Eine Kuh für Marx, Nr.47

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7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47 http://slidepdf.com/reader/full/eine-kuh-fuer-marx-nr47 1/44 Das Magazin zur Russlandhilfe des Caritasverbandes für die Diözese Osnabrück e.V. Nr. 47 Dezember 2015 500. Kuh 500. Kuh

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Titelthema: Die 500. Kuh hat ihr neues Zuhause gefunden.

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Das Magazin zur Russlandhilfedes Caritasverbandesfür die Diözese Osnabrück e.V.

Nr. 47Dezember 2015

500. Kuh500. Kuh

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   3

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser!

Wer hätte im Herbst 1999daran gedacht, als BischofPickel per Fax um eine Kuhfür eine bedürftige Familienachfragte, dass daraus 17Jahre später 500 verschenk-te Kühe werden würden.

Mit über 170 Freunden undSpendern von „Eine Kuh fürMarx“ haben wir gemeinsammit Bischof Pickel und

Schwester Paulina am 9.November 2015 unser „Kuh -Jubiläum“, die 500. Kuh g e-feiert. Dafür und für die vie-len Briefe, Mails und Anrufederjenigen, die nicht kommenkonnten, danke ich sehrherzlich.Diese Kuh-Zeitung widmenwir daher schwerpunktmäßigunserem Kuh-Projekt und der

Lebenssituation in RusslandsDörfern. Trotz vordergründi-ger Trost-, Hoffnungs- undPerspektivlosigkeit, geradeim ländlichen Raum, bietetunser Kuhprojekt Trost, Hoff-nung und Perspektive undverhilft vielen Dorfbewohnernzu neuem Lebensmut undneuen Kräften. Die Spen-denbereitschaft für die

nächsten Kühe ist enorm.Von Mai bis Ende November2015 erhöhte sich die Zahlder gespendeten Kühe umweitere 31 auf jetzt 531.

Kühe verschenken ist längstnicht alles, was sich unsereRusslandhilfe zur Aufgabegemacht hat. Deshalb möch-ten wir Ihnen in der heutigen Ausgabe auch unsere Ob-dachlosenhilfe vorstellen,denn der russische Winter

wird für viele Menschen aufder Straße ein Überlebens-kampf sein. Wir unterstützendie Obdachlosenarbeit unse-rer russischen Kollegen inden westsibirischen StädtenOmsk, Novosibirsk undBarnaul sowie im südrussi-schen Wolgograd.

 Allen Spendern danke ichvon Herzen! Ihre Unterstüt-

zung, die von Ihnen entge-gengebrachte Anerkennungund Ihr Vertrauen stärkenuns in unserem Einsatz fürdie Menschen in Not.Ich wünsche Ihnen allen vonHerzen ein gesegnetesWeihnachtsfest und ein gu-tes neues Jahr 2016!

Ihr Ottmar Steffan

P.S.   Auch in diesem Jahrkönnen Sie wieder eineWeihnachts-CD der Kinderunseres Kinderzentrums inMarx an der Wolga gegeneine Spende erwerben. DieCD umfasst 27 russischeWeihnachtslieder. Bitte wen-den Sie sich an GabrieleGieraths: 0541 34978-121,

[email protected]

Unser Klosterbauer OttoPlacke aus Hollage ist am24. August im Alter von 84Jahren verstorben. Er warunser dienstältester Kloster-bauer. Er war mehrfach inMarx an der Wolga im eh-renamtlichen Arbeitseinsatz.Bischof Pickel schreibt: „ OttoPlacke, ein wirklich ganz au-ßergewöhnlicher Mensch. Ichweiß, die Schwestern in Marxhatten ihn besonders gern,obwohl er schon seit Jahren

nicht mehr kommen konn-te. Sowas hat keine ober-flächlichen Gründe. Mögeder Herr ihm die ewige Ruheund die ewige Freude schen-ken.“ Wir werden Otto Plackeimmer in bester Erinnerungbehalten. Seine ruhige Aus-strahlung und seine ausglei-chende Art werden wir sehrvermissen. Wir sagen Dank

für seine große Hilfe in allden Jahren.

Ottmar Steffan, Fachreferent für Welt-

kirchliche Arbeit in Mittel- und Osteu-

ropa. Foto: Jannis Steffan.

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Inhaltsverzeichnis

Editorial .................................................................................................................................................... 3

500. Kuh

Zwischen Landidylle und Abstellgleis ....................................................................................................... 5 

Menschen am Rande der Gesellschaft ...................................................................................................10 

KUHles Jubiläum – „Eine Kuh für Marx“ feiert die 500. Kuh ...................................................................12 

Die 500. Kuh ging in das Dorf Lusino .....................................................................................................15 

Die Spenderfamilie der 500. KUH ...........................................................................................................17 

Kuh-Magnete für Kühlschränke: „…damit sie niemals leer werden!“ .......................................................18 

Poster: Kühlschrank-Botschaften und jede Menge Kühe ........................................................................21

Man fragt sich, was sie gegessen haben, bevor sie die Kuh hatten ........................................................ 25 

Obdachlosenhilfe

Obdachlos im sibirischen Winter – Hilfe tut dringend Not .......................................................................27 

Kinderheim St. Nikolaus

 Abschied und Neubeginn .......................................................................................................................33 

Russischer Jugendtag

„Selig, die reinen Herzens sind“ (Mt 5,8) ................................................................................................. 35 

Kurznachrichten

 Augenblick mal .......................................................................................................................................41

Impressum – Spendenformular

Wir über uns ...........................................................................................................................................42

 

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500. Kuh

Zwischen Landidylle und Abstellgleis

22 Kühe – organisiert von Eine Kuh für Marx – garantieren in dem von der Politik

vergessenen Dorf Koschewnikowo das Überleben von Jung und Altvon Ottmar Steffan

Koschewnikowo ist ein ärmli-

ches russisches Dorf mit etwa

300 Einwohnern, circa eine

Autostunde von der zwischen

Omsk und Novosibirsk gele-

genen kleinen Stadt Barab-

insk, Haltebahnhof der

Transsibirischen Eisenbahn,

entfernt. Wer steigt schon aus,

wenn er hier nicht lebt?

Wir  –   eine kleine Gruppe Er-

wachsener und Jugendlicher aus

dem Bistum Osnabrück, die auf

dem Weg zum Russischen Ju-

gendtag in Novosibirsk ist (s.Seite 35). Wir machen ein Wo-

chenende lang Zwischenstation

in der kleinen katholischen Kir-

chengemeinde von Pfarrer

Dietmar Seiffert. Wir fahren als

erstes nach Kuybischew, dem

Wohnort vom Pfarrer Dietmar.

Später machen wir uns gemein-

sam mit ihm auf den Weg nachKoschewnikowo.

Die Idylle trügt: wer auf dem Lande überleben will, muss für gute Ernte sorgen und sein Vieh versorgen.

Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

Hier, wo Russland so trostlos

und heruntergekommen ist, lebt

und arbeitet Pfarrer Dietmar

schon über 15 Jahre. Die nächs-

ten katholischen Gemeinden in

Omsk und Novosibirsk sind 350

Kilometer entfernt.

Durch einen sibirischen

Mitbruder erfuhr Pfarrer

Dietmar vom Kuhprojekt. Er

nahm vor 2 Jahren Kontakt zur

Russlandhilfe der Caritas Osna- brück auf. Und so war es bereits

möglich, mit Hilfe von Kuh-

spenden 35 bedürftige Familien

mit einer Kuh in seinem Ein-

zugsgebiet zu unterstützen. 22

Kühe gingen allein an das Dorf

Koschewnikowo. Wir wollen

den Ort kennenlernen.

Von seinem Pfarrhaus aus bre-

chen wir zusammen mit PfarrerDietmar Richtung Koschewni-

kowo auf. Wir fahren eine Drei-

viertelstunde auf der schnurge-

raden Ferntrasse Richtung Nor-

den. Links und rechts riesige

Grasflächen, hier und da ein

 paar Bäume, ein kleiner Hain,

ein kleines Feld, ab und zu eine

Hütte oder ein Vorratsspeicher.

Hin und wieder grast eine kleine

Kuhherde am Rand. Manches

Mal zeigt ein kleiner Wegweiser

Dorfnamen abseits der Route.

Dann ein nach links zeigendesHinweisschild: Koschewnikowo

0,3 km. Wir biegen ab.

22 Kühe lindern Not in Ko-

schewnikowo

Es scheint, als habe das Dorf

nur eine Straße, links und rechts

reihen sich die Häuser aus Stein

oder Holz eins nach dem ande-

ren auf. Das Dorf wirkt abge-schieden und zugleich beschau-

lich  –   wie ein Relikt aus alten

Zeiten.

Schnurstracks steuern wir auf

das Clubhaus des Dorfes zu.

Dorfvorsteher Wladimir wartet

schon mit seiner Frau und seiner

Enkeltochter davor auf uns. Wir

gehen gemeinsam hinein. Das

Haus, das einmal kulturelles

und gesellschaftliches Zentrum

des Dorfes gewesen sein muss,

macht einen heruntergekomme-nen Eindruck. Im rot ausge-

schmückten Theatersaal erwar-

ten uns etwas 30 Dorfbewohner.

Es sind Familienmitglieder un-

serer Kuhfamilien. Der langge-

zogene Raum besitzt eine kleine

Bühne, die mit einem Vorhang

zugezogen ist. Der aufgerissene

Dielenboden zieht sich längs

durch den Raum. Auf der Zu-

schauerseite sitzen viele Alte,ein paar Schulkinder, zwei oder

drei Ehepaare, Familien. Wla-

Haus und Hof in „Schuss“ halten, dann kann der strenge sibirische Winter kommen. Doch längst nicht alle können sich

ausreichen Brennholz leisten. Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

dimir heißt uns im Namen der

Bewohner herzlich willkommen

und bedankt sich ausführlich für

die Kuhspenden. Im Laufe des

Gesprächs mit den Leuten zeigt

sich, welch große Hilfe eine

Kuh hier im Dorf ist.

Es wird klar, was es heißt, wür-

devoll im Dorf zu leben. Das

 bedeutet Verzicht auf Alkohol

und mit Fleiß seinen Garten zu

 bewirtschaften, damit man auseigenen Kräften überleben kann.

Dann haben die Menschen vor

Ort gerade genug, um sich einen

ausreichenden Vorrat für den

Winter in die Keller legen zu

können. Wer zusätzlich eine

Kuh besitzt, dem liefert sie

Milch, Butter, Quark, Käse und

andere Milchprodukte.

Wer hier im Dorf geboren istund dieses Fleckchen Erde seine

Heimat nennt, der muss willens-

stark sein, denn die Gefahr von

Depression und Alkoholismus,

von Lethargie und Resignation

ist allerorts zu spüren.

Kampf gegen Trübsinn und

Hoffnungslosigkeit

Es entwickelt sich ein nach-

denkliches Gespräch, in dem

klar wird, dass der Kampf gegen

Trübsinn und Hoffnungslosig-keit jeden Tag aufs Neue ge-

kämpft werden muss.

Ein kleines Mädchen sagt als

Dank ein Gedicht auf und zwei

weitere kleine Mädchen über-

reichen Pfarrer Dietmar und mir

zwei große Gipsengel. Wir wer-

den zu einem Gang durchs Dorf

eingeladen und können Haus,

Hof und Kühe der Leute besu-

chen. Unser ganzer Besuch er-scheint mir wie ein Gang durch

eine verrückte Welt zwischen

Landidylle und Abstellgleis.

Koschewnikowo, eines von tau-

senden ärmlichen, russischen

Dörfern mit vielen alten Leuten,

ein paar Familien, die noch üb-

rig geblieben sind, einer kleinen

Dorfschule der Klassen 1 bis 4,

mit derzeit insgesamt 11 Schü-

lern, 2 Lehrern, einer Schuldi-

rektorin. Es gibt 2 Geschäfte imDorf, angeschrieben wird nicht

mehr. Die Ladenbesitzer scheu-

en das Risiko des „Nicht-mehr-

zurückzahlen-könnens“, denn

Arbeit gibt es so gut wie keine.

Wenn, dann nur gelegentlich

und schlecht bezahlt; beispiels-

weise eine Handvoll Arbeits-

 plätze im Sommer in der nur

noch unzureichend arbeitenden

Sowchose, mit einem Monats-lohn von 3000 bis 4000 Rubel.

Die Melkerinnen, die dort von

Eine Kuh hilft satt zu werden  –   sie ist oftmals der einzige Hoffnungsschimmer in einer ausweglosen Situation.

Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

Mai bis Oktober angestellt sind,

haben seit 3 Monaten schon

keinen Lohn mehr erhalten. Wä-

re der Lohn ausgezahlt, entsprä-

che dies nach derzeitigem Ru-

 belkurs etwa 50 Euro monatlich.

Wir erfahren, dass die Min-destrente bei knapp 8.000 Rubel

liegt, dies sind etwa 100 Euro.

Die jungen Leute, die noch die

Kraft dafür besitzen, verlassen

das Dorf, um irgendwo neu an-

zufangen. Zurück bleiben die

Kraft- und Mutlosen, die Ent-

täuschten und die Alten. Sie sa-

gen: „Wir sind von aller Welt

vergessen, vor allem von unse-

ren Politikern. Die Dörfer sindihnen nichts wert. Alles, was sie

kriegen können, nehmen sie

sich. Sie stopfen damit ihre Ta-

schen voll.“

„Wo sollen wir denn hin?“ 

In diesen Worten spiegelt sich

die große Hoffnungslosigkeitder Menschen wieder, die auf

die Frage, was sie hält, mit der

Gegenfrage antworten: „Wo

sollen wir denn hin?“. Ohne

Energie und ohne Hoffnung,

ohne Geld und ohne Visionen

verbleiben sie perspektivlos im

Dorf und müssen sehen, wie sie

sich und ihre Lieben „über

Wasser halten“. Die Alten neh-

men oft das „Zepter“ in dieHand, bewirtschaften die Gär-

ten, ernten Gemüse und Obst

und helfen mit, die Kühe zu

versorgen, die Pfarrer Dietmar

für sie erbeten hat.

Es gab nur noch wenige Kühe

im Dorf. Gemeinsam mit Wla-

dimir hat sich Pfarrer Dietmar

dafür eingesetzt, dass alle Fami-lien, die in der Lage sind, eine

Kuh zu versorgen und sie drin-

gend benötigen, diese erhalten

haben. Herausgekommen sind

22 Kühe.

Eine Krankenschwester ist für

die gesamte Region verantwort-

lich. Oft besitzt sie noch nicht

einmal genug Verbandsmaterial

und Creme, um einfache Wun-den zu behandeln. Die medizi-

nische Versorgung auf dem

Was so idyllisch aussieht, macht oftmals nur traurig und verzagt, wenn man hinter die Fassaden schaut.

Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

Land ist ein Dauerproblem inRussland und beschäftigt unsund unsere Partner vor Ortschon lange.Das nächste Krankenhaus ist 40Kilometer entfernt. Die Ärzte

und Krankenschwestern arbei-ten für minimalen Lohn unterschwierigen Bedingungen. Oftfehlt es an Utensilien, die fürdie medizinische Versorgungoder dringende Operationen ge-

 braucht werden.

Zum Glück gibt es noch eineBusverbindung, denn das Dorfliegt nur 300 Meter von der

Ferntrasse entfernt, die vonBarabinsk nach Surgut führt undviel befahren ist.

Straßenlaternen gibt es keine,dafür hat jeder seinen eigenenOfen. So ist man sehr häuslich,vor allem in der dunklen Jahres-zeit, in der von Oktober bis Ap-ril meistens Dauerfrost herrscht.

 Nur das Heizmaterial ist teuer,doch woher nehmen, wenn mankein oder kaum Einkommenhat. Das dörfliche Leben kommtkaum noch zustande, gemein-schaftliche Veranstaltungen gibtes schon lange nicht mehr.Ein großes Problem ist diemangelnde Wasserversorgungim Dorf. Fließend Wasser habendie wenigsten. Um einen Was-

seranschluss zu erhalten, müs-sen die zu verlegenden Rohreselber gezahlt werden. Doch das

ist für die allermeisten uner-schwinglich.

Kühe schenken Hoffnung

Die Bedeutung unseres Kuhpro-

 jekts ist in Koschewnikowodeutlich zu spüren. Viele Fami-lien haben mit ihrer Kuh Hoff-nung geschöpft, sich selber zuversorgen. Wir haben eine gro-ße Dankbarkeit wahrgenom-men. Unser Besuch in Kosche-wnikowo, die Gastfreundschaftund Dankbarkeit der Bewohnerhaben uns angerührt. Wir konn-ten spüren, wie eine kleine Kuh-

Herde trotz aller Nöte Hoffnungin dieses Dorf gebracht hat.

Mobil und gesund bleiben, Kontakte pflegen - was bleibt den Rentnern anderes übrig… Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

Menschen am Rande der Gesellschaft

von Pfarrer Dietmar Seiffert, Kuybischew (Westsibirien)

Russland ist ein Land der

Extreme und das nicht nur in

klimatischer Hinsicht. Bei uns

kann es im Winter bis zu 50

Grad unter dem Gefrierpunkt

haben und im Sommer bis zu

35 Grad plus. Es gibt Groß-

städte mit 10 Millionen Ein-

wohnern und dann wieder

hunderte Kilometer men-

schenleere Steppen.

In Moskau sind die Mietpreise

eine der höchsten auf der gan-

zen Welt, eine Oma bei uns

bekommt eine Rente von ge-

rade mal 120 Euro. […]  In

Moskau denkt man in ande-

ren Kategorien. Es sind auch

die so genannten „Neuen Rus-

sen“ bekannt, die mit denGeldbündeln nur so rumprot-

zen […]. 

Bei uns auf dem Land treffenwir eine ganz andere Realitätan. Da fahren die Menschennoch mit dem Pferdeschlittenherum, falls sie sich ein Pferdleisten können.

Ein Land der Extreme

Von Russland ein einheitlichesBild zu schaffen ist sehr schwer,die Berichte in den Medien sindausschnitthaft. Ich arbeite alsPfarrer in Westsibirien in einemGebiet so groß wie Süddeutsch-land. Deshalb besuche ich Men-schen, die am Rande der Gesell-schaft leben. Je kleiner der Sied-lungspunkt ist, umso schwieri-

ger ist die Situation. Dort sinddie Wege sehr schlecht, nur beigutem Wetter befahrbar. Die

kleinen Dörfer haben keineSchule mehr, keinen Kindergar-ten. Die Kinder werden mit demSchulbus in größere Orte ge-karrt. Die Menschen dümpelnvor sich hin, die jüngeren zie-hen, wenn sie es vermögen, fürgewöhnlich weg und es bleibendie Älteren und Alkoholiker zu-rück.

Problematisch ist die medizini-sche Versorgung. Einer meinerFreunde, der in einem nochrecht intakten Dorf wohnte,wurde niedergestochen und waram Verbluten. Der Krankenwa-gen kam erst nach 45 Minuten.Mein Freund überlebte zum

Staunen aller.Es gibt fast keine Arbeit, da dieKolchosen sehr schlecht oder

Heu einholen wie vor hundert Jahren  –  das ist immer noch Alltag in weiten Teilen Russlands.Foto: Pfarrer Dietmar Seiffert.

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500. Kuh

überhaupt nicht mehr arbeiten.Die Männer verdienen sich da-her im Norden auf den Öl- undGasfeldern, wobei sie dann na-türlich für Wochen oder sogar

Monate von zu Hause weg sind.Die zurückbleibende Familielebt von der Rente der Großel-tern und von der eigenen klei-nen Landwirtschaft.

Eine Kuh als Lichtblick

Und doch ist nicht alles soschwarz, wie es sich anhört. InRussland wird die Familie sehr

hoch geschätzt und die jungenMenschen wollen Familie undKinder. Die Existenzgründungim ländlichen Raum erfordertaber viel Mühe, besondersdurch die jetzige ökonomische

Krise bedingt. Die Teuerungsra-te ist sehr hoch, wohingegen dieLöhne eher sinken. Für viele istes daher ein gutes Startkapital,wenn sie eine eigene Kuh besit-

zen. Sie haben dann ihre eigeneMilch, Quark und Rahm, womitsie die Kinder ernähren können.Die Ansprüche sind ja nicht sohoch. Erst gestern bat mich ein

 junger Mann um Hilfe. Er istaus seinem Heimatdorf vor ei-nigen Jahren in die Stadt umge-zogen und hatte eine gute Arbeitdort. […] Der  Arbeitgeber zahl-te 2 Monate den Lohn nicht aus

und so konnte die Miete nichtmehr beglichen werden. Ermusste die Wohnung räumenund kehrte nach Hause zurück.Außer den 4 Wänden seinesHolzhäuschens ist nicht mehr

viel übriggeblieben. Als wir aufdem Schulflur miteinandersprachen, fiel ihm plötzlich, ausdem Klassenzimmer stürmend,seine jüngste Tochter um den

Hals. In diesem Moment wurdemir sonnenklar, dass er Hilfe braucht. Für ihn ist eine eigeneKuh Gold wert.Daher bedanke ich mich im

 Namen aller Familien für diegroßartige Hilfe, die wir erhal-ten haben. Herzliches „Vergelte

es Gott“ allen Spenderinnen undSpendern, die ein großes Herzfür die Menschen in Russland

haben. Bekanntlich kehrt dieFreude, die man anderenschenkt ja wieder ins eigeneHerz zurück.

Zum sibirischen Winter passt kein Wehklagen. Foto: Pfarrer Dietmar Seiffert.

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500. Kuh

KUHles Jubiläum – „Eine Kuh für Marx“

feiert die 500. Kuh

von Felicitas Kruke

Mit Kühen bedürftigen russi-

schen Familien helfen: so

funktioniert das Kuh-Projekt

von „Eine Kuh für Marx“ –  

der Russlandhilfe des Cari-

tasverbandes für die Diözese

Osnabrück e.V. Nun wurde die 500. Kuh an eine

russische Familie übergeben.Grund genug für den Initiator

des Projektes, Bischof Clemens

Pickel, aus dem südrussischen

Saratow nach Osnabrück zu

kommen und mit den Caritas-

Projektpartnern vor Ort zu fei-

ern. 17 Jahre intensive deutsch-

russische Zusammenarbeit ste-

hen hinter dem Projekt, das

seitdem an Aktualität nichts

eingebüßt hat.

„Das Prinzip ist einfach und

deshalb funktioniert es“, erklärt

Ottmar Steffan. Wir sammeln

Spenden für bedürftige russi-

sche Familien in den ländlichen

Gebieten. Denn gerade hier sind

viele Familien von Arbeitslo-

sigkeit und existentieller Not

 betroffen. Von dem Geld wer-den Kühe gekauft, die dann

ganz konkret dazu beitragen,

den Lebensunterhalt zu si-

chern.“

Hilfe zur Selbsthilfe leisten

Eine essentielle Unterstützung,

denn eine Kuh hilft durch die

Erzeugnisse wie Milch, Butter

und Käse, die Familie zu ernäh-

ren und zugleich können die

Produkte weiterverkauft wer-

den. Aber das Projekt geht über

diese Hilfe noch hinaus: Die

Familie ist verpflichtet das erste

Kalb an eine andere Not leiden-

de Familie abzugeben. „Die Hil-

fe wird weitergegeben. So ent-

steht auch vor Ort ein großesHilfenetzwerk.“ 

„Die Not der Familien ist oft

sehr groß. Die Kinder dieser

Familien sind schlecht ernährt,

deshalb oft krank und das Geld

für Medikamente fehlt. Alleine

ist der Ausweg aus so einer Si-

tuation sehr schwer“, beschreibt

Bischof Pickel die Situation der

Familien. „Für uns ist es ein

wahres Geschenk, dass wir uns

Milch, Sahne, Schmand, Quark, Butter, Käse –  die Kuh als Ernährerin der Familien Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

auf unsere Osnabrücker Partner

verlassen können und ein großer

Schatz für die Menschen in

meinem Bistum, denen wir so

ganz konkrete Hilfe geben kön-

nen.“ 

Eine Kuh kostet 800 Euro

Für Caritasdirektor Franz Loth

ist das Gelingen des Projekts

auch ein Beweis für die verant-

wortungsvolle Arbeit der Cari-

tas: „Die Arbeit auf deutscher

und russischer Seite zeigt wie

Caritas-Netzwerke funktionie-

ren: Wir tragen Verantwortung

füreinander und unsere Hilfe ist

immer auf Dauer angelegt  –  sei

es in Osnabrück oder in Sara-

tow.“ 

Eine Kuh kostet 800 Euro, die

„Vermittlung“ läuft über die

Kirchengemeinden und die

Caritas vor Ort. Priester, Or-

densleute oder Mitarbeiter der

Caritas wählen eine bedürftige

Familie aus. Nach Erhalt des

Spendengeldes erhält die Fami-

lie eine Kuh sowie noch etwasGeld für Futter, eine Stallrepa-

ratur oder für die Anschaffung

eines Kühlschranks zur Küh-

lung der gewonnen Produkte.

Die neuen Kuhbesitzer ver-

 pflichten sich, das erste neuge-

 borene Kalb an eine andere be-

dürftige Familie abzugeben. Der

Spender in Deutschland erhält

neben der Spendenbescheini-

gung einen Bericht über die

Familie.

Hintergrund:  Nach dem Zer-

fall der Sowjetunion hat der

wirtschaftliche Aufschwung ei-

nigen wenigen Menschen gro-

ßen Reichtum gebracht  –   die

meisten Menschen blieben je-

doch arm. Die Umstrukturie-

rung der Industrie- und Agrar-

wirtschaft, die Wirtschaftskrisehatten zur Folge, dass vor allem

die Bevölkerung in den ländli-

chen Gebieten von Arbeitslo-

sigkeit und Not betroffen wur-

den. 1999 schickte Bischof

Clemens Pickel aus Saratow an

Ottmar Steffan, Referent beim

Caritasverband für die Diözese

Osnabrück, eine Anfrage und

 bat darin kurzfristig um Hilfe

für eine notleidende Familie in

der Stadt Marx an der Wolga.

Die alleinerziehende Marina mit 4 ihrer 5 Kinder ist aus Kasachstan ins Omsker Gebiet gezogen. Ihre 3 Kühe musste sie in

der Heimat für den Neubeginn in Sibirien verkaufen. Durch das Kuh-Projekt sind sie wieder eine Kuhfamilie geworden.

Das Gesamteinkommen beträgt 77 Euro. Foto: Ottmar Steffan.

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500. Kuh

Er hatte die Idee, dieser Familie

eine Kuh zu schenken. Inner-

halb eines Tages gab es darauf-

hin aus drei katholischen Kir-

chengemeinden des Bistums

Osnabrück Zusagen, die Kuh zufinanzieren. Und innerhalb der

ersten fünf Jahre entwickelte

sich aus dieser ersten Aktion ein

Projekt. Mittlerweile sind die

„Osnabrücker Kühe“ in ganz

Russland zuhause, beispielswei-

se auch im Kaukasus und über

die Weiten Sibiriens bis zur rus-

sisch-chinesischen Grenze in

Fernost.

Der Ort, der die erste Kuh erhal-ten hatte, wurde kurzerhand

zum Namensgeber für die Russ-

landhilfe: „Eine Kuh für Marx“

umfasst nicht nur das Kuhpro-

 jekt, sondern auch viele weitere

Projekte für Kinder und Jugend-

liche, Familien in Not, Obdach-

lose sowie alte, kranke und be-

hinderte Menschen. Von An-

fang an wurde die Arbeit der

Koordinatoren der Caritas inOsnabrück und Saratow durch

ein großes Netzwerk Ehrenamt-

licher unterstützt.

Das Fax von Bischof Clemens Pickel, mit dem das Kuh-Projekt, eines der ersten Projekte von

„Eine Kuh für Marx“ - der Russlandhilfe des Diözesancaritasverbandes, seinen Anfang nahm.Foto: Caritas.

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500. Kuh

Die 500. Kuh ging in das Dorf Lusino

Die Vermittlung der 500. Kuh fand über die Caritas Omsk statt - im Februar wur-de die Kuh beantragt und am 26. Mai 2015 gekauft

Natalja und Alexander (beide40 Jahre alt) haben zwei Kin-der. Der ältere Sohn studierte

bis vor kurzem Transportwe-sen an der Fachschule. Unbe-kannte haben ihn zusammen-geschlagen. Zurzeit befindeter sich in einer Reha. Die Fa-milie hat sehr viel Geld fürUntersuchungen und Medi-kamente zur Genesung desSohnes ausgeben müssen.Tochter Marina hat eine Behin-derung. Im Herbst 2014 musste

sie sich einer Herzoperation un-terziehen. Natalija musste ihrenJob aufgeben und sich um ihre

Tochter kümmern. Ihre Renteals Pflegeperson beträgt 6.300Rubel (97 Euro). Die Invaliden-

rente des Sohnes liegt bei13.200 Rubel (204 Euro). Ale-xander ist zurzeit arbeitslos, ersucht einen Job.

Hilfe für die Ärmsten

Wie bei allen anderen 499 Kü-hen lief die Kuhspende wiefolgt ab: Zunächst schickte „Ei-ne Kuh für Marx“ einem der  

russischen Partner - in diesemFall der Caritas Omsk –  Formu-lare zu, in denen die Lebenssi-

tuation der bedürftigen Familie beschrieben werden musste. Nach Überprüfung und Zu-

stimmung wurde das Geld fürden Kuhkauf überwiesen.Die Familie erwarb die Kuh.Das Formular (S.16) wurdeausgefüllt, die Belege vorgelegt,ein Dankesbrief an die Spendergeschrieben, ein Foto mit Fami-lie und Kuh gemacht und an„Eine Kuh für Marx“ geschickt.

Der Spender wurde über dieneue Kuhfamilie informiert und

erhielt den Dankesbrief sowieein Foto von „seiner“ Kuhfami-lie.

Die 500. Kuh und ihre neuen Besitzer. Foto: Caritas.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201516

500. Kuh

Mit diesem Formular wird der Kauf einer Kuh dokumentiert:

Kuh-Nr.

Name, Vorname des Besitzers

 Adresse des Besitzers (Ort und Straße)

Kirchengemeinde

Verantwortlicher für das Projekt vor Ort

Datum des Antrages

Preis, einschließlich zusätzlicher Kosten (z.B.Futter für den Winter, Renovierung desStalls)

Kaufdatum der Kuh

Kaufpreis, durch die Quittung bestätigt

Summe der zusätzlichen Kosten, durch dieQuittung bestätigt

Verpflichtung des Kuhbesitzers

Ich…………………………….verpflichte mich, gewissenhaf t für die Kuh zu sorgen. Das ersteKalb werde ich einer bedürftigen Familie schenken.

Ort ……………………..Datum……………………

 _________________________Unterschrift

Der Verantwortliche für das Projekt bestätigt schriftlich, dass der Kauf der Kuh notwendig ist.In dem Bericht werden sowohl die Fotos der Familie und der Kuh beigelegt, als auch ein Dan-

kesbrief an die Sponsoren in Deutschland.

Page 17: Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   17

500. Kuh

Die Spenderfamilie der 500. KUH

Wie wir zum Kuh-Projekt kamen und warum wir dieses unterstützen

von Dr. Christian Enge

Von meinen Eltern, vor allem

von meinem Vater, erfuhren

wir seinerzeit vom Kuh-

Projekt der Caritas. Mein Va-

ter hatte etliche Caritas-

Hilfseinsätze in Russland be-

gleitet und tatkräftig unter-

stützt und bei diesen Arbeits-

einsätzen die einfachen, russi-

schen Verhältnisse direkt und

vor Ort erfahren. Aufgrund

dieser persönlichen Erfahrun-

gen lagen und liegen ihm die

Menschen dort besonders am

Herzen, und er betrieb massiv

Werbung für „Eine Kuh für

Marx“. 

Uns bewegt  –   wie viele andere

Mitmenschen auch –  täglich das

Schicksal so vieler Millionen

Menschen, die Hilfe bedürfen,

 bitterarm sind und oft noch zu-

sätzlich krank. Und wir möch-

ten helfen, weil wir es nicht zu-

letzt als unsere moralische Ver-

 pflichtung ansehen, von unse-

rem Privileg, in einem sicheren

und wohlhabenden Land mehr

als gut leben zu können und zu

dürfen, immer wieder hier und

da ein paar Stückchen abzuge-

 ben und Hilfsbedürftige finanzi-

ell zu unterstützen.

 Nun gibt es zahlreiche Mög-

lichkeiten zu spenden und Pro-

 jekte finanziell zu unterstützen.

Was uns dazu bewogen hat, nunauch für das Projekt „Eine Kuh

für Marx“ zu spenden, ist das

Element dieses Projekts, dass

sich die Hilfe und Hilfsbereit-

schaft, die man sät, hier fort-

 pflanzt, indem die Empfänger in

die Pflicht genommen werden,

ihrerseits Kälber, die von der

gespendeten Kuh zur Welt ge-

 bracht werden, an weitere be-

dürftige Familien weiter zu ge- ben.

Guter Wille und gutes Tun wird

hier automatisch weitergetra-

gen. Dieser „Domino-Effekt“

hat uns angesprochen: So wird

unsere Spende kein versiegen-

des Moment, sondern kann eine

Initialzündung sein, die im

Kleinen, aber nachhaltig auch

im Großen die Welt für immer

mehr Familien ein bisschen bes-ser macht.

Vier Generationen sind aktiv für das Kuhprojekt: Hinten von links: Günter Enge, SusanneEnge, geb. Zur, Ines und Christian Enge mit Jonathan. Marieluise Zur (sitzend), Benjaminund Fabian Enge (vorne kniend). Foto: privat.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201518

500. Kuh

Kuh-Magnete für Kühlschränke: „…damitsie niemals leer werden!“

500 Kühe in der katholische Familienbildungsstätte in Osnabrück gefeiert

von Sabine Hahn

Bis auf den letzten Platz war dergroße Festsaal der Katholischen

Familienbildungsstätte gefüllt.

170 Freunde, Spender, ehren-

amtliche Helfer waren am 9.

 November zur Jubiläumsfeier

der 500. Kuh aus dem Bistum

Osnabrück und weit darüber

hinaus nach Osnabrück ge-

kommen.

Zu Gast waren Bischof Clemens

Pickel aus Saratow, Begründer

des Kuhprojektes vor 17 Jahren

und Ordensschwester Pauline,

Oberin der Eucharistieschwes-tern in Russland und Kasachstan

aus Marx an der Wolga.

Ruth Beerboom vom Rund-

funkreferat des Bistums Osnab-

rück moderierte in drei lockeren

Gesprächsrunden Geschichten

rund um das Kuhprojekt, aus

dem katholischen Leben in

Russland und aus den Projekten

der Caritas. Musikalisch um-

rahmt wurde der Nachmittag

von Jakob Sawatzky mit russi-

schen Weisen auf seinem Ak-kordeon.

Gut erinnerte sich Bischof Pi-

ckel noch an die erste Kuhfami-

lie. Wie der Bischof denn auf

die Idee mit der Kuhspende ge-

kommen sei, wollte Ruth Beer-

 boom wissen. „Wenn sie nach

Russland kommen, dann kom-

men ihnen auch Ideen“, so seine

Antwort. „Und gebrauchen

könnte ich noch 2 Millionen

Kühe!“ 

Begegnung, Dank und Freude prägten die Jubiläumsfeier. Gespannt lauschen die Spenderinnen und Spender den Berichten

von Bischof Pickel und Schwester Pauline aus Russland. Fotos (3): Roland Knillmann.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   19

500. Kuh

In einem kurzen und sehr per-sönlichen Überblick über   dieGeschichte der katholischenKirche in Russland, berichteteBischof Pickel von den gläubi-

gen Menschen, die in der Sow- jetzeit im Untergrund weiter ih-ren Glauben gelebt haben unddie Hoffnung nie aufgaben, dasseines Tages wieder katholischePriester in Russland sein wer-den. Die meisten der katholi-schen Priester waren unter Sta-lin ermordet worden. Heute le-

 ben und arbeiten 45 katholischePriester im Bistum St. Clemens

in Südrussland, das 4 Mal sogroß ist wie Deutschland.Über ihre vielfältigen Aufgabenals Ordensschwester in Russ-land berichtete Schwester Pau-line: Neben Katechese und Ge-meindeleben kümmern sich dieSchwestern bei Hausbesuchenum alte Menschen und in Notgeratene Familien, fahren zu

Gottesdiensten auf die Dörfer, betreuen junge Frauen in einemWohnheim und arbeiten imKinderzentrum mit.

Kuhmagnete für die Gäste

Für die Pflegestation in Marxüberreichte die Kleiderkammer-Projektgruppe einen Schecküber 5000 Euro. Die Gruppe

 betreibt in den Räumlichkeitender Osnabrücker Heilig-Kreuz-Gemeinde eine Kleiderkammer,aus deren Erlös soziale Projekteunterstützt werden.

Bischof Pickel bedankte sich beiallen Ehrenamtlichen und Akt-euren: „Sie motivieren uns, wei-terzumachen, damit Russlandnicht vergessen wird!“

Als Dankeschön hatte er kleineMagnete mit einem Kuhmotivdabei: „Für eure Kühlschränke,damit sie niemals leer werden!“

Mit einer heiligen Messe in St.

Johann, zelebriert von BischofPickel, Weihbischof Wübbe undPfarrer Robben, klang der fest-liche Nachmittag aus.

Auf seiner Heimfahrt schriebBischof Pickel:

Es war längst überfällig gewor-den, wieder einmal ins Partner-

 bistum zu reisen. Nun gab es ei-nen großartigen Anlass: Fünf-hundert Kühe wurden seit Be-ginn der Freundschaft zwischenunseren Bistümern, also imZeitraum von 17 Jahren, an be-

dürftige Familien in Russlandverschenkt. Das feierten wir nungemeinsam.Was mit einer Kuh für eine kin-derreiche Familie in Marx ander Wolga begann, zog Kreise

 bis an den Amur, wo Russlandund China aneinander grenzen.(in Ostsibirien griff übrigens ei-ne einheimische Organisation

Einen Magnet mit Kuhmotiv für den Kühlschrank brachte Bischof Clemens Pickel für die Gäste mit.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201520

500. Kuh

die Idee auf und begann, Kühemit Mitteln russischer Sponso-

ren zu verschenken.)

[…] Vielen, vielen Menschen

wurde geholfen, und zwar

nachhaltig. Wenn ich nun in

Ruhe auf das Fest am 9. No-

vember zurückblicke, wird mir

sehr deutlich, dass die vieler-

wähnte „Kuh“ zwar der Aufhä-

nger war, nicht aber der Mittel-

 punkt unserer Feier.Mittelpunkt waren gelebte

Freundschaft und Solidarität,

waren Begegnungen, Dank und

Freude.

Und wenn ich noch ein wenig

stiller werde, kann ich ohne ge-

künsteltes Pathos sagen, dass

die Mitte jener Christus war,

und unsere Berufung, die er uns

geschenkt hat.Schade, ich konnte nicht jeden

einzeln begrüßen. Manche be-

kannte Gesichter traf ich amAusgang. Von anderen hörte ich

gar nur im Nachhinein, dass sie

da waren! Wie gern hätte ich sie

kennengelernt… Es war dann

sehr schön, dass wir nach dem

Erzählen, nach Kaffee und Ku-

chen, zur Kirche gingen. Ich

hatte nicht erwartet, dass so vie-

le –  fast alle –  zum Gottesdienst

 blieben. Und es war am Morgen

danach, ich zelebrierte im Klos-ter Nette, als wir in der heiligen

Messe auf das Evangelium stie-

ßen, in dem wir aufgefordert

werden, uns unnütze Knechte zu

nennen, die nur getan haben,

was sie tun mussten. (Lk 17,10)

 –  Das klingt erniedrigend.

Wenn wir uns aber Jesus am

Kreuz vorstellen, der in diesem

Geist (für uns) als „unnützer

Knecht“ stirbt, oder wenn wiran die armen Menschen denken,

denen wir helfen durften, dann

klingt es schon anders. Wir sindJesus unendlich viel wert, und

 jeder, dem wir begegnen oder

von dem wir gar nur irgendwie

hören, ist es genauso. Am 8.

Dezember beginnt das Jahr der

Barmherzigkeit. Dem Willen

Papst Franziskus‘ entsprechend,

soll es ein Heiliges Jahr werden.

Möge die Botschaft von der

Barmherzigkeit Gottes, aber

auch unsere Antwort darauf,auch in der kommenden Zeit

unter dem Mäntelchen der „Kuh

für Marx“ in die Welt getragen

werden und Freude bringen,

Hoffnung und Vertrauen, Glau-

 ben und Liebe.

Ihr Clemens Pickel

Erzählten vom russischen Alltag: Bischof Clemens Pickel und Schwester Pauline (rechts Ruth Beerboom).

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Gib einer Familie einen Li ter Milch und sie 

 wird einen  Tag lang sa t t, schenk ihr eine 

Kuh und sie  wird nie  wieder hungern. Die-

ses ( abge wandel te ) chinesische Sprich wor t 

ha t mich immer schon  faszinier t.  A ls ich 

zum ers ten Mal  vom Kuhpro jek t hör te, 

 wuss te ich so for t, das is t dein Ding  – Hil fe 

zur Selbs thil fe, dami t Misss tände dauerha f t 

behoben  werden. Für mich ach te t dieses 

Pro jek t in ganz besonderer  Weise einer 

anderen Familie Gu tes zu  tun. 

 S t  e fa n ie L  e n na r t z

Wenn man alle auf eine große Wiese treiben

würde, stünde da eine stattliche Herde von 

116 Milchkühen. Ja, so viele Kühe haben 

die Spender /Spenderinnen der „Doris-Epp-

le-Stiftung – A rmenhilfe in Russland“ freudig 

geschenkt …, einige sogar mehrfach.

Ich hätte mir gewünscht, dass jeder Geber

seiner Kuh einen deutschen Namen  – Berta, 

Lisa, Ulla, Rosa, Landa geben dürfte.

Liebe Grüße D or i s E pp l e

Uns, die Kfd St. Margaretha, Westerkappeln, gibt

es er st seit 1992 mit zurzeit 26 Mitgliedern. Seit 

2006 steht bei unser en monatlichen Tref fen ein

Spar schwein mit dem Logo „Eine Kuh f ür Marx“

auf dem Tisch… Durch ver schiedene A ktivitäten,

z.B. Staudenmarkt, Weihnachtsfeier der Senior en, 

einzelne kleine Spenden, auch einzelne Kollektennicht zu vergessen, sind wir ganz stolz, 4 Kühe

mitgespendet zu haben.

Die 5. Kuh in der „Auf zucht“. 

Für die Kf d –

   S usanne  Ke lle rme ie r und

Wilhelmine  Knillmann 

Wenn jeder gibt, was er hat ...

Liebe Spender in Deu tschland,

ich bedanke mich  von ganzem Herzen  für

 die 

Hil fe bei dem Kau f einer Kuh und Heu. 

E ka  t e r ina   Se rge je w na   K u t  k ina 

Liebe Spender in Deutschland,

wir haben drei Kinder und leben in einem

Dorf, in dem die sozialen Umstände nicht

leicht sind. Dank Ihrer Hilfe konnten wir

eine Kuh kaufen. Jetzt geht es uns besser.

Schön, dass es Menschen gibt, die Gutes

tun und sich um andere kümmern. Vielen

Dank! Wir wünschen Ihnen und Ihren Fa-

milien Gesundheit und alles Gute.

  Familie Dreiling 

 

 L ie be Spender  in  De

u t sc h land,

 v ie len  Dan k  für I hre  H

 i l fe  in me iner 

 sc h w ier igen S i tua t ion

.  O hne I hre  H i l fe 

 hä t ten  w ir un s n ie e i

ne  Ku h  le i s ten  kön-

nen.  Da s er s te  Ma l  in me inem  Le ben 

 wurde m ir ge ho l fen,

 da für  b in  ic h I hnen 

 se hr dan k bar. Ic h  wün

 sc he I hnen Ge sund-

 he i t, e in  lange s  Le be

n und a l le s Gu te. 

 Sv  e t   l  a  n  a  D a  n  i  l  o  

In unserer Pfarrgemeinde erzählten Jugendliche

vor einigen Jahren von Ihrem Freiwilligendienst

in Russland. Sie waren begleitet/unterstützt

worden von Dir. Ihren Bericht fanden wir sehr

beeindruckend. Die detaillierten Schilderungen

und die Glaubwürdigkeit der Projekte veranlass-ten uns, die Menschen dort mit Hilfe der Caritas

zu unterstützen. Liebe Grüße

Claudia Schürmann

Page 22: Eine Kuh für Marx, Nr.47

7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Mehr als 30 Kühe

pro Jahr an

russische Familien

gespendet

Über 500 Kühe =

dauerhafte Hilfe

für über 3.000

Menschen

Mehr als 350.000

Euro Spenden-

gelder für Kühe

116 Kühe allein

 von der Doris

 Epple-Stiftung

Page 23: Eine Kuh für Marx, Nr.47

7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

http://slidepdf.com/reader/full/eine-kuh-fuer-marx-nr47 23/44

500 Kälbchen ver-

doppeln die Hilfe

(Kälbeskälbchen

nicht mitgezählt)

Tausende Liter

Milch gemolken

24 Kühe über

die Grenze nach

Kasachstan, Geor-

gien und Armeni-

en vermittelt

Mit dem Kuh-

projekt im Omsker

Regionalfernsehen

gewesen

Page 24: Eine Kuh für Marx, Nr.47

7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Page 25: Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   25

500. Kuh

Man fragt sich, was sie gegessen haben,bevor sie die Kuh hatten

Radio-Reportage von Brigitte Lehnhoff, gesendet am 01.08.2013 bei NDR 1

Prischib, ein 600-Einwohner-

Dorf südwestlich von Omsk

im deutschen Nationalkreis

Asowo, ein Gebiet mit Auto-

nomiestatus, in dem überwie-

gend Russlanddeutsche leben.

Die matschige, unbefestigte

Dorfstraße ist auf beiden Sei-

ten gesäumt von einem breiten

grasbewachsenen Streifen,

dahinter niedrige Holzzäune

und kleine, einfache Häus-

chen, zusammengebaut aus

Ziegelsteinen, Holz und Well-

blech.

Tatjana Grams, eine junge Frau

Mitte 20, wartet schon in der

Haustür. Sie begrüßt Ludmila

Koslowa. Die ehrenamtliche

Caritashelferin aus dem Dorf

zieht sich in dem kleinen Flur

die Schuhe aus, so wie es in

Russland üblich ist. Dann geht

sie ins Wohnzimmer. Es ist ein-

fach eingerichtet mit Esstisch,

Anrichte, Couch und Fernseher.

Tatjanas Mutter Olga sitzt mit

Enkel Jurij am Tisch.

O-Ton Tatjana: Ich hab die Kuh bekommen und

kümmere mich um sie. Die Kuhist aber gerade auf der Weide.

Wir lassen sie morgens raus aus

dem Stall. Dann kommt ein Hir-

te und treibt sie mit den anderen

 Kühen durchs Dorf auf die Wei-

de.

Tatjana und ihre Mutter ermun-

tern die fünfjährige Carina, den

 Namen der Kuh zu sagen.

O-Ton Carina: Luschka!

Luschka ist ein Geschenk. Fi-

nanziert mit Spenden aus

Deutschland. Tatjana und ihre

Mutter Olga sind sich einig: Die

Kuh ist ein Segen für die ganze

Familie.

O-Ton Tatjana und Olga:

Schmand, Milch, saure Sahne, Butter  –  das brauchen wir alles

nicht mehr zu kaufen. Damit

 sparen wir natürlich Geld, wenn

wir das nicht im Supermarkt

kaufen müssen. Natürlich ist das

besser. - Manchmal bleibt auch

was übrig. Das kann man dann

weitergeben oder verkaufen.

 Aber normalerweise, wenn man

eine große Familie hat, bleiben

keine Reste.

Die Kühe für das Kuhprojekt werden vor Ort gekauft. Foto: Linda Sieker.

Page 26: Eine Kuh für Marx, Nr.47

7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201526

500. Kuh

Olga steht auf und geht in die

Küche. Aus dem Kühlschrank

nimmt sie eine Plastikflasche

mit Milch. Dann zeigt sie stolz

auf den Herd. Dort steht ein

Topf, in dem ein Sieb hängt, ge-füllt mit einer weißen Masse.

O-Ton Olga:

 Hier bitte: frischer Quark aus

 Milch!

In diesem Haushalt leben sechs

Personen von den frischen Pro-

dukten der geschenkten Kuh. In

der nächsten Familie, die wir

 besuchen, sind es acht. DieFleischhauers wohnen einige

Kilometer entfernt, im Dorf

Serebropolje. In ihrem Häus-

chen gelangen wir durch die

Küche ins Wohnzimmer. Dort

ist der große Fernseher das ein-

zige, was neu ist. Alles andere

zeugt von Armut: das alte Sofa,

der blanke Dielenfußboden, die

kahlen, schmutzigen Wände.

Die Familie war eine der ersten

in dieser Region, die sich mit

dem Spendengeld aus Osnab-

rück eine Kuh kaufen konnte.

Und die hat schon mehrmals

gekalbt, sagt Mutter Galina.

O-Ton Galina:

 Im ersten Jahr haben wir das

 Kalb abgegeben, an unsere

Tochter Anja. Im zweiten Jahrwaren es Bullen, Zwillinge. Der

eine läuft hier rum, ist aber ein

bisschen kränklich, den anderen

haben wir geschlachtet. Und

dieses Jahr wird’s auch wieder

ein Kalb geben.

Die Auflage in diesem Projekt:

Das erste Kalb, was geboren

wird, muss an eine andere be-

dürftige Familie weitergegebenwerden. Die Fleischhauers

konnten so eine ihrer erwachse-

nen Töchter unterstützen.

 Nach dem Besuch erzählt Lud-

mila, die ehrenamtliche Caritas-

helferin, dass es den meisten

Dorfbewohnern wirtschaftlichschlecht geht und dass eine Kuh

für sie sehr viel bedeutet.

O-Ton Ludmila:

 Nun, das ist natürlich eine rie-

 sige Hilfe für die Familien. Zum

 Beispiel die letzte, da hat man

 ja gesehen, in welchen Umstän-

den die leben. Und man fragt

 sich, was die gegessen haben,

bevor sie die Kuh hatten. Ich glaube, die haben sich nur von

 Brot und Wasser ernährt. Jetzt

haben die natürlich viel mehr,

 Milch und so weiter. Und sie

haben mir auch erzählt, dass sie

ein bisschen was davon verkau-

 fen, um Geld zu verdienen. Sie

arbeiten schon hier in den Dör-

 fern, nur die Bezahlung ist ein-

 fach grausam. Und Kredite ha-

ben alle.

Ludmilas Aufgabe ist es, be-

dürftige Familien auszusuchen

und für das Kuhprojekt vorzu-

schlagen. Sie bespricht ihre

Vorschläge dann mit Tatjana

Trofimova, der Caritas-

Direktorin in Omsk.

O-Ton Tatjana Trofimova: Die soziale Situation in den

 Dörfern ist sehr schwierig.

 Richtig arbeiten kann man nir-

 gends. Hauptsächlich lebt man

vom Kindergeld. Das sind 220

 Rubel pro Kind und Monat.

Wenn man es in Euro umrech-

net, wieviel ist das: 5 Euro? Für

einige gibt es Kindererzie-

hungsgeld, bis eineinhalb Jahre.

 Aber das kommt darauf an, obeine Frau gearbeitet hat und

was sie verdient hat. Sie kriegt

davon dann 40 Prozent. Oft sind

das nicht mal 1000 Rubel.

Die Omsker Caritas verschenkt

seit drei Jahren Kühe an bedürf-

tige Familien. Die Tiere werdenin der Region gekauft und kos-

ten zurzeit etwa 800 Euro. Die

Idee und das Geld dafür kom-

men aus dem Bistum Osnab-

rück.

O-Ton Trofimova:

Ottmar Steffan von der Caritas

Osnabrück war bei uns zu Be-

 such. Er macht solch ein Projekt

 schon seit einigen Jahren imGebiet Saratow. Wir hatten da-

von schon mal gelesen, hätten

uns aber nie träumen lassen,

dass wir sowas auch mal ma-

chen würden. Dann kam Ottmar

hierher und hat uns gefragt:

 Hättet ihr auch Interesse an so

einem Projekt? Da haben wir

 gesagt: Natürlich, wir haben

 sehr viele arme und kinderrei-

che Familien, besonders in den

 Dörfern.

Etwa 100 bedürftige Familien

im Omsker Gebiet profitieren

mittlerweile vom Kuhprojekt.

Und zwar nicht nur in wirt-

schaftlicher Hinsicht, sagt Cari-

tas-Direktorin Tatjana Trofimo-

va.

O-Ton Trofimova:

 Die Kuh hilft nicht nur, die Mit-

 glieder der Familie zu ernäh-

ren. Sie spielt auch eine große

 Rolle bei der Erziehung der

 Kinder. Es ist üblich, dass die

 Kinder die Kuh mit pflegen. Sie

machen den Stall sauber, putzen

die Kuh, bringen sie raus auf

die Straße oder nehmen sie

abends wieder in Empfang. Das Kuhprojekt hat also auch eine

 gute erzieherische Wirkung.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   27

Obdachlosenhilfe

Obdachlos im sibirischen Winter – Hilfe tutdringend Notvon Natalja Sokolova, stellvertretende Direktorin der Caritas Westsibirien, Novosibirsk 

Das Leben eines Obdachlosen

zu führen bedeutet täglichums Überleben zu kämpfenund jeden Tag etwas zu essenund einen Ort zum Schlafenfür die nächste Nacht zu fin-den. In Sibirien verkompli-ziert sich die Situation derObdachlosen aufgrund derKälte und des langandauern-den Winters. Bereits im Ok-tober beginnt das kalte Wet-ter, welches sich dann bis inden April hinzieht. Der Höhe-punkt des Winters findet im

Dezember und im Januar

statt. Die Temperaturen be-tragen einige Wochen sogarunter -30 Grad. Bei windstil-lem Wetter umgibt Sibirienein eiskalter Nebel.

Die Leute landen aus verschie-

denen Gründen auf der Straße.

Oftmals sind es Menschen, die

gerade aus dem Gefängnis ent-

lassen worden sind, chronische

Alkoholiker und Drogenabhän-

gige. Aber auch Menschen, die

vielleicht gerade aus einem

Kinderheim kommen; Men-

schen, die sich nicht in ihremAlltagsleben zurechtfinden oder

an psychischen Krankheiten lei-

den. Zentren (staatliche und

nicht staatliche) nehmen Ob-

dachlose nur auf, wenn sie sich

in einem nüchternen Zustand

 befinden und nur unter der Be-

dingung, dass sie einen Arbeits-

nachweis vorweisen können.

Die Plätze in solchen Zentren

sind sehr knapp bemessen.

Kinderreiche Familien, Rentner, kranke Menschen am Rande der Armut  –  auch sie sind von Obdachlosigkeit bedroht und

werden von der Caritas unterstützt und mit einer warmen Mahlzeit versorgt. Foto: Caritas Sibirien.

Page 28: Eine Kuh für Marx, Nr.47

7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201528

Obdachlosenhilfe

Menschen auf der Straße sind

immer öfter Alkoholiker. Spiri-

tus und stark alkoholische Ge-

tränke werden als Mittel gegen

Depressionen verwendet. Die

Obdachlosen erfrieren in derKälte oder sterben aufgrund von

sich immer weiter verschlim-

mernden Krankheiten. Der stän-

dige Konsum oft nicht verifi-

zierter oder generell chemischer

Flüssigkeiten wie Scheibenwi-

scherflüssigkeit führt zu körper-

lichen Behinderungen, schwe-

ren und chronischen Krankhei-

ten und Erblindung. Viele Ob-

dachlose sterben leidvoll anVerbrennungen der Speiseröhre,

weil sie solch giftige Getränke

zu sich genommen haben.

Unterschlupf auf Fernwärme-

schächten

Im Winter suchen sich die Ob-

dachlosen Unterschlupf in

Brunnen, verwahrlosten Häu-

sern oder auf Dächern mit

Ofenheizung. Sie legen sich

zum Schlafen auf Röhren, durch

welche heißes Wasser zu Mehr-

familienhäusern fließt. Dies

zieht oft schlimme Verbrennun-

gen nach sich, welche nicht be-

handelt werden. Somit kommtes oftmals zu verfaulten Wun-

den. Solche Situationen enden

meistens mit Amputationen von

Gliedmaßen oder sogar mit dem

Tod.

Sehr oft leisten Krankenschwes-

tern der Caritas Hilfe bei der

Behandlung von Erfrierungen,

Verbrennungen, Bisswunden

von Hunden, Messerstichwun-

den. Ebenso verteilen sie Medi-

kamente für die Genesung

schlimmer und chronischer Er-krankungen. Obdachlose besit-

zen häufig keinen Personalaus-

weis und/oder keine Kranken-

versicherung. Auch leben sie

ständig unter gesundheitswidri-

gen Bedingungen und es ist sehr

schwer für sie, Hilfe von medi-

zinischen Einrichtungen zu er-halten. Noch schwieriger ist es,

wenn sie im Krankenhaus schla-

fen müssen, um eine ausrei-

chende Genesung sicherzustel-

len.

Die Caritas hilft

Täglich bieten die Kranken-

schwestern der Caritas medizi-

nische Hilfe für ungefähr 30Obdachlose an. Wichtig ist auch

eine regelmäßige warme Mahl-

zeit, welche sie bei der Caritas

erhalten. Ein gewöhnliches Mit-

tagessen besteht aus Butterbro-

ten, beschmiert mit Butter oder

Fischpastete, einer Portion

warmer Nudeln oder einer Sup-

 pe (Erbsensuppe, Nudelsuppe)

und Tee. Täglich werden in ver-

schiedenen Städten in Sibirien

40 Portionen warmes Essen

ausgegeben. Bei der Essensaus-

gabe engagieren sich auch Ob-

dachlose selbst.

Viele Obdachlose arbeiten ille-

gal. Beispielsweise helfen sie beim Be- und Entladen der Au-

tos auf Märkten, beim Leeren

von Mülleimern oder beim Sor-

tieren von Müll. Sie sammeln

Metalle und verkaufen diese o-

der sie sind als Hausmeister tä-

tig. Diesen Tätigkeiten gehen in

der Regel junge und gesunde

Obdachlose nach. […] 

Im Winter benötigen Obdachlo-

se warme Kleidung: Unterwä-

sche, Jacken, dicke Handschu-

he, Schals...

Für das Nötigste sorgen

Eine ernsthafte Veränderung der

Situation obdachloser Menschen

ist sehr selten. Nichtsdestotrotzführen oft das Erhalten von Do-

kumenten, die Beherbergung in

Altenheimen oder der erneute

Kontakt zu Verwandten zu einer

Verbesserung ihrer Situation.

Preise für Grundnahrungsmittel:

Produkte Preis2014

inRubel

Preis2015

inRubel

Brot 18 22Milch,2,5%, 1 L 40 50Öl ,1 L 70 75Nudeln,1 Kg 42 50Reis,1 Kg 40 48Zucker,1 Kg 32 60Rind-fleisch,1 Kg

250 300

Hühner-

fleisch,1 Kg 105 125

Hühner-eier,10 Stück

43 52

Käse,1 Kg 260 300Kartof-feln, 1 Kg 21 25Tee,250 g 100 118

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   29

Obdachlosenhilfe

Zurzeit werden nicht nur Ob-dachlose unterstützt, sondernauch bedürftige Menschen, wel-che sich am Rande der Armutund der Obdachlosigkeit befin-

den. Dies sind z.B. Rentner,Menschen, die gerade aus demGefängnis entlassen wordensind, Tuberkulose-Kranke, psy-chisch Kranke, aber auch kin-derreiche Familien. Sie erhaltenGrütze und Konserven inBarnaul und Novosibirsk. InOmsk bekommen sie eine war-me Mahlzeit oder Brötchen mitTee.

Aufgrund der Inflation sind diePreise für Grundnahrungsmitteldeutlich gestiegen. Dies ver-schlimmert die Situation der

Ärmsten.In der Tabelle (s. S. 28) sind dieniedrigsten Preise aufgeführt,welche man in Geschäften gro-ßer Städte finden konnte. In

kleineren Städten und Dörfern,in denen die Konkurrenz zwi-schen Betrieben gering ist, sinddie Preise deutlich höher, dasEinkommen der Leute jedochniedriger.

Geschichten obdachloser

Menschen:

Anja, 31 Jahre.  Ihre Mutter

hatte sie immer alleine gelassenund ihr nicht viel Aufmerksam-keit geschenkt. Als Anja 13 Jah-re alt war, fing ihre Mutter an zu

trinken und brachte die ver-schiedensten Männer mit nachHause. Es passierte nicht selten,dass Anja von zu Hause wegliefund bei Freundinnen übernach-

tete. Nach ihrem Schulabschlusshat sie sich für eine Ausbildungzur Schneiderin entschieden undarbeitete nach ihrem Abschlussals Verkäuferin in einem Kiosk.Mit 22 Jahren ist sie dann vonzu Hause ausgezogen und lebteseit 2005 zuerst mit einemMann in einer angemietetenWohnung. Nach und nach ha-

 ben sie zusammen angefangen

zu trinken, sie kündigte ihre Ar- beit und ihr Mitbewohner be-gann sie zu schlagen. Nachdemsie mehrfach verprügelt wurde,

Essensausgabe der Caritas für obdachlose Menschen im Park beim Caritascontainer : Butterbrote, Suppe und Tee.Foto: Caritas Sibirien.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201530

Obdachlosenhilfe

ist Anja zu ihrer Mutter zurück-gekehrt. Dort war die Situation

 jedoch nicht besser. Nach meh-reren Streits und Prügeleien hatdie Mutter ihre Tochter zu Hau-

se rausgeworfen. Somit lebteAnja seit 2011 auf der Straße.Am Hauptbahnhof lernte sie an-dere Wohnungslose kennen. Sielebten alle zusammen in einemverlassenen Waggon. Im Febru-ar 2012 sind sie zum ersten Malzu einem der Plätze gekommen,zu denen die Autos der Caritasimmer fahren. Neben einerwarmen Mahlzeit haben sie

auch noch warme Kleidung er-halten. Nach einiger Zeit ist An-

 ja aufs Dorf gefahren, um dortauf einem Bauernhof zu arbei-ten.Im Sommer kehrte sie in dieStadt zurück. Sie sagte, dass siegenug davon habe, für ihre Ar-

 beit lediglich Essen und einenPlatz zum Schlafen zu erhalten.Mit anderen Obdachlosen be-gann sie Metall zu sammeln undfing wieder an zu trinken. Siehatte sich eindeutig dagegenentschieden, zu ihrer Mutter zu-rückzukehren. Somit ist siewieder zum Wagen der Caritasgegangen, hat dort warmeMahlzeiten erhalten, Kleidung,Schuhe und regelmäßige medi-zinische Versorgung. Die Mit-

arbeiter des Sozialen Konsulatshalfen ihr dabei, einen Perso-nalausweis zu bekommen.Mehrfach animierten sie dieMitarbeiter der Caritas, sichGedanken um ihren weiterenLebensweg zu machen. Die Hil-fe der Caritas hatte sie zum letz-ten Mal im März 2014 in An-spruch genommen. Im Augustdesselben Jahres erblickten die

Mitarbeiter bereits eine „neueAnja“: ordentlich gekleidet undglücklich. Sie lief an der Hand

eines Mannes, welchen sie alsihren Ehemann vorstellte undverkündete mit Freude, dass sieein gemeinsames Kind erwar-ten. Zudem erzählte sie, dass sieseit September in der Schule inder Garderobe arbeite.

Andrej, 40 Jahre.  Er kämpfteim Krieg in Tschetschenien und

hat eine schwere Verletzung amBein davongetragen. Als Andrejaus dem Krieg zurückkam, warer psychisch gestört, fing an zutrinken und zu randalieren undverlor mehr und mehr den Kon-takt zu seinen Verwandten. Er

wurde obdachlos, auf der Straßewurden seine Dokumente ge-klaut. Die Caritas half ihm da-

Der Winter in Sibirien dauert von Oktober bis April, oft bei Temperaturen von

-30 Grad. Wer bis April überlebt hat, weiß, dass in fünf Monaten der Kampfums Überleben aufs Neue beginnt. Foto: Caritas Sibirien.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   31

Obdachlosenhilfe

 bei, neue Dokumente zu erlan-

gen. Deswegen sind wir zu-

sammen mit ihm in den Altai

gefahren, wo sie ihm einen Be-

scheid zum Erhalt eines Perso-

nalausweises und einen Schwer-

 behindertenausweis ausgestellt

haben. Mit seinen neuen Doku-

menten ist es ihm gelungen, in

einem Wohnheim für Menschenmit Behinderungen unterzu-

kommen. Trotzdem geriet er

dort ständig in Konflikte mit

anderen Bewohnern und ist

deswegen erneut auf die Straße

gezogen. Nach einiger Zeit fand

man ihn im Winter erfroren auf

der Straße. Seine Verwandten

haben sich geweigert, ihn zu be-

erdigen.

Sascha, 38 Jahre.  Ehemaliger

Bewohner eines Kinderheims,

der 18 Jahre aufgrund von

Diebstahl im Gefängnis saß.

Das erste Mal ist er mit 14 Jah-

ren ins Gefängnis gekommen,

wo er bei einer Prügelei ein Au-

ge verlor. Als er aus dem Ge-

fängnis kam, lebte er in einem

Komplex aus Heizungsrohren

und zog sich Verbrennungen zu,

wandte sich jedoch nicht an einKrankenhaus. Infolgedessen

fingen seine Wunden an, stark

zu eitern. Somit landete er im

Krankenhaus, wo man sein Bein

retten konnte. Dennoch war das

Resultat nach der Operation ein

hinkendes Bein. Mit solchen

körperlichen Beeinträchtigun-

gen war es für ihn nicht möglich

zu arbeiten. Wir vermittelten

ihm eine Unterkunft bei den

Schwestern der Mutter Teresa.

Hier nahm er an der Gruppe der

Anonymen Alkoholiker teil.

 Nach nicht langer Zeit der

 Nüchternheit, begann er aufs

 Neue zu trinken und zog auf die

Straße. Nach einiger Zeit kam er

wieder zurück zu den Schwes-

tern. Jetzt lebt Sascha bereits

seit zwei Jahren nüchtern und

hat Arbeit am Bahnhof gefun-

den.

Nastja, 28 Jahre.  Die Mutter

von Nastja hat sehr viel getrun-

ken und Nastja wurde von ihrer

Oma großgezogen. Diese ist je-

doch verstorben, als sich Nastja

in einem Alter von 14 Jahren

 befand. Nach dem Tod der

Großmutter ist die Mutter nach

Hause zurückgekehrt, hat Män-

ner mit nach Hause gebracht

und die Konflikte begannen.

 Nastja brach die Schule ab und

Krankenschwestern der Caritas leisten ambulante medizinische Hilfe bei Erfrierungen, Verbrennungen, Bisswunden von

Hunden, Messerstichwunden und verteilen Medikamente für akute und chronische Erkrankungen. Foto: Caritas Sibirien.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201532

Obdachlosenhilfe

hat ebenso angefangen zu trin-

ken. Im Alter von 16 Jahren be-

fand sie sich in der Jugendhaft-

anstalt aufgrund von Diebstahl.

In dieser Zeit starb die Mutter

und die Wohnung haben dieVerwandten übernommen. Nach

 Nastjas Entlassung haben sie

diese nicht in die Wohnung ge-

lassen. Sie klagte vor Gericht

auf Wiedererlangung der Woh-

nung. In dieser Zeit lebte sie bei

einer Freundin, wo sie wieder

angefangen hat zu trinken und

zum ersten Mal Drogen nahm.

Dies hatte den zweiten Gefäng-

nisaufenthalt zur Folge, wo sie

sehr schwer erkrankte. Im Win-

ter wurde sie dann aus dem Ge-

fängnis entlassen, ohne jeglichewarme Kleidung. In der ersten

Woche auf der Straße fror ihr

Fuß ab, welcher ihr im An-

schluss amputiert werden muss-

te. Die Caritas rief für sie um-

gehend den Krankenwagen  –  

mit Verdacht auf einen Wund-

 brand. Nach ihrem Aufenthalt

im Krankenhaus wurde sie von

den Schwestern der Mutter Te-

resa aufgenommen. Bei den

Schwestern partizipierte sie an

der Gruppe der Anonymen Al-

koholiker, lernte einen Mannkennen, wurde schwanger und

verließ die Schwestern. In der

Zeit ihrer Schwangerschaft hat

der Mann angefangen, stark zu

trinken und Nastja aus der

Wohnung hinausgeworfen.

 Nastja ist mit ihrem Säugling zu

den Schwestern zurückgekehrt.

Die russischen Diözesen auf einen Blick:

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   33

Kinderheim St. Nikolaus

Abschied und NeubeginnVeränderungen im Kinderheim St. Nikolaus und im Mutter-Kind-Heim St. Sophia

Brief von Pater Gracjan, Diözesan-Caritasdirektor in Novosibirsk

Zum 1. September mussten wir

unser Kinderheim St. Nikolaus

in Novosibirsk schließen. Die

staatliche Politik sieht vor, alle

Kinder in Pflege- oder Adoptiv-

familien unterzubringen, des-halb wurden in den vergangenen

Jahren viele städtische Kinder-

heime geschlossen und die An-

zahl der Kinder in unserem

Heim ständig verringert.

Schließung des Kinderheims

Der Abschied von den letzten

Kindern und den Mitarbeitern,

die sich viele Jahre um die Ent-

wicklung bemühten, war für uns

alle sehr schwer. In den 19 Jah-

ren seit der Eröffnung des Hei-

mes haben über 250 Kinder bei

uns ein neues Zuhause gefun-

den. Die meisten von ihnen wa-

ren Sozialwaisen, d.h. dass sie

zumindest noch ein Elternteilhatten, das aber mit der Sorge

um das Kind überfordert war.

Für alle Kinder wurde das Niko-

lausheim in der schwersten Zeit

ihres Lebens zu einem Ort, an

dem sie Sicherheit, Geborgen-

heit, Liebe und Verständnis

fanden. Mehr als 30 ehemalige

Heimkinder haben bereits eine

eigene Familie gegründet und

geben die empfangene Liebe

und Fürsorge an ihre Kinder

weiter. Wir bedanken uns ganz

herzlich bei allen, die mit ihren

Spenden, ihrem persönlichen

Einsatz und ihrem Gebet den

Kindern dieses neue Zuhause

ermöglichst haben. Unser be-

sonderer Dank gilt den Elisabe-thschwestern und den Mitarbei-

terInnen, die Freude und Leid

mit den Kindern geteilt, ihre Ta-

lente gefördert und ihnen den

Weg in eine bessere Zukunft

gezeigt haben.

Erweiterung des Mutter-

Kind-Heims

Auch unser Mutter-Kind-Heim

St. Sophia in Novosibirsk be-

steht seit 19 Jahren. Seit 2004

Was bringt wohl die Zukunft für sie? - Kinder des ehemaligen Kinderheims St. Nikolaus. Foto: Ottmar Steffan.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201534

Kinderheim St. Nikolaus

ist das Heim im Caritaszentrumuntergebracht und wurde mehr-fach erweitert. Obwohl in denletzten Jahren in der Stadt nochweitere Heime eröffnet wurden,

reichte unser Platz nicht aus,denn wir sind die einzige Ein-richtung, die auch Mütter mitmehreren Kindern aufnimmt.Den Platz für 10 Familien müs-sen sich oftmals auch 12 Müttermit mehreren Kindern teilen.Das bedeutet, dass zwei oderdrei Familien in einem Zimmerwohnen, deshalb haben wir be-schlossen, das Mutter-Kind-

Heim nun im Gebäude des Kin-derheimes unterzubringen undzusätzliche Plätze zu schaffenfür alleinerziehende Mütter inakuten Notsituationen.

Bevor die Familien einziehenkönnen, müssen die Räumefrisch gemalert und entspre-chend eingerichtet werden.Auch wenn die Mütter vielesselbst machen, brauchen wirdoch dringend Geld für Materialund Einrichtung.

Im Heim wird es eine Kinderbe-treuung geben als Unterstützungfür Mütter, die ihren Schulab-schluss nachholen, in der Aus-

 bildung sind oder arbeiten.

Eröffnung einer Suppenkücheund eines Seniorenzentrums

in Novosibirsk

Mit Sorge erfüllt uns die finan-zielle Situation der geringver-dienenden Bevölkerungsschich-ten. Die Preise steigen ständig,kleinere Firmen schließen, im-mer mehr Leute verlieren ihreArbeit. Viele von ihnen haben

in den letzten Jahren Krediteaufgenommen für die Ausbil-dung ihrer Kinder, medizinische

Behandlungen, die seit langemnotwenige Renovierung derWohnung oder den Kauf vonHaushaltsgeräten wie Kühl-schrank oder Herd. Sie trifft die

Arbeitslosigkeit besonders hart.Gleichzeitig wurden staatlicheHilfsprogramme gekürzt odergestrichen, so können z.B. Men-schen in akuter Not beim Sozi-alamt keine einmalige Hilfemehr bekommen in Form vonLebensmitteln. Alle kommen zuuns in ihrer Verzweiflung undihrer oft ausweglos erscheinen-den Not. Deshalb wollen wir im

Gebäude des Kinderheims aucheine Suppenküche eröffnen fürMenschen, denen buchstäblichdas tägliche Brot fehlt.Für Senioren wollen wir auchBeratung und Schulung anbie-ten zu Gesundheitsfragen, häus-licher Pflege und anderen The-men, die sie im Alter beschäfti-gen.Mitte August besuchte der neueOberbürgermeister der Stadt

 Novosibirsk das Caritas Zent-rum.

Ziel seines Besuches war es, dieSozialarbeit der KatholischenKirche kennenzulernen.Sein besonderes Interesse weck-te unser Kinderzentrum in sei-nem Konzept zur Integration

von Migrationskindern aus Mit-telasien. Beim Besuch der ver-schiedenen Projekte unterhieltsich der Oberbürgermeister mitden MitarbeiterInnen, den Kin-dern im Kinderzentrum und denalleinerziehenden Müttern imMutter-Kind-Heim. Er warsichtlich betroffen, was sie überihre Situation erzählten.

Ziel des Besuches war auch einGespräch über die anstehendenVeränderungen durch die

Schließung des Kinderheims,die Erweiterung des Mutter-Kind-Heimes und die Neueröff-nung einer Suppenküche fürnotleidende Menschen unseres

Wohngebietes.Abschließendes Thema war dieweitere Verbesserung der Ko-operation zwischen Stadtver-waltung und Caritas. Der Ober-

 bürgermeister sicherte uns staat-liche Unterstützung bei der Fi-nanzierung unserer Projekte zu –   vorerst jedoch ohne konkreteZusagen. Dass es ihm wirklichernst damit ist, schließen wir da-

raus, dass wir kurz nach diesemBesuch einen Zuschuss zu denLohnkosten im Mutter-Kind-Heim bekamen.

Aktuelle Entwicklungen

 Natalja Sokolova, Stellvertrete-rin von Pater Gracjan, schreibtam 19.11.2015:

Das Mutter-Kind-Heim istschon in das Gebäude des Kin-derheims umgezogen. Wir ha-

 ben fast alles zur Eröffnung derSuppenküche am 6.12.2015vorbereitet.In den frei gewordenen Räumendes Caritas-Gebäudes planenwir, eine soziale Hilfe für aus-

wärtige Eltern zu eröffnen. Siesollen hier wohnen können,wenn ihre Kinder im nahegele-gen Krankenhaus operiert undvon ihren Eltern versorgt undgepflegt werden müssen. Dasneue föderale Zentrum für Neu-rochirurgie führt u.a Gehirn-und Rückenmarkoperationendurch. Im Krankenhaus selbstwird den Eltern keine Über-

nachtungsmöglichkeit angebo-ten.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   35

Russischer Jugendtag

„Selig, die reinen Herzens sind“ (Mt 5,8)

Eindrücke vom Russischen Jugendtag 2015

von Frederike von Geisan, Linda Sieker und Martina Hartong

Wir möchten Sie mit diesen

Zeilen auf unsere Reise mit-

nehmen, Ihnen versuchen, ein

Gefühl zu vermitteln, als seien

Sie gemeinsam mit uns in der

Transsibirischen Eisenbahn

von Omsk nach Barabinsk

und von dort weiter nach No-

vosibirsk zum Russischen Ju-

gendtag (RJT) unterwegs ge-

wesen.

Voller Vorfreude und Neugier

auf die nächsten zehn Tage be-

gann unsere Reise am Düssel-

dorfer Flughafen, wo wir über

Moskau nach Omsk, einer Mil-

lionenstadt in Sibirien, flogen.

 Noch am gleichen Tag schauten

wir uns die Stadt an und ließen

die ganzen neuen Eindrücke erst

einmal auf uns wirken: große

Straßen, riesige, etwas trostlos

wirkende Hochhäuser mit wun-

derschön bepflanzten Vorder-

gärten, beeindruckende ortho-

doxe Kirchen und die letzten

Vorbereitungen für den 299.

Stadtgeburtstag, der am nächs-

ten Tag stattfinden sollte. Nach

nur wenigen Stunden Aufenthalt

wurden wir auch schon zum

Bahnhof gebracht - vor uns lag

eine circa 350 Kilometer lange

Strecke nach Barabinsk.

Auf nach Sibirien! Die Osnabrücker Gruppe im Zug auf dem Weg zum Flughafen. In der Hand ein Trostbrief für die zu-

rückgebliebene Elke, die leider nicht mitfahren konnte. Foto: Ottmar Steffan.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201536

Russischer Jugendtag

Für viele von uns war es die ers-

te Fahrt mit der Transsibirischen

Eisenbahn. Die ganz eigene

Atmosphäre, die uns schon

 beim Betreten des Zuges

umgab, spüren wir noch immer.Während die Landschaft an uns

vorbeizog, tranken wir

Schwarztee (wohl sowas wie ein

 Nationalgetränk) und kamen mit

unseren Mitreisenden ins Ge-

spräch. Viele von ihnen waren

schon seit zwei Tagen unter-

wegs und hatten damit erst die

Hälfte ihrer Reise geschafft!

In Barabinsk angekommen

wurden wir sehr freundlich vondem deutschen Pater Dietmar

und Ordensschwester Christiane

 begrüßt, die uns für die nächsten

zwei Tage in ihrer Gemeinde

aufnahmen. Neben einem Grill-

abend besichtigten wir auf Rä-

dern die Stadt und lernten wäh-

rend einer Hl. Messe sogar ein

Mädchen kennen, dass wir spä-

ter auf dem Jugendtag wieder-

trafen. 

Kuh-Besuch im DorfKoschewnikowo

Am zweiten Tag in Kuybischew

ging es mit einer Marschrutka,

einem Bulli mit vielen Sitzplät-

zen, ins Dorf Koschewnikowo

(siehe auch Seite 5). Dort befin-

den sich einige Kühe, die über

das Kuh-Projekt von „Eine Kuh

für Marx“ zu den Menschen

kamen. Nach einem Empfang inden Dorfgemeinschaftsräumen

konnten wir einige der durch

das Projekt finanzierten Kühe

selber anschauen und erfuhren,

zu was eine Kuh eigentlich alles

nützlich ist!

In kleinen Gruppen spazierten

wir durch das Dorf und erhiel-

ten so einen ersten Einblick in

das russische Dorfleben. Da-

nach wurden wir noch in das

Haus des Organisators des Pro-

 jekts vor Ort zum Essen einge-laden. Es gab famos viele ver-

schiedene Gerichte und alle

mussten probiert werden. Wir

gaben uns wirklich Mühe, hat-

ten aber laut unserer Gastgebe-

rin am Ende „fast nichts geges-

sen“! Dieser Ausflug wird uns

ganz besonders in Erinnerung

 bleiben!

 Nach ein paar Tagen hieß es

wieder, Rucksäcke packen,denn wir machten uns weiter

auf den Weg nach Novosibirsk

in die Caritas.

Vor allem bei zweien aus unse-

rer Gruppe war die Vorfreude

 besonders groß, da sie beide ei-

nen FDA (Freiwilligen Dienst

Die Osnabrücker Gruppe besucht die Kuhfamilien in Koschewnikowo. Foto: Ottmar Steffan.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   37

Russischer Jugendtag

im Ausland) über das Bistum

Osnabrück vor Ort absolviert

hatten und sich sehr freuten, an

ihre ehemalige Einsatzstelle zu-

rückzukehren.

Auch hier fielen wir am Bahn-hof in die weit geöffneten Arme

der dortigen Elisabeth-

Schwestern. Nach dem herzli-

chen Empfang verwöhnten sie

uns in den nächsten 3 Tagen

mit ganz viel Kuchen, Kascha

(ein Reis- oder Getreidebrei, der

zum Frühstück gegessen wird),

leckeren Salaten, Suppen und

vielem anderen Essen. Auch

hier in Novosibirsk standen ei-nige Ausflüge auf dem Plan:

Die zwei ehemaligen Freiwilli-

gen führten uns auf dem Cari-

tas-Gelände herum und zeigten

uns das gerade erst geschlossene

Kinderheim (s. Seite 33), das

Mutter-Kind-Heim und den

Kinderclub. Nach dem Mittag-

essen nahmen uns die Schwes-

tern mit zum Projekt der Mut-

ter-Teresa-Schwestern, die ein

Obdachlosenheim leiten.

Besuch im Gymnasium

Tomsk

Am nächsten Morgen brachen

wir um 05:00 Uhr in der Früheauf, um dem ersten und einzigen

katholischen Gymnasium in

Russland, das sich in Tomsk be-

findet, einen Besuch abzustat-

ten. Also wieder in den Bus und

nach vier Stunden waren wir be-

reits da  –   die gleichen vier

Stunden ging es abends auch

wieder zurück. Im Tomsker

Gemeindehaus trafen wir auf

eine Moskauer Gruppe, die auf

dem Weg zum Russischen Ju-

gendtag einen Zwischenstopp in

Tomsk eingelegt hatte. Gemein-sam mit einer weiteren Gruppe

(aus Polen) aßen wir Mittag und

machten uns danach auf den

Weg, Tomsk zu erkunden. Hier

wurden wir von Elja begleitet,

die als junge Russin gerne einen

Freiwilligendienst in Deutsch-

land machen würde. Es war ein

anstrengender, aber schöner

Tag!

Am nächsten Morgen durften

wir das erste Mal ein bisschen

ausschlafen, um uns dann später

auf den Weg zur katholischen

Kathedrale in Novosibirsk zu

machen, in der der Auftaktgot-

tesdienst zum RJT gefeiert wur-

de. Wir freuten uns sehr über

die vielen bekannten Gesichter,

die uns freudig begrüßten - wer

hätte gedacht, dass wir in nur so

kurzer Zeit so vielen netten

Menschen begegnen würden!

Für die anderen ehemaligen

Russlandfreiwilligen aus unse-

rer Gruppe gab es einen beson-

Die Kuppeln der russisch orthodoxen Kirche strahlen in der Sommersonne.

Foto: Ottmar Steffan.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201538

Russischer Jugendtag

deren Grund zur Freude  –   alte

Bekannte aus ihrem Jahr nah-

men auch am Jugendtag teil!

 Nach einem beeindruckenden

Gottesdienst brachen wir mit

Bussen ins Pionierlager auf, in

dem die nächsten drei Tage derJugendtag stattfand.

Das Lager befindet sich wun-

derbar mitten auf dem Lande (in

der Pampa), umgeben von ganz

viel Grün und nur einen kleinen

Spaziergang vom ''Obsker

Meer'' entfernt. Am ersten

Abend erwartete uns ein buntes

Programm: durch Kennlernspie-

le wurde die Dynamik gelockert

und jede Gruppe stellte sich miteinem eigenen Programmpunkt

nochmal einzeln vor. Dieses

ging von Sketchen, Liedern bis

zu einem Tanz-Theater über die

Entstehung des Baikal Sees.

Ziemlich begeistert vom ersten

Eindruck und sehr müde fielen

wir spät am Abend ins Bett.

 Nach dem Frühstück ging es pünktlich zum Rosenkranzgebet

mit anschließendem Morgenim-

 puls. Im Anschluss daran fan-

den wir uns in Kleingruppen zu-

sammen und tauschten uns über

die Predigt aus.

Unterschiede und Gemein-

samkeiten 

In Deutschland sind wir einesehr liberale Kirche und Denk-

weisen gewohnt und hatten

Schwierigkeiten, die teilweise

sehr konservativen Ansichten

der russischen und kasachischen

Jugendlichen und jungen Er-

wachsenen zu verstehen. Diese

Erfahrung regte uns alle zum in-

tensiven Nachdenken und Aus-tausch über unseren eigenen

Glauben an. Für die Kleingrup-

 penarbeit wurden alle Teilneh-

mer des RJT wild durcheinander

gemischt und diejenigen unter

uns, die kein Russisch sprechen

konnten, bekamen einen Dol-

metscher an die Hand. Am

 Nachmittag jedoch gab es durch

die morgendlichen Gedanken

des Bischofs genug Redebedarf,um eine neue Gruppe zu eröff-

nen, die sich in deutscher

Gruppenfoto zum Auftakt des Russischen Jugendtags mit 300 Teilnehmern und 5 Bischöfen vor der Novosibirsker

Kathedrale. Foto: Ottmar Steffan.

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/2015   39

Russischer Jugendtag

Sprache diesem wichtigenThema annähern konnte. In dereigenen Muttersprache lassensich doch schneller die passen-den und treffenden Worte fin-

den.Am Abend feierten wir einenGottesdienst und wurden imAnschluss zu einer Andacht mitMöglichkeit zur Beichte einge-laden.

Beeindruckende Erlebnisse

Die Atmosphäre draußen un-term Sternenhimmel war un-

glaublich beeindruckend undschön und der ein oder andere

konnte sicherlich Kraft für denAlltag zu Hause schöpfen.Am nächsten Tag hatten wir dieMöglichkeit, uns als deutscheGruppe mit den deutschsprachi-

gen Priestern und Brüdern zutreffen und uns über die katholi-sche Kirche in Russland undDeutschland auszutauschen. Fürdie Offenheit und das Verständ-nis, das uns stets entgegenge-

 bracht wurde, sind wir sehrdankbar. Dieses Gespräch hateinigen aus unserer Gruppeauch noch einmal geholfen, dieAussagen der anderen Teilneh-

mer im Kontext einer noch sehr jungen katholischen Kirche inRussland zu sehen.

Der Abschlussabend wurdenochmal mit einem sehr buntenProgramm gefeiert: bis spät indie Nacht wurde viel getanzt,gesungen, gespielt und gelacht!

Am nächsten Morgen ging esmit den Bussen Richtung Novo-sibirsk zurück, wo auch der Ab-schlussgottesdienst in der Ka-thedrale stattfinden sollte. Eswar wieder ein schöner Gottes-dienst und nach drei Tagen hat-ten wir uns schon richtig an dietäglichen Gottesdienste ge-wöhnt. Auch gab es wieder eineSimultan-Übersetzung durch

Pater Markus, der die Musik-gruppe leitete, für die kompletteTechnik zuständig war und ne-

Beim katholischen Sender KANA gefragt war Christine Kaier. Die junge Russlanddeutsche aus dem Bistum Osnabrückabsolvierte ihren Freiwilligendienst 2012/2013 bei der Caritas Novosibirsk. Foto: Ottmar Steffan.

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7/21/2019 Eine Kuh für Marx, Nr.47

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Eine Kuh für Marx Nr. 47 12/201540

Russischer Jugendtag

 benbei noch übersetzte. Es gab

so einige Wunderkünstler unter

den Menschen, die uns auf

unserer Reise begegnet sind!

 Nach dem Gottesdienst und ei-

nem leckeren Mahl hieß es dann

doch langsam Abschied nehmenvon den meisten Teilnehmern.

Hier und da wurde noch schnell

ein Abschiedsfoto gemacht,

Kontaktdaten ausgetauscht und

Umarmungen gedrückt. Obwohl

wir uns erst seit drei Tagen

kannten, sind uns einige Men-

schen schnell ans Herz gewach-

sen.

Für uns ging es erstmal wieder

Richtung Caritas. Einige woll-ten nur zurück und sich ein

 bisschen ausruhen, andere ein-

kaufen gehen, wieder andere

mussten weitere Reisepläne

schmieden. Am nächsten Tag

teilte sich unsere Gruppe näm-

lich auf: Sieben traten den

Rückflug an und zwei wollten

noch weiter durch Russland rei-sen.

 Noch lange saßen wir an unse-

rem letzten gemeinsamen

Abend bei Tee zusammen und

tauschten uns über die vergan-

genen zehn Tage aus.

Der Morgen begann bereits um

fünf Uhr. Mit dem Bulli fuhren

wir  –   nur noch zu siebt  –   zum

Flughafen und betraten acht

Stunden später wieder verregne-ten deutschen Boden. Wir haben

unglaublich herzliche Menschen

getroffen und konnten eine an-

dere Sicht auf den katholischen

Glauben kennenlernen.

Bereichernde Erfahrung

Besonders bereichernd war es,einen klitzekleinen Einblick in

dieses wahnsinnig große Land

zu bekommen, das viele von uns

vorher nur aus den Medien

kannten und mit den typischen

Klischees in Verbindung brach-

ten, die sich größtenteils nicht

 bestätigten!

Die russische Gastfreundschaft,

das Land mit seiner Weite und

das gute Essen werden den ei-nen oder anderen sicherlich

nochmal in seinen Bann ziehen!

Zum Russischen Jugendtag nach Novosibirsk kamen junge Katholiken aus Russland, Kasachstan und Deutschland.

Etliche hatten eine Anreise von mehreren tausend Kilometern, auch innerhalb Russlands. Foto: Ottmar Steffan.

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Kurznachrichten

Klosterbauer in Aktion

16 ehrenamtlichen Helfern wa-ren von August bis November2015 bei 3 Klosterbauer-Aktionen in Marx und 1 Klos-terbauer-Einsatz in Astrachanim Einsatz, einige Arbeiter so-gar zweimal. Bischof Pickel be-dankte sich mit folgenden Wor-

ten: „ Nach meiner Heimkehraus Si birien […]  traf ichSchwestern voll und übervolldes Lobes an, und konnte michdann auch gleich selbst vomZustand des Gartens an unserem„Haus der Stille“ überzeugen.

Wirklich sehr, sehr schön habenSie das gemacht! Mir tat es leid,dass Sie so lange, teilweise ab4.00 Uhr morgens und über dieMittagshitze hinweg, gearbeitethaben. Jack, der kräftige Hund,war längst fix und fertig, undSie haben geschuftet. Auch IhrUmgang untereinander und mitden Schwestern war ein gutesBeispiel, für das die Schwesternsehr dankbar sind. Zum Ab-schluss haben Sie gemeinsamgegessen und erzählt. Auch da-

von sind interessante und dank- bare Eindrücke geblieben, beiallen.“ 

Gute Taten

Pjotr Sokolov (Foto), Leiter derRegionalcaritas Novosibirsk,

 berichtet aus seinem Alltag:„Mascha hat Krebs. Die junge

Frau ist allein mit zwei kleinenKindern. Eine Operation, drei-mal Chemotherapie und Be-strahlungen hat sie schon hintersich und noch vieles vor sich.Die Ärzte erklären ihr, dass sieRuhe brauche und gutes Essen,doch in Maschas Küchen-schrank herrscht gähnende Lee-re. Ihr schmales Familienbudget

ist komplett für die Medikamen-te draufgegangen; für Lebens-

mittel blieb nichts mehr übrig.Mascha macht sich auf den Wegzum Sozialamt, um einen Gut

schein für Graupen, Reis oderBuchweizen zu bekommen. Dieletzte Chemotherapie ist geradedrei Tage her. Nur wer das sel-

 ber schon mal mitgemacht hat,weiß, wie elend sie sich fühlt.Mascha steht in der Schlange,mit kaltem Schweiß im Gesicht,füllt den Antrag aus, versuchtdabei Schwäche und Übelkeitzu ignorieren, fährt zur Ausga-

 bestelle und dann zu uns. Wirkönnen Mascha bei der Finan-zierung der nächsten Medika-mente helfen. Ich bin glücklich,dass immer wieder Menschenauf unseren Hilferuf reagierenund mit ihren Spenden ermögli-chen, dass Mütter wie Maschain Krankheit und Not nicht al-

lein sind.“ Info-Blogs

Drei Blogs informieren mittler-weile über Kühe und Co.:anderwolga.wordpress.com (die Seite von Pfarrer BoscoMarschner aus Marx)kath-ru.blogspot.com (die Seite von Bischof Pickel)

blog.eine-kuh-fuer-marx.de (die Seite von „Eine Kuh für

Marx“)

 Augenblick mal...

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Wir über uns

Seit über 17 Jahren hat es sichdie Russlandhilfe „Eine Kuh fürMarx“ zur Aufgabe gemacht,bedürftigen Menschen in Russ-land zu helfen und die Caritas-arbeit vor Ort zu unterstützen.

Mit Ihren Spenden können fol-gende Projekte unterstützt wer-den:• Kuhprojekt• Mutter-und-Kind-Häuser• Kinderzentren

• Obdachlosenhilfe• Häusliche Krankenpflege• Priester- und Schwesternhilfe• Notfallhilfe

Die Vernetzung von Hilfsange-boten, Austausch- und Begeg-nungsprogrammen sowie dieEinbindung von Ehrenamtlichenergänzen die Projekte vor Ort.

Unterstützen Sie unsere Arbeitdurch freiwilliges Engagementoder durch Spenden!

Impressum:

„Eine Kuh für Marx“ – die Russ-landhilfe des Caritasverbandes fürdie Diözese Osnabrück e.V.,Knappsbrink 58, 49080 Osnabrück

www.eine-kuh-fuer-marx.dewww.blog.eine-kuh-fuer-marx.de

Redaktionsverantwortliche:Ottmar Steffan, 0541/[email protected] Hahn, 0541/[email protected]

Hinweis: Aus Gründen der besse-ren Lesbarkeit verwenden wir inder Regel die männliche Schreib-

weise. Wir weisen darauf hin, dasssowohl die männliche als auch dieweibliche Form gemeint ist.

Titelfoto: istock

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtemPapier aus verantwortungsvollenQuellen.

Das Team von „Eine Kuh für Marx“:Ottmar Steffan und Sabine Hahn.

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