Ein Interview mit Pastor Matthias Liberman, geführt von ... · dass die Gemeinde so offen war,...

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Lieber Matthias, wir begrüßen Dich herzlich in unserer Gemeinde und freuen uns, dass du zu uns kommst. Wie kam es, dass du dich bei uns beworben hast? Da mein Mann Avi in Hamburg studiert und mein Vater in Hamburg lebt und ich gebürtiger Hamburger bin, kam es dazu, dass wir nach einer Pfarrstelle in Hamburg gesucht haben, zu der wir passen und die zu uns passt. Die Ausschreibung der Pfarrstelle in Winterhude-Uhlenhorst war dann fast zu schön, um wahr zu sein: Vielfäl- tige Gottesdienstformen, Engagement im Quartier, eine lebendige Gemeinde, die auf dem Weg ist – und das mitten in der Stadt. Dass wir kommen dürfen sehe ich auch als ein großes Glück und als Segen. Da meint es jemand sehr gut mit uns. Wo kommst Du her, was hast Du bisher gemacht? Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen – allerdings ganz am Stadtrand, in Lurup. Ich bin dort in der Auferstehungskirche groß geworden und es prägt mich nach wie vor, wie Kirche dort gelebt wurde. Ich habe mich dann sehr in der Gemeinde engagiert, so dass ich – über Umwege – dann auch „nur“ in Hamburg Theolo- gie studiert habe. Deswegen musste ich nach dem 1. Examen 2007 erst einmal weg. Ich bin dann mit dem Sti- pendienprogramm des damaligen Nordelbischen Missionszentrums für neun Monate in Bethlehem gewesen und habe in einem Projekt für interreligiöse Kinder- und Jugendarbeit mitgewirkt. In dieser Zeit habe ich auch in Jerusalem meinen künftigen Mann kennen- und lieben gelernt. Als wir 2012 geheiratet haben, habe ich sei- nen Namen angenommen – das erklärt die etwas ungewöhnliche Schreibweise. Nach meiner Rückkehr aus Bethlehem 2008 wurde ich dann Vikar in der Emmausgemeinde in Norderstedt. Nach dem 2. Examen 2011 wurde ich dann Pastor zur Anstellung in der Auferstehungsgemeinde Lübeck. Du warst zuvor in der Auferstehungsgemeinde Lübeck. Welche Arbeitsbereiche und Aufgaben haben Dir Freude gemacht? Erst einmal mag ich am Pfarrberuf sehr, dass kein Tag wie der andere ist. In Lübeck wohnten wir direkt neben einer KITA, die quasi mit in der Kirche untergebracht ist. Im Bereich Kinder- und Jugendarbeit liegt schon ein Schwerpunkt der Gemeinde und damit auch meiner Arbeit – ein Schwerpunkt, der mich immer sehr erfüllt und bereichert hat. Wir haben die Familienkirche in der Gemeinde als eine neue Gottesdienstform etabliert – der bestbesuchte Gottesdienst. Ich mag die Unbefangenheit, mit der Kinder biblische Geschichten erleben. Es ist gut, dass Erwachsene an manchem Anstoß nehmen, aber es ist auch schön zu erleben, wie Kinder das einfach erst einmal glauben können. Meine kritischen Konfis mochte ich immer am meisten. Aber ich hab es auch im- mer sehr genossen, wenn ich unseren Seniorenkreis besucht habe, weil sie so lebensklug sind und sehr humor- voll. Ich habe immer ausgesprochen gut mit dem KGR-Vorsitzenden zusammengearbeitet und ich bin froh, Ein Interview mit Pastor Matthias Liberman, geführt von Pastorin Tomke Ande im Juni 2015

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Lieber Matthias, wir begrüßen Dich herzlich in unserer Gemeinde und freuen uns, dass du zu uns kommst. Wie kam es, dass du dich bei uns beworben hast?

Da mein Mann Avi in Hamburg studiert und mein Vater in Hamburg lebt und ich gebürtiger Hamburger bin, kam es dazu, dass wir nach einer Pfarrstelle in Hamburg gesucht haben, zu der wir passen und die zu uns passt. Die Ausschreibung der Pfarrstelle in Winterhude-Uhlenhorst war dann fast zu schön, um wahr zu sein: Vielfäl-tige Gottesdienstformen, Engagement im Quartier, eine lebendige Gemeinde, die auf dem Weg ist – und das mitten in der Stadt. Dass wir kommen dürfen sehe ich auch als ein großes Glück und als Segen. Da meint es jemand sehr gut mit uns.

Wo kommst Du her, was hast Du bisher gemacht?

Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen – allerdings ganz am Stadtrand, in Lurup. Ich bin dort in der Auferstehungskirche groß geworden und es prägt mich nach wie vor, wie Kirche dort gelebt wurde. Ich habe mich dann sehr in der Gemeinde engagiert, so dass ich – über Umwege – dann auch „nur“ in Hamburg Theolo-gie studiert habe. Deswegen musste ich nach dem 1. Examen 2007 erst einmal weg. Ich bin dann mit dem Sti-pendienprogramm des damaligen Nordelbischen Missionszentrums für neun Monate in Bethlehem gewesen und habe in einem Projekt für interreligiöse Kinder- und Jugendarbeit mitgewirkt. In dieser Zeit habe ich auch in Jerusalem meinen künftigen Mann kennen- und lieben gelernt. Als wir 2012 geheiratet haben, habe ich sei-nen Namen angenommen – das erklärt die etwas ungewöhnliche Schreibweise. Nach meiner Rückkehr aus Bethlehem 2008 wurde ich dann Vikar in der Emmausgemeinde in Norderstedt. Nach dem 2. Examen 2011 wurde ich dann Pastor zur Anstellung in der Auferstehungsgemeinde Lübeck.

Du warst zuvor in der Auferstehungsgemeinde Lübeck. Welche Arbeitsbereiche und Aufgaben haben Dir Freude gemacht?

Erst einmal mag ich am Pfarrberuf sehr, dass kein Tag wie der andere ist. In Lübeck wohnten wir direkt neben einer KITA, die quasi mit in der Kirche untergebracht ist. Im Bereich Kinder- und Jugendarbeit liegt schon ein Schwerpunkt der Gemeinde und damit auch meiner Arbeit – ein Schwerpunkt, der mich immer sehr erfüllt und bereichert hat. Wir haben die Familienkirche in der Gemeinde als eine neue Gottesdienstform etabliert – der bestbesuchte Gottesdienst. Ich mag die Unbefangenheit, mit der Kinder biblische Geschichten erleben. Es ist gut, dass Erwachsene an manchem Anstoß nehmen, aber es ist auch schön zu erleben, wie Kinder das einfach erst einmal glauben können. Meine kritischen Konfis mochte ich immer am meisten. Aber ich hab es auch im-mer sehr genossen, wenn ich unseren Seniorenkreis besucht habe, weil sie so lebensklug sind und sehr humor-voll. Ich habe immer ausgesprochen gut mit dem KGR-Vorsitzenden zusammengearbeitet und ich bin froh,

Ein Interview mit Pastor Matthias Liberman, geführt von Pastorin Tomke Ande im Juni 2015

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dass die Gemeinde so offen war, mich viel Neues einfach ausprobieren zu lassen: Seien es neue Gottesdienst-formen oder die Anschaffung einer Klangschale und eines Kerzentisches für die Kirche oder oder oder… Es gäbe noch einiges mehr zu erzählen.

Du hattest in der Lübecker Gemeinde keine direkten Kollegen, nun sind es gleich drei. Was sind deine Hoffnun-gen und Bedenken?

Zunächst: Die Hoffnungen überwiegen ganz eindeutig. Ich sehe das als eine Bereicherung, weil es Menschen derselben Profession gibt, mit denen ich in einem regelmäßigen Austausch stehe. Das habe ich jetzt „nur“ in der Supervision. Ich hoffe, dass neben Organisatorischem immer auch Raum bleibt für das, was uns gerade theologisch umtreibt. Was ist Euch an einer Trauerfeier wichtig? Wie behandelst Du das Thema „Sterben und Tod“ im Konfirmandenunterricht? Welche Erfahrungen hast Du mit… gemacht? Ich bin neugierig, etwas von Euch zu hören. Und ich habe Euch ja auch schon erlebt und bin dankbar, was ihr im Vorfeld schon alles für mich getan habt. Das gibt uns ein gutes Gefühl, willkommen zu sein. Also, ich freu mich aufs Pfarrteam.Und ich hoffe, dass wir Meinungsverschiedenheiten untereinander einfach gut miteinander aushalten und diese nicht die persönliche Beziehung zueinander belasten. Ich hoffe ja auch, dass wir unterschiedlich sind, damit die Fülle unserer Gaben die ganze Gemeinde bereichert. Wir sollen uns ja nicht als Konkurrenz betrachten, son-dern als gemeinsam Wirkende im Weinberg Gottes. Schön ist, wenn alle sich ihren Begabungen und Wünschen gemäß einbringen können. Und jetzt sehe ich: Ich habe sogar mögliche Bedenken als Hoffnungen formuliert. Das sehe ich als ein gutes Omen.

Winterhude-Uhlenhorst ist eine große Gemeinde in einer großen Stadt. Worauf freust Du dich?

Auf die Menschen, die hier leben, auf ihre Hoffnungen, Sorgen und Nöte.Auf eine gut aufgestellte, breit gefächerte Kirchenmusik.Auf unterschiedliche Gottesdienstformen.Auf das Mittagessen beim Tischnachbarn und den Besuch im Kramladen.Auf den Stadtpark und die Alster vor der Tür.Auf das mhc (Magnus-Hirschfeld-Centrum).Auf die „verdichtete Vielfalt“ einer Stadt, mit all ihren Möglichkeiten und Angeboten.Auf besser planbare Zeit mit meinem Mann und die Nähe zu meinem Vater.Und ich freu mich darauf, dass ich hier noch viel mehr schreiben könnte, worauf ich mich freue.

Bitte beschreibe uns in Kurzform Deine theologische Ausrichtung.

Der Theologe Karl Barth hat gesagt: Gott ist, der er ist, auch ohne uns, als der Liebende in der Freiheit. Ich zäume das Pferd gern von der anderen Seite auf und sage: Wir sind, die wir sind, nur mit Gott, als die von Gott Geliebten in der Freiheit.Wenn ich ernst nehme, dass Evangelium frohe Botschaft meint, dann muss etwas davon spürbar und sichtbar werden. Beziehung zu Gott, Glaube als Vertrauen, dass jemand es gut mit mir meint, kann immer nur etwas sein, das mehr Freiraum ermöglicht und nicht einengt. Alle Bibelverse, die mit Freiheit zu tun haben, sind mir innerlich nah. Für diese Sätze bin ich einem Paulus dankbar (für andere auch eher nicht): Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit (2. Korinther 3,17). Zur Freiheit hat euch Christus befreit (Galater 5,1). Dass Gott vorbehalt-los liebt, weil sie oder er nicht anders kann, weil das sein eigentliches Gottesprädikat ist, weil sie aufhörte Gott zu sein, wenn sie das nicht mehr täte, von einem solchen Gott möchte ich erzählen. Das ist im Übrigen nicht nur persönlich-seelsorgerlich, sondern zeitigt einige politische Konsequenzen.Als schwuler Christ ergänze ich noch den mir bedeutsamen Bibelvers: Ich danke dir Gott, dass ich so wunder-bar gemacht bin (Psalm 139,14). Das gilt jeder und jedem. Und das können wir auch gemeinsam entdecken und das feiern.

Du bist nun unser Pastor, worauf können wir uns einstellen und worauf uns freuen?

Sie bekommen einen Pastor, der mit Lust und Leidenschaft in seinem Beruf aufgeht, ohne anderes zu vernach-lässigen. Ich bringe mit Sicherheit eigene Ideen ein, finde aber auch wichtig, dass wir gemeinsam Ideen entwi-ckeln. Worauf haben Sie Lust? Was fehlt Ihnen? Pilgern mit Kindern und Jugendlichen? Eine Gemeindereise nach Israel? Ein Flüchtlingsforum? Ein Kerzentisch in der Kirche? Sagen Sie es mir! Ich verspreche nicht, dass ich alles machen werde, was Sie sich wünschen, weil ich manches auch nicht kann, aber ich verspreche zuzu-hören, mit nachzudenken und wenn mich etwas überzeugt, was ich nicht kann, dass ich bei der Suche nach de-nen mithelfe, die es können.

Wir danken Dir für das Gespräch.Tomke Ande