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Prof. Dr. Daniela Seeliger Ein „Like“ für Facebook? Ende 2017 veröffentlichte das Bundeskartellamt das Zwischenergebnis in einem Ver- fahren, in dem es Facebook einen Missbrauch seiner Marktmacht durch Datenschutz- verstöße vorwirſt (NJW-aktuell H. 1–2/2018, 7). Eingeleitet hae es die Untersuchung im Frühjahr 2016. Es geht darum, dass und auf welche Weise das US-Unternehmen große Datenmengen seiner Nutzer sammelt und verwertet. Nach vorläufiger Einschät- zung der Behörde begegnet zumindest das Zusammenführen von Daten der Facebook- Nutzer aus Driquellen mit dem jeweiligen Facebook-Konto datenschutzrechtlichen Bedenken und verletzt damit zugleich kartellrechtliche Maßstäbe. Damit ist der inzwischen Jahrzehnte währende Disput um effekven Datenschutz um eine Facee reicher. Datenschutz ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, auf deutscher wie europäischer Ebene; mit dem Ziel, durch immer weiter verfeinerte Rege- lungen eine unberechgte Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu verhindern. Die Gerichte haben diesen Schutz ausgeweitet und Lücken geschlossen. Erwähnt seien nur das Grundrecht auf informaonelle Selbstbesmmung (BVerfG, NJW 1984, 419) und das „Recht auf Vergessenwerden“ (EuGH, NJW 2014, 2257). Nun eröffnet das Bundeskartellamt über das Einfallstor des Kartellrechts eine neue Dimension des Datenschutzes, für die es internaonal breite Aufmerksamkeit erfah- ren hat. Die Hürden sind aber nicht zu unterschätzen. Schon der Nachweis eines We- bewerbsverstoßes wirſt vielfache Fragen auf, für die es bisher kein Vorbild gibt. Ver- fügt Facebook tatsächlich über Marktmacht, obwohl es mehrere andere soziale Netz- werke gibt? Ist dabei allein auf Deutschland als geographischen Markt abzustellen? Und verübt Facebook einen Missbrauch durch Ausbeutung der Kunden, obwohl die Nutzer kein Entgelt leisten? Die klassischen Fälle des Kondionenmissbrauchs waren bislang anders gelagert. Die Kartellwächter wagen sich weit in das Gelände des Datenschutzes vor, das nicht zu ihren originären Aufgaben gehört. Das zeigt bereits die ansonsten unübliche enge Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden. Der Ausgang des Verfahrens ist mit Spannung zu erwarten. Eine Buße droht Facebook nicht, denn das Amt hat lediglich ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Ein Lösungsweg könnte eine Änderung der Nut- zungsbedingungen sein, wonach keine Zusammenführung aus Daten von Driquellen mehr erfolgen kann, selbst wenn der Nutzer im Bewusstsein aller Konsequenzen einer Verwendung seiner Daten zusmmen möchte. Bleibt die Frage: Wird die Mehrheit der Nutzer am Ende diese Ansicht des Bundeskartellamts „liken“ oder nicht? Prof. Dr. Daniela Seeliger ist Partnerin bei Linklaters und lehrt Europäischen und Deutsches Kartellrecht an der Martin-Luther-Universität in Halle EDITORIAL NJW-aktuell 6/2018 3

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Prof. Dr. Daniela Seeliger

Ein „Like“ für Facebook?Ende 2017 veröffentlichte das Bundeskartellamt das Zwischenergebnis in einem Ver-fahren, in dem es Facebook einen Missbrauch seiner Marktmacht durch Datenschutz-verstöße vorwirft (NJW- aktuell H. 1–2/2018, 7). Eingeleitet hatte es die Untersuchung im Frühjahr 2016. Es geht darum, dass und auf welche Weise das US-Unternehmen große Datenmengen seiner Nutzer sammelt und verwertet. Nach vorläufiger Einschät-zung der Behörde begegnet zumindest das Zusammenführen von Daten der Facebook- Nutzer aus Drittquellen mit dem jeweiligen Facebook- Konto datenschutzrechtlichen Bedenken und verletzt damit zugleich kartellrechtliche Maßstäbe.

Damit ist der inzwischen Jahrzehnte währende Disput um effektiven Datenschutz um eine Facette reicher. Datenschutz ist in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, auf deutscher wie europäischer Ebene; mit dem Ziel, durch immer weiter verfeinerte Rege-lungen eine unberechtigte Erhebung und Verwendung personenbezogener Daten zu verhindern. Die Gerichte haben diesen Schutz ausgeweitet und Lücken geschlossen. Erwähnt seien nur das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (BVerfG, NJW 1984, 419) und das „Recht auf Vergessenwerden“ (EuGH, NJW 2014, 2257).

Nun eröffnet das Bundeskartellamt über das Einfallstor des Kartellrechts eine neue Dimension des Datenschutzes, für die es international breite Aufmerksamkeit erfah-ren hat. Die Hürden sind aber nicht zu unterschätzen. Schon der Nachweis eines Wett-bewerbsverstoßes wirft vielfache Fragen auf, für die es bisher kein Vorbild gibt. Ver-fügt Facebook tatsächlich über Marktmacht, obwohl es mehrere andere soziale Netz-werke gibt? Ist dabei allein auf Deutschland als geographischen Markt abzustellen? Und verübt Facebook einen Missbrauch durch Ausbeutung der Kunden, obwohl die Nutzer kein Entgelt leisten? Die klassischen Fälle des Konditionenmissbrauchs waren bislang anders gelagert.

Die Kartellwächter wagen sich weit in das Gelände des Datenschutzes vor, das nicht zu ihren originären Aufgaben gehört. Das zeigt bereits die ansonsten unübliche enge Zusammenarbeit mit den Datenschutzbehörden. Der Ausgang des Verfahrens ist mit Spannung zu erwarten. Eine Buße droht Facebook nicht, denn das Amt hat lediglich ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Ein Lösungsweg könnte eine Änderung der Nut-zungsbedingungen sein, wonach keine Zusammenführung aus Daten von Drittquellen mehr erfolgen kann, selbst wenn der Nutzer im Bewusstsein aller Konsequenzen einer Verwendung seiner Daten zustimmen möchte. Bleibt die Frage: Wird die Mehrheit der Nutzer am Ende diese Ansicht des Bundeskartellamts „liken“ oder nicht? •

Prof. Dr. Daniela Seeliger ist Partnerin bei Linklaters und lehrt Europäischen und Deutsches Kartellrecht an der Martin- Luther- Universität in Halle

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