Eisenbahntunnel Liefkenshoek in Antwerpen

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 10 681 BERICHT REPORT Gunther Brux Eisenbahntunnel Liefkenshoek in Antwerpen Vortriebe bei nur geringer Überdeckung 1 Das Projekt Das Projekt ‘Liefkenshoek Noak Spoor Verbinding (LHSV)’, eines der größten Infrastrukturprojekte in Bel- gien, wird als Public Partnership-Projekt (PPP) mit Inves- titionen von 765 Mio. € bis Juli 2013 ausgeführt. Im Jahr 2051 findet die Übergabe an die staatliche belgische Ei- senbahngesellschaft Infrabel NV statt, die bis dahin jähr- lich rd. 50 Mio. € für die Nutzung zahlen wird. Den Bau- auftrag für das Eisenbahnprojekt Liefkenshoek erhielt die belgisch-französisch-deutsche Arbeitsgemeinschaft THV LocoBouw, bestehend aus MBG/CFE/B, BAM CEI-de Meyer/B, Vinci Construction Grands Projects/F, von der LocoRail NV und Wayss & Freytag AG Ingenieurbau (Deutschland). Zu diesem Projekt gehört u.a. der Bau des 6 km langen, zweigleisigen Eisenbahntunnels Liefkenshoek, weiter noch 4,8 km Bahnstrecke auf einem Damm und 4,2 km offene und gedeckte Strecke – insgesamt hat das Projekt eine Länge von 16,2 km. Die LHSV verkürzt die Verbin- dung vom Waasland Hafen auf dem linken Ufer der Schelde mit dem nördlichen Hafen von Antwerpen auf dem rechten Ufer (Bild 1) und wird die bisherige Fahrstre- cke für die Güterzüge um 22 km verringern. Er unter- quert die Schelde und das Kanaldock B1-B2 (Bild 2). 2 Eisenbahntunnel Liefkenshoek Den Schwerpunkt dieses großen Infrastrukturprojektes bildet der Neubau des 5 970 m langen Eisenbahntunnels Liefkenshoek mit seinen beiden eingleisigen Tunnelröh- ren mit 8,10 m Außendurchmesser. Sie wurden mit zwei Mixschilden (S-532 und S-533; Her- renknecht AG, Schwanau/D) mit 8,40 m Schilddurch- messer, 60 000 kN Vortriebskraft und 2,65 UPM Dreh- zahl aufgefahren (Bild 3). Für den einschaligen Tunnel- ausbau wurden 53 000 Tübbinge (7+1/Ring) von 0,40 m Dicke und 1,80 m Breite vorgefertigt; dafür benötigte man 120 000 m 3 Beton (C50/60, XF2; mit 2 kg PP-Fa- sern/m 3 für den Brandschutz) und 10 500 t Bewehrungs- stahl. DOI: 10.1002 / bate.201300057 Im Seehafen Antwerpen wurde der rund 6 km lange Liefkens- hoek-Tunnel mit zwei eingleisigen Röhren zum Verbinden der beiden Ufer der Schelde gebaut, womit ab 2014 die bestehende Fahrstrecke für täglich über 100 Güterzüge um 22 km kürzer wird. Die Tunnelvortriebe mit Unterquerung der Schelde und des Kanaldocks sind beendet und mit den Ausbauarbeiten ist begonnen worden. Keywords PPP; Eisenbahntunnel Liefkenshoek BERICHT Bild 1 Überblick über das Hafengebiet von Antwerpen mit Trasse des Eisenbahntunnels Liefkenshoek (www.alfaportantwerpen.de und W+F)

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 90 (2013), Heft 10 681

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Gunther Brux

Eisenbahntunnel Liefkenshoek in AntwerpenVortriebe bei nur geringer Überdeckung

1 Das Projekt

Das Projekt ‘Liefkenshoek Noak Spoor Verbinding(LHSV)’, eines der größten Infrastrukturprojekte in Bel-gien, wird als Public Partnership-Projekt (PPP) mit Inves-titionen von 765 Mio. € bis Juli 2013 ausgeführt. Im Jahr2051 findet die Übergabe an die staatliche belgische Ei-senbahngesellschaft Infrabel NV statt, die bis dahin jähr-lich rd. 50 Mio. € für die Nutzung zahlen wird. Den Bau-auftrag für das Eisenbahnprojekt Liefkenshoek erhielt diebelgisch-französisch-deutsche Arbeitsgemeinschaft THVLocoBouw, bestehend aus MBG/CFE/B, BAM CEI-deMeyer/B, Vinci Construction Grands Projects/F, von derLocoRail NV und Wayss & Freytag AG Ingenieurbau(Deutschland).

Zu diesem Projekt gehört u.a. der Bau des 6 km langen,zweigleisigen Eisenbahntunnels Liefkenshoek, weiternoch 4,8 km Bahnstrecke auf einem Damm und 4,2 kmoffene und gedeckte Strecke – insgesamt hat das Projekteine Länge von 16,2 km. Die LHSV verkürzt die Verbin-dung vom Waasland Hafen auf dem linken Ufer der

Schelde mit dem nördlichen Hafen von Antwerpen aufdem rechten Ufer (Bild 1) und wird die bisherige Fahrstre-cke für die Güterzüge um 22  km verringern. Er unter-quert die Schelde und das Kanaldock B1-B2 (Bild 2).

2 Eisenbahntunnel Liefkenshoek

Den Schwerpunkt dieses großen Infrastrukturprojektesbildet der Neubau des 5 970 m langen EisenbahntunnelsLiefkenshoek mit seinen beiden eingleisigen Tunnelröh-ren mit 8,10 m Außendurchmesser.

Sie wurden mit zwei Mixschilden (S-532 und S-533; Her-renknecht AG, Schwanau/D) mit 8,40  m Schilddurch-messer, 60 000 kN Vortriebskraft und 2,65  UPM Dreh-zahl aufgefahren (Bild  3). Für den einschaligen Tunnel-ausbau wurden 53 000 Tübbinge (7+1/Ring) von 0,40 mDicke und 1,80  m Breite vorgefertigt; dafür benötigteman 120 000  m3 Beton (C50/60, XF2; mit 2  kg PP-Fa-sern/m3 für den Brandschutz) und 10 500 t Bewehrungs-stahl.

DOI: 10.1002 / bate.201300057

Im Seehafen Antwerpen wurde der rund 6 km lange Liefkens-hoek-Tunnel mit zwei eingleisigen Röhren zum Verbinden derbeiden Ufer der Schelde gebaut, womit ab 2014 die bestehendeFahrstrecke für täglich über 100 Güterzüge um 22 km kürzerwird. Die Tunnelvortriebe mit Unterquerung der Schelde und

des Kanaldocks sind beendet und mit den Ausbauarbeiten istbegonnen worden.

Keywords PPP; Eisenbahntunnel Liefkenshoek

BERICHT

Bild 1 Überblick über das Hafengebiet von Antwerpen mit Trasse des Eisenbahntunnels Liefkenshoek

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Die beiden Tunnelvortriebe haben maximal 1,25% Nei-gung und die größte Überdeckung liegt bei rd. 34 m; diemaximale Wassersäule über der Tunnelsohle beträgt un-gefähr 40  m und der zu berücksichtigende Gezeiten -unterschied bis zu 7,50  m. Zum größten Teil liegt dieTunneltrasse in tertiären Sanden. In einem etwa 1 000 mlangen Abschnitt musste jedoch der verklebungsan -fällige Boomse Ton durchfahren werden; dadurch ver-ringerte sich die Vortriebsleistung von im Mittel rd.15 m/Tag je Tunnelvortriebsmaschine auf zeitweilig nur3,5 m.

3 Unterquerung der Schelde

Bei der Unterquerung der rd. 1 000 m breiten Schelde be-trug die Mindestüberdeckung 9,70 m; auch musste wegender infolge der Gezeiten raschen Veränderungen des Was-serstandes der Schelde der Stützdruck (3,5 bar) der Ben-tonitsuspensionen in den Mixschilden kontinuierlich an-gepasst werden.

Um eine sichere Unterquerung des Flusses bei dem sehrkleinen Sicherheitsspielraum zu gewährleisten, wurdendie beiden Mixschilde unmittelbar vor der Flussquerungbesonders gewartet sowie die Schelde in verschiedeneZonen eingeteilt, die sich auf den unterschiedlichenSchwierigkeitsgrad beziehen, mit dem jeweils besondereMaßnahmen verbunden waren.

4 Unterquerung des Kanaldocks B1-B2

Obwohl man den Tunnel so tief wie möglich gelegt hatte,war nur eine sehr geringe Überdeckung im Kanaldock er-reichbar. Es bestand die Forderung, das Kanaldock jeder-zeit für den Schiffsverkehr freizuhalten; der Wasserstandmusste also während der Bauarbeiten immer beibehaltenwerden. Da der vorhandene Boden im Kanaldock auseiner Schlamm/Schluffschicht bestand, die bis zur Tun-nelachse herunterreichte, musste dieser Boden ausge-tauscht werden.

Nach einem Sondervorschlag für den Bodenaustausch imKanaldock wurde vor den Tunnelvortrieben außer einemumfassenden Bodenaustausch mit Magerbeton noch eine2,10 m dicke Platte aus stahlfaserverstärktem Unterwas-serbeton zwischen zwei seitlich angeordneten 270 m lan-gen Spundwandreihen eingebaut (Bild 4).

Die Platte im Abstand von weniger als 1,30 m oberhalbder beiden Tunnelröhren musste während der Bauphaseden nach oben gerichteten Lasten aus den Stützdrückender beiden TVM und den Drücken aus der Ringspaltver-pressung widerstehen und dient in der Nutzungsphase alsAuflast auf die Tunnelröhren sowie als Anker- und Auf-prallschutz für die Hochseeschifffahrt im Kanaldock.

Innerhalb der 270  m langen und 35  m breiten Spund-wandbaugrube wurde unter Wasser rd. 62 000  m3

Bild 2 Längsschnitt des Projekts mit Querung der Schelde und des Kanaldocks B1-B2

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Bild 3 Mixschild S-533 mit 8,40 m Durchmesser für eine der beiden Röhren des Eisenbahntunnels Liefkenshoek

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gen versorgt wurde. Vom Ponton aus gelangte der Betonüber zwei Stutzen (Dobber) fortlaufend bis 18  m unterder Wasseroberfläche in Rastern von 3 × 3 m (+0/–10 cm)bei Überwachung durch Taucher.

Die Fließfähigkeit des Stahlfaserbetons unter Wasserwurde mit einem ausreichend hohen Ausbreitmaß (S5)und ein genügender Entmischungswiderstand durcheinen hohen Feinstanteil (feine Sande und Flugasche)und 16 mm Größtkorn erreicht und eine ausreichendeVerarbeitbarkeit durch Zugabe eines Verzögerers.

5 Querschläge und Rettungsschächte

Parallel zu den Tunnelvortrieben wurden 13 Querschlägezwischen den Tunnelröhren im Schutze von Bodenverei-sung (Bild 8) hergestellt, ebenso die Zugangsstollen zuden 25 bis 40 m tiefen Rettungsschächten. Die Gleichzei-tigkeit mit den Vortrieben erforderte eine besondere Lo-gistik. In der Regel wechselten Querschläge und Schacht-zugangsstollen bei 300 m gegenseitigem Abstand. Im Tun-nel unterhalb der Schelde sind fünf Querschläge imAbstand von rd. 250 m und keine Rettungsschächte.

6 Bauablauf

Die Ausführung des Projekts begann im November 2008an mehreren Stellen, wobei der erste Meilenstein die Fer-tigstellung des Startschachtes in der Nähe des HafensWaasrand war, der den Zusammenbau und das Anfahrender beiden Mixschilde für den Bau des EisenbahntunnelsLiefkenshoek (Tab. 1) ermöglichte.

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Schlamm ausgehoben und der untere Teil durch25 000 m3 Magerbeton aus 120 Mischern innerhalb vonvier Tagen kontinuierlicher Betonierarbeit mit einer Leis-tung bis zu 400 m3/h ersetzt (Bild 5).

Danach folgte der Einbau der 2,10 m dicken Platte aus16 500 m3 Stahlfaserbeton (33 kg Stahlfasern/m3 BetonC30/37) in 18 m Wassertiefe innerhalb von vier auf ein -anderfolgenden Tagen (insgesamt 88 Stunden) mit einerLeistung bis zu 290 m3/h; dafür waren 60 Betonmischer(9 m3) in vier verschiedenen Betonwerken und vier leis-tungsfähige Betonpumpen eingesetzt.

Sowohl der Magerbeton als auch der Stahlfaserbetonwurden von einem schwimmenden Ponton (Bild 6) ausunter Wasser eingebaut, der nacheinander von beidenUfern aus durch 4 bis 250 m lange schwimmende Leitun-

Bild 4 Unterfahrung des Kanaldocks (Querschnitt)

Bild 5 Einbau von Magerbeton als Bodenersatz im Kanaldock

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G. Brux: Eisenbahntunnel Liefkenshoek in Antwerpen

Im Kanaldock fand der Bodenaustausch im Mai und da-nach der Einbau der Betonplatte unter Wasser im Okto-ber 2010 statt. Nach Unterquerung der Schelde und desKanaldocks geschah der Tunneldurchschlag im Ziel-schacht auf dem rechten Ufer des Kanaldocks. Mit demInnenausbau der beiden Tunnelröhren, der neben demSohlbeton und der festen Fahrbahn auch die vollständigeelektromechanische Ausrüstung und einen Brandschutz-spritzputz umfasst, wurde Ende August 2011 begonnenund inzwischen abgeschlossen.

7 Einbau der Bahntechnik

Anfang August 2012 begann der belgische Infrastruktur-betreiber Infrabel damit, den bereits übergebenen südli-chen Teil der Strecke mit der Bahntechnik auszurüsten –auch in den beiden Tunnelröhren. Die gesamte Linie istmit ETCS ausrüstet. Alle Gleisbauarbeiten sind bis Januar2014 abzuschließen, bevor die Trasse nach einer Testpha-se voraussichtlich am 1. September 2014 in Betrieb ge-nommen wird.

Literatur

[1] BOXHEIMER, S.; MIGNON, J.: Eisenbahntunnel Liefkens -hoek in Antwerpen. Tunnel 7/2009, S. 25–31 und 3/2011,S. 41–48.

[2] BOXHEIMER, S.; BRUNS, B.; KUHN, CH.; STAHLMANN, J.:Liefkenshoek-Eisenbahnverbindung in Antwerpen: Schild-vortrieb und Bodenvereisung (Querschläge). 44 Forschung+Praxis, STUVA-Tagung 2011, S. 63–70.

AutorDipl.-Ing. Gunther BruxSchreyerstr. 1360569 Frankfurt/Main

Bild 6 Schwimmende Leitungen vom Ufer zum Ponton im Kanaldock zum Einbau der Stahlfaserunterwasserbeton-Platte

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Bild 7 Betonleitung vom Ponton bis in 18 m Tiefe

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Bild 8 Tunnelquerschnitt im Bereich der Querschläge mit Vereisung

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Tab. 1 TVM-Vortriebe für den Bau des Eisenbahntunnels Liefkenshoek

nördl. TVM südl. TVMS-532 S-533

1. Vortriebsbeginn Februar 2010 März 2010

2 Scheldequerung Januar 2011 Oktober 2010

4 Kanaldockquerung Juni 2011 April 2011

5 Tunneldurchschlag 23. Juli 2011 16. Mai 2011