Eintopf oder doch genauer hinsehen - … · Diagnose Pneumonie (community acquired, CAP) Klinik...

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Pneumonie und exazerbierte COPD Eintopf oder doch genauer hinsehen ? Prof Thomas Geiser, Universitätsklinik für Pneumologie

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Pneumonie und exazerbierte COPD Eintopf oder doch genauer hinsehen ?

Prof Thomas Geiser, Universitätsklinik für Pneumologie

Universitätsklinik für Pneumologie

Ein typischer Patient in der Praxis

UW, 53 Jahre

Seit Jahren „Raucherhusten“(20 Zig./Tag seit 35 J.) mit etwas

weißlichem Auswurf morgens.

FEV1/FCV <70%; FEV1 = 55% Soll

Atemnot wird nicht angegeben, auf näheres Befragen besteht eine

leichte Dyspnoe nach einem Stockwerk. Bei Erkältungen leidet er aber

immer wochenlang an Husten mit zum Teil gelblichen Auswurf.

Bisherige Medikation: Tiotropium 18µg 1 – 0 – 0

Salbutamol 2 Hub bei Bed. zuletzt bis zu 8x/d

Universitätsklinik für Pneumologie

Ein typischer Patient in der Praxis

UW, 53 Jahre

Jetziges Leiden

Vor 4 Tagen hat ein starker Husten mit überwiegend weisslichem bis

leicht gelblichem Auswurf begonnen, heute Nacht hat er zum ersten

mal auch etwas Dyspnoe und pfeifende Atmung bemerkt. Kein Fieber.

Auskultation: ubiquitär Giemen, vereinzelt Brummen,

keine feuchten RG‘s

Universitätsklinik für Pneumologie

Ein typischer Patient in der Praxis

UW, 53 Jahre

Ihre Verdachtsdiagnose?

1. Akute Bronchitis

2. Ambulant erworbene Pneumonie

3. Exazerbierte COPD

4. Asthma bronchiale ?

Universitätsklinik für Pneumologie

Ein typischer Patient in der Praxis

UW, 53 Jahre

Was würden Sie therapeutisch machen?

1. LABA und inhalatives Glukokortikoid

2. LABA, inhalatives Glukokortikoid und Antibiotikum

3. LABA und Antibiotikum

4. LABA, systemische Glukokortikoide und Antibiotikum

5. LABA und systemische Glukokortikoide

LABA = Langwirksamer Beta-2-Agonist

?

Universitätsklinik für Pneumologie

Ein typischer Patient in der Praxis

UW, 53 Jahre

Falls Sie eine antibiotische Behandlung beginnen würden,

womit würden Sie den Patienten behandeln?

1. Makrolid (z.B. Clarithromycin)

2. „Pseudomonas“-Fluorchinolon (z.B. Ciprofloxacin)

3. Amoxicillin+Clavulansäure

4. „Normales“-Fluorchinolon (z.B. Moxifloxacin)

5. Amoxicillin

6. Anderes

?

Universitätsklinik für Pneumologie

Diagnostische Abklärungen ?

• Lungenauskultation ?

• Sputumuntersuchung ?

• CRP ? Lc ?

• Procalcitonin ?

• Thoraxbild ?

• Spirometrie ?

Universitätsklinik für Pneumologie

• Akute Bronchitis

• Chronische Bronchitis

• COPD

• AE-COPD

• CAP

• Nosokomiale Pneumonie

sinnvoll nicht sinnvoll

Antibiotikaverordnung Orale Steroide

??

Immer ?

Universitätsklinik für Pneumologie

0 10 20 30 40 50 60

Die Häufigkeit schwerer akuter Exazerbationen und

Mortalitätsrisiko

Soler-Cataluña et al. Thorax 2005

* Akute COPD-Exazerbationen, die eine

stationäre Versorgung erfordern

Überlebenswahrscheinlichkeit

1,0

Zeit (Monate)

p < 0,0002

p = 0,069

p < 0,0001

n = 304

0,8

0,6

0,4

0,2

0

Keine Exazerbationen

1–2 Exazerbationen*

≥ 3 Exazerbationen*

Universitätsklinik für Pneumologie

Bakterien

Patel IS et al. Thorax. 2002 Sep;57(9):759-64.

57

19Proz

ent

Exazerbation Stabil

Rohde G, Wiethege A, Borg I, Kauth M, Bauer TT, Gillissen A et al. Thorax 2003;

58:37-42.

Viren

Ursachen der AE-COPD:

• Tracheobronchiale Infekte

– Bakteriell

- Pneumokokken

- Haemophilus

- Moraxella

- seltener: Pseudomonas

– Viral

• Umweltverschmutzung

• Smog

• Unbekannt Pauwels RA et al. Am J Respir Crit Care Med 2001; 163:1256-1276.

Universitätsklinik für Pneumologie

Ursachen der AE-COPD: Rolle der Viren

• Bislang unterschätzt:

• Ältere serologisch Studien: max. 20%

• PCR-Studien: ca. 60% viral bedingt !!

• Exazerbationen gehäuft im Winter, wenn

vermehrt Erkältungen (viral!!) in der

Bevölkerung

• 64% aller Exazerbationen gehen mit

Symptomen einer Erkältung einher

Donaldson et al.; Eur Respir J 1999

Seemungal et al.; Am J Respir Crit Care Med 2001

Greenberg et al.; Am J Respir Crit Care Med 2000; Rohde et al. Thorax 2003

Ott SR, Notfall & Hausarztmedizin 2009

Universitätsklinik für Pneumologie

Stockley RA, Chest 2000;

Entscheidung mukös/eitrig: Bronko Test Chart

Universitätsklinik für Pneumologie

Exazerbierte COPD und Antibiotika

Falls AB nötig:

Beginn mit Amoxicillin-Clavulansre (Augmentin) 3x625 mg

Alternativen Doxycyclin (2x100mg), Bactrim (2x1)

5 Tage

Verbesserung der Diagnostik: “Optimale Patientenselektion für AB”

Procalcitonin ?

Andere Biomarker ?

Prävention:

Rauchstop

Impfungen (Influenza, Pneumokokken)

Optimale COPD Behandlung (Inhalativa)

Universitätsklinik für Pneumologie

Serum Procalcitonin Konzentrationen

< 0,1 µg/L → AB überhaupt nicht empfohlen

0,1 – 0,25 µg/L → AB nicht empfohlen

0,25 – 0,5 µg/L → AB empfohlen

> 0,5 µg/L → AB sehr empfohlen

M. Christ-Crain, D. Jaccard-Stolz, R. Bingisser, M. M. Gencay, P. R. Huber, M. Tamm, B.

Muller. Lancet 363 (9409):600-607, 2004.

Differentialdiagnose: PCT

Universitätsklinik für Pneumologie

M. Christ-Crain, D. Jaccard-Stolz, R. Bingisser, M. M. Gencay, P. R. Huber, M.

Tamm, B. Muller. Lancet 363 (9409):600-607, 2004.

AE-COPD: Procalcitonin

Universitätsklinik für Pneumologie

5 Tage

14 Tage

Systemische Steroide bei COPD Exazerbation:

Ja, aber wie lange, wie viel?

Universitätsklinik für Pneumologie

Primärer Endpunkt: Re-Exazerbation in 180

Tagen 37.2% 5d vs 38.4% 14d

Keine Unterschiede:

Lungenfunktion, Dyspnoe, Lebensqualität,

65% systemische Kortikosteroide (200mg

versus 560mg)

5-tägige Behandlung mit Prednison 40mg

ist gleichwertig wie 14-tägige Behandlung

Universitätsklinik für Pneumologie

Therapie der exazerbierten COPD

Grundlage der Therapie bleibt eine Optimierung der

antiobstruktiven Behandlung (inhalative β2-Mimetika/Anticholinergika, ev Feuchtinhalationen,

Glukokortikoide p.o. / i.v.)

Antibiotika sind indiziert bei: ► Schwerer Exazerbation, schwere COPD

► bei eitrig-gelbem Auswurf

► ≥2-3 Exazerbationen pro Jahr

Bei leichter Exazerbation oder fehlender Sputumpurulenz:

Keine Antibiotika!!!

Universitätsklinik für Pneumologie

• Akute Bronchitis

• Chronische Bronchitis

• COPD

• AE-COPD

• CAP

• Nosokomiale Pneumonie

sinnvoll nicht sinnvoll

Antibiotikaverordnung Orale Steroide

Immer

??

Je nach

Situation

Universitätsklinik für Pneumologie

Diagnose Pneumonie (community acquired, CAP)

Klinik allein nicht ausreichend!

Definition der CAP:

Mikrobiell bedingte Entzündung des Lungenparenchyms, die außerhalb des Krankenhauses erworben wurde (30 Tage ohne KH-Aufenthalt vor Beginn der aktuellen Infektion)

Klinische Symptome:

Mindestens 2 der folgenden Symptome:

Fieber (>38°C)

Husten

Auswurf

Allgemeinzustand ↓↓

positiver Auskultationsbefund

} positiver

Vorhersagewert < 50%

PLUS: Neu aufgetretenes Infiltrat im Rö-Thorax

Bei ↑ Alter sowie bei Patienten mit chron. Erkrankungen kann die Intensität der

Immunantwort abnehmen

Respiratorische Symptome/Fieber können fehlen

Eher unspez. Symptome wie Schwäche, Verwirrung, Stürze, Somnolenz

Universitätsklinik für Pneumologie

CAP-Diagnostik: Radiologie

Immer in 2 Ebenen!

Universitätsklinik für Pneumologie

Diagnostik CAP : Labor Ambulanter Patient

Labor

Blutbild, CRP, ev. PCT, Kreatinin/Harnstoff, Natrium,

Glucose, SaO2 oder Blutgasanalyse

European Respiratory Society (ERS); Eur Respir J 2005;26:1138, adaptiert für Schweizer Verhältnisse Laifer G., Management of CAP (ERS/ESCMID Guidelines adapted for Switzerland)

Sputum: Grampräparat und Kultur in Praxis nicht empfohlen (Verarbeitungszeit, falsche Anpassung der empirischen Therapie, “Spucke statt Sputum”) bei schweren Formen (stationär) empfohlen inkl Blutkulturen und Legionellen Ag im Urin

Universitätsklinik für Pneumologie

Prognoseabschätzung: ambulant oder stationär?

„CURB“-Kriterien zur Prognose-Abschätzung bei CAP

•Confusion (Verwirrtheit) * •Urea Nitrogen (Harnstoff) > 7mmol/l bzw. 42mg/dl •Respiratory Rate (Atemfrequenz) >30/min •Blood pressure (Blutdruck) sys. <90 mmHg, dias. <60 mmHg

* definiert als Mental Test Score < 8, oder neuaufgetretene Desorientierung zur

Person, Zeit und Ort

Lim WS. Thorax 2001; 56: 296-301

Universitätsklinik für Pneumologie

Prognoseabschätzung: Vereinfachung durch CRB-65

„CURB“-Kriterien zur Prognose-Abschätzung bei CAP

* definiert als Mental Test Score < 8, oder neuaufgetretene Desorientierung zur

Person, Zeit und Ort

•Confusion (Verwirrtheit) * •Urea Nitrogen (Harnstoff) > 7mmol/l bzw. 42mg/dl •Respiratory Rate (Atemfrequenz) >30/min •Blood pressure (Blutdruck) sys. <90 mmHg, dias. <60 mmHg •65 Alter >65 Jahren

Bauer T. et al 2006

Universitätsklinik für Pneumologie

0

5

10

15

20

25

30

35

0 1 - 2 3 - 4

Number of positive criteria

Mo

rta

lity (

%)

CURB

CRB

CRB-65

Risikostratifizierung Vergleich CURB – CRB-65

Bauer TT J Intl Med 2006; 260: 93–101

Universitätsklinik für Pneumologie

• Confusion (Verwirrtheit) *

• (Urea Nitrogen (Harnstoff) > 7mmol/l bzw. 42mg/dl)

• Respiratory Rate (Atemfrequenz) >30/min

• Blood pressure (Blutdruck) sys.<90mmHg, diast.<60mmHg

• > 65 years old

* definiert als Mental Test Score < 8, oder neu aufgetretene Desorientierung

zur Person, Zeit und Ort

Lim WS et al Thorax 2003;58:377–382

CURB / CRB-65

0 / 1 Punkt 2 Punkte ≥ 3 Punkte

Mortalität 1,5% Mortalität 9,2% Mortalität 22%

Ambulante

Therapie

Stationäre Therapie

Stationäre Therapie (Intensivstation?)

Universitätsklinik für Pneumologie

Grundprinzipien - Behandlung der CAP:

Keine Verzögerung des Therapiebeginns durch ausstehende Untersuchungsbefunde

Deshalb: Erste Antibiotikagabe auf dem Notfall/in der Praxis

Bei schwerer CAP immer Kombinationstherapie mit Betalaktam und Makrolid (auch bei Pneumokokkenpneumonie!)

Bei antibiotischer Vorbehandlung (innerhalb von 3 Monaten) immer Substanzklassenwechsel

Ausnahme: anbehandelte CAP und guter Verlauf

Universitätsklinik für Pneumologie

Behandlung der CAP Ambulante Patienten

Antiinfektiva Tagesdosis Dauer

Mittel der Wahl

Aminopenicilline

Amoxicillin

Amoxi-Clavulan

3 x 1g p.o. (<70Kg: 3 x 0,75g)

2 x 1 g p.o.

5-7 Tage

Alternativen

Makrolide

Azithromycin

Clarithromycin

1 x 500mg p.o. 3d

2 x 500mg p.o.

3 Tage

5-7Tage

5-7 Tage

Tetrazykline

Doxycyclin

2 x 100 mg p.o.

5-7 Tage

Moxifloxacin 1 x 400 mg p.o. 5-7 Tage

Universitätsklinik für Pneumologie

Antiinfektivum Tagesdosis Dauer

Mittel der Wahl

- Amoxicillin/ Clavulansäure (Augmentin) 3 x 1,2 g iv 5 – 7 d

- Cefuroxim (Zinat) 3 x 1,5 g iv 5 – 7 d

-Ceftriaxon (Rocephin) 1 x 1,0 g iv 5 – 7 d

plus Makrolid (Clarithromycin) 2 x 500mg

Alternativ

-Levofloxacin 2 x 0,5 g iv 5 – 7 d

-Moxifloxacin 1 x 0,4 g iv 5 – 7 d

Bei sCAP + Risiko für Pseudomonas

-Cefepime 3 x 2.0 g iv 5 – 7 d

Behandlung der CAP Stationäre Patienten

Universitätsklinik für Pneumologie

• Akute Bronchitis

• Chronische Bronchitis

• COPD

• AE-COPD

• CAP

• Nosokomiale Pneumonie

sinnvoll nicht sinnvoll

Antibiotikaverordnung Orale Steroide

Immer

??

Je nach

Situation

Immer und

rasch

Universitätsklinik für Pneumologie

• Unterscheidung exazerbierte COPD – Pneumonie mit Thoraxbild

(Infiltrate ?)

• Exazerbierte COPD 60% viral bedingt

• Antibiotika bei eitrigem Auswurf und schwerer COPD

• Bei exazerbierter COPD immer orale Steroide und Intensivierung der

Inhalationstherapie

• CAP: Immer und rasch Antibiotika (Therapiewahl je nach Risikoprofil

und ev Erregernachweis)

• Steroide bei Pneumonie (noch) nicht genügend belegt

• Bei schweren Fällen / Ateminsuffizenz an unterstützende Massnahmen

denken (Sauerstoff, vorübergehende nicht-invasive Ventilation NIV)

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