser Grundkonflikt innerhalb der ECOWAS erklärt auch die Aufnah-me eines regionalen Alleinvertretungsanspruchs in den Vertragstext.Darin schlägt sich das Bemühen Nigerias nieder, regionale Integrations-vorhaben, die die regionale Führungsmacht ausschließen, zu verhindernoder zumindest nur temporär zu dulden. Schon zum Zeitpunkt der Unter-zeichnung des überarbeiteten Vertrags gab es mit der Communauté Econo-mique de l�Afrique de l�Ouest (CEAO) eine Regionalorganisation franko-phoner Staaten Westafrikas, die als Verletzung dieses Alleinvertretungs-anspruchs verstanden werden konnte. Völlig ad absurdum geführt wurdeder Paragraph durch die Schaffung der Union économique et monétaire

Charakteristika

Verzicht auf politischeIntegration

Alleinvertretungs-anspruch

Ziele und Struktur der ECOWAS

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ouest-africaine (UEMOA) im Jahre 1994, die ungeachtet der Selbstverpflich-tung der frankophonen ECOWAS-Mitglieder, regionale Integration nurinnerhalb der ECOWAS zu verfolgen, genau dies für die Hälfte derECOWAS-Staaten anstrebt.

Der UEMOA-Vertrag kopierte dabei wesentliche Elemente des ECOWAS-Vertrags, so auch den Kooperations-, Kompensations- und Entwicklungs-fonds. Bis zu diesem Zeitpunkt war die ECOWAS mit Ausnahme derSouthern African Customs Union (SACU) die einzige nennenswerte Regio-nalorganisation in Afrika, die materielle Ausgleichsmaßnahmen zwischenihren Mitgliedsländern institutionalisierte. Unklar bleibt aber im Vertrags-text der Verteilungsschlüssel für diesen Fonds. Aus den Ausführungen zurKosten- und Nutzenverteilung sowie der besonderen Berücksichtigung derBelange von Insel- und Binnenstaaten wird deutlich, daß unter gerechterund gleicher Verteilung von Kosten und Nutzen nicht eine gleichmäßige,sondern eine Vor- und Nachteile ausgleichende Verteilung gemeint ist.

Das Gewicht, das die ECOWAS formaliter auf die Schaffung einer Wirt-schaftsunion legt, wird in der Detailliertheit entsprechender Zielbestim-mungen an einem sehr prominenten Platz des Vertragstexts deutlich.Auch die auf die Zielbestimmungen folgenden Abschnitte des Vertragsbehalten diese Schwerpunktsetzung bei. Dagegen sind die Ausführungenzur Zusammenarbeit in ausgewählten Politikfeldern wenig überzeugend.Die Auswahl der Felder in der Zieldefinition ist so breit, daß sie im Grundealle denkbaren Politikbereiche umfaßt. Auch in späteren Abschnittenerfolgt hier keinerlei Schwerpunktsetzung.

Struktur und Organe

Der ECOWAS-Vertrag nennt acht Gemeinschaftsinstitutionen: die Authorityder Staats- und Regierungschefs, den Ministerrat, das Gemeinschafts-parlament, den Wirtschafts- und Sozialrat, das Arbitration Tribunal, denGerichtshof der Gemeinschaft, das Exekutivsekretariat, den Fonds fürZusammenarbeit, Kompensation und Entwicklung sowie spezialisiertetechnische Kommissionen. Zudem hat die Authority das Recht, weitere Insti-tutionen zu gründen. Zu einer solchen Institution könnte sich derMechanism for Conflict Prevention, Management, Resolution, Peace-Keeping andSecurity entwickeln. Laut Protokoll vom Dezember 1999 soll er über fol-gende Organe verfügen: einer Authority als höchstes Entscheidungs-gremium, dem die Staats- und Regierungschef der Mitgliedsländer ange-hören, einem Vermittlungs- und Sicherheitsrat, einer Verteidigungs- undSicherheitskommission und einem Ältestenrat. Die Geschäfte des Mecha-nismus werden von einem Exekutivsekretär und seinem Stab geführt. DemMechanismus ist die ECOMOG unterstellt. Er verfügt über ein sub-regio-nales System der Überwachung von Frieden und Sicherheit.

Ausgleichsfonds

Sektorale Kooperation

Gemeinschafts-institutionen

Struktur und Organe

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Übersicht 1: Institutionen der ECOWAS

Organ Zusammen-

setzung

Tagungs-

frequenz

Funktion Kompetenzen Sonstiges

Au

thor

ity

Staats- und

Regierungs-

chefs

minde-

stens

1/Jahr

Oberstes

Entscheidungs-

organ

!Richtlinien

!Monitoring

!Ernennung des

Executive Secretary

!je nach Sachlage und

definiert durch Protokoll

Entscheidungen im Kon-

sens oder durch 2/3-

Mehrheit; da bisher dazu

noch kein Protokoll

existiert, nach wie vor

Konsensprinzip in Kraft

!Entscheidungen bin-

dend für die Mitglieder

Cou

nci

l

!Minister zu-

ständig für

regionale Ko-

operation;

!ausgewählte

Fachminister

minde-

stens

2/Jahr

und auf

Einbe-

rufung

durch

Vorsitz

Direktivorgan !Empfehlungen

an Authority

!Besetzung von

Führungspositionen

!Einrichtung von

Sectoral Councils und

Committees

!Umsetzung der

Gipfelbeschlüsse

je nach Sachlage und

definiert durch Protokoll

Entscheidungen im

Konsens oder durch 2/3-

Mehrheit; da bisher dazu

noch kein Protokoll

existiert, nach wie vor

Konsensprinzip in Kraft

Tech

nic

al C

omm

issi

ons

Repräsentan-

ten der Mit-

gliedsstaaten

bei Bedarf !Beratung und

Beschluß-

vorlagen;

!Harmonisie-

rung und Ko-

ordinierung von

Gemeinschafts-

projekten und

-programmen

Empfehlungen

an den Council

Kommissionen für:

!Nahrungsmittel und

Landwirtschaft

!Industrie, Wissen-

schaft, Technologie und

Energie

!Umwelt und natürliche

Ressourcen

!Transport, Kommuni-

kation und Tourismus

!Handel, Zölle, Besteue-

rung, Statistik, Geld und

Zahlungen

!Politische, juristische

Angelegenheiten, regio-

nale Sicherheit und Ein-

wanderung

!menschliche Fähig-

keiten, Information,

Soziales und Kultur

!Verwaltung und

Finanzen

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

16

Organ Zusammenset-

zung

Tagungs-

frequenz

Funktion Kompetenzen SonstigesC

omm

un

ity

Parl

iam

ent

!120 Mit-

glieder

!pro Land

mindestens 5,

restliche 40

Sitze werden

nach Bevölke-

rungsgröße

verteilt

zweimal

drei

Monate

pro Jahr

Beratungsorgan

insbesondere in

Menschen-

rechtsfragen

Beratung !bis zur später vor-

gesehenen Direktwahl

Wahl durch nationale

Parlamente

!Wahlperiode: 5 Jahre

Cou

rt o

f Ju

stic

e

7 Richter von

Mitgliedslän-

dern nomi-

niert und von

Authority aus-

gewählt

bei

Bedarf

!Interpretation

und Anwen-

dung des

Vertrags

!Schlichtung

Entscheidungen des Ge-

richtshofs bei Schlich-

tung und Interpretation

des Vertragswerks

bindend

!pro Land maximal

2 Richter

!Abberufung durch

Authority möglich

!Amtszeit 5 Jahre, ein-

malige Wiederberufung

möglich

!Richter derzeit aus

Burkina Faso, Ghana,

Niger, Nigeria, Mali,

Senegal und Togo

Econ

omic

an

dSo

cial

Cou

nci

l

gemäß

Protokoll

bei

Bedarf

Beratungsorgan

des Privatsek-

tors und der

Zivilgesellschaft

!Beratung

!Information

noch kein Protokoll

Secr

etar

iat

siehe Grafik 3,

S. 23

perma-

nent

Exekutivorgan !Empfehlungen, Studien

und Forschung

!Umsetzung von

Programmen

!Strategische Planung

und Monitoring

!Informationssammlung

und -verbreitung

!Politikharmonisierung

und -koordination

!Berichte

!Budgetentwurf

!Agendaentwurf für

Treffen der anderen

Organe

!Authority ernennt Exe-

kutivsekretär (ES)

!Amtszeit des ES 4

Jahre, nur einmal

erneuerbar

!Stellvertreter des ES

und andere Entschei-

dungsträger werden vom

Ministerrat ernannt

!Amtszeit der Stellver-

treter und der Entschei-

dungsträger 4 Jahre, nur

einmal erneuerbar

!Mitarbeiter des Sekre-

tariats schulden ihre

Loyalität allein der

Gemeinschaft, nicht den

Mitgliedsländern

Struktur und Organe

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

17

Organ Zusammen-

setzung

Tagungs-

frequenz

Funktion Kompetenzen Sonstiges

Fun

d f

or C

o-op

erat

ion

, Com

pen

sa-

tion

an

d D

evel

opm

ent

!Exekutiv-

organ und

Aufsichtsrat

!Im Aufsichts-

rat sind Ver-

treter der Mit-

gliedsländer

auf Minister-

ebene ver-

treten

perma-

nent

Finanzierungs-

instrument

!Finanzierung regiona-

ler Kooperationsvorha-

ben

!Finanzierung regiona-

ler Entwicklungsprojekte

!Finanzierung von Aus-

gleichsmaßnahmen für

Verluste, die aus dem Ver-

trag und der Handelslibe-

ralisierung resultieren

!aufgrund von Unter-

finanzierung nur ein-

geschränkt arbeitsfähig

!Council ernennt den

Managing Director des

Exekutivorgans

Med

iati

on a

nd

Sec

uri

ty C

oun

cil

!9 Mitglieder

mit 2jähriger

Amtsperiode

!Vorsitzender

der ECOWAS,

dessen Vor-

gänger und 7

gewählte Mit-

glieder

2/Jahr auf

Staats-

chef-

ebene,

4/Jahr auf

Minister-

ebene,

monat-

lich auf

Botschaf-

terebene

Entscheidungs-

und Durchfüh-

rungsorgan

Frieden und Sicherheit,

Konfliktprävention und

-management

!Entscheidungen mit

2/3-Mehrheit

!Mitglieder derzeit:

Mali und Togo sowie

Benin, Côte d�Ivoire,

Gambia, Ghana, Guinea,

Nigeria und Senegal

Def

ence

an

d S

ecu

rity

Com

mis

sion Oberste Be-

fehlshaber der

Verteidigungs-

und Sicher-

heitskräfte,

Verantwort-

liche der

Außen-

ministerien

und je nach

Thema weitere

viertel-

jährlich

und bei

Bedarf

Durchfüh-

rungsorgan

technische und admini-

strative Fragen von

friedenserhaltenden

Maßnahmen, Krisen-

früherkennung

Cou

nci

lof

Eld

ers

eminente Per-

sönlichkeiten

ausgewählt

vom Sicher-

heitsrat

bei

Bedarf

Beratungs-

und Durchfüh-

rungsorgan

Vermittlung in

Konfliktsituationen

Exekutivsekretär des

Mechanismus wählt

aus Liste der Persön-

lichkeiten Geeignete für

Vermittlungsdienste aus

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

18

Organ Zusammenset-

zung

Tagungs-

frequenz

Funktion Kompetenzen SonstigesE

CO

MO

G zivile und mili-

tärische Bereit-

schaftskontin-

gente in Mit-

gliedsländern

Einsatz

bei

Bedarf

Durchfüh-

rungsorgan

Friedenserhaltung

und -schaffung

handelt im Auftrag des

Sicherheitsrats

Sub-

regi

onal

Pea

ce a

nd

Sec

uri

tyO

bser

vati

on S

yste

m dezentrale

Frühwarn-

einheiten in

Banjul

(Gambia),

Ouagadougou

(Burkina Faso),

Monrovia

(Liberia) und

Cotonou

(Benin)

perma-

nent

Beratungsorgan Konfliktprävention Standorte:

Banjul (Gambia),

Ouagadougou (Burkina

Faso), Monrovia (Liberia)

und Cotonou (Benin)

Die ECOWAS verfügt auf dem Papier über eine diversifizierte und aus-gewogene institutionelle Struktur. In der Praxis leidet das Institutionen-gefüge unter merklichen Schwächen:" das Machtungleichgewicht zwischen der Authority der Staats- und Regie-

rungschefs und dem Ministerrat bei gleichzeitiger mangelhafter Präsenzder Staats- und Regierungschefs sowie der jeweiligen Minister bei denTreffen dieser Organe;

" die eingeschränkte Macht bzw. das Fehlen nicht-exekutiver Kontroll-und Beratungsorgane: des Gemeinschaftsparlaments und des Gerichts-hofs sowie des Wirtschafts- und Sozialrats;

" die Ineffizienz des ECOWAS-Sekretariats;" die Unterfinanzierung und eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Regional-

fonds.Die Authority trifft praktisch alle wichtigen Entscheidungen innerhalb

der ECOWAS. Als einziges Organ der ECOWAS besitzen seine � mangelseines entsprechenden Protokolls nach wie vor im Konsens zu treffenden �Entscheidungen Bindungswirkung für die Mitgliedsländer. Sie sollten vonden nationalen Administrationen binnen 60 Tagen umgesetzt werden. DieEntscheidungen des Ministerrats sind dagegen nur für die ihm unterstell-ten Organe bindend, also vor allem für das Sekretariat. Er wirkt vornehm-lich als Beratungsorgan der Authority. Der Ministerrat kann sich bei derUmsetzung der Vorgaben der Authority auch nicht � wie in vielen anderenRegionalorganisationen üblich � auf relativ hochrangig besetzte Koordina-tionskomitees (Ebene der Staatssekretäre) stützen, sondern ist hierbei

Schwächen der Struktur

Machtgefälle zwischenAuthority und Ministerrat

Struktur und Organe

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

19

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Kap Verd

e

Gambia

Ghana

Guinea

Liberi

a

Mauret

anien

Nigeria

Sierra

Leon

eBen

in

Burkina

Faso

Côte d'

Ivoire

Guinea

-Biss

au Mali

Nigeria

Seneg

alTog

o

allein auf die Hilfe politisch machtloser technischer Ausschüsse angewie-sen. Angesichts der Schwäche des Ministerrats verwundert die unzurei-chende Präsenz von Vertretern der Mitgliedsländer bei den Treffen diesesOrgans kaum. Bei den zwölf Treffen des Ministerrats zwischen 1990 und1995 war nur die Hälfte der Mitgliedsländer stets zugegen, allerdings vielevon ihnen nicht auf Ministerebene (vgl. Grafik 1).1 Häufig wird die Präsenz-pflicht von wechselnden Ministerien wahrgenommen. Im Falle Côted�Ivoires wurde das Land innerhalb dieser sechs Jahre nur zweimal voneinem Minister repräsentiert.

Grafik 1:

Teilnahme von Ministern an Ministerratstreffen, 1990�1995 (Häufigkeit in %)

Quelle: S. K. B. Asante/Alex Ntim Abankwa, A Study of the Impact of the West African Eco-nomic and Monetary Union (UEMOA) on Ghana, Accra 1999.

Die völlig unzureichende Wahrnehmung regionaler Arbeitstreffenspiegelt aber nicht nur die Machtlosigkeit des Ministerrats wider, sie istauch Ausdruck der geringen Priorität, welche die politischen Führungender Mitgliedsländer ECOWAS über viele Jahre hin eingeräumt haben. Dieswird auch bei den Gipfeltreffen der mit großer Machtfülle ausgestattetenAuthority der Staats- und Regierungschefs deutlich. Kaum ein Treffen findetunter voller Beteiligung der Staats- und Regierungschefs statt. Zuweilenversäumen es diese sogar, Vertreter zu entsenden. Diese mangelhafteWahrnehmung der Präsenzpflicht erschwert die Entscheidungsfindung,wenn Einstimmigkeit erforderlich ist, und führt zu überraschenden Über-einkünften, wenn der Konsens der anwesenden Vertreter der Mitglieds-länder ausreicht. Sie begünstigt Ad-hoc-Beschlüsse, schnelle Richtungs-wechsel in zentralen Politikfeldern und erhebliche Willkür bei der Ent-

1 S. K. B. Asante/Alex Ntim Abankwa, A Study of the Impact of the West African Economic

and Monetary Union (UEMOA) on Ghana, Accra 1999, S. 43.

Unzureichende Präsenzvon Staatschefs undMinistern

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

20

scheidungsfindung. Dies ist um so heikler, als der überarbeitete ECOWAS-Vertrag den Entscheidungen der Authority in gewissen Bereichen Vorrangvor den Gesetzen und Regularien der Mitgliedsländer einräumt. Problema-tisch erscheint auch, wie der Vorsitz der Authority vergeben wird. Er rotiertnicht unter den Staatschefs der Mitgliedsländer, sondern wird jährlich neudurch Wahl bestimmt. Von den bisher 23 ECOWAS-Vorsitzenden warensieben nigerianische Staatschefs, drei Togoer, zwei Ghanaer, zwei Guineer,zwei Beniner, zwei Gambier, zwei Senegalesen und jeweils einer aus SierraLeone, Burkina Faso und Mali. Neben der Dominanz von Nigerianern fälltdas Ungleichgewicht von anglophonen zu frankophonen Staatsvertretern(zwölf zu elf bei gleichzeitig sechs zu neun Mitgliedsländern) sowie dievöllige Absenz der frankophonen Führungsmacht Côte d�Ivoire auf demStuhl des Vorsitzenden auf. Dies deutet erneut auf eine sehr unterschiedli-che Priorisierung der ECOWAS in den Integrationsagenden der Anglopho-nen und Frankophonen in Westafrika hin.

Je unzureichender das oberste Entscheidungsorgan der ECOWAS ar-beitet, desto notwendiger wäre neben der Aufwertung des Ministerrats dieSchaffung kompetenter und funktionierender Beratungs- und Kontroll-organe. Der ECOWAS-Vertrag sieht hier drei Institutionen explizit vor: dasGemeinschaftsparlament, den regionalen Gerichtshof und den Wirt-schafts- und Sozialrat. Die untergeordnete Bedeutung, die die Mitglieds-länder diesen drei Organen einräumen, wird allein dadurch deutlich, daßder Vertrag die Definition ihrer Zusammensetzung, Kompetenzen undArbeitsweise Protokollen überläßt, wogegen die meisten anderen Organeder ECOWAS direkt im Vertrag definiert sind. Dieser Eindruck wirddadurch verstärkt, daß im Fall des Gemeinschaftsparlaments sechs Jahrevergingen, bis das für das Inkrafttreten notwendige Quorum � 9 von 16Mitgliedsstaaten � das Protokoll ratifiziert hatte. Immerhin konnte imNovember 2000 die Amtseinführung der Parlamentarier stattfinden. Dieerste Parlamentssitzung wurde im Januar 2001 abgehalten. Im Fall desGerichtshofs dauerte die Ratifizierungsperiode von 1991 bis 1996. Erst imJanuar 2001 wurden die Richter des Gerichtshofs eingeschworen. EinProtokoll über den Wirtschafts- und Sozialrat steht noch aus.

Selbst wenn diese Organe tätig geworden sind, ist es mehr als zweifel-haft, daß sie ihre Beratungs- und Kontrollfunktion ausfüllen können. DieKontrollmöglichkeiten des Parlaments sind begrenzt. Im wesentlichendient es als Beratungsorgan beim Aufbau einer regionalen physischen undsozialen Infrastruktur. Bemerkenswert ist jedoch zum einen, daß dasRegionalparlament explizit beauftragt wird, sich mit Menschenrechtsfra-gen zu befassen; zum anderen, daß es letztendlich in direkter Wahlbestimmt werden soll. Bis dies der Fall ist � und angesichts der üblichenUmsetzungsgeschwindigkeit der ECOWAS kann dies noch lange dauern �,obliegt die Wahl der Abgeordneten des Regionalparlaments den nationa-len Parlamenten. Dies begrenzt die Legitimität des Gemeinschaftsparla-ments. Problematisch, wenn auch in anderen Regionalorganisationengängige Praxis, ist die Diskrepanz zwischen Bevölkerungsstärke der Mit-gliedsländer und der Zahl der Abgeordneten, die sie im Regionalparlament

Mangel an Kontroll- undBeratungsorganen

UnzureichendeKompetenzen desRegionalparlaments

Struktur und Organe

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

21

stellen dürfen: die 118 Mio. Einwohner Nigerias werden durch 35 Abge-ordnete repräsentiert, die 400 000 Kap Verdes durch 5 (vgl. auch Grafik 2).Bei seiner ersten Plenarsitzung hat das Parlament 13 ständige Ausschüsseeingesetzt, die weitgehend alle gängigen Politikfelder abdecken � ein Hin-weis darauf, daß das Regionalparlament entschlossen ist, sein Mandatrelativ breit auszulegen.

Grafik 2:

Zusammensetzung des Regionalparlaments (Insgesamt 120 Sitze)

Quelle: ECOWAS.

Die dritte Gewalt, der regionale Gerichtshof, der den Arbitration Tribu-nal ersetzt, verfügt zwar über umfassende Kompetenzen bei der Streitbei-legung zwischen Mitgliedsländern und Organen der ECOWAS sowie beider Vertragsinterpretation. Zudem sind seine Beschlüsse für Mitgliedslän-der und ECOWAS-Organe bindend. Seine Autonomie und Unabhängigkeitwerden aber dadurch erheblich eingeschränkt, daß seine Mitgliedersowohl durch Gipfelbeschluß ernannt wie auch abgesetzt werden können.

Die Schaffung eines Wirtschafts- und Sozialrats gehört nicht zu denersten Prioritäten der ECOWAS. Bisher erschöpfte sich die Beteiligung vonnicht-staatlichen Gruppen auf die Gewährung eines offiziellen Beobachter-status, so zum Beispiel für den regionalen Wirtschaftsdachverband WestAfrican Chambers of Commerce and Industry (WACCI). Im Wirtschafts-und Sozialrat sollen die Vertreter relevanter Verbände der Privatwirtschaftsowie Vereinigungen der Zivilgesellschaft vertreten sein. Idealiter solldiese Vertretung durch Regionalverbände wahrgenommen werden. Diesehaben sich zwar zum Teil bereits formiert, sind aber nur in den wenigstenFällen arbeitsfähig. Zweifelhaft ist, ob nationale Interessengruppen undNichtregierungsorganisationen besonderes Gewicht auf die Einflußnahme

EingeschränkteUnabhängigkeit desregionalen Gerichtshofs

Privatwirtschaft undZivilgesellschaft...

Kap Verde4%

Gambia4%

Ghana7%

Guinea5%

Liberia4%

Mauretanien4%

Nigeria30%

Sierra Leone4%

Benin4%

Burkina Faso5%

Côte d'Ivoire6%

Guinea-Bissau4%

Mali5%

Niger5%

Senegal5%

Togo4%

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

22

der Regionalinstitutionen legen werden, wenn die gewichtigen Entschei-dungen nach wie vor im nationalen Rahmen oder von nationalen Regie-rungen im regionalen Rahmen getroffen werden.

Schließlich begrenzen zwei weitere Faktoren den Einfluß von Verbän-den der Privatwirtschaft und Vereinigungen der Zivilgesellschaft: ihregeringe Leistungsfähigkeit und Legitimität. Nichtregierungsorganisatio-nen und Interessengruppen in Westafrika mangelt es in der Regel an per-sonellen und materiellen Ressourcen, um die komplexen Prozesse regio-naler Integration und Kooperation kritisch zu begleiten. Sie betrachtenüberwiegend Selbsthilfeaktivitäten für ihre Mitglieder und das Vorantrei-ben innenpolitischer Reformprozesse als zentrale Aufgaben. Außenpoliti-sche Aspekte sind für sie selten von Belang. Die Interessengruppen konzen-trieren ihre Anstrengungen auf die Abwehr negativer Auswirkungen derRegionalintegration auf ihre Klientel. Versuche, den Integrationsprozeßpositiv zu gestalten, blieben bisher die Ausnahme. Beiden, Organisationender Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft, mangelt es in der Regel ander Legitimität, die notwendig ist, um weitreichende Forderungen vor-bringen zu können. Ihrem Anspruch, breite Sektoren der Privatwirtschaftund Zivilgesellschaft zu repräsentieren, steht ihre dünne Mitgliederbasisgegenüber. Ausnahmen von dieser Regel sind Anwalts- und Journalisten-vereinigungen. In den nach wie vor stark etatistisch geprägten Ökonomienund Gesellschaften der frankophonen Staaten bestehen erhebliche Vor-behalte gegenüber der Unabhängigkeit von Interessengruppen und Nicht-regierungsorganisationen. Viele bestreiten der WACCI die Legitimität undFähigkeit, die regionalen Interessen der Privatwirtschaft zu vertreten. Deretablierte Dachverband wird vor allem von dem kürzlich gegründetenWest African Entrepreneurs Network herausgefordert.

Das ECOWAS-Sekretariat gilt gemeinhin als ineffizient. Drei Gründewerden hierfür genannt:" die Kopflastigkeit der Organisationsstruktur," die Vergabe von höherrangigen Positionen nach Länderquoten," das geringe politische Gewicht der Sekretariatsführung.

Von den 80 professionals des ca. 250köpfigen Sekretariats nehmen fast dieHälfte Leitungsfunktionen wahr. Das Sekretariat ist aktiv in der Produk-tion von Papieren, Studien und Vorlagen, für deren Umsetzung sichjedoch kaum jemand zuständig zu fühlen scheint. An den Qualifikationendes Personals in leitenden Funktionen wie auch der einfachen Mitarbeitergibt es erhebliche Zweifel. Die bis vor kurzem bestehende Länderquotie-rung gab der Sekretariatsleitung nur wenig Möglichkeiten, bei der Beset-zung von Stellen das notwendige Qualifikationsprofil einzufordern. Stattdessen nutzten Entscheidungsträger der Mitgliedsländer ECOWAS-Lei-tungspositionen, um notleidende Familienmitglieder zu versorgen oderunliebsame Bürokraten aus den nationalen Administrationen zu entfer-nen. Die Länderquoten verhindern auch weitgehend Aufstiegsmöglich-keiten innerhalb des Sekretariats und wirken demotivierend auf kompe-tente Mitarbeiter.

...mit begrenztem Einfluß

Das ECOWAS-Sekretariat

Struktur und Organe

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

23

Grafik 3:

Organisationsstruktur des Exekutivsekretariats

Schließlich wurden die Posten des Exekutivsekretärs und seiner dreiStellvertreter in der Vergangenheit wenig prominent besetzt. Es mangelteihnen mithin an politischem Gewicht, um mit den Ministern der Mit-gliedsländer oder gar den Staats- und Regierungschefs auf gleicher Augen-höhe zu verhandeln und die Rolle eines Motors der regionalen Integrationzu spielen. Ein Indikator, wie wenig ernst das Sekretariat zum Teil von denMitgliedsländern genommen wird, ist deren unzureichende Reaktion aufschriftliche Anfragen seitens des Sekretariats. Von den 343 Briefen, die dasECOWAS-Sekretariat an die Mitgliedsländer zwischen 1994 und 1996geschrieben hat, blieben 263 unbeantwortet.2 Positiv zu vermerken ist,daß das ECOWAS-Sekretariat sein eigenes Versagen und das der Mitglieds-länder offen eingesteht und explizit benennt. Seitens der Mitgliedsländerhaben mittlerweile sieben Staaten � Burkina Faso, Ghana, Guinea, Mali,Niger, Nigeria und Senegal � eigene Regionalministerien geschaffen undteils prominent besetzt, um einen Teil der genannten Defizite abzustellen.

Der Fonds für Kooperation, Kompensation und Entwicklung ist weit-gehend eine Schimäre. Kaum eines der Mitgliedsländer hat die von ihmaufzubringenden Beiträge zu diesem Fonds bisher fristgerecht und invollem Umfang gezahlt. Kompensationszahlungen sind kaum erfolgt, dieMöglichkeiten zur Finanzierung regionaler Entwicklungs- und Koopera-tionsvorhaben sind eng bemessen. Die Vergabekriterien bei Kompen-sationszahlungen sind unklar. Nur Benin hat einen Antrag auf Kompen-sation gestellt. Es war auch als einziges Land dazu berechtigt, da es dieBestimmungen des Trade and Liberalisation Schemes bereits voll um-gesetzt hat (vgl. unten, S. 27ff). Erhebliche Zweifel bestehen an der kompe-tenten Besetzung des zentralen Entscheidungsgremiums des Fonds. Umdem Problem der chronischen Unterfinanzierung beizukommen, wurde

2 Asante/Abankwe, UEMOA, S. 42.

Der Exekutivsekretär

Der Ausgleichsfonds

Director of cabinet Legal Adviser

Director of communication Director Internal Audit

Administrators

D/Admin

Accounts

D/Fin.

DESAdmin &Finance

ProgramOfficers

D/Agric. &Environt.

ProgramOfficers

D/Infrastruc.& Industry

ProgramOfficers

D/HumanDevelop.

ProgramOfficers

D/C CC

DESInteg.Prog.

ProgramOfficers

D/Trade &Customs Pol.

ProgramOfficers

D/EconomicPolicy

DESPolicies

Harmonisation

ProgramOfficers

D. Politic.Affairs

DESPolitical Aff.

& Keeping Peace

Executive Secretary

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

24

auf dem ECOWAS-Gipfel 1999 beschlossen, auf alle Importe der ECOWAS-Staaten aus Drittländern eine 0,5-prozentige Gebühr zu erheben, die danndirekt dem Regionalfonds zufließen soll (siehe anschließendes Kapitel).

Beachtlich ist die diversifizierte Struktur des Mechanismus für Kon-fliktprävention, -bewältigung, Friedenserhaltung und Sicherheit. Bishertraten als Organe dieser Struktur fast nur der Sicherheitsrat, die Verteidi-gungs- und Sicherheitskommission sowie die ECOMOG in Erscheinung.Allerdings kam die ECOMOG seit ihrer Einbettung in den Mechanismusnoch nicht zum Einsatz, obwohl der Sicherheitsrat Anfang 2001 denBeschluß gefaßt hatte, im Dreiländereck Guinea, Liberia und Sierra Leoneca. 1700 Soldaten zu stationieren. Einer der Gründe für die Nichtumset-zung des Beschlusses war Geldmangel. Dieser dürfte auch die Funktions-fähigkeit der dezentralen Frühwarneinheiten in Frage stellen. Dennoch istdie institutionelle und instrumentelle Ausdifferenzierung der ECOWAShinsichtlich Konfliktprävention und -bewältigung im Vergleich zuanderen Regionalorganisationen beachtlich � wie auch ihr tatsächlichesEngagement in diesem Politikfeld (vgl. unten, S. 52ff).

Finanzen

Die ECOWAS will sich im wesentlichen aus den Beiträgen der Mitglieds-länder finanzieren. Die jährlichen Beiträge der Mitgliedsländer zur Finan-zierung des Budgets des ECOWAS-Sekretariats errechneten sich auf Basiseines Koeffizienten aus Bruttoinlandsprodukt und Pro-Kopf-Einkommen.Derselbe Koeffizient bestimmt die Beiträge der Mitglieder zum Kompensa-tionsfonds, die in zwei Tranchen geleistet werden sollten, zum Telekom-munikationsfonds und zur Errichtung des ECOWAS-Hauptquartiers.

Die Zahlungsmoral ist außerordentlich schlecht. In keinem Jahr erreich-ten die Jahresbeiträge der Mitgliedsländer insgesamt 50% der Zahlungs-verpflichtungen. Der Höchstwert lag 1996 bei 45%, den Tiefstand markier-te das Jahr 1994 mit 15%.3 Insgesamt schulden die Mitgliedsländer demSekretariat mehr als 46 Mio. US-Dollar an jährlichen Beiträgen. Die ein-zelnen Mitgliedsländer schneiden dabei sehr unterschiedlich ab. Liberiaweist eine Schuld von 20 Jahresbeiträgen auf, gefolgt von Mauretanien mit16. Allein Benin, Burkina Faso, Mali und Nigeria haben bisher alle ihreJahresbeiträge entrichtet.4 Auch bei den Beiträgen zum Kompensations-fonds gibt es große Zahlungsrückstände. Immerhin haben alle ECOWAS-Staaten mit Ausnahme Liberias und Mauretaniens die erste Zahlungstran-che überwiesen. Bei der zweiten Tranche taten dies bisher nur fünf Staatenvoll (Benin, Burkina Faso, Guinea, Mali und Nigeria), zwei weitere zahlteneinen Teil des Beitrags. Insgesamt fehlen im Kompensationsfonds 16,9 Mio.US-Dollar.5 Niger, Guinea-Bissau und Nigeria haben Kredite, die sie ausdem Fonds erhalten haben, bis heute nicht zurückgezahlt. Besser sieht esim Fall des Telekommunikationsfonds aus. Hier haben mit Ausnahme

3 Asante/Abankwe, UEMOA, S. 16.

4 ECOWAS Secretariat, Interim Report 2000, Abuja 2000, S. 50�51.

5 Asante/Abankwe, UEMOA, S. 97.

Mechanismus fürKonfliktprävention,-bewältigung, Friedens-erhaltung und Sicherheit

Einnahmen

Schlechte Zahlungsmoral

Finanzen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

25

Mauretaniens, das mittlerweile aus der ECOWAS ausgetreten ist, alle Mit-gliedsländer ihre Beiträge beglichen. Aber nur 7 der nun 15 Staaten habenihren Obolus zur Finanzierung des ECOWAS-Hauptquartiers entrichtet.

Der Versuch der ECOWAS, die durch die schlechte Zahlungsmoral seinerMitglieder entstehenden Finanzierungslücken durch Einwerben von Dritt-mitteln bei der internationalen Gebergemeinschaft zu schließen, hattebisher nur mäßigen Erfolg. Zum Teil lag dies am Versäumnis der ECOWAS,aktiv um solche Mittel zu werben, zum Teil an der Bevorzugung derUEMOA als westafrikanischem Regionalverband (siehe unten, S. 64ff), zumTeil am mangelnden Vertrauen der Geber in eine effiziente Verwendungihrer Mittel durch die ECOWAS. Die wichtigsten Geldgeber der ECOWASwaren bisher die EU und die African Development Bank (ADB). DieECOWAS erhielt von den 228 Mio. Euro, die die EU im 8. regionalen Indika-tivprogramm für Westafrika bereitgestellt hatte, weniger als 10%. Die Rest-summe ging an die UEMOA.6

Die unzureichende Deckung des Budgets des ECOWAS-Sekretariats beigleichzeitiger Aufrechterhaltung der Illusion, das Sekretariat solle alle imVertrag definierten Aufgaben wahrnehmen können, führt dazu, daß dasBudget faktisch ausschließlich zur Deckung von Personal- und Verwal-tungskosten des Sekretariats verwendet wird. In den vergangenen Jahrenwurde das Budget des Sekretariats um 28% auf 5,8 Mio. US-Dollar reduziertund die für Projektarbeit zur Verfügung stehenden Mittel wurden um 72%auf 0,5 Mio. US-Dollar zurückgefahren. Asante und Abankwe kommen aufder Grundlage dieser Zahlen zu dem Schluß, »as it would appear that theECOWAS staff are being paid for doing almost practically nothing. Sus-tained and serious research and studies are generally not undertaken, pro-grammes and projects are not systematically monitored and evaluated,while protocols which are ratified are never implemented nor see anyevidence of follow-up actions.«7

Aufgrund der Unterdeckung sind auch die Finanzierungsmöglichkeitendes regionalen Kooperations-, Kompensations- und Projektfonds begrenzt.Er erschöpfte sich bisher in Zuschüssen für regionale Infrastrukturprojek-te (siehe unten, S. 57ff) und Kredite an Mitgliedsländer. Wobei die Bedie-nung der Kreditverpflichtungen seitens der Schuldner zu wünschen übrigließ. Kompensationszahlungen in Form von Zahlungsbilanzhilfen wurdennoch nicht geleistet. Der Grund hierfür liegt allerdings nicht in der un-zureichenden finanziellen Ausstattung des Fonds, sondern darin, daß bis-her nur Benin das Trade Liberalisation Scheme voll umgesetzt und damitdie Berechtigung erworben hat, Ausgleichsfinanzierung zu beantragen.

Die Einsicht, daß die jährliche Überweisung der Beiträge aus dem Staats-haushalt der Mitgliedsländer nicht funktioniert, hat 1996 zur Verabschie-dung eines Protokolls geführt, in dem sich die Unterzeichnerstaaten ver-pflichten, eine Sondergebühr von 0,5% des Warenwerts auf Importe ausDrittstaaten zu erheben und die Einnahmen daraus direkt einem Sonder-

6 Ebd., S. 53�54.

7 Ebd., S. 53.

Geringe Drittmittel

Dominanz vonPersonalausgaben

Unterdeckung desAusgleichsfonds

Reformen

Ziele und Struktur der ECOWAS

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

26

konto bei der jeweiligen Zentralbank zuzuführen, auf das wiederum dasECOWAS-Sekretariat direkten Zugriff hat. Bis Anfang 2000 haben allerdings nurBenin, Burkina Faso, Guinea und Togo das Protokoll ratifiziert. Nicht allevon ihnen haben das Protokoll aber auch umgesetzt. In dem einen oderanderen Fall gibt es Mutmaßungen, daß zwar die 0,5%-Gebühr erhobenwird, die Einnahmen daraus jedoch direkt dem Staatshaushalt zufließen.

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

27

Chancen regionaler Integration undChancen regionaler Integration undChancen regionaler Integration undChancen regionaler Integration undKooperation in WestafrikaKooperation in WestafrikaKooperation in WestafrikaKooperation in Westafrika

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

Ausgangsbedingungen

Die naturräumliche Ausstattung der Region Westafrika hat große wirt-schaftliche Vorteile wie auch Nachteile. Von Vorteil sind die reichhaltigenRohstoffvorkommen, die allerdings auf die Länder der Region sehrungleich verteilt sind. Am meisten bevorzugt ist zweifelsohne Nigeriadurch seine gewaltigen Vorkommen an sehr hochwertigem, schwefel-armem Erdöl. Nigeria ist der elftwichtigste Erdölexporteur weltweit. Aberauch Sierra Leone mit seinen Diamanten- und Bauxitvorkommen, LiberiasReichtum an Eisenerz, Guineas Bauxitlager, Ghanas Goldadern und NigersUranabbau machen Westafrika zu einer international gefragten Ur-sprungsregion bedeutsamer Rohstoffe. Hinzu kommt eine große Band-breite landwirtschaftlicher Rohstoffe: Kakao und Kaffee vor allem in Côted�Ivoire und Ghana sowie Bau- und Edelhölzer insbesondere aus Liberiaund Sierra Leone. Die zahlreichen Flüsse der Region bieten zumindest denKüstenstaaten ein großes energetisches Potential und müßten auch eineausreichende Trinkwasserversorgung erlauben.

Tabelle 1:

Mineralische Rohstoffe

Ben

in

Bu

rkin

a Fa

so

Côt

e d

�Ivo

ire

Gam

bia

Gh

ana

Gu

inea

Gu

inea

-Bis

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Mau

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nie

n

Nig

er

Nig

eria

Sen

egal

Sier

ra L

eon

e

Togo

Bauxit

Diamanten

Eisenerz

Erdöl

Gold

Kalziumphos.

Mangan

Uran

Quelle: Africa South of the Sahara 2000, 29. Auflage, London: Europa Publishers, Ltd.

Rohstoffe

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

28

Andererseits weist der Naturraum Westafrika zahlreiche schwer-wiegende Hemmnisse für eine wirtschaftliche Entwicklung auf. Hier istvor allem die Sahelzone zu nennen, die außerordentlich schwierige Bedin-gungen für landwirtschaftliche Nutzung bietet und sich weiter nachSüden ausbreitet. Sie begrenzt das Entwicklungspotential Senegals, Malis,Nigers und Burkina Fasos entscheidend. In diesen Staaten wird Wasser-mangel auch immer mehr zu einem zentralen Problem der Befriedigungvon Grundbedürfnissen. Aber auch die dichtbesiedelten Küstenregionenerschweren aufgrund des tropischen Klimas, ausgedehnter Sumpfgebieteund unwegsamer Regenwälder die Entwicklung der Landwirtschaft, derphysischen Infrastruktur und des verarbeitenden Gewerbes. Die geomor-phischen Gegebenheiten erschweren den Zugang zu den Flüssen unddamit deren Nutzbarmachung für Energiegewinnung und Wasserversor-gung. Darüber hinaus hat die Ausbeutung der Erdölvorkommen in Nige-ria, des Goldreichtums in Ghana, der Diamantenfelder in Sierra Leonesowie die Abholzung der Wälder der Region und die dichte Besiedelungeiniger Küstenregionen bereits enorme ökologische Schäden verursacht.

Tabelle 2:

Hauptprodukte der Landwirtschaft

Ben

in

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Togo

Erdnüsse

Fisch

Hirse

Holz

Kakao

Kassava

Mais

Obst

Plantainbanane

Reis

Sorghum

Süßkartoffeln

Zuckerrohr

Quelle: Africa South of the Sahara 2000, 29. Auflage, London: Europa Publishers, Ltd.

Nigeria ist nicht nur am besten mit mineralischen Rohstoffen ausgestat-tet, es verfügt auch über die mit Abstand größten Ackerflächen in West-afrika. Aufgrund der Vernachlässigung der Landwirtschaft infolge des Erd-ölbooms ist die Produktivität der nigerianischen Landwirtschaft gering.

Naturraum und Klima

Landwirtschaft

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

29

Ghana und Côte d�Ivoire nutzen ihre Ackerflächen überwiegend zumAnbau von Marktfrüchten, vor allem Kakao und Kaffee. In den Sahellän-dern ist Ackerbau fast nur im Einzugsbereich der großen Flüsse möglich.

Grafik 4:

Landnutzung, 1996 (in qkm)

Quelle: The World Bank.

Aufgrund fortschreitender Desertifikation der semi-ariden Gebiete kommtes in diesen Ländern immer häufiger zu Konflikten zwischen Ackerbauernund Viehzüchtern. In den Küstenländern Guinea, Sierra Leone und Liberiaist die wichtigste landwirtschaftliche Aktivität die Forstwirtschaft, dieallerdings eher einem Raubbau denn einer ökologisch verantwortlichenBewirtschaftung gleicht. Die Verfügungsgewalt über Land ist sehr un-gleichmäßig verteilt. Der Gini-Index weist für Ghana, Côte d�Ivoire undNiger noch die gleichmäßigste Verteilung auf, wogegen Landbesitz inSierra Leone, Guinea-Bissau und Senegal sehr konzentriert ist.

Geographie und Klima haben die Staaten Westafrikas mit sehr unter-schiedlichen Startbedingungen für ihre wirtschaftliche Entwicklung be-dacht. Daß ein großer mineralischer Rohstoffreichtum keineswegs wirt-schaftlichen Erfolg garantiert, demonstriert der Niedergang Nigerias. Dierelative Prosperität Côte d�Ivoires bezeugt wiederum, daß das Erreicheneines vergleichsweise hohen Entwicklungsniveaus auch ohne nennenswer-te Mineralvorkommen möglich ist. Côte d�Ivoire ist trotz der wirtschaft-lichen Schwierigkeiten, die zu Beginn der 90er Jahre und in jüngster Zeitauftraten, das am meisten industrialisierte Land Westafrikas. Die Produk-tionsvolumen seiner weiterverarbeitenden Industrie erreichen in abso-luten Zahlen fast jene Nigerias, wobei die ungleichen Größen der beidenVolkswirtschaften zu berücksichtigen sind. Neben diesen beiden Staatenkann eigentlich nur im Falle Ghanas und Senegals von der Existenz eines

Wirtschaftsstruktur

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Rest

Ackerland

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

30

weiterverarbeitenden Sektors gesprochen werden. Zwar weisen die Indu-striesektoren der anderen Staaten Westafrikas zum Teil recht hohe Pro-zentwerte auf, die aber vor dem Hintergrund des sehr kleinen BIP und desbegrenzten landwirtschaftlichen Potentials zu sehen sind.

Grafik 5:

Entstehung des BIP, 1998 (Wertschöpfungsanteil am BIP in %)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia; für Nigeria und Kap Verde Weiterverarbeitung nicht getrennt aus-gewiesen.

Die wirtschaftliche Entwicklung in den größeren Ländern der Regionverlief recht unterschiedlich. Sie unterlag großen kurzfristigen Schwan-kungen in Nigeria, wobei hier die generelle Abwärtstendenz seit den 80erJahren noch immer nicht gestoppt werden konnte. Ghana ist das einzigeLand aus der Reihe der »Großen Vier« der Region, das über einen längerenZeitraum auf relativ hohe Wachstumsraten zurückblicken kann, vor allemverursacht durch eine erhöhte Goldproduktion, ein zeitweiliges Anziehender Preise für Kakao und Kaffee sowie umfangreiche Zuflüsse seitens bila-teraler und multilateraler Geber an das Modell-Land wirtschaftlicherStrukturanpassung in Westafrika. Côte d�Ivoire war Ende der 80er, Anfangder 90er Jahre in eine tiefe wirtschaftliche Krise geraten, profitierte Mitteder 90er Jahre von der Abwertung des Franc-CFA und den gestiegenenPreisen für Kakao, um dann Ende der 90er Jahre erneut wirtschaftlichzurückzufallen. Die Boomperiode Mitte der 90er Jahre hat dringend not-wendige wirtschaftliche Anpassungsmaßnahmen erneut verzögert.

Ein ähnlich heterogenes Bild bietet sich bei den Auslandsinvestitionen.Die weitaus höchsten hat naturgemäß der Erdölsektor Nigerias angezogen.Aber auch Côte d�Ivoire konnte durchaus beachtliche Auslandsinvestitio-nen verzeichnen, wobei der Löwenanteil in der ersten Hälfte der 90er Jahregetätigt wurde. Neben diesen beiden Ländern kann nur noch im Falle von

WirtschaftlicheEntwicklung

Auslands-investitionen

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Dienstleistungen

Weiterverarbeitung

restliche Industrie

Landwirtschaft

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

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31

Guinea, Ghana, Kap Verde und Senegal von nennenswerten Zuflüssen anPrivatkapital gesprochen werden. Sierra Leone, aufgrund seines Reichtumsan Diamanten, mineralischen Rohstoffen und Forstprodukten ein traditio-nell wichtiger Investitionsstandort, hat wegen des anhaltenden Bürger-kriegs im Land in den vergangenen Jahren nur noch geringe Auslandsinve-stitionen empfangen.

Grafik 6:

Wachstum des BIP (real, jährlicher Durchschnitt 1990�1998; in %)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia.

Grafik 7:

Direkte Auslandsinvestitionen, 1994�1996 (in Mio. US-Dollar)

Quelle: The World Bank.

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Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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32

Grafik 8:

Verwendung des BIP (in %)

Quelle: The World Bank.

Die großen Erdölkonzerne in Nigeria, allen voran Shell, die Bergbau-gesellschaften in Ghana, Sierra Leone und Niger sowie die Holzindustrieund Bauunternehmen sind jene Wirtschaftsakteure, die den Löwenanteilder internationalen Investitionen in Westafrika halten und dementspre-chend auch über erheblichen politischen Einfluß verfügen. Ein solcherkann auch den nach wie vor zahlreichen französischen Unternehmern imfrankophonen Westafrika beigemessen werden. Eine weitere wichtigeAkteursgruppe im Wirtschaftsleben ist � besonders in den Küstenstaatender Region � die libanesische Minderheit, deren Stärke auf mehrere hun-derttausend Personen geschätzt wird und die ähnlich wie die Inder in Ost-afrika vor allem den Kleinhandel beherrschen. Während die französischeMinderheit in Westafrika stets mit der Sicherheit agieren kann, unter dembesonderen Schutz Frankreichs zu stehen, befinden sich die Libanesen inden meisten Staaten Westafrikas in einer exponierteren und angreifbare-ren Position, die sie durch gute Geschäftsbeziehungen zur jeweiligenMachtelite abzusichern versuchen. Ähnlich delikat ist die Stellung der fastüber ganz Westafrika verstreuten senegalesischen Händler, der häufig imhalblegalen und kriminellen Raum agierenden nigerianischen Geschäfts-leute sowie der zahlreichen Wanderarbeiter (vgl. unten, S. 47ff und S. 57ff).Ein weiterer wichtiger Faktor für das Verständnis westafrikanischer Wirt-schaftsbeziehungen ist die Tatsache, daß in fast allen Ländern der Regionein oder zwei angestammte Minderheitsethnien � meist aus den Küsten-regionen � in der jeweiligen Volkswirtschaft eine herausragende Rollespielen, während in Politik und Militär häufig Ethnien aus eher struktur-schwachen Gebieten dominieren. Nach wie vor ist der Staat trotz Struktur-anpassung und Deregulierung in Westafrika ein zentraler Wirtschafts-

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Privater Verbrauch StaatsverbrauchBruttoinlandsinvestitionen Bruttoinlandsersparnis

Ausgleich Exporte

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

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33

akteur. Insbesondere bei den Versorgungsbetrieben und bei der Rohstoff-verarbeitung dominieren halbstaatliche Unternehmen, in einigen Be-reichen (z.B. Telekommunikation in Nigeria) halten sie nach wie vor eineMonopolstellung.

Der intraregionale Handel zwischen den Staaten der ECOWAS liegt bei5%.8 Dessen Volumen ist fast vollkommen auf die Aus- und Einfuhr einigerweniger Länder zurückzuführen. Im Fall der Ausfuhren sind es vor allemdie Exporte Côte d�Ivoires nach Ghana, Mali und Burkina Faso sowie Nige-rias nach Ghana und Côte d�Ivoire (vgl. Tabelle 3). Auf der Importseitedominieren neben den drei halbwegs industrialisierten Ländern Ghana,Côte d�Ivoire und Nigeria Togo sowie die Binnenstaaten Mali und Burkina

Tabelle 3:

Exporte von...nach... (1997)

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Benin 1 1 3 6 4 62 169

Burkina Faso 1 3 3 3 15 92 74

Côte d�Ivoire 52 157 13 252 44 1 23 212 4 50 63 46 4 63 274 2675 462

Gambia 1 1 1 121 4

Ghana 5 2 64 2 232 31 1279 372

Guinea 8 7 5 35 616 143

Guinea-Bissau 2 1 12 60

Kap Verde 1 2 17 1

Liberia 1 1 1 12 500 397

Mali 2 2 1 2 20 121 138

Mauretanien 8 12 1 9 8 12 409 40

Niger 7 1 5 159 99

Nigeria 14 290 443 3 1 1 4 84 10 4 447 7673 2607

Senegal 15 3 19 16 1 12 8 3 1 43 20 1 5 1 5 31 131 221

Sierra Leone 1 7 107 32

Togo 8 14 2 9 33 30 100 224

Quelle: IWF.

Faso. Die Importe Benins aus Ghana und Nigeria dürften ähnlich hochsein, werden aber in den verfügbaren Statistiken nicht ausgewiesen. DieseHandelsströme sind relativ leicht zu erklären: mit dem Export nigeriani-schen Öls nach Ghana und Côte d�Ivoire, dem Aufnahmevolumen des

8 Ernest Aryeetey, Regional Integration in West Africa (OECD Development Centre, Tech-

nical Papers No. 170), Paris 2001, S. 21.

Intraregionaler Handel

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

34

rasch wachsenden ghanaischen Marktes für Halbfertig- und Fertigwarenaus Côte d�Ivoire, mit der Abhängigkeit der industriell kaum entwickeltenBinnenländer der Region vom Warenzufluß aus den entwickelteren Volks-wirtschaften. In solcher Abhängigkeit befindet sich auch Togo gegenüberGhana. Da fast alle Grenzen Westafrikas traditionelle Handelsströme undethnische Gemeinschaften durchschneiden, spielt der informelle Handelin der Region eine große Rolle. Der Marktwert der geschmuggelten Warenwird auf ein ähnliches Volumen geschätzt wie der des formellen Handels.

Selbst wenn dies in Rechnung gestellt wird, ändert es nichts an der Tat-sache, daß der Außenhandel der westafrikanischen Staaten nach wie vorvon den Industrieländern beherrscht wird. Die Industrien der ÖkonomienWestafrikas sind in der Regel zu wenig entwickelt, um eine intraregionaleArbeitsteilung entstehen zu lassen. Bei der Produktion von Nahrungs-mitteln gibt es kaum Komplementaritäten. Jene landwirtschaftlichen undmineralischen Rohstoffe der Region, die große Attraktivität für die Weiter-verarbeitung oder als Energieträger haben und deshalb auf den Welt-märkten relativ teuer gehandelt werden, werden von den jeweiligen Ur-sprungsländern vorzugsweise nach Europa, den USA und Japan veräußert,um dafür knappe Devisen zu erhalten. Dennoch besitzt ein westafrikani-scher Markt im Rahmen der ECOWAS mit seinen 200 Mio. Konsumenten,seinem Reichtum an mineralischen Rohstoffen und den potentiellen Ent-wicklungslokomotiven Nigeria, Côte d�Ivoire und Ghana durchaus ein viel-versprechendes Wachstumspotential, wenn die Integration gelingt.

Zielsetzungen der ECOWAS und deren Umsetzung

Wirtschaftliches Integrationsziel der ECOWAS ist die Errichtung einerWirtschaftsunion," die eine Freihandelszone, eine Zoll- und Währungsunion umfaßt," bei der völlige Freizügigkeit für den Personen-, Waren-, Dienstleistungs-

und Kapitalverkehr sowie Niederlassungsfreiheit herrschen" und in der die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Mitgliedsländer im Ein-

klang miteinander stehen.Zur Erreichung dieser Ziele definiert der ECOWAS-Vertrag ehrgeizige

Zeitpläne. Innerhalb von zehn Jahren, beginnend mit dem 1. Januar 1990,sollten die Mitgliedsländer eine Zollunion inklusive einer Freihandelszoneformieren. Weitere fünf Jahre sollten dann ausreichen, um die ECOWAS ineine Wirtschafts- und Währungsunion umzuwandeln. Die Kernelementebei der Umsetzung dieser Ziele sind: das Trade Liberalisation Scheme (TLS),der freie Personenverkehr, die Zusammenarbeit in Währungsfragen sowiedie Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Das TLS besteht aus zwei Elementen: der Liberalisierung des Handels mitnichtverarbeiteten Waren und traditionellen Handwerksprodukten sowieder Liberalisierung des Handels mit Industrieprodukten. NichtverarbeiteteWaren und traditionelle Handwerksprodukte sollten mit sofortigerWirkung vom 1. Januar 1990 an frei von Zöllen und nichttarifären Han-delshemmnissen sein, sofern sie

Handelsstruktur

Ehrgeizige Zeitpläne

Trade LiberalisationScheme...

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

35

" die ECOWAS-internen Ursprungsregeln einhalten,9

" sich auf einer entsprechenden Liste von Waren wiederfinden," von einem Ursprungszeugnis und einer ECOWAS-Export-Erklärung

begleitet sind.Diese Bedingungen sind es, die die zoll- und restriktionsfreie Einfuhr

von nichtverarbeiteten Waren und traditionellen Handwerksproduktenerschweren oder zum Gegenstand korrupter Praktiken machen, obwohlbereits zwölf Mitgliedsländer (Benin, Burkina Faso, Côte d�Ivoire, Gambia,Ghana, Guinea, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo) eineUmsetzung dieser Form der Handelsliberalisierung reklamieren. Darüberhinaus enthält das Protokoll über die Ursprungsregeln eine Bestimmung,der zufolge die Unternehmen, deren Produkte in die Warenliste Aufnahmefinden wollen, eine hinreichende Beteiligung von Afrikanern aufweisensoll. Die Definition des »hinreichend« obliegt der Handelskommission.Diese Vorschrift, so schwammig sie ist, kann zum Ausschluß von Unter-nehmen führen, die sich im Alleinbesitz von Europäern und US-Amerika-nern befinden. Hiervon wäre vor allem die Wirtschaft Senegals und Côted�Ivoires betroffen, wo Franzosen noch immer einen erheblichen Anteilder privaten Unternehmerschaft stellen.

Bei der Liberalisierung des Handels mit Industrieprodukten wird dieseZahl an Mitgliedsländern bei weitem nicht erreicht, obgleich seit Anfang2000 sämtliche Industrieprodukte, die den Herkunftsregeln genügen, einGenehmigungsverfahren durchlaufen haben und von einem Ursprungs-zeugnis sowie einer Export-Erklärung begleitet sind, innerhalb derECOWAS frei gehandelt werden sollten. Allein Benin hat diese Vorgabenbisher umgesetzt. Als besonderes Hemmnis erweist sich das Genehmi-gungsverfahren. In der ECOWAS niedergelassene Unternehmen müssenvia ihre jeweiligen nationalen Regierungen beim ECOWAS-Sekretariat eineListe der von ihnen produzierten Güter zur Genehmigung vorlegen, in derzu dokumentieren ist, ob diese Güter den Herkunftsregeln genügen. FünfMitgliedsländer der ECOWAS haben bisher noch nicht einmal eine der-artige Liste eingereicht. Aber selbst für die genehmigten Güter bestehenbei jenen Ländern, die das TLS noch nicht voll umgesetzt haben, Zölle undnichttarifäre Handelshemmnisse fort, von den informellen Restriktionenbei den Grenzkontrollen und beim Transit ganz zu schweigen. Nach einerStudie der ECOWAS gab es 1999 auf der 992 km langen Straße zwischenLagos und Abidjan 69 Checkpunkte, die Polizei und andere Sicherheits-kräfte dazu nutzen, ihren Anteil am freien intraregionalen Warenverkehreinzufordern � ungeachtet der nationalen und ECOWAS-Bestimmungen.

Diese Checkpunkte sowie Korruption und Schikanen bei den Grenzkon-trollen sind es auch, die den freien Personenverkehr innerhalb der Regionmaßgeblich behindern. Zwar verweist die ECOWAS mit einigem Stolz dar-auf, daß mittlerweile alle Mitgliedsländer die Visumpflicht für Reisende

9 Der extraregionale Anteil an den Rohstoffen und Vorprodukten, die bei der Herstellung

der Ware verwendet wurden, darf nicht 60% des c.i.f.-Werts der Ware übersteigen, oder

die intraregionale Wertschöpfung darf nicht weniger als 35% des f.o.b.-Werts des End-

produkts unterschreiten.

...kaum umgesetzt

Freier Personenverkehrformal sehr einge-schränkt

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

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aus den ECOWAS-Staaten aufgehoben haben und ihnen für maximal 90Tage Aufenthaltsrecht gewähren. Doch scheitert diese Liberalisierung weit-gehend an den Checkpunkten und Zollstationen. Weitere Eckpunkte desfreien Personenverkehrs sind ein ECOWAS-Reisedokument, das dessenInhaber das Ausfüllen von Ein- und Ausreiseformularen erspart, die Har-monisierung dieser Formulare und die Einführung einer braunen Ver-sicherungskarte für Motorfahrzeuge. Das Reisedokument ist bisher erst insieben Mitgliedsländern erhältlich (Burkina Faso, Gambia, Ghana, Guinea,Niger, Nigeria und Sierra Leone); eine Harmonisierung der Ein- und Aus-reiseformulare hat bisher nicht stattgefunden; und eine braune Versiche-rungskarte wird erst in drei Vierteln der Mitgliedsländer ausgegeben (dieAusnahmen sind Gambia, Kap Verde, Liberia und Mauretanien).

Ungeachtet der nicht sehr überzeugenden Bilanz bei der Umsetzung derVorhaben zur Liberalisierung des freien Personenverkehrs ist jedoch fest-zustellen, daß für die Bürger der Region die Niederlassungsfreiheit defacto bereits existiert. Westafrika war stets eine Region starker Wande-rungsbewegungen. Die kolonialen Grenzen durchschnitten zahlreicheVolksgruppen, die Staatsangehörigkeit eines Angehörigen solcher Ethnienist nicht immer eindeutig bestimmbar. Einige Volksgruppen sind über denganzen Raum Westafrika verstreut, da ihre ethnische Identität wenigergeographisch bestimmt ist und eher auf einer klaren sozio-kulturellenRollenbestimmung beruht. Schließlich haben unterschiedliche Entwick-lungsdynamiken und Entwicklungsniveaus der kolonialen und nachkolo-nialen Staaten zu starker Arbeitsmigration geführt. Senegalesische Händ-ler und nigerianische Geschäftsleute sind über die gesamte Region ver-streut, im Senegal gibt es große Minderheiten aus den Nachbarländern, inMauretanien zahlreiche Senegalesen, in Ghana viele Togoer, Beniner undBurkinabe, in Nigeria große Gruppen von Zuwanderern aus denselbenLändern, ergänzt um Nigerer, und in Côte d�Ivoire sollen die zum Teilschon seit Jahrzehnten ansässigen Burkinabe, Malier und Liberianer ca.40% der Gesamtbevölkerung ausmachen. Die faktische Niederlassungsfrei-heit ändert jedoch nichts an der Tatsache, daß die Migranten keinerleiRechtssicherheit genießen. In Zeiten wirtschaftlicher Krisen und Spannun-gen zwischen Nachbarländern ist deren Ausweisung ein gern benutztesVentil oder Sanktionsinstrument, wie die Nigerianer, Togoer, Ghanaer,Ivorer und Mauretanier wiederholt bewiesen haben. Die zentrale Rolle, diedie Herkunft eines Präsidentschaftskandidaten in Côte d�Ivoire in den ver-gangenen Monaten spielte, beweist auch, welch sensibles Thema dieseMigration ist und wie sehr sie sich zur Mobilisierung von zum Teil auchgewaltsamer politischer Unterstützung eignet.

Der Zeitplan zur Schaffung einer Zollunion wurde bisher nicht einge-halten. Es ist nicht abzusehen, daß weitere fünf Jahre ausreichen, um diebis dahin geplante Währungsunion ins Werk zu setzen. Innerhalb derECOWAS gibt es bereits eine Währungsunion, die der Franc-Zone, derenMitglieder sich 1994 in der UEMOA zusammengeschlossen haben. DieserWährungsverbund stellt allerdings keine Währungsunion im klassischenSinne dar, da ihr Garant eine Macht außerhalb der Union ist. Frankreich

Informelle Nieder-lassungsfreiheit

Ziel der Zollunionverfehlt

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

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gewährleistet die Stabilität der Währung des Franc-CFA, indem es sich zumAusgleich des Zahlungsbilanzdefizits der Mitgliedsländer der Franc-Zoneaus seinem Staatshaushalt verpflichtet hat. Es bestimmt auch weitgehendim Alleingang den Außenwert der Währung, wie die 50prozentige Abwer-tung des Franc-CFA im Jahre 1994 eindrucksvoll dokumentiert hat. Derwestafrikanischen Franc-Zone und damit der UEMOA gehören mit Aus-nahme Guineas alle frankophonen Staaten der Region plus Guinea-Bissauan. Bei der Verschmelzung der Franc-Zone mit den anderen Staaten derECOWAS zu einer Währungsunion sind bisher noch keine nennenswertenFortschritte zu verzeichnen. Selbst die Annäherungen an dieses Ziel sindnicht sehr eindrucksvoll. Noch immer müssen Angehörige von ECOWAS-Staaten in anderen Staaten der Gemeinschaft Flugtickets, Flughafensteuerund ähnliches mit Devisen zahlen. Die Währungen der Region sind in derPraxis kaum konvertibel. Die Arbeit der West African Monetary Agency(WAMA), die die Verwendung lokaler Währungen bei intraregionalen Ge-schäftstransaktionen ermöglichen soll, leidet darunter, daß die Mitglieds-länder der ECOWAS ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WAMAnur unzureichend nachkommen.

Die Gründung einer Währungsunion bedingt die Angleichung der Wirt-schafts- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer. Wie die Euro-Staaten habensich auch die ECOWAS-Mitgliedsländer auf Konvergenzkriterien hierfürgeeinigt. Sie werden in Primär- und Sekundärkriterien unterteilt. Die Pri-märkriterien sind:" Budgetdefizit unter 4% des BIP bis 2002," jährliche Inflationsrate geringer als 5% 2001 und geringer als 3% 2003," Kredite der Zentralbank an die Regierung weniger als 10% der Staats-

einnahmen des Vorjahrs," Devisenreserven für mindestens vier Monate zur Abdeckung der Im-

porte bis 2003.Die Sekundärkriterien lauten:" Verbot neuer und Begleichung bestehender inländischer Zahlungs-

rückstände," Anteil der Steuereinnahmen am BIP mindestens 20%," Anteil der Lohnkosten an den Steuereinnahmen weniger als 35%," Wechselkursstabilität," positive reale Zinssätze," Anteil der öffentlichen Kapitalausgaben an den Steuereinnahmen min-

destens 20%.Grafiken 9 und 10 zeigen die gegenwärtige Erfüllung jener beiden

Konvergenzkriterien, für die ausreichend Zahlen verfügbar sind. Das Bild,das sich darin abzeichnet, ist nicht sehr beeindruckend. Die meistenStaaten sind weit von der Schwelle des 4%igen Budgetdefizits entfernt. Beider Inflationsrate bietet sich ein besseres Bild. Hier ist zumindest eineAnnäherung an den Grenzwert erkennbar, wenn auch die kräftigenAusschläge bei den Nicht-UEMOA-Staaten in der Vergangenheit die Sorgewecken, daß diese Annäherung nicht von Dauer sein könnte. Wenigüberzeugend ist auch die Bilanz bei der Harmonisierung interner indirek-

Konvergenzkriterien derWährungsunion...

...unzureichend erfüllt

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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ter Steuern. Bisher haben nur neun Staaten eine Mehrwertsteuer ein-geführt, die nach Absicht der ECOWAS die Haupteinnahmequelle indiesem Bereich sein soll: Benin, Burkina Faso, Côte d�Ivoire, Guinea, Mali,Niger, Nigeria, Senegal und Togo. Dies ist noch nicht gleichbedeutend miteiner Angleichung der Zollsätze.

Grafik 9:

Entwicklung des Budgetdefizits (in % des BIP)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia.

Die ernüchternde Bilanz der ECOWAS bei der Realisierung derwirtschaftlichen Integrationsziele (vgl. auch Übersicht 2, S. 40) hat beimECOWAS-Gipfel 1999 nicht nur zu einer kritischen Selbsteinschätzunggeführt, sondern auch zur Billigung einer Initiative Ghanas und Nigerias,zusammen und im Verbund mit anderen Integrationswilligen einen soge-nannten fast track einzuschlagen, das heißt in einigen Feldern der Integra-tion voranzuschreiten. Diese Initiative basiert auf Bestimmungen des über-arbeiteten ECOWAS-Vertrags, in dem die Prinzipien der variablen Geo-metrie und der unterschiedlichen Geschwindigkeiten festgeschriebensind. Das Herzstück der Initiative Ghanas und Nigerias ist die Schaffungeiner zweiten Währungszone in Westafrika, zuerst zwischen diesen beidenStaaten und dann zwischen allen Nicht-UEMOA-Mitgliedern, die letzt-endlich mit den Ländern der Franc-Zone zu einer Währungsunion ver-schmelzen soll. Im April 2000 hat diesbezüglich bereits ein Mini-Gipfelunter Teilnahme Gambias, Ghanas, Guineas, Liberias, Nigerias und SierraLeones stattgefunden. Bis spätestens 2003 soll diese zweite Währungs-

Die Ghana-Nigeria-Initiative

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Zielgröße: -4%

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union gegründet sein. Die Verschmelzung mit der Franc-Zone ist im Jahr2004 geplant. Die Konvergenzkriterien für die zweite Währungsunion sindnur zum Teil mit jenen für die ECOWAS-Währungsunion identisch:" einstellige Inflationsrate im Jahr 2000," Devisenreserven zur Deckung der Importe für mindestens drei Monate

2000 und sechs Monate 2003," Kredite der Zentralbank an die Regierung weniger als 10% der Staats-

einnahmen des Vorjahrs.

Grafik 10:

Entwicklung der Inflationsrate (in %)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Benin, Liberia, Kap Verde und Niger.

Diese Kriterien sind bestimmend für die erste Phase der Angleichung.Im Mittelpunkt der zweiten steht das Verhältnis zwischen Budgetdefizitund BIP. Über das Kriterium hierfür wurde noch nicht befunden. Abge-sehen von den wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten, diese Kri-terien einzuhalten, besteht zudem das Problem der Verläßlichkeit derStatistiken. Die Einhaltung der Kriterien soll zwar aufgrund vergleichbarerZahlen der internationalen Finanzorganisationen und der UN überprüftwerden, die jedoch wiederum weitgehend auf den Meldungen der nationa-len Statistikbüros basieren. Eine unzureichende Datenbasis, Mängel beider Datenerhebung und gezielte Manipulationen bieten wenig Gewähr da-für, daß die vereinbarten Kriterien tatsächlich eingehalten werden. DieECOWAS hat die hieraus drohenden Gefahren erkannt und deshalb derVerbesserung des Statistikwesens der Gemeinschaft bei der Sektorkoopera-tion Priorität eingeräumt (vgl. unten, S. 61ff).

Mangelhafte Datenbasis

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Gambia

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Guinea

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Togo

Zielgröße: 5% 2001

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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Übersicht 2:

Erfüllung von ECOWAS-Vorgaben durch Mitgliedsstaaten

Freier Personen-verkehr

Freier Güter-verkehr

Geld-politik

Harmonisierung derWirtschafts- undFinanzpolitik

Begleichung der Zah-lungsverpflichtungen

Abs

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Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer

Die Erfolgsbilanz regionaler wirtschaftlicher Integration der ECOWAS ist25 Jahre nach ihrer Gründung mehr als ernüchternd. Keines der hochge-steckten Integrationsziele wurde erreicht. Dort, wo auf dem Papier Fort-schritte erzielt wurden, wie beim freien Personenverkehr, bei der Liberali-sierung des Handels mit nichtverarbeiteten Waren und traditionellenHandwerksprodukten, sind in der Praxis erhebliche Einschränkungen zuverzeichnen. Deutlich wurde oben im Unterkapitel auf S. 34ff, aber auchim ersten Kapitel (S. 7ff), daß die Bereitschaft und Fähigkeit der Mitglieds-

IntraregionaleUnterschiede in derUmsetzungsbilanz

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

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länder, die von ihnen unterzeichneten Verträge, Abkommen und Proto-kolle umzusetzen, sehr stark variieren. Das positive Extrem stellt Benindar, das negative Mauretanien, das auch konsequenterweise im Dezember1999 mit Wirkung Ende 2000 seinen Austritt aus der ECOWAS erklärt hat.Die Einhaltung formaler Übereinkünfte ist generell bei der Gruppe derUEMOA-Staaten als gut zu bewerten, wobei allerdings insbesondere Côted�Ivoire darüber hinausgehend jedes weitere Engagement für die ECOWASvermissen läßt. Am ehesten ist dieses Engagement noch in Nigeria, Ghana,Togo, neuerdings auch in Mali zu erkennen. Die Gründe für diese Unter-schiede zwischen den Mitgliedsländern und das Versagen der ECOWASgenerell, Fortschritte in Richtung Wirtschafts- und Währungsunion zumachen, lassen sich auf folgende Faktoren zurückführen:" geringe Attraktivität eines regionalen Marktes," wirtschaftliche und politische Instabilität der Region," mangelnde Steuerungsfähigkeit der Regierungen der Mitgliedsländer," Interessendivergenzen zwischen den Mitgliedsländern.

Die mäßige Attraktivität eines ECOWAS-Marktes wurde bereits im Unter-kapitel auf S. 27ff herausgearbeitet. Sie liegt vor allem in der geringenKaufkraft der durchaus nicht kleinen Schar der Konsumenten in Westafri-ka, in der geringen Diversität der landwirtschaftlichen und industriellenProduktion sowie in der Tatsache, daß jene Länder, die über begehrte land-wirtschaftliche und mineralische Rohstoffe verfügen, diese gewinnbrin-gend auf dem Weltmarkt veräußern und nur in Ausnahmefällen bereitsind, anderen ECOWAS-Mitgliedern beim Preis oder bei der Versorgungmit diesen Waren Vorteile einzuräumen. Der zu erwartende Nutzen einerMarktintegration hält sich für die meisten ECOWAS-Mitglieder in engenGrenzen. Zumal die halbwegs industrialisierten Staaten der Region dieMärkte der Nachbarstaaten via formellen oder informellen Handel ohne-hin schon weitgehend durchdrungen haben. Setzt man den zu erwarten-den Nutzen für sie in Beziehung zu den zu erwartenden Kosten (sieheunten), ist das Ergebnis nicht so eindeutig positiv, daß es ein größeresEngagement zugunsten der Marktintegration erwarten ließe.

Ein nicht zu unterschätzender Faktor ist die enorme wirtschaftliche undpolitische Instabilität, die die Region in den vergangenen 25 Jahren kenn-zeichnete. Von der wirtschaftlichen Instabilität schien lange Zeit nur dasanglophone Westafrika betroffen zu sein. Die starken Ölpreisschwankun-gen, die Veruntreuung der Einnahmen aus dem Ölexport und fundamen-tale entwicklungspolitische Fehlentscheidungen haben das potentiellreiche Nigeria zu einem Riesen auf tönernen Füßen gemacht. Die Größedes Landes und seiner Ökonomie läßt jene Staaten, die mit ihm eine Wirt-schaftsunion bilden sollen, zu Recht dessen Instabilität und deren negativeAuswirkungen auf ihre eigenen Volkswirtschaften fürchten. Zumal ihreeigene Stabilität äußerst fragil ist. Ghana ist noch weit von einem sichselbst tragenden Wirtschaftsaufschwung entfernt. Es sind noch immer dieinternationalen Geldgeber, die das Musterland der Strukturanpassungüber Wasser halten. Das wirtschaftlich lange Zeit als stabil geltende fran-kophone Westafrika mußte 1994 erleben, daß diese Stabilität zum Groß-

Geringe Attraktivitäteines regionalen Marktes

WirtschaftlicheInstabilität

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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teil auf einer überbewerteten, von außen garantierten Währung beruht.Die Abwertung in jenem Jahr führte zwar nach dem ersten Anpassungs-schock zu einem wirtschaftlichen Boom, da sich die Exporte erheblich ver-billigten. Das Beispiel Côte d�Ivoire zeigt aber eindrucksvoll, daß dieserBoom eben nur auf einer Veränderung der Wechselkurse und gestiegenenRohstoffpreisen basierte und nicht auf strukturellen Anpassungen � imGegenteil diese eher verzögerte. Die endemische wirtschaftliche Instabili-tät macht eine Harmonisierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik außer-ordentlich schwierig. Wenn sie gelingen sollte, dann dürfte sie weniger aufden definierten Konvergenzkriterien beruhen als auf der Tatsache, daßnun fast alle Staaten der Region Strukturanpassungsprogramme gemäßder Vorgaben von IWF und Weltbank durchführen � ohne diese allerdingsregional zu koordinieren. Nach wie vor gibt es erhebliche Unterschiede beider Gestaltung zentraler Politikfelder, wie zum Beispiel der Agrarpolitik.Einer Harmonisierung stehen hier nicht nur widerstreitende volkswirt-schaftliche Erwägungen entgegen, sondern auch die Partikularinteressengroßer Teile der wirtschaftlichen und politischen Elite, die von Preisunter-schieden für wichtige Agrargüter durch Schmuggel profitieren.

Die politische Instabilität unterminiert Integrationsprozesse kaumweniger als die wirtschaftliche. Westafrika ist die afrikanische Region mitder höchsten Zahl an erfolgreichen und mißlungenen Staatsstreichen. Er-neut ist die regionale Vormacht Nigeria ein Hauptbetroffener dieser Formder Instabilität. Aber auch Benin, Ghana, Burkina Faso, Niger, Mali, Maure-tanien, Liberia, Sierra Leone und Guinea können hier eine eindrucksvolleListe vorlegen. Im Dezember 1999 hat es sogar einen der beiden Stabilitäts-anker der Region, Côte d�Ivoire, getroffen. Damit ist Senegal das einzigeLand Westafrikas ohne einen gewaltsamen Machtwechsel. Putsche undPutschversuche schaffen nicht nur innenpolitisch Unsicherheit, sie wirkensich auch außen- und regionalpolitisch aus. Regierungen, die sich Putsch-versuchen erwehren müssen oder die soeben durch einen Putsch an dieMacht gekommen sind, finden entweder kaum die Kraft oder entbehrender Expertise, um regionale Integration zu betreiben. Regionale Integra-tion bedarf auch eines Minimums an Vertrauen. Zu dessen Aufbau brauchtes Zeit und Verläßlichkeit. Regierungen, die andere gewaltsam von derMacht vertrieben haben, wird kaum ein Vertrauensvorschuß gewährt. Esist kaum zu erwarten, daß jene Staatsoberhäupter, die zu einer aus demAmt geputschten Regierung eines ECOWAS-Mitgliedslandes besonders ver-trauensvolle Beziehungen unterhalten haben, bereit sind, solche Beziehun-gen ohne weiteres zu deren Nachfolger zu unterhalten.

Aber nicht nur Regierungsumstürze sind ein wichtiger Faktor politi-scher Instabilität. Die jüngere Geschichte Westafrikas war darüber hinausgeprägt von Konflikten im Zusammenhang mit Demokratisierungsprozes-sen (insbesondere in Togo, Côte d�Ivoire und Guinea-Bissau), von wachsen-den ethnischen und religiösen Spannungen (vor allem in Nigeria), aberauch Nationalitätenkonflikten (in Ghana, Côte d�Ivoire und Togo), sezessio-nistischen Bewegungen (in Senegal, Mali und Niger) sowie dem völligenZusammenbruch staatlicher Ordnung (in Liberia, Sierra Leone und

Politische Instabilität

Mangelnde nationaleSteuerungsfähigkeit

Wirtschaftliche Kooperation und gemeinsamer Markt

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Guinea). Daß die Situation in den drei letztgenannten Ländern eine Priori-sierung wirtschaftlicher Regionalintegration völlig absurd erscheinenläßt, ist offensichtlich. Aber auch in den meisten anderen Ländern derRegion sind die Steuerungsfähigkeit des Staates und seine Kontrolle überWirtschaft und Gesellschaft äußerst begrenzt � nicht nur aufgrund derinnenpolitischen Konflikte. Organisierte Kriminalität hat viele Staaten derRegion durchdrungen, allen voran Nigeria. Korruption beherrscht diestaatlichen Verwaltungen. Weite Teile urbaner Zentren der Region sinddem staatlichen Gewaltmonopol entglitten. Die These Robert Kaplans vonder Coming Anarchy entstand nicht ohne Grund unter dem Eindruck seinerErfahrungen in den Küstenmetropolen Westafrikas. Diese mangelndeSteuerungsfähigkeit ist es, die den praktischen Gehalt ratifizierter Regio-nalübereinkünfte gegen Null gehen läßt. Das relativ gute AbschneidenBenins bei der Umsetzung der Beschlüsse der ECOWAS mag weniger aufein besonderes Engagement zugunsten der Regionalorganisation zurück-zuführen sein als auf eine im Vergleich zu anderen Mitgliedsländernbesser ausgeprägte Steuerungsfähigkeit der Regierung in Cotonou. Umge-kehrt mag das Versagen Mauretaniens und Liberias, ihren Verpflichtungennachzukommen, Ausdruck ihrer staatlichen Schwäche sein.

Neben diesen strukturellen Hemmnissen gibt es auch konkrete Inter-essendivergenzen, die regionale wirtschaftliche Integration im Rahmender ECOWAS erschweren. Vier Hauptkonfliktlinien sind erkennbar:" die zwischen den in der UEMOA zusammengeschlossenen frankopho-

nen Staaten und Nigeria;" die zwischen den größeren industrialisierteren Staaten der Region und

den unterentwickelteren Klein- und Binnenstaaten;" die zwischen den Wirtschaftsreformern und den Anpassungsverweige-

rern;" die zwischen den Arbeitskräfteexporteuren und den Aufnahmeländern.

Neben diesen vier Hauptkonfliktlinien gibt es noch eine Reihe weitererkleinerer interessengeleiteter Friktionen. Die wichtigste ist wohl die zu-nehmend abweichende regionale Orientierung Mauretaniens.

Die frankophonen Staaten Westafrikas haben sich 1994 mit AusnahmeGuineas, aber einschließlich des portugiesisch-sprachigen Guinea-Bissauzur UEMOA zusammengeschlossen. Sie verfolgt nahezu identische Zielewie die ECOWAS, hat aber in der kurzen Zeit ihres Bestehens eine ungleichbeeindruckendere Erfolgsbilanz vorzuweisen (vgl. S. 64ff). Die UEMOA hatallerdings zentrale wirtschaftliche Schwächen, die ihr Entwicklungs-potential stark begrenzen. Der regionale Markt ist mit ca. 70 Mio. Konsu-menten um 40% kleiner als der nationale Markt Nigerias. In bezug auf dasBIP übertrifft er ihn nur um ein Drittel. Dem Regionalverband mangelt esan zahlreichen attraktiven und strategischen Ressourcen, über die dieECOWAS verfügt. Und die infrastrukturelle Erschließung des Marktes wirddurch seine Zergliederung (siehe Karte, S. 7) erschwert. Dennoch setzte derharte Kern der UEMOA, Côte d�Ivoire und Burkina Faso, bisher nahezu aus-schließlich auf regionale Integration im Rahmen dieses Verbunds. Auch inSenegal und Mali scheint die UEMOA noch immer Vorrang vor der

Interessendivergenzen

Gründung der UEMOA...

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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ECOWAS zu genießen. Allein Niger, Benin und Togo tendieren wegen ihrerAbhängigkeit von Nigeria und Ghana zu einer Stärkung der ECOWAS.

Für die Prioritätensetzung Côte d�Ivoires, Burkina Fasos, Malis und Sene-gals gibt es neben politischen Gründen (siehe oben, S. 40ff) vor allem vierwirtschaftliche Überlegungen. Da ist erstens die Furcht, von dem wirt-schaftlichen Giganten Nigeria dominiert zu werden. Aufgrund seines Öl-reichtums hat Nigeria bei guter Regierungsführung das Potential, sich zueinem industriellen Zentrum der Region zu entwickeln. Diese Furcht über-wiegt bei weitem die Hoffnung, als potentieller Zulieferer von Waren voneiner raschen industriellen Entwicklung Nigerias profitieren zu können.Die zweite Furcht bezieht sich auf die ökonomische Instabilität des Landesund die Erfahrung, daß bisher fast alle Stabilisierungsversuche fehl-geschlagen sind. Zu Recht stellen sich die Regierungen dieser Länder dieFrage, wie Nigeria zur Einhaltung von Konvergenzkriterien und Aufrecht-erhaltung staatlicher Haushaltsdisziplin von seinen Partnern innerhalbder ECOWAS gezwungen werden kann, wenn dies bisher nicht einmal IWFund Weltbank gelungen ist. Hohe Staatsverschuldung und Inflationsratenin Nigeria würden im Rahmen einer Wirtschafts- und Währungsuniongravierende Folgen für die anderen Mitgliedsländer der Region haben. Derdritte Faktor sind die möglichen Konsequenzen einer Währungsunion mitNigeria für die Franc-Zone. Frankreich hat unmißverständlich klar ge-macht, daß es nicht bereit ist, seine Währungsgarantie für den Franc-CFAauf Nigeria auszudehnen. Eine Währungsunion der Länder der Franc-Zonemit Nigeria wäre also gleichbedeutend mit der Aufgabe des Franc-CFA unddamit auch mit dem Verlust eines zentralen Stabilitätsankers für dieLänder dieses Währungsgebiets. Viertens benachteiligt die Ursprungsrege-lung für zollfreie Produkte Unternehmen im Auslandsbesitz. Hiervonwären die Volkswirtschaften Senegals und Côte d�Ivoires, in denen fran-zösische Unternehmer nach wie vor eine zentrale Rolle spielen, besondersbetroffen.

Aus Abneigung gegenüber einem Verbund mit Nigeria und in Kenntnisder Schwächen eines Regionalmarkts UEMOA haben sich die UEMOA-Staaten bemüht, den eigenen Regionalverband um weitere ECOWAS-Mit-glieder zu erweitern. Im Mittelpunkt der Bemühungen stand Ghana, daseine Beitrittseinladung erhielt, unterstützt durch das korrespondierendeAntichambrieren französischer Diplomaten in Accra. Nach einer Phase desZögerns hat sich Ghana vor kurzem eindeutig gegen diese Option ent-schieden. Die wesentlichen Gründe liegen" erstens in einer skeptischen Einschätzung des Entwicklungspotentials

der UEMOA," zweitens in der Furcht, als einziges anglophones Land in der UEMOA

marginalisiert zu werden," und drittens in der Sorge um die möglichen Auswirkungen dieses

Schritts auf Nigeria und die Beziehungen Ghanas zu Nigeria.Ghana befürchtet eine weitere wirtschaftliche und politische Destabili-

sierung Nigerias, wenn es von regionalen politischen und wirtschaftlichenProzessen ausgeschlossen wird. Eine solche weitere Destabilisierung kann

...als Gegengewicht zuNigeria

Schlüsselland Ghana

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für die Region und insbesondere für Ghana nicht ohne Folgen bleiben.Zudem sieht Ghana in Nigeria seinen wichtigsten wirtschaftlichen, aberauch strategischen Partner. Trotz immer wieder auftauchender Irritatio-nen sind die Beziehungen zwischen den Regierungen beider Länder engund die informellen wie formellen wirtschaftlichen Austauschbeziehun-gen intensiv.

Die zweite zentrale Konfliktlinie innerhalb der ECOWAS verläuft zwi-schen jenen vier Ländern, die als halbwegs industrialisiert gelten können �Nigeria, Côte d�Ivoire, Ghana und Senegal �, und dem großen Rest, dessenVolkswirtschaften unterentwickelt, außerordentlich klein oder als Binnen-staaten von ihren Nachbarländern abhängig sind. Dazu zählen ins-besondere Mali, Niger, Burkina Faso, Gambia, Guinea-Bissau und Guinea.Bemerkenswerterweise ist diese Konfliktlinie nicht so ausgeprägt, wie esdas Entwicklungsgefälle erwarten läßt und wie es beispielsweise in derEAC der Fall ist. Dort führt die Furcht der kleineren Staaten, von den Pro-dukten der industrialisierteren Volkswirtschaften überschwemmt zuwerden, zuweilen zu einer völligen Blockade der Regionalintegration.Innerhalb der ECOWAS ist diese Furcht nicht das Haupthemmnis. Dies hatwohl vor allem vier Gründe. Erstens sieht die ECOWAS eine finanzielleKompensation jener Mitglieder vor, die von Handelsungleichgewichtennegativ betroffen sind. Zweitens ist das Entwicklungsgefälle zwischen Côted�Ivoire und Niger beispielsweise so groß, daß ivorische Exporte kaum eineGefahr für die nigerische Industrie darstellen, da jene weder über dasKnow-how noch die Ressourcen verfügt, Konkurrenzprodukte herzu-stellen. Drittens sind vor allem die Märkte der kleineren Ökonomien undder Binnenstaaten mit den Produkten aus den einigermaßen industriali-sierten Staaten durch informellen Handel derart durchdrungen, daß dasSteigerungspotential im Gefolge der Schaffung eines regionalen Marktessehr begrenzt ist. Dies schränkt das Interesse an der Regionalintegrationund das Engagement der regionalen Warenexporteure dafür ein � vorallem wenn das für sie bedeutet, einen zusätzlichen Preis in Form vonKompensationen zu entrichten, den sie im Rahmen des bisherigen Engage-ments nicht bezahlen mußten. Viertens ist die Abhängigkeit der kleinerenStaaten und der Binnenländer von den größeren Ländern der Region sogroß, daß sie den Konflikt mit diesen kaum zuspitzen wollen. Diese Abhän-gigkeit manifestiert sich vor allem im Warentransit und im Arbeitskräfte-export. Mali, Niger und Tschad hängen völlig von den Häfen in Dakar,Abidjan, Accra, Cotonou, Lomé und Lagos ab. Togo, Benin, Burkina Faso,Mali, Niger, Liberia und Guinea sind wiederum darauf angewiesen, daßihre entwickelteren Nachbarstaaten Arbeitsmigranten aufnehmen unddamit den sozialen Druck innerhalb des Landes mildern.

Generell besteht in den westafrikanischen Ländern eine große Duldsam-keit gegenüber derartigen Migranten, zum Teil," weil es eine Tradition der Wanderbewegungen in Westafrika gibt;" weil sie denselben Ethnien entstammen, wie sie im Aufnahmeland vor-

zufinden sind;" weil sie sich auf Berufe und wirtschaftliche Tätigkeiten konzentrieren,

Die großen Vierund der Rest

Intraregionale Migration

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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die den Einheimischen weder ausreichend attraktive Einkünfte nochsoziales Prestige bieten (Hausangestellte, Saisonarbeiter in der Landwirt-schaft, bestimmte Bereiche des Kleinhandels etc.).In allen vier industriell fortgeschritteneren Staaten Westafrikas gibt es

große Minderheiten von Migranten aus den Nachbarländern, die sich zumTeil schon vor Jahrzehnten dort niedergelassen haben. In Côte d�Ivoirewird ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung auf bis zu 40% geschätzt. Das inder Regel weitgehend unproblematische Verhältnis zwischen Alteingeses-senen und Zugewanderten kann sich allerdings schnell ins Negativewenden: in Zeiten wirtschaftlicher Krisen; wenn die alteingesessene Bevöl-kerung das Gefühl hat, die Zugewanderten würden besondere Privilegiengenießen oder außerordentlich knappe nationale Ressourcen kontrol-lieren; oder wenn sich die bilateralen Beziehungen zwischen Herkunfts-und Aufnahmeland verschlechtern. Dann gilt ein hartes Vorgehen gegendie Migranten bis hin zur Ausweisung als probates Ventil für innen-politische Spannungen oder als Sanktionsinstrument gegenüber demNachbarstaat. Solange eine derartige Instrumentalisierung der Migrationwichtig und die delikate rechtliche Position der meist illegalen Einwande-rer für Behördenangestellte und Sicherheitskräfte eine ausgezeichneteGrundlage für die Schaffung zusätzlicher Einnahmequellen sind, wird eskaum gelingen, den angestrebten freien Personenverkehr und die Nieder-lassungsfreiheit innerhalb der ECOWAS zu verwirklichen.

Eine weitere potentielle Konfliktlinie verläuft zwischen jenen Staaten,die mittlerweile relativ konsequent Wirtschaftsreformen vorangetriebenhaben, und jenen, die dabei eher zögern. Bisher ist diese Konfliktlinie nochnicht zum Tragen gekommen, da die angestrebte Konvergenz der Wirt-schafts- und Finanzpolitiken noch nicht einmal ansatzweise umgesetztwurde. Sollte dies allerdings der Fall sein, dürften erhebliche Differenzenzwischen Musterreformern wie Ghana einerseits und den Reformscheuenwie Nigeria und Côte d�Ivoire andererseits auftreten. Zwar sind alle StaatenWestafrikas gleichermaßen den Zielen der Strukturanpassungsprogrammevon IWF und Weltbank verpflichtet. Im Tempo und in der Entschlossen-heit, diese zu verwirklichen, unterscheiden sie sich allerdings erheblich.

Neben diesen wesentlichen Konfliktlinien ist noch erwähnenswert, daßzumindest ein Staat der ECOWAS eine grundsätzlich andere Orientierungin der regionalen Integration zu verfolgen scheint, deshalb in der Vergan-genheit seinen Verpflichtungen gegenüber der ECOWAS in keiner Weisenachgekommen ist und mit Wirkung zum 31. Dezember 2000 seine Mit-gliedschaft gekündigt hat: Mauretanien sieht sich verstärkt als Bestandteildes Maghreb und nicht Westafrikas. Es scheint nun auch offiziell auf eineverstärkte Anbindung an seine nördlichen Nachbarstaaten und eine Inte-gration seiner Ökonomie mit diesen zu setzen. Solange der Konflikt um dieWestsahara kochte, schien Mauretanien die Einbindung in die ECOWAS alsSicherheitsgarantie gegenüber Marokko zu betrachten. Nun, wo sich derKonflikt deutlich abgekühlt hat, besteht diese Notwendigkeit nicht mehr.Dafür haben die Spannungen zwischen Mauretanien und dem ECOWAS-Mitglied Senegal erneut zugenommen. Für die ECOWAS ist der Austritt

Reformer undReformunwillige

Sonderfall Mauretanien

Politische Zusammenarbeit und politische Föderation

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Mauretaniens kein großer Verlust, wenn auch das Sekretariat formaldarauf pocht, daß ein solcher Schritt erst nach Begleichung der aufgelau-fenen Zahlungsverpflichtungen möglich ist.

Politische Zusammenarbeit und politische Föderation

Ausgangsbedingungen

Die Vielfalt politischer Systeme in Westafrika umfaßt die ganze Band-breite, die den afrikanischen Kontinent seit der Unabhängigkeit auszeich-nete. Sie reicht von der Anarchie und Staatenlosigkeit Sierra Leones überdie Teilanarchie Guineas, die Putschregierung in Gambia, das autoritäreSystem Togos, das semiautoritäre Herrschaftsgefüge Burkina Fasos, die For-maldemokratie Liberias, den zwischen Militärregierung und Demokratieschwankenden Niger und Guinea-Bissau, die demokratisch nur schwachlegitimierte Führung in Côte d�Ivoire, die fragilen Demokratien in Nigeriaund Mali, das sich weiter demokratisierende Ghana bis hin zu den halb-wegs konsolidierten Demokratien in Senegal und Benin. Und diese Klassifi-kationsvielfalt wird der politischen Realität in den Ländern der Regionnoch nicht einmal gerecht. So besteht ein großer Unterschied zwischendem seit zehn Jahren relativ gut funktionierenden MehrparteiensystemBenins, das bereits zwei demokratische Machtwechsel erlaubte, und derjahrzehntelangen Vorherrschaft der Regierungspartei im Mehrparteien-system Senegals, die erst vor wenigen Wochen gebrochen werden konnte.

Trotz dieser Vielfalt haben die Länder der Region eines gemeinsam: einegroße politische Instabilität. Hierfür ist die im interregionalen Vergleichrekordverdächtige Zahl von Putschen und Putschversuchen ein Indikator.Ein weiterer sind die zahlreichen Sezessionsbewegungen und Aufständesich benachteiligt fühlender ethnischer Minderheiten. Zu ersteren zählenjene der Sezessionisten in der senegalesischen Casamance sowie derTuaregs im Norden Malis und Nigers. In den 60er Jahren mußte die Regionmit dem Biafra-Krieg in Nigeria einen der blutigsten Sezessionskonflikteweltweit erleben. Seit wenigen Monaten macht eine neue Sezessionsbewe-gung der Ibos Schlagzeilen. Sie gesellen sich damit zu anderen nigeriani-schen Minderheiten, die zwar keine Sezession, aber doch die Aufhebungihrer Benachteiligung zum Teil gewaltsam einfordern: vor allem die Ijawsund Ogonis. Weitere derartige Minderheitenproteste gibt es in Togo,Ghana und Mauretanien. In Côte d�Ivoire haben die Spannungen zwischenEthnien und Nationalitäten eine neue Qualität erreicht. Die Bürgerkriegein Sierra Leone, Liberia und Guinea haben neben der Konkurrenz umknappe Ressourcen und Macht auch eine starke ethnische Prägung. Häufigliegt diesen ethnischen Konflikten eine gesellschaftliche Arbeitsteilungzugrunde, bei der bestimmte � meist küstennahe � Volksgruppen wirt-schaftlich dominieren, während andere � meist aus traditionell unter-entwickelten Regionen stammende � Militär und Politik kontrollieren. Einweiterer Indikator der Instabilität sind die zunehmenden Spannungenzwischen Muslimen und Christen in Nordnigeria, die sich um die Ein-

Politische Heterogenität

Sezessionsbewegungenund aufständischeMinderheiten

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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führung der Scharia in einigen Teilstaaten ranken. Schließlich hat eineMischung aus Kleinkriminalität, organisierter Kriminalität und Aufwei-chung des staatlichen Gewaltmonopols in weiten Bereichen der urbanenZentren einen Zustand der Rechtlosigkeit geschaffen.

Neben diesem Charaktermerkmal der politischen Instabilität ist einWesenszug Westafrikas die unterschiedliche Prägung der politischenSysteme wie auch der jeweiligen Eliten durch die beiden KolonialmächteFrankreich und Großbritannien. Während Frankreich auf die weitgehendkulturelle Durchdringung seiner Kolonialreiche setzte, Etatismus und Zen-tralismus auf die Wirtschaft und Verwaltung seiner Kolonien übertrugsowie die Absorption und Integration der afrikanischen Eliten in die fran-zösische Elite anstrebte, bevorzugten die Briten die sogenannte indirect rule,ließen lokalen Eliten relativ viele Freiräume, instrumentalisierten aberauch ethnische Gegensätze, tolerierten autochthone Herrschaftsformenund beschränkten die Staatskontrolle über die Wirtschaft. Diese kolo-nialen Einflüsse bestimmen noch heute den Staatsaufbau, das Verhältniszwischen Privatsektor und Zivilgesellschaft einerseits und dem Staat ande-rerseits sowie die Wahrnehmungs-, Interpretations- und Entscheidungs-muster der Eliten. Darüber hinaus ist durch die Anwesenheit französischerGeschäftsleute und Soldaten, durch die Franc-Zone und die enge Verflech-tung zwischen der französischen politischen Elite und jener des franko-phonen Westafrikas der Einfluß der ehemaligen Kolonialmacht in diesenStaaten ungleich größer als der Großbritanniens in der Anglophonie.

Nach der Unabhängigkeit führten die verschiedenen politisch-ideologi-schen Orientierungen zu einer weiteren Desintegration des politischenRaums Westafrika. Da gab es die reformorientierte panafrikanische Regie-rung Nkrumahs in Ghana, Mitbegründerin der Blockfreienbewegung, dasrevolutionäre, anti-französische Regime in Guinea, populistische Bewe-gungen in Burkina Faso, die Afro-Marxisten in Benin, die konservativ-auto-ritären Regime in Côte d�Ivoire und Togo, die konservativ-liberale Regie-rung Léopold Senghors und seiner Nachfolger, die wechselnden Militär-diktaturen Nigerias und das eng an die USA angelehnte autoritäre Regimein Liberia. Diese unterschiedlichen ideologischen Orientierungen, dieWestafrika auch zum Austragungsort des Ost-West-Konflikts machten,reichten an sich schon aus, um Spannungen zwischen den Regierungender Region zu erzeugen. Sie wurden durch Konflikte um die regionale Vor-herrschaft verstärkt, deren Hauptfrontlinien zwischen Nigeria und denfrankophonen Staaten unter Führung Côte d�Ivoires sowie innerhalb derFrankophonie zwischen den beiden potentiellen Vormächten Côte d�Ivoireund Senegal verliefen. Ein weiteres konfliktverschärfendes Element warendie grenzüberschreitenden ethnischen Loyalitäten und die engen Verbin-dungen zwischen Segmenten der politischen Elite eines Landes mit Teilender Elite des Nachbarlandes � so zum Beispiel im Fall der Ewe, deren unter-schiedliche politische Rolle in Ghana und Togo die Beziehungen zwischenden beiden Ländern immer wieder belastete.

Aus diesen Spannungen erwuchsen Konfigurationen, in denen Staatender Region Rebellenbewegungen in einem Nachbarland oder deren Unter-

Unterschiedliche Prägun-gen der frankophonenund anglophonen Eliten

Ideologische Differenzen

WechselseitigeDestabilisierung

Politische Zusammenarbeit und politische Föderation

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drückung durch die Regierung massiv unterstützten. Ein historischesBeispiel ist die Unterstützung der Rebellen im Biafra-Krieg durch Côted�Ivoire. Beispiele jüngeren Datums sind die Hilfe von Teilen der Regierungin Guinea-Bissau für die Sezessionsbewegung in der Casamance, die Waf-fenlieferungen Burkina Fasos an den zuerst rebellierenden, dann demo-kratisch gewählten Präsidenten Charles Taylor in Liberia und � in engerKooperation mit ihm � an die Rebellen der RUF (Revolutionary UnitedFront) in Sierra Leone. Diesen Aktivitäten Burkina Fasos stimmt Côted�Ivoire stillschweigend zu, während Nigeria zusammen mit Ghana,Gambia, Guinea, Mali und Senegal im Rahmen der ECOMOG sowohl inLiberia als auch Sierra Leone zugunsten der Gegenseite intervenierte.

Zielsetzungen und Umsetzungsstrategie

Anders als beispielsweise die EAC streben die Mitgliedsländer der ECOWASeine politische Föderation nicht als ultimatives Integrationsziel an.Zumindest wird dieses Ziel in keinem ECOWAS-Dokument definiert. Stattdessen wird die politische Kooperation betont. Entsprechend der politi-schen Problemlage � hohe politische Instabilität mit einer Neigung zuautoritären Systemen plus starken zwischen- und innerstaatlichen Konflik-ten mit hohem Gewaltpotential � setzte die politische Kooperation inner-halb der ECOWAS zwei Schwerpunkte: Konfliktmanagement und Verfol-gung gemeinsamer politischer Prinzipien. Der erste Schwerpunkt ist,sofern er sich auf zwischenstaatliche Konflikte bezieht, älteren Datums,der zweite ist erst Anfang der 90er Jahre hinzugekommen.

Schon im ursprünglichen ECOWAS-Vertrag fanden sich als grundlegen-de Prinzipen eine Nichtangriffsklausel, die Selbstverpflichtung der Mit-glieder zu regionalem Frieden und Sicherheit, guter Nachbarschaft undfriedlicher Konfliktlösung. Diese Prinzipen wurden durch die Unterzeich-nung eines Nichtangriffsprotokolls im Jahr 1978 und die Schließung einesmilitärischen Beistandspakts im Jahr 1981 bekräftigt. Letzterer sah die Ein-richtung eines Verteidigungsrats und die Schaffung alliierter Streitkräfteder Gemeinschaft unter einem einheitlichen Oberkommando vor. BeideOrgane sind bisher nicht ins Leben gerufen. Die ECOMOG-Intervention inLiberia und Sierra Leone konnte sich auch nur bedingt auf diese beidenProtokolle berufen. Zum einen wurde der militärische Beistandspakt imHinblick auf die militärische Intervention von Drittstaaten und nicht fürdie Einmischung in Bürgerkriege geschlossen. Und zum anderen kann dieIntervention der ECOMOG durchaus als Verletzung des Nichtangriffsproto-kolls interpretiert werden, selbst wenn sie auf der Grundlage eines Hilfe-ersuchens der beiden jeweils bedrängten Regierungen erfolgte. Im Oktober1998 verhängte die ECOWAS ein Moratorium über den Handel mit Klein-waffen, das 2001 zur Verlängerung ansteht.

Bildung und Intervention der ECOMOG sollten auch nicht insofern miß-verstanden werden, als hätte sich hier die ECOWAS ein auf Dauer ange-legtes Instrument des peace-keeping und des peace-enforcement geschaffen. DieECOMOG war vielmehr eine ad hoc von Nigeria ins Leben gerufene, gegen

Politische Kooperationstatt Integration

Nichtangriffsprotokollund militärischerBeistandspakt

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

SWP-BerlinECOWASJuli 2001

50

den Widerstand Côte d�Ivoires und Burkina Fasos gebildete Interventions-streitmacht, die keinerlei institutionelle Verankerung in der ECOWAShatte. Nur mit Mühe war es Nigeria gelungen, neben den anglophonenStaaten der Region und Guinea zwei weitere frankophone Staaten zur

Grafik 11:

Streitkräfte, 1995 (Anzahl der Soldaten)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Côte d�Ivoire und Liberia.

Beteiligung an der ECOMOG-Operation in Liberia zu gewinnen, um damitdem Eindruck entgegenzuwirken, bei der ECOMOG handele es sich über-wiegend um ein Mittel zur Wahrung nigerianischer Machtinteressen inWestafrika. Ähnlich kann im Fall des sierra-leonesischen Bürgerkriegsargumentiert werden. Auch hier hatten nigerianische Truppen, die schongeraume Zeit in Sierra Leone stationiert waren, bereits im Frühjahr 1997auf seiten der Regierung interveniert, bevor ein ECOWAS-Beschluß imAugust desselben Jahres dieses Eingreifen als ECOMOG-Operation abseg-nete. Die 1500 nigerianischen Soldaten wurden durch kleine Kontingenteaus Ghana und Guinea ergänzt. Ende 1999 ersetzte eine UNO-Mission dieECOMOG, wobei Reste der nigerianischen Interventionsstreitmacht inUNO-Verbände eingegliedert wurden. Im Frühjahr 2000 brachen dieKämpfe erneut mit großer Heftigkeit aus. Die Intervention von ECOMOG-Truppen in Guinea-Bissau verlief entgegen diesem Muster. Etwa 600 Solda-ten aus Togo, Benin, Gambia und Niger sollten gemäß ECOWAS-Beschlußzum Jahreswechsel 1998/99 mehrere tausend Soldaten zählende senegale-sische und guinesische Interventionstruppen ersetzen, die im Sommer1998 zugunsten des Staatspräsidenten bei bürgerkriegsähnlichen Ausein-andersetzungen eingegriffen hatten. Nach der gewaltsamen Vertreibungdes Präsidenten durch Militärputschisten beendete die ECOMOG im Juni1999 ihre Intervention in Guinea-Bissau.

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Die eher defizitäre Erfolgsbilanz der ECOMOG in den Konflikten inLiberia, Sierra Leone und Guinea-Bissau war ein wesentlicher Grund dafür,daß sich die ECOWAS um die Etablierung eines dauerhafteren, transparen-teren Konfliktlösungsmechanismus bemühte, bei dem Konfliktpräventionund die friedliche Bewältigung sowie Lösung von Konflikten mehr im Vor-dergrund stehen sollten. 1999 beschloß der Gipfel der Staats- und Regie-rungschefs die Einrichtung eines Mechanismus für Konfliktprävention,-bewältigung und -lösung. Dem war ein Jahr zuvor die Bildung eines per-manenten ECOWAS-Sicherheitsrats vorausgegangen. Ihm gehören der Vor-sitzende der ECOWAS und sein Vorgänger sowie sieben weitere, durchWahl zu bestimmende Staatschefs an. Derzeit sind dies Mali und Togo plusBenin, Côte d�Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Nigeria, Senegal. Auffällig istbei dieser Zusammensetzung das Übergewicht frankophoner Staaten(sechs von neun). Tatsächlich wurde der Sicherheitsrat auf Druck derfrankophonen Staaten gebildet, um künftige Alleingänge Nigerias bei derKrisenprävention zu verhindern.

Der 1999 beschlossene Mechanismus hat folgende Bestandteile (vgl.auch unten, S. 14ff):" ein Vermittlungs- und Sicherheitsrat," eine Verteidigungs- und Sicherheitskommission," die Bereitstellung von schnellen Eingreifkräften, die nun unter dem

Begriff ECOMOG firmieren," die Einrichtung eines Ältestenrats," die Etablierung von vier dezentralen Überwachungs- und Beobachtungs-

zentren und" die Rationalisierung des Nichtangriffs- und Verteidigungspakts durch

dessen Integration in das ECOWAS-Sekretariat.Die Umsetzung dieser Beschlüsse ist noch ungenügend. Immerhin ist

das wichtigste Organ, der Sicherheitsrat, bereits ebenso funktionsfähig wiedie Verteidigungs- und Sicherheitskommission. Für den Ältestenrat habenbis Ende 2000 erst vier Mitgliedsländer � Gambia, Ghana, Niger undNigeria � Kandidaten nominiert. Bis auf Benin und Côte d�Ivoire stellenmittlerweile alle Staaten Kontingente zur Verfügung. Die stärkstenVerbände kommen aus Nigeria, Senegal und Ghana. Der Test, ob dieKontroll- und Befehlsstränge innerhalb dieser Eingreiftruppe funktionie-ren � der Sicherheitsrat ernennt einen Sondergesandten und einen Ober-befehlshaber, letzterer ist dem Sondergesandten gegenüber berichtspflich-tig, ihm unterstehen alle Länderkontingente �, steht noch aus. DerBeschluß des Sicherheitsrats, eine 1700 Mann starke Eingreiftruppe zurBeendigung des Konflikts im Dreiländereck zwischen Liberia, Guinea undSierra Leone zu entsenden, konnte noch nicht umgesetzt werden. Verant-wortlich hierfür sind Geldmangel und das Versäumnis der Regierungender Aufnahmeländer, der Resolution zuzustimmen. Immerhin bewies aberder Sicherheitsrat in diesem Konflikt eine beachtliche Reaktionsschnellig-keit und Entschlossenheit.

Die Verpflichtung der ECOWAS-Mitglieder auf bestimmte politischePrinzipien ist jüngeren Datums. Sie äußerte sich erstmals in der Deklara-

Konfliktmanagement

Der ECOWAS-Mechanismus

Gemeinsamepolitische Werte

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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tion der politischen Prinzipien der ECOWAS im Jahr 1991. Darin werdendie Förderung der Demokratie und die Beachtung der Menschenrechte inÜbereinstimmung mit der Afrikanischen Charter der Menschen- undVölkerrechte zum Grundprinzip der ECOWAS erklärt. Ebenso werden dasNichtangriffsprinzip und das Prinzip der friedlichen Konfliktlösungbestätigt, aber auch die Beachtung der Menschenrechte, fundamentalerFreiheiten wie der Gedanken-, Gewissens-, Vereinigungs-, Religions- undGlaubensfreiheit, das Diskriminierungsverbot und das Recht des einzel-nen, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen, festgeschrieben. Siebekennt sich zu politischem Pluralismus und repräsentativen Institutio-nen. Damit geht sie weit über den Bezugspunkt der Afrikanischen Charterhinaus, die diese individuellen Freiheiten und Rechte weitgehend durcheine starke Betonung kollektiver Völkerrechte und Pflichten des einzelnengegenüber der Gemeinschaft entwertet. Die Deklaration wird von derdemokratischen Aufbruchstimmung getragen, die Anfang der 90er Jahrein Westafrika herrschte. Im überarbeiteten ECOWAS-Vertrag von 1993fehlt die explizite Nennung individueller Freiheiten und des politischenPluralismus als Grundprinzipien. Dagegen ist in sehr viel allgemeinererForm von Volkspartizipation und demokratischen Systemen die Rede. Den-noch hat das Bekenntnis zur Demokratie durchaus eine wesentliche Rolleinnerhalb der ECOWAS gespielt. So rechtfertigte Nigeria die Interventionder ECOMOG in Sierra Leone mit dem Sturz der demokratisch gewähltenRegierung durch einen Militärputsch, und die ECOWAS verurteilte nach-drücklich die Militärputsche in Gambia, Niger und Côte d�Ivoire wie auchdie als manipuliert geltenden Wahlen des Jahres 2000 in Côte d�Ivoire.

Eine weiteres Element politischer Kooperation innerhalb der ECOWASgewinnt zunehmend an Bedeutung: die Zusammenarbeit der Mitglieds-länder in Sachen innerer Sicherheit und bei der Bekämpfung der organi-sierten Kriminalität. Ghana regte kürzlich die Einrichtung eines regio-nalen Mechanismus für die Verbrechensbekämpfung an. Ein Mini-Gipfelder Mitgliedsstaaten Benin, Burkina Faso, Ghana, Mali, Niger, Nigeria undTogo beschloß im März 2000 gemeinsame Grenzpatrouillen, eine engereZusammenarbeit von Polizei und Sicherheitskräften, aber auch den Abbauvon Straßensperren und Grenzpersonal. Ob ein solches Programm Wir-kung in Ländern entfalten kann, in denen Polizei und Sicherheitskräftedirekt in Aktivitäten der organisierten Kriminalität involviert sind, istmehr als zweifelhaft.

Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer

Obwohl politische Kooperation im Zusammenhang mit Konfliktpräventionund -management ursprünglich kein herausragendes Ziel der ECOWASwar, ist sie der Bereich, in dem die Regionalorganisation internationaleProminenz erlangt hat. Die ECOMOG-Interventionen in Liberia und SierraLeone galten als modellhaft für die Übernahme von Verantwortung durchRegionalorganisationen im Rahmen von UNO-mandatierten peace-keeping-und peace-enforcement-Operationen � auch wenn im Falle Liberias die Man-

Innere Sicherheit

ECOMOG

Politische Zusammenarbeit und politische Föderation

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datierung erst ex post erfolgte. Eine solche Bewertung verzerrt jedoch dieRealitäten. Die ECOMOG-Interventionen glichen bisher eher dem Ein-schreiten einer ad hoc-coalition of the willing als der Operation einer Regional-organisation. Es war vor allem Nigeria, das diese Interventionen initiierteund militärisch dominierte. Der ECOWAS-Kontext diente der regionalenVormacht zur Bemäntelung seiner eigenen Führungsrolle. Es ist nach wievor umstritten, ob Nigerias Initiative mehr der Sorge um die regionaleStabilität entsprang oder vornehmlich der Wahrung machtpolitischerInteressen diente. Die nigerianische Militärjunta unterhielt zum Zeitpunktder Intervention in Liberia enge Beziehungen zur damaligen Regierung inMonrovia und interpretierte die Aktivitäten der von Burkina Faso und Côted�Ivoire unterstützten Rebellenbewegung als Verletzung ihrer Einfluß-sphäre. Völlig unglaubwürdig und nahezu zynisch war der Anspruch derMilitärführung Nigerias, mit der Intervention in Sierra Leone die jungeDemokratie in diesem Land schützen zu wollen � eine Demokratie, der siedamals im eigenen Land keinen Raum zur Entfaltung geben wollte. Viel-mehr schien es auch hier vor allem darum zu gehen, eine Ausdehnung desEinflusses des in Liberia letztlich siegreichen Charles Taylor auf SierraLeone und vor allem auf dessen Diamantenfelder zu verhindern.

Dennoch können die ECOMOG-Interventionen in den beiden Ländernnicht einfach als Ausdruck regionaler Interessen und von Machtpolitikinterpretiert werden. Zumindest die anderen beteiligten Länder � Senegal,Mali, Guinea und vor allem Ghana � wurden bei ihrem Engagement wohltatsächlich von der Sorge um die regionale Stabilität getragen. Zubedenken ist auch, daß das Fehlen manifester Interessen bei einer Inter-vention zu einem eher halbherzigen Engagement führt. Hierfür ist dasZögern Togos, Benins und Nigers bei der Entsendung von Truppen nachGuinea-Bissau ein Beispiel. In allen drei Fällen war das Ergebnis derECOMOG-Interventionen nicht sehr ermutigend. In Liberia siegte letztend-lich Charles Taylor � auch an den Wahlurnen �, der wiederum in Zukunftkaum eine Abwahl akzeptieren würde und darüber hinaus nie aufgehörthat, die RUF-Rebellen in Sierra Leone zu unterstützen, um die Kontrolleüber die Diamantenfelder in diesem Land zu behalten. Ein Ende desBürgerkriegs in Sierra Leone ist trotz der UNO-Friedensstreitmacht nichtabzusehen. Die Lage in Guinea-Bissau ist nach wie vor äußerst fragil. ImSommer 2000 fielen RUF-Rebellen in Guinea ein. Dies kann als VersuchCharles Taylors interpretiert werden, seine Einflußsphäre auch auf dasnördliche Nachbarland auszudehnen. Folgerichtig kam es im Verlauf desanhaltenden, auf- und abklingenden Konflikts zu Artilleriegefechtenzwischen Liberia und Guinea sowie zu einer Verstärkung von Rebellenakti-vitäten im Norden Liberias.

Die bisherigen ECOMOG-Interventionen konnten trotz hohen militäri-schen Engagements und großer personeller wie auch materieller Kostender an ihnen beteiligten Staaten die Konflikte in Sierra Leone und Liberianicht lösen. Der Schlüssel zur Lösung dieser Konflikte liegt auch nicht ineinem militärischen Vorgehen, sondern in einer entschlossenen Haltunggegenüber jenen, die durch Handel mit Diamanten und Waffen die Mittel

Stabilitätsinteresse

Konfliktpräventionstatt peace-enforcement

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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zur Fortsetzung der Kriege bereitstellen. Die Regierungen vor allem inLiberia, aber auch in Burkina Faso und Côte d�Ivoire sind die Profiteure desKrieges. Sie haben ein Interesse an ihrer Fortdauer. Selbst offizielle Zahlenund Studien bestätigen mittlerweile den sprunghaften Anstieg der Dia-mantenexporte aus diesen drei Ländern, obwohl ihre eigenen Vorkommeneng begrenzt sind. Sie erhärten auch den Verdacht, daß Burkina Faso undLiberia eine zentrale Rolle bei der Versorgung der RUF mit Waffen spielen� ungeachtet des 1998 verhängten Moratoriums über den Handel mitKleinwaffen. In Sierra Leone bekämpften Rebellen die Streitkräfte der inder ECOMOG zusammengeschlossenen ECOWAS-Mitglieder mit Waffen,die ihnen von anderen ECOWAS-Mitgliedern gestellt wurden. Solange dieECOWAS nicht in der Lage ist, diese Interessengegensätze explizit zumachen sowie Liberia, Burkina Faso und Côte d�Ivoire zur Aufgabe ihrerOperationen zu bewegen, wird die regionale politische Kooperation inSachen peace-keeping und peace-enforcement hinter den hoch gespannten Er-wartungen zurückbleiben. Daran wird auch die Einbettung von ECOMOG-Missionen in den Konfliktmechanismus der ECOWAS wenig ändern.

Diese Einschätzung gilt um so mehr, wenn in Rechnung gestellt wird,daß die ECOWAS in anderen Konflikten der Region keine Aktivitäten ent-faltet oder zumindest Präsenz gezeigt hat. Dies gilt für den Konflikt in derCasamance ebenso wie für die Kämpfe zwischen Tuareg-Rebellen und dermalischen bzw. nigerischen Regierung sowie für die zum Teil gewaltsamausgetragenen Konflikte zwischen Senegal und Mauretanien. Unter demAspekt der Konfliktprävention müßte sich die ECOWAS auch mit denSpannungen zwischen autochthonen Ivorern und Zugewanderten in Côted�Ivoire sowie mit den Konflikten zwischen Muslimen und Christen imNorden Nigerias und den Gewalteskalationen im Nigerdelta befassen.Dennoch ist die Schaffung des Konfliktmechanismus ein großer Fort-schritt. Er schafft die für eine schnelle Reaktion und erfolgreiche Vermitt-lung notwendigen Institutionen, erzwingt die Abstimmung zwischenRegierungen in Konfliktfällen und entzieht die ECOMOG zu einem großenTeil dem übermächtigen Einfluß eines Mitgliedslandes.

Ebenso wie im Fall von Konfliktprävention und -management macht dasEngagement der ECOWAS in Sachen Demokratie und Menschenrechte aufden ersten Blick durchaus Eindruck. Hier gilt es erneut, die ECOMOG-Inter-vention in Sierra Leone zu zitieren, aber auch die eindeutige Verurteilungder Militärputsche in Gambia, Niger und Côte d�Ivoire. Das Engagementwäre allerdings noch überzeugender, wenn die ECOWAS auch klare Wortegegenüber der ehemaligen Militärregierung in Nigeria und dem nochimmer amtierenden autoritären Regime in Togo gefunden hätte. Bis zumUmsturz in Côte d�Ivoire konnte man die Überzeugung gewinnen, dieECOWAS könne sich nur dann zur Verurteilung eines Umsturzes undundemokratischer Praktiken durchringen, wenn kleine, einflußloseStaaten davon betroffen sind oder sie von nichtetablierten Kräften verur-sacht werden. Die einhellige Verurteilung des Putsches in Côte d�Ivoirekonterkariert diese Bewertung, da es sich hier um ein keinesfalls unwich-tiges Land und mit dem Putschgeneral Guéi keineswegs um einen politi-

Handlungsbedarf

Putsche und die Reaktionder ECOWAS

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schen Pariah handelte. Die Reaktion der ECOWAS kann hier am ehestenmit der Veränderung der politischen Verhältnisse in Nigeria begründetwerden, das heißt mit der demokratischen Machtübernahme durchOlesogun Obasanjo.

Drei Ereignisse, das Ende der Militärdiktatur in Nigeria, die Verurtei-lung des Militärputsches in Côte d�Ivoire durch die ECOWAS und der demPutsch folgende politische Wandel in diesem Land, könnten in Verbin-dung mit einem vierten � dem Verzicht Frankreichs auf eine Interventionin Côte d�Ivoire � Indizien dafür sein, daß sich ein window of opportunity fürverstärkte politische Kooperation innerhalb der ECOWAS und damit auchfür ein Voranschreiten der regionalen Integration zu öffnen beginnt. Wie-derholt ist argumentiert worden, daß es vor allem drei politische Faktorensind, die Fortschritte bei verstärkter Kooperation und Integration in West-afrika verhindern: der Hegemonialanspruch Nigerias, der damit konkur-rierende Anspruch Frankreichs auf die Vorherrschaft in Westafrika sowiedie Selbstüberschätzung Côte d�Ivoires. Es gibt Anzeichen dafür, daßObasanjo die zweifellos bestehende regionale Führungsposition Nigeriasdiplomatisch geschickter verpacken und seinen besorgten Nachbarnbesser vermitteln kann als seine militärischen Vorgänger. Zweifellos weckteine zivile, demokratisch legitimierte Vormacht bei den Anrainerstaatenweniger Ängste als eine militärisch-autoritäre. Die Neigung und die Mög-lichkeiten von Demokratien, eine Vormachtrolle auch mit Hilfe vonZwangsmitteln auszuleben, sind in der Regel geringer als die der anderen.Die Tatsache, daß sich die neue Regierung Nigerias in der Pflicht sieht, diemateriellen und immateriellen Kosten der Intervention in Sierra Leonegegenüber der Öffentlichkeit zu rechtfertigen und entsprechend das En-gagement dort zu reduzieren, sind Beleg hierfür.

In Côte d�Ivoire hat der Militärputsch zur Auflösung der Demokratisie-rungsblockade geführt. Allerdings ist nach dem überraschenden und um-strittenen Wahlsieg Laurent Gbagbos und dem Ausschluß AlassaneOuattaras vom politischen Leben die Zukunft in Côte d�Ivoire trotz einergewissen Stabilisierung kaum vorhersehbar. Auch die Entwicklung desVerhältnisses zu Frankreich ist unklar. Nachdem Frankreich beim Militär-putsch Guéis auf eine Intervention zum Schutz der ihr freundlich geson-nenen Regierung verzichtet hatte, schien deutlich zu werden, daß sich dieRegierung in Abidjan nicht mehr rückhaltlos auf Frankreichs Unterstüt-zung verlassen kann � nicht nur innenpolitisch, sondern auch außenpoli-tisch. Die Nähe Gbagbos zur sozialistischen Regierungspartei Frankreichskönnte jedoch wieder ein verstärktes Engagement der Pariser Regierungbedingen. Damit dürfte das Verhältnis zwischen Côte d�Ivoire und Nigeriawieder wesentlich von französischen Interessen bestimmt werden. Diesedurchlaufen allerdings einen Prozeß der Neudefinition. Dessen Grundlagescheint eine sehr viel nüchternere Betrachtung von Kosten und Nutzen derfranzösischen Afrikapolitik zu sein. Der � vorwiegend immaterielle �Nutzen besteht in der Stützung des französischen Anspruchs, eine Welt-macht zu sein. Die Kosten materialisieren sich in den erheblichen Statio-nierungskosten französischer Soldaten in der Region, den Aufwendungen

window of opportunity:Systemwechsel inNigeria,...

...politischer Wandel inCôte d�Ivoire,...

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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für die Entwicklungszusammenarbeit mit den frankophonen Ländern undden Zahlungsverpflichtungen zur Stabilisierung des Franc-CFA. Ein voll-ständiger Rückzug Frankreichs ist unwahrscheinlich. Aber die Truppen-reduzierungen in der Region und die � wenn auch zwischen den Mini-sterien in Paris umstrittene � Duldung des Umsturzes im Kernland franzö-sischen Einflusses, Côte d�Ivoire, deuten darauf hin, daß FrankreichAbschied von der Vorstellung genommen hat, die Geschicke Westafrikasbestimmen zu können. Eine eher an unmittelbaren Interessen ausgerich-tete Westafrika-Politik Frankreichs müßte Nigeria mittelfristig sehr vielmehr als Partner denn als Gegner verstehen. Immerhin übersteigt derWert der Investitionen französischer Unternehmen in Nigeria den Gesamt-wert ihrer Investitionen in den frankophonen Staaten der Region. Daßunter französischer Präsidentschaft im Oktober 2000 erstmals ein Mini-stertreffen zwischen EU und der ECOWAS stattgefunden hat, könnte einIndiz für eine Akzeptanz der regionalen Führungsrolle Nigerias durchFrankreich sein.

Der vollzogene Machtwechsel in Nigeria und der politische Wandel inCôte d�Ivoire könnten überdies ein weiteres Manko der ECOWAS beheben:den Mangel an Führungspersönlichkeiten, die das Ziel der regionalen Inte-gration glaubwürdig vertreten können und zudem frei von persönlichenAnimositäten gemeinsam verfolgen. Mit Obasanjo hat eine Persönlichkeitdie Regierung in Nigeria übernommen, die afrikaweit und internationalgroßen Respekt und Akzeptanz genießt. Obasanjo hat mit seinem Enga-gement im Africa Leadership Forum in der Vergangenheit unter Beweisgestellt, daß er über die Grenzen seines eigenes Landes hinaus denkt.Allerdings braucht Obasanjo zur Verwirklichung einer regionalen Visioneinen Partner. Nach dem Abtritt Jerry Rawlings wird ihm dieser in Ghanafehlen � selbst wenn sich auch die neue Regierung zum Ziel der Regio-nalintegration bekennt. Der neue Staatspräsident Ghanas wird keinesfallsdie Statur Rawlings besitzen. Reizvoll ist die in Accra verstärkt diskutierteIdee, Rawlings zum Exekutivsekretär der ECOWAS zu machen.

Aber auch dies löst Obasanjos Problem nicht, einen Partner in der regio-nalen Führerschaft zu finden. Er müßte zur Überwindung der anglo-/fran-kophonen Spaltung aus dem französischsprachigen Westafrika kommen.Der nach Anciennität hierfür in Frage kommende Eyadema hat sich auf-grund seiner autoritären Machtausübung selbst disqualifiziert. Benin undNiger sind regionalpolitisch zu unbedeutend, als daß sie diese Rolleausfüllen könnten. Die Regionalpolitik Burkina Fasos ist großteils eineabhängige Variable der Politik Côte d�Ivoires. Der neue Führer in Senegal,Abdoulaye Wade, dürfte aufgrund seines fortgeschrittenen Alters eineneue regionalpolitische Aufbruchstimmung kaum glaubwürdig vermittelnkönnen. Bleiben Mali und Côte d�Ivoire. Malis Staatspräsident Konaré hatsich in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der ECOWAS und der UEMOAum die Annäherung der beiden Regionalorganisationen sehr verdientgemacht. Trotz des internationalen und regionalen Respekts, den ergenießt, ist Mali jedoch wirtschaftlich zu schwach und politisch zu abhän-gig, um die Frankophonie Westafrikas in die ECOWAS zu führen. Eine

...und eine neueFührungsschicht

Die Suche nach einempartner in leadership

Sektorale Kooperation

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solche Rolle kann nur Côte d�Ivoire spielen. Ob die Regierung in Abidjansie annimmt, wird von der � noch unklaren � außenpolitischen Prioritä-tensetzung Gbagbos und den Vorgaben aus Paris abhängen � sofern diegegenwärtige Krise das Land nicht vollends im Chaos versinken läßt.

Unklar ist, wie sich die neue Initiative Ghanas und Nigerias auswirkenwird, eine Gruppe von Staaten auf den fast track der Integration zu führen.Sie könnte eine neue Integrationsdynamik entstehen lassen, der sich auchdie Zögerlichen immer weniger entziehen können. Viel wahrscheinlicherist allerdings ein anderes Szenario: Die Schaffung einer Kerngruppe ver-stärkt den Widerstand der anderen und vertieft die Spaltung innerhalb derECOWAS. Diese Spaltung muß nicht zwangsläufig entlang der Linie Fran-kophone/Anglophone verlaufen. Für Nigeria und Ghana dürfte die Ein-beziehung der anderen anglophonen Staaten in die Kerngruppe angesichtsihres desolaten wirtschaftlichen und politischen Zustands keine Prioritäthaben. Statt dessen dürfte sich ihr Interesse vor allem auf Benin, Togo,Niger und auch Burkina Faso richten. Vor allem die ersten drei dürften fürentsprechende Bemühungen Ghanas und Nigerias durchaus anfällig sein,da sie wirtschaftlich und infrastrukturell von den Nachbarn fast vollstän-dig abhängen. Die Haltung Burkina Fasos dürfte entscheidend dafür sein,ob eine Spaltung der ECOWAS erfolgt oder sich eine neue Integrations-dynamik entfaltet. Wirkt es in der Kerngruppe mit, ist Côte d�Ivoire regio-nal isoliert. Eine solche Isolation kann Abidjan nicht lange durchhalten.Die Entscheidung Burkina Fasos für das eine oder andere wird durch dasweitere Vorgehen der Regierung in Abidjan gegenüber den zugewandertenBurkinabe mitbestimmt werden. Ist dieses konfrontativ, wird sich dieRegierung in Ouagadougou veranlaßt sehen, sich um einen anderen Part-ner in der Region zu bemühen.

Sektorale Kooperation

Ausgangsbedingungen

Die Errichtung und der Unterhalt einer physischen Infrastruktur stehen inWestafrika aufgrund geomorphischer und klimatischer Bedingungen voraußerordentlich hohen Hürden (vgl. unten, S. 27ff). Nach Ländern unter-schieden, verfügt Côte d�Ivoire eindeutig über das beste Verkehrswege-,Telekommunikations- und Stromnetz. Die Aufrechterhaltung des erreich-ten Standards ist aber aufgrund der Wirtschaftsmisere in den frühen 90erJahren und jener der jüngsten Zeit in Frage gestellt. Demgegenüber sind inGhana mit den hohen Investitionen der internationalen Gebergemein-schaft und aufgrund der wirtschaftlichen Erholung deutliche Verbesserun-gen der physischen Infrastruktur zu verzeichnen, wenn auch Strom-abschaltungen selbst in Accra nach wie vor an der Tagesordnung sind. Inweiten Teilen Nigerias findet man noch immer erstaunlich gute Straßen.Das Telekommunikationsnetz hält dem Vergleich mit Côte d�Ivoire undGhana nicht stand � nicht zuletzt, weil sich dieser Sektor nach wie vorunter staatlicher Kontrolle befindet. Die Stromversorgung wird durch die

Die Ghana-Nigeria-Initiative

Physische Infrastruktur...

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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Verfügbarkeit von Erdöl und Erdgas erleichtert, das Stromnetz befindetsich allerdings in einem maroden Zustand. In allen drei Ländern stellt dieVersorgung mit Trinkwasser zumindest in den urbanen Zentren an derKüste und entlang der Flüsse in Nigeria kein zentrales Problem dar. Aller-dings ist die Qualität des Trinkwassers gerade in den marginalisiertenGebieten der städtischen Zentren unzureichend.

Nach diesem Führungstrio positionieren sich in bezug auf die physischeInfrastruktur Senegal, Togo und Benin. Die infrastrukturelle Erschließungkonzentrierte sich bei ihnen jedoch noch mehr als in den vorangegan-genen Staaten auf die Siedlungskerne � vor allem um die Hauptstädte. DerNorden Benins und Togos und der aride Osten Senegals sind deutlichunterversorgt. Eben dieser Osten Senegals gehört bereits zum Einzugs-bereich der Sahelzone. Trinkwassermangel ist hier deutlich spürbar. Unterihm leiden aber insbesondere Mali, Niger und Burkina Faso. Mit Ausnahmeder Hauptstadt und jeweils einer Hauptverkehrsachse sind diese Länderkaum mit Straßen, Schienen, Strom oder Telekommunikation erschlossen.In Sierra Leone und Liberia wurde die Infrastruktur durch den Bürgerkriegder vergangenen Jahre selbst in den urbanen Zentren nahezu vollständigzerstört. Erste Wiederaufbaumaßnahmen in Monrovia haben einen Zu-stand geschaffen, der noch weit hinter dem einst erreichten zurückbleibt.Das entsprechende Niveau war in Guinea nie besonders hoch. Auch dorthaben die gewaltsamen Konflikte der Vergangenheit eher zu einem Nieder-gang als zu einer Besserung der Situation beigetragen. Die KleinstaatenGuinea-Bissau, Kap Verde und Gambia profitieren von dem Vorteil, deneine geringe Größe des Territoriums beim Aufbau einer physischen Infra-struktur bietet. Diesen Vorteil hat aber allein Kap Verde bisher hinrei-chend genutzt.

Auch in bezug auf die soziale Infrastruktur gibt es erhebliche Unter-schiede. Sie ist unzweifelhaft in Kap Verde am besten. Gemessen am HDI,der kombinierten Einschulungs- und der Analphabetenrate, liegt es imregionalen Vergleich deutlich vorne. Es folgen Ghana und dann eineReihe, deren Abfolge mit einer Ausnahme aufgrund der bestehenden wirt-schaftlichen Unterschiede zwischen den Staaten kaum überraschen kann:Togo, Nigeria, Senegal, Côte d�Ivoire und Benin. Unerwartet ist, daß sichCôte d�Ivoire nicht weiter vorne in der HDI-Rangliste findet. Dies weistdarauf hin, daß dort von den Wirtschaftskrisen auch die soziale Infrastruk-tur negativ betroffen war. Hervorzuheben sind noch die außerordentlichniedrigen Analphabetenraten in Ghana, Nigeria und Togo. Die Zahlensagen allerdings wenig über die Qualität der in den Schulen genossenenAusbildung aus. Nach wie vor gibt es starke Kritik an der Unangemessen-heit der Curricula in den frankophonen Staaten der Region. Diese sindnoch immer an westlichen Bildungsidealen und an der französischenKultur ausgerichtet. Dagegen haben die anglophonen Länder schon spür-bare Anpassungen vorgenommen, wenngleich deren positive Konse-quenzen in Liberia und Sierra Leone mittlerweile obsolet geworden sind.

...und deren Fehlen

HDI und Armut

Sektorale Kooperation

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Grafik 12:

Human Development Index, 1998

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia.

Aufgrund des Zusammenbruchs der formellen Wirtschaft infolge desBürgerkriegs sind die Einwohner beider Staaten in bezug auf das Pro-Kopf-Einkommen um Jahrzehnte zurückgeworfen. Gemessen an diesem Indi-kator liegt Côte d�Ivoire zusammen mit Kap Verde noch immer weit vorn,obwohl die niedrigen wirtschaftlichen Wachstumsraten in den vergange-nen beiden Jahrzehnten zu einer spürbaren Senkung des Pro-Kopf-Einkom-mens geführt haben. In einigem Abstand zu ihnen, aber noch weit vorallen anderen rangiert Senegal, wo sich vor allem Tourismus und einbescheidener Aufschwung im Dienstleistungssektor positiv auf den Lebens-standard auswirken. Eine mittlere Gruppe bilden Mauretanien, Guinea,Ghana, Togo und Benin. Deutlich zeigt sich in Grafik 13, daß der Ölreich-tum Nigerias nicht zu einer breiten Einkommensverbesserung geführt hat.Soweit Statistiken hierfür vorliegen, weisen die Länder der Region einegleichartige, zugunsten der oberen Einkommensgruppen verzerrte Ein-kommensverteilung auf. Die bemerkenswerten Ausnahmen, wo diesesUngleichgewicht noch stärker ausgeprägt ist, sind Sierra Leone, Guinea-Bissau und Senegal.

Schon ein Blick auf die Landkarte macht die regionalen Kooperations-zwänge bei der Entwicklung der physischen Infrastruktur deutlich. DieBinnenländer Mali, Niger und Burkina Faso sind beim Zugang zu Häfenfür Ex- und Importe auf ihre Nachbarländer angewiesen. Togos und Beninsextreme Nord-Süd-Ausdehnung und die Konzentration der Wirtschaft

Pro-Kopf-Einkommen

RegionaleKooperationszwänge

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Grafik 13:

BIP pro Kopf, 1998 (in US-Dollar)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia.

Grafik 14:

Einkommensverteilung (neueste verfügbare Werte; Anteil am Gesamteinkommen in %)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Benin, Kap Verde, Guinea-Bissau, Liberia, Sierra Leone und Togo.

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dieser beiden Länder in einem schmalen Streifen an der Küste machen dieKooperation mit den Nachbarländern Nigeria und Ghana unabdingbar.Die Urbanisierung im Küstenstreifen hat dazu geführt, daß sich zwischenLagos und Accra eine Siedlungsagglomeration herausgebildet hat, bei derdie Grenzen zwischen den Städten allein durch die Staatsgrenzen markiertwerden. Schließlich durchqueren die großen Flüsse der Region, der Niger,der Senegal, der Gambia und der Volta mit seinen beiden Armen, mehrereECOWAS-Länder, was eine Abstimmung über die Wassernutzung geradeangesichts der Wasserknappheit in den Sahelländern unabdingbar macht.Regionale Kooperationszwänge bestehen auch aufgrund der angespanntenNahrungsmittelsituation in den Sahelländern. Sie können nur durchImporte über die oder aus den Anrainerstaaten behoben werden. Grenz-überschreitende Zusammenarbeit kann lokalen Engpässen bei der Versor-gung mit Strom und Wasser abhelfen. Dies gilt vor allem für marginaleRäume eines Staates, die benachbart zu Siedlungszentren eines anderenliegen, und für die Siedlungsagglomeration im Küstenstreifen zwischenAccra und Lagos. In letzteren, aber auch in den Ausbeutungszentren mine-ralischer Rohstoffe und der Forstwirtschaft sowie in den von Desertifika-tion bedrohten Gebieten der Sahelzone stellen sich außerordentliche Um-weltprobleme, die ebenfalls nach verstärkter regionaler Kooperation ver-langen. Auch eine intensivierte Zusammenarbeit beim Aufbau und Erhaltder sozialen Infrastruktur verspricht positive Rückkoppelungseffekte. EineZusammenarbeit der frankophonen Staaten bei der Überarbeitung derSchulcurricula ist dringend geboten. Kooperation im universitären Bereichkönnte die Doppelung von Aktivitäten vermeiden und die erheblichenInvestitionen nutzen, die Nigeria und Côte d�Ivoire in der Vergangenheitin diesem Sektor getätigt haben. Ein weiteres wichtiges Kooperationsfeldist eine gemeinsame Migrationspolitik (siehe unten, S. 27ff).

Zielsetzungen und Umsetzungsstrategie

Im Kontrast zu diesen realen Kooperationszwängen spielt die sektorale Zu-sammenarbeit der ECOWAS-Länder im Vertrag eine sehr untergeordneteRolle. Die Kooperationsfelder werden hier sehr kurz, sehr allgemein undan wenig prominenter Stelle abgehandelt. Allerdings korrigiert der Berichtdes ECOWAS-Sekretariats zum 25jährigen Bestehen der Organisationdiesen Eindruck. Er widmet sich ausführlich der Zusammenarbeit in aus-gewählten Politikfeldern. Hierzu zählen die Schaffung eines ECOWAS-Stati-stiksystems, ein Transportprogramm, die Zusammenarbeit im Kommuni-kations- und Energiesektor, ein Umweltschutzprogramm, ein Kulturent-wicklungsprogramm sowie die Zusammenarbeit in Bildung und Gesund-heit. Im einzelnen enthalten diese Sektorprogramme folgende Elemente:" ECOWAS-Statistiksystem: Erneuerung der statistischen Daten in den Mit-

gliedsländern und Harmonisierung der nationalen Statistiken;" Transportprogramm: Verbindung der Eisenbahnnetze, Liberalisierung

des Flugverkehrs und Schaffung einer gemeinsam betriebenen Regional-fluglinie (ECOAIR);

Prioritätensetzung

Sektorprogramme

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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" Zusammenarbeit im Kommunikationssektor: Planung eines Folgepro-gramms zu dem bereits durchgeführten INTELCOM-I-Projekt;

" Zusammenarbeit im Energiesektor: Schaffung eines westafrikanischenEnergiepools, Verbindung der nationalen Stromnetze � beginnend mitGhana, Nigeria, Benin und Togo und dann ausgedehnt auf Côte d�Ivoire,Niger und Burkina Faso �, ein westafrikanisches Gasleitungsprojekt ein-schließlich eines westafrikanischen Gasversorgungsunternehmens fürdie Länder Ghana, Nigeria, Togo und Benin;

" ein Umweltschutzprogramm: Eindämmung der Algen- und Unkrautbil-dung in Flüssen und Seen, Eindämmung der Desertifikation, integrier-tes Management der Wasserressourcen, Entwicklung der Wettervorher-sage;

" ein Kulturentwicklungsprogramm: ECOWAS-Kunstfestival;" Zusammenarbeit im Bildungswesen: zehn regionale Gemeinschaftspro-

gramme, die von Ländern oder Organen der Region verantwortlichdurchgeführt werden;

" Zusammenarbeit im Gesundheitssektor: Malaria- und AIDS-Bekämpfung.In dieser Auflistung ist das Fehlen einer Aufgabe bemerkenswert: die

Errichtung eines regionalen Straßennetzes. Der Hauptgrund ist, daß dieECOWAS für sich in Anspruch nimmt, hier schon entscheidende Schrittegetan zu haben. Das geplante regionale Straßennetz hat zwei Haupt-elemente: eine Küstenverbindung von Lagos nach Nouakchott und in einerzweiten Phase den Bau von Straßenkorridoren, die die Binnenländer mitder Küste verbinden. Nach Angaben der ECOWAS sind 83% der 4560 kmlangen Strecke zwischen Lagos und Nouakchott fertiggestellt, ebenso 88%der 4460 km-Distanz zwischen Dakar und N�djamena sowie 67% von ins-gesamt 7653 km an Verbindungsstraßen zwischen diesen beiden Verkehrs-achsen. Ein weiterer Erfolg, den ECOWAS auf seiner Habenseite verbucht,ist die Umsetzung des INTELCOM-I-Programms, mit dessen Hilfe nundirekte Telefon-, Telex- und Faxverbindungen zwischen den Hauptstädtender Mitgliedsländer bestehen. Das Folgeprogramm zielt auf die Moderni-sierung dieses Netzes.

Umsetzung, Interessen und Positionen der Mitgliedsländer

Die Erfolgsbilanz der ECOWAS auf dem Gebiet der Sektorkooperation istschwer zu überprüfen. Die Streckenlänge der fertiggestellten Straßen sagtwenig über deren Qualität aus. Weite Strecken der Küstenverbindungdürften wegen des Bürgerkriegs in Liberia und Sierra Leone nur sehr ein-geschränkt nutzbar sein. Ähnliches gilt in abgeschwächter Form für denStreckenabschnitt durch Guinea, Guinea-Bissau und die Casamance. DieTelefonverbindungen zwischen den meisten Hauptstädten der Region sind� trotz INTELCOM I � nach wie vor schlecht. Die Einschränkungen, die fürzentrale Bereiche der physischen Infrastruktur gelten, dürften für diesoziale Infrastruktur in noch höherem Maße gelten.

Erkennbar ist zudem in einer Reihe von regionalen Infrastrukturvorha-ben, insbesondere im Energiebereich, daß sie sich vor allem auf das wirt-

Straßennetz

Unzureichende regionaleInfrastruktur

Konzentrationstendenzen

Erweiterung

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schaftliche Herzland Westafrikas beziehen, in dem auch die Bevölkerungkonzentriert ist: Nigeria, Togo, Benin, Ghana, Côte d�Ivoire und BurkinaFaso. Diese Konzentration ist vor allem für das relativ entwickelte undwirtschaftlich fortgeschrittene Senegal problematisch und begrenzt mitSicherheit seine Bereitschaft, zu regionalen Kooperationsvorhaben beizu-tragen. Es wird auch in Zukunft außerordentlich schwierig sein, die regio-nalen Randstaaten Mali, Niger, Guinea und Guinea-Bissau in regionale Ent-wicklungsprojekte zu integrieren, ganz zu schweigen von den Bürger-kriegsstaaten Liberia und Sierra Leone sowie den Kapverdischen Inseln.

Ein zentrales Problem bestehender, geplanter und künftiger Infrastruk-turprojekte ist die Finanzierung. Selbst wenn die Auffüllung des Regional-fonds mit Hilfe des Zollaufschlags gelingt, werden zwei Probleme bleiben:Länder, die nicht zu den Begünstigten eines regionalen Entwicklungspro-jekts gehören, werden dessen Finanzierung aus dem Regionalfonds, wennüberhaupt, nur mit großem Zögern zustimmen. Und auf Dauer wird dieBereitschaft der Nettozahler, die ja selbst noch erhebliche Entwicklungs-defizite aufweisen, aus dem Regionalfonds vorwiegend Projekte in nochweniger entwickelten Partnerstaaten zu finanzieren, eher ab- als zuneh-men. Sobald die Verfügungsmasse im Fonds einen nennenswerten Umfangerreicht hat, wird eine Debatte über den Verteilungsschlüssel beginnen.

Das Augenmerk der ECOWAS wird sich deshalb verstärkt auf die mög-lichen Beiträge der Gebergemeinschaft zu regionalen Entwicklungsprojek-ten und -programmen richten. Schon in den vergangenen Monaten sindverstärkte Bemühungen im ECOWAS-Sekretariat erkennbar, die lange Zeitvernachlässigten Beziehungen zu EU und Weltbank, aber auch zu den bila-teralen Gebern zu intensivieren. Als Voraussetzung für deren verstärktesEngagement muß allerdings das Sekretariat seine Managementkapazitä-ten und seine Effizienz spürbar verbessern.

Erweiterung

Die Frage der Erweiterung der ECOWAS stellt sich bisher kaum. Unter geo-graphischen, wirtschaftlichen und politischen Gesichtspunkten kämenhierfür grundsätzlich zwei Länder in Frage: der Tschad und Kamerun. Mitder Aufnahme des Tschad würde die ECOWAS mit Sicherheit nicht nen-nenswert politisch und wirtschaftlich gestärkt werden. Im Fall Kamerunswäre dies anders. Hier dürften aber die erheblichen Spannungen mitNigeria � Grenzstreitigkeiten wurden bereits mit wechselseitigem Artille-riebeschuß ausgetragen � ein ernstes Erweiterungshindernis sein. Bisherliegt jedenfalls weder eine Einladung der ECOWAS an die beiden Nachbar-länder zum Beitritt noch ein entsprechendes Ersuchen Kameruns und desTschad vor. Letzteres könnte sich allerdings ändern, je mehr der Integra-tionsprozeß in Afrika voranschreitet und je deutlicher zu erkennen seinwird, daß die Central African Economic and Monetary Community(CEMAC) keinerlei Zukunft hat.

Finanzierungsprobleme

Drittmittel

Tschad und Kamerun?

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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Verhältnis zu anderen RegionalorganisationenVerhältnis zu anderen RegionalorganisationenVerhältnis zu anderen RegionalorganisationenVerhältnis zu anderen Regionalorganisationen

UEMOA und Mano River Union

Kompatibilität

In Westafrika gibt es neben der ECOWAS noch zwei weitere Integrations-ansätze: die Mano River Union (MRU), die Liberia, Sierra Leone und Guineaumfaßt, sowie die UEMOA, die sich aus sieben frankophonen Staaten West-afrikas und dem lusophonen Guinea-Bissau zusammensetzt. Die MRU istgegenwärtig und wohl auch für die nächsten zehn Jahre eine vernachläs-sigbare Größe, da ihre tief in innenpolitische Konflikte verwickelten Mit-gliedsländer kaum die Kapazität haben werden, Integrationsfortschritte zumachen und Kooperationsprojekte umzusetzen. Zynisch könnte manspekulieren, daß � wenn Charles Taylor Erfolg hat � die Integration derMRU durch die Steuerung Liberia-freundlicher Regime in Freetown undConakry von Monrovia aus erfolgt.

Die UEMOA ist für die ECOWAS eine wirkliche Herausforderung. DieErfolgsbilanz der erst 1994 gegründeten Organisation ist beeindruckend.Sie verfügt über eine Kommission in Ouagadougou, deren Leitung poli-tisch hochrangig besetzt ist, die Ansehen unter den Mitgliedsländerngenießt, als relativ effizient und kompetent gilt und die Rolle eines Inte-grationsmotors spielen kann. Sie hat eine bereits bestehende Währungs-union geerbt, die jedoch von Frankreich gesteuert wird. Die Finanzierungdes Budgets der Kommission und des Kompensations- und Entwicklungs-fonds erfolgt durch einen Zollaufschlag, dessen Erhebung und Überwei-sung an den Fonds im Gegensatz zur ECOWAS weitgehend zu funktionie-ren scheinen. Die beschlossene Handelsliberalisierung ist weitgehend um-gesetzt, seit 1. Januar 2000 ist ein gemeinsamer Außenzoll in Kraft. Die beiden gut besuchten Gipfel- und Arbeitstreffen der UEMOA getroffenen Über-einkommen und Deklarationen erlangen innerhalb beachtlich kurzer ZeitGültigkeit. Das Prinzip der nationalen Bindungswirkung von UEMOA-Beschlüssen ist keine hohle Phrase.

Diese Erfolgsbilanz darf allerdings nicht über markante Defizite derUEMOA hinwegtäuschen. Die Währungsunion ist nichts, was sich die Mit-glieder der Regionalorganisation mühevoll erarbeitet haben, sondern ein»Geschenk« Frankreichs. Die Kontrolle der Mitglieder über den Außenwertder Währung ist minimal, ihre finanzpolitische Abhängigkeit von Frank-reich groß. Damit ist ein zentrales Element des IntegrationsprojektsUEMOA der politischen Kontrolle der Organisation entzogen. Der EinflußFrankreichs auf die UEMOA geht nach Einschätzung zahlreicher Beobach-ter über diese finanzpolitische Komponente hinaus. Validität und Nach-haltigkeit regionaler Integration sind doch sehr in Frage gestellt, wenn

Mano River Union

Die HerausforderungUEMOA

Schwächen der UEMOA

UEMOA und Mano River Union

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Integrationsinteresse und Funktionieren weitgehend von einem externenAkteur abhängen. Die relative Effizienz und Kompetenz der UEMOAbasieren darüber hinaus zum Großteil auf den erheblichen Finanzmitteln,die Frankreich und die EU der Regionalorganisation seit den sechs Jahrenihres Bestehens zur Verfügung gestellt haben. Schließlich stellt die UEMOAangesichts der Zerrissenheit des von ihren Mitgliedern kontrollierten geo-graphischen Raumes und der geringen Größe des regionalen Markteseinen Regionalverband mit nur begrenztem Entwicklungspotential dar.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß der Integrationsprozeßinnerhalb der UEMOA in einem fundamentalen Gegensatz zur Integrationinnerhalb der ECOWAS steht. Dies fängt mit den beschränkten Kapazitätender westafrikanischen Staaten an, sich in zwei Regionalorganisationennennenswert materiell und personell zu engagieren. Die frankophonenStaaten Westafrikas haben in diesem Ressourcenkonflikt � mit AusnahmeGuineas � bisher klar der UEMOA Vorrang eingeräumt. Der Gegensatz kul-miniert mit dem kürzlich eingeführten gemeinsamen Außenzoll derUEMOA-Staaten in Höhe von 20%, der auch auf Importe aus den restlichenStaaten der ECOWAS erhoben werden soll. Er konterkariert die Bemühun-gen der ECOWAS um Handelsliberalisierung und Schaffung einer Freihan-delszone. Zwar hat die UEMOA nach entsprechendem Protest der ECOWASden Außenzoll gegenüber der Rest-ECOWAS ausgesetzt. Doch dieses Aus-setzen bedeutet kein Aufheben. Mit ihren Bemühungen, die Regionalinte-gration innerhalb der UEMOA voranzutreiben, verstößt sie gegen den vonden UEMOA-Staaten im ECOWAS-Vertrag unterzeichneten Grundsatz, demzufolge die ECOWAS auf Dauer die einzige Organisation regionaler Inte-gration in Westafrika sein soll.

Prioritätensetzung der Mitgliedsländer

Es ist überwiegend das Verdienst des malischen Präsidenten Konaré, daßtrotz der Einführung des gemeinsamen Außenzolls die Beziehungenzwischen UEMOA und ECOWAS in den vergangenen Monaten eher besserals schlechter geworden sind. Konaré ist derzeit zugleich Vorsitzender derUEMOA und der ECOWAS. Der Austausch zwischen beiden Organisationenhat sich intensiviert, UEMOA-Vertreter nehmen regelmäßig als Beobachteran Gipfel- und Arbeitstreffen der ECOWAS teil; umgekehrt gilt dasselbe fürECOWAS-Vertreter. Gegenwärtig gibt es zwei Strategien, den Gegensatzzwischen UEMOA und ECOWAS zu mildern. Zum einen bemüht man sich,Konzepte und Politik beider Organisationen zu harmonisieren, wobei hierdie UEMOA aufgrund ihrer besser elaborierten Vorlagen ein deutlichesÜbergewicht hat. Zum anderen versuchen Ghana und Nigeria, neben derUEMOA einen zweiten Block innerhalb der ECOWAS zu etablieren, derdann nach erfolgter Integration mit der UEMOA zusammengefügt werdenkönnte. Die Problematik dieser Strategie wurde bereits im Unterkapitel aufS. 40ff diskutiert.

Das künftige Verhältnis der UEMOA zur ECOWAS wird wohl wesentlichvon drei Faktoren abhängen. Gelingt es Côte d�Ivoire trotz des politischen

Inkompatibilitätzwischen UEMOAund ECOWAS

Annäherung zwischenUEMOA und ECOWAS

Schlüsselfaktoren

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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Wechsels und abnehmender wirtschaftlicher Leistungskraft, die anderenUEMOA-Staaten weiterhin bei der Stange zu halten? Gelingt es Nigeria, dieanderen Staaten der ECOWAS von seiner wirtschaftlichen und politischenStabilität zu überzeugen und eine Führungsrolle zu spielen, die keineFurcht vor Unterwerfung weckt? Wird Frankreich die UEMOA weiterhinzur Eindämmung Nigerias in der Region instrumentalisieren und, wennja, gelingt es Paris weiterhin, die EU für diese Zwecke einzuspannen? Dieersten beiden und ein Teil der dritten Frage wurden bereits ausgiebig dis-kutiert. Ein erstes, bisher noch nicht erwähntes Indiz für eine Neuorientie-rung der EU ist ihre Reaktion auf den Unmut, den eine von ihr in Auftraggegebene Studie zur künftigen Handelskooperation mit Westafrika inGhana und in Nigeria ausgelöst hatte. Die Studie über die Auswirkungeneiner möglichen westafrikanischen REPA-Studie auf die Region (sieheunten) war räumlich auf die UEMOA plus Ghana beschränkt worden. NachProtesten aus Accra und Abuja stellte die EU klar, daß es selbstverständlichim Ermessen der Staaten Westafrikas liege, zu entscheiden, welcheStaatenformation die Verhandlungen mit der EU über ein Regional Eco-nomic Partnership Agreement (REPA) führt. Ein weiteres Indiz für die Öff-nung der EU gegenüber der ECOWAS ist das bereits angeführte Treffenzwischen EU und ECOWAS auf Ministerebene im Oktober 2000.

Post-Lomé

Unabhängig davon, ob die UEMOA oder die ECOWAS in den Genuß vonREPA-Verhandlungen kommen, stehen beide vor ähnlichen Problemen.Das vor kurzem in Cotonou geschlossene Lomé-Folgeabkommen trägt derTatsache Rechnung, daß REPA in Übereinstimmung mit geltenden WTO-Vorgaben stehen müssen. Das bedeutet: nichtreziproke Handelsvereinba-rungen sind der EU wie auch allen anderen WTO-Mitgliedern nur mit least-developed countries (LDC) erlaubt. Allen anderen Staaten sind einseitige Han-delspräferenzen nur für eine Übergangsperiode gestattet. Für die ECOWASbedeutet dies, daß 12 der 16 Mitgliedsländer ohne Zugeständnisse ihrer-seits freien Zugang zum EU-Markt bekommen. Nigeria, Côte d�Ivoire,Ghana und Senegal, die keinen LDC-Status genießen, müssen den EU-Mit-gliedern nach einer Übergangsphase freien Marktzugang gewähren. Wenndie ECOWAS ihre Ziele der Freihandelszone und des gemeinsamen Marktesumsetzt, stellt sich für ihr Verhältnis zur EU ein zentrales Problem: ihreMitglieder müssen ihre Handelsbeziehungen gegenüber den externenPartnern einheitlich regeln � was nur heißen kann, daß die 12 LDC der EUfrüher und umfassender freien Marktzugang zu gewähren haben, als siedies eigentlich müßten.

Die Verständigung innerhalb der ECOWAS auf ein Mandat für REPA-Ver-handlungen mit der EU dürfte deshalb zu erheblichen Differenzenzwischen den Mitgliedsländern führen, wobei nicht nur die Interessen derLDC und der Nicht-LDC abgestimmt werden müssen, sondern auch eineFormel gefunden werden muß, die dem Erdölexporteur Nigeria und denanderen LDC gleichermaßen gerecht wird. Die Schwierigkeit, ein solches

Das REPA-Konzept...

...und die Präferenzen derEU

Post-Lomé

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Verhandlungsmandat zustande zu bringen, wie auch das bisherigeVersagen der ECOWAS bei der Liberalisierung des regionalen Handels undder Errichtung einer Freihandelszone mögen bei wohlwollender Betrach-tung die Hauptgründe der EU-Kommission gewesen sein, eine Studie überdie möglichen Auswirkungen eines westafrikanischen REPA auf dieUEMOA plus Ghana (UEMOA+) zu beschränken und damit Nigeria sowiedie anderen ECOWAS-Mitglieder auszuschließen. Allerdings haben ähn-liche Probleme die Kommission nicht daran gehindert, eine gleichartigeStudie für die SADC zu erstellen. Es verwundert deshalb nicht, daß die EU-Studie in Nigeria und auch in Ghana erneut den Verdacht genährt hat, dieKommission ließe sich von Frankreich für eine gegen Nigeria gerichtetePolitik mißbrauchen.

Grafik 15:

Anteil der Zolleinnahmen an Staatseinnahmen, 1998 (in %)

Quelle: The World Bank; keine Daten verfügbar für Liberia, Nigeria und Sierra Leone.

Ungeachtet dieser möglichen Hintergründe enthält die Studie wenigErmutigendes für die Realisierungschancen eines REPA zwischen der EUund einer UEMOA+. Sie kalkuliert die drohenden Einnahmeausfälle für dieZolleinnahmen der Staaten dieses Verbunds auf ca. 1% des regionalen BIP,wobei Senegal mit einem Minus von 1,6% und Côte d�Ivoire mit Einbußenvon etwa 1,1% relativ am stärksten betroffen wären. Auch die Auswirkun-gen auf die lokale Industrie wären aufgrund der zu erwartenden Import-steigerungen aus dem EU-Raum erheblich. Besonders betroffen wären dieregionalen Exporteure Côte d�Ivoire, Ghana und Senegal, da ihre Fertig-und Halbfertigprodukte einem verschärften Wettbewerb aus Europa kaumstandhalten könnten. Die zu erwartenden kurzfristigen Negativeffekte

Statische Einnahme-verluste und Handels-einbußen

0

10

20

30

40

50

60

70

Benin

Burkina

Faso

Kap Verd

e

Cote d'

Ivoire

Gambia

Ghana

Guinea

Guinea

-Biss

au Mali

Mauret

anien

Niger

Seneg

alTog

o

Verhältnis zu anderen Regionalorganisationen

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dürften zwar langfristig durch dynamische positive Effekte � verbesserteWettbewerbsfähigkeit, Kostenersparnisse beim Kapital- und Konsumgüter-erwerb, wachsende Nachfrage aus einem regionalen Markt � mehr als aus-geglichen werden. Für Politiker, die Wahlen bestehen müssen und nebeneigenen Vorteilen gewichtigen wirtschaftlichen Interessen Dritter ver-pflichtet sind, ist dies jedoch ein sehr riskantes Kalkül. Deshalb ist einREPA in der Region wohl nur vermittelbar, wenn seine kurzfristigen nega-tiven Effekte durch temporär angelegte Ausgleichsmaßnahmen abge-schwächt werden. Diese auf eine kleinere Gruppe von Staaten zu beschrän-ken könnte ein weiterer Grund für die Selektivität der REPA-Studie sein.

Mit der Entscheidung Ghanas, der UEMOA nicht beizutreten, hat die EU-Studie bereits erheblich an Wert verloren. Es ist allerdings zu erwarten,daß die EU auch in Zukunft die UEMOA als REPA-Partner favorisiert �selbst wenn sie vor kurzem klargestellt hat, daß es selbstverständlichSache der westafrikanischen Staaten ist, zu entscheiden, wer auf ihrerSeite der Verhandlungsführer ist. Die bestehenden Friktionen innerhalbder ECOWAS, ihre bisher wenig ermutigende Erfolgsbilanz und die objek-tive Schwierigkeit, die Interessen von 15 sehr unterschiedlichen Mitglie-dern auf einen Nenner zu bringen, sprechen gegen erfolgreiche Verhand-lungen mit der EU. Scheitern EU�ECOWAS-Verhandlungen über ein REPA,heißt dies allerdings noch lange nicht, daß die von der EU präferierteLösung UEMOA+ eintritt. Ghana bevorzugt die Aushandlung eines REPAzusammen mit Nigeria. Es hält sich für zu schwach, um eine solche Verein-barung unilateral mit der EU schließen, und erachtet die Verbindungen zuNigeria als zu wichtig, um sich von ihm abzukoppeln. Ohne Zweifel wirdein solches Konstrukt � zwei REPA der EU in Westafrika � die Spaltung derECOWAS vertiefen.

REPA mit ECOWAS wenigwahrscheinlich

Schwächen und Stärken

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Schlußfolgerungen und EmpfehlungenSchlußfolgerungen und EmpfehlungenSchlußfolgerungen und EmpfehlungenSchlußfolgerungen und Empfehlungen

Nach dieser Detailanalyse gilt es zum Ausgangspunkt der Studie � präziser:zu den sieben erkenntnisleitenden Fragestellungen � zurückzukehren:" Schwächen und Stärken der ECOWAS;" Kompatibilität der Ziele der ECOWAS mit jenen der Bundesregierung

bei der Förderung regionaler Kooperation und Integration;" Ziele und Interessen der zentralen Mitgliedsländer in bezug auf regiona-

le Kooperation und Integration;" Vorstellungen über die Fortentwicklung der ECOWAS in den zentralen

Mitgliedsländern und auf der Führungsebene der Sekretariate;" Kompatibilität und Konkurrenz der ECOWAS mit anderen Regional-

organisationen;" Rückwirkungen des Post-Lomé-Vertrages;" Empfehlungen zur Förderung der ECOWAS durch die Bundesregierung.

Schwächen und Stärken

Die ECOWAS weist einige Charakteristika auf, die als eindeutige Schwä-chen zu bewerten sind, eine Reihe weiterer, die zweifelsohne Stärken dar-stellen, und dritte, die sowohl Schwächen als auch Stärken sein könnenund deshalb näher erläutert werden müssen.

Zu den eindeutigen Schwächen gehören:" die tiefgreifende politische und kulturelle Spaltung zwischen franko-

phonen und anglophonen Staaten;" der große politische und wirtschaftliche Einfluß Frankreichs, das seine

Interessen häufig im Gegensatz zur regionalen Vormacht Nigeria defi-niert;

" die Konkurrenz zwischen UEMOA und ECOWAS;" die wirtschaftliche und politische Instabilität Nigerias;" das Bürgerkriegschaos in Liberia und Sierra Leone, das jederzeit auf

Guinea und Guinea-Bissau übergreifen kann;" eine Reihe schon fast traditionell verfestigter zwischenstaatlicher Span-

nungen und Konflikte;" die geringe Homogenität der politischen Systeme verbunden mit einem

weitverbreiteten Mangel an Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und goodgovernance;

" die unzureichende Steuerungsfähigkeit der meisten Staaten;" das begrenzte Entwicklungspotential der Sahelstaaten;" der Mangel an glaubwürdigen, demokratisch legitimierten und regional

respektierten Führungspersönlichkeiten;" die unterschiedlichen Tempi und Prioritäten bei der Durchführung der

Strukturanpassungsprogramme;" die unterschiedliche Kategorisierung der Mitglieder in LDC und Nicht-

LDC und die damit verbundenen Probleme beim Abschluß eines REPA;

Fragestellungen

NotwendigeDifferenzierungen

Schwächen

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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" die natürlichen Hindernisse (Beschaffenheit des Naturraums und Klima)für die Schaffung und Instandhaltung einer physischen regionalenInfrastruktur;

" das Fehlen eines institutionellen Korrektivs zur Allmacht der Gipfeltref-fen;

" die geringe Neigung in den klientelistisch strukturierten Ländern,Machtbefugnisse und damit auch Ressourcen abzugeben, die zur Patro-nage benutzt werden können;

" die unterschiedliche, zum Teil konfligierende Definition nationalerInteressen in der Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere in bezugauf die Konflikte in Liberia und Sierra Leone.

Zu den eindeutigen Stärken zählen:" der Reichtum an mineralischen und landwirtschaftlichen Rohstoffen;" die Größe des regionalen Marktes;" der relativ intensive grenzüberschreitende Austausch zwischen den

Völkern der Region;" ein wachsendes Bewußtsein für die aus den bestehenden kriegerischen

Konflikten erwachsenden Gefahren für die regionale Sicherheit;" die Konformität der generellen Ziele der Wirtschaftsreformen;" objektiv bestehende Kooperationszwänge, zum Beispiel bei der Nutzung

der Flüsse, aufgrund des Binnenlandstatus von drei Ländern und derbestehenden Migrationsströme.Elemente, die sich sowohl zu Stärken als auch zu Schwächen entwickeln

können, sind:" Die lange und wechselvolle Geschichte der ECOWAS:

Es gibt Stimmen, die behaupten, die bloße Existenz der ECOWAS über25 Jahre hinweg sei bereits ein Erfolg. Diese Bewertung ist allzu minima-listisch, obwohl kaum bestritten werden kann, daß das Forum ECOWASdie Staaten der Region immer wieder gezwungen hat, sich auch inPhasen heftiger zwischenstaatlicher Spannungen miteinander ausein-ander- und an einen Tisch zu setzen. Die ECOWAS bildete insofern einenverläßlichen institutionellen Rahmen, auf dem man aufbauen kann.Andererseits können sich die Erfahrung des ständigen Scheiterns an ehr-geizigen Vorgaben, die Erkenntnis eines Teils der Mitgliedsländer, daßsich die anderen nicht an getroffene Vereinbarungen halten, sowie dieWahrnehmung auf seiten letzterer, daß der Bruch von Übereinkünftenstets toleriert wird, als große Belastung für einen Neuanfang erweisen.

" Die Vormachtstellung Nigerias:Sie war bisher ein wesentliches Integrationshemmnis, da sich nicht nurFrankreich und Côte d�Ivoire an ihr gerieben haben. Ein dominantes,autoritär geführtes und gleichzeitig instabiles Nigeria rief bei fast allenanderen Staaten der Region erhebliche Ängste hervor. Andererseits kannein demokratisch regiertes Nigeria, das mittelfristig wirtschaftliche undpolitische Stabilität erreicht sowie seine Ressourcen und Machtmittelverantwortungsvoll einsetzt, zu einer Lokomotive regionaler Integrationin Westafrika werden. Für die meisten Staaten Westafrikas scheint zugelten, daß sie weder mit noch ohne Nigeria leben können.

Stärken

Stärken oder Schwächen?

Schwächen und Stärken

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" Die Abhängigkeit kleinerer, wirtschaftlich zurückgebliebener Staatenvon Nigeria, Côte d�Ivoire, Ghana und Senegal:Die Unmöglichkeit, mit und ohne Nigeria zu leben, ist vor allem fürNiger, Benin und Togo gegeben. In einem Abhängigkeitsverhältnisstehen auch Mali zu Côte d�Ivoire und Senegal, Burkina Faso zu Côted�Ivoire, Togo zu Ghana, Gambia und Guinea-Bissau zu Senegal. DieseLänder sind bei der Versorgung mit Waren und beim Export von Arbeits-kräften auf die größeren, wirtschaftlich fortgeschritteneren Staatenangewiesen. Diese eindeutigen Abhängigkeitsverhältnisse machen esunwahrscheinlich, daß die kleineren Ökonomien und Binnenstaaten inFragen der regionalen Integration eine Konfrontation mit ihren großenNachbarn riskieren. Andererseits begünstigen derartige Machtgefälle dieLagerbildung und die verdeckte Austragung von Konflikten.

" Die starke intraregionale Migration:Die starke Migration innerhalb von Volksgruppen, die durch die kolo-niale Grenzziehung getrennt wurden, und die moderne wie traditionel-le Wanderarbeit begünstigen grenzüberschreitenden Austausch. Jenseitsder Grenze siedelnde nationale Minderheiten können die Grundlage fürdie Festigung von Beziehungen zwischen dem Ursprungs- und dem Auf-nahmeland sein. Allerdings kann die Nationalitätenfrage immer wiederAnlaß für zwischenstaatliche Spannungen sein. Sie eignet sich hervor-ragend zur Ablenkung von den eigentlichen Ursachen wirtschaftlicherKrisen und zur Mobilisierung in innenpolitischen Konflikten.

" Der informelle Handel:Er verstärkt ebenfalls den Austausch in der Region und läßt wirtschaft-liche Verflechtungen entstehen. Er verdeutlicht zudem das Potential füreine Steigerung des formellen Handels. Solange es jedoch wesentlicheKräfte gibt, die von dieser Form des Handels profitieren � die Produzen-ten der geschmuggelten Waren, die Schmuggler selbst, die organisierteKriminalität, korrupte Sicherheitskräfte und Zöllner �, hält sich dasInteresse an der Aufhebung der Restriktionen für den formellen Handelin Grenzen.

" Die Existenz einer funktionierenden Währungszone und eine halbwegshergestellte Freihandelszone zwischen einer Gruppe von Mitgliedsstaa-ten:Die Existenz einer funktionierenden Währungszone und das Entsteheneiner Freihandelszone innerhalb der ECOWAS können die Aufgabeerleichtern, beide für den gesamten westafrikanischen Raum herzustel-len. Die ECOWAS kann die innerhalb der UEMOA vorhandene Expertisenutzen. Für die UEMOA-Staaten würden eine ECOWAS-Freihandelszoneund eine ECOWAS-Währungsunion nicht etwas grundsätzlich Neues �mit allen damit verbundenen Risiken �, sondern nur die Ausweitungvon Bekanntem bedeuten. Einer derartig positiven Interpretation stehtjedoch das fundamentale Problem gegenüber, daß eine Währungsunioninnerhalb der ECOWAS eine Aufgabe des Franc-CFA bedeuten würde, diefür die meisten Mitglieder synonym wäre mit dem Presigabe finanzpoli-tischer Stabilität. Das Beispiel der auch gegen die anderen ECOWAS-Mit-

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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gliedsstaaten gerichteten Zollunion der UEMOA zeigt, daß ein derartigerIntegrationskern auch zur Errichtung zusätzlicher Integrationshürdenund zur Institutionalisierung der Spaltung der ECOWAS führen kann.

" Der mangelnde Einfluß von Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und natio-nalen Parlamenten:Integrationsprozesse bedingen äußerst schwierige Abstimmungen zwi-schen den Interessen der Partnerländer. Je mehr Akteure beteiligt sind,desto schwieriger sind sie. Der geringe Einfluß von Privatwirtschaft,Zivilgesellschaft und nationalen Parlamenten auf die regionale Integra-tion kann somit zumindest in einer Frühphase integrationsförderndwirken. Andererseits bedürfen Integrationsprozesse der Akzeptanzdurch die von ihr betroffene Bevölkerung. Parlamente, Interessenver-bände und Nichtregierungsorganisationen sind deren Vertreter, wirkenzudem als zentrale Mulitplikatoren. Ohne ihre Einbindung in den Inte-grationsprozeß wird dem Akzeptanzproblem kaum beizukommen sein.

" Der sich vollziehende Wechsel in den Führungspositionen der nationa-len Regierungen:Je nach Art des Wechsels kann er einen großen Gewinn oder einengroßen Verlust für die ECOWAS bedeuten. Der Machtwechsel in Nigeriawar zweifellos ein Gewinn. Das Ablaufen der Amtszeit Rawlings inGhana und Konarés in Mali � sofern letzterer sein Versprechen wahr-macht, nicht noch einmal zu kandidieren � dürfte die Schrittmacher-funktion beider Staaten in der regionalen Integration beeinträchtigen.Der Führungswechsel in Senegal wird sich eher neutral auswirken, eineAblösung Eyademas eine große autoritäre Bürde entfernen. Entschei-dend für die nähere Zukunft der ECOWAS ist die Entwicklung in Côted�Ivoire. Gelingt Gbagbo eine Stabilisierung der Situation, bleibt zuhoffen, daß er vom außenpolitischen Kurs der Konfrontation mit Nige-ria, den seine beiden Vorgänger verfolgt haben, Abschied nimmt unddabei von Frankreich unterstützt wird.

Zielkompatibilität

Deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist gemäß den Vorgaben derneuen Bundesregierung folgenden vier Zieldimensionen verpflichtet:" der Förderung von Menschenrechten und demokratischen Grundprin-

zipien, der friedlichen Konfliktbearbeitung sowie der Gleichstellungbeider Geschlechter;

" der Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen und der Minde-rung der Armut;

" der Förderung des ökologischen Gleichgewichts, der Bewahrung natür-licher Lebensgrundlagen und

" der wirtschaftlichen Entwicklung und Zusammenarbeit mit den Part-nerländern.Nimmt man die allgemeinen Ziele der deutschen Entwicklungszusam-

menarbeit zum Ausgangspunkt, läßt sich eine gewisse Förderungswürdig-keit der Regionalorganisation ECOWAS ableiten. Das Hauptinteresse der

Allgemeine entwicklungs-politische Ziele derBundesregierung

Förderungswürdigkeitder ECOWAS?

Zielkompatibilität

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internationalen Gebergemeinschaft und des BMZ dürfte vor allem auf denmöglichen Beitrag der ECOWAS zur Lösung der Konflikte in Westafrikaund zur politischen Stabilisierung der Region gerichtet sein. Hier bestehenerhebliche Kompatibilitäten zwischen allgemeinen BMZ-Zielen und Zielender ECOWAS. Die bisherigen Aktivitäten der ECOWAS in diesem Bereichgeben der Hoffnung Nahrung, daß die Regionalorganisation wesentlicheSchritte zur Realisierung dieser Ziele tun könnte." Die Förderung von Menschenrechten, demokratischen Grundprinzipien

und der friedlichen Konfliktbearbeitung war zwar ursprünglich keinprimäres Ziel der ECOWAS, sie hat sich jedoch in den vergangenenJahren durchaus zu einem zentralen Element der regionalen Zusam-menarbeit entwickelt. Eine proaktive Förderung der ersten beiden Teil-ziele durch ein Engagement der ECOWAS in Demokratisierungshilfeund Menschenrechtsschutz sowie Konfliktprävention ist allerdingskaum zu beobachten � sieht man von der Entsendung von Wahlbeob-achtern zu den vergangenen Wahlen im Senegal ab. Bei der Verur-teilung von Militärputschen und der Intervention in kriegerische inner-staatliche Konflikte hat die ECOWAS jedoch in einem Maße Entschlos-senheit und Tatkraft bewiesen, hinter dem die anderen Regionalorgani-sationen Afrikas zurückstehen. Diese Bewertung hat selbst dannBestand, wenn man die Inkonsistenz bei der Ablehnung autoritärerMachtausübung und den mangelnden Erfolg der Intervention in Kon-flikte berücksichtigt. Im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlech-ter kann die ECOWAS immerhin die Gründung und Assoziierung einesregionalen Frauenrats vorweisen, auch wenn kaum erkennbar ist,welche konkrete Wirkung dieser Rat für die Verbesserung der Positionder Frau in den patriarchalischen Gesellschaften Westafrikas hat.

" Die Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen, Minderung derArmut, Förderung des ökologischen Gleichgewichts und Bewahrungnatürlicher Lebensgrundlagen nehmen zwar einen prominenten Platzim Zielkatalog der ECOWAS ein, doch in der Praxis halten sich die dar-auf ausgerichteten Aktivitäten der Organisation in einem eng begrenz-ten Rahmen. Es sei denn, man bewertet wirtschaftliche Entwicklung alsausreichend für Armutsbekämpfung und Grundbedürfnisbefriedigung.Angesichts der selbst im innerafrikanischen Vergleich hohen Zahl abso-lut Armer und Marginalisierter in Westafrika sowie der drängenden öko-logischen Probleme in der Region ist die Inaktivität der ECOWAS indiesem Bereich eine große Enttäuschung.

" Die wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit der Partnerlän-der untereinander sind das Hauptziel der ECOWAS. Allerdings ist dieErfolgsbilanz in 25 Jahren des Bestehens mehr als ernüchternd. Dasnährt erhebliche Zweifel am Realitätsbezug der Zielsetzung.Die Förderung von Regionalorganisationen wird indes zunehmend

nicht mehr nur als Instrument zur Erreichung allgemeiner entwicklungs-politischer Ziele betrachtet, sondern als eigenständiges Oberziel. Mit derFörderung regionaler Institutionen verfolgt das BMZ folgende Ziele:" Förderung der regionalen Integration und Sicherheit,

Ziele der Bundes-regierung bei derFörderung vonRegionalorganisationen

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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" verbesserte Handelsbeziehungen," Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen, die für die ein-

zelnen Mitglieder zu kostenaufwendig sind," länderübergreifender Ressourcenschutz," Stärkung der politischen Position insbesondere kleinerer Staaten gegen-

über großen Regionalmächten.Die vorsichtig positive Bewertung der Zielkompatibilität auf der Ebene

der Allgemeinziele wird durch eine tendenziell eher negative auf derEbene der besonderen Ziele konterkariert. Von den fünf hier aufgezähltenZielen hat die ECOWAS nur beim ersten ein eindeutiges Plus zu verzeich-nen. Zwar sind verbesserte Handelsbeziehungen ein zentrales Ziel desStaatenverbundes, doch wird diese Absicht in der Praxis nur durch wenigKonkretes unterfüttert � im Gegenteil: die Bilanz des bisher Erreichtenläßt die Zielsetzung eher als unglaubwürdig erscheinen. Die grenzüber-schreitende Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen sowieländerübergreifender Ressourcenschutz finden sich zwar auch im Zielkata-log der ECOWAS. Der Eindruck, daß beide Ziele keine vorrangige Rollespielen, wird durch die geringen Aktivitäten der ECOWAS in diesen Berei-chen gefördert. Schließlich ist eine Stärkung der politischen Position ins-besondere kleinerer Staaten gegenüber großen Regionalmächten inner-halb der ECOWAS nicht erkennbar und auf seiten der Regionalmächte, ins-besondere Nigerias und Côte d�Ivoires, in keiner Weise intendiert. DasGegenteil ist der Fall. Die ECOWAS dient zum Teil der Institutionalisierungder Vormachtrolle Nigerias in der Region. Côte d�Ivoires Widerstand gegeneine solche Konstellation kann am allerwenigsten als altruistische Wahr-nehmung der Interessen der Kleinstaaten interpretiert werden. Er ist stattdessen der Versuch, im regionalen Machtpoker an Einfluß zu gewinnen.Die formelle Gleichstellung der Mitgliedsländer in den Entscheidungs-gremien der ECOWAS bedeutet zweifellos eine Aufwertung der kleinenLänder gegenüber den großen � wie auch ihre relative Bevorzugung beiBesetzungen im ECOWAS-Sekretariat und bei den Abgeordnetensitzen imregionalen Parlament. Bei regionalen Interessenkonflikten zögern aberweder Nigeria noch Côte d�Ivoire, ihr Gewicht und ihre Machtressourceneinzusetzen, um die kleineren Nachbarstaaten unter Druck zu setzen.

Ziele und Interessen der Mitgliedsländer

Damit sind bereits zwei wesentliche Motive zweier zentraler Akteure imwestafrikanischen Machtpoker genannt: Nigerias Interesse, die ECOWASzur Festigung seiner Machtposition einzusetzen, und Côte d�Ivoires Inter-esse, eben dies nicht zuzulassen. Allerdings haben beide Akteure darüberhinausgehende Interessen. In Nigeria gibt es auf machtpolitischer Ebenedas Motiv, mittels einer Führungsrolle in Westafrika � nach dem MusterFrankreichs � den Anspruch auf eine weltpolitische Rolle geltend zumachen. Nigeria hat die Hoffnung nicht aufgegeben, daß ihm im Zuge derReform des UNO-Sicherheitsrats ein ständiger Sitz in diesem Gremiumzugestanden wird. Bei den vergangenen WTO-Verhandlungen übernahm

Förderungswürdigkeitder ECOWAS?

Nigeria

Ziele und Interessen der Mitgliedsländer

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die Funktion eines Sprechers Afrikas. Derartige Ambitionen werden da-durch gestärkt, daß Nigeria nach dem Amtsantritt Obasanjos und demAbtreten Mandelas gegenüber dem in einer solchen Funktion konkurrie-renden Südafrika über erheblich bessere personelle Voraussetzungenverfügt. Neben Machtinteressen spielen beim Einsatz Nigerias für die regio-nale Integration folgende Überlegungen eine zentrale Rolle: das Verhin-dern der Ausbreitung gewaltsamer Konflikte in der Region und derenÜbergreifen auf das eigene Staatsgebiet; Exportchancen für die eigeneIndustrie im Zuge der regionalen Handelsliberalisierung. Das neue demo-kratische Regime erhofft sich darüber hinaus eine Stabilisierung derfragilen Demokratie durch Einbindung in einen an liberale politischeWerte gebundenen regionalen Kontext. Dies alles sind für Nigeria undseine gegenwärtige Regierung Gründe genug, regionaler Integration einenSpitzenplatz auf der politischen Agenda einzuräumen.

Nigerias wichtigster Partner für die Erreichung der Integrationsziele istGhana. Die strategische Allianz, die zwischen diesen beiden Ländern unge-achtet der immer wieder auftretenden Spannungen besteht, basiert aufeindeutigen politischen und wirtschaftlichen Interessen Ghanas. Als einesder wenigen anglophonen Länder Westafrikas sieht sich Ghana als zuschwach, um sich einer etwaigen Dominanz der frankophonen Staaten,die noch immer als von Frankreich gesteuert gelten, erwehren zu können.In Ghana wird zudem eine Isolierung des instabilen Nigeria in der Regionals große Gefahr angesehen. Eine Im- oder gar Explosion Nigerias könnteganz Westafrika in den Abgrund reißen. Darüber hinaus sieht Ghana imRahmen einer Freihandelszone mit Nigeria und den anderen ECOWAS-Staaten erhebliche Exportchancen wie auch einen beträchtlichen regio-nalen Bedarf für ghanaische Expertise in Verwaltung und Management.Auch Ghana zeichnet sich deshalb durch ein erhebliches Engagement fürdie regionale Integration in Westafrika aus, das zudem einen kontinuier-licheren Charakter hat als dasjenige Nigerias.

Das politische Haupthindernis, das den Integrationszielen Nigerias undGhanas entgegensteht, ist nach wie vor der Widerstand Côte d�Ivoires. Undsein Widerstand gegen Integrationsfortschritte innerhalb der ECOWASbasiert nicht nur auf reiner Machtpolitik. Daß Côte d�Ivoire sich davorfürchtet, mit einem wirtschaftlich und politisch instabilen Nigeria engverbunden zu sein, ist durchaus glaubhaft. Anders als Ghana ist Côted�Ivoire der Auffassung, daß sich eine aus Nigeria drohende Destabilisie-rung eher durch dessen Isolierung als durch dessen Integration eindäm-men läßt. Zudem wäre eine Umsetzung der Integrationsziele letztendlichgleichbedeutend mit der Aufgabe des Stabilitätsankers Franc-CFA undeiner Abwendung von Frankreich. Es mag sein, daß die Reaktion Frank-reichs auf den Putsch in Côte d�Ivoire und sein generell erkennbares Dis-engagement in Westafrika eine solche Entscheidung erleichtern. Letztlichkönnten sie die Erkenntnis in Abidjan reifen lassen, daß das Land auchstarke Partner in der Region braucht. Einer Strategieänderung stehenjedoch auch konkrete wirtschaftliche Interessen entgegen. Côte d�Ivoirebeherrscht den Exportmarkt UEMOA. Eine Erweiterung der Handelslibera-

Ghana

Côte d�Ivoire

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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lisierung und Freihandelszone auf den gesamten ECOWAS-Raum würdevor allem eine Ausdehnung der Präferenzen auf zwei regionale Konkur-renten bedeuten, Nigeria und Ghana. Demgegenüber werden die Chancenzusätzlicher Exporte in diese beiden Länder als begrenzt bewertet. EineFestschreibung des freien Personenverkehrs und der Niederlassungsfrei-heit innerhalb der ECOWAS würde schließlich für Côte d�Ivoire bedeuten,daß es gegen die im Land bereits ansässigen und in das Land strebendenStaatsangehörigkeiten der Nachbarstaaten nicht vorgehen könnte, wenndies innenpolitisch opportun wäre.

Senegal teilt Côte d�Ivoires Skepsis gegenüber einem möglichen Aus-strahlen der politischen und wirtschaftlichen Instabilität Nigerias aufWestafrika im Falle einer Vertiefung der ECOWAS-Integration. Zudemkönnte er seine Führungsrolle innerhalb der Frankophonie durch einenStaatenverbund mit Nigeria und Ghana abgeschwächt sehen. Andererseitsist es eben dieser Führungsanspruch, der ein Motiv für ein verstärktes En-gagement Senegals in der ECOWAS sein könnte. Die UEMOA wird zu sehrvon Côte d�Ivoire dominiert, um langfristig für politische AmbitionenSenegals attraktiv zu sein. Zusätzliche gewichtige Spieler im regionalenMachtpoker könnten die strategische Position Senegals verbessern. Sene-gals Bereitschaft, bei vergangenen ECOMOG-Operationen mitzuwirken,wenn auch nur für begrenzte Dauer, könnte ein Indiz für eine solche Inter-essendefinition sein. Sie ist jedoch auch ein Zeichen dafür, daß Senegal dasÜbergreifen regionaler Konfliktherde, insbesondere auf den Süden dasLandes, fürchtet. Nach dem Austritt Mauretaniens gewinnt die ECOWASfür Senegal zusätzlich Attraktivität als System kollektiver Verteidigung ineiner etwaigen Auseinandersetzung mit dem nördlichen Nachbarn. Wirt-schaftlich dürfte die Kosten-Nutzen-Rechnung einer FreihandelszoneECOWAS für Senegal neutral ausfallen. Innerhalb der UEMOA sieht es sichbereits mit einem überlegenen Konkurrenten, Côte d�Ivoire, konfrontiert.Die regionalen Exportchancen sind begrenzt, allerdings auch die Furcht,von Produkten aus Ghana und Nigeria überschwemmt zu werden. Die geo-graphisch relativ isolierte Lage Senegals läßt in Dakar die Frage auf-kommen, was denn Senegal aus einer vertieften Integration und verstärk-ten Kooperation auf bestimmten Gebieten gewinnen könne, das ein beson-deres Engagement in der ECOWAS wert wäre. Konsequenterweise forderndeshalb einige die Rückbesinnung auf eine Konföderation mit Guinea,Gambia, Guinea-Bissau und Kap Verde.

Unter den restlichen Staaten spielen derzeit vor allem Burkina Faso undMali eine wesentliche Rolle � Burkina Faso als wichtigster Partner Côted�Ivoires, Mali als Vermittler zwischen UEMOA und ECOWAS. Die politi-schen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Burkina Faso undCôte d�Ivoire sowie die persönlichen zwischen beiden Eliten sind derarteng, daß sich Burkina Faso kaum eine von Côte d�Ivoire unabhängigePosition leisten kann. Gleichzeitig verfolgten seine populistischen Regimedurchaus eine aktive Außenpolitik, die vor allem in der � wirtschaftlichlukrativen � Unterstützung von Rebellengruppen besteht, von SierraLeone, über Liberia bis hin nach Angola. Eine weitere Forcierung der Xeno-

Senegal

Burkina Faso und Mali

Fortentwicklung der ECOWAS

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phobie in Côte d�Ivoire, die sich vor allem gegen die Zuwanderer ausBurkina Faso richtet, könnte zu einer Verschiebung im Interessenkalkülder Regierung des Landes führen. Anstelle der Nibelungentreue zu Côted�Ivoire könnte die Suche nach anderen starken Partnern treten, die dieAbhängigkeit vom großen Nachbarn mindern. Ähnliche Überlegungensind vermutlich Hintergrund der Bemühungen Malis, eine Brücke zwi-schen UEMOA und ECOWAS zu bauen. Mali hängt ökonomisch weitgehendvon Senegal und Côte d�Ivoire ab. Eine Veränderung dieser Konstellationdurch Annäherung an Nigeria und Ghana sind in seinem Interesse. Auchhierfür ist die, wenn auch nur symbolische Beteiligung an der ECOMOGein Beleg.

Die Rolle der anderen ECOWAS-Staaten in der Integrationspolitik istbegrenzt. Benin, Togo und Niger stehen vor dem Dilemma, einerseits indie Frankophonie Westafrikas eng ein- und mit Frankreich stark verbun-den zu sein, andererseits von Nigeria in hohem Maße wirtschaftlich abzu-hängen. Alle drei Staaten haben sich deshalb relative Zurückhaltung auf-erlegt. Togo hat zeitweilig innerhalb der ECOWAS eine Rolle gespielt, diesein wirtschaftliches und politisches Gewicht weit überstieg. Nach dernationalen und internationalen Delegitimierung des Eyadema-Regimesfehlt einer solchen Rolle derzeit die Basis.

Die politischen Kräfte Sierra Leones, Liberias, Guineas und Guinea-Bissaus sind weitgehend durch innenpolitische Konflikte absorbiert. Eineprononcierte regionale Agenda verfolgt allein das Liberia Charles Taylors.Allerdings mag man Versuche, sich den Zugriff auf attraktive Ressourcenin den Nachbarstaaten durch die Einsetzung von Marionettenregierungenoder Unterstützung von Kriegsherren zu sichern, nur begrenzt als integra-tionspolitischen Ansatz werten. Kap Verde ist regional zu isoliert undzudem zu klein, um als relevanter Akteur in der ECOWAS wahrgenommenzu werden.

Fortentwicklung der ECOWAS

Es ist unwahrscheinlich, daß die ECOWAS ihre ehrgeizigen Integrations-ziele, die es in den vergangenen 25 Jahre nicht erreicht hat, in dennächsten fünf Jahren verwirklichen wird. Dazu reicht weder die wirtschaft-liche Ratio noch dürften die bestehenden politischen Gräben so schnellüberwunden werden. Da auch die EU mehr als zögerlich zu sein scheint,ein REPA mit der gesamten ECOWAS zu schließen, dürfte darüber hinausein zentraler äußerer Anstoß fehlen. Am wahrscheinlichsten ist die Ent-stehung eines zweiten Integrationsblocks neben der UEMOA innerhalb derECOWAS. Sein Kern besteht aus Nigeria und Ghana. Spannend ist dieFrage, um wen sich dieser Kern erweitern wird. Zwar betonen Nigeria undGhana, daß die Hauptkandidaten für die Erweiterung die Nicht-UEMOA-Mitglieder der ECOWAS sind. Doch dürfte eine vertiefte Integration mitLiberia, Sierra Leone, Guinea, Mauretanien, Kap Verde und Gambia fürbeide Staaten kaum attraktiv sein. Viel verlockender und wirtschaftlich,politisch und infrastrukturell sinnvoller wäre ein Zusammenschluß mit

Benin, Togo und Niger

Sierra Leone, Liberia,Guinea, Guinea-Bissauund Kap Verde

Rasche Integrations-fortschritteunwahrscheinlich

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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Benin, Togo und Niger, bei ausreichender Phantasie auch mit BurkinaFaso. Je nachdem, wie das Werben Ghanas und Nigerias um diese Länderausfällt, wird sich die Zukunft der ECOWAS gestalten. Haben sie Erfolg,dürfte Côte d�Ivoire zunehmend eine Isolierung in der Region befürchtenund auf den Integrationszug aufspringen.

Kompatibilität mit anderen Regionalorganisationen

ECOWAS und UEMOA sind langfristig inkompatibel. Die UEMOA kann ihreIntegrationsziele nur zu Lasten der ECOWAS realisieren. Der Konflikt kannauf dreierlei Weise gelöst werden: durch eine Auflösung der UEMOA,durch ein Scheitern der ECOWAS oder durch eine Herabstufung derUEMOA zu einer Kerngruppe der ECOWAS à la Schengen oder Euro-Zone.Welche Lösung zum Zuge kommen wird, hängt vom weiteren Schicksalder Ghana-Nigeria-Initiative ab.

Post-Lomé und REPA

Auf die Schwierigkeiten, die der ECOWAS durch den unterschiedlichenWTO-Status erwachsen, den die LDC einerseits und die Nicht-LDC anderer-seits genießen, wurde bereits hingewiesen. Selbst eine Differenzierung desNicht-LDC-Status in landlocked und vulnerable states würde diese Schwierig-keiten nicht beseitigen, da weder Nigeria noch Côte d�Ivoire, Ghana undSenegal die bisher gehandelten Kriterien erfüllen, um in den Genuß einersolchen Einstufung zu kommen. Auf der Grundlage des gegenwärtigenREPA-Konzepts könnte eine ECOWAS-Freihandelszone scheitern, zumal dieBereitschaft der EU äußerst begrenzt scheint, die gesamte ECOWAS alseinen Block bei der Aushandlung eines REPA zu behandeln. Andererseitsist nicht erkennbar, welchen Sinn zwei getrennte REPA mit den StaatenWestafrikas haben soll, die wiederum ihrerseits in einer Freihandelszonemiteinander verbunden sind. Da innerhalb einer Freihandelszone alle Mit-gliedsländer das gleiche Handelsregime gegenüber Dritten haben müßten,wären die Handelsvereinbarungen identisch. Unterschiede könnten alleinin etwaigen Zusatzvereinbarungen liegen, etwa in temporären Kompensa-tionszahlungen.

Empfehlungen

Dies führt direkt zu Empfehlungen hinsichtlich der Möglichkeiten desBMZ, die ECOWAS zu fördern. Ihnen ist vorauszuschicken, daß diese Mög-lichkeiten sowohl materiell als auch politisch beschränkt sind. Die nach-folgenden Empfehlungen beziehen sich deshalb nicht ausschließlich aufdie Fördermöglichkeiten des BMZ. Sie schließen Empfehlungen mit ein,die vor allem von anderen Ressorts (so vom Auswärtigen Amt auf demGebiet des politischen Dialogs), von anderen Akteuren in der politischenund Entwicklungszusammenarbeit (z.B. von politischen Stiftungen) oderinnerhalb der EU und internationaler Organisationen umzusetzen sind.

ECOWAS und UEMOA

Zwei oder mehrere REPA

Leitlinien

Empfehlungen

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Die Diskussion von Förderansätzen muß die Aufnahmebereitschaft derECOWAS-Mitgliedsländer berücksichtigen. Auf Gebieten, wo es grundsätz-liche Differenzen zwischen den Mitgliedsländern gibt, bestehen kaumMöglichkeiten direkter Einwirkung. Allerdings kann indirekt zur Milde-rung oder gar Überwindung der Differenzen beigetragen werden. In ande-ren Bereichen, wo die Differenzen eher technischer Natur sind, kanndirekte Beratung den Integrationsprozeß vorantreiben. Materielle Förde-rung sollte vor allem dort erfolgen, wo die Mitgliedsländer weitgehendKonsens erzielt haben, aber nicht über die materiellen Mittel verfügen, ihnauch umzusetzen.

Die entscheidenden politischen Integrationshemmnisse sind der Grabenzwischen anglophonen und frankophonen Staaten der Region, der regio-nale Vormachtanspruch Nigerias und der Widerstand Côte d�Ivoiresdagegen. Externe Akteure können in diesem schwierigen politischenGefüge an drei Stellen ansetzen. Erstens ist eine verstärkte kritische Aus-einandersetzung mit Frankreich über seine Politik gegenüber Westafrikadringend erforderlich. Angesichts der Neuorientierung in der französi-schen Afrikapolitik und der Notwendigkeit, bald über das weitere Vor-gehen bei der Aushandlung eines REPA mit den Staaten Westafrikas zuentscheiden, ist jetzt hierfür innerhalb der EU der geeignete Zeitpunkt.Dabei muß auch über die weitere Zukunft des Franc-CFA erneut diskutiertwerden. Selbst bei einer langsamen, schrittweisen Erweiterung der Wäh-rungszone der UEMOA wird ein Punkt erreicht sein, an dem die franzö-sische Regierung die Deckung der Währung aus der eigenen Staatskasseals unzumutbare Belastung empfinden wird. Darüber hinaus steht dieAnbindung des Franc-CFA an Frankreich der Schaffung einer ECOWAS-Währungszone entgegen. Innerhalb der ECOWAS gibt es eindeutige Präfe-renzen für eine direkte Bindung der zu schaffenden westafrikanischen Ein-heitswährung an den Euro. Dagegen dürfte es in einer Reihe von EU-Ländern erhebliche Vorbehalte geben. Die unterschiedlichen Positionenzwischen EU und ECOWAS und innerhalb der EU hierzu gilt es zu klären.

Innerhalb des EU-Kontexts ist auch eine Intensivierung des Dialogs mitNigeria notwendig, so wie dies im Falle Südafrikas seit geraumer Zeit beob-achtet werden kann. Selbst wenn die Präferenz der EU bei einem REPA mitUEMOA+ liegen sollte, kann Nigeria als Akteur nicht außer acht gelassenwerden. Ohne eine Stabilisierung Nigerias kann die Entwicklung Westafri-kas nicht gelingen. Bestandteil einer solchen Stabilisierungsstrategie mußauch die Einbindung Nigerias in die internationale Politik sein. Deutsch-land könnte hier eine wesentliche Rolle spielen. In puncto Regierungs-beratung könnte Deutschland Nigeria durchaus wertvolle Hinweise geben,wie man trotz wirtschaftlicher Dominanz seine regionalen Interessen ineiner Weise wahren kann, daß sie von anderen Staaten nicht als Bedro-hung empfunden werden. Aber auch Côte d�Ivoire bietet nach einer Stabili-sierung reizvolle Ansatzpunkte für Regierungsberatung in Sachen Regio-nalpolitik. Das Land scheint insbesondere nüchterner Kosten-Nutzen-Berechnungen hinsichtlich der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile derVertiefung der ECOWAS-Integration im Vergleich zur verstärkten Integra-

Politischer Dialog mitFrankreich

Einwirken auf Nigeriaund Côte d�Ivoire

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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tion innerhalb der UEMOA zu bedürfen. Vor allem aber ist eine Verbreite-rung der außen- und regionalpolitischen Debatte � sowohl inhaltlich alsauch im Hinblick auf den Teilnehmerkreis � sowie deren Intensivierungvordringlich. Nicht nur Côte d�Ivoire und Nigeria bedürfen jedoch derRegierungsberatung in Sachen regionale Integration und Kooperation,sondern auch die anderen Mitgliedsstaaten � insbesondere jene, derenAdministrationen große Schwächen in der Konzeption und Implementa-tion von Politiken aufweisen. Geeigneter Ansatzpunkt für diese Form derRegierungsberatung könnten die in zahlreichen ECOWAS-Staaten mittler-weile geschaffenen Ministerien für regionale Zusammenarbeit sein.

Ein entscheidendes Integrationshemmnis in anderen Regionalverbän-den hat innerhalb der ECOWAS noch keine Sprengkraft entwickelt: dieFrage der Kompensation jener, die bei Errichtung einer Freihandelszonekurzfristig zusätzliche Kosten in Form von reduzierten Zolleinnahmenund verminderter Konkurrenzfähigkeit der heimischen Wirtschaft tragenmüssen. Dies hat vor allem vier Gründe. Erstens sieht die ECOWAS einefinanzielle Kompensation jener Mitglieder vor, die von Handelsungleich-gewichten negativ betroffen sind. Zweitens ist das Entwicklungsgefälle sogroß, daß Exporte aus den halbwegs industrialisierten Ländern kaum eineGefahr für die äußerst unterentwickelten Staaten sind, da deren Industriebisher weder über das Know-how noch die Ressourcen verfügte, Konkur-renzprodukte herzustellen. Drittens sind vor allem durch informellenHandel die Märkte der kleineren Ökonomien und der Binnenstaaten mitden Produkten aus den einigermaßen industrialisierten Staaten derartdurchdrungen, daß das Steigerungspotential sehr begrenzt ist, das mit derSchaffung eines regionalen Marktes verbunden wäre. Viertens ist die Ab-hängigkeit der kleineren Staaten und der Binnenländer von den größerenLändern der Region so groß, daß sie den Konflikt mit ihnen kaum zu-spitzen wollen. BMZ und EU sollten bei der Unterstützung von Ausgleichs-maßnahmen ihr Augenmerk daher weniger auf direkte finanzielle Hilferichten, als vielmehr auf die Bereitstellung von Expertise für die Errich-tung eines funktionierenden Finanzierungssystems, eines gerechten Ver-teilungsschlüssels und einer nachvollziehbaren, effektiven Mittelverwal-tung. Die EU und Deutschland könnten hier mit Schlußfolgerungen auseigenen Negativerfahrungen einen erheblichen Beitrag leisten.

Darüber hinaus ist ein Beitrag zur Entwicklung effizienter und fairerSteuersysteme in den westafrikanischen Staaten unabdingbar. Nicht nurdas Gelingen der Regionalintegration erfordert einen leistungsfähigen,liquiden Staat, sondern auch das Gelingen sozioökonomischer Entwick-lung generell. Die ECOWAS-Mitglieder haben sich selbst zum Ziel gesetzt,binnen weniger Jahre indirekte Steuern zur wesentlichen staatlichen Ein-nahmequelle zu machen. Eine gemeinwohlorientierte Verwendung desSteuereinkommens und eine ebenso notwendige Verbesserung der Steuer-moral sind aber nur zu erwarten, wenn den Prinzipien von Demokratie,Rechtsstaatlichkeit und good governance Geltung verschafft wird. Eine Fort-führung und Ausweitung entsprechender Förderprogramme auf nationa-ler Ebene ist schon allein aus diesen Gründen unverzichtbar.

Expertise fürAusgleichsfonds

Förderung des Aufbausvon Steuersystemen

Empfehlungen

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Die internationale Gebergemeinschaft hat weder das Recht noch dieMöglichkeit, eine Korrektur des ECOWAS-Vertrages zu erwirken, um Defi-zite bei der Kompetenzverteilung zwischen den ECOWAS-Organen und beider Zielformulierung auszugleichen. Ein solcher Effekt kann aber auchdurch bevorzugte Förderung bestimmter Organe und Konzentration derFördermittel auf spezifische Arbeitsbereiche der ECOWAS-Kooperation und-Integration erzielt werden. Drei ECOWAS-Institutionen bedürfen derStärkung insbesondere in ihrem Verhältnis gegenüber anderen Organen:das ECOWAS-Sekretariat, der Court of Justice sowie das Regionalparlament.Sie sind potentielle Motoren der Integration sowie ein mögliches Korrektivzu der Allmacht der Gipfeltreffen und dem dort herrschenden Voluntaris-mus. Bei allen dreien sollte der Schwerpunkt der Förderung auf dem Auf-bau fachlicher Expertise liegen, ergänzt durch punktuelle Materialhilfen.Die Fachberatung für das Sekretariat sollte � zusätzlich zu den bereits defi-nierten Prioritäten � Expertise für die Aushandlung eines REPA aufbauen.Die EU sollte auf eine Änderung der Ursprungsregelung für zollfreie Güterdrängen, die in der geltenden Form nicht nur Auslandsunternehmen dis-kriminiert, sondern auch den Integrationswillen Senegals und Côted�Ivoires beeinträchtigt.

Die ECOWAS legt ihren Schwerpunkt auf den Ausbau der physischenInfrastruktur. Da der Zustand des Straßen-, Telekommunikations- undEisenbahnnetzes sowie der Ernergie- und Wasserversorgung sowohl einzentrales Entwicklungs- als auch Integrationshemmnis ist, verdient siehierin selektive materielle Unterstützung. Der ECOWAS sollte als Bedin-gung eine klare Prioritätensetzung abverlangt werden. Insbesondere sindfür den Aufbau der regionalen Infrastruktur Konsequenzen daraus zuziehen, daß die Instandhaltung der regionalen Verkehrswege durch SierraLeone und Liberia, wohl auch durch Guinea und Guinea-Bissau, kurz- bismittelfristig aufgrund der anhaltenden gewaltsamen Konflikte unmöglichsein wird. Hieraus ergibt sich die besondere Notwendigkeit, Senegal nichtnoch mehr in eine regional isolierte Position abgleiten zu lassen.

Darüber hinaus sollte das BMZ versuchen, seinen allgemeinen entwick-lungspolitischen Zielen in der sektoralen Kooperation innerhalb derECOWAS mehr Geltung zu verschaffen, insbesondere der Bekämpfung derArmut und der Schaffung menschenwürdiger Lebensumstände sowie derFörderung des ökologischen Gleichgewichts und der Bewahrung natür-licher Lebensgrundlagen. Das Instrumentarium regionaler Organisationenzur Bekämpfung der Armut ist begrenzt, jedoch könnten erhebliche Wohl-fahrtseffekte bei der transnationalen Förderung marginalisierter länd-licher und städtischer Gemeinschaften in Grenzregionen entstehen. ImMittelpunkt der Bemühungen um Umwelt- und Ressourcenschutz müssenweiterhin die Sahelzone, die Siedlungsagglomeration zwischen Accra undLagos sowie die ökologisch zunehmend verwüsteten Gebiete im Niger-Delta und in anderen Zentren der Ausbeutung mineralischer und forst-wirtschaftlicher Rohstoffe stehen. Geeignete Kooperationspartner könntenhierfür die jeweiligen technical commissions sein.

Gezielte Förderungeinzelner ECOWAS-Organe

Förderung ausgewählterInfrastrukturprojekte,...

...der Armuts-bekämpfung...

Schlußfolgerungen und Empfehlungen

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Die innerhalb der ECOWAS ausgeprägten Ansätze zur politischen Koope-ration auf der Basis gemeinsamer Werte und zur außen- sowie sicherheits-politischen Zusammenarbeit sind förderungswürdig. Dies gilt insbeson-dere für den Konfliktmechanismus, wobei jedoch abgewartet werdensollte, inwiefern es den ECOWAS-Mitgliedern mit der Umsetzung derBeschlüsse des Sicherheitsrats wirklich ernst ist. Vordringlich ist in diesemBereich die Entwicklung von Mechanismen für den intraregionalen Inter-essenausgleich. Hier könnte insbesondere die EU mit wertvollen Erfah-rungen dienen. Effektive Krisenprävention innerhalb der ECOWAS bedingtaber auch äußeren Druck auf jene Staaten, die Konflikte durch Waffen-lieferungen und die Bereitstellung von Operationsbasen für Rebellen-gruppen aktiv fördern: Côte d�Ivoire, Burkina Faso, Liberia, Guinea-Bissauund Togo. Sollte die Umsetzung des Konfliktmechanismus voranschreiten,sollte von deutscher und europäischer Seite der Schwerpunkt auf derStärkung der Analysefähigkeit der Frühwarneinheiten und der Handlungs-fähigkeit der politischen Organe des Mechanismus sowie auf der Ausbil-dung der stand-by forces liegen.

Eine Möglichkeit, die außen- und sicherheitspolitische Zusammenarbeitinnerhalb der ECOWAS zum Vorteil der regionalen Konfliktbewältigungdurch direkte Intervention zu verstärken, besteht für die deutsche Ent-wicklungszusammenarbeit nur in geringem Maße. Solange die Staatspräsi-denten die nationalen Interessen ihrer Länder uneingeschränkt und ohneZwang zur öffentlichen Rechtfertigung definieren können und solangediese Definitionen miteinander konfligieren, werden hier weiterhin großeHürden zu überwinden sein. Auch wird der Integrationsprozeß aufgrunddessen immer wieder Verwerfungen erleben. Es gilt, an der alleinigen Defi-nitionsmacht der Präsidenten zu rütteln. Parlamente, Interessenverbände,Nichtregierungsorganisationen, Medien und die Wissenschaft bedürfender Unterstützung, um außen- und sicherheitspolitische Expertise zuentwickeln und geltend zu machen. Die sogenannten Positivmaßnahmensollten nicht nur zur Gestaltung der innenpolitischen Verhältnisse,sondern auch zur Formulierung der Außen- und Sicherheitspolitik desPartnerlandes eingesetzt werden. Dies gilt in gleichem Maße für denPolitikdialog und die politische Konditionalität. Es ist nicht einzusehen,daß Menschenrechtsverletzungen durch autoritäre Regime im Inlandhärter sanktioniert werden als massive Menschenrechtsverletzungen halb-wegs demokratischer Regierungen bei der Kriegführung im Ausland.Handlungsbedarf besteht hier vor allem im Falle Liberias, aber auch Côted�Ivoires und Burkina Fasos.

Anders als in anderen Regionen Afrikas, insbesondere des südlichen undOstafrikas, sind die Klüfte zwischen den Eliten der Mitgliedsländer inWestafrika relativ groß � vor allem zwischen den anglophonen undfrankophonen, aber auch zwischen in der Vergangenheit eher sozialistischund konservativ-autoritär orientierten Eliten. Gemeinsame universitäreEinrichtungen und Schulungszentren in der Region können dazu beitra-gen, Perzeptions- und Kommunikationsdefizite abzubauen sowie wechsel-seitiges Vertrauen zu schaffen. Zudem könnten sie die nationalen Ausga-

...und der politischenKooperation

Verbreiterung des außen-und sicherheits-politischen Dialogs

Vertrauensbildung undInteressenformierung

Abkürzungen

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ben für tertiäre Bildung entlasten. Sie könnten letztlich zur Schaffungeiner Koalition jener beitragen, die an der ECOWAS-Integration interes-siert sind. Ansätze hierzu gibt es bereits auf verschiedenen Ebenen. Regio-nale Dachverbände für Interessengruppen und Nichtregierungsorgani-sationen werden geschaffen, Diskussionsforen unterstützt, nationale Orga-nisationen versucht man vom Nutzen der Regionalintegration zu über-zeugen. Bisher war jedoch die Tragweite dieser Förderansätze begrenzt.

Schließlich muß die verstärkte Förderung von regionaler Integrationund Kooperation auch zu einer Veränderung von Verfahren und Struktu-ren auf Geberseite führen. Problematisch erscheint beispielsweise die Auf-teilung der Region auf zwei Referate des BMZ. Verfahren und Strukturensind in den Durchführungsorganisationen noch immer länderbezogenund erschweren damit die Planung, die Abwicklung und das Monitoringvon Regionalprojekten.

Abkürzungen

ADB African Development Bank

AKP (Länder) Afrikas, der Karibik und des Pazifik

BIP Bruttoinlandsprodukt

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

CEAO Communauté Economique de l�Afrique de l�Ouest

CEMAC Central African Economic and Monetary Community

EAC East African Community

ECOMOG ECOWAS-Monitoring Group

ECOWAS Economic Community of West African States

HDI Human Development Index

LDC least-developed countries

MRU Mano River Union

REPA Regional Economic Partnership Agreements

RUF Revolutionary United Front

SACU Southern African Customs Union

SADC Southern Africa Development Community

TLS Trade Liberalisation Scheme

UEMOA Union économique et monétaire ouest-africaine

UNO United Nations Organization

WACCI West African Chambers of Commerce and Industry

WAMA West African Monetary Agency

WTO World Trade Organization

Innere Struktur