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Ein mosambikanisch-deutsches Schul-Tanzprojekt mit Dawa Mafunga und André Jolles 45 D ançar é audição – Tanzen ist Hören!“ ruft Dawa Mafunga in die Runde der SchülerInnen. Diese gucken etwas verblüfft, aber schließlich hören sie sich ein: in die Musik, die André Jolles trommelt, in Dawas merkwürdige Mischung aus Englisch, Portu- giesisch und frisch gelernten Brocken Deutsch. Gleich anschießend die nächste Irritation: And- ré Jolles fragt die SchülerInnen: „Worauf sitzen wir?“ Anatomieunterricht als Teil des Tanzun- terrichts. Dawa Mafunga ist Choreographin, Tänzerin für zeitgenössischen Tanz, Tanzlehrerin, Mit- glied der nationalen Tanzkompagnie Mosam- biks. Und Mutter. Darauf legt sie Wert: Parallel zum Schulprojekt erarbeitete sie mit dem Kölner Tänzer und Choreographen André Jolles das zeitgenössische Tanzduett „Dialog – Improvisa- tion über die Grunderfahrung des Fremdseins“ zur Musik des New Yorker Freejazz-Bassisten William Parker. In dieser Auseinandersetzung spielt für sie ihr Muttersein und das Pendeln zwischen ihren Lebensbereichen eine große Rolle. Die Verknüpfung zwischen verschiedenen Lebensbereichen und Arbeitsmethoden ist auch für das pädagogische Arbeiten von Mafunga und Jolles an den Schulen prägend: André Jolles führte jeweils unterschiedliche Formen der Fo- kus- und Echoarbeit ein, die den Jugendlichen die Chance maximaler Konzentration und kör- perlicher Sensibilität im gemeinsamen Wirken eröffnen, während Dawa Mafunga zwischen mosambikanischem erzählendem Tanztheater mit eindeutigen Figuren und Gesten und zeit- genössischen Tanzformen pendelt. Für die SchülerInnen aus den beteiligten Schulen in Dortmund, Köln und Lennestadt so- wie während der Schulpartnerschaftswerkstatt in Bielefeld waren diese Wechsel und Irritati- onen ausreichend Anregung, um zu eigenen Veränderungen der vorgeschlagenen Choreo- graphien zu kommen. Dabei spielte auch die thematisch-körperliche Auseinandersetzung ei- ne große Rolle. Über die Ressource des eigenen Körpers wurden Parallelen zur Ausbeutung und Erschöpfung natürlicher Ressourcen gezogen – was auf den ersten Blick platt anmuten mag, je- doch für die SchülerInnen sehr eindrücklich und nachvollziehbar war. Auch die Übertragungen zwischen dem Klima im Raum, dem Gruppen- klima und dem Weltklima und der Atmosphäre gelangen so sehr anschaulich und blieben in Körpererfahrungen verankert. Abschluss aller Workshops waren „Lecture Presentations“, in denen der aktuelle Arbeitsprozess dargestellt wurde, aber von den beiden LeiterInnen auch neue Elemente eingefügt wurden, so dass die Irritationen der TänzerInnen auch für das Pu- blikum wahrnehmbar und damit reflektierbar wurden. Doch das Lernen fand nicht nur auf SchülerIn- nenseite statt: So setzten sich André Jolles und Dawa Mafunga tagtäglich auch mit den eigenen unterschiedlichen Lern- und Lehrerfahrungen und -erwartungen auseinander. Dabei ließen sie die SchülerInnen an ihren Diskussionen und dem konstruktiven Umgang mit kulturell un- terschiedlich geprägten Sichtweisen teilhaben. Insbesondere Dawa Mafunga formulierte ihre Lernerfahrungen in Bezug auf die SchülerInnen folgendermaßen: „In der ersten Schule gab es für mich einen großen Schock, wie das Ver- halten und die Respektsbeziehungen zwischen LehrerInnen und Schüler in Deutschland ausse- hen. Dabei fand ich vor allem das Verhalten der SchülerInnen gewöhnungsbedürftig. Gleichzei- tig konnte ich die hier erlernten Lehrmethoden auch schon mit meinen TanzschülerInnen in Maputo erfolgreich ausprobieren.“ Die einwöchigen Workshops mit Dawa Ma- funga und André Jolles konnten an drei Schulen sowie der KKM-Schulpartnerschaftswerkstatt in Nordrhein-Westfalen mit großem Erfolg statt- finden. Aufgrund der großen Nachfrage wurde eine umfangreiche Film- und Fotodokumenta- tion erstellt. Die Dokumentation in Form einer Multi-Media-DVD sowie der KKM-Website gibt Einblicke in dieses Projekt an den Schulen. Zusätzlich werden die Schulworkshops einge- bettet in das Gesamttanzprojekt, welches auch die Workshops an zwei Schulpartnerschafts- schulen in Mosambik Anfang 2010 umfasste. Zusätzlich bietet die Dokumentation Einblicke in das aktuelle Schaffen der Companhia Naci- onal de Canto e Dança (Nationale Mosambi- kanische Tanzkompagnie) und in das aktuelle KKM-Fotoprojekt, welches ebenfalls zum The- ma „Ressourcenarmut & Ressourcenreichtum“ stattfand. Weitere Informationen unter www.kkmosam- bik.de/projekte/ressourcenarmut-ressourcen- reichtum und unter: www.687performance.de Diálogos – Dialoge Im Frühjahr und Herbst 2010 fanden an deutschen und mosambikanischen Schulen Workshops mit den beiden TänzerInnen/ChorographInnen Dawa Mafunga und André Jolles statt. Das Thema des interkultu- rellen Begegnungsprojektes lautete „Interkultureller TanzDialog: Ressourcenarmut – Ressourcenreichtum“. Parallel zum deutschen Teil präsentierten die beiden ProjektleiterInnen ihr eigenes Projekt DIALOG. Von Peter Steudtner (Text & Fotos) PHIRE – Dawa Mafungas Traum von einem Jugend- kulturzentrum im Bairro Inhagoi Schon seit fast einem Jahr übt Dawa Ma- funga ehrenamtlich mit einer Jugend- und Kindergruppe in ihrem Bairro in Maputo ver- schiedene traditionelle Tänze ein. Ihr Traum ist jedoch, dass sie dies nicht auf dem kleinen Platz in ihrem Hof vor dem Haus macht oder in ihrem Wohnzimmer, sondern in einem kleinen Kulturzentrum, für das ihr die Lokalverwal- tung des Bairro Inhagoi schon ein Gelände zugewiesen hat. Bislang fehlt es leider noch an allem: Baumaterial, um die dort stehende Ruine mit einem Dach und neuen Wänden zu reparieren, Möbeln, um die Tanzkleidung der Kinder und Jugendlichen aufzubewahren sowie einem Wasser- und Stromanschluss. Woran es nicht fehlt, sind begeisterte Kinder und Jugendliche: So kann Dawa sich kaum vor Anfragen von interessierten Eltern oder den Jugendlichen aus der Nachbarschaft retten. Wer Interesse hat, das Projekt kennen zu ler- nen oder es zu unterstützen, kann sich gerne direkt an Dawa Mafunga wenden: Email: [email protected] Schwerpunkt | Kunst & Kultur in Mosambik Mit Leichtigkeit und Humor – Kunst & Kultur in Mosambik

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Ein mosambikanisch-deutsches Schul-Tanzprojekt mit Dawa Mafunga und André Jolles

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D ançar é audição – Tanzen ist Hören!“ ruft Dawa Mafunga in die Runde der SchülerInnen. Diese gucken etwas

verblüfft, aber schließlich hören sie sich ein: in die Musik, die André Jolles trommelt, in Dawas merkwürdige Mischung aus Englisch, Portu-giesisch und frisch gelernten Brocken Deutsch. Gleich anschießend die nächste Irritation: And-ré Jolles fragt die SchülerInnen: „Worauf sitzen wir?“ Anatomieunterricht als Teil des Tanzun-terrichts.

Dawa Mafunga ist Choreographin, Tänzerin für zeitgenössischen Tanz, Tanzlehrerin, Mit-glied der nationalen Tanzkompagnie Mosam-biks. Und Mutter. Darauf legt sie Wert: Parallel zum Schulprojekt erarbeitete sie mit dem Kölner Tänzer und Choreographen André Jolles das zeitgenössische Tanzduett „Dialog – Improvisa-tion über die Grunderfahrung des Fremdseins“ zur Musik des New Yorker Freejazz-Bassisten William Parker. In dieser Auseinandersetzung spielt für sie ihr Muttersein und das Pendeln zwischen ihren Lebensbereichen eine große Rolle.

Die Verknüpfung zwischen verschiedenen Lebensbereichen und Arbeitsmethoden ist auch für das pädagogische Arbeiten von Mafunga und Jolles an den Schulen prägend: André Jolles führte jeweils unterschiedliche Formen der Fo-kus- und Echoarbeit ein, die den Jugendlichen die Chance maximaler Konzentration und kör-perlicher Sensibilität im gemeinsamen Wirken eröffnen, während Dawa Mafunga zwischen mosambikanischem erzählendem Tanztheater mit eindeutigen Figuren und Gesten und zeit-genössischen Tanzformen pendelt.

Für die SchülerInnen aus den beteiligten Schulen in Dortmund, Köln und Lennestadt so-wie während der Schulpartnerschaftswerkstatt in Bielefeld waren diese Wechsel und Irritati-onen ausreichend Anregung, um zu eigenen Veränderungen der vorgeschlagenen Choreo-graphien zu kommen. Dabei spielte auch die thematisch-körperliche Auseinandersetzung ei-ne große Rolle. Über die Ressource des eigenen Körpers wurden Parallelen zur Ausbeutung und Erschöpfung natürlicher Ressourcen gezogen – was auf den ersten Blick platt anmuten mag, je-doch für die SchülerInnen sehr eindrücklich und

nachvollziehbar war. Auch die Übertragungen zwischen dem Klima im Raum, dem Gruppen-klima und dem Weltklima und der Atmosphäre gelangen so sehr anschaulich und blieben in Körpererfahrungen verankert. Abschluss aller Workshops waren „Lecture Presentations“, in denen der aktuelle Arbeitsprozess dargestellt wurde, aber von den beiden LeiterInnen auch neue Elemente eingefügt wurden, so dass die Irritationen der TänzerInnen auch für das Pu-blikum wahrnehmbar und damit reflektierbar wurden.

Doch das Lernen fand nicht nur auf SchülerIn-nenseite statt: So setzten sich André Jolles und Dawa Mafunga tagtäglich auch mit den eigenen unterschiedlichen Lern- und Lehrerfahrungen und -erwartungen auseinander. Dabei ließen sie die SchülerInnen an ihren Diskussionen und dem konstruktiven Umgang mit kulturell un-terschiedlich geprägten Sichtweisen teilhaben. Insbesondere Dawa Mafunga formulierte ihre Lernerfahrungen in Bezug auf die SchülerInnen folgendermaßen: „In der ersten Schule gab es für mich einen großen Schock, wie das Ver-halten und die Respektsbeziehungen zwischen LehrerInnen und Schüler in Deutschland ausse-hen. Dabei fand ich vor allem das Verhalten der SchülerInnen gewöhnungsbedürftig. Gleichzei-tig konnte ich die hier erlernten Lehrmethoden auch schon mit meinen TanzschülerInnen in Maputo erfolgreich ausprobieren.“

Die einwöchigen Workshops mit Dawa Ma-funga und André Jolles konnten an drei Schulen sowie der KKM-Schulpartnerschaftswerkstatt in Nordrhein-Westfalen mit großem Erfolg statt-finden. Aufgrund der großen Nachfrage wurde eine umfangreiche Film- und Fotodokumenta-tion erstellt. Die Dokumentation in Form einer Multi-Media-DVD sowie der KKM-Website gibt Einblicke in dieses Projekt an den Schulen. Zusätzlich werden die Schulworkshops einge-bettet in das Gesamttanzprojekt, welches auch die Workshops an zwei Schulpartnerschafts-schulen in Mosambik Anfang 2010 umfasste. Zusätzlich bietet die Dokumentation Einblicke in das aktuelle Schaffen der Companhia Naci-onal de Canto e Dança (Nationale Mosambi-kanische Tanzkompagnie) und in das aktuelle KKM-Fotoprojekt, welches ebenfalls zum The-

ma „Ressourcenarmut & Ressourcenreichtum“ stattfand.

Weitere Informationen unter www.kkmosam-bik.de/projekte/ressourcenarmut-ressourcen-reichtum und unter: www.687performance.de

Diálogos – DialogeIm Frühjahr und Herbst 2010 fanden an deutschen und mosambikanischen Schulen Workshops mit den beiden TänzerInnen/ChorographInnen Dawa Mafunga und André Jolles statt. Das Thema des interkultu-rellen Begegnungsprojektes lautete „Interkultureller TanzDialog: Ressourcenarmut – Ressourcenreichtum“. Parallel zum deutschen Teil präsentierten die beiden ProjektleiterInnen ihr eigenes Projekt DIALOG.

Von Peter Steudtner (Text & Fotos)

PHIRE – Dawa Mafungas Traum von einem Jugend-kulturzentrum im Bairro Inhagoi

Schon seit fast einem Jahr übt Dawa Ma-funga ehrenamtlich mit einer Jugend- und Kindergruppe in ihrem Bairro in Maputo ver-schiedene traditionelle Tänze ein. Ihr Traum ist jedoch, dass sie dies nicht auf dem kleinen Platz in ihrem Hof vor dem Haus macht oder in ihrem Wohnzimmer, sondern in einem kleinen Kulturzentrum, für das ihr die Lokalverwal-tung des Bairro Inhagoi schon ein Gelände zugewiesen hat. Bislang fehlt es leider noch an allem: Baumaterial, um die dort stehende Ruine mit einem Dach und neuen Wänden zu reparieren, Möbeln, um die Tanzkleidung der Kinder und Jugendlichen aufzubewahren sowie einem Wasser- und Stromanschluss. Woran es nicht fehlt, sind begeisterte Kinder und Jugendliche: So kann Dawa sich kaum vor Anfragen von interessierten Eltern oder den Jugendlichen aus der Nachbarschaft retten.

Wer Interesse hat, das Projekt kennen zu ler-nen oder es zu unterstützen, kann sich gerne direkt an Dawa Mafunga wenden:Email: [email protected]

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Mit Leichtigkeit und Humor – Kunst & Kultur in Mosambik