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Eisenbahnerschaft aller Kategorien Geschätzte Kollegen! Die Stunde der Entscheidung hat auch für euch geschlagen. Das leichtfertige, durch nichts begründete Truppenaufgebot des Bundesrats gegen die Arbeiterschaft hat zu einer Ausdehnung des Kampfes geführt, bei dem wir nicht weiter abseits stehen können. Verhandlungsvorschläge des Oltener Aktionskomitees wurden vom Bun desrat abgewiesen. Während die Zürcher Regierung über die Folgen ihrer kopflosen Handlungsweise erschreckt, die Haupturhe berin des Truppenaufgebotes, heute selber wieder die Demobilisation verlangt, lehnt der Bundesrat immer noch die Zurück nahme des Militärs ab, obwohl gerade in Zürich die provozierende Haltung der Trup pen bereits zu blutigen Zusammenstössen geführt hat. In dieser Situation bleibt nur ein Mittel übrig; Die konsequente Fort setzung des Streiks. Die Arbeiterschaft der Privatbetriebe der ganzen Schweiz ist sich

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Eisenbahnerschaft aller Kategorien

Geschätzte Kollegen!

Die Stunde der Entscheidung hat auch fü r euch geschlagen. Das leichtfertige, durch nichts begründete Truppenaufgebot des Bundesrats gegen die Arbeiterschaft hat zu einer Ausdehnung des Kampfes geführt, bei dem wir nicht weiter abseits stehen können. Verhandlungsvorschläge des Oltener Aktionskomitees wurden vom Bun­desrat abgewiesen. W ährend die Zürcher Regierung über die Folgen ihrer kopflosen Handlungsweise erschreckt, die H aupturhe­berin des Truppenaufgebotes, heute selber wieder die Demobilisation verlangt, lehnt der Bundesrat immer noch die Zurück­nahme des M ilitärs ab, obwohl gerade in Zürich die provozierende H altung der T rup­pen bereits zu blutigen Zusammenstössen geführt hat. In dieser Situation bleibt nur ein M ittel übrig ; Die konsequente F o rt­setzung des Streiks. D ie Arbeiterschaft der Privatbetriebe der ganzen Schweiz ist sich

2einig in entschlossenem Abwehrkampf. Auch die Eisenbahnerschaft kann nicht wei­ter müssig Zusehen. Das K artell der schwei­zerischen Eisenbahnerverbände hat deshalb in ernster Stunde, nach reiflicher Beratung und im vollen Bewusstsein von der T rag ­weite seiner Beschlüsse, die einstimmige Entsdieidung getroffm , die Eisenbahner­schaft ebenfalls zum solidarischen Kampfe m it der übrigen Arbeiterschaft aufzurufen. Die Kaschheit und die Folge der Ereignisse haben es uns verunmöglicht, die Kollegen vorher zu unterrichten, und w ir wurden be­stärk t und gefestigt in unserm Entscheide durch die während den Beratungen einge­troffenen Meldungen aus Zürich, dessen Eisenbahnerschaft vorgängig alten Ent- schliessungen sich einm ütig fü r den Streik erklärte. Da können w ir ändern nicht Z u ­

rückbleiben. W ir alle haben nur noch ein Ziel, einen W illen; Die reaktionären An­schläge der Behörden zurückzuweisen. Ehre, eigene Selbstachtung, gemeinsame Interessen verpflichten zur Solidarität m it der gesamten Arbeiterschaft!

Der S treik beginnt auf der ganzen Linie in der Nacht vom Montag auf Dienstag, denlO ./ l l . November, um M itternacht. P unkt 12 U hr nachts soll jede Arbeit ruhen; einzig wer auf der Strecke ist, fäh rt noch ein. Von diesem Augenblick an hat kein Eisen­bahner einer ändern O rdre Folge zu lei­sten als der des Aktionskomitees. W eitere Instruktionen werden folgen.

Kameraden, was auch kommen möge, lasst euch nicht beirren! W ir rechnen auf eure Disziplin und Entschlossenheit. Kei-

3ner werde zum V erräter; keiner bereite der Ehre der Eisenbahnerschaft Schande.

Es lebe die Solidarität!Die Karteileitung:

Allg'öwer, Lang, Dr. WoTcer, Düby, Kaufm ann, Eng, W ey, Huggler, Patocchi, Perrin.

N B . F ü r die D urchführung sind die folgenden Instruktionen massgebend;

Leitung des Kartells

AUgemeine FnstruktionA. Beginn der Arheitsniederlegung.

Montag den 11. November, nachts 12 U hr, auf sämtlichen Linien der Haupt- und Nebenbahnen.

B. Kontrolldienst.

Zur D urchführung des Streiks ist auf allen grössern Plätzen ein Kontrolldienst beziehungsweise Platzorganisation zu schaf­fen^ wobei folgende Gesichtspunkte zu be­rücksichtigen sind:

41. TJeberwachung der Bahntelegraplien

und Telephon durch entsprechendes Personal.

2. Die Beleuchtung der Stationen, Wei­chen und Greleiseanlagen ist nach 12 U hr nachs einzustellen.

3. Nach 12 U hr nachts dürfen keinerlei Manöver mehr ausgeführt werden.

4. E inrichtung eines Eontrolldienstes.5. Vor den Maschinendepots sind W a­

chen aufzustellen, die alle W ahrneh­mungen sofort den von der Platzorga­nisation bezeichneten Vertrauensm än­nern zu melden haben. Eine entspre­chende Zahl Maschinen ist unter Dampf zu halten.

6. Der Genuss alkoholischer Getränke ist während der Dauer des Streiks streng­stens verboten.

7. Arbeitswillige sind ruhig, aber sehr nachdrücklich auf das Verräterische und Gefahrvolle ihres Unternehmens aufmerksam zu machen. Die ganze Strecke ist nicht bewacht und die Or­ganisation so getroffen, dass ausdrück­lich die Verantw ortung fü r jede Zugs­bewegung abgelehnt wird.

8. Zumutungen m it Bezug auf Arbeits­aufnahme von seiten bahn-amtlicher, -eidgenössischer, -kantonaler oder -kommunaler Organe sind ruhig zu­rückzuweisen. Insbesondere ist m it allen M itteln dafür zu sorgen, dass einer auf G rund von Artikel 2 der Mi­litärorganisation angesprochenen M ili­tarisierung des Eisenbahnpersonals

5keine Folge gegeben wird. Uebergriffe oder den Streik schädigende H andlun­gen dieser Organe sind sofort nach Bern zu melden. Streikleitung: K a­pellenstrasse 6, Bern. Jede Zumutung in der Richtung der Aufrechterhaltung des Bahnbetriebes ist strikte abzu­lehnen.

Gegenüber Provokationen durch Reisende und Vorgesetzte ist ein ruhi­ges Verhalten zu beobachten.

9. Vom Personal ist das Eigentum der Bahn streng zu respektieren, jede Sachbeschädigung, Uebergriffe sind zu verhüten und zu ahnden.

10. Sobald das Personal über den E in tritt des Streiks verständigt ist, soll das ordentlicherweise dienstfreie Personal nach Hause beordert werden. Das diensthabende Personal hat sich wäh­rend seiner vorgeschriebenen Dienst­zeit den Vertrauensm ännern in den Versammlungslokalen jederzeit zur so­fortigen Verfügung zu halten. Das Personal der Zwischenstationen hat ebenfalls seine vorgeschriebene Dienst­zeit einzuhalten, um sofort nach Auf­hören des Streiks seinen Posten be­ziehen zu können.

11. Meldungen sind an Kapellenstrasse 6, Bern, Telephon 585, zu richten.

12. Die Bewilligung zur W iederaufnahme des Dienstes erfolgt durch den Bahn­telegraph. Das dabei verwendete und einzig massgebende Passwort lautet : Calanda.

6Yerst'èndigung des Strecîcenpersonals.

Diese hat durch speziell bezeichnete Vertrauensm änner zu erfolgen, unter Zu­grundelegung einer Zoneneinteilung. Auf jeder innerhalb einer Zone liegenden Sta­tion ist eine Delegation zu bezeichnen, der die Aufgabe zufällt, die zwischen zwei S ta­tionen liegenden W ärterposten vom Beginn der Arbeitsniederlegung zu verständigen und die W ärter und Bahnarbeiter m it der Streikproklam ation zu versehen. Zu diesem Zwecke ist die zwischen zwei Sationen lie­gende Strecke zu Fuss zu begehen und muss daher die Verständigung des Strecken- und Bahnwärterpersonals etwas früher erfolgen als die des übrigen Perso­nals.

Die Verständigung der Zwischenstatio­nen hat durch den Bahntelegraphen oder das Telephon zu erfolgen, nachdem die A r­beit auf den H auptstationen niedergelegt ist. Als U nterlage h ierfü r dient die Kreis­einteilung V. S. E. A. m it ihren Vororten.

Streikleitung.

Kapellenstrasse 6, Bern, Telephon 585.

-AL