Editorial zur Wirbelsäulenarthroplastik (Non-Fusion – Techniken)

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453 Oper Orthop Traumatol 2010 · Nr. 5/6 © Urban & Vogel Editorial zur Wirbelsäulenarthroplastik (Non-Fusion – Techniken) Operative Orthopädie und Traumatologie „Dekompression”, „Korrektur” und „Stabilisierung” waren bis vor etwa 10 Jahren die nahezu ausschließ- lichen und zentralen Operationskategorien in der Wir- belsäulenchirurgie. Die historische Entwicklung dieses Spezialgebietes war geprägt durch die operativen The- rapiemöglichkeiten bei Deformitäten, Frakturen, In- fektionen und Tumoren mit dem Ziel, stets o.a. Opera- tionskonzepte in unterschiedlicher Ausprägung zu rea- lisieren. „Unerwünschte Nebenwirkungen” wie eine Verstei- fung mit ein- oder mehrsegmentalem Funktionsverlust, eine Nachbarsegment-Degeneration, ein iatrogenes Gewebstrauma oder operationsimmanente Komplika- tionen wurden aufgrund fehlender Alternativen billi- gend in Kauf genommen. Verbesserte Operationstech- niken durch Anwendung der Prinzipien minimal-inva- siver Chirurgie, optimierte optische Hilfsmittel wie Operationsmikroskop oder Endoskop sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Implantaten haben die operativen Therapieoptionen ebenso erweitert wie es die Fortschritte in der präoperativen und intraopera- tiven Bildgebung gewährleisten. Die Erweiterung der Maßnahmen-Trias „Dekom- pression“, „Korrektur“ und „Stabilisierung“ auf das Spektrum degenerativer Erkrankungen war eine logische Folge. Die sinkende Akzeptanz für die mit lumbalen Fu- sionsverfahren assoziierten Nachteile hat gleichermaßen die Entwicklung sowohl schonender Zugangsverfahren wie auch rekonstruktiver, funktionserhaltender Tech- niken begünstigt. Das vorliegende Themenheft befasst sich mit solchen Techniken. Trotz sehr unterschiedlicher, vorwiegend durch verschiedene Implantatsysteme getriggerter, Verfahren lassen sich gewisse Grundprinzipien zu Zu- gangs – und Behandlungsphilosophien darstellen. Zu- gangsstrategien zur Implantation von Bandscheibenen- doprothesen an der Hals- und Lendenwirbelsäule stel- len einen Fokus dieses Themenheftes dar. Es werden die gängigen, minimal-invasiven Operationstechniken einschließlich der Implantationstechniken für Kiel- und Non-Kiel-Endoprothesen wiedergegeben. Sogenannte dynamische dorsale Pedikelschrauben- systeme, deren Rolle bezüglich Indikation und kli- nischer Anwendung noch nicht endgültig definiert ist, werden ebenso präsentiert wie sogenannte interspinöse „Spacer”, deren Wirkprinzip auf einer indirekten De- kompression des Spinalkanals und einer Entlastung der Wirbelgelenke und Bandscheiben beruht und die durch die Möglichkeit der interspinösen Fixation auch als Al- ternative zu Pedikelschraubensystemen diskutiert wer- den. Mit Ausnahme der künstlichen Bandscheiben, wel- che mittlerweile weltweit als Routine-Behandlungsop- tion akzeptiert sind, stellen alle anderen Verfahren in- novative Ansätze dar, für die zwar zunehmend empi- risch erhobene wissenschaftliche Daten akkumulieren, deren Rolle in der Routine-Anwendung allerdings bis- lang nicht als evidenz-basiert gelten kann. Umso wichtiger ist es, die Details der in diesem Heft präsentierten Operationstechniken zu kennen und in der täglichen Anwendung umzusetzen. H. Michael Mayer Andreas Korge Oper Orthop Traumatol 2010;22:453 DOI 10.1007/s00064-010-5005-0

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453Oper Orthop Traumatol 2010 · Nr. 5/6 © Urban & Vogel

Editorial zur Wirbelsäulenarthroplastik (Non-Fusion – Techniken)

Operative Orthopädie und Traumatologie

„Dekompression”, „Korrektur” und „Stabilisierung” waren bis vor etwa 10 Jahren die nahezu ausschließ-lichen und zentralen Operationskategorien in der Wir-belsäulenchirurgie. Die historische Entwicklung dieses Spezialgebietes war geprägt durch die operativen The-rapiemöglichkeiten bei Deformitäten, Frakturen, In-fektionen und Tumoren mit dem Ziel, stets o.a. Opera-tionskonzepte in unterschiedlicher Ausprägung zu rea-lisieren.

„Unerwünschte Nebenwirkungen” wie eine Verstei-fung mit ein- oder mehrsegmentalem Funktionsverlust, eine Nachbarsegment-Degeneration, ein iatrogenes Gewebstrauma oder operationsimmanente Komplika-tionen wurden aufgrund fehlender Alternativen billi-gend in Kauf genommen. Verbesserte Operationstech-niken durch Anwendung der Prinzipien minimal-inva-siver Chirurgie, optimierte optische Hilfsmittel wie Operationsmikroskop oder Endoskop sowie die Neu- und Weiterentwicklung von Implantaten haben die operativen Therapieoptionen ebenso erweitert wie es die Fortschritte in der präoperativen und intraopera-tiven Bildgebung gewährleisten.

Die Erweiterung der Maßnahmen-Trias „Dekom-pression“, „Korrektur“ und „Stabilisierung“ auf das Spektrum degenerativer Erkrankungen war eine logische Folge. Die sinkende Akzeptanz für die mit lumbalen Fu-sionsverfahren assoziierten Nachteile hat gleichermaßen die Entwicklung sowohl schonender Zugangsverfahren wie auch rekonstruktiver, funktionserhaltender Tech-niken begünstigt.

Das vorliegende Themenheft befasst sich mit solchen Techniken. Trotz sehr unterschiedlicher, vorwiegend

durch verschiedene Implantatsysteme getriggerter, Verfahren lassen sich gewisse Grundprinzipien zu Zu-gangs – und Behandlungsphilosophien darstellen. Zu-gangsstrategien zur Implantation von Bandscheibenen-doprothesen an der Hals- und Lendenwirbelsäule stel-len einen Fokus dieses Themenheftes dar. Es werden die gängigen, minimal-invasiven Operationstechniken einschließlich der Implantationstechniken für Kiel- und Non-Kiel-Endoprothesen wiedergegeben.

Sogenannte dynamische dorsale Pedikelschrauben-systeme, deren Rolle bezüglich Indikation und kli-nischer Anwendung noch nicht endgültig definiert ist, werden ebenso präsentiert wie sogenannte interspinöse „Spacer”, deren Wirkprinzip auf einer indirekten De-kompression des Spinalkanals und einer Entlastung der Wirbelgelenke und Bandscheiben beruht und die durch die Möglichkeit der interspinösen Fixation auch als Al-ternative zu Pedikelschraubensystemen diskutiert wer-den.

Mit Ausnahme der künstlichen Bandscheiben, wel-che mittlerweile weltweit als Routine-Behandlungsop-tion akzeptiert sind, stellen alle anderen Verfahren in-novative Ansätze dar, für die zwar zunehmend empi-risch erhobene wissenschaftliche Daten akkumulieren, deren Rolle in der Routine-Anwendung allerdings bis-lang nicht als evidenz-basiert gelten kann.

Umso wichtiger ist es, die Details der in diesem Heft präsentierten Operationstechniken zu kennen und in der täglichen Anwendung umzusetzen.

H. Michael MayerAndreas Korge

Oper Orthop Traumatol 2010;22:453

DOI 10.1007/s00064-010-5005-0