Einführung in die Psychologie (Okt 2012) · Allgemeine Psychologie „Die Allgemeine Psychologie...

Einführung in die Psychologie (Okt 2012)

Prof. Dr. Stefan Koelsch

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Literatur

• Handbuch der Psychologie (Hogrefe)

• Enzyklopädie der Psychologie (Hogrefe)

• W. Schönpflug: Einführung in die Psychologie (Beltz)


(insgesamt 13 Bände)


(25 Serien…)


Disziplinen der Psychologie

Grundlagenfächer: Allgemeine PsychologieBiologische Psychologie (incl. Neuropsychologie...) EntwicklungspsychologieSozialpsychologie

Anwendungsfächer: Klinische Psychologie Arbeits- (Wirtschafts-) & OrganisationspsychologiePädagogische Psychologie(weitere Anwendungsbereiche: Gesundheits-, Rechts-, Verkehrs-, Kultur-, Religions-, Sport-, Medien-, Werbe-, etc.)

Methodenfächer: Psychologische MethodenlehrePsychologische Diagnostik Psychologische Intervention


Konzepte, Theorien und (ein paar) Wissenschaftler/innen der Psychologie

1885 bis heute


Gründung der Psychologie als eigenständige Wissenschaft

• G.T. Fechner, W. Wundt, H. Ebbinghaus, W. James


Gustav Theodor Fechner (1801 - 1887)

• Begründer der Psychophysik (Wahrnehmungsschwelle / Absolutschwelle, Unterschiedsschwelle)

• 1876: Vorschule der Ästhetik (empirische Erforschung von Ästhetik, „Ästhetik von unten“, Gefallen und Lust, „schön“und „gut“, diverse ästhetische Prinzipen, e.g. ästhetische Schwelle)


Wilhelm Wundt (1832 – 1920)

• 1879: Gründung des ersten Instituts für experimentelle Psychologie an der Universität Leipzig (Modell für etliche Psychologische Institute weltweit)


Hermann Ebbinghaus (1850 – 1909)

• Ebbinghaus: „Über das Gedächtnis: Untersuchungen zur experimentellen Psychologie“ (1885)

• Begründer der experimentellen Erforschung des Gedächtnisses (Beschrieb Lern- und Vergessenskurven)

• "Die Psychologie hat eine lange Vergangenheit, aber nur eine kurze Geschichte"


Allgemeine Psychologie

„Die Allgemeine Psychologie fokussiert [...] auf generelle Gesetzmäßigkeiten psychischer Prozesse [z.B. Wahrnehmung, Gedächtnis, Lernen, Denken, Problemlösen, Sprache, Musik, Wissen, Aufmerksamkeit, Bewusstsein, Volition, Emotion, Motivation, Handeln, Psychomotorik, u.a.] und fragt nach dem, was Menschen gemeinsam ist, ohne sich dafür zu interessieren, was sie unterscheidet“ (Handbuch d. Psych. Bd. 5)


William James (1842 – 1910)

• 1875 war er der erste, der VL zur experimentellen Psychologie in den USA gab

• 1876 Professor für Psychologie (Harvard Univ.)

• „Principles of Psychology“ (1890, als Lehrbuch gedacht, aber zwei Bände mit mehr als tausend Seiten…) mit Kapiteln wie „The functions of the Brain“, „The Mind-Stuff Theory“, „The Consciousness of Self“, „Attention“, „Memory“, „The Perception of Reality“, „Reasoning“, „The Emotion“, „Will“, etc.

• Gilt als Begründer der amerikanischen Psychologie


Psychometrie

• Alfred Binet (1857 – 1911; Gründung des ersten psychologischen Forschungslaboratoriums in Frankreich 1889)

• Experimentelle Methoden zur Messung von Intelligenz und logischer Denkfähigkeit

• Intelligenztest für Kinder (zusammen mit dem Arzt Théodore Simon, „Binet-Simon-Test“), Berechnung des „Intelligenzalters“


Iwan Petrowitsch Pawlow (1849 – 1936)

„Pawlowscher Hund“

• 1849 – 1936, Mediziner, Nobelpreis 1904 • Entdeckte das Prinzip der „Klassischen Konditionierung“


Klassische Konditionierung (I.P. Pawlow)

UR (Speichelfluß)

NS (z.B. Ton, Licht)

CS CR (Speichelfluß)

+ UR (Speichelfluß)

US (Futter)

Prinzip: Neutraler Stimulus (NS) wird mit unkonditioniertem Stimulus (US) solange zeitlich eng gepaart, bis ersterer zum konditionierten Stimulus (CS) wird und allein die konditionierte Reaktion (CR) auslöst

US: unkonditionierter Stim. („Reiz“); UR: unkond. Reaktion; NS: neutraler Stim.; CS: kond. Stim.; CR: kond. Reaktion)

NS wird durch Paarung zum CS!


Behaviorismus

• Edward L. Thorndike (1874 – 1949), John B. Watson (1878 – 1958), Burrhus F. Skinner (1904 – 1990; Psychologe, Harvard-Professor, „Skinner Box“)

• Wie kann Verhalten („behavior“) naturwissenschaftlich (empirisch, quantitativ) untersucht werden?

• Ablehnung innerpsychischer Vorgänge (solange sie nicht gemessen werden können) als Explanans von Verhalten

• Gegner psychoanalytischer Richtungen

• Kritik: Gehirn wird bloß als Reiz-Reaktions-Apparat („Black Box“) aufgefasst


Stanley Milgram (1933 – 1984)

• Sozialpsychologie (u.a. sozialer Einfluss auf Verhalten und Einstellungen)

• Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten


Magda B. Arnold

• *1903 in Österreich (dann nach Kanada) – 2002

• 1960: „Emotion and personality“, Entwicklung einer Appraisal Theorie der Emotion


Kognitive Wende / „cognitive revolution“

• Ulrich (engl. dann „Ulric“) Neisser (* 1928 in Kiel): Buch „Cognitive Psychology“ (1967), „Ikonisches Gedächtnis“, „Echoisches Gedächtnis“

• Kognitionswissenschaft (Integration von Psychologie, Neurowissenschaft, computer science, artificial intelligence, Linguistik, Anthropologie etc.)

• Forschungsinteresse an der „Black Box“


John R. Anderson

• Kognitive Psychologie, Springer (2001)

• Denken

• Problemlösen

• Sprache

• logisches Schlussfolgern

• Texte lesen und verstehen

• etc.


Logik und schlußfolgerndes Denken: Deduktives Schließen

Konditionales Schließen: Modus ponens und Modus tollens

Konditionale Sätze: Wenn – dann, z.B. „Wenn die Stiefmutter die Waffe versteckt hat, dann war der Gärtner nicht am Tatort“.


Logisches Schließen: Modus ponens & Modus tollens

Der Modus ponens erlaubt es, aus zwei Aussagen der Form „Wenn A, dann B“ und „A liegt vor“ (den beiden Prämissen der Schlussfigur) den Schlusssatz („Conclusio“) der Form „B liegt vor“ herzuleiten.

Prämissen: A → B

A

Conclusio: B

Beispiele für fehlerhaftes Schließen: (1) aus der Prämisse „B“ auf Vorliegen von „A“ zu schließen (falsche Schlussfolgerung! Würde gelten für „dann und nur dann wenn...“), oder (2): von „nicht A“ auf „nicht B“ zu schließen.


Beispiel (Modus ponens)

Wenn es morgen regnet, dann wird das Spiel abgesagt werden.

Wenn das Spiel abgesagt wird, dann wird unsere Mannschaft den Wimpel verlieren.

Morgen wird es regnen.

Aus 1. und 3. können wir schließen:

Das Spiel wird abgesagt werden.

Aus 2. und 4. können wir folgern:

5. Unsere Mannschaft wird mit Sicherheit den Wimpel verlieren.


Logisches Schließen: Modus ponens & Modus tollens

Der Modus tollens besagt, dass aus den Prämissen „Wenn A, dann B“und „nicht B“auf „nicht A“ geschlossen werden kann.

Prämissen: A → B

¬B

Conclusio: ¬A


Beispiel (Modus tollens)

Prämissen: A → B

¬B

Conclusio: ¬A

Wenn die S-Bahn pünktlich fährt, dann sind wir nicht in Berlin.

Wir sind in Berlin.

Also fährt die S-Bahn nicht pünktlich.


Logik und schlußfolgerndes Denken: Deduktives Schließen

E K 4 7

Auf einer Seite der Karten ist immer ein Buchstabe und auf der anderen Seite eine Zahl abgebildet.

Aufgabe: Beurteilen Sie, ob für diese vier Karten die folgende Regel gilt: „Wenn auf einer Seite der Karte ein Vokal abgebildet ist, dann steht auf der anderen Seite eine gerade Zahl.“


ABER: Wenn um soziale Kontrakte geht, dann sind Personen i.d.R. in der Lage, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen (z.B. John Tooby & Leda Cosmides; Philip Johnson-Laird)

Fährt Auto

Regel: Wenn jemand Auto fährt, dann muss er/sie mind. 18 Jahre alt sein. Jede Karte steht für eine Person.

Aufgabe: Beurteilen Sie, ob für diese vier Karten diese Regel gilt (welche der Karten müssen Sie umdrehen, um festzustellen, ob eine Regelverletzung vorliegt).

Je „sozialer“ der Inhalt der Aufgabe, desto besser ziehen Personen die richtigen Schlussfolgerungen, z.B. „Wenn ich Dir bei Statistik helfe, dann gibst Du mir ein Bier aus“.

Ist 18 J alt

Fährt nichtAuto

Ist jünger

als 18 J


Benjamin Libet (1916 – 2007)

• Bewusstseinsforschung („consciousness“, „awareness“)

• Glaubte selber an „free will“ („Vetofunktion“, z.B. bei unbewusst aufkommenden Handlungsimpulsen)

• „Libet-Experiment“


Psychology of self-fulfilling prophecies

• Robert Rosenthal (* 1933 in Gießen, 1939 emigriert in die USA)


Biologische Psychologie

(A) Zusammenhänge zwischen psychischen und neuronalen Prozessen

(B) Zusammenhänge zwischen Prozessen innerhalb und außerhalb des Nervensystems (vegetative Innervierung von Organen, endokrines System, Immunsystem)


Neurophysiolgie

Wir nehmen zwar einiges wahr, aber einiges auch nicht...

Visuelle Wahrnehmung (Mensch): Wellenlängen zwischen etwa 380 nm und 780 nm

Auditive Wahrnehmung (Mensch): Schwingungen von ca. 16 – 20.000 Hz

(wahrscheinlich) kein Magnetsinn (im Ggs. z.B. zu Vögeln), keine Wahrnehmung elektrischer Felder (im Ggs. z.B zu manchen Fischen)


Von den aus der Umwelt mit den Sinnesorganen aufgenommenen Informationen (ca. 1.000.000.000 bit/s!) werden ~ 99.7% (v.a. vom Thalamus) herausgefiltert und gar nicht verwendet; nur ca. 10 – 100 bit/s von den verbleibenden 0.3% wird bewusst, der Rest wird unbewusstverarbeitet

Silbernagl & Despopoulos, 2007, S.315


Filtern ist stark abhängig von bisheriger Erfahrung (!)

Gefiltert wird schnell und automatisch (!) v.a. im Thalamus (unter starker Beteiligung des OFCs, v.a. via unspezifische Projektionen), sowie im OFC selber

OFC: Relevanz, Kategorisierung (bspw. „gut / böse“, „gefährlich / ungefährlich“, „interessant / uninteressant“), emotionale Anfärbung, etc. (-> Konstruktion!) auf Basis von Erfahrung (incl. gespeicherter Normen, Werte, etc.)


Wissenschaftstheorie: (Radikaler) Konstruktivismus

„Die Wirklichkeit ist ein subjektives Konstrukt“

Wahrnehmung liefert nicht Abbild der Realität, sondern ist eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung eines Individuums

Das vermeintlich Wahre ist oft etwas Konstruiertes („Erfundendes“), dessen Konstrukteur sich des Aktes seiner Konstruktion nicht bewußt ist, sondern sie als etwas von ihm Unabhängiges zu entdecken glaubt.


Prospect Theory

• „Neue Erwartungstheorie“

• D. Kahneman (* 1934, Nobelpreis 2002) / A. Tversky (1937 – 1996)

• Menschen handeln nicht strikt rational (vs. Homo oeconomicus, s.a. Rational Choice Theorien) und wählen nicht immer die optimale Lösung (Ziel: dies in math. Modelle der Entscheidungsmodellierung integrieren)

• V.a. unter Unsicherheit & Risiko beeinflussen Heuristiken und „Kognitive Verzerrungen“ (cognitive biases) das Verhalten: „overconfidence/over-confidentiality bias“, „anchoring effect“, „availability heuristic“, „ conjunction fallacy“, „ignoring relevant information“, etc.)


Rationalismus vs. Empirismus

Einige Vertreter des Empirismus:

David Hume (1711-1776)

John Locke (1632-1704)

Francis Bacon (1561-1626)

George Berkeley (1685-1753)

Einige Vertreter des Rationalismus:

René Descartes (1596-1650) „Cogito ergo sum“

Baruch Spinoza (1632-1677)

Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716)

Christian von Wolff (1679-1754)

D. Hume

R. Descartes

G.W. Leibnitz


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