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Leuphana Universität Lüneburg Globale Gerechtigkeit im Kontext der „Umweltproblematik“ Inwieweit kann ein kosmopolitischer Ansatz potenziell zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen? Hausarbeit Eingereicht von Marie-Lisa Feller Matrikelnummer: 3035714 Email: [email protected] Grundweg 2, 21335 Lüneburg Modul „Wissenschaft lehrt Verstehen“ Seminar Digitalisierung, Europa, Philosophie: Wie alle drei zusammen der Menschheit bei dem Ziel des Weltfriedens sehr zur Hilfe kommen können Dozent Marco de Angelis Abgabedatum 15.03.2018 Semester Wintersemester 2018/19

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Leuphana Universität Lüneburg

Globale Gerechtigkeit im Kontext der „Umweltproblematik“ –

Inwieweit kann ein kosmopolitischer Ansatz potenziell zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen?

Hausarbeit

Eingereicht von Marie-Lisa Feller Matrikelnummer: 3035714 Email: [email protected] Grundweg 2, 21335 Lüneburg Modul „Wissenschaft lehrt Verstehen“ Seminar Digitalisierung, Europa, Philosophie: Wie alle drei zusammen

der Menschheit bei dem Ziel des Weltfriedens sehr zur Hilfe kommen können

Dozent Marco de Angelis Abgabedatum 15.03.2018 Semester Wintersemester 2018/19

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...................................................................................................... 3

2. Begriffsdeutung ............................................................................................. 42.1. Gerechtigkeit.......................................................................................................................................................42.2. Kosmopolitismus..............................................................................................................................................5

3. Theoretische Gerechtigkeitskonzeptionen .................................................. 53.1. ImmanuelKant„ZumewigenFrieden“...................................................................................................53.2. JohnRawls„ATheoryofJustice“................................................................................................................63.3. OtfriedHöffe„komplementäreWeltrepublik?“...................................................................................8

4. Globale Gerechtigkeit im Bezug auf die „Umweltproblematik“ .............. 94.1. UmweltgerechtigkeitalsglobaleHerausforderung...........................................................................94.2. DistributiveGerechtigkeit..........................................................................................................................104.3. Generationengerechtigkeit........................................................................................................................10

5. Kosmopolitische Normen als Lösungsansatz? ......................................... 125.1. „Weltrepublik“und„Weltbürger“...........................................................................................................125.2. KosmopolitischeWeltrepublik–EineUtopie?..................................................................................13

6. Fazit .............................................................................................................. 14

7. Literaturverzeichnis ................................................................................... 16

Eigenständigkeitserklärung ............................................................................. 17

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1. Einleitung In Zeiten der Globalisierung wird die gesamte Welt in den verschiedenen ökonomischen,

politischen aber auch kulturellen Sphären zunehmend vernetzt. Dadurch werden uns auch

vermehrt globale Gefahren und Herausforderungen vor Augen geführt. Insbesondere die

Umweltprobleme unserer Zeit werden durch eine globale Verflechtung immer deutlicher. Der

Begriff „Umweltproblematik“ vereint hierbei im Folgenden die verschiedenen Krisen wie

etwa die aktuelle Klimakrise, die Umweltverschmutzung, die Ausbeutung natürlicher

Ressourcen oder die Zerstörung von Ökosystemen. Durch diese Probleme und weitere

Herausforderungen nimmt auch die Erkenntnis zu, dass wir alle eine gemeinsame Lebenswelt

teilen und damit verbundene Probleme auch einer gemeinsamen globalen Lösung bedürfen.

Die Ungleichheiten, die auch im Kontext der „Umweltproblematik“ unsere gegenwärtige

Gesellschaft prägen, rücken damit zunehmend die Frage nach globaler Gerechtigkeit in den

Fokus.

Die Herausforderungen, die mit diesen Ungleichheiten verbunden sind, lassen sich nicht auf

einen Nationalstaat begrenzen, da die Kompetenz, diese zu lösen, die Möglichkeiten eines

einzelnen Staates meist übersteigen. Vor diesem Hintergrund ist eine globale

Betrachtungsweise mit globalen Lösungsstrategien erforderlich. Die vorliegende Arbeit

beschäftigt sich daher mit der Frage, inwieweit ein kosmopolitischer Ansatz potenziell zu

mehr globaler Gerechtigkeit beitragen könnte, indem die aktuelle „Umweltproblematik“

exemplarisch für weitere globale zu lösende Probleme steht. Hierfür bezieht sich die Arbeit

schwerpunktmäßig auf die philosophische Herangehensweise eines

Gerechtigkeitsverständnisses, welches in Zeiten der Globalisierung neu debattiert wird. Die

Philosophie soll dabei helfen, die Entwicklungen unserer Geschichte nachzuvollziehen und

gleichzeitig realisierbare Wege für eine gerechtere Zukunft aufzeigen.

Zur Einführung werden die Begriffe „Gerechtigkeit“ und „Kosmopolitismus“ gesondert

betrachtet, um im abschließenden Teil der Arbeit ihre mögliche Verbindung aufzuzeigen. Im

weiteren Verlauf werden verschiedene philosophische Gerechtigkeitskonzeptionen genauer

untersucht. Hierzu dient zunächst die Konzeption der Gerechtigkeit von Immanuel Kant,

welcher durch sein Werk „Zum ewigen Frieden“ bereits 1795 den Gedanken des

Universalismus prägte. Auf Grundlage dessen wird die Konzeption mit dem von John Rawls

geprägtem Kontraktualismus und Otfried Höffes Idee einer globalen komplementären

Weltrepublik in Verbindung gebracht. Bei beiden lassen sich Parallelen zu Kants Ansätzen

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erkennen, welche jedoch unterschiedlich weitergeführt werden. Darauf aufbauend wird die

der Begriff der Gerechtigkeit in Zeiten der Globalisierung in den Kontext der

„Umweltproblematik“ eingeordnet. Hierfür wird insbesondere die Verteilungs- und

Generationengerechtigkeit genauer betrachtet. Abschließend wird der Kosmopolitismus als

möglicher Lösungsansatz für mehr globale Gerechtigkeit diskutiert, indem unter anderem

genauer auf Ulrich Becks Idee einer „Weltrisikogesellschaft“ eingegangen wird.

2. Begriffsdeutung

2.1. Gerechtigkeit Die Idee einer von Gerechtigkeit geformten Welt, gehörte schon früh zu den erstrebenswerten

Zielen der Menschheit und prägte daher als Begriff bereits in der Antike die philosophischen

Debatten. So befasst sich schon Platon (428/427 – 347 v.Chr.) in seinem Dialog „Politeia“

(„Der Staat“) mit der Legitimation von Gerechtigkeit durch eine mögliche Umsetzung in

Form einer Philosophenherrschaft. Auch im 21. Jahrhundert, also rund 2500 Jahre nach

diesen Überlegungen, scheint unsere Gesellschaft geprägt von Ungerechtigkeiten und

Ungleichheiten, die eine fortwährende Auseinandersetzung mit der Thematik erfordern. So

stellt Gerechtigkeit auch für zeitgenössische Philosophen noch ein bedeutendes Thema dar:

„Ursprünglich bedeutet Gerechtigkeit lediglich die Übereinstimmung mit dem geltenden Recht. Bis heute heißt die dem Recht dienende Behörde, das Gerichtswesen, Justiz. Ohne die enge Beziehung zum Recht aufzugeben, hat die Gerechtigkeit aber seit langem eine umfassendere und stärker moralische Bedeutung.“ (Höffe, 2004, S.9)

Die multidimensionale Bedeutung, die der 1943 geborene deutsche Philosoph Otfried Höffe

betont, wird in der aktuellen Gerechtigkeitsdebatte durch die zunehmende Globalisierung

besonders deutlich. Vertreter der politischen Philosophie beschäftigen sich vermehrt mit der

Frage, ob Gerechtigkeit notwendigerweise an einen Staat gekoppelt ist und daher aus der

Perspektive eines Staates organisiert werden sollte, der für gerechte Regeln und deren

Einhaltung sorgt, oder ob das Verblassen von Staatsgrenzen im Zuge der Globalisierung auch

zu einer Verschiebung der Verantwortung hin zu einer globaleren Ebene beiträgt (vgl.

Goppel/Mieth, 2016, S.16). Daraus ergibt sich außerdem die Frage, ob die Globalisierung

schon weit genug vorangeschritten ist, um überhaupt ein globales Gerechtigkeitsverständnis

zu entwickeln.

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2.2. Kosmopolitismus Der Begriff „Kosmopolitismus“ reicht zurück bis in die griechische Antike, von wo aus er

sich bis heute zu unterschiedlichen Theorieansätzen weiterentwickelt hat. Die ursprüngliche

Idee des kynischen Philosophen Diogenes von Sinope, sich als „Kosmopolit“, also als

‚Weltbürger’ zu bezeichnen, meint dabei die eigene Identifikation mit einer universellen

Gemeinschaft (vgl. ebd., S.223). Heute verwenden wir diesen Ausdruck unteranderem, um zu

beschrieben, dass jemand weltgewandt ist und sich als Teil einer globalen Weltordnung

wahrnimmt (vgl. Henning, 2009, S.223). Vertreter des Kosmopolitismus verweisen auf eine

globale Vernetzung des gesamten ‚kosmos’ (griechisch: Universum, Ordnung, Weltordnung)

und streben nach einer Weltgesellschaft, in der die Nationalstaaten nicht isoliert voneinander

betrachtet werden. Insbesondere in Zeiten der Globalisierung, in der sich Nationalstaaten

nicht mehr unabhängig voneinander entwickeln können und Menschen verstärkt ihre

gegenseitige Abhängigkeit erfahren, gewinnt der Begriff zunehmend an Bedeutung (vgl. ebd.,

S.29).

3. Theoretische Gerechtigkeitskonzeptionen

3.1. Immanuel Kant „Zum ewigen Frieden“ Bereits 1795, lange bevor der Globalisierungsprozess begann, formulierte der deutsche

Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) in seinem Werk „Zum ewigen Frieden“ die Idee von

Gerechtigkeit in Form eines föderalen Völkerstaats. Gerechtigkeit und damit auch ewiger

Frieden ist für ihn nur in im Sinne einer demokratischen Völkergemeinschaft zu realisieren

(vgl. Kant, 1795, S.135f.). Dem gegenüber steht eine Weltgemeinschaft, die durch die

Existenz von vielen Nationalstaaten ohne gemeinsamen Konsens gekennzeichnet ist. Durch

seine Unterscheidung in „Staatsbürgerrecht, Völkerrecht und Weltbürgerrecht“ (ebd., S.349)

schließt er in seine Überlegungen nicht nur innerstaatliche Dimensionen, sondern auch die

Beziehung zwischen Menschen aus verschiedenen Staaten mit ein und verdeutlicht damit

bereits einen ersten kosmopolitischen Ansatz. Das Weltbürgerrecht basiert auf dem

sogenannten „Recht der Hospitalität“, welches wie ein Besuchsrecht für andere Länder

verstanden werden kann. Demzufolge ist jedem Individuum auch außerhalb des eigenen

Landes ein friedvoller Umgang garantiert (vgl. ebd., S.357). Obwohl das Weltbürgerrecht

noch nicht den Schutz von Menschenrechten, sondern lediglich das Besuchsrecht in anderen

Ländern einschließt, kann seine Idee als ein entscheidender Fortschrittsgedanke hin zu einer

neuen Friedens- und Rechtsordnung angesehen werden (vgl. Henning, 2009, S.73f.).

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Globale Gerechtigkeit kann sich für Kant folglich nicht aus einem rein nationalstaatlichen

Denken, sondern nur aus einem gemeinsamen ‚Weltgeist’ entwickeln, der auf dem

Zusammenschluss einer föderalen Republik basiert (vgl. Höffe, 2011, S.80). Dass „die

Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird“ (Kant, 1795, S.360) betont

diese globale und universelle Sicht Kants auf die Beziehungen zwischen den Staaten. Für ihn

stellt das Friedensinteresse der einzelnen Völker ein ausreichendes Motiv dar, welches die

Völker dazu veranlasst, sich international auf freiwilliger Basis auf einen weltbürgerlichen

Völkerrechtsvertrag einzulassen, mit dem Bestreben, den ewigen Frieden zu garantieren.

Gerade dieses Vertrauen in die Kooperationsbereitschaft der Republiken, die er als Prämisse

sieht, stellt laut Henning (vgl. 2009, S.74) die Realisierbarkeit Kants Vision in Frage. Zwar

spricht Kant noch nicht von einer konkreten Umsetzung globaler Gerechtigkeit, zum Beispiel

in Form einer politischen oder distributiven Gerechtigkeit, jedoch hat er durch die Idee einer

freiwilligen Föderation von Staaten im Sinne eines kosmopolitischen und universellen

Ansatzes „ein entscheidende[n] Schritt hin zu einer Theorie globaler Gerechtigkeit getan“

(Broszies/Henning, 2010, S.17).

3.2. John Rawls „A Theory of Justice“ Weiter gedacht wurde dieser Ansatz unter anderem von dem bedeutendsten zeitgenössischen

Vertreter der Vertragstheorie, dem US-amerikanischen Philosophen John Rawls (1921-2002),

welcher die moderne politische Philosophie entscheidend prägte. Sein Werk „Eine Theorie

der Gerechtigkeit“ (A Theory of Justice) (1975) wird als eine der einflussreichsten

Gerechtigkeitstheorien betrachtet, weshalb die vorliegende Arbeit auf die wichtigsten seiner

Grundposition eingeht. Rawls’ Kontraktualismus baut auf zwei wesentlichen

Gerechtigkeitsprinzipien auf. Der Grundsatz des Freiheitsprinzips und der des

Differenzprinzips. Ersterer spricht jedem Individuum das gleiche Maß an Grundfreiheiten zu,

während letzterer besagt, dass ungleiche Verteilungen innerhalb einer Gesellschaft nur dann

zu rechtfertigen sind, wenn sie dem Wohle der gesamten Bevölkerung zu gute kommen, also

auch den schlechter gestellten einen Vorteil bringen (vgl. Rawls, 1975, S.336).

Gerechtigkeit definiert sich für Rawls als „erste Tugend sozialer Institutionen“ (ebd., S.19).

Für ihn ergibt sich Gerechtigkeit demnach aus der politischen Institutionalisierung staatlicher

Strukturen, die hinsichtlich ihrer Gerechtigkeitsprinzipien bewertet werden können (vgl.

Goppel/Mieth, 2016, S.25). Besonders interessant erscheint dabei die Generierung dieser

Gerechtigkeitsprinzipien. Rawls schreibt jedem Menschen eine „aus der Gerechtigkeit

entspringende Unverletzlichkeit [zu], die auch im Namen des gesamten Wohles der ganzen

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Gesellschaft nicht aufgehoben werden kann“ (Rawls, 1975, S.19f.). Diese Gerechtigkeit

ergibt sich für ihn aus dem „Urzustand“, in dem sich freie und vernunftbegabte Individuen auf

gemeinsame und faire Vereinbarungen einigen. In diesem fiktiven Gedankenexperiment setzt

Rawls den sogenannten „Schleier des Nichtwissens“ (ebd., S.159) voraus. Dieser besagt, dass

die Individuen bei der Ausarbeitung der Vereinbarungen nicht über ihre gesellschaftlichen

individuellen Umstände in Kenntnis gesetzt sind und daher nicht versuchen können, die

Gerechtigkeitsprinzipien zu ihren Gunsten zu beeinflussen (vgl. ebd., S.159f.). Nur hieraus

kann sich für Rawls die „Gerechtigkeit als Fairneß“ ergeben.

Obwohl seine Gerechtigkeitskonzeption an die von Kant angelehnt ist (vgl. Henning, 2009,

S.85), unterscheiden sich beide doch in sehr wesentlichen Aspekten. Während sich bei Kant

bereits Ansätze des Kosmopolitismus wiederfinden lassen, gilt Rawls als Vertreter des

Partikularismus. Diese beiden Grundpositionen unterscheiden sich insbesondere in Bezug auf

Gerechtigkeit sehr deutlich. Der Kosmopolitismus geht normativ davon aus, dass alle

Menschen von gleicher moralischer Wichtigkeit sind und man daher auch von globaler

Gerechtigkeit sprechen kann, welche die gesamte Menschheit umfasst (vgl.

Broszies/Henning, 2010, S.10). Im Gegensatz hierzu vertritt der Partikularismus die

Auffassung, dass der Einflussbereich von Gerechtigkeit begrenzt ist und sich etwa nur auf

Mitglieder eines Staates oder einer Nation beschränken lässt (vgl. ebd., S.11.).

Als Vertreter des Partikularismus vertritt Rawls daher die Auffassung, dass die Vision einer

Weltrepublik nicht erstrebenswert ist, da Gerechtigkeit für ihn eine interne Angelegenheit der

Völker darstellt (vgl. Henning, 2009, S.85). Dass sich sein Gerechtigkeitsmodell in seiner

1975 formulierten Vertragstheorie noch am Nationalstaat orientiert und nicht in den globalen

Kontext einer internationalen Rechtsgemeinschaft einzuordnen ist, geht insbesondere aus

folgendem Auszug hervor:

„Ich bin zufrieden, wenn es gelingt, einen vernünftigen Gerechtigkeitsbegriff für die Grundstruktur der Gesellschaft zu formulieren, wobei wir uns die Gesellschaft vorerst als geschlossenes System vorstellen, das keine Verbindung mit anderen Gesellschaften hat.“ (Rawls, 1975, S.19f.)

Diese Begrenzung auf einzelne Gesellschaften erweitert Rawls jedoch in seinem 2002

verfassten Werk „Das Recht der Völker“ (The Law of Peoples). Hier überträgt er seine

nationale Gerechtigkeitskonzeption auf eine internationale Ebene, die jedoch nach wie vor auf

den wichtigsten Interessen der Völker basiert (vgl. Henning, 2009, S.86). Mit dieser

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Erweiterung nährt er sich den Konzeptionen eines Weltbürgerrechts – und somit einer

kosmopolitischen Ebene – zwar an, stimmt jedoch hinsichtlich eines Völkerrechtsvertrags, der

laut Kant auch ohne eine Weltregierung möglich ist, nicht mit diesem überein (vgl. ebd.,

S.70).

3.3. Otfried Höffe „komplementäre Weltrepublik?“ Höffe hat sich umfassend mit diesen beiden vorangegangen und weiteren einflussreichen

Philosophen beschäftigt, die sich ihrerseits schon mit der Thematik befasst haben, um durch

eine Weiterentwicklung dieser Ansätze zu seiner eigenen philosophischen

Gerechtigkeitskonzeption zu gelangen (vgl. Höffe, 2004). Insbesondere beschäftigt er sich mit

der Frage der Gerechtigkeit im Zeitalter der Globalisierung. In diesem Zusammenhang wirft

Höffe die Frage auf, ob die bereits von Kant entworfene Idee einer Weltrepublik

erstrebenswert und realisierbar ist. Da sich im Zuge der Globalisierung auch die Frage der

Gerechtigkeit im Zusammenhang mit aktuellen Problemen wie der „Umweltproblematik“ neu

stellt, bietet Höffe’s kosmopolitische Vision einen besonders interessanten Ansatz.

Für Höffe ist der sogenannte „Welt-Gerechtigkeitssinn“ (Höffe, 1999, S.342ff.) eine

Voraussetzung, um soziale Gerechtigkeit global zu realisieren. Durch diesen globalen

Gerechtigkeitssinn sind Mitglieder einer globalen Gesellschaft eher bereit auf eigene

Freiheiten zu verzichten, um zum Wohle aller Gerechtigkeit für jedes Mitglied dieser

Gemeinschaft zu garantieren (vgl. Henning, 2009, S.29). Dieser universelle Anspruch Höffe’s

verdeutlicht die Gegensätzlichkeit zu der von Rawls vertretenen Idee des Partikularismus,

welcher sich eher als Vertreter des Kosmopolitismus sieht. Er geht jedoch noch weiter als

Kant, in dem er die Idee einer auf Freiwilligkeit basierenden Föderation von Staaten

zurückweist. Da diese Art der Freiwilligen Föderation in Anbetracht der komplexen Probleme

der Globalisierung wie beispielsweise den ökologischen Herausforderungen nicht ausreicht,

stellt er eine komplementäre „Weltrepublik als gleichermaßen rechtsmoralisch geboten und

realpolitisch möglich“ (ebd., S.76) dar.

In diesem Zusammenhang weist er auf eine von der Globalisierung geprägte

„Schicksalsgemeinschaft“ (Höffe, 1999, S.20) hin, die verdeutlichen soll, dass das Teilen von

gemeinsamen globalen Herausforderungen und Problemen entscheidend ist, um seine Idee

einer komplementären Weltrepublik zu realisieren. Hierfür setzt er außerdem eine

Souveränitätsabgabe der einzelnen Nationalstaaten voraus, die in Teilen für die globale

gesellschaftliche Weltrepublik geleistet werden muss (vgl. ebd., S.126f.). Die Realisierung

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dieser komplementären Weltrepublik ist jedoch laut Henning (vgl. 2009, S.83) in Frage zu

stellen, welcher auf die Problematik der freiwilligen Souveränitätsabgabe verweist.

4. Globale Gerechtigkeit im Bezug auf die „Umweltproblematik“

4.1. Umweltgerechtigkeit als globale Herausforderung Seit Beginn der Menschheitsgeschichte stellt die naturale Umwelt unsere Lebensgrundlage

dar, die uns mit notwendigen Ressourcen versorgt. Trotzdem nehmen wir – scheinbar ohne

besondere Rücksichtnahme – insbesondere seit der Industriellen Revolution zunehmenden

direkten und indirekten negativen Einfluss auf diese Grundlage (vgl. Goppel/Mieth, 2016,

S.406). Schon lange besteht ein wissenschaftlich fundierter Konsens, dass wir Menschen das

Klima verändern und damit für viele Umweltprobleme unserer Zeit zum großen Teil selbst

verantwortlich sind (vgl. IPCC, 2018). Obwohl alle Menschen global zu dieser Entwicklung

beitragen, gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Hauptverantwortlichen, die zu einer

Verschärfung des Problems beitragen, und den Leitragenden, die die größten Auswirkungen

zu spüren bekommen (vgl. Tilman, 2007, S.18). Hier liegt eine enorme

Unverhältnismäßigkeit vor, da einige Länder, insbesondere die Industrieländer, durch einen

besonders hohen Lebensstandard deutlich mehr Treibhausgase verursachen als andere, meist

die sogenannten Entwicklungsländer. Trotzdem werden die Folgelasten des Klimawandels

nicht dementsprechend geographisch „zurückverteilt“, sondern treffen in Form von

klimabedingten Naturkatastrophen häufig Länder, die deutlich weniger Treibhausgase

emittieren (vgl. ebd., S.19).

Am Beispiel dieser Problematik wird deutlich, dass besonders die Frage nach sozialer

Gerechtigkeit verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit rücken muss. Hierfür hat sich

terminologisch bereits der Begriff der Umweltgerechtigkeit etabliert, welcher unter anderem

die Verteilungs- und die Generationengerechtigkeit umfasst (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.406).

Es geht dabei nicht um die Gerechtigkeit der Umwelt gegenüber als eigenes „Subjekt“,

sondern um die anthropozentrische Sicht der Gerechtigkeit im Kontext der Umwelt, also eine

Gerechtigkeit zwischen den Menschen. Dass dies global betrachtet werden muss, ergibt sich

unter anderem dadurch, dass unsere natürliche Umwelt ein grenzüberschreitendes Gut

darstellt, dass keinem Nationalstaat zugeordnet werden kann (vgl. Höffe, 2004, S.107). Des

Weiteren sind die Konsequenzen der umweltschädigenden Handlungen, wie etwa das

Emittieren von Treibhausgasen, auf lange Sicht unabhängig vom Entstehungsort.

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4.2. Distributive Gerechtigkeit Die distributive Gerechtigkeit, auch Verteilungsgerechtigkeit, stellt eine Kernfrage dieser

Umweltgerechtigkeit dar. Sie kommt überall dort zum Tragen, wo Menschen in einem

kooperierenden Verhältnis zueinander stehen und es darum geht, alle Beteiligten in gleicher

und gerechter Weise zu berücksichtigen (vgl. Henning, 2009, S.26). Konkret geht es dabei

zum Beispiel um die Verteilung von Ressourcen. Höffe betont in seinem „Gesetz der

Knappheit“ (Höffe, 2004, S.26f.), dass sich insbesondere aus der Begrenztheit unserer

natürlichen Ressourcen viele Gerechtigkeitsaufgaben ergeben. Zusätzlich sind diese

Ressourcen zwar zufällig aber nicht gleichmäßig verteilt. Wendet man nun Ralws Idee einer

Verteilungsgerechtigkeit an, die besagt, dass alle „die aufgrund ihrer natürlichen Ausstattung

schlechter gestellt sind [...] kompensiert werden [müssen]“ (Rawls, 1975, S.109), würde das

im Fall der natürlichen Ressourcen eine globale Umverteilung erfordern oder zumindest einen

nötigen Ausgleich dieser Ungleichheit im Sinne einer Kompensation bedeuten.

Des Weiteren schließt die Verteilungsgerechtigkeit aber auch die gemeinsamen Lasten mit

ein. Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Folgelasten der Umweltverschmutzung und

denen des Klimawandels. Diese sind genauso wie die Ressourcen arbiträr und damit ungleich

verteilt (vgl. Tilman, 2007, S.20). Bezogen auf Rawls’ Ausgangssituation des Urzustandes

würden die vernunftbegabten Individuen sich nicht nur für ihre größtmögliche Freiheit,

sondern auch für eine faire Umverteilung aussprechen, da keiner das Interesse hat, die

Prinzipien, aufgrund des „Schleiers des Nichtwissens“ zum eigenen Vorteil auszunutzen (vgl.

Goppel/Mieth, 2016, S.111). Die Schwierigkeit, diese Umverteilung zu realisieren, stellt die

Menschheit somit vor ein großes Verteilungsproblem, da sowohl nicht reproduzierbare

Ressourcen im Sinne einer globalen Gerechtigkeit als auch die Folgen der „Umweltprobleme“

verteilt werden müssen.

4.3. Generationengerechtigkeit Eine weitere Form der sozialen Gerechtigkeit stellt die Generationengerechtigkeit dar (vgl.

Henning, 2009, S.27). Der Begriff umfasst dabei sowohl die intragenerationale Gerechtigkeit,

also die Beziehung zwischen heute lebenden Generationen, als auch die intergenerationale

Gerechtigkeit, welche sich auf die Beziehung zwischen den heute lebenden Generationen und

den bereits verstorbenen- oder noch nicht geborenen Generationen bezieht. Da sich bei

philosophischen Diskussionen meist auf den letzteren Fall bezogen wird (vgl. Goppel/Mieth,

2016, S.130), wird im Folgenden schwerpunktmäßig die intergenerationale Gerechtigkeit

eingegangen. Da keiner Generation ein Vorrecht auf die „Nutzung“ der Natur eingeräumt

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werden kann, wirft die Generationengerechtigkeit folglich auch im Zusammenhang mit der

„Umweltproblematik“ viele Probleme auf.

Besonders die Ressourcenübernutzung, die Umweltverschmutzung sowie der Zerstörung von

Ökosystemen werfen vermehrt die Frage nach Gerechtigkeitspflichten gegenüber zukünftigen

Generationen auf, da diese unumkehrbare langfristige Folgen mit sich bringen. Unser

derzeitiger meist ressourcenintensiver Lebensstandard sowie die zusätzliche Bedrohung der

Artenvielfalt durch den menschengemachten Klimawandel wird die Lebensbedingungen

zukünftiger Generationen maßgeblich beeinflussen (vgl. ebd., S.133). Dadurch ergibt sich

eine Herausforderung des Abwägens der Vorteile für derzeit lebende Generationen, sowie die

gleichzeitige Rücksichtnahme der Nachteile für zukünftige Generationen (vgl. ebd., S.407).

Rawls hat sich in seiner Gerechtigkeitskonzeption mit diesen Herausforderungen und dem

daraus resultierenden Generationskonflikt auseinandergesetzt. Dieser Konflikt ist nicht nur

ein wichtiger Bestandteil seiner Gerechtigkeitstheorie, sondern stellt für ihn auch ein

besonders herausforderndes Problem dar (vgl. Rawls, 1975, S.319). Zwischen der

intergenerationalen Gerechtigkeit lassen sich Parallelen zu seiner Konzeption der

internationalen Gerechtigkeit ziehen (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.135). Dabei wirft allerdings

der bereits erläuterte Urzustand theoretische Probleme auf, da alle Teilnehmer derselben

Generation angehören, und somit Vertreter zukünftiger Generationen vermutlich nicht

berücksichtigt werden (vgl. ebd., S.481). Um dieses theoretische Problem zu lösen passt

Ralws sein Konzept der Generationengerechtigkeit in seinem 2001 veröffentlichten Werk

„Justice as Fairness. A Restatement“ an, indem er ein Verhalten der Generationen voraussetzt,

dass dem entspricht, welches sie sich die „aktuell“ lebenden Generationen auch von

vergangenen Generationen gewünscht hätten (vgl. ebd., S.481f.).

Höffe, der bezogen auf diese Herausforderungen von einer „neuen sozialen Frage“ (Höffe,

2004, S.89) spricht, entwickelt den Grundsatz, dass „eine Generation, die sich das Recht

nimmt, durch wachsende Bevölkerung die Umwelt stärker zu belasten, [...] die Pflicht [hat],

die ökologische Bilanz insgesamt im selben Maß zu verbessern.“ (ebd., S.108). Gegenwärtig

schöpfen wir unsere Ressourcen jedoch aus und investieren zu wenig in die Aufrechterhaltung

unserer naturalen Umwelt, wodurch die Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen

nicht gegeben ist (vgl. von Egan-Krieger et al., S.14f.) Als möglichen Ausweg aus dieser

misslichen Lage spricht sich Höffe für die bereits erwähnte komplementäre Weltrepublik aus:

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Da dies „nicht nur regional, sondern in globaler Vernetzung geschieht, ist einmal mehr die

Weltrepublik gefordert.“ (ebd., S.108).

5. Kosmopolitische Normen als Lösungsansatz?

5.1. „Weltrepublik“ und „Weltbürger“ Die Idee einer Weltrepublik steht dabei in enger Verbindung zu der Vision einer globalen

oder auch kosmopolitischen Gerechtigkeit. Diese zielt darauf ab, alle Menschen bei der

Ausarbeitung und Umsetzung von Gerechtigkeitsprinzipien zu berücksichtigen (vgl.

Goppel/Mieth, 2016, S.223). Vertreter des Kosmopolitismus argumentieren, dass eine

Verwendung des Begriffs „globale Gerechtigkeit“ insbesondere im Kontext der weltweit

globalen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten moralisch geboten ist (vgl. Broszies/Hahn,

2010, S.12). Für Höffe stellt insbesondere der „Welt-Gerechtigkeitssinn“ (Höffe, 1999,

S.342), also ein öffentlich geteiltes Gerechtigkeitsverständnis, eine zentrale Voraussetzung für

die Realisierung globaler Gerechtigkeit dar. Es bedarf erst einer gemeinsamen Identifikation

der Mitglieder als ‚Weltbürger’ zu dieser Weltgesellschaft, damit diese bereit sind, ihre eigene

Freiheit zum Wohle der Anderen und im Sinne einer globalen Gerechtigkeit zu begrenzen

(vgl. Henning, 2009, S.29).

Dies basiert auf der Annahme, dass alle Menschen sich wechselseitig als gleichberechtigt

anerkennen und somit weder versuchen andere auszubeuten, noch die eigenen Vorteile und

Privilegien ausnutzen (vgl. Höffe, 2004, S.110). Die Konzeption eines Weltstaates mit einer

globalen Bürgerschaft setzt daher voraus, dass wir uns auch denjenigen gegenüber

verantwortlich fühlen, die uns fremd sind. Der Begriff der Anerkennung beschreibt in diesem

Zusammenhang zunächst einmal den normativen Begriff, „dass man andere in einer

bestimmten Weise wahrnimmt und positiv bestätigt“ (Goppel/Mieth, 2016, S. 328), er wurde

jedoch durch verschiedene Anerkennungstheorien erweitert.

Unter anderem bringt Kant in seinem kategorischen Imperativ den Begriff der Anerkennung

zum Ausdruck, indem er sich dafür ausspricht, Mitmenschen als Zweck und niemals als

Mittel zu gebrauchen (vgl. Kant, 1795, S.429). Diese intersubjektive Anerkennung, impliziert,

dass „das menschliche Subjekt, nicht nur sich selbst [...] sondern auch die anderen Menschen

als schöpferische Wesen betrachte[t], als Subjekte, nicht als Objekte“ (de Angelis, 2016,

S.118). Demnach kann das Konzept einer globalen Gerechtigkeit ausschließlich dann

umgesetzt werden, wenn Menschen sich weltweit anerkennen, da sie sich dann auf faire Art

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und Weise behandeln und sich nicht gegenseitig ausnutzen würden. Letzteres Prinzip würde

der Anerkennung wiedersprechen. Bezogen auf die „Umweltproblematik“, würde eine

weltweite intersubjektive Anerkennung folglich auch ausschließen, dass wir die Ressourcen

unverhältnismäßig ausschöpfen oder Ökosysteme in anderen Ländern zerstören, um unseren

eigenen Wohlstand zu erhöhen. Dies schließt auch die Anerkennung zukünftiger

Generationen mit ein.

5.2. Kosmopolitische Weltrepublik – Eine Utopie? Es stellt sich jedoch die Frage, wie diese theoretische Idee in die Praxis umgesetzt werden

kann. Einen ersten Ansatz ließe sich aus Höffes (vgl. 1999, S.342) Idee des ‚Welt-

Gerechtigkeitssinns’ weiterentwickeln. Ein solcher Gerechtigkeitssinn könnte zum Beispiel

durch die „Kosmopolitisierung des Staatsbürgerrechts“ (Henning, 2009, S.141) gestärkt

werden, der hierbei auf die amerikanische Professorin Seyla Benhabib verweist. Benhabib,

die sich insbesondere mit der politischen Konzeption des Kosmopolitismus’ befasst, schlägt

hierfür einen „Pass als Weltbürger“ (Benhabib, 2008, S.158) vor, der die Anerkennung der

Mitbürger und somit kosmopolitische Politik und Gerechtigkeitsnormen voranbringen könnte.

Bestärkt wird diese Idee von Argumenten der politischen Kosmopoliten, die darauf

hinweisen, dass sich im Zuge der Globalisierung bereits „eine Mentalitätsveränderung

einzustellen beginnt [...] [und], dass es heute schon Menschen gibt, die sich als Weltbürger

verstehen.“ (Henning, 2009, S.189).

Diese Mentalitätsveränderung ist auch im Zusammenhang mit der „Umweltproblematik“

ersichtlich. Die globalen Herausforderungen verstärken die sogenannte

„Dependenzerfahrung“ (ebd., S.29), also die Erfahrung, dass Menschen aufgrund der

Wechselwirkung ihrer Handlungen voneinander abhängig sind. Als exemplarisch hierfür kann

der Klimawandel angesehen werden, welcher sich weder im Hinblick auf die Ursache noch

auf die Auswirkungen örtlich beschränken lässt. Der Münchner Soziologe Ulrich Beck spricht

in diesem Zusammenhang von einem sogenannten „Kosmopolitisierungsdruck“ (Beck, 2007,

S.111), der sich durch ein zunehmendes ökologisches Risikobewusstsein der Gesellschaft

verstärkt:

„Die Weltrisikogesellschaft erzwingt den Blick auf die Pluralität der Welt, die der nationale Blick ignorieren konnte. Globale Risiken eröffnen einen moralischen und politischen Raum, aus dem eine über Grenzen und Gegensätze hinweggreifende zivile Kultur der Verantwortung hervorgehen kann. Die traumatische Erfahrung der Verwundbarkeit aller und der daraus entstehenden Verantwortung für Andere, auch um des eigenen Überlebens willen, sind die zwei Seiten des geglaubten Weltrisikos.“ (ebd., S.111)

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Hieran wird besonders deutlich, dass die gemeinsamen Probleme und Risiken, laut Beck eine

kosmopolitische Betrachtungsweise erfordern. Diese Forderung untermauert er mit der

Beobachtung, dass Nationen globale Probleme nicht ohne die Zusammenarbeit mit anderen

Nationen lösen können und es daher transnationale Abhängigkeiten gibt. Für die Realisierung

von kosmopolitischen Normen bedarf es jedoch nicht nur der Entwicklung eines

kosmopolitischen Gerechtigkeitssinns, sondern auch entsprechender institutioneller

Strukturen und hierdurch einer realpolitischen Umsetzung (vgl. Höffe, 2004, S.110).

Benhabib spricht sich in diesem Zusammenhang für institutionelle Vereinbarungen aus, die

sich nicht auf die Interessen des Staates beziehen sollten, sondern auf die der ‚Weltbürger’,

unabhängig von nationalen Grenzen (vgl. Benhabib, 2008, S.22). Da globale Gerechtigkeit

jedoch nicht gegen den nationalen Willen eines Staates erreicht werden kann, plädiert Beck

dafür, die staatliche Souveränität zu erhalten, die dabei immer mehr in die Abhängigkeit einer

gerechten Weltordnung geraten soll (vgl. Beck, 2007, S.128).

Die dabei vorauszusetzende Souveränitätsabgabe des Staates bringt jedoch auch

Schwierigkeiten mit sich, welche am Beispiel der supranational organisierten Europäischen

Union deutlich werden (vgl. Goppel/Mieth, 2016, S.98). Transnationale Institutionen wie die

Europäische oder die Vereinten Nationen, die auf dem Prinzip der Subsidiarität und

Souveränitätsabgabe basieren, führen zwar in vielen Bereichen zu internationalen

Abkommen, sind dabei allerdings laut Höffe trotzdem nicht in der Lage, globalen

Herausforderungen wie etwa dem Umweltschutz angemessen zu begegnen (vgl. Henning,

2009, S.76), da einzelne Nationen das Finden eines gemeinsamen Konsenses aufgrund

nationaler Eigeninteressen erschweren. Die Umsetzung globaler Gerechtigkeit im Kontext der

„Umweltproblematik“ verlangt deshalb, in einer von souveränen Nationalstaaten dominierten

Welt, nach der Gründung neuer globaler Institutionen oder nach einer Reformation bereits

bestehender transnationaler Strukturen, die darauf ausgerichtet sind, globale und

intergenerationelle Herausforderungen zu lösen und dabei nicht die nationalen Interessen

sondern die der gesamten Weltrepublik in den Fokus nehmen.

6. Fazit Im Kontext der gegenwärtigen globalen Ungerechtigkeiten, die im Zusammenhang mit der

„Umweltproblematik“ besonders deutlich werden, ist eine stetige Auseinandersetzung mit

dem Gerechtigkeitsbegriff unerlässlich. Dabei wird deutlich, dass dieser vielschichtig zu

begreifen ist, da er sowohl soziale, als auch politische Dimensionen der Gerechtigkeit

umfasst. Philosophische Gerechtigkeitstheorien zeigen, dass es verschiedene Konzepte und

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Ansätze gibt, welche sich stark voneinander unterscheiden. Jedoch bestehenden diese

Unterschiede überwiegend in der Art und Weise der Umsetzung, da alle geschilderten

Ansätze das gemeinsame übergeordnete Ziel teilen, die Welt zu einem gerechteren und

friedlicheren Ort zu machen.

Philosophisch betrachtet, ist dabei die Vision einer Weltrepublik im Sinne einer

kosmopolitischen Ordnung logisch besonders gut begründbar, da diese auf dem Prinzip der

gegenseitigen Anerkennung beruht und somit ein globales Gerechtigkeitsverständnis evoziert.

Kosmopolitische Ansätze können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, die Erkenntnis,

dass wir eine gemeinsame Lebenswelt teilen, zu bestärken und dadurch auch ein weltweites

öffentliches Gerechtigkeitsverständnis herbeiführen. Erste Ansätze dieses globalen

Verständnisses bietet Kant bereits 1795. Dieses wurde von zeitgenössischen Philosophen

aufgegriffen, um Kants Idee eines ‚Weltgeistes’ zu konkreten Ansätzen wie etwa dem Pass als

Weltbürger weiterzuentwickeln. Trotzdem bleibt die Frage nach einer realpolitischen

Umsetzung bestehen. Ob diese in Form eines komplementären Ansatzes, wie von Höffe

gefordert, oder im Sinne einer grundsätzlichen Neustrukturierung transnationaler Institutionen

erfolgt, bleibt dabei offen. Unabhängig von der konkreten Umsetzung setzen kosmopolitische

Normen jedoch voraus, dass sich die Nationalstaaten zu Gunsten der gemeinsamen

Weltrepublik unterordnen und damit Teile ihrer Souveränität abgeben. Dabei sollte letzteres

nicht als Abgabe im Sinne eines Verlusts aufgefasst werden, sondern als Bereicherung, durch

die Entstehung einer gemeinsamen globalen Souveränität.

Obwohl wir in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung also „vernetzter“ sind als je

zuvor, hat dieser Prozess uns offenbar gleichzeitig weit voneinander entfernt. Das

gegenwärtige Erstarken nationaler Identitäten, bestätigt dies. Damit wird auch das Finden von

gemeinsamen Lösungen für globale Herausforderungen wie der „Umweltproblematik“

erschwert. Wir sollten deshalb versuchen uns weniger auf nationale Identitäten zu fokussieren

und stärker für einen gemeinsamen globalen und intergenerationellen Konsens arbeiten, da

wir trotz geographischer, geschichtlicher und kultureller Unterschiede alle einen

gemeinsamen Lebensraum teilen. Dieses kosmopolitische Verständnis ist nicht nur

erforderlich um globalen Problemen und Herausforderungen wie der „Umweltproblematik“

zu begegnen, sondern auch, um unsere Mitbürger – jetzt lebende sowie zukünftige – zu

achten, indem wir sie fair und gerecht behandeln.

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7. Literaturverzeichnis Beck, U. (2007). Weltrisikogellschaft: Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit.

Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Benhabib, S. (2008). Kosmopolitismus und Demokratie: Eine Debatte. Frankfurt am Main:

Campus Verlag. Broszies, C. / Henning, H. (2010). Globale Gerechtigkeit: Schlüsseltexte zur Debatte

zwischen Partikularismus und Kosmopolitismus. Berlin: Surkamp Verlag. De Angelis, M. (2016). Philosophie für alle (1.0): Manifest für die philosophische Identität

des europäischen Volkes. Möhnesee: Phileuropa. Goppel, A. / Mieth, C. (2016). Handbuch Gerechtigkeit. Berlin: J.B. Metzler Henning, H. (2009). Globale Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung. Frankfurt am

Main: Campus Verlag Höffe, O. (1999). Demokratie im Zeitalter der Globalisierung. München: C. H. Beck Höffe, O. (2004). Gerechtigkeit: Eine philosophische Einführung. München: C. H. Beck Höffe, O. (Hg.) (2011). Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden. Berlin: Akademie Verlag IPCC (2018): „Special Report: Global Warming of 1,5 ºC“. In: The Intergovernmental Panel

on Climate Change, URL: https://www.ipcc.ch/sr15/, (Zugriff 08.02.2019). Kant, I. (1795). Zum ewigen Frieden. München: Königsberg. Rawls, J. (1975). Eine Theorie der Gerechtigkeit. Übersetzt von Hermann Vetter. Frankfurt

am Main: Suhrkamp Verlag. Tilman, S. (2007). Klimawandel und globale Gerechtigkeit. In: Aus Politik und

Zeitgeschichte, No. 24, S. 18-24. Von Egan-Krieger, T. / Ott, K. / Voget, L. (2007). Der Schutz des Naturerbes. In: Aus Politik

und Zeitgeschichte, No. 24, S. 10-17.

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Eigenständigkeitserklärung Name: Marie-Lisa Feller Matrikelnummer: 3035714 Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbständig verfasst habe.

Ich versichere, dass ich keine anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich

oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet

habe, und dass die eingereichte Arbeit weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegen-

stand eines anderen Prüfungsverfahren gewesen ist.

Lüneburg, 14.03.2018 ___________________ Ort, Datum Unterschrift