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Einführung in die PflegeethikWS 2007/08

Institut für Ethik und Recht in der MedizinInstitut für Ethik und Recht in der Medizin

O.Univ.Prof. Dr. Ulrich KörtnerO.Univ.Prof. Dr. Ulrich Körtner

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Semesterplan

Ort:Ort: Großer Hörsaal am Institut für Physiologie (MedUni), Großer Hörsaal am Institut für Physiologie (MedUni), Schwarzspanierstr. 17, 1090 WienSchwarzspanierstr. 17, 1090 Wien

TermineTermine Mi, Mi, 10.10.07 Vorlesungsbeginn10.10.07 Vorlesungsbeginn Mi, Mi, 17.10.0717.10.07 Mi, Mi, 31.10.0731.10.07 Mi, Mi, 7.11.077.11.07 Mi, Mi, 14.11.0714.11.07 Mi, Mi, 28.11.0728.11.07 Mi, Mi, 5.12.075.12.07 Mi,Mi, 12.12.0712.12.07 Mi, Mi, 9.1.089.1.08 Mi, Mi, 16.1.0816.1.08 Mi, Mi, 24.1.0824.1.08 KlausurKlausur

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Aufbau der Vorlesung

0. 0. EinleitungEinleitung 0.1 Pflegeethik – ein neues Fachgebiet der Gesundheitsethik0.1 Pflegeethik – ein neues Fachgebiet der Gesundheitsethik 0.2 Zielsetzung und Aufbau der Vorlesung0.2 Zielsetzung und Aufbau der Vorlesung 0.3 Literatur0.3 Literatur    1. 1. Ethik, Ethos und MoralEthik, Ethos und Moral 1.1 Ethik und Moral im Alltag1.1 Ethik und Moral im Alltag 1.2 Begriffsbestimmungen1.2 Begriffsbestimmungen 1.3 Grunddimensionen der Ethik1.3 Grunddimensionen der Ethik 1.4 Typen der Ethik1.4 Typen der Ethik 1.4.1 Normative und deskriptive Ethik1.4.1 Normative und deskriptive Ethik 1.4.2 Deontologische und teleologische Ethik1.4.2 Deontologische und teleologische Ethik 1.4.3 Pflichtenlehre, Tugendlehre und Güterlehre1.4.3 Pflichtenlehre, Tugendlehre und Güterlehre 1.4.4 Verantwortungsethik und Diskursethik1.4.4 Verantwortungsethik und Diskursethik 1.5 Theoretische Ethik, angewandte Ethik und Bereichsethik1.5 Theoretische Ethik, angewandte Ethik und Bereichsethik

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2. 2. Gesundheitsethik, Medizinethik, PflegeethikGesundheitsethik, Medizinethik, Pflegeethik 2.1 Ethik des Gesundheitswesens2.1 Ethik des Gesundheitswesens 2.2 Gegenstand und Aufgabe medizinischer Ethik2.2 Gegenstand und Aufgabe medizinischer Ethik 2.3 Ethik des Heilens und „therapeutischer Imperativ“2.3 Ethik des Heilens und „therapeutischer Imperativ“ 2.4 Medizinethik und Pflegeethik2.4 Medizinethik und Pflegeethik   3. 3. Ethik und Recht in der PflegeEthik und Recht in der Pflege 3.1 Medizinrecht3.1 Medizinrecht 3.2 Rechtliche Bestimmungen für den gehobenen Pflegedienst und die 3.2 Rechtliche Bestimmungen für den gehobenen Pflegedienst und die

PflegehilfePflegehilfe 3.3 Patientenrechte3.3 Patientenrechte 3.3.1 Menschenrechte und Grundrechte3.3.1 Menschenrechte und Grundrechte 3.3.2 Spezielle Patientenrechte3.3.2 Spezielle Patientenrechte

4. 4. Ethik und AnthropologieEthik und Anthropologie 4.1 Pflegeethik, Medizinethik und Menschenbild4.1 Pflegeethik, Medizinethik und Menschenbild 4.2 Der Begriff der Person4.2 Der Begriff der Person 4.3 Das Subjekt der Pflege und der Medizin4.3 Das Subjekt der Pflege und der Medizin

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   5. 5. Grundlagen und Probleme der PflegeethikGrundlagen und Probleme der Pflegeethik 5.1 „professional attitudes“ in der Pflege5.1 „professional attitudes“ in der Pflege 5.2 Strukturprobleme des Pflegeberufs5.2 Strukturprobleme des Pflegeberufs 5.3 Pflegeethik, Care-Ethik und Ethik des Helfens5.3 Pflegeethik, Care-Ethik und Ethik des Helfens 5.3.1 Ethik des Helfens5.3.1 Ethik des Helfens 5.3.2 Macht und Ohnmacht in der Pflege5.3.2 Macht und Ohnmacht in der Pflege 5.3.3 Care-Ethik5.3.3 Care-Ethik 5.4 Der Begriff Verantwortung5.4 Der Begriff Verantwortung 5.4.1 Begriffsgeschichte5.4.1 Begriffsgeschichte 5.4.2 Verantwortung als Begriff der Moral5.4.2 Verantwortung als Begriff der Moral 5.4.3 Pflichtenlehre, Güterlehre und Tugendlehre aus 5.4.3 Pflichtenlehre, Güterlehre und Tugendlehre aus

verantwortungsethischer Sichtverantwortungsethischer Sicht 5.5 Ethosforschung und Geschichte der Pflege5.5 Ethosforschung und Geschichte der Pflege 5.6 Interkulturelle und transkulturelle Pflege5.6 Interkulturelle und transkulturelle Pflege 5.6.1 Pflege in einer multikulturellen Gesellschaft5.6.1 Pflege in einer multikulturellen Gesellschaft 5.6.2 Transkulturelle Pflege, Naturrecht und Menschenrechte5.6.2 Transkulturelle Pflege, Naturrecht und Menschenrechte

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6. 6. Ethische Prinzipien und pflegeethische Ethische Prinzipien und pflegeethische KompetenzKompetenz

6.1 Ebenen pflege- und medizinethischer Probleme6.1 Ebenen pflege- und medizinethischer Probleme 6.2 Prinzipien und Grundregeln der Pflegeethik und der 6.2 Prinzipien und Grundregeln der Pflegeethik und der

MedizinethikMedizinethik 6.2.1 Kulturelle Normen und Werte6.2.1 Kulturelle Normen und Werte 6.2.2 Vier Prinzipien der Pflegeethik und der Medizinethik6.2.2 Vier Prinzipien der Pflegeethik und der Medizinethik 6.2.3 Gerechtigkeit in Pflege und Medizin6.2.3 Gerechtigkeit in Pflege und Medizin 6.2.4 Weitere ethische Regeln6.2.4 Weitere ethische Regeln

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7. 7. Schritte ethischer UrteilsbildungSchritte ethischer Urteilsbildung 7.1 Methoden der Ethik und ihre Grenzen7.1 Methoden der Ethik und ihre Grenzen 7.2 Modell der ethischen Urteilsbildung nach D. Lange7.2 Modell der ethischen Urteilsbildung nach D. Lange 7.3 Einzelfallgerechtigkeit7.3 Einzelfallgerechtigkeit

8. 8. Arbeits- und Funktionsweise Klinischer Arbeits- und Funktionsweise Klinischer EthikkomiteesEthikkomitees

8.1 Ethik im Krankenhaus8.1 Ethik im Krankenhaus 8.2 Arbeitsweise Klinischer Ethikkomitees8.2 Arbeitsweise Klinischer Ethikkomitees 8.3 Zusammensetzung eines Klinischen Ethikkomitees8.3 Zusammensetzung eines Klinischen Ethikkomitees   9. Ethik in der Pflegeforschung9. Ethik in der Pflegeforschung 9.1 Pflegewissenschaft und Pflegeforschung9.1 Pflegewissenschaft und Pflegeforschung 9.2 Ethische Grundsätze der Pflegeforschung9.2 Ethische Grundsätze der Pflegeforschung

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10. 10. Menschenwürdig sterbenMenschenwürdig sterben 10.1 Das medizinisch begleitete Sterben10.1 Das medizinisch begleitete Sterben 10.2 Die Einsamkeit der Sterbenden10.2 Die Einsamkeit der Sterbenden 10.3 Autonomie am Lebensende10.3 Autonomie am Lebensende 10.4 Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit von Leiden10.4 Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit von Leiden 10.5 Tun und Lassen10.5 Tun und Lassen

11. 11. Behandlungsabbruch und SterbehilfeBehandlungsabbruch und Sterbehilfe 11.1 Palliative Care11.1 Palliative Care 11.2 Begriff und Formen der Sterbehilfe11.2 Begriff und Formen der Sterbehilfe 11.3 Passive und indirekte Euthanasie11.3 Passive und indirekte Euthanasie 11.4 Tötung auf Verlangen und medizinisch assistierter Suizid11.4 Tötung auf Verlangen und medizinisch assistierter Suizid 11.4.1 Euthanasie11.4.1 Euthanasie 11.4.2 Medizinisch assistierter Suizid11.4.2 Medizinisch assistierter Suizid 11.5 Leitsätze zum Verständnis von Menschsein und Menschlichkeit 11.5 Leitsätze zum Verständnis von Menschsein und Menschlichkeit

im Blick auf das Euthanasieproblemim Blick auf das Euthanasieproblem

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12. 12. Intensivmedizin und Intensivmedizin und TransplantationsmedizinTransplantationsmedizin

12.1 Hirntod12.1 Hirntod 12.2 Zur Ethik der Transplantationsmedizin12.2 Zur Ethik der Transplantationsmedizin 12.3 Gesetzliche Regelungen12.3 Gesetzliche Regelungen 12.4 Ethische Probleme der 12.4 Ethische Probleme der

TransplantationsmedizinTransplantationsmedizin 12.5 Organaustausch und Allokation12.5 Organaustausch und Allokation

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Literatur

Körtner, U. (2004): Grundkurs Pflegeethik (UTB 2514), Körtner, U. (2004): Grundkurs Pflegeethik (UTB 2514), Facultas, WienFacultas, Wien

van der Arend, A. (1998): Pflegeethik. Urban & Fischer, van der Arend, A. (1998): Pflegeethik. Urban & Fischer, MünchenMünchen

van der Arend, A. / Gastmans, Chr. (1996): Ethik für van der Arend, A. / Gastmans, Chr. (1996): Ethik für Pflegende, Verlag Hans Huber, BernPflegende, Verlag Hans Huber, Bern

Beauchamp, T.L. / Childress, J.F. (1994): Principles of Beauchamp, T.L. / Childress, J.F. (1994): Principles of Biomedical Ethics, 4. Aufl. Oxford University Press, New Biomedical Ethics, 4. Aufl. Oxford University Press, New York / OxfordYork / Oxford

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Benner, P. (2000): Stufen zur Pflegekompetenz. Benner, P. (2000): Stufen zur Pflegekompetenz. From From Novice to Expert, 3. Novice to Expert, 3. Nachdruck. Verlag Hans Huber, BernNachdruck. Verlag Hans Huber, Bern

Bobbert, M. (2003): Pflegeethik als neue Bereichsethik: Bobbert, M. (2003): Pflegeethik als neue Bereichsethik: Konturen, Inhalte, Beispiele, in: Zeitschrift für Konturen, Inhalte, Beispiele, in: Zeitschrift für medizinische Ethik 49, S. 43-63medizinische Ethik 49, S. 43-63

Fry, S.T. (1994): Ethik in der Pflegepraxis. Anleitung zu Fry, S.T. (1994): Ethik in der Pflegepraxis. Anleitung zu ethischen Entscheidungsfindungen. Deutscher ethischen Entscheidungsfindungen. Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, EschbornBerufsverband für Pflegeberufe, Eschborn

Großklaus-Seidel, M. (2001): Ethik im Pflegealltag. Wie Großklaus-Seidel, M. (2001): Ethik im Pflegealltag. Wie Pflegekräfte ihr Handeln reflektieren und begründen Pflegekräfte ihr Handeln reflektieren und begründen können, Kohlhammer, Stuttgartkönnen, Kohlhammer, Stuttgart

Kemetmüller, E. (Hg.) (2001): Berufsethik und Kemetmüller, E. (Hg.) (2001): Berufsethik und Berufskunde für Pflegeberufe. Verlag Wilhelm Maudrich, Berufskunde für Pflegeberufe. Verlag Wilhelm Maudrich, WienWien

Körtner,U. (2007): Ethik im Krankenhaus. Diakonie – Körtner,U. (2007): Ethik im Krankenhaus. Diakonie – Seelsorge – Medizin, Vandenhoeck & Ruprecht, GöttingenSeelsorge – Medizin, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen

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Lay, R. (2004): Ethik in der Pflege. Ein Lehrbuch für die Aus-, Lay, R. (2004): Ethik in der Pflege. Ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung, Schlütersche Verlagsgesellschaft, Fort- und Weiterbildung, Schlütersche Verlagsgesellschaft, HannoverHannover

Remmers, H. (2003): Die Eigenständigkeit einer Pflegeethik, in: Remmers, H. (2003): Die Eigenständigkeit einer Pflegeethik, in: Cl. Wiesemann/N. Erichsen/H. Behrendt/N. Biller-Andorno/A. Cl. Wiesemann/N. Erichsen/H. Behrendt/N. Biller-Andorno/A. Frewer (Hg.), Pflege und Ethik. Leitfaden für Wissenschaft und Frewer (Hg.), Pflege und Ethik. Leitfaden für Wissenschaft und Praxis, Kohlhammer, Stuttgart, S. 47-70Praxis, Kohlhammer, Stuttgart, S. 47-70

van Schayck, A. (2001): Ethisch handeln und entscheiden. van Schayck, A. (2001): Ethisch handeln und entscheiden. Spielräume von Pflegenden und die Selbstbestimmung des Spielräume von Pflegenden und die Selbstbestimmung des Patienten, Kohlhammer, StuttgartPatienten, Kohlhammer, Stuttgart

Wallner, J. (2004): Ethik im Gesundheitssystem (UTB 2612), Wallner, J. (2004): Ethik im Gesundheitssystem (UTB 2612), Facultas, WienFacultas, Wien

Wallner, J. (2007): Health Care zwischen Ethik und Recht, Wallner, J. (2007): Health Care zwischen Ethik und Recht, Facultas, WienFacultas, Wien

Wiesemann, Cl./Erichsen, N./Behrendt, H./Biller-Andorno, Wiesemann, Cl./Erichsen, N./Behrendt, H./Biller-Andorno, N./Frewer, A. (Hg.) (2003): Pflege und Ethik. Leitfaden für N./Frewer, A. (Hg.) (2003): Pflege und Ethik. Leitfaden für Wissenschaft und Praxis, Kohlhammer, StuttgartWissenschaft und Praxis, Kohlhammer, Stuttgart

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Nachträge zu Kap. 2.2:Krankheit als Selbsterfahrung

Die „Verborgenheit der Gesundheit“ (H.-G. Gadamer)Die „Verborgenheit der Gesundheit“ (H.-G. Gadamer)

Gesundheit: „ein Leben unter dem Schweigen der Organe“ Gesundheit: „ein Leben unter dem Schweigen der Organe“ (R. Leriche, frz. Chirurg)(R. Leriche, frz. Chirurg)

„„Krankheiten verleihen der Beziehung von Körper und Krankheiten verleihen der Beziehung von Körper und Kultur neue Dimensionen. Im Kranksein wird dem Kultur neue Dimensionen. Im Kranksein wird dem Menschen sein Körper oft erst bewußt. [...] Das durch Menschen sein Körper oft erst bewußt. [...] Das durch Krankheit veränderte Körpergefühl verändert das Raum- Krankheit veränderte Körpergefühl verändert das Raum- und Zeitgefühl wie die sozialen Kontakte und das und Zeitgefühl wie die sozialen Kontakte und das Selbstbild des Kranken.“ (D. v. Engelhardt)Selbstbild des Kranken.“ (D. v. Engelhardt)

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Krankheit erschließt den grundlegenden Krankheit erschließt den grundlegenden „Lastcharakter des Daseins“ (M. Heidegger), „Lastcharakter des Daseins“ (M. Heidegger), dessen Bewältigung zu einem guten Leben gehört dessen Bewältigung zu einem guten Leben gehört (F. Akashe-Böhme und G. Böhme). (F. Akashe-Böhme und G. Böhme).

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Illness, Sickness und Disease

Illness/Sickness: subjektives KrankheitserlebenIllness/Sickness: subjektives Krankheitserleben

Disease: objektiver KrankheitsbegriffDisease: objektiver Krankheitsbegriff

Aus Sicht der Medizin kann jemand eine Aus Sicht der Medizin kann jemand eine Krankheit Krankheit habenhaben, ohne sich subjektiv krank zu , ohne sich subjektiv krank zu fühlen (to feel sick)fühlen (to feel sick)..

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Die Sichtweise der Psychosomatik: Thema der Medizin und der Die Sichtweise der Psychosomatik: Thema der Medizin und der Pflege sind nicht von der Person abgespaltene Krankheiten, Pflege sind nicht von der Person abgespaltene Krankheiten, sondern ist der kranke Mensch. sondern ist der kranke Mensch.

WHO-Definition: Gesundheit ist der Zustand vollständigen WHO-Definition: Gesundheit ist der Zustand vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.

Kritik der WHO-DefinitionKritik der WHO-Definition

Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Störungen, sondern Gesundheit ist nicht die Abwesenheit von Störungen, sondern die Kraft, mit ihnen zu leben (D. Rössler).die Kraft, mit ihnen zu leben (D. Rössler).

Es kann also gesunde Kranke und kranke Gesunde geben.Es kann also gesunde Kranke und kranke Gesunde geben.

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Begriffliches Geviert:Begriffliches Geviert:

„„gesund“ – „nicht gesund“gesund“ – „nicht gesund“ „„krank“ – „nicht krank“krank“ – „nicht krank“

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Krankheit als gesellschaftliche Konstruktion

„„Medizin ist Naturgeschichte und Medizin ist Naturgeschichte und Kulturgeschichte, sie kann nicht auf Biologie oder Kulturgeschichte, sie kann nicht auf Biologie oder Physik begrenzt werden. Gesundheit und Physik begrenzt werden. Gesundheit und Krankheit sind stets deskriptive und zugleich Krankheit sind stets deskriptive und zugleich normative Begriffe, sind Seins- und Werturteile – normative Begriffe, sind Seins- und Werturteile – für den einzelnen Menschen wie für die für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft. (D. v. Engelhardt) Gesellschaft. (D. v. Engelhardt)

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Ein biokulturelles Krankheitsmodell

David B. Morris (2000) plädiert für ein biokulturelles David B. Morris (2000) plädiert für ein biokulturelles Krankheitsmodell, das auch die spezifischen Krankheitsmodell, das auch die spezifischen Bedingungen von Krankheit und Gesundheit in der Bedingungen von Krankheit und Gesundheit in der postmodernen Gesellschaft verstehen lehrt. postmodernen Gesellschaft verstehen lehrt.

Die Einwirkungen der menschlichen Kultur auf die Die Einwirkungen der menschlichen Kultur auf die Natur führen nicht nur zu veränderten Natur führen nicht nur zu veränderten Interpretationen, sondern zu Eingriffen in Natur und Interpretationen, sondern zu Eingriffen in Natur und Umwelt, wodurch die Ausbreitung von Krankheiten, Umwelt, wodurch die Ausbreitung von Krankheiten, aber auch ihre Gestalt verändert werden. Alte aber auch ihre Gestalt verändert werden. Alte Krankheiten verschwinden, völlig neue entstehen.Krankheiten verschwinden, völlig neue entstehen.

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Würdigt man zusätzlich die Eigenständigkeit Würdigt man zusätzlich die Eigenständigkeit der Psyche, gelangt man schließlich zu der Psyche, gelangt man schließlich zu einem bio-psycho-sozialen einem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell, wie es J. Willi und E. Krankheitsmodell, wie es J. Willi und E. Heim (1986) vorschlagen.Heim (1986) vorschlagen.

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Ein biokulturelles bzw. bio-psycho-soziales Modell von Ein biokulturelles bzw. bio-psycho-soziales Modell von Krankheit und Gesundheit verbessert das Verständnis für die Krankheit und Gesundheit verbessert das Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Krankheit und sozialer Stellung, Zusammenhänge zwischen Krankheit und sozialer Stellung, zwischen Krankheit und Geschlecht (in der doppelten zwischen Krankheit und Geschlecht (in der doppelten Bedeutung von Bedeutung von gendergender und und sexsex) oder auch für die ) oder auch für die Besonderheiten von Krankheit im Alter. Besonderheiten von Krankheit im Alter.

Männer haben z.B. eine durchschnittlich geringere Männer haben z.B. eine durchschnittlich geringere Lebenserwartung als Frauen, diese dagegen eine höhere Lebenserwartung als Frauen, diese dagegen eine höhere Morbidität als Männer. Morbidität als Männer.

Eine Differenzierung der Krankheiten nach Geschlechtern hat Eine Differenzierung der Krankheiten nach Geschlechtern hat sich aber nicht nur am biologischen Geschlecht zu orientieren, sich aber nicht nur am biologischen Geschlecht zu orientieren, sondern auch an unterschiedlichen Krankheitsverläufen, die von sondern auch an unterschiedlichen Krankheitsverläufen, die von sozialen bzw. kulturellen Geschlechterrollen abhängen. sozialen bzw. kulturellen Geschlechterrollen abhängen.

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Menschen mit niedrigem Einkommen und schlechter Menschen mit niedrigem Einkommen und schlechter Bildung haben ein höheres Krankheitsrisiko als z.B. Bildung haben ein höheres Krankheitsrisiko als z.B. Akademiker. Akademiker.

Spezifische Krankheitsrisiken und Versorgungsprobleme Spezifische Krankheitsrisiken und Versorgungsprobleme von Migrantenvon Migranten

Ursachen: Ursachen: - Ausgrenzung- Ausgrenzung- Stigmatisierung - Stigmatisierung - kulturelle Unterschiede- kulturelle Unterschiede- Sprachprobleme - Sprachprobleme

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Krankheit, Schmerz und Leiden

Wie die Krankheit ist auch der Schmerz bio-kulturell zu Wie die Krankheit ist auch der Schmerz bio-kulturell zu verstehen. Auch er ist Natur und Kultur zugleich und bedarf der verstehen. Auch er ist Natur und Kultur zugleich und bedarf der Interpretation.Interpretation.

Kulturgeschichte des SchmerzesKulturgeschichte des Schmerzes

Krankheit und Schmerz sind zu unterscheiden, können aber Krankheit und Schmerz sind zu unterscheiden, können aber auch zu einer ununterscheidbaren Einheit verschmelzen. Das gilt auch zu einer ununterscheidbaren Einheit verschmelzen. Das gilt vor allem für chronische Schmerzen, die von akuten Schmerzen vor allem für chronische Schmerzen, die von akuten Schmerzen zu unterscheiden sind. zu unterscheiden sind.

Die moderne Schmerzmedizin geht davon aus, daß der Schmerz Die moderne Schmerzmedizin geht davon aus, daß der Schmerz in vielen Fällen nicht etwa nur als Symptom von Krankheit, in vielen Fällen nicht etwa nur als Symptom von Krankheit, sondern selbst als Krankheit begriffen werden muß. sondern selbst als Krankheit begriffen werden muß.

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Ein biokulturelles bzw. bio-psycho-soziales Ein biokulturelles bzw. bio-psycho-soziales Modell des Schmerzes lehrt uns, den Schmerz Modell des Schmerzes lehrt uns, den Schmerz nicht nur als Symptom, auch nicht nur als nicht nur als Symptom, auch nicht nur als Krankheit zu begreifen, sondern wie Krankheit Krankheit zu begreifen, sondern wie Krankheit auch als auch als Metapher Metapher (S. Sontag) zu verstehen und (S. Sontag) zu verstehen und zu deuten.zu deuten.

Das bedeutet aber auch, daß individuelle oder Das bedeutet aber auch, daß individuelle oder kollektive Bedeutungszuschreibungen die kollektive Bedeutungszuschreibungen die Schmerzerfahrung wesentlich beeinflussen Schmerzerfahrung wesentlich beeinflussen können.können.

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Wie grundsätzlich zwischen Krankheit und Schmerz zu Wie grundsätzlich zwischen Krankheit und Schmerz zu unterscheiden ist, so auch zwischen Krankheit und Leiden. unterscheiden ist, so auch zwischen Krankheit und Leiden.

Entsprechend der Unterscheidung zwischen „disease“ und Entsprechend der Unterscheidung zwischen „disease“ und „illness“ bzw. „sickness“ kann man eine Krankheit „illness“ bzw. „sickness“ kann man eine Krankheit habenhaben, , ohne an ihr zu ohne an ihr zu leiden.leiden.

Das Leiden ist aber auch vom Schmerz zu unterscheiden, Das Leiden ist aber auch vom Schmerz zu unterscheiden, insoweit man auch Schmerzen haben kann ohne zu leiden insoweit man auch Schmerzen haben kann ohne zu leiden oder leiden, ohne Schmerzen zu haben. oder leiden, ohne Schmerzen zu haben.

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Die Frage des Leidens hat die moderne Medizin – sieht Die Frage des Leidens hat die moderne Medizin – sieht man von der Psychosomatik ab – aus ihrem man von der Psychosomatik ab – aus ihrem Zuständigkeitsbereich weitgehend ausgegrenzt und an die Zuständigkeitsbereich weitgehend ausgegrenzt und an die Seelsorge oder an die Psychotherapie verwiesen. Seelsorge oder an die Psychotherapie verwiesen.

Das Problem des Leidens führt zur Frage nach dem Sinn Das Problem des Leidens führt zur Frage nach dem Sinn von Krankheit, zum Problem der Schuld und von von Krankheit, zum Problem der Schuld und von Schuldgefühlen, sowie zum mehrschichtigen Begriff des Schuldgefühlen, sowie zum mehrschichtigen Begriff des Opfers (Opfers (victimvictim oder oder sacrificesacrifice) und der Opferrolle, die ) und der Opferrolle, die Kranken zugeschrieben wird, oder die sich selbst Kranken zugeschrieben wird, oder die sich selbst zuschreiben.zuschreiben.

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Trotz seiner Verknüpfung mit biologischen Trotz seiner Verknüpfung mit biologischen Prozessen ist Leiden also keine feststehende Prozessen ist Leiden also keine feststehende Größe, „sondern ein fließender sozialer Zustand: Größe, „sondern ein fließender sozialer Zustand: ein Status, den wir einem anderen zubilligen oder ein Status, den wir einem anderen zubilligen oder verweigern“ (D.B. Morris).verweigern“ (D.B. Morris).

Dabei spielen Werthaltungen einschließlich Dabei spielen Werthaltungen einschließlich religiöser Grundorientierungen eine erhebliche religiöser Grundorientierungen eine erhebliche Rolle. Rolle.

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Krankheit und Biographie

Jede Krankheit ist Teil einer Biographie.Jede Krankheit ist Teil einer Biographie.

Die Krankengeschichte geht über die Die Krankengeschichte geht über die Datensammlung in der Krankenakte weit hinaus. Datensammlung in der Krankenakte weit hinaus. Nicht nur sind die Ursachen von Krankheit Nicht nur sind die Ursachen von Krankheit möglicherweise in der Biographie eines Patienten möglicherweise in der Biographie eines Patienten zu suchen, sondern Krankheiten strukturieren auch zu suchen, sondern Krankheiten strukturieren auch das Leben. das Leben.

„„Das war vor, das nach meiner Operation.“Das war vor, das nach meiner Operation.“

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D. Ritschls medizin- und pflegeethisches D. Ritschls medizin- und pflegeethisches Story-KonzepStory-Konzeptt

W. Schapp: „In Geschichten verstrickt“W. Schapp: „In Geschichten verstrickt“

Ethische Entscheidungen am Krankenbett setzen eine Ethische Entscheidungen am Krankenbett setzen eine intensive Beschäftigung mit der Biographie des Patienten intensive Beschäftigung mit der Biographie des Patienten voraus. Dazu gehört einerseits seine bisherige voraus. Dazu gehört einerseits seine bisherige Lebensgeschichte in Form seiner „’stilisierte[n]’ Lebensgeschichte in Form seiner „’stilisierte[n]’ Vergangenheit“, andererseits aber auch die „antizipierte Vergangenheit“, andererseits aber auch die „antizipierte Lebensstory“ des Patienten (D. Ritschl). Lebensstory“ des Patienten (D. Ritschl).

Ohne solche Antizipation läßt sich die Sinnhaftigkeit Ohne solche Antizipation läßt sich die Sinnhaftigkeit medizinischen und pflegerischen Tuns und medizinischen und pflegerischen Tuns und Unterlassens nicht beurteilen.Unterlassens nicht beurteilen.

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Im Kontext einer Lebensgeschichte bekommt Krankheit Im Kontext einer Lebensgeschichte bekommt Krankheit ihren spezifischen Sinn. Krankheiten sind ihren spezifischen Sinn. Krankheiten sind Krisenerfahrungen, die einem Leben eine ganz neue Krisenerfahrungen, die einem Leben eine ganz neue Richtung geben können. Richtung geben können.

Und schließlich kann Krankheit geradezu zu einer Und schließlich kann Krankheit geradezu zu einer Lebensform werden, wenn sie einen chronischen oder Lebensform werden, wenn sie einen chronischen oder progredienten Verlauf nimmt. progredienten Verlauf nimmt.

Die Krankheit in das eigene Leben bzw. in die Selbstsicht Die Krankheit in das eigene Leben bzw. in die Selbstsicht zu integrieren, stellt den Einzelnen, aber auch seine zu integrieren, stellt den Einzelnen, aber auch seine Familie oder Umgebung vor eine große Herausforderung. Familie oder Umgebung vor eine große Herausforderung.

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Krankheit und Religion

Von jeher sind Krankheit und Gesundheit religiöse Von jeher sind Krankheit und Gesundheit religiöse Themen. Dazu gehört nicht nur die Frage nach dem Themen. Dazu gehört nicht nur die Frage nach dem Zusammenhang von Krankheit und Schuld bzw. Krankheit Zusammenhang von Krankheit und Schuld bzw. Krankheit und Sünde, sondern auch die Frage nach der möglichen und Sünde, sondern auch die Frage nach der möglichen Verbindung von Heil und Heilung. Verbindung von Heil und Heilung.

Die Kulturgeschichte von Krankheit und Gesundheit ist bis Die Kulturgeschichte von Krankheit und Gesundheit ist bis in die Moderne weitgehend auch Religionsgeschichte. in die Moderne weitgehend auch Religionsgeschichte.

Erst die naturwissenschaftlich begründete moderne Erst die naturwissenschaftlich begründete moderne Medizin führt zu einer Trennung von Medizin und Medizin führt zu einer Trennung von Medizin und Religion, damit aber auch von Heil und Heilung.Religion, damit aber auch von Heil und Heilung.

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Die heutige Aufwertung der Gesundheit zum Die heutige Aufwertung der Gesundheit zum höchsten Gut („Hauptsache gesund“) ist als neue höchsten Gut („Hauptsache gesund“) ist als neue Form von Religion und Transzendenzsuche im Form von Religion und Transzendenzsuche im Diesseits einer Gesellschaft zu verstehen, die unter Diesseits einer Gesellschaft zu verstehen, die unter Transzendenzverlust leidet. Transzendenzverlust leidet.

Auch bei den unterschiedlichen Spielarten einer Auch bei den unterschiedlichen Spielarten einer Alternativ- oder Ganzheitsmedizin, die sich gegen Alternativ- oder Ganzheitsmedizin, die sich gegen das technokratische Denken der sogenannten das technokratische Denken der sogenannten Schulmedizin richtet, sind die religiösen Schulmedizin richtet, sind die religiösen Konnotationen unübersehbar.Konnotationen unübersehbar.

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◊ ◊ Die Sinnfrage:Die Sinnfrage:• • Warum gerade ich?Warum gerade ich?• • Warum ausgerechnet diese Warum ausgerechnet diese Krankheit?Krankheit?• • Warum jetzt?Warum jetzt?

◊ ◊ Schuld und SchuldgefühleSchuld und Schuldgefühle◊ ◊ AngstAngst◊ ◊ HoffnungHoffnung◊ ◊ GlaubeGlaube

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Heil und Heilung

Medizinische Heilung und Heil im religiösen Medizinische Heilung und Heil im religiösen Sinne sind zu unterscheiden, aber nicht strikt zu Sinne sind zu unterscheiden, aber nicht strikt zu trennen (Gefahr des Reduktionismus).trennen (Gefahr des Reduktionismus).

Gesund und Heil, Heilung und Erlösung, Sein und Gesund und Heil, Heilung und Erlösung, Sein und Sinn betreffen den in sich unteilbaren Menschen, Sinn betreffen den in sich unteilbaren Menschen, der mehr ist als die Summe seiner anatomischen, der mehr ist als die Summe seiner anatomischen, physischen und mentalen Teile. physischen und mentalen Teile.

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Praktisch bedeutet dies, daß nicht nur die Praktisch bedeutet dies, daß nicht nur die somatische Medizin und Psychotherapie, sondern somatische Medizin und Psychotherapie, sondern daß auch Medizin, Philosophie und Theologie daß auch Medizin, Philosophie und Theologie noch stärker als bisher miteinander ins Gespräch noch stärker als bisher miteinander ins Gespräch kommen müssen, und zwar nicht nur auf dem kommen müssen, und zwar nicht nur auf dem Gebiet einer im wesentlichen auf Gebiet einer im wesentlichen auf Risikoabschätzung reduzierten medizinischen Risikoabschätzung reduzierten medizinischen Ethik, sondern im Bereich anthropologischer Ethik, sondern im Bereich anthropologischer Grundfragen.Grundfragen.

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An die Stelle hochgradiger Arbeitsteilung muß das An die Stelle hochgradiger Arbeitsteilung muß das Teamwork aller heilenden Berufe einschließlich Teamwork aller heilenden Berufe einschließlich der Seelsorge treten, soll der Mensch als Person der Seelsorge treten, soll der Mensch als Person nicht aus dem Blickfeld geraten.nicht aus dem Blickfeld geraten.

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Nachträge zu Kap. 2.4:Pflegeethik – Begriff und Gegenstand

Pflegeethik: ein Gebiet der angewandten Ethik Pflegeethik: ein Gebiet der angewandten Ethik bzw. eine Bereichsethikbzw. eine Bereichsethik

Engl.: nursing ethics/ethics in nursingEngl.: nursing ethics/ethics in nursing

Andere Beispiele für Bereichsethiken:Andere Beispiele für Bereichsethiken:Medizinethik, Wirtschaftsethik, Medizinethik, Wirtschaftsethik, Wissenschaftsethik, Umweltethik, Technikethik, Wissenschaftsethik, Umweltethik, Technikethik, MedienethikMedienethik

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Gegenstand von Pflegeethik ist die ethische Gegenstand von Pflegeethik ist die ethische Reflexion pflegerischen Handelns.Reflexion pflegerischen Handelns.

Pflegeethik befaßt sich nicht nur mit Einzelfragen Pflegeethik befaßt sich nicht nur mit Einzelfragen oder Einzelkonflikten im Alltag des Pflegeberufs, oder Einzelkonflikten im Alltag des Pflegeberufs, sondern reflektiert auch die ethischen Grundlagen sondern reflektiert auch die ethischen Grundlagen und Prinzipien von Pflege und Pflegeberufen.und Prinzipien von Pflege und Pflegeberufen.

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Krankheit, Gesundheit und Pflegebedürftigkeit

Frage:Frage: Inwiefern sind Krankheit und Gesundheit Inwiefern sind Krankheit und Gesundheit nicht nur für die die Medizin, sondern auch für die nicht nur für die die Medizin, sondern auch für die Disziplin der Pflege die legitimatorische bzw. die Disziplin der Pflege die legitimatorische bzw. die teleologische Kategorie?teleologische Kategorie?

Die legitimatorischen Kategorien der Pflege sind Die legitimatorischen Kategorien der Pflege sind PflegebedürftigkeitPflegebedürftigkeit und und PflegebedarfPflegebedarf. Teleologische . Teleologische Kategorie der Pflege sind Wiedererlangung der Kategorie der Pflege sind Wiedererlangung der SelbständigkeitSelbständigkeit (d.h. auch Fähigkeit zur (d.h. auch Fähigkeit zur SelbstpflegeSelbstpflege!), !), WohlbefindenWohlbefinden, , LebensqualitätLebensqualität..

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Ist Krankheit der einzig mögliche Grund für Ist Krankheit der einzig mögliche Grund für Pflegebedürftigkeit? Ist Selbständigkeit oder Pflegebedürftigkeit? Ist Selbständigkeit oder Wohlbefinden gleichbedeutend mit Wohlbefinden gleichbedeutend mit Gesundheit?Gesundheit?

Berufsbezeichnung und Berufsbild der Berufsbezeichnung und Berufsbild der Gesundheits- und Krankenpflege beziehen Gesundheits- und Krankenpflege beziehen sich auf jenes Feld, in dem sich Krankheit sich auf jenes Feld, in dem sich Krankheit und Pflegebedürftigkeit überschneiden.und Pflegebedürftigkeit überschneiden.

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Verhältnis der Leitbegriffe von Medizin und Pflege

Medizin Pflege

Der kranke u. pflege-bedürftigeMensch

Pflegebe-dürftigkeit/

Selbständig-keit/Wohl-befinden

Krankheit/Gesundheit

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Entsprechend der verschiedenen Handlungsfelder Entsprechend der verschiedenen Handlungsfelder der Pflege reflektiert Pflegeethikder Pflege reflektiert Pflegeethik▷ ▷ PflegepraxisPflegepraxis▷ ▷ PflegemanagementPflegemanagement▷ ▷ PflegepädagogikPflegepädagogik▷ ▷ Pflegewissenschaft (science in Pflegewissenschaft (science in nursing)nursing)

(Lay 2004: 64ff; (Lay 2004: 64ff; im Anschluß an Weidner 2000:12)im Anschluß an Weidner 2000:12)

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Verbindungen der Pflegeethik zu anderen Bereichsethiken

Ethik in der Pflegepraxis:Ethik in der Pflegepraxis:☞ ☞ Ethik in der MedizinEthik in der Medizin☞ ☞ Ethik in der sozialen ArbeitEthik in der sozialen Arbeit

● ● Ethik im Pflegemanagement:Ethik im Pflegemanagement:☞ ☞ WirtschaftsethikWirtschaftsethik☞ ☞ SozialethikSozialethik☞ ☞ politische Ethikpolitische Ethik

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Ethik in der Pflegepädagogik:Ethik in der Pflegepädagogik:☞ ☞ Pädagogische EthikPädagogische Ethik

Ethik in der Pflegewissenschaft:Ethik in der Pflegewissenschaft:☞ ☞ WissenschaftsethikWissenschaftsethik☞ ☞ ForschungsethikForschungsethik

(vgl. Lay 2004: 66)(vgl. Lay 2004: 66)

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Pflegeethik: Angewandte Ethik oder Bereichsethik?

Lay wählt als Oberbegriff „Ethik in der Lay wählt als Oberbegriff „Ethik in der Pflege“ und grenzt den Begriff „Pflegeethik“ Pflege“ und grenzt den Begriff „Pflegeethik“ auf die Ethik in der Pflegepraxis ein.auf die Ethik in der Pflegepraxis ein.

Die Bezeichnung „Ethik in der Pflege“ Die Bezeichnung „Ethik in der Pflege“ entspricht dem Konzept Angewandter Ethik, entspricht dem Konzept Angewandter Ethik, die hier vorgeschlagene Terminologie dem die hier vorgeschlagene Terminologie dem Konzept der Bereichsethik. Beides ist zu Konzept der Bereichsethik. Beides ist zu unterscheiden, wogegen Lay die Begriffe unterscheiden, wogegen Lay die Begriffe „angewandte Ethik“ und „Bereichsethik“ „angewandte Ethik“ und „Bereichsethik“ synonym verwendet.synonym verwendet.

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Pflege: Aufgabe und Begriff

„„Pflege ist eine Praxisdisziplin und hat die Pflege ist eine Praxisdisziplin und hat die Aufgabe einzelne Menschen und Gruppen von Aufgabe einzelne Menschen und Gruppen von Menschen verschiedenen Geschlechts, Alters und Menschen verschiedenen Geschlechts, Alters und kultureller Prägung in ihrer Gesundheit zu fördern kultureller Prägung in ihrer Gesundheit zu fördern und zu beraten, sie während einer Krankheit im und zu beraten, sie während einer Krankheit im Genesungsprozess zu unterstützen oder, in Genesungsprozess zu unterstützen oder, in chronischen nicht heilbaren Stadien, chronischen nicht heilbaren Stadien, Wohlbefinden zu ermöglichen und Schmerzen zu Wohlbefinden zu ermöglichen und Schmerzen zu lindern.“lindern.“

(Kühne-Ponesch 2004: 11)(Kühne-Ponesch 2004: 11)

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„„Pflege ist eine Disziplin, bestehen aus Elementen Pflege ist eine Disziplin, bestehen aus Elementen der Forschung, der Philosophie, der Praxis und der der Forschung, der Philosophie, der Praxis und der Theorie.“Theorie.“

(Kühne-Ponesch 2004: 14)(Kühne-Ponesch 2004: 14)

● ● Pflege entwickelt sich international immer mehr Pflege entwickelt sich international immer mehr von einer erfahrungsbezogenen zu einer von einer erfahrungsbezogenen zu einer wissenschaftsbasierten Disziplin.wissenschaftsbasierten Disziplin.

(Mayer 2002)(Mayer 2002)

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Die Aufgaben der Pflege nach dem ICN-Ethikkodex für Pflegende

(Fassung 2000)

● ● Gesundheit fördernGesundheit fördern● ● Krankheit verhütenKrankheit verhüten● ● Gesundheit wieder herstellenGesundheit wieder herstellen● ● Leiden lindern.Leiden lindern.

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Bereiche der Pflegepraxis (nach P. Benner)

HelfenHelfen Beraten und BetreuenBeraten und Betreuen Diagnostik und PatientenüberwachungDiagnostik und Patientenüberwachung Wirkungsvolles Handeln bei NotfällenWirkungsvolles Handeln bei Notfällen Durchführen und Übverwachen von Durchführen und Übverwachen von

BehandlungenBehandlungen Überwachung und Sicherstellung der Qualität der Überwachung und Sicherstellung der Qualität der

medizinischen Versorgungmedizinischen Versorgung Organisation und ZusammenarbeitOrganisation und Zusammenarbeit

(Benner 2000: 64)(Benner 2000: 64)

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Es gibt einen Es gibt einen engerenengeren und einen und einen weiterenweiteren Begriff der Pflege.Begriff der Pflege.

Weiter Begriff:Weiter Begriff: Pflege als allgemeine Pflege als allgemeine menschliche Fähigkeit, Bedingungen für das menschliche Fähigkeit, Bedingungen für das Überleben oder Wohlbefinden von Menschen zu Überleben oder Wohlbefinden von Menschen zu sichern (care/caring)sichern (care/caring)

Enger Begriff:Enger Begriff: Pflege als Beruf bzw. als Pflege als Beruf bzw. als professionelles Handeln (nursing)professionelles Handeln (nursing)

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Pflegeethik im Sinne von „nursing Pflegeethik im Sinne von „nursing ethics“ setzt den engeren Begriff der ethics“ setzt den engeren Begriff der Pflege voraus.Pflege voraus.

Eine wichtige Aufgabe für die Eine wichtige Aufgabe für die Grundlegung der Pflegeethik besteht darin, Grundlegung der Pflegeethik besteht darin, das das Verhältnis von caring und nursingVerhältnis von caring und nursing zu bestimmen.zu bestimmen.

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Nachtrag zu Kap. 3.1

Auch berufsrechtlich wird anerkannt, daß Auch berufsrechtlich wird anerkannt, daß Pflegende es aus Gewissensgründen ablehnen Pflegende es aus Gewissensgründen ablehnen können, an bestimmten Maßnahmen mitzuwirken, können, an bestimmten Maßnahmen mitzuwirken, auch wenn diese gesetzlich erlaubt oder straffrei auch wenn diese gesetzlich erlaubt oder straffrei sind (Beispiel: Schwangerschaftsabbruch).sind (Beispiel: Schwangerschaftsabbruch).

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Nachtrag zu Kap. 4.2: Personbegriff und Leiblichkeit

Wenn Personsein und Menschsein in Wenn Personsein und Menschsein in gleichzusetzen sind, gehört die gleichzusetzen sind, gehört die LeiblichkeitLeiblichkeit wesensmäßig zu unserem Personsein. wesensmäßig zu unserem Personsein.

Was den Leib und die Psyche betrifft, ist von der Was den Leib und die Psyche betrifft, ist von der Person einerseits zu unterscheiden und betrifft Person einerseits zu unterscheiden und betrifft andererseits immer auch die Person selbst. Eben andererseits immer auch die Person selbst. Eben darum folgt aus der Würde der Person das darum folgt aus der Würde der Person das Recht Recht auf Lebenauf Leben und Unverletzlichkeit. und Unverletzlichkeit.

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Was das Verhältnis von Leib und Person betrifft, gilt ein Was das Verhältnis von Leib und Person betrifft, gilt ein Doppeltes:Doppeltes:

● ● einerseits: Ich einerseits: Ich bin bin Leib, Leib, ● ● andererseits: Ich andererseits: Ich habehabe einen Leib. einen Leib.

Der Leib ist der Träger unserer Personalität und das Der Leib ist der Träger unserer Personalität und das Medium, durch welches wir mit unserer Umwelt und Medium, durch welches wir mit unserer Umwelt und anderen Menschen kommunizieren.anderen Menschen kommunizieren.

Wenn die Tradition den Menschen als „animal rationale“ Wenn die Tradition den Menschen als „animal rationale“ (Aristoteles), d.h. als Vernunftwesen definiert, so ist doch (Aristoteles), d.h. als Vernunftwesen definiert, so ist doch unsere Vernunft unsere Vernunft leibliche Vernunftleibliche Vernunft (M. Merleau-Ponty). (M. Merleau-Ponty).

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Nachtrag zu Kap. 4.3:

Frailty – ein neues Konzept in der Geriatrie „„Frailty“: „Gebrechlichkeit“, Hinfälligkeit“, Frailty“: „Gebrechlichkeit“, Hinfälligkeit“,

„Pflegeabhängigkeit“, „vielfältige Reduktion von „Pflegeabhängigkeit“, „vielfältige Reduktion von Fähigkeiten und funktioneller Autonomie“ Fähigkeiten und funktioneller Autonomie“

Mit diesem Konzept sollen das (vor)schnelle Mit diesem Konzept sollen das (vor)schnelle organische Altern des Menschen und die fragile organische Altern des Menschen und die fragile Stabilität bei vielen Hochbetagten beschrieben Stabilität bei vielen Hochbetagten beschrieben werden.werden.

Der Begriff „Frailty“ stammt ursprünglich aus der Der Begriff „Frailty“ stammt ursprünglich aus der Neonatologie. Dort wird der Umstand, daß Neonatologie. Dort wird der Umstand, daß Frühgeborene trotz Unauffälligkeit der üblichen Frühgeborene trotz Unauffälligkeit der üblichen Laborparameter und Vitalfunktionen nicht gedeihen, Laborparameter und Vitalfunktionen nicht gedeihen, als „failure to thrive“ bezeichnet.als „failure to thrive“ bezeichnet.

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Außerdem taucht der Frailty-Begriff in demographischen Außerdem taucht der Frailty-Begriff in demographischen Studien zur Mortalität auf. Z.B. wird das „correlated frailty“-Studien zur Mortalität auf. Z.B. wird das „correlated frailty“-Modell im Rahmen von Zwillingsforschung für die genetische Modell im Rahmen von Zwillingsforschung für die genetische Analyse von todesursachenspezifischer Sterblichkeit genutzt. Analyse von todesursachenspezifischer Sterblichkeit genutzt.

Gebrechlichkeit und Multimorbidität gehören zu den Gebrechlichkeit und Multimorbidität gehören zu den Merkmalen, die man typischerweise mit dem (hohen) Alter Merkmalen, die man typischerweise mit dem (hohen) Alter verbindet. Hochbetagte haben z.B. ein erhöhtes Risiko von verbindet. Hochbetagte haben z.B. ein erhöhtes Risiko von Stürzen, die eine häufige Ursache von Verletzungen, Stürzen, die eine häufige Ursache von Verletzungen, Behinderungen und Tod darstellen.Behinderungen und Tod darstellen.

Ein weitere Faktor für Gebrechlichkeit im Alter sind Ein weitere Faktor für Gebrechlichkeit im Alter sind Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Ernährungsmängel wie Sarkopenie.Ernährungsmängel wie Sarkopenie.

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Allerdings stellt sich die Frage, ob „Frailty“ ein Allerdings stellt sich die Frage, ob „Frailty“ ein klar umrissenes geriatrisches Konzept oder ein klar umrissenes geriatrisches Konzept oder ein ähnlich unscharfer und subjektiv interpretierbarer ähnlich unscharfer und subjektiv interpretierbarer Begriff wie „Lebensqualität“ ist. Begriff wie „Lebensqualität“ ist.

In beiden Fälle ist es nicht leicht, sich auf In beiden Fälle ist es nicht leicht, sich auf objektive Parameter zu einigen. Gebrechlichkeit objektive Parameter zu einigen. Gebrechlichkeit ist schließlich keine Einzelkrankheit, sondern ein ist schließlich keine Einzelkrankheit, sondern ein krankheits- und alterungsbedingtes, aber auch von krankheits- und alterungsbedingtes, aber auch von lebensweltlichen und sozialen Faktoren lebensweltlichen und sozialen Faktoren abhängiges Syndrom. abhängiges Syndrom.

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Bei „Frailty“ handelt es sich um einen „umbrella term“, Bei „Frailty“ handelt es sich um einen „umbrella term“, der sich der Begriff auf sehr unterschiedliche körperliche, der sich der Begriff auf sehr unterschiedliche körperliche, psychische oder mentale Zustände und eine mit ihnen psychische oder mentale Zustände und eine mit ihnen verbundene Hilfsbedürftigkeit anwenden läßt. verbundene Hilfsbedürftigkeit anwenden läßt. Entsprechend vieldeutig ist die therapeutische und Entsprechend vieldeutig ist die therapeutische und pflegerische Zielsetzung, Gebrechlichkeit durch pflegerische Zielsetzung, Gebrechlichkeit durch entsprechende Prophylaxe zu vermeiden oder durch entsprechende Prophylaxe zu vermeiden oder durch geeignete Konzepte der Rehabilitation zu reduzieren. geeignete Konzepte der Rehabilitation zu reduzieren.

Gebrechlichkeit und dauerhafte Pflegebedürftigkeit sind Gebrechlichkeit und dauerhafte Pflegebedürftigkeit sind nicht selten die bleibenden Folgen von Schlaganfällen, die nicht selten die bleibenden Folgen von Schlaganfällen, die freilich auch bei jüngeren Menschen auftreten können und freilich auch bei jüngeren Menschen auftreten können und insofern kein ausschließlich geriatrisches Krankheitsbild insofern kein ausschließlich geriatrisches Krankheitsbild sind. Gebrechlichkeit entsteht schließlich auch im sind. Gebrechlichkeit entsteht schließlich auch im Zusammenhang mit Demenzerkrankungen.Zusammenhang mit Demenzerkrankungen.

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Trotz der definitorischen Schwierigkeiten ist der Begriff Trotz der definitorischen Schwierigkeiten ist der Begriff der Gebrechlichkeit aber im geriatrischen Kontext der Gebrechlichkeit aber im geriatrischen Kontext sinnvoll, weil er eine „ganzheitliche“ Sichtweise von sinnvoll, weil er eine „ganzheitliche“ Sichtweise von Multimorbidität und ihrer Anwirkungen auf die Multimorbidität und ihrer Anwirkungen auf die individuellen Lebensumstände und die subjektiv individuellen Lebensumstände und die subjektiv empfundene Lebensqualität alter Menschen fördert.empfundene Lebensqualität alter Menschen fördert.

Unzureichend wäre es freilich, Gebrechlichkeit unter rein Unzureichend wäre es freilich, Gebrechlichkeit unter rein medizinischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Ein medizinischen Gesichtspunkten zu diskutieren. Ein umfassendes Konzept von Gebrechlichkeit muß umfassendes Konzept von Gebrechlichkeit muß sozialwissenschaftliche, anthropologische und ethische sozialwissenschaftliche, anthropologische und ethische Aspekte einbeziehen.Aspekte einbeziehen.

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Nachtrag zu Kap. 7.2

▷▷ Beachte: Viele vermeintlich ethische Probleme in Beachte: Viele vermeintlich ethische Probleme in Pflege und Medizin sind in Wahrheit Pflege und Medizin sind in Wahrheit Kommunikationsprobleme. Kommunikationsprobleme.

▷▷ Die Schritte 1-3 dienen der Klärung folgender Die Schritte 1-3 dienen der Klärung folgender Frage: Frage: Handelt es sich bei dem konkreten Handelt es sich bei dem konkreten Problem tatsächlich um ein ethisches? Was ist Problem tatsächlich um ein ethisches? Was ist die ethische Komponente im konkreten die ethische Komponente im konkreten Konfliktfall?Konfliktfall?

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Nachtrag zu Kap. 10.1: Recht auf Leben – Recht auf Sterben

Allerdings ist ethisch und rechtlich zu beachten, daß aus Allerdings ist ethisch und rechtlich zu beachten, daß aus dem dem RechtRecht auf Leben keine auf Leben keine PflichtPflicht zum Leben abzuleiten zum Leben abzuleiten ist.ist.

Praktisch folgt hieraus das Recht auf Verweigerung einer Praktisch folgt hieraus das Recht auf Verweigerung einer Heilbehandlung.Heilbehandlung.

Wie das Sterben zum Leben gehört, so gibt es auch ein Wie das Sterben zum Leben gehört, so gibt es auch ein Recht auf das Sterben.Recht auf das Sterben.

Frage allerdings, ob das Recht auf den eigenen Tod auch Frage allerdings, ob das Recht auf den eigenen Tod auch im Sinne eines Rechts, sich zu töten oder auf Verlangen im Sinne eines Rechts, sich zu töten oder auf Verlangen getötet zu werden, auszulegen ist.getötet zu werden, auszulegen ist.

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Nachträge zu Kap. 10.3:Autonomie und Souveränität

Gehören Krankheit und Sterben zum Leben dazu, ist nicht Gehören Krankheit und Sterben zum Leben dazu, ist nicht Autonomie, sondern Souveränität das angemessene Autonomie, sondern Souveränität das angemessene Persönlichkeitsideal. „Ein Mensch ist souverän, wenn er Persönlichkeitsideal. „Ein Mensch ist souverän, wenn er mit sich etwas geschehen lassen und Abhängigkeiten mit sich etwas geschehen lassen und Abhängigkeiten hinnehmen kann.“ (Akashe-Böhme/Böhme 2005: 62). hinnehmen kann.“ (Akashe-Böhme/Böhme 2005: 62).

Dieser Gedanke berührt sich mit wesentlichen Einsichten Dieser Gedanke berührt sich mit wesentlichen Einsichten des christlichen Glaubens und seines Verständnisses von des christlichen Glaubens und seines Verständnisses von Menschenwürde, die auch Schwerstkranke und Menschen Menschenwürde, die auch Schwerstkranke und Menschen mit Behinderungen nicht verlieren können.mit Behinderungen nicht verlieren können.

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Patientenverfügungen

Für den Fall, daß ein Patient oder eine Patientin selbst Für den Fall, daß ein Patient oder eine Patientin selbst nicht (mehr) entscheidungsfähig ist, besteht die nicht (mehr) entscheidungsfähig ist, besteht die Möglichkeit, seine Selbstbestimmung durch eine Möglichkeit, seine Selbstbestimmung durch eine Patientenverfügung oder eine Patientenvollmacht zu Patientenverfügung oder eine Patientenvollmacht zu sichern.sichern.

• • Eine Eine PatientenverfügungPatientenverfügung ist ein Dokument, in dem die ist ein Dokument, in dem die Patientin oder der Patient für den Fall, daß er seinen Patientin oder der Patient für den Fall, daß er seinen Willen nicht mehr bilden oder äußern kann, Verfügungen Willen nicht mehr bilden oder äußern kann, Verfügungen über Anwendung oder Verzicht auf lebenserhaltende über Anwendung oder Verzicht auf lebenserhaltende Maßnahmen oder den Einsatz bestimmter Therapien trifft.Maßnahmen oder den Einsatz bestimmter Therapien trifft.

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Eine Eine VorsorgevollmachtVorsorgevollmacht ist ein Dokument, in ist ein Dokument, in dem der Patient oder die Patientin für den Fall dem der Patient oder die Patientin für den Fall eigener Entscheidungsunfähigkeit eine Person eigener Entscheidungsunfähigkeit eine Person ihres Vertrauens bevollmächtigt, an ihrer Stelle ihres Vertrauens bevollmächtigt, an ihrer Stelle alle erforderlichen Entscheidungen über ihre alle erforderlichen Entscheidungen über ihre ärztliche Behandlung zu treffen und sie mit dem ärztliche Behandlung zu treffen und sie mit dem behandelnden Arzt oder der Ärztin abzusprechen.behandelnden Arzt oder der Ärztin abzusprechen.

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Verbindlichkeit und Reichweite von Patientenverfügungen

Die Verbindlichkeit und die Reichweite von Patientenverfügungen ist Die Verbindlichkeit und die Reichweite von Patientenverfügungen ist rechtlich und ethisch umstritten.rechtlich und ethisch umstritten.

Fragen:Fragen:

1. Was sind die Kriterien für die Verbindlichkeit von 1. Was sind die Kriterien für die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen?Patientenverfügungen?

2. Sollen Patientenverfügungen nur für „irreversibel zum Tode 2. Sollen Patientenverfügungen nur für „irreversibel zum Tode führenden Grundleiden“ und für die „Sterbephase“ gelten? (Sog. führenden Grundleiden“ und für die „Sterbephase“ gelten? (Sog. Reichweitenbegrenzung)Reichweitenbegrenzung)

3. Was heißt „mutmaßlicher Wille“? Trägt diese Gedankenfigur z.B. 3. Was heißt „mutmaßlicher Wille“? Trägt diese Gedankenfigur z.B. noch bei Patienten mit fortgeschrittener Demenzerkrankung oder bei noch bei Patienten mit fortgeschrittener Demenzerkrankung oder bei langjährigem Wachkoma?langjährigem Wachkoma?

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Argumente für Reichweitenbegrenzung

Die Pflicht zur Fürsorge kann in Spannung und Die Pflicht zur Fürsorge kann in Spannung und Konflikt zum Postulat der Selbstbestimmung Konflikt zum Postulat der Selbstbestimmung treten.treten.

Im Zweifel für das LebenIm Zweifel für das Leben Ohne Reichweitenbegrenzung können Patienten Ohne Reichweitenbegrenzung können Patienten

durch ihre Umgebung unter Druck gesetzt werden.durch ihre Umgebung unter Druck gesetzt werden. Mißbrauchsmöglichkeiten und mangelnde Mißbrauchsmöglichkeiten und mangelnde

Abgrenzung gegen Euthanasie und Suizidbeihilfe.Abgrenzung gegen Euthanasie und Suizidbeihilfe.

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Argumente gegen Reichweitenbegrenzung

Formulierungen wie „Wille des Patienten“ Formulierungen wie „Wille des Patienten“ oder Begrenzung auf ein „irreversibel zum Tod oder Begrenzung auf ein „irreversibel zum Tod führendes Grundleiden“ täuschen eine führendes Grundleiden“ täuschen eine Exaktheit vor, die es so im wirklichen leben Exaktheit vor, die es so im wirklichen leben nicht gibtnicht gibt

Bei Multimorbidität kann Therapiebegrenzung Bei Multimorbidität kann Therapiebegrenzung oder –abbruch ethisch gerechtfertigt sein, oder –abbruch ethisch gerechtfertigt sein, obwohl keines der einzelnen Leiden obwohl keines der einzelnen Leiden irreversibel zum Tode führt.irreversibel zum Tode führt.

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Umgekehrt kann trotz irreversiblen Grundleidens – Umgekehrt kann trotz irreversiblen Grundleidens – z.B. einer Krebserkrankung – über Jahre ein z.B. einer Krebserkrankung – über Jahre ein weitgehend normales Leben möglich sein, d.h. vor weitgehend normales Leben möglich sein, d.h. vor einem eintretenden Notfall eine relativ günstige einem eintretenden Notfall eine relativ günstige Prognose bestehen.Prognose bestehen.

Patienten dürfen nicht durch das Fürsorgeprinzip Patienten dürfen nicht durch das Fürsorgeprinzip paternalistisch bevormundet werden. Der Respekt vor paternalistisch bevormundet werden. Der Respekt vor der Selbstbestimmung des Patienten ist vielmehr eine der Selbstbestimmung des Patienten ist vielmehr eine Implikation der Fürsorge.Implikation der Fürsorge.

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PatientenchartaPatientencharta (BGBl 153/2002): (BGBl 153/2002):

Art. 18Art. 18: „Patienten und Patientinnen haben das : „Patienten und Patientinnen haben das Recht, im Vorhinein Willensäußerungen Recht, im Vorhinein Willensäußerungen abzugeben, durch die sie für den Fall des abzugeben, durch die sie für den Fall des Verlustes ihrer Handlungsfähigkeit das Verlustes ihrer Handlungsfähigkeit das Unterbleiben einer Behandlung oder bestimmter Unterbleiben einer Behandlung oder bestimmter Behandlungsmethoden wünschen, damit bei Behandlungsmethoden wünschen, damit bei künftigen medizinischen Entscheidungen so weit künftigen medizinischen Entscheidungen so weit wie möglich darauf Bedacht genommen werden wie möglich darauf Bedacht genommen werden kann.“kann.“

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Rechtlich bedeutsam sind v.a. Rechtlich bedeutsam sind v.a. Art. 110 StGB (Verbot der eigenmächtigen Art. 110 StGB (Verbot der eigenmächtigen

Heilbehandlung) Heilbehandlung) Art. 8 EMRKArt. 8 EMRK Österreichisches Patientenverfügungsgesetz 2006 Österreichisches Patientenverfügungsgesetz 2006

(PatVG; BGBl Nr.55, 8.5.2006) (PatVG; BGBl Nr.55, 8.5.2006) Novelle des Sachwalterrechts: § 284 f-h Novelle des Sachwalterrechts: § 284 f-h

Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (SWRÄG) Sachwalterrechts-Änderungsgesetz (SWRÄG) 2006 (BGBl Nr. 92, 23.6.2006)2006 (BGBl Nr. 92, 23.6.2006)

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Hauptinhalte des PatVG

Eine Patientenverfügung ist eine Willenserklärung, Eine Patientenverfügung ist eine Willenserklärung, deren Gegenstand nur Ablehnung einer bestimmten deren Gegenstand nur Ablehnung einer bestimmten medizinische Maßnahme medizinische Maßnahme sein kann. Gegenstand sind sein kann. Gegenstand sind also also keine Maßnahmen der Pflege!keine Maßnahmen der Pflege!

Die Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit als Die Grundversorgung mit Nahrung und Flüssigkeit als Teil der Pflege kann durch eine Patientenverfügung Teil der Pflege kann durch eine Patientenverfügung nicht ausgeschlossen werden.nicht ausgeschlossen werden.

Das gilt jedoch nicht für die Sondenernährung, da es Das gilt jedoch nicht für die Sondenernährung, da es sich hierbei um eine medizinische Maßnahme handelt.sich hierbei um eine medizinische Maßnahme handelt.

Grundsätzlich gibt es keine Reichweitenbegrenzung.Grundsätzlich gibt es keine Reichweitenbegrenzung.

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Der Patient oder die Patientin kann nichts rechtlich Der Patient oder die Patientin kann nichts rechtlich Verbotenes vom Arzt oder der Ärztin verlangen. Es ist Verbotenes vom Arzt oder der Ärztin verlangen. Es ist daher ausgeschlossen, den Wunsch nach aktiver daher ausgeschlossen, den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe in einer Patientenverfügung zu formulieren. Sterbehilfe in einer Patientenverfügung zu formulieren. Derartige Bestimmungen wäre nichtig.Derartige Bestimmungen wäre nichtig.

Patientenverfügungen können sich nur auf medizinische Patientenverfügungen können sich nur auf medizinische Maßnahmen erstrecken, die dem Stand der Forschung Maßnahmen erstrecken, die dem Stand der Forschung entsprechen. Der Patient oder die Patientin kann keine entsprechen. Der Patient oder die Patientin kann keine medizinisch nicht indizierte Behandlung verlangen. medizinisch nicht indizierte Behandlung verlangen.

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Ist nur eine einzige Behandlungsform nach ärztlicher Ist nur eine einzige Behandlungsform nach ärztlicher Wissenschaft und Erfahrung indiziert, dann ist diese Wissenschaft und Erfahrung indiziert, dann ist diese durchzuführen, vorausgesetzt, es liegt die Zustimmung des durchzuführen, vorausgesetzt, es liegt die Zustimmung des Patienten (informed consent) vor. Patienten (informed consent) vor.

Nur wenn zwei oder mehrere verschiedene Nur wenn zwei oder mehrere verschiedene Behandlungsmethoden vorliegen, steht dem Patienten oder Behandlungsmethoden vorliegen, steht dem Patienten oder der Patientin die Entscheidungsbefugnis über die Wahl der der Patientin die Entscheidungsbefugnis über die Wahl der Methode zu, indem er oder sie die nicht gewünschte(n) Methode zu, indem er oder sie die nicht gewünschte(n) Maßnahmen ablehnt.Maßnahmen ablehnt.

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Die Die VerbindlichkeitVerbindlichkeit ist an folgende Bedingungen geknüpft: ist an folgende Bedingungen geknüpft:

Eine Patientenverfügung kann nur von einem einsichts- und Eine Patientenverfügung kann nur von einem einsichts- und urteilsfähigen Patienten errichtet werden (ab 14 Jahren!).urteilsfähigen Patienten errichtet werden (ab 14 Jahren!).

Sie muß frei und ernstlich erklärt sein; sie darf nicht durch Sie muß frei und ernstlich erklärt sein; sie darf nicht durch Irrtum, durch List, durch Täuschung oder durch physischen oder Irrtum, durch List, durch Täuschung oder durch physischen oder psychischen Zwang veranlaßt sein.psychischen Zwang veranlaßt sein.

Der Errichtung einer Patientenverfügung muß eine der Der Errichtung einer Patientenverfügung muß eine der Krankheitssituation und der medizinischen Behandlung Krankheitssituation und der medizinischen Behandlung entsprechende ärztliche Aufklärung vorausgehen, die der Arzt in entsprechende ärztliche Aufklärung vorausgehen, die der Arzt in der Patientenverfügung urkundlich zu bestätigen hat. der Patientenverfügung urkundlich zu bestätigen hat.

Zusätzlich ist eine rechtliche, urkundlich bestätigte Aufklärung Zusätzlich ist eine rechtliche, urkundlich bestätigte Aufklärung erforderlich.erforderlich.

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Die Patientenverfügung muß schriftlich errichtet werden, Die Patientenverfügung muß schriftlich errichtet werden, indem der Patient die Urkunde entweder eigenhändig indem der Patient die Urkunde entweder eigenhändig schreibt und unterfertigt oder in Gegenwart von drei schreibt und unterfertigt oder in Gegenwart von drei unbefangenen und eigenberechtigten Zeugen unterfertigt.unbefangenen und eigenberechtigten Zeugen unterfertigt.

Kann der Patient die schriftliche Patientenverfügung nicht Kann der Patient die schriftliche Patientenverfügung nicht selbst unterfertigen, so hat er, nachdem ihm die Verfügung selbst unterfertigen, so hat er, nachdem ihm die Verfügung in Gegenwart von drei unbefangenen und in Gegenwart von drei unbefangenen und eigenberechtigten zeugen vorgelesen wurde, zu eigenberechtigten zeugen vorgelesen wurde, zu bekräftigen, daß sie seinem Willen entspricht. Das ist von bekräftigen, daß sie seinem Willen entspricht. Das ist von den Zeugen durch eigenhändige Unterschrift zu bestätigen.den Zeugen durch eigenhändige Unterschrift zu bestätigen.

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Die Krankheitssituation und jene medizinischen Die Krankheitssituation und jene medizinischen Maßnahmen, die Gegenstand der Ablehnung oder Maßnahmen, die Gegenstand der Ablehnung oder Einwilligung sind, müssen konkret beschrieben sein oder Einwilligung sind, müssen konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der verbindlichen Patientenverfügung hervorgehen.verbindlichen Patientenverfügung hervorgehen.

Eine verbindliche Patientenverfügung ist spätestens fünf Eine verbindliche Patientenverfügung ist spätestens fünf Jahre nach ihrer Errichtung oder ihrer letzten Erneuerung Jahre nach ihrer Errichtung oder ihrer letzten Erneuerung unter Einhaltung der genannten Formerfordernisse unter Einhaltung der genannten Formerfordernisse (Schriftlichkeit) zu erneuern. Dafür ist abermals eine (Schriftlichkeit) zu erneuern. Dafür ist abermals eine entsprechende ärztliche und rechtliche Aufklärung entsprechende ärztliche und rechtliche Aufklärung erforderlich, die jeweils neu zu dokumentieren ist.erforderlich, die jeweils neu zu dokumentieren ist.

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Patientenverfügungen, die nicht verbindlich sind, Patientenverfügungen, die nicht verbindlich sind, sind jedenfalls als sind jedenfalls als Orientierungshilfe Orientierungshilfe heranzuziehen.heranzuziehen.

Eine Patientenverfügung, die von vornherein als Eine Patientenverfügung, die von vornherein als Orientierungshilfe gedacht ist – und das werden in Orientierungshilfe gedacht ist – und das werden in der Praxis die meisten Patientenverfügungen sein der Praxis die meisten Patientenverfügungen sein – kann entweder schriftlich (eigenhändig – kann entweder schriftlich (eigenhändig verfertigt) oder mündlich gegenüber einem Arzt verfertigt) oder mündlich gegenüber einem Arzt errichtet werden.errichtet werden.

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Erlöschen oder Aufhebung der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen

Eine Patientenverfügung erlischt, wenn der Patient selbst zu erkennen Eine Patientenverfügung erlischt, wenn der Patient selbst zu erkennen gibt, daß er an diese nicht mehr gebunden sein will.gibt, daß er an diese nicht mehr gebunden sein will.

Eine Patientenverfügung verliert ihre Verbindlichkeit, wenn der Stand Eine Patientenverfügung verliert ihre Verbindlichkeit, wenn der Stand der medizinischen Wissenschaft seit der Errichtung der Urkunde eine der medizinischen Wissenschaft seit der Errichtung der Urkunde eine für den konkreten Fall oder die sonstigen Lebensumstände eine für den konkreten Fall oder die sonstigen Lebensumstände eine erhebliche Veränderung erfahren haben.erhebliche Veränderung erfahren haben.

Patientenverfügungen, die ihre Verbindlichkeit verlieren, sind Patientenverfügungen, die ihre Verbindlichkeit verlieren, sind jedoch weiterhin als Orientierungshilfe bei der Ermittlung des jedoch weiterhin als Orientierungshilfe bei der Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens heranzuziehen.mutmaßlichen Patientenwillens heranzuziehen.

Bestimmung für Bestimmung für NotfälleNotfälle: Patientenverfügungen sind nicht zu : Patientenverfügungen sind nicht zu beachten, Sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung beachten, Sofern der mit der Suche nach einer Patientenverfügung verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten verbundene Zeitaufwand das Leben oder die Gesundheit des Patienten ernstlich gefährden würde. ernstlich gefährden würde.

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Grundsätzliche Überlegungen zur Sinnhaftigkeit von Patientenverfügungen

Das PatVG kann zwar in etlichen Fällen für mehr Das PatVG kann zwar in etlichen Fällen für mehr Rechtssicherheit sorgen. Es werden aber genügend Fälle Rechtssicherheit sorgen. Es werden aber genügend Fälle bleiben, bei denen eine verbindliche und eindeutige bleiben, bei denen eine verbindliche und eindeutige Verfügung nicht vorliegt und wo es auch künftig schwierig Verfügung nicht vorliegt und wo es auch künftig schwierig bleibt, den mutmaßlichen Patientenwillen zu ergründen bleibt, den mutmaßlichen Patientenwillen zu ergründen und zu befolgen.und zu befolgen.

Die meisten Patientenverfügungen werden auch in Zukunft Die meisten Patientenverfügungen werden auch in Zukunft nur eine Orientierungshilfe und nicht rechtlich strikt nur eine Orientierungshilfe und nicht rechtlich strikt verbindlich sein. Für die verantwortlichen Ärzte bleiben verbindlich sein. Für die verantwortlichen Ärzte bleiben Entscheidungsspielräume.Entscheidungsspielräume.

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Daher ist die Daher ist die Koppelung einer Koppelung einer Patientenverfügung an eine VorsorgevollmachtPatientenverfügung an eine Vorsorgevollmacht ratsam, in der ein Patient für den Fall seiner ratsam, in der ein Patient für den Fall seiner Entscheidungsunfähigkeit eine Person seine Entscheidungsunfähigkeit eine Person seine Vertrauens benennt.Vertrauens benennt.

Eine gesetzliche Reichweitenbegrenzung ist nicht Eine gesetzliche Reichweitenbegrenzung ist nicht ratsam. Der österreichische Gesetzgeber hat davon ratsam. Der österreichische Gesetzgeber hat davon Abstand genommen. Wer die Reichweite von Abstand genommen. Wer die Reichweite von Patientenverfügungen begrenzen will, provoziert Patientenverfügungen begrenzen will, provoziert letztlich nur neue Rechtskonflikte darüber, was im letztlich nur neue Rechtskonflikte darüber, was im Einzelfall unter Todesnähe zu verstehen ist.Einzelfall unter Todesnähe zu verstehen ist.

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Recht auf Leben – Recht zu sterben

Das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK) bedeutet keine Das Recht auf Leben (Art. 2 EMRK) bedeutet keine Pflicht zum Leben um jeden Preis. Der Grundsatz des Pflicht zum Leben um jeden Preis. Der Grundsatz des Lebensschutzes legitimiert weder ethisch noch Lebensschutzes legitimiert weder ethisch noch rechtlich die Bevormundung und Entmündigung von rechtlich die Bevormundung und Entmündigung von Patienten. Patienten.

Sofern die Grenzen geachtet werden, die das Sofern die Grenzen geachtet werden, die das österreichische Strafrecht gegenüber aktiver österreichische Strafrecht gegenüber aktiver Sterbehilfe und Suizidbeihilfe zieht, ist die Freiheit Sterbehilfe und Suizidbeihilfe zieht, ist die Freiheit der Menschen zu achten. Wer glaubt, mündige Bürger der Menschen zu achten. Wer glaubt, mündige Bürger vor sich selbst schützen zu müssen, gibt letztlich der vor sich selbst schützen zu müssen, gibt letztlich der Forderung nach einer Liberalisierung der Euthanasie Forderung nach einer Liberalisierung der Euthanasie neue Nahrung.neue Nahrung.

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Töten und Sterbelassen Es bleibt rechtlich und moralisch ein Unterschied, ob ich Es bleibt rechtlich und moralisch ein Unterschied, ob ich

verfüge, daß man mich sterben läßt, oder aber, daß man verfüge, daß man mich sterben läßt, oder aber, daß man mich tötet. Dennoch: auch die ausgefeiltesten Gesetze mich tötet. Dennoch: auch die ausgefeiltesten Gesetze werden nicht verhindern, daß wir an den Grenzen des werden nicht verhindern, daß wir an den Grenzen des Lebens in ethische Dilemmata geraten, in denen das Urteil, Lebens in ethische Dilemmata geraten, in denen das Urteil, ob es sich um ein Sterbenlassen oder eine aktive ob es sich um ein Sterbenlassen oder eine aktive Herbeiführung des Todes handelt, eine Frage des Herbeiführung des Todes handelt, eine Frage des Blickwinkels ist.Blickwinkels ist.

„„Ein ethisch verantwortungsvoller Umgang mit Sterben Ein ethisch verantwortungsvoller Umgang mit Sterben und Tod läßt sich nicht durch Präzisierung von und Tod läßt sich nicht durch Präzisierung von Gesetzesformulierungen erreichen, sondern setzt eine Gesetzesformulierungen erreichen, sondern setzt eine Reflexion und Integration des Sterbens in unser Reflexion und Integration des Sterbens in unser alltägliches Leben voraus.“ (G. Ehninger, FAZ, 31.1.2005)alltägliches Leben voraus.“ (G. Ehninger, FAZ, 31.1.2005)

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Nachtrag zu Kap. 10.5:Leben als Fragment

Menschliches Leben ist fragmentarisch. Endlichkeit Menschliches Leben ist fragmentarisch. Endlichkeit bedeutet nicht nur Sterblichkeit, sondern zum Leben bedeutet nicht nur Sterblichkeit, sondern zum Leben gehören auch unsere Unvollkommenheit, Mißlingen und gehören auch unsere Unvollkommenheit, Mißlingen und Brüche. Der Tod ist das Ende, aber nicht die Vollendung Brüche. Der Tod ist das Ende, aber nicht die Vollendung des Lebens.des Lebens.

Hoffnungen können zerbrechen und enttäuscht werden.Hoffnungen können zerbrechen und enttäuscht werden.

Christlicher Glaube hofft auf eine höhere, vom Mensch Christlicher Glaube hofft auf eine höhere, vom Mensch nicht leistbare Vollendung.nicht leistbare Vollendung.

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Zur Endlichkeit und Fragmenthaftigkeit des Lebens gehört Zur Endlichkeit und Fragmenthaftigkeit des Lebens gehört auch die Begrenztheit ärztlicher Heilkunst. auch die Begrenztheit ärztlicher Heilkunst.

Sowohl in der Medizin als auch in der Pflege gilt es sich Sowohl in der Medizin als auch in der Pflege gilt es sich von Allmachtsphantasien, deren Enttäuschung zu von Allmachtsphantasien, deren Enttäuschung zu narzißtischen Kränkungen führen muß, freizumachen. Das narzißtischen Kränkungen führen muß, freizumachen. Das gilt gerade im Umgang mit Krebserkrankungen.gilt gerade im Umgang mit Krebserkrankungen.

Patienten, Ärzte und Pflegende sollen sich hier Patienten, Ärzte und Pflegende sollen sich hier wechselseitig nicht mit unrealistischen und somit wechselseitig nicht mit unrealistischen und somit unmenschlichen Erwartungen und Hoffnungen unmenschlichen Erwartungen und Hoffnungen überfordern.überfordern.

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Nachtrag zu Kap. 11.3: Rechtliche Grundlagen für Therapieverzicht oder Therapieabbruch

§ 110 StGB§ 110 StGB verbietet die eigenmächtige Heilbehandlung. verbietet die eigenmächtige Heilbehandlung.

„„(1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach (1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft, behandelt, ist mit den Regeln der medizinischen Wissenschaft, behandelt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme (2) Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme nicht eingeholt, daß durch den Aufschub der Behandlung das Leben nicht eingeholt, daß durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er oder die Gesundheit des Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er nach Abs. 1 nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht nach Abs. 1 nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt (( § 6) hätte bewußt sein können. § 6) hätte bewußt sein können.

(3) Der Täter ist nur auf Verlangen des eigenmächtig Behandelten zu (3) Der Täter ist nur auf Verlangen des eigenmächtig Behandelten zu verfolgen.“ verfolgen.“

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Verweigerung oder Einstellung der Sondenernährung

Unter die Bestimmungen des § 110 StGB fällt auch die Unter die Bestimmungen des § 110 StGB fällt auch die Sondenernährung (PEG-Sonde). Sondenernährung (PEG-Sonde).

Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr gehören grundsätzlich Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr gehören grundsätzlich zum pflegerischen und nicht zum medizinischen Bereich zum pflegerischen und nicht zum medizinischen Bereich (eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich der Pflege. Die (eigenverantwortlicher Tätigkeitsbereich der Pflege. Die Sondenernährung gehört aber zum mitverantwortlichen Sondenernährung gehört aber zum mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich der Pflege, wie sich z.B. aus den Tätigkeitsbereich der Pflege, wie sich z.B. aus den Bestimmungen des GuKG für den Tätigkeitsbereich der Bestimmungen des GuKG für den Tätigkeitsbereich der Pflegehilfe eindeutig ergibt.Pflegehilfe eindeutig ergibt.

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§ 84 GuKG§ 84 GuKG

„„(4) Im Rahmen der Mitarbeit bei therapeutischen und (4) Im Rahmen der Mitarbeit bei therapeutischen und diagnostischen Verrichtungen dürfen im Einzelfall nach diagnostischen Verrichtungen dürfen im Einzelfall nach schriftlicher ärztlicher Anordnung und unter Aufsicht von schriftlicher ärztlicher Anordnung und unter Aufsicht von Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- Angehörigen des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege oder von Ärzten folgende Tätigkeiten und Krankenpflege oder von Ärzten folgende Tätigkeiten durchgeführt werden: durchgeführt werden: ......4. Durchführung von Sondenernährung bei liegenden 4. Durchführung von Sondenernährung bei liegenden Magensonden“Magensonden“

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Grundsätzlich spielt bei der Entscheidung für oder gegen Grundsätzlich spielt bei der Entscheidung für oder gegen therapeutische Maßnahmen ihre Einordnung in die therapeutische Maßnahmen ihre Einordnung in die Biographie des bzw. der Betroffenen eine wesentliche Biographie des bzw. der Betroffenen eine wesentliche Rolle (Rolle (Biographiearbeit; Story-KonzeptBiographiearbeit; Story-Konzept). ).

Beispiel:Beispiel: Zwei Patienten haben die gleiche infauste Zwei Patienten haben die gleiche infauste Karzinomprognose. Während aber die eine Patientin in Karzinomprognose. Während aber die eine Patientin in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten und Ärztinnen Rücksprache mit den behandelnden Ärzten und Ärztinnen auf eine weitere Chemotherapie verzichtet, weil sie mit auf eine weitere Chemotherapie verzichtet, weil sie mit ihrem Leben abgeschlossen hat und den Tod nicht länger ihrem Leben abgeschlossen hat und den Tod nicht länger hinauszögern will, möchte der andere noch einige Wochen, hinauszögern will, möchte der andere noch einige Wochen, vielleicht Monate an Lebenszeit gewinnen, vielleicht weil vielleicht Monate an Lebenszeit gewinnen, vielleicht weil er noch die Hochzeit seines Kindes oder die Taufe seines er noch die Hochzeit seines Kindes oder die Taufe seines ersten Enkels erleben möchte. ersten Enkels erleben möchte.