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Page 1: Ein lautes Zeichen der Hoffnung Wilde „Gräber“ · PDF fileden und Moses Hogan stammen. Gänsehautcharak-ter hatte die Interpre-tation des Rock-Klas-sikers „Stairway to Heaven“

HEIDELBERG 5Nr. 141 / Rhein-Neckar-Zeitung Dienstag, 23. Juni 2015

Ein lautes Zeichen der HoffnungMusik und Gesang beim Benefizkonzert zugunsten des NCT mit Duke Ellingtons „The Concert of Sacred Music“ in der Stadthalle

Von Manfred Ofer

AllesliefnachTakt.DasPremierenpublikumkam beim Benefiz-konzert des NationalenCentrums für Tumor-erkrankungen (NCT)am Samstag in derStadthalle auf seineKosten. Das Motto„1188 Takte gegenKrebs“ war durchauswörtlich gemeint, dennverkauft wurden keineEintrittskarten, son-dern eben die Ge-samtzahl der Takte, diein Duke Ellingtons„The Concert of Sa-cred Music“ enthaltensind. Das Spätwerk deramerikanischen Jazz-Legende war das musikalische Herz-stück des Abends.

Der Hintergrund, vor dem das Bene-fizkonzert in der Stadthalle ausgerichtetwurde, sorgte bereits im Vorfeld für eineWelle der Hilfsbereitschaft und amSamstagabend für gut gefüllte Zu-schauerreihen. „Die Heidelberger be-weisen mit ihrem Engagement sprich-wörtlich Taktgefühl“, stellte der ver-antwortliche Organisator Jörg Flecken-stein, der Leiter Strategische Entwick-lung am NCT, in einem Gespräch mit derRNZ zufrieden fest.

Die Schirmherrschaft hatte Ober-bürgermeister Eckart Würzner über-nommen. Durch den Abend führte „einWahl-Heidelberger“, als der sich ZDF-Moderator Norbert Lehmann in seinerBegrüßung vorstellte. Duke Ellington

schrieb „The Concert of Sacred Music“in seiner letzten Lebensdekade, doch erstseit den 1990er Jahren gibt es eine voll-ständige Partitur für Big Band und Chor,die am Samstag aufgeführt wurde. AlleErlöse aus dem Konzert kommen inno-vativen klinischen Krebsforschungs-projekten am NCT zugute.

Dabei folgte der Abend einem au-ßergewöhnlichen Drehbuch. Es bestandnämlich keine Garantie dafür, dass dermusikalische Hochgenuss auch tatsäch-lich bis zum letzten Vorhang dauern undstattdessen nicht abrupt unterbrochenwerden würde. Dahinter stand die Ab-sicht der Organisatoren, dass nur dieTakte aus Ellingtons Werk intoniert wer-den sollten, die auch tatsächlich im Vor-feld verkauft worden waren – im Ideal-fall exakt 1188. Eine radikale Metapher

für die schlimme Zäsur und die quälendeUnsicherheit, die eine Krebsdiagnose mitsich bringt. „Die Melodie des Lebens wirddadurch von einem Tag auf den anderenvöllig verändert“, sagte Lehmann. „Für40 Prozent der Erkrankten bleibt dasdauerhaft so.“ Eine ernüchternde Sta-tistik macht deutlich, dass jeder dritteDeutsche im Laufe seines Lebens einmalvon der Diagnose Krebs betroffen ist. Derjähe Bruch im Konzert sollte diesen gra-vierenden Einschnitt symbolisieren. Ge-tragen wurde die Show von der SRH-Big-band unter der Leitung von Rainer Maer-tens und dem Teresa-Chor aus Ziegel-hausen unter der Leitung von Markus Ty-roller.

Rund 70 Sänger und etwa 20 Instru-mentalisten, die von der Mannheimer Ge-sangsolistin Claudia Rose und von Kurt

Albert, einem der füh-renden Stepptänzer iminternationalen Show-business, unterstütztwurden, sorgten zweiStunden lang für einendynamischen Mix ausJazz, Swing und Gos-pel. Ergänzend spieltedas Ensemble vor undnach der Pause zu-sätzliche Stücke, dieunter anderem aus derFeder von Chris Wal-den und Moses Hoganstammen.

Gänsehautcharak-ter hatte die Interpre-tation des Rock-Klas-sikers „Stairway toHeaven“ von Led Zep-pelin durch die jungeSängerin Tamila Kur-

makaeva. Claudia Rose begleitete als So-listin mehrere Traditionals aus demKernprogramm von Duke Ellington mitihrer kraftvollen Stimme, darunter diepopulären Jazz Spirituals „Heaven“,„Freedom“ und „The Majesty of God“.Das hymnische „Praise God and Dance“läutete die letzte Station auf der ReisedurchdenKosmosvonDukeEllingtonein.

Und obwohl 120 Takte an der Abend-kasse „übrig“ geblieben waren, wurde dasSet am Samstag zu Ende gespielt. DenGrund dafür lieferte das Publikum mitseinem Applaus, der an diesem Abendkein Ende nehmen wollte. Ergo folgte ei-ne Zugabe. Denn wenn das Leben trotzKrebs weitergehen kann, kann und mussauch die Musik weitergehen. Ein lautesZeichen der Hoffnung, das die Heidel-berger am Wochenende gesetzt haben.

Die Musiker der SRH-Bigband wurden verstärkt durch die Sänger des Teresa-Chors aus Ziegelhausen. Foto: Philipp Rothe

Wilde „Gräber“

Nach dem Vorbild einer Berliner Kunst-aktion, bei der am Sonntag rund 5000 De-monstranten zum Reichstag zogen unddort symbolische Gräber für verstorbeneFlüchtlinge anlegten, gingen Unbekannteauch in Heidelberg vor. Sie legten sowohlauf dem Karlsplatz als auch auf dem Wil-helmsplatz in der Weststadt solche Ru-hestätten an. Am Karlsplatz rissen sie dasPflaster auf, setzten ein Holzkreuz undlegten eine Kerze und Blumen nieder. Vordem „Grab“ war ein Schild mit der Auf-schrift „In Gedenken an die verstorbenenFlüchtlinge“ aufgestellt. Die Polizei gehtdavon aus, dass es in der Nacht zumMon-tag aufgebaut wurde, ein Busfahrer in-formierte gegen 14 Uhr die Beamten. Mit-arbeiter des Tiefbauamtes beseitigten das„Grab“ und sicherten das Loch. Zeugensollen sichunter Telefon06221 / 991700bei der Polizei melden. tt/Foto: Rothe

Nach Auto-Aufbruch: Zwei Männer verhaftetIn ihren Wohnräumen wurde ein Handy aus einem Raub vom März gefunden

RNZ. Nach einem Auto-Aufbruch wur-den am Freitagnachmittag zwei 27-jäh-rige Tatverdächtige festgenommen. Diebeiden Männer wurden gegen 17.30 Uhrvon zwei Zeugen dabei beobachtet, wiesie auf bislang unbekannte Weise denMercedes eines 52-jährigen Mannes öff-neten, den dieser unmittelbar davor aufdem Parkplatz eines Baumarktes in derEppelheimer Straße abgestellt hatte, sodie Polizei. Als der 52-Jährige wenige Mi-nuten später zu seinem Wagen zurück-kehrte und von den Zeugen auf den Au-to-Aufbruch aufmerksam gemacht wur-

de, flüchteten die beiden Tatverdächti-gen. Das Duo wurde kurz darauf im Rah-men der Fahndung von einer Polizei-streife in einer nahe gelegenen Tank-stelle festgenommen.

Bei der Durchsuchung der Wohn-räume der beiden 27-Jährigen fand diePolizei unter anderem eine größere Men-ge Bargeld, leere Geldbeutel sowie einehochwertige Armbanduhr, die mögli-cherweise aus weiteren Straftaten stam-men dürften. Ein Handy konnte jedocheinem Raub zugeordnet werden, der sicham 28. März in der Max-Jarecki-Straße

ereignete. Damals waren zwei 22-jährigeMänner von einer Gruppe von vier Un-bekannten ausgeraubt worden. Im Rah-men der Fahndung wurde ein 32-Jähri-ger festgenommen und vom Opfer als ei-ner der Täter wiedererkannt, die Beutewurde jedoch bei ihm nicht aufgefunden.Inwiefern die zwei am Freitagabend fest-genommenen Männer als Tatverdächtigefür dieses Delikt in Betracht kommen, istGegenstand weiterer Ermittlungen. NachAbschluss der polizeilichen Maßnahmenwurden die Männer wieder auf freien Fußgesetzt. Die Ermittlungen dauern an.

Warum ziehen jungeDeutsche in den Dschihad?

Deutsche Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor zu Gast im DAI

ark. Während ihre Freunde in Deutsch-land den Schulabschluss machen, ziehensie in den Dschihad und dienen als „Got-teskrieger“ in Syrien der Terrormiliz IS,dem „Islamischen Staat“: junge Deutschemuslimischen Glaubens, die sich radika-lisiert und den Salafisten angeschlossenhaben. Insgesamt beziffert man die Zahlder Islamisten aus Deutschland, die seitBeginn der Kämpfe in Syrien 2011 in dasKrisengebiet ausgereist sind, auf mindes-tens 650. Der jüngste von ihnen soll drei-zehn Jahre alt sein. Was ist es, das diesejungen Menschen dazu bringt, ihr ver-trautes Umfeld zu verlassen und in denReihen einer Terrororganisation einenmörderischen Krieg zu führen?

Lamya Kaddor, 1978 als Tochter syri-scher Einwanderer im westfälischen Ah-len geborene Islamwissenschaftlerin undislamische Religionslehrerin, hat darüberein Buch geschrieben: „Zum Töten bereit –Warum deutsche Jugendliche in denDschihad ziehen“. Die Autorin, die aus ei-ner theologischen Begründung heraus inder Öffentlichkeit kein Kopftuch trägt, lasjetztdarausvoreinemkleineren,dafürsehrinteressierten Publikum im Deutsch-Amerikanischen Institut (DAI) und stelltesich im Anschluss zahlreichen Fragen. IhreSicht der Dinge ist klar: Salafisten müsseman bekämpfen, fordert Kaddor, sie zer-stören Familien und seien „Gift“ für un-sere Gesellschaft, „auch für uns Muslime“.An diese richtet sie den Appell, den Extre-misten endlich Grenzen zu setzen: „Wirmüssen die Fanatiker stoppen“.

Wer Wahrheiten so mutig aussprichtundauchdenangeblichenPatriotismusder„Pegida-Bewegung“ als eindeutig frem-

denfeindlich entlarvt, macht sich auchFeinde. Es vergehe kein Tag, an dem siekeine Drohungen erhalte, berichtet dieReligionspädagogin, die 2010 in Madrid zueiner der einflussreichsten muslimischenFrauen Europas gewählt wurde, in ihremBuch. Seit langem beschäftigt sich Kaddormit der Problematik der sozialen und emo-tionalen Integration deutscher muslimi-scher Jugendlicher.

Als sie vor zwei Jahren die Nachrichterhielt, dass einige ihrer ehemaligenSchüler als Dschihadisten nach Syrien,dem Land ihrer Eltern, gereist waren,fühlte sie sich kalt erwischt. Die jungenMänner waren von Salafisten mit ge-schickten Strategien angeworben worden:„Sie hatten sich ihnen angeschlossen, weilsie bei ihnen das zu bekommen glaubten,was sie zuvor vergeblich suchten: Respekt,OrientierungundZusammenhalt.“AufderStrecke blieb dabei das eigenständigeDenken der Jugendlichen. Dass diese hierbei uns „nichts verloren“ haben, müsseunserer Gesellschaft zu denken geben, soKaddor. „Auflösen können wir den Sala-fismus nicht“, resümiert sie im lebendigenGespräch mit dem Publikum, aber dafürdaran arbeiten, ihn einzudämmen. DieMoscheen allein könnten das nicht schaf-fen, man brauche zum Beispiel Religions-pädagogen. Brücken bauen, lautet eine derHoffnung machenden Botschaften Kad-dors. Sie selbst macht es vor: Ihre Kinderbesuchen einen jüdischen Kindergarten.

Fi Info: Heute moderiert RNZ-RedakteurSören Sgries um 19 Uhr im DAI, So-fienstraße 12, das RNZ-Forum zur Ra-dikalisierung Jugendlicher.

Tod an denGrenzen Europas

RNZ. Aktueller könnte das Thema desheutigen Vortrags im Rahmen der Afri-katage im Karlstorbahnhof nicht sein:Ruth Vollmer, wissenschaftliche Mitar-beiterin am Bonn International Center forConversion, spricht um 19.30 Uhr imGumbelraum über den „Tod an den Gren-zen Europas“. Sie beschreibt das Grenz-regime der EU und geht auf einzelne Ak-teure (von Frontex bis hin zu privatenFirmen) und die Einbindung außereuro-päischer Staaten ein. Außerdem werdenaktuelle Entwicklungen aufgegriffen, wieder geplante Kampf gegen Schleuser undeine neue Quotenregelung zur Verteilungvon Flüchtlingen zwischen den Staaten.Die EU-Aktivitäten werden kritisch mitden Anforderungen eines humanitärenFlüchtlingsschutzes abgeglichen. Ver-anstalter ist das Eine-Welt-Zentrum.

Lebensecht

Eisbärendame „Paula“ war der Hit beim Le-bendigenNeckar amSonntag.Mit demAuf-tritt der lebensechten Eisbärin – ein Kos-tüm, in demzweiMenschen steckten –woll-te die Greenpeace-Gruppe Mannheim-Hei-delberg auf die Bedrohung des Lebens-raums der Eisbären durch Ölbohrungen undindustrielle Fischerei aufmerksammachen.Greenpeace fordert ein internationalesSchutzgebiet rundumdenNordpol. F: Rothe

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