Emanuel Swedenborg | Die Göttliche Liebe und Weisheit

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    Diese Abschrift wurde von Franz und Maria Kreuzwegerermit der Originalausgabe textinhaltlich berprft. Februar 2003

    Weisheit der Engel

    betreffend

    die gttliche Liebe

    und

    die gttliche Weisheit,

    bekanntgemacht

    durch

    Emanuel Swedenborg

    ehemals Knigl. Schwedischem Assessor bei dem Bergwerks-Collegium, Mitglied der Knigl.Gelehrten Gesellschaft zu Upsala und der Knigl. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm und

    Correspondenten der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Petersburg.

    Aus der zu Amsterdam 1763 gedruckten lateinischen Urschrift verdeutscht

    von

    Dr. Johann Friedrich Immanuel Tafel

    Vierte Auflage

    Swedenborg-VerlagZrich, Apollostr. 2

    1940

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    Titel der Urschrift

    SAPIENTIA ANGELICA

    DE

    DIVINO AMORE

    ET DE

    DIVINA SAPIENTIA

    AMSTELODAMI

    MDCCLXIII

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    Inhalt

    I. Liebe und Weisheit sind Leben, Substanz und Form

    II. Die geistige und die natrliche Sonne

    III. Die Grade

    IV. Die Schpfung des Weltalls

    V. Die Schpfung des Menschen

    Ein eingehendes Inhaltsverzeichnis findet sich am Schlu

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    Weisheit der Engel

    betreffend

    die gttliche Liebe

    Erster Teil

    Liebe und Weisheit sind Leben, Substanz und Form

    1. Die Liebe ist das Leben des Menschen. Der Mensch wei, da es Liebe gibt, er wei abernicht, was Liebe ist. Da es Liebe gibt, wei er aus der allgemeinen Rede, da man z.B. sagt: Der liebt

    mich, der Knig liebt seine Untertanen und die Untertanen lieben den Knig, der Gatte liebt die Gattinund die Mutter ihre Kinder und umgekehrt; ferner, da der oder jener sein Vaterland, seine Mitbrger,seinen Nchsten liebe; ebenso vom Unpersnlichen, da er dieses oder jenes liebe. Allein obgleich derAusdruck Liebe so oft vorkommt in der Rede, so wei doch kaum einer, was Liebe ist. Denkt erdarber nach, so sagt er, weil er sich keine Vorstellung von ihr machen kann, entweder sie sei keinwirkliches Etwas, oder sie sei blo etwas, was aus dem Gesicht, Gehr, Gefhl oder aus dem Umgangeinfliee und somit bewege. Er wei ganz und gar nicht, da sie sein eigenstes Leben ist, nicht blo dasgemeinsame Leben seines ganzen Krpers und das gemeinsame Leben all seiner Gedanken, sondernauch das Leben jedes Einzelteils in diesen und in jenem. Dies wird dem Weisen erkennbar, wenn manihn fragt: Nimmst du den Trieb hinweg, der aus der Liebe kommt, was kannst du alsdann noch denkenund was kannst du noch tun? Erkaltet nicht in dem Ma, als der Trieb der Liebe erkaltet, auch dasDenken, Reden und Handeln? Und, je wie sie erwrmt, erwrmen nicht auch diese? Der Weise siehtdies jedoch nicht aufgrund der Erkenntnis ein, da die Liebe des Menschen Leben ist, sondern nuraufgrund der Erfahrung, die es ihm so zeigt.

    2. Niemand wei, was das Leben des Menschen ist, wenn er nicht wei, da es die Liebe ist.Wei er dieses nicht, so kann der eine glauben, des Menschen Leben sei blo ein Empfinden undHandeln; der andere, es sei ein Denken, whrend das Denken nur die erste Wirkung des Lebens, dasEmpfinden und Handeln aber die zweite Wirkung des Lebens ist. Ich sage, das Denken sei die ersteWirkung des Lebens; es gibt jedoch ein inneres und ein noch mehr inneres denken, und ein ueres undnoch mehr ueres Denken. Das innerste Denken, nmlich das Innewerden der Endzwecke, ist wirklichdie erste Wirkung des Lebens. Hiervon jedoch unten, wo von den Graden des Lebens gehandelt wird.

    3. Einige Vorstellung von der Liebe, da sie nmlich des Menschen Leben ist, lt sich von derWrme der Sonne dieser Welt entnehmen. Da diese wie das gemeinsame Leben der ganzenPflanzenwelt ist, ist bekannt; durch sie nmlich, wenn sie ersteht, was zur Frhlingszeit geschieht,erheben sich Pflanzen aller Art aus dem Boden, schmcken sich mit Blttern, dann mit Blten undzuletzt mit Frchten, und so leben sie gleichsam; tritt aber die Wrme zurck, was zur Herbst- undWinterszeit geschieht, so werden sie von diesen Zeichen ihres Lebens entblt und welken dahin.hnliches geht mit der Liebe im Menschen vor, denn sie entsprechen einander; darum erwrmt auch dieLiebe.

    4. Gott allein, und somit der Herr ist die Liebe selbst, weil Er das Leben selbst ist; die Engel unddie Menschen sind Aufnahmegefe des Lebens. Dies wird in den Abhandlungen ber die GttlicheVorsehung und ber das Leben weitlufig ins Licht gesetzt werden; hier nur so viel: Der Herr,

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    Welcher der Gott des Weltalls ist, ist unerschaffen und unendlich; der Mensch hingegen und der Engelsind erschaffen und endlich; und weil der Herr unerschaffen und unendlich ist, so ist Er das Sein selbst,welches Jehovah heit, und ist das Leben selbst oder das Leben in sich. Aus dem Unerschaffenen,Unendlichen, dem Sein selbst und dem Leben selbst, kann nicht jemand unmittelbar geschaffen werden,weil das Gttliche Eines und unteilbar ist; sondern er mu aus Geschaffenem und Endlichem sein, das

    so gebildet ist, da das Gttliche in ihm wohnen kann. Weil die Menschen und die Engel von dieser Artsind, sind sie Aufnahmegefe des Lebens. Verirrt sich daher ein Mensch in seinem Denken so weit,da er sich nicht fr ein Gef des Lebens, sondern fr das Leben hlt, so kann er nicht vom Gedankenabgebracht werden, da er Gott sei. Da der Mensch das Gefhl hat, als wre er ein Leben, und daherglaubt, er sei es, beruht auf Tuschung; denn in der werkzeuglichen Ursache wird die Hauptursachenicht anders wahrgenommen denn als eines mit jener. Da der Herr das Leben in Sich sei, lehrt Er selbst

    bei Joh.5/26: Gleichwie der Vater das Leben in Sich selbst hat, so hat Er auch dem Sohn gegeben, dasLeben in Sich selbst zu haben; und da Er das Leben selbst sei: Joh.11/25; 14/6. Da nun Leben undLiebe eins sind, wie sich aus dem oben Gesagten (Nr. 1 und 2) ergibt, so folgt, da der Herr, weil Er dasLeben selbst ist, auch die Liebe selbst ist.

    5. Um sich dies zum Verstndnis zu bringen, mu man vor allem wissen, da der Herr, weil Er

    die Liebe in ihrem Wesen selbst, das heit die gttliche Liebe ist, vor den Engeln im Himmel als Sonneerscheint und da aus dieser Sonne Wrme und Licht hervorgeht und da die daraus hervorgehendeWrme in ihrem Wesen Liebe und das daraus hervorgehende Licht in seinem Wesen Weisheit ist undda die Engel, inwieweit sie jene geistige Wrme und jenes geistige Licht in sich aufnehmen, Gestaltender Liebe und Weisheit sind, nicht Weisheit und Liebe aus sich, sondern aus dem Herrn. Jene geistigeWrme und jenes geistige Licht flieen nicht nur in die Engel ein und geben diesen Anregung, sondernsie flieen auch in die Menschen ein und regen sie an, ganz nach dem Ma, als sie Aufnehmer werden;und Aufnehmer werden sie nach Magabe ihrer Liebe zum Herrn und ihrer Liebe gegen den Nchsten.Jene Sonne selbst oder die gttliche Liebe kann nicht vermittels ihrer Wrme oder ihres Lichtsunmittelbar aus sich jemanden erschaffen; denn ein solcher wre die Liebe in ihrem Wesen, was derHerr selber ist. Wohl aber kann sie schaffen aus Substanzen und Stoffen, die so gebildet sind, da sie

    die Wrme selbst und das Licht selbst aufnehmen knnen; vergleichsweise wie die Weltsonne nichtmittels Wrme und Licht unmittelbar die Keime im Erdkrper hervorbringen kann, sondern aus Stoffendes Bodens, in denen sie mittels der Wrme und des Lichts wohnen und die Vegetation hervorbringenkann. (Da die gttliche Liebe des Herrn in der geistigen Welt als Sonne erscheine, und da aus dieserdie geistige Wrme und das geistige Licht hervorgehen, woraus den Engeln Liebe und Weisheit kommt,ist zu lesen im Werk Himmel und Hlle Nr. 116-140).

    6. Da nun der Mensch nicht Leben ist, sondern Lebensgef, so folgt, da die Empfngnis einesMenschen von seinem Vater nicht Empfngnis des Lebens ist, sondern blo Empfngnis der ersten undreinsten lebensempfnglichen Form, zu der sich als zu ihrem Anhalt und Anfangspunkt nach und nachim Mutterleib Substanzen und Stoffe fgen, die in ihren Formen zur Aufnahme des Lebens in seinerOrdnung und in seinem Grad geschickt sind.

    7. Das Gttliche ist nicht im Raum. Da das Gttliche oder Gott nicht im Raum sei, obgleiches allgegenwrtig und bei jedem Menschen in der Welt und bei jedem Engel im Himmel und bei jedemGeist unter dem Himmel ist, lt sich in blo natrlicher Vorstellung nicht erfassen; wohl aber ingeistiger Vorstellung. Da es nicht in natrlicher Vorstellung erfat werden kann, rhrt daher, daRumlichkeit in dieser ist; denn sie bildet sich aus solchen Gegenstnden, die in der Welt sind, und inallem und jedem von diesen, was mit den Augen gesehen wird, ist Rumlichkeit. Alles Groe und allesKleine ist hier rumlich; alles Lange, Breite und Hohe ist hier rumlich; um es krzer auszudrcken:alles Ma, alle Gestalt und Form sind hier rumlich. Darum ist oben gesagt worden, in blo natrlicherVorstellung lasse sich nicht erfassen, da das Gttliche nicht im Raum sei, wenn man sagt, da esberall sei. Wohl aber vermag es der Mensch mittels natrlicher Vorstellung zu begreifen, sobald er nur

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    einiges geistige Licht in diese einlt; weshalb hier vorerst etwas ber geistige Vorstellung und somitgeistiges Denken stehe. Die geistige Vorstellung entlehnt nichts vom Raum, sondern nimmt ihrenganzen Inhalt vom Zustand. Zustand wird ausgesagt von der Liebe, vom Leben, von der Weisheit, vonden Gefhlen, von den Freuden daraus, allgemein ausgedrckt: vom Guten und vom Wahren. Diewahrhaft geistige Vorstellung von diesen hat nichts mit dem Raum gemeinsam, sie steht hher und

    erblickt die rumlichen Vorstellungen unter sich, wie der Himmel die Erde. Weil jedoch die Engel undGeister ebenso mit den Augen sehen wie die Menschen hienieden, und die Gegenstnde nicht andersgeschaut werden knnen als im Raum, darum erscheinen in der geistigen Welt, wo die Geister undEngel sind, Rume, die den Rumen auf Erden hnlich, dennoch aber nicht wirkliche Rume sind,sondern Scheinbarkeiten. Sie sind nmlich nicht fest und ortsbestndig wie auf Erden; denn sie knnenausgedehnt und zusammengezogen, verndert und gewechselt werden. Und weil sie denn nicht unter dasMa fallen, so knnen sie dort nicht mit einer natrlichen Vorstellung, sondern blo mit einer geistigenVorstellung erfat werden; welch letztere Vorstellung sich das gleiche unter rumlichen Abstndendenkt wie unter Abstnden des Guten oder unter Abstnden des Wahren, was dann Verwandtschaftenoder hnlichkeiten je nach den Zustnden desselben sind.

    8. Hieraus ist ersichtlich, da der Mensch in blo natrlicher Vorstellung nicht begreifen kann,

    da das Gttliche berall ist und doch nicht im Raum, und da die Engel und Geister es klar begreifen,da mithin auch der Mensch es kann, wofern er nur in sein Denken etwas geistiges Licht einlt. DerGrund, warum der Mensch es begreifen kann, liegt darin, da nicht sein Krper denkt, sondern seinGeist, folglich nicht sein Natrliches, sondern sein Geistiges.

    9. Da aber viele es nicht fassen, kommt daher, da sie das Natrliche lieben, und darum dieGedanken ihres Verstandes nicht ber dieses in das geistige Licht erheben wollen; und weil sie diesnicht wollen, so knnen sie nicht anders, als aus dem Rumlichen denken, auch ber Gott; ber Gottaber aus dem Raum denken heit, sich das Ausgedehnte der Natur denken. Dies mu vorausgeschicktwerden, weil ohne Kenntnis und einige Wahrnehmung, da das Gttliche nicht im Raum sei, nichtsverstanden werden kann vom gttlichen Leben, das die Liebe und Weisheit ist, von denen hier gehandelt

    wird, und darum wenig oder nichts von der gttlichen Vorsehung, Allgegenwart, Allwissenheit,Allmacht, Unendlichkeit und Ewigkeit, von denen weiter unten gehandelt werden soll.

    10. Oben wurde gesagt, in der geistigen Welt erscheinen ebensowohl Rume wie in dernatrlichen Welt, mithin auch Entfernungen; sie seien jedoch Scheinbarkeiten je nach den geistigenVerwandtschaften, die aus der Liebe und aus der Weisheit oder aus dem Guten und Wahren kommen.Daher kommt, da der Herr, obwohl Er in den Himmeln berall bei den Engeln ist, doch hoch berihnen als Sonne erscheint. Und weil die Aufnahme der Liebe und Weisheit Verwandtschaft mit Ihmerwirkt, so erscheinen die Himmel, deren Engel in nherer Verwandtschaft infolge der Aufnahme sind,Ihm nher, als die in entfernterer sind. Daher rhrt auch, da die Himmel, deren es drei gibt, unter sichgeschieden sind, so wie auch die einzelnen Gesellschaften jedes Himmels; desgleichen, da die Hllenunter jenen entfernt sind je nach Verwerfung der Liebe und Weisheit. Das gleiche ist der Fall bei den

    Menschen, in denen und bei denen der Herr gegenwrtig ist auf der ganzen Erde, und dies einzig aus derUrsache, weil der Herr nicht im Raum ist.

    11. Gott ist der eigentliche Mensch. In keinem Himmel stellt man sich Gott anders denn alseinen Menschen vor. Der Grund hiervon ist, da der Himmel in seinem Ganzen und in seinen Teilen wieein Mensch gestaltet ist, das Gttliche, das bei den Engeln ist, den Himmel bildet und das Denkengem der Form des Himmels vor sich geht; weshalb es den Engeln unmglich ist, sich Gott anders zudenken. Daher kommt es auch., da alle die hienieden, welche mit dem Himmel verbunden sind, ingleicher Weise sich Gott denken, wenn sie inwendig in sich oder in ihrem Geist sind. Infolgedessen, daGott Mensch ist, sind alle Engel und alle Geister Menschen in vollkommener Gestalt: die Form desHimmels bewirkt dies, welche im Grten wie im Kleinsten sich immer gleich ist. (Da der Himmel im

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    Ganzen und in seinen Teilen als Mensch gestaltet ist, sehe man im Werk ber Himmel und Hlle Nr.59-87, und da die Gedanken nach der Gestalt des Himmels vor sich gehen, Nr. 203, 204).

    Da die Menschen nach Gottes Ebenbild und hnlichkeit geschaffen sind, ist bekannt aus1Mo.1/26,27; sowie da Gott als Mensch dem Abraham und anderen erschien. Die Alten, von denWeisen bis zu den Einfltigen herab, dachten sich Gott nicht anders denn als Menschen; und zuletzt, da

    sie mehrere Gtter anzubeten begannen, wie in Athen und Rom, verehrten sie alle als Menschen. Dieswird durch folgendes aus einem frheren Werk erlutert: Die Heiden, besonders die Afrikaner, dieeinen Gott, Schpfer des Weltalls, anerkennen und verehren, haben von Gott die Vorstellung wie voneinem Menschen; sie sagen, niemand knne von Gott eine andere haben. Hren sie, da manche vonGott die Vorstellung als von einem in der Mitte schwebenden Wlkchen hegen, so fragen sie, wo dieseseien, und sagt man ihnen: unter den Christen, so halten sie es fr unmglich. Man erwidert ihnen aber,diese haben eine solche Vorstellung davon, da Gott im Wort ein Geist genannt wird, und sie unterGeist sich nichts anderes denken, als ein Wolkenteilchen, da sie nicht wissen, da jeder Geist und jederEngel Mensch ist. Man habe jedoch untersucht, ob ihre geistige Vorstellung gleicher Art mit ihrernatrlichen sei, und gefunden, da sie nicht gleich sei bei denjenigen, die im Inneren den Herrn als denGott Himmels und der Erde erkennen. Ich hrte einen gewissen Geistlichen aus der Christenheit sagen,niemand knne das Gttlich-Menschliche sich vorstellen, und sah ihn versetzt zu verschiedenen Heiden,

    von den inwendigen nach und nach zu den noch inwendigeren, und von diesen in ihre Himmel, undzuletzt in den Christenhimmel, und in allen ward ihm ihre innere Vorstellung von Gott mitgeteilt, under gewahrte, da sie kein anderes Denkbild von Gott haben, als das von einem Menschen, welches einund dasselbe ist mit der Vorstellung des Gttlich-Menschlichen.

    12. Die gewhnliche Vorstellung des Volks von Gott ist in der Christenheit die von einemMenschen, weil Gott in der Athanasischen Dreieinigkeitslehre eine Person heit. Die sich aber in ihrerWeisheit ber das Volk erheben, die erklren Gott fr unschaubar, was aus dem Grunde geschieht, weilsie nicht begreifen knnen, wie Gott als Mensch htte Himmel und Erde schaffen knnen, dann dasWeltall mit Seiner Gegenwart erfllen, und anderes noch, das nicht in den Verstand eingehen kann,solange man nicht wei, da das Gttliche nicht im Raum ist. Diejenigen dagegen, die sich allein zum

    Herrn wenden, denken sich das Gttlich-Menschliche und somit Gott als Menschen.

    13. Wie wichtig es ist, eine richtige Vorstellung von Gott zu haben, ergibt sich daraus, da dieVorstellung von Gott das Innerste des Denkens bei allen denen ausmacht, die Religion haben; denn dasGanze der Religion und das Ganze des Gottesdienstes ist auf Gott gerichtet. Weil Gott auf allgemeineund besondere Weise in allem ist, was Sache der Religion und Gottesverehrung ist, darum kann ohnerichtige Vorstellung von Gott keine Gemeinschaft mit den Himmeln bestehen. Dies ist der Grund,warum jedes Volk in der geistigen Welt seine Stelle nach seiner Vorstellung von Gott als Menschenerlangt; denn in dieser liegt die Vorstellung vom Herrn und in keiner anderen. Da der Zustand desLebens nach dem Tode sich beim Menschen nach der Vorstellung von Gott richtet, in der er sich

    bestrkt hat, wird klar aus dem Gegensatz, da nmlich die Leugnung Gottes die Hlle ausmacht, undin der Christenheit die Leugnung der Gottheit des Herrn.

    14. Sein und Dasein ist im Gottmenschen unterscheidbar eins. Wo Sein ist, da ist auchDasein; keines ist ohne das andere; denn das Sein ist durch das Dasein und nicht ohne dieses. Dieses

    begreift die Vernunft, wenn sie erwgt, ob es ein Sein geben knne, das nicht ein Dasein htte, oder obes ein Dasein aus anderem Ursprung geben knne als aus dem Sein; und weil das eine mit dem anderenund nicht ohne dasselbe besteht, so folgt, da sie eins sind, wiewohl unterscheidbareins. Sie sindunterscheidbareins, wie Liebe und Weisheit; auch ist Liebe Sein, und Weisheit ist Dasein; denn es gibtkeine Liebe auer in der Weisheit, und keine Weisheit auer aus der Liebe; weshalb die Liebe dann ihrDasein hat, wenn sie in der Weisheit ist. Diese beiden sind so sehreins, da man sie zwar im Gedankenunterscheiden kann, nicht aber in der Wirklichkeit: und weil man sie im Gedanken, nicht aber in derWirklichkeit trennen kann, darum sagt man unterscheidbar eines. Sein und Dasein sind auch im

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    Gottmenschen unterscheidbareins, wie Seele und Leib. Es gibt keine Seele ohne ihren Leib und keinenLeib ohne seine Seele. Die gttliche Seele des Gottmenschen ist es, die unter dem Gttlichen Seinverstanden wird, und der gttliche Leib, der unter dem Gttlichen Dasein verstanden wird. DieAnnahme, da eine Seele ohne Leib dasein, denken und weise sein knne, ist ein aus Tuschungenhervorgehender Irrtum; denn jegliche Menschenseele ist in einem geistigen Leib, nachdem sie die

    materielle Umhllung abgelegt hat, die sie hienieden an sich trug.

    15. Das Sein ist kein Sein, wenn es kein Dasein hat, weil es vordem nicht in einer Form ist; undist es nicht in einer Form, so hat es keine Beschaffenheit, und was keine Beschaffenheit hat, ist keinEtwas. Das, was aus dem Sein da ist, macht eins aus mit dem Sein dadurch, da es aus dem Sein ist:hieraus kommt Verknpfung in eins; und hieraus ferner, da das eine des anderen ist, gegenseitig undumgekehrt; dann, da das eine alles in allem des anderen ist, wie in sich.

    16. Hieraus geht hervor, da Gott Mensch ist und da Er dadurch existierender Gott ist;existierend nicht aus Sich, sondern in Sich: wer in Sich existiert, der ist Gott, von dem alles ist.

    17. Im Gottmenschen ist Unendliches unterscheidbar eins. Es ist bekannt, da Gott

    unendlich ist, denn Er heit der Unendliche. Er heit aber der Unendliche, weil Er unendlich ist.Dadurch allein, da Er das eigentliche Sein und Dasein in Sich ist, ist Er nicht unendlich, sonderndadurch, da Unendliches [Infinita] in Ihm ist. Die Unendlichkeit [Infinitum] ohne Unendliches [absqueInfinitis] in Ihm ist keine Unendlichkeit [Infinitum] auer blo dem Namen nach. Das Unendliche[Infinita] in Ihm kann nicht genannt werden unendlich vieles noch unendlich alles, wegen dernatrlichen Vorstellung von vielem und von allem, denn die natrliche Vorstellung von unendlichvielem ist begrenzt, und die von unendlich allem ist zwar unbegrenzt, ist aber doch von Begrenztem imWeltall entlehnt. Darum kann der Mensch, weil seine Vorstellung eine natrliche ist, nicht durchSteigerung und Annherung zur Anschauung des Unendlichen in Gott gelangen. Der Engel aber, weilseine Vorstellung eine geistige ist, kann durch Steigerung und Annherung ber des Menschen Gradhinaus, jedoch nicht bis dorthin gelangen.

    18. Da Unendliches in Gott ist, kann jeder bei sich bejahen, der glaubt, da Gott Mensch ist;und weil Er Mensch ist, so hat Er einen Leib und alles, was zu einem Leib gehrt. Er hat also Antlitz,Brust, Unterleib, Lenden und Fe; denn ohne dieses wre Er nicht Mensch. Und weil Er jenes hat, sohat Er auch Augen, Ohren, Nase, Mund und Zunge; dann auch des Menschen innere Teile, also Herzund Lunge, und was von diesen abhngt; welches alles zusammengenommen macht, da der MenschMensch ist. Im geschaffenen Menschen ist es eine Vielheit, und betrachtet man es in seinenVerwebungen, ein Unzhlbares; im Gottmenschen aber ist es unendlich; es fehlt nichts; darum ist in Ihmunendliche Vollkommenheit. Da ein Vergleich des unerschaffenen Menschen, welcher Gott ist, mitdem erschaffenen Menschen geschieht, ist darum, weil Gott Mensch ist und weil Er selbst sagt, derMensch der Welt sei nach Seinem Bild und zu Seinem Ebenbild geschaffen: 1Mo.1/26,27.

    19. Da Unendliches in Gott ist, gibt sich den Engeln klarer an den Himmeln kund, in denen siesind. Der gesamte Himmel, der aus Myriaden von Myriaden Engeln besteht, ist in seiner Gesamtformwie ein Mensch, ebenso jede einzelne Gemeinschaft im Himmel, die groe wie die kleine; daher auchist der Engel Mensch, denn der Engel ist ein Himmel in kleinster Form. (Da dem so sei, sehe man imWerk Himmel und Hlle Nr. 51 bis 87). In solcher Form ist der Himmel im Ganzen, im Teil und imEinzelwesen betrachtet vermge des Gttlichen, das die Engel in sich aufnehmen; denn nach dem Ma,als der Engel Gttliches in sich aufnimmt, ist er in vollkommener Form Mensch. Darum heit es vonden Engeln, sie seien in Gott und Gott in ihnen, und Gott sei ihr Alles. Wie vieles im Himmel sei, kannnicht beschrieben werden; und weil das Gttliche den Himmel macht und daher jenes unaussprechlichviele aus dem Gttlichen ist, so wird deutlich, da im eigentlichen Menschen, welcher Gott ist,Unendliches [Infinita] ist.

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    20. Das gleiche kann aus dem geschaffenen Weltall gefolgert werden, wenn es nach seinenNutzwirkungen und Entsprechungen betrachtet wird. Um jedoch dies verstndlich zu machen, soll nocheiniges zur Erluterung vorangehen.

    21. Da im Gottmenschen Unendliches ist, das im Himmel, im Engel und im Menschen wie in

    einem Spiegel erscheint, und da der Gott-Mensch nicht im Raum ist (wie oben Nr. 7-10 gezeigt wurde),so lt sich einigermaen sehen und begreifen, wie Gott allgegenwrtig, allwissend und allvorsehendsein kann, und wie Er als Mensch alles erschaffen konnte und als Mensch in Ewigkeit das von IhmErschaffene in seiner Ordnung festhalten kann.

    22. Da Unendliches im Gottmenschen unterscheidbareins ist, auch das lt sich wie in einemSpiegel vom Menschen schauen. Im Menschen ist, wie oben bemerkt wurde, vieles und Unzhlbares,und doch fhlt der Mensch dies alles als eins. Nicht durch den Sinn wei er etwas von seinem Gehirn,von seinem Herzen und seiner Lunge, Leber, Milz und seinem Gekrse, noch von dem Unzhlbaren inAugen, Ohren, Zunge, Magen, Geschlechtsteilen und in den brigen, und weil er sie nicht durch denSinn kennt, so sind sie ihm wie eins. Der Grund ist, da jenes alles in solcher Form ist, da nicht einsfehlen kann; denn es ist eine das Leben aus dem Gottmenschen aufnehmende Form, wie oben (Nr. 4-6)

    nachgewiesen wurde. Aus der Ordnung und Verkettung des Ganzen in solcher Form entsteht das Gefhlund daher die Vorstellung, als ob es nicht vieles und Unzhlbares wre, sondern eins. Hieraus kann manentnehmen, da das Viele und Zahllose, das im Menschen wie eins ausmacht, im eigentlichenMenschen, welcher Gott ist, unterscheidbar, ja aufs unterscheidbarste eins ist.

    23. Es ist ein Gottmensch, aus Dem alles ist. In der menschlichen Vernunft verbindet undkonzentriert sich gleichsam alles darin, da ein Gott Schpfer des Weltalls ist, weshalb ein Mensch, derVernunft hat, aus der Gesamtart seines Verstandes nicht anders denkt und nichts anderes denken kann.Sage einem, der gesunde Vernunft hat, da es zwei Schpfer des Weltalls gbe, und du wirst eineAblehnung empfinden, vielleicht schon beim bloen Wortschall im Ohr: daraus ist ersichtlich, da inder menschlichen Vernunft sich alles darin verbindet und konzentriert, da es nur einen Gott gibt. Dies

    hat zwei Ursachen: Die erste ist, weil schon die Fhigkeit vernunftmig zu denken, an sich betrachtet,nicht dem Menschen angehrt, sondern Gott bei ihm. Von dieser Fhigkeit hngt die menschlicheVernunft ab im allgemeinen, und das Allgemeine macht, da sie jenes wie aus sich sieht. Die zweiteUrsache ist, weil der Mensch vermge jener Fhigkeit entweder im Licht des Himmels ist oder doch dasAllgemeine seines Denkens daraus zieht; und das Universelle des himmlischen Lichtes ist, da ein Gottsei. Anders verhlt es sich, wenn der Mensch vermge jener Fhigkeit das Untere des Verstandesverkehrt hat. Ein solcher bleibt zwar im Besitz jener Fhigkeit; allein durch Verdrehung des Unterenkehrt er sie anderswohin, daher seine Vernunft zur ungesunden wird.

    24. Jeder Mensch denkt, wenn er es auch nicht wei, von einer Menge wie von einemMenschen, weshalb er es auch alsbald fat, wenn gesagt wird: Der Knig ist das Haupt, und dieUntertanen sind der Leib, oder wenn man sagt, dieser oder jener sei dieses oder jenes im gemeinsamen

    Leib, nmlich im Staat. Das gleiche wie bei einem Staatskrper ist auch der Fall bei einem geistigenKrper. Der geistige Krper ist die Kirche, ihr Haupt der Gottmensch; woraus erhellt, in welcherBeschaffenheit bei dieser Anschauungsweise die Kirche als Mensch erschiene, wenn nicht ein Gott alsSchpfer und Erhalter des Weltalls gedacht wrde, sondern statt eines mehrere. Sie erschiene beisolcher Anschauung als ein Krper, auf dem mehrere Kpfe stnden, folglich nicht wie ein Mensch,sondern wie ein Ungeheuer. Sagte man, da jene Kpfe ein Wesen haben und dadurch zusammen einenKopf ausmachen, so knnte hieraus keine andere Vorstellung hervorgehen, als entweder: da der eineKopf mehrere Gesichter, oder: da mehrere Kpfe zusammen ein Gesicht haben. Somit wrde sich dieKirche der Anschauung als Migestalt darstellen, whrend doch dereine Gott das Haupt und die Kircheder Leib ist, der nach dem Wink des Hauptes und nicht aus sich handelt, wie dies auch beim Menschender Fall ist. Hierin hat auch seinen Grund, da nurein Knig in einem Reich ist; denn mehrere wrden

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    es zerstckeln, einer aber kann es zusammenhalten.

    25. hnliches geschhe mit der ber den ganzen Erdball zerstreuten Kirche, die eineGemeinschaft heit, darum, weil sie wie ein Leib unter einem Haupt ist. Es ist bekannt, da das Hauptden Leib unter ihm nach Gefallen lenkt. Denn im Haupt wohnt der Verstand und der Wille, und vom

    Verstand und Willen wird der Leib getrieben so sehr, da der Leib blo der Gehorsam ist. Der Leibkann nichts tun, als aus dem Verstand und aus dem Willen im Haupt, desgleichen der Mensch derKirche nichts, denn aus Gott. Der Anschein ist, als handelte der Leib aus sich selbst, als bewegten sichz.B. Hnde und Fe beim Handeln aus sich, als zge sich der Mund und schwnge sich die Zungeselbstttig beim Reden aus sich, da sie doch ganz und gar nichts aus sich tun, sondern aus dem Trieb desWillens und somit dem Gedanken des Verstandes im Haupt. Denke dir nur, wenn ein Leib mehrereHupter htte, und jedes Haupt frei waltete aus seinem Verstand und aus seinem Willen, ob der Leibbestehen knnte: Einmtigkeit, wie sie in einem Haupt sich findet, wre unter ihnen unmglich. Wie esin der Kirche ist, so ist es in den Himmeln, die aus Myriaden von Myriaden Engeln bestehen: shennicht alle und jeder einzelne auf Gott, so fiele der eine vom anderen ab, und der Himmel lste sich auf.Darum, wenn ein Engel des Himmels nur an mehrere Gtter denkt, wird er alsbald abgesondert; denn erwird hinausgeworfen in die uerste Grenze der Himmel und fllt herab.

    26. Weil der gesamte Himmel und alles im Himmel auf einen Gott sich bezieht, darum ist dieEngelsprache so geartet, da sie mittelst eines gewissen Einklangs, der aus dem Einklang des Himmelsfliet, in eins sich endet; ein Anzeichen, da ihnen unmglich ist, anders als einen Gott zu denken, denndie Rede kommt aus dem Denken.

    27. Wer, der ganz bei Vernunft ist, erkennt nicht, da das Gttliche nicht teilbar ist, ferner, daes nicht mehrere Unendliche, Unerschaffene, Allmchtige und Gtter gibt? Sprche jemand, demVernunft fehlt, es lassen sich mehrere Unendliche, Unerschaffene, Allmchtige und Gtter denken,wenn sie nur ein Wesen haben, und in dieser Weise sei ein Unendlicher, ein Unerschaffener, einAllmchtiger, ein Gott, so wrde man fragen: Ein und dasselbe Wesen - ist es nicht das Nmliche

    [Unum idem]? Und das Nmliche kommt nicht mehreren zu. Sagte man, eins sei vom anderen, dann istder, welcher vom anderen ist, nicht Gott in sich: und doch ist Gott in sich der Gott, von Dem alles ist (s.Nr. 16).

    28. Das gttliche Wesen selbst ist Weisheit und Liebe.Wenn du alles zusammenfat, was duweit, und es unter die Anschauung deines Gemtes bringst, und in einiger Erhebung des Geistesuntersuchst, was das Universelle von allem ist, so kannst du nichts anderes folgern, als da es die Liebeund die Weisheit sei; denn diese beiden sind das Wesentliche im gesamten Leben des Menschen: allsein Brgerliches, all sein Sittliches und all sein Geistiges ist durch jene beiden bedingt; ohne sie ist eskein Etwas. Ebenso das gesamte Leben eines zusammengesetzten Menschen, als da sind, wie schongesagt, eine grere oder kleinere Gemeinschaft, ein Knig- oder Kaiserreich, die Kirche und auch derEngelhimmel. Nimm von diesen Liebe und Weisheit weg, und siehe dann, ob sie noch ein Etwas sind:

    und du wirst finden, da sie nichts sind ohne jene, aus denen sie sind.

    29. Da in Gott die Liebe und Weisheit in ihrer Urwesenheit sind, kann niemand leugnen; dennEr liebt alle aus der Liebe in Ihm, und Er leitet alle aus der Weisheit in Ihm. Auch das geschaffene All,aus dem Gesichtspunkt Seiner Ordnung betrachtet, ist so voll von Weisheit aus der Liebe, da du sagenmut, alles zusammengenommen sei sie selbst; denn unbestimmbar vieles ist in solche Ordnunggebracht nach- und nebeneinander, da es zusammengenommen nureins ausmacht. Daher und vonnichts anderem kommt, da es zusammengehalten und ewig erhalten werden kann.

    30. Daher, da das gttliche Urwesen Liebe und Weisheit ist, kommt auch, da im Menschenzwei Lebensvermgen sind, aus deren einem er Verstand, und aus deren anderem er Willen hat. Das

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    Im Original steht: die W eisheit

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    Vermgen, aus dem der Verstand kommt, nimmt all das Seinige vom Einflieen der Weisheit aus Gott;und das Vermgen, aus dem der Wille1 ist, nimmt all das Seinige vom Einflieen der Liebe aus Gott.Hat der Mensch nicht die rechte Weisheit und die rechte Liebe, so hebt dies nicht jene Vermgen auf,sondern verschliet sie nur; und solange sie verschlossen sind, heit zwar der Verstand immer nochVerstand, und ebenso der Wille noch Wille, jedoch ihrem Wesen nach sind sie es nicht. Wrden daher

    jene Vermgen hinweggenommen, so ginge alles Menschliche unter, welches ist: denken und aus demDenken reden, und wollen und aus dem Wollen handeln. Daraus ist ersichtlich, da das Gttliche beimMenschen in jenen beiden Vermgen wohnt, welche sind: das Vermgen weise zu sein und dasVermgen zu lieben, das heit das Vermgen, jenes und dieses zu knnen. Da im Menschen dasLiebenknnen liegt, wenn er auch schon nicht weise ist und liebt, wie er es kann, hat sich mir invielfacher Erfahrung kundgetan, wovon du anderswo die Belege in Menge finden wirst.

    31. Daher, da das gttliche Urwesen Liebe und Weisheit ist, rhrt auch, da alles im Weltallsich auf das Gute und auf das Wahre bezieht; denn alles, was aus der Liebe hervorgeht, heit gut, undalles, was aus der Weisheit hervorgeht, heit wahr. Hiervon jedoch spter.

    32. Daher, da das gttliche Urwesen Liebe und Weisheit ist, rhrt auch, da das Weltall und

    alles in ihm, Belebtes und Unbelebtes, durch Wrme und Licht besteht; denn die Wrme steht imEntsprechungsverhltnis mit der Liebe, und das Licht steht im Entsprechungsverhltnis mit derWeisheit; weshalb auch geistige Wrme Liebe und geistiges Licht Weisheit ist. Jedoch auch hiervonweiter unten.

    33. Aus der gttlichen Liebe und aus der gttlichen Weisheit, die das Urwesen ausmachen,welches Gott ist, entstehen alle Triebe und Gedanken im Menschen; die Triebe aus der gttlichen Liebeund die Gedanken aus der gttlichen Weisheit, und das Ganze des Menschen sowohl als sein Einzelnessind nichts als Trieb und Gedanke. Diese beiden sind wie die Quellen seines gesamten Lebens. AllesAngenehme und Anregende seines Lebens fliet aus ihnen; das Angenehme aus dem Trieb seiner Liebeund das Anregende aus dem Gedanken, der aus dieser hervorgeht. Weil denn nun der Mensch

    geschaffen ist, um Aufnehmendes zu sein, und er aufnehmend ist nach dem Ma, als er Gott liebt undaus der Liebe zu Gott weise ist, d.h. als er angeregt wird von dem, was von Gott ist, und als er aus jenerAnregung denkt, so folgt, da das gttliche Urwesen, welches das Schaffende ist, die gttliche Liebeund die gttliche Weisheit ist.

    34.Die gttliche Liebe ist Angehr der gttlichen Weisheit, und die gttliche Weisheit istAngehr der gttlichen Liebe.Da das gttliche Sein und das gttliche Dasein in Gott unterscheidbareins sind, sehe man oben (Nr. 14-16); und weil das gttliche Sein die gttliche Liebe ist und dasgttliche Dasein die gttliche Weisheit ist, darum sind diese gleichmig unterscheidbar eins.Unterscheidbareins nennen wir sie, weil Liebe und Weisheit verschieden sind, jedoch so vereint, dadie Liebe der Weisheit und die Weisheit der Liebe zugehrt. Denn die Liebe ist in der Weisheit, und dieWeisheit hat ihr Dasein in der Liebe; und weil die Weisheit ihr Dasein aus der Liebe nimmt (wie oben

    Nr. 15 gesagt worden), so ist auch die gttliche Weisheit das Sein, woraus folgt, da Liebe und Weisheitzusammen genommen das gttliche Sein sind, unterschieden genommen hingegen heit die Liebe dasgttliche Sein, und die Weisheit das gttliche Dasein. Dies ist die Vorstellung der Engel von dergttlichen Liebe und von der gttlichen Weisheit.

    35. Weil eine solche Einheit der Liebe und Weisheit und der Weisheit und Liebe imGott-Menschen ist, so ist das gttliche Wesen eins; denn das gttliche Wesen ist gttliche Liebe, weildiese der gttlichen Weisheit angehrt, und gttliche Weisheit, weil diese der gttlichen Liebe angehrt,und weil solche Einheit beider besteht, darum ist auch das gttliche Leben eins: das Leben ist das

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    gttliche Wesen. Da die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit eins sind, kommt daher, weil dieVereinigung wechselseitig ist und wechselseitige Vereinigung eins macht. Von der wechselseitigenVereinigung wird jedoch spter mehreres vorkommen.

    36. Einheit von Liebe und Weisheit findet sich auch in jedem gttlichen Werk; daher dessen

    Fortbestand, ja seine Ewigkeit. Wre mehr gttliche Liebe als gttliche Weisheit oder mehr gttlicheWeisheit als gttliche Liebe in etwas Geschaffenem, so wrde es nicht bestehen, auer insoweit, als ihmjene zu gleichen Teilen inne wohnen; was darber hinaus ist, vergeht.

    37. Die gttliche Vorsehung in der Umbildung, Wiedergeburt und Beseligung der Menschenenthlt ein gleiches Ma gttlicher Liebe und gttlicher Weisheit. Wre mehr gttliche Liebe alsgttliche Weisheit oder mehr gttliche Weisheit als gttliche Liebe dabei, so knnte der Mensch nichtgebessert, wiedergeboren und beseligt werden. Die gttliche Liebe will alle beseligen; allein sie kannnur beseligen durch die gttliche Weisheit, und in der gttlichen Weisheit liegen alle Gesetze, durchwelche die Beseligung bewirkt wird. Die Liebe kann diese Gesetze nicht berschreiten, weil diegttliche Liebe und die gttliche Weisheit eins sind und vereint wirken.

    38. Die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit werden im Wort unter Gerechtigkeit undunter Gericht verstanden; die gttliche Liebe unter Gerechtigkeit und die gttliche Weisheit unterGericht. Darum wird im Wort Gerechtigkeit und Gericht von Gott ausgesagt, wie bei David,Ps.89/15: Gerechtigkeit und Gericht, die Sttze deines Thrones. Ps.37/6: Jehovah wird hervorziehenwie das Licht Gerechtigkeit, und das Gericht gleichwie den Mittag. Bei Hos.2/19: Ich will Mich ewigdir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht. Bei Jer.23/5: Ich will dem David einen gerechten Sproerwecken, Der als Knig herrschen und Gericht und Gerechtigkeit ben wird im Lande. Und beiJes.9/6: Er soll sitzen auf dem Thron Davids und in seinem Reich, um es zu festigen in dem Gerichtund in Gerechtigkeit. Bei Jes.33/5: Erhoben werde Jehovah, weil Er das Land erfllt hat mit Gerichtund mit Gerechtigkeit. Ps.119/7,164: Wenn ich gelernt haben werde die Gerichte DeinerGerechtigkeit; siebenmal des Tages lobe Ich Dich ob der Gerichte Deiner Gerechtigkeit.

    hnliches wird verstanden unter Leben und Licht bei Joh.1/4: In Ihm war das Leben, unddas Leben war das Licht der Menschen. Unter Leben wird hier verstanden die gttliche Liebe desHerrn, und unter Licht Seine gttliche Weisheit. hnliches auch unter Leben und Geist beiJoh.6/63: Jesus sprach: die Worte, die Ich zu euch rede, sind Geist und Leben.

    39. Im Menschen erscheinen Liebe und Weisheit getrennt, und doch sind sie in sichunterscheidbar eins, da beim Menschen die Weisheit so beschaffen ist wie seine Liebe und die Liebe sowie seine Weisheit. Die Weisheit, die nicht eins ausmacht mit ihrer Liebe, scheint Weisheit zu sein, istes aber nicht, und die Liebe, die nicht eins ausmacht mit ihrer Weisheit, erscheint als die Liebe derWeisheit, ist es aber nicht; denn wechselseitig wird die eine ihr Wesen und ihr Leben aus der anderenziehen. Da Weisheit und Liebe beim Menschen getrennt erscheinen, kommt daher, da das Vermgen,zu verstehen, bei ihm der Erhebung in das Licht des Himmels fhig ist, nicht aber das Vermgen, zu

    lieben, auer insoweit, als der Mensch nach seinem Verstehen auch handelt. Darum fllt scheinbareWeisheit, die nicht eins ausmacht mit der Weisheit der Liebe, in die Liebe zurck, welche eins mit ihrausmacht; welche Liebe denn die Liebe der Nichtweisheit, ja der Raserei sein kann. Der Mensch kannnmlich aus der Weisheit wissen, da er dieses oder jenes tun soll, allein er tut es nicht, weil er es nichtliebt; wieweit er aber mit Liebe tut, was die Weisheit will, insoweit ist er Bild Gottes.

    40. Die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit ist Substanz und ist Form. DieVorstellung gewhnlicher Menschen von der Liebe und Weisheit ist die von etwas gleichsam in dnnerLuft oder im ther Fliegendem und Flieendem oder auch wie vom Aushauch aus etwas dieser Art;kaum denkt jemand, da sie wirklich in der Tat Substanz und Form sind. Diejenigen die sehen, da sieSubstanz und Form sind, betrachten doch Liebe und Weisheit als auerhalb ihres Trgers (subjectum)

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    befindlich und als aus ihm hervorgehend, und was sie auerhalb des Trgers als aus demselbenhervorflieend - obschon als etwas Flchtiges und Flieendes - betrachten, das nennen sie auchSubstanz und Form, weil sie nicht wissen, da Liebe und Weisheit der Trger selbst sind und dadasjenige, was man auerhalb desselben als etwas Luftiges und Flssiges gewahrt, nur eineScheinbarkeit des Zustandes des Trgers an sich ist. Der Ursachen, warum man dies bis anhin nicht sah,

    gibt es mehrere. Hierunter gehrt die, da die Scheinbarkeiten das erste sind, aus dem das menschlicheGemt seinen Verstand bildet und da es diese nicht anders beheben kann als mittels Erforschung derUrsache und da es, wenn die Ursache tief liegt, solche nicht erforschen kann, wenn es nicht denVerstand lang in geistigem Licht hlt, in welchem es aber den Verstand nicht lange halten kann wegendes natrlichen Lichtes, das unausgesetzt ablenkt. Die Wahrheit ist jedoch, da Liebe und Weisheitwirklich und tatschlich Substanz und Form sind, die den Trger (subjectum) selbst bilden.

    41. Weil dies aber dem Schein widerspricht, so mchte es als unglaubwrdig erscheinen, wennes nicht erwiesen wrde; und erwiesen kann es nicht anders werden als mit Hilfe solcher Dinge, die derMensch mit den Sinnen seines Krpers gewahren kann; daher soll es durch solche erwiesen werden. DerMensch hat fnf uere Sinne, die Tastsinn, Geschmack, Geruch, Gehr und Gesicht heien. Der Trgerdes Tastsinnes ist die Haut, mit welcher der Mensch umgeben ist. Die wirkliche Substanz und Form der

    Haut machen, da sie das ihr Nahegebrachte fhlt. Der Tastsinn wohnt nicht dem inne, was die Hautberhrt, sondern er ist in der Substanz und Form der Haut, welche der Trger ist: jenes Gefhl ist bloeine Anregung derselben, hervorgebracht durch das Berhrende. hnlich verhlt es sich mit demGeschmack: dieser Sinn ist nur eine Erregung der Substanz und Form der Zunge; die Zunge ist derTrger. Ebenso ist es mit dem Geruch: da der Geruch die Nase anregt, da er in der Nase liegt und daer eine Anregung derselben ist, hervorgebracht durch die sie berhrenden Riechstoffe, ist bekannt.hnliches geht beim Gehr vor. Es scheint, als ob das Gehr an dem Ort sei, wo der Ton entsteht, alleindas Gehr ist im Ohr und ist eine Erregung der Substanz und Form desselben; da das Gehr sich ineiniger Entfernung vom Ohr befinde, ist eine Scheinbarkeit. hnliches ist der Fall beim Gesicht. Esscheint, als ob, wenn der Mensch entfernt von sich Gegenstnde sieht, sein Gesichtssinn dort wirke; unddoch ist er im Auge, dem Trger desselben und ist auf gleiche Weise eine Erregung desselben; der

    Abstand ermittelt sich blo durch den Schlu der Urteilskraft aus den dazwischenliegendenGegenstnden auf den Raumgehalt, aus der Verkleinerung und somit der Verdunkelung desGegenstandes, dessen Bild sich im Inneren des Auges nach dem Einfallswinkel darstellt. Hieraus wirdklar, da das Gesicht nicht heraustritt aus dem Auge zum Gegenstand, sondern da das Bild desGegenstandes eintritt in das Auge und dessen Substanz und Form anregt. Es geht nmlich das gleiche

    beim Sehen wie beim Hren vor sich. Der Gehrsinn tritt nicht aus dem Ohr heraus, um den Schallaufzunehmen, sondern der Schall tritt in das Ohr ein und regt es an. Hieraus wird deutlich, da dieErregung der Substanz und Form, die den Sinn macht, nicht etwas vom Trger desselben Getrenntes ist,sondern blo eine Vernderung in demselben hervorbringt, indes der Trger Trger bleibt nachher wievorher. Hieraus folgt, da Gesicht, Gehr, Geruch, Geschmack und Gefhl nicht etwas Flchtiges, dasaus ihren Organen hervortritt, sondern da sie die Organe sind, nach ihrer Substanz und Formbetrachtet, bei deren Angeregtwerden der Sinn sich uert.

    42. Gleiche Bewandtnis nun hat es mit der Liebe und Weisheit mit dem einzigen Unterschied,da die Substanzen und Formen, welche Liebe und Weisheit sind, nicht fr das Auge erkennbar sind wiedie Organe der ueren Sinne. Jedoch kann niemand in Abrede stellen, da das von der Weisheit undLiebe, was man Gedanken, Wahrnehmungen und Gefhle nennt, Substanzen und Formen sind und dasie nicht flchtige und aus dem Nichts flieende Wesenheiten sind noch abgezogen von der wirklichenund tatschlichen Substanz und Form, welche die Trger sind; denn es gibt im Gehirn unzhligeSubstanzen und Formen, in denen aller innere Sinn, der sich auf den Verstand und auf den Willen

    bezieht, seinen Sitz hat. Da alle Gefhle, Wahrnehmungen und Gedanken daselbst nichtAushauchungen aus jenen, sondern da sie wirklich und tatschlich die Trger sind, die nichts von sichaussenden, sondern nur Vernderungen erfahren je nach den sie anregenden Auendingen, lt sich aus

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    dem entnehmen, was oben ber die ueren Sinne gesagt worden ist. (Von den anstrmendenAuendingen, welche anregen, wird unten mehreres vorkommen).

    43. Aus dem Gesagten lt sich zunchst ersehen, da die gttliche Liebe und die gttlicheWeisheit in sich Substanz und Form sind, denn sie sind das Sein und das Dasein selbst; wren sie nicht

    ein solches Sein und Dasein, wie sie Substanz und Form sind, so wren sie blo ein Gedankending, dasin sich kein Etwas ist.

    44. Die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit sind Substanz und Form an sich, mithindas Eigentliche und das Einzige. Da die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit Substanz undForm ist, wurde soeben nachgewiesen; und da das gttliche Sein und Dasein das Sein und Dasein ansich ist, ist ebenfalls oben gesagt worden. Man kann nicht sagen, es sei das Sein und Dasein aus sich,weil dies einen Anfang in sich schlsse und zugleich von einem bestimmten Teil davon aussagte, da erSein und Dasein in sich sei; allein das eigentliche Sein und Dasein in sich ist von Ewigkeit. Daseigentliche Sein und Dasein in sich ist auch unerschaffen, und alles Erschaffene kann nicht sein, es seidenn aus Unerschaffenem, und was erschaffen ist, das ist auch endlich, und das Endliche kann keinDasein haben, es sei denn aus Unendlichem.

    45. Wer mit einigem Nachdenken das Sein und Dasein in sich erfassen und begreifen kann, derwird gewi auch erfassen und begreifen, da dasselbe das Eigentliche und das Einzige ist. DasEigentliche heit, was allein ist; und das Einzige, aus dem alles andere ist. Weil nun das Eigentliche unddas Einzige Substanz und Form ist, so folgt, da dasselbe die einzige Substanz und Form ist, und weileben diese Substanz und Form die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit ist, so folgt, da sie dieeigentliche und einzige Liebe sowie die eigentliche und einzige Weisheit ist, mithin, da sie daseigentliche und einzige Urwesen, dann das Leben selbst und das einzige Leben ist; denn die Liebe undWeisheit ist das Leben.

    46. Hieraus mag klar werden, wie sinnlich, das heit wie sehr aus den Sinnen des Krpers und

    aus deren Finsternis in geistigen Dingen diejenigen denken, welche sagen, die Natur sei aus sich. Siedenken aus dem Auge und vermgen nicht aus dem Verstand zu denken. Das Denken aus dem Augeverschliet den Verstand, das Denken aus dem Verstand aber schliet das Auge auf. Solche knnen garnicht denken ber das Sein und Dasein in sich und da dieses das Ewige, Unerschaffene und Unendlichesei, noch knnen sie sich unter Leben etwas anderes denken als etwas Flchtiges, das in ein Nichtszurckgeht; und so auch nichts anderes unter Liebe und Weisheit, und durchaus nicht, da aus diesenalles in der Natur herrhre. Da von ihnen alles in der Naturwelt herrhre, kann man auch nicht sehen,sofern man nicht die Natur unter dem Gesichtspunkt der Nutzwirkungen in ihrer Reihenfolge und inihrer Ordnung, nicht aber, wenn man sie blo nach einigen ihrer Formen betrachtet, die blo Gegenstanddes Auges sind. Denn die Nutzwirkungen kommen einzig aus dem Leben und ihre Reihenfolge undOrdnung aus der Weisheit und Liebe; die Formen aber sind die Gefe der Nutzwirkungen. Richtet mandaher den Blick blo auf die Formen, so kann man in der Natur kein Leben und weniger noch etwas von

    Liebe und Weisheit, somit nichts von Gott sehen.

    47. Die gttliche Liebe und die gttliche Weisheit kann nicht anders als sein und dasein inanderem, aus ihr Geschaffenem.Das Eigentliche der Liebe ist nicht, sich selbst lieben, sondern anderelieben und mit diesen durch Liebe verbunden werden. Das Eigentliche der Liebe ist, auch von anderengeliebt werden: denn so entsteht eine Verbindung. Das Wesen aller Liebe besteht in der Verbindung, jaselbst ihr Leben, welches genannt wird ihr Angenehmes, Reizendes, Liebliches, Ses, Seliges, ihreWonne und ihr Glck. Die Liebe besteht darin, da das ihrige des anderen sei, und da sie seine Lust alsLust in sich empfinde; dies heit lieben. Seine Lust aber im anderen fhlen und nicht dessen Lust insich, ist nicht lieben; denn dieses heit sich lieben; jenes aber heit den Nchsten lieben. Diese zweiGattungen von Liebe sind sich vollkommen entgegengesetzt; beide verbinden zwar, und es hat nicht den

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    Schein, als ob das Seine lieben, das heit sich im anderen, entzweie, und doch entzweit es so sehr, dain dem Ma, als einer auf diese Weise den anderen geliebt hat, er ihn in der Folge hat; es lst sichnmlich diese Verbindung von selbst allmhlich auf, und dann setzt sich die Liebe in Ha des gleichenGrades um.

    48. Wer, der das Wesen der Liebe schauen kann, vermchte dies nicht zu sehen? Denn was istsich allein lieben und nicht jemand auer sich, von dem er wieder geliebt wrde? Dies ist ja mehrTrennung als Verbindung. Die Verbindung der Liebe kommt vom Wechselseitigen, und Wechselseitigesgibt es nicht in einem allein. Glaubt man, es gebe dergleichen, so kommt es von einer eingebildetenErwiderung der anderen her. Hieraus erhellt, da die gttliche Liebe nicht anders kann als sein unddasein in anderen, die sie liebt und von denen sie geliebt wird: denn da dies bei aller Liebe ist, so mues so im hchsten Grad, das heit unendlich, in der ureigentlichen Liebe sein.

    49. Was Gott betrifft, so kann Lieben und Wiedergeliebtwerden nicht in solchen stattfinden, indenen sich etwas Unendliches oder etwas vom Wesen und Leben der Liebe an sich oder etwas vomGttlichen fnde: denn fnde sich in ihnen etwas Unendliches oder etwas vom Wesen und Leben derLiebe an sich, das heit etwas vom Gttlichen, dann wrde Er nicht von anderen geliebt, sondern Er

    liebte Sich. Das Unendliche nmlich oder das Gttliche ist einzig; fnde es sich in anderen, so wre esja es selbst, und Gott wre die Selbstliebe. Von dieser aber kann sich nichts in Gott finden; denn sie istdem gttlichen Wesen vllig entgegengesetzt. Darum wird jenes in solchen anderen seine Sttte finden,in denen nichts an sich Gttliches ist: da es in den vom Gttlichen Geschaffenen sich findet, wird manweiter unten sehen. Um aber seine Sttte zu finden, mu es die unendliche Weisheit sein, die vereint mitder unendlichen Liebe wirkt; das heit es mu die der gttlichen Weisheit angehrende gttliche Liebeund die der gttlichen Liebe angehrende gttliche Weisheit sein (wovon oben Nr. 34-39).

    50. Vom Erfassen und Erkennen dieses Geheimnisses hngt das Erfassen und Erkennen allerGeheimnisse des Entstehens oder der Schpfung, dann aller Geheimnisse des Bestehens oder derErhaltung durch Gott, das heit aller Werke Gottes im geschaffenen Weltall ab, wovon im Folgenden

    gehandelt werden soll.

    51. Eines aber bitte ich: menge nicht Zeit noch Raum in deine Vorstellungen; so viel nmlich beim Lesen des Nachfolgenden deinen Vorstellungen Zeit und Raum anhaftet, wirst du es nichtverstehen. Denn das Gttliche ist nicht in Zeit und Raum, was klar wird eingesehen werden in der Folgedieses Werkes, insbesondere in den Abschnitten von der Ewigkeit, Unendlichkeit und von derAllgegenwart.

    52. Alles im Weltall ist von der gttlichen Liebe und gttlichen Weisheit des Gottmenschenerschaffen. Das Weltall im Grten und Kleinsten und im Ersten und Letzten ist so voll gttlicherLiebe und gttlicher Weisheit, da man sagen kann, es sei die gttliche Liebe und die gttliche Weisheitim Abbild. Da dem so ist, gibt sich deutlich kund in dem Entsprechungsverhltnis aller Teile des

    Weltganzen mit allen Teilen des Menschen. Alles und jedes, was im geschaffenen Weltall Dasein hat,steht in solchem Entsprechungsverhltnis mit allem und jedem im Menschen, so da man sagen kann,auch der Mensch sei eine Welt. Es besteht ein Entsprechungsverhltnis seiner Triebe und der Gedankenaus ihnen mit allem im Tierreich; seines Willens und aus ihm seines Verstandes mit allem imPflanzenreich; und seines untersten Lebens mit allem im Mineralreich. Da ein solchesEntsprechungsverhltnis bestehe, wird niemandem in der natrlichen Welt bemerkbar, jedem aber, derdarauf achtet, in der geistigen Welt. In letzterer Welt findet sich alles, was in der natrlichen Welt inderen drei Reichen vorkommt, und zwar als Entsprechungen der Triebe und der Gedanken (der Triebeaus dem Willen, und der Gedanken aus dem Verstand), dann des Untersten des Lebens in denen, diedort sind; und zwar erscheint jenes und dieses um sie herum in derselben Gestalt, die das erschaffeneWeltall hat, nur mit dem Unterschied, da es ein kleineres Abbild ist. Hieraus wird den Engeln deutlich

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    kund, da das erschaffene Weltall ein Abbild des Gottmenschen ist und da es Seine Liebe undWeisheit ist, was im Weltall sich im Bilde darstellt. Nicht da das erschaffene Weltall der Gottmenschwre, sondern da es von Ihm her ist. Denn gar nichts im erschaffenen Weltall ist Substanz und Forman sich, noch Leben an sich, noch Liebe und Weisheit an sich, ja nicht einmal der Mensch ist Menschan sich, sondern alles ist von Gott, Welcher der Mensch, die Liebe und Weisheit, die Substanz und

    Form an sich ist. Was an sich ist, das ist das Unerschaffene und Unendliche; was aber von Ihm ist, dasist, weil es nichts bei sich enthlt, das in sich wre, erschaffen und endlich, und dieses stellt Sein Bilddar, von dem es ist und sein Dasein hat.

    53. Vom Erschaffenen und Endlichen kann man zwar sagen, da es sei und sein Dasein habe,dann da es Substanz und Form, sowie auch Leben, ja Liebe und Weisheit sei, aber alles dieses isterschaffen und endlich. Der Grund, warum man so sagen kann, ist nicht, da es etwas Gttliches htte,sondern da es im Gttlichen ist und da das Gttliche in ihm ist: denn alles, was erschaffen ist, ist ansich unbeseelt und tot; es wird aber beseelt und belebt dadurch, da das Gttliche in ihm ist und es imGttlichen.

    54. Das Gttliche ist nicht anders in dem einen Trger als in dem anderen; vielmehr ist ein

    erschaffener Trger anders als der andere, denn es gibt nicht zwei, die ebendasselbe wren, und daherist das Enthaltende ein anderes, weshalb das Gttliche in Seinem Bilde als ein Mannigfaltiges erscheint.Von Seiner Gegenwart in entgegengesetzten Dingen wird im Folgenden die Rede sein.

    55. Alles im erschaffenen Weltall ist Aufnahmegef der gttlichen Liebe und gttlichenWeisheit des Gottmenschen. Es ist bekannt, da alles und jedes im Weltall von Gott erschaffen ist,daher das Weltall mit allem und jedem in ihm im Wort ein Werk der Hnde Jehovahs heit. Man sagt,die Welt in ihrem Inbegriff sei aus Nichts erschaffen, und vom Nichts hat man die Vorstellung einesvlligen Nichts, whrend doch aus dem vlligen Nichts nichts wird, noch etwas werden kann. Dies isteine ausgemachte Wahrheit, weshalb das Weltall, das ein Bild Gottes, und daher voll Gottes ist, nur inGott aus Gott erschaffen werden konnte; denn Gott ist das Sein selbst, und aus dem Sein mu das sein,

    das ist; aus dem Nichts, das nicht ist, erschaffen was ist, ist vllig widersprechend. Gleichwohl jedochist das in Gott aus Gott Erschaffene nicht ein Stetiges [continuum] von Ihm, denn Gott ist das Sein anSich, und im Erschaffenen ist kein Sein an sich; wre im Erschaffenen ein Sein an sich, so wre es einStetiges von Gott, und ein Stetiges von Gott ist Gott. Die Vorstellung der Engel hiervon ist die, da dasin Gott aus Gott Erschaffene sich verhalte wie das im Menschen, das aus seinem Leben gezogen, vondem aber das Leben entzogen ist, und das von der Art ist, da es mit seinem Leben bereinstimmt,gleichwohl aber nicht sein Leben ist. Dies belegen die Engel mit vielem, was in ihrem Himmelvorkommt, wo sie sagen, sie seien in Gott und Gott in ihnen, und doch haben sie nichts von Gott, wasGott ist, in ihrem Sein. Mehreres, womit sie jenes besttigen, soll im Folgenden angefhrt werden; hierdiene nur jenes zur Nachricht.

    56. Alles Erschaffene ist vermge dieses Ursprungs seiner Natur nach so beschaffen, da es ein

    Aufnahmegef Gottes ist, nicht als ein stetig mit Ihm Zusammenhngendes [non per continuum],sondern als ein Ihn Berhrendes [per contiguum]; durch dieses und nicht durch jenes findet eineVerbindung statt, denn es ist bereinstimmend, weil es in Gott aus Gott erschaffen ist, und weil es soerschaffen ist, ist es eine hnlichkeit, und durch jene Verbindung ist es wie ein Bild Gottes im Spiegel.

    57. Daher kommt es, da die Engel nicht Engel von sich selbst sind, sondern da sie Engel sindvermge jener Verbindung mit dem Gottmenschen, und jene Verbindung geschieht gem derAufnahme des gttlich Guten und gttlich Wahren, welches Gott ist und von Ihm auszugehen scheint,obgleich es in Ihm ist. Die Aufnahme aber geschieht gem der Anwendung der Gesetze der Ordnung,welche die gttlichen Wahrheiten sind, aus sich vermge der Freiheit, zu denken und zu wollen nach derVernunft, die sie vom Herrn haben, wie wenn sie ihr Eigentum wre. Dadurch findet eine Aufnahme des

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    gttlich Guten und des gttlich Wahren wie von ihnen statt und dadurch das Gegenseitige der Liebe;denn, wie gesagt, es gibt keine Liebe, wenn sie nicht gegenseitig ist. In hnlicher Weise verhlt es sichmit den Menschen auf Erden. Aus dem Gesagten kann man zunchst sehen, da alles im erschaffenenWeltall Aufnahmegef der gttlichen Liebe und der gttlichen Weisheit des Gottmenschen ist.

    58. Da auch das brige des Weltalls, das nicht wie die Engel und wie die Menschen ist,Aufnahmegef der gttlichen Liebe und der gttlichen Weisheit des Gottmenschen sei, wie das, wasunterhalb der Menschen im Tierreich, und was unterhalb dessen im Pflanzenreich und was unterhalbdessen im Mineralreich ist, kann dem Verstand noch nicht nahe gebracht werden; denn zuvor mu ersteiniges von den Graden des Lebens und von den Graden der Aufnahmegefe des Lebens gesagtwerden. Die Verbindung mit diesen geschieht je nach ihrer Brauchbarkeit; denn alle guten

    Nutzwirkungen haben ihren Ursprung nicht anderswoher als aus hnlicher Verbindung mit Gott, dieaber unhnlich ist in Rcksicht der Grade. Diese Verbindung wird im Herabsteigen nach und nach so,da nichts Freies mehr darin ist, weil nichts von Vernunft und daher auch kein Schein von Leben mehrdarin ist; und dennoch sind sie noch Aufnahmegefe, und weil sie Aufnahmegefe sind, sind sie auchrckwirkend, denn dadurch, da sie rckwirkend sind, haben sie Zusammenhalt. Von der Verbindungmit den nicht guten Auswirkungen wird die Rede sein, wenn erst der Ursprung des Bsen gezeigt ist.

    59. Hieraus wird deutlich, da das Gttliche in allem und jedem des erschaffenen Weltalls ist,und da somit das erschaffene Weltall, wie es im Wort heit, ein Werk der Hnde Jehovahs, das heitein Werk der gttlichen Liebe und Weisheit ist, denn diese werden verstanden unter den HndenJehovahs. Obgleich aber das Gttliche in allen und jeden Dingen des erschaffenen Weltalls ist, so istdoch nichts an sich Gttliches ihnen eigen, denn das erschaffene Weltall ist nicht Gott, sondern vonGott; und weil es von Gott ist, so ist in ihm Sein Bild, wie das Bild eines Menschen im Spiegel, in demzwar der Mensch erscheint, obgleich in ihm nichts vom Menschen ist.

    60. Ich hrte mehrere in der geistigen Welt um mich her reden und sagen, sie wollen schonanerkennen, da in allem und jedem des Weltalls Gttliches sei, weil sie darin die Wunder Gottes sehen

    und um so grere, je innerlicher man dasselbe beschaue; als sie aber hrten, da in allem und jedemdes erschaffenen Weltalls das Gttliche wirklich wohne, rgerten sie sich; ein Zeichen, da sie zwar sosprechen, aber nicht so glauben. Man fragte sie daher, ob sie dies nicht schon sehen knnen an derwunderbaren Fhigkeit, die j edem Samen innewohne, in solcher Ordnung seine Pflanze hervorzubringenund bis zu neuem Samen durchzufhren; und da in jedem Samen ein Bild des Unendlichen und Ewigensei, da in ihm ein Streben sei, sich ins Unendliche und Ewige zu vervielfltigen und fruchtbar zumachen. Dann an jedem Tier, auch dem kleinsten, da in ihm Sinnesorgane seien, Gehirn, Herz, Lungeund so weiter mit Arterien, Venen, Fibern, Muskeln und von diesen aus Ttigkeiten, auer demStaunenswerten in ihrer Anlage, worber ganze Bcher geschrieben seien. Alle diese Wunder sind ausGott; die Formen aber, mit denen sie bekleidet sind, sind aus Stoffen der Erde genommen; aus ihnensind die Pflanzen und in ihrer Ordnung die Menschen; weshalb es vom Menschen heit, da er aus Erdeerschaffen worden, da er Erdenstaub sei und da die Seele der Leben ihm eingehaucht worden sei

    (1Mo.2/7), woraus erhellt, da das Gttliche nicht dem Menschen eigen, sondern ihm beigesellt ist.

    61. Alles, was erschaffen ist, stellt in einem gewissen Bild den Menschen dar.Das zeigt sichin allem und jedem im Tierreich, in allem und jedem im Pflanzenreich und in allem und jedem imMineralreich. Die Beziehung auf den Menschen in allem und jedem des Tierreichs wird durch folgendesklar: da die Tiere jeder Art Glieder haben, mittels welcher sie sich bewegen, Organe, mittels welchersie empfinden, und Eingeweide, mittels welcher sie jenes in Ttigkeit setzen, was sie mit dem Menschengemeinsam haben. Sie haben auch Begierden und Triebe, hnlich den Naturtrieben des Menschen; siehaben ferner auch angeborene Kenntnisse, welche ihren Trieben entsprechen, und in einigen von diesenerscheint etwas dem Geistigen hnliches, was bei den Landtieren, den Vgeln des Himmels, bei denBienen, Seidenwrmern, Ameisen usw. mehr oder weniger vor Augen liegt; wovon die Folge ist, da die

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    blo natrlichen Menschen die lebendigen Geschpfe dieses Reiches zu ihresgleichen machen mitAusnahme der Sprache.Die Beziehung auf den Menschen bei allem und jedem des Pflanzenreichs wirddurch folgendes klar: da sie aus einem Samen hervorgehen und aus ihm nach und nach zu ihrenLebensaltern fortschreiten, da sie etwas der Begattung und nach dieser der Fortpflanzung hnlicheshaben; da ihre Pflanzenseele der Nutzzweck ist, dessen Formen sie sind, und mehreres dergleichen,

    was Beziehung auf den Menschen hat, und auch von einigen beschrieben worden ist.Die Beziehung aufden Menschen bei allem und jedem im Mineralreich erscheint blo an dem Streben, Formen, welcheeine Beziehung haben, hervorzubringen (dergleichen, wie gesagt, alles und jedes im Pflanzenreich ist),und so Nutzen zu schaffen. Denn sobald der Same in den Scho der Erde gelegt wird, hegt sie ihn undgibt aus sich von allen Seiten her Nahrung, damit er aufsprosse und sich als ein Abbild des Menschendarstelle. Da ein solches Streben auch in seinen trockenen Teilen sei, tut sich an den Korallen auf demGrund der Meere und an den Blumen in den Bergwerken, den Metallen kund, wo sie sich aus Mineralenund auch aus Metallen bilden. Das Streben, in Vegetation berzugehen und so Nutzen zu schaffen, istdas Unterste aus dem Gttlichen im Erschaffenen.

    62. Wie die Minerale der Erde ein Streben haben in Vegetation berzugehen, so haben diePflanzen ein Streben, sich zu beleben. Daher so viele Arten von Insekten, die den riechenden

    Ausdnstungen derselben entsprechen. Da dies nicht von der Wrme der Weltsonne herkomme,sondern mittels ihrer aus dem Leben je nach den Aufnahmegefen, wird man im Folgenden sehen.

    63. Da alle Dinge im erschaffenen Weltall eine Beziehung auf den Menschen haben, kann manaus dem, was angefhrt worden, zwar entnehmen, aber nicht deutlich sehen. In der geistigen Welthingegen sieht man es deutlich; auch dort befinden sich alle Dinge der drei Reiche. Der Engel befindetsich mitten unter denselben, sieht sie um sich her und wei auch, da sie Bilder von ihm sind; ja, wenndas Innerste seines Verstandes aufgeschlossen wird, erkennt er sich und sieht sein Bild in ihnen, kaumanders als in einem Spiegel.

    64. Aus diesen und vielen anderen bereinstimmungen, die hier nicht angefhrt werden knnen,

    kann man gewi wissen, da Gott Mensch ist und da das erschaffene Weltall Sein Bild ist; denn esfindet eine allgemeine Beziehung aller Dinge auf Ihn statt, wie es eine besondere Beziehung auf denMenschen gibt.

    65. Die Nutzzwecke aller Dinge, die erschaffen worden, steigen stufenweise auf vomUntersten zum Menschen und durch den Menschen hindurch zu Gott, dem Schpfer, von Dem sieausgegangen. Das Unterste sind, wie oben gesagt worden ist, alle und jede Dinge des Mineralreichs,nmlich die materiellen Stoffe verschiedener Art, von steinerner, salziger, liger, mineralischer,metallischer Substanz, berzogen mit einer Erde, bestehend aus vegetabilischen und mineralischenStoffen, die in den kleinsten Staub zerfallen: in diesen liegt Endzweck [finis] und auch Anfang[principium] aller Nutzwirkungen [usuum], die aus dem Leben sind. Der Endzweck aller Nutzwirkungenist das Streben, sie hervorzubringen, und der Anfang ist die wirkende Kraft aus jenem Streben: diese

    sind im Mineralreich. Das Mittlere ist alles und jedes im Pflanzenreich, nmlich Grser und Kruterjeder Art, Pflanzen und Gestruche jeder Art und Bume jeder Art. Ihre Nutzwirkungen sind fr allesund jedes im Tierreich, sowohl fr die unvollkommenen als die vollkommenen; sie nhren dieselben,ergtzen und beleben sie; sie nhren deren Krper mit ihren Stoffen, ergtzen deren Sinne mit ihremGeschmack, Geruch und ihrer Schnheit und beleben ihre Triebe: das Streben hierzu liegt auch vomLeben in ihnen. Das Erste ist alles und jedes im Tierreich; das Unterste in diesem nennt man Wrmerund Insekten, das Mittlere Geflgel und Tiere des Landes [bestiae], und das Oberste Mensch; denn in

    jedem Reich gibt es ein Unterstes, ein Mittleres und ein Oberstes, das Untere zum Gebrauch desMittlern, und das Mittlere zum Gebrauch des Obersten: so steigen der Ordnung nach dieGebrauchsbestimmungen aller erschaffenen Dinge auf vom Untersten bis hinauf zum Menschen,welcher der Erste in der Ordnung ist.

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    66. Es gibt drei Grade des Aufsteigens in der natrlichen Welt und drei Grade des Aufsteigensin der geistigen Welt: alle Tiere sind Aufnahmegefe des Lebens; die vollkommeneren Tiere sindAufnahmegefe des Lebens der drei Grade der natrlichen Welt, die weniger vollkommenen sindAufnahmegefe zweier Grade dieser Welt, und die unvollkommenen sind Aufnahmegefe einesGrades derselben. Der Mensch allein aber ist Aufnahmegef des Lebens der drei Grade nicht nur der

    natrlichen, sondern auch der drei Grade der geistigen Welt. Daher kommt es, da der Mensch sich berdie Natur erheben kann anders als jedes Tier. Er kann folgerichtig und vernnftig nachdenken berbrgerliche und sittliche Dinge, die innerhalb der Natur sind, und kann auch nachdenken ber geistigeund himmlische Dinge, die ber der Natur sind, ja, er kann sich zur Weisheit erheben, bis er Gott schaut.Doch von den sechs Stufen, durch welche die Nutzzwecke aller erschaffenen Dinge der Ordnung nachaufsteigen bis zu Gott dem Schpfer, soll an seinem Ort die Rede sein. Aus diesem kurzen Abri kannman sehen, da alle erschaffenen Dinge aufsteigen zum Ersten, welcher allein das Leben ist, und da dieNutzleistungen aller Dinge die eigentlichen Aufnahmegefe des Lebens und daher es auch die Formender Nutzleistungen sind.

    67. Mit wenigem soll auch gesagt werden, wie der Mensch von der letzten Stufe zur erstenaufsteigt, das heit erhoben wird. Er wird geboren in die unterste Stufe der natrlichen Welt und

    hernach durch Kenntnisse erhoben in die zweite Stufe, und wie er durch die Kenntnisse seinen Verstandvervollkommnet, wird er in die dritte Stufe erhoben, und dann wird er vernnftig. Drei Stufen desAufsteigens in der geistigen Welt sind in ihm ber den drei natrlichen Stufen, und sie erscheinen nichteher, als bis er den irdischen Krper abgelegt hat. Hat er diesen abgelegt, so wird ihm die erste geistigeStufe aufgeschlossen, hernach die zweite und zuletzt die dritte, jedoch blo bei denen, die Engel desdritten Himmels werden: diese sind es, die Gott schauen. Engel des zweiten und des untersten Himmelswerden die, bei denen die zweite und die unterste Stufe aufgeschlossen werden kann. Jede geistige Stufe

    beim Menschen wird aufgeschlossen je nach der Aufnahme der gttlichen Liebe und Weisheit vomHerrn; die etwas davon aufnehmen, kommen auf die erste oder unterste geistige Stufe; die mehraufnehmen, auf die zweite oder mittlere geistige Stufe, und die viel aufnehmen, auf die dritte oderhchste geistige Stufe; die aber nichts davon aufnehmen, bleiben auf den natrlichen Stufen und

    entlehnen von den geistigen Stufen blo das, da sie denken und infolgedessen reden knnen so wieauch wollen und infolgedessen handeln, aber nicht verstndig.

    68. In Beziehung auf die Erhebung der inneren Regionen des Menschen, die das Gebiet seinesGemtes ausmachen, mu man auch folgendes wissen. In allem von Gott Erschaffenen ist Rckwirkung;nur dem Leben kommt ein Wirken zu, und die Rckwirkung wird geweckt durch das Wirken desLebens. Jene Rckwirkung erscheint als Eigentum des Erschaffenen, weil sie da ist, sobald es inTtigkeit gesetzt wird: mithin erscheint sie im Menschen als das seine, weil er nicht anders fhlt, als dadas Leben sein sei, whrend doch der Mensch blo ein Aufnahmegef des Lebens ist. Darin liegt derGrund, da der Mensch aus seinem Erbbel heraus wider Gott wirkt; sowie er aber glaubt, da all seinLeben von Gott sei, und alles Gute des Lebens von der Ttigkeit Gottes herkomme, und alles Bse desLebens von der Rckwirkung des Menschen, so wird seine Rckwirkung zu einem Teil des Wirkens,

    und der Mensch ist ttig mit Gott wie von sich. Das Gleichgewicht aller Dinge rhrt vom Wirken undder Rckwirkung zugleich her, und im Gleichgewicht soll alles sein. Dies ist gesagt worden, damit derMensch nicht glaube, da er von sich selbst zu Gott aufsteige, sondern vom Herrn.

    69. Das Gttliche erfllt alle Rume des Weltalls unabhngig vom Raum. Zweierlei ist derNatur eigen, Raum und Zeit: aus diesen bildet der Mensch in der natrlichen Welt die Vorstellungenseines Denkens und aus ihnen seinen Verstand. Bleibt er in diesen Vorstellungen und erhebt nicht seinGemt ber sie, so kann er durchaus nichts Geistiges und Gttliches fassen; denn er hllt es ein in dieVorstellungen, die von Raum und Zeit entlehnt sind, und inwieweit er dies tut, insoweit wird das Lichtseines Verstandes blo natrlich, und aus diesem denken und Schlsse ziehen ber das Geistige undGttliche, ist wie aus dem Dunkel der Nacht ber das denken, was blo im Licht des Tages erscheint.

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    Daher der Naturalismus. Wer aber sein Gemt zu erheben wei ber die Vorstellungen des Denkens, dievon Raum und Zeit etwas an sich haben, der geht aus dem Dunkel in das Licht ber, erkennt dasGeistige und Gttliche und sieht zuletzt auch, was in ihm und aus ihm ist; und dann treibt er aus diesemLicht das Dunkel des natrlichen Lichtes aus und verweist dessen Tuschungen aus der Mitte gegen dieSeiten. Jedermann, der Verstand hat, kann sein Denken ber jenes der Natur Eigene erheben, erhebt es

    auch wirklich und besttigt dann und sieht, da das Gttliche, weil allgegenwrtig, nicht im Raum ist;und er kann auch das, was oben angefhrt worden ist, begrnden und sehen. Leugnet er aber diegttliche Allgegenwart und schreibt der Natur alles zu, so will er nicht erhoben werden, obgleich er eskann.

    70. Jene zwei Eigenheiten der Natur, die, wie gesagt, Raum und Zeit sind, legen alle ab, welchesterben und Engel werden; denn alsdann kommen sie in geistiges Licht, in welchem die Gegenstndedes Denkens Wahrheiten sind und die Gegenstnde des Gesichtes hnliches wie in der natrlichen Welt,aber ihren Gedanken Entsprechendes. Die Gegenstnde ihres Denkens, die, wie gesagt, Wahrheitensind, haben nichts von Raum und Zeit an sich. Die Gegenstnde ihres Gesichts aber erscheinen zwar wiein Raum und Zeit, gleichwohl aber denken sie nicht aus diesen. Die Ursache ist, da die Rume undZeiten daselbst nicht fest sind wie in der natrlichen Welt, sondern vernderlich, je nach den Zustnden

    ihres Lebens, weshalb dafr in den Vorstellungen ihres Denkens Lebenszustnde sind, fr die Rumesolches, was sich auf die Zustnde der Liebe bezieht, und fr die Zeiten solches, was sich auf dieZustnde der Weisheit bezieht. Daher kommt es, da das geistige Denken und somit auch das geistigeReden so sehr verschieden ist vom natrlichen Denken und dem Reden aus diesem, da sie auer demInneren der Dinge, welches alles geistig ist, gar nichts gemein haben. Von diesem Unterschied sollanderwrts mehr gesagt werden. Da nun die Gedanken der Engel nichts von Raum und Zeit herleiten,sondern von Zustnden des Lebens, so ist offenbar, da sie es nicht verstehen, wenn man sagt, dasGttliche erflle die Rume; denn sie wissen nicht, was Rume sind; da sie es aber ganz gut begreifen,wenn man ohne die Vorstellung irgendwelchen Raumes sagt, das Gttliche erflle alles.

    71. Um zu zeigen, da der blo natrliche Mensch von geistigen und gttlichen Dingen

    rumlich denkt und der geistige Mensch unabhngig vom Raum, diene folgendes zur Beleuchtung. Derblo natrliche Mensch denkt mittels der Vorstellungen, die er sich von den Gesichtsgegenstndenerworben hat, in denen allen eine Gestalt ist, die eine Lnge, Breite und Hhe hat, und eine durch diese

    begrenzte Form, die entweder eckig oder rund ist. Dergleichen ist offenbar enthalten in denVorstellungen seines Denkens vom Sichtbaren auf der Welt und auch in seinen Denkbildern vom

    Nicht-Sichtbaren wie dem Brgerlichen und Sittlichen; er sieht es zwar nicht; es ist aber gleichwohl alsetwas Stetiges darin enthalten. Anders der geistige Mensch, besonders der Engel des Himmels, dessenDenken nichts gemeinsam hat mit der Gestalt und Form, die etwas von rumlicher Lnge, Breite undHhe an sich hat, sondern vom Zustand der Sache aus dem Zustand des Lebens. Statt der rumlichenLnge denkt er sich daher das Gute der Sache aus dem Guten des Lebens; statt der rumlichen Breitedas Wahre der Sache aus dem Wahren des Lebens; und statt der Hhe ihre Grade. So denkt er vermgeder Entsprechung, die zwischen geistigen und natrlichen Dingen untereinander besteht. Von dieser

    Entsprechung rhrt es her, da die Lnge im Wort das Gute einer Sache bezeichnet, die Breite dasWahre einer Sache und die Hhe ihre Grade. Hieraus wird klar, da der Engel des Himmels, wenn er andie gttliche Allgegenwart denkt, durchaus nicht anders denken kann, als da das Gttliche alles erflleunabhngig vom Raum; was aber der Engel denkt, das ist Wahrheit, weil das Licht, das seinen Verstanderleuchtet, die gttliche Weisheit ist.

    72. Dies ist das Grunddenken ber Gott; denn ohne es kann zwar das, was gesagt werden sollvon der Schpfung des Weltalls, vom Gottmenschen, von Seiner Vorsehung, Allmacht, Allgegenwartund Allwissenheit, gefat, aber nicht behalten werden, weil der blo natrliche Mensch, indem er diesesfat, doch wieder zurckfllt in die Liebe seines Lebens, die in seinem Willen liegt und diese jeneszerstreut und den Gedanken in das Rumliche versenkt, in dem sein Licht ist, das er ein Vernunftlicht

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    heit, nicht wissend, da er insoweit unvernnftig wird, als er jenes leugnet. Da dem so sei, kann seineBesttigung finden in der Vorstellung der Wahrheit, da Gott Mensch ist. Lies einmal mitAufmerksamkeit, was oben (Nr. 11-13) und nachher gesagt worden ist, und du wirst einsehen, da essich so verhlt. Nun versenke aber dein Denken in das natrliche Licht, das im Raum befangen ist, obdu alsdann jenes nicht als Widersinniges ansehen, und wenn du dich tief hinein versenkst, es verwerfen

    wirst? Dies ist der Grund, warum man sagt, das Gttliche erflle alle Rume des Weltalls, und warumman nicht sagt, der Gottmensch erflle sie. Denn wenn man so sagte, so wrde das blo natrliche Lichtnicht beipflichten; dem aber, da das Gttliche sie flle, pflichtet es bei, weil dies bereinstimmt mit derRedensart der Theologen, da Gott allgegenwrtig sei und alles hre und wisse. Mehr hierber sehe manoben Nr. 7-10.

    73. Das Gttliche ist in aller Zeit ohne Zeit. Wenn das Gttliche in allem Raum ohne Raumist, so ist es auch in aller Zeit ohne Zeit; denn nichts, was der Natur eigen ist, kann vom Gttlichenausgesagt werden, und der Natur sind eigen Raum und Zeit. Der Raum in der Natur ist mebar undebenso auch die Zeit. Die Zeit wird gemessen durch Tage, Wochen, Monate, Jahre und Jahrhunderte,die Tage durch Stunden, die Woche und der Monat durch Tage, das Jahr durch die vier Zeiten und dieJahrhunderte durch Jahre. Diese Messung entlehnt die Natur von der scheinbaren Umdrehung und

    Bewegung der Weltsonne. Anders aber ist es in der geistigen Welt, dort erscheint das Fortschreiten desLebens ebenfalls in der Zeit. Denn sie leben dort unter sich wie die Menschen der Welt unter sich, wasnicht mglich ist ohne den Schein einer Zeit. Allein die Zeit wird dort nicht in Zeiten abgeteilt wie inder Welt, denn ihre Sonne ist bestndig in ihrem Aufgang, ohne sich je von da wegzubewegen; denn esist die gttliche Liebe des Herrn, die ihnen als Sonne erscheint. Sie haben daher keine Tage, Wochen,Monate, Jahre, Jahrhunderte, sondern anstatt derselben Lebenszustnde, durch die eine Unterscheidungeintritt, die man aber nicht eine Unterscheidung in Zeiten nennen kann, sondern in Zustnde. Daherkommt es, da die Engel nicht wissen, was Zeit ist, und da sie, wenn diese genannt wird, anstattderselben an den Zustand denken; bestimmt aber der Zustand die Zeit, so ist die Zeit ein bloer Schein,denn das Angenehme des Zustandes macht, da die Zeit kurz erscheint, und das Unangenehme desZustandes macht, da die Zeit lang erscheint: also, da die Zeit dort blo die Beschaffenheit des

    Zustandes ist. Daher kommt es, da durch Stunden, Tage, Wochen, Monate und Jahre im Wort Zustndeund deren Fortschritte der Reihe nach und zusammengenommen bezeichnet werden, und da, wenn vonder Kirche Zeiten ausgesagt werden, unter ihrem Morgen verstanden wird ihr erster Zustand, unter demMittag ihre Flle, unter dem Abend ihre Abnahme und unter der Nacht ihr Ende: hnliches unter denvier Jahreszeiten, dem Frhling, dem Sommer, dem Herbst und dem Winter.

    74. Hieraus wird deutlich, da die Zeit eins ausmacht mit dem Denken aus der Neigung heraus;denn die Zustandsbeschaffenheit des Menschen kommt daher. Da die Abstnde im Fortschreiten durchdie Rume in der geistigen Welt eins ausmachen mit dem Fortschreiten der Zeiten, kann durch vieles insLicht gesetzt werden; denn die Wege dort werden je nach dem Verlangen, das ein Ergebnis des Denkensaus der Neigung heraus ist, wirklich abgekrzt, und ebenso umgekehrt auch verlngert. Daher kommt es,da man auch von Zeitrumen spricht. In Fllen aber, in denen das Denken sich nicht mit der eigenen

    Neigung des Menschen verbindet, erscheint keine Zeit, wie in den Trumen.

    75. Da nun die Zeiten, die etwas der Natur in ihrer Welt eigentmliches sind, in der geistigenWelt bloe Zustnde sind, die dort fortschreitend erscheinen, weil die Engel und Geister endlich sind,so folgt, da sie in Gott nicht fortschreitend sind, weil Er der Unendliche ist und das Unendliche in Ihmeins ist (nach dem, was oben Nr. 17-22 gezeigt worden ist), woraus folgt, da das Gttliche in aller Zeitohne Zeit ist.

    76. Wer dies nicht wei und nicht aus innerer Anschauung sich Gott zeitlos denken kann, derkann auch das Ewige nicht anders ansehen denn als ein Ewiges der Zeit; und alsdann mu er notwendigin Irrwahn geraten, wenn er sich Gott von Ewigkeit denkt; denn er denkt an einen Anfang, und ein

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    Anfang liegt einzig in der Zeit. Der Irrwahn, in den er gert, besteht alsdann darin, da Gott aus Sichhervorgegangen sei, infolgedessen er von selbst auf einen Ursprung der Natur aus sich verfllt, und vondieser Vorstellung durch nichts anderes befreit werden kann, als durch die geistige oderEngelvorstellung vom Ewigen, welche Vorstellung nichts mit der Zeit gemein hat, und wenn sie nichtsmit der Zeit gemein hat, so ist das Ewige und das Gttliche eins und ebendasselbe. Das Gttliche aber

    ist ein Gttliches in sich und nicht aus sich [a se]. Die Engel sagen, da sie sich zwar Gott von Ewigkeitdenken knnen, auf keine Weise aber eine Natur von Ewigkeit, noch weniger eine Natur aus sich undam allerwenigsten eine Natur, die eine Natur in sich wre. Denn was in sich ist, das ist das Sein selbst,aus dem alles ist, und das Sein an sich ist das Leben selbst, welches die gttliche Liebe der gttlichenWeisheit und die gttliche Weisheit der gttlichen Liebe ist. Dies ist den Engeln das Ewige, alsoerhaben ber der Zeit, wie das Unerschaffene ber dem Erschaffenen, oder das Unendliche ber demEndlichen, zwischen denen nicht einmal ein Verhltnis besteht.

    77. Das Gttliche ist im Grten und Kleinsten dasselbe. Dies folgt aus den beidenvorhergehenden Abschnitten, da nmlich das Gttliche in jedem Raum ohne Raum und in jeder Zeitohne Zeit sei. Es gibt aber grere und grte Rume, und es gibt kleinere und kleinste; und weil, wieoben gesagt worden ist, die Rume und Zeiten eins ausmachen, so verhlt es sich ebenso auch mit den

    Zeiten. Das Gttliche ist in ihnen dasselbe, weil das Gttliche nicht sich ungleich [varium], nochvernderlich ist, wie dies der Fall ist bei allem Rumlichen und Zeitlichen oder bei allem, was der Naturangehrt, sondern es ist unwandelbar [invariabile] und unvernderlich, und deshalb ist es berall undimmer dasselbe.

    78. Es scheint, als ob das Gttliche nicht dasselbe wre in dem einen wie im anderen Menschen,da es z.B. ein anderes wre im Weisen und im Einfltigen und ein anderes im Greis und im Kind.Allein dieser Schein ist eine Tuschung. Der Mensch ist ein anderer, das Gttliche aber ist nicht einanderes in ihm. Der Mensch ist das Aufnehmende und das Aufnehmende oder Aufnahmegef istverschieden. Der weise Mensch ist ein geeigneteres, also vollkommeneres Aufnahmegef dergttlichen Liebe und Weisheit als der einfltige Mensch; und der Greis, der zugleich weise ist, ist es

    mehr als das Kind und der Knabe; gleichwohl aber ist das Gttliche ein und ebendasselbe in dem einenund im anderen. Ebenso ist es eine aus dem Schein entspringende Tuschung, da das Gttlicheverschieden sei bei den Engeln des Himmels und bei den Menschen des Erdballs, weil die Engel desHimmels in unaussprechlicher Weisheit sind, nicht so aber die Menschen. Allein die scheinbareVerschiedenheit ist in den Trgern (subjectis) je nach Beschaffenheit der Aufnahme des Gttlichen undnicht im Herrn.

    79. Da das Gttliche dasselbe ist im Grten und im Kleinsten, kann deutlich gemacht werdenam Himmel und am Engel in ihm. Das Gttliche im ganzen Himmel und das Gttliche im einzelnenEngel ist ein und dasselbe, weshalb auch der ganze Himmel wie ein Engel erscheinen kann. Ebensoverhlt es sich mit der Kirche und mit dem Menschen derselben. Das Grte, in dem das Gttliche ist,ist der ganze Himmel und zugleich die ganze Kirche. Das Kleinste ist der Engel des Himmels und der

    Mensch der Kirche. Einige Male erschien mir auch eine ganze Gesellschaft des Himmels wie einEngelmensch; und es hie, da sie erscheinen knne als ein Mensch gro wie ein Riese und als einMensch klein wie ein Kind, und dies darum, weil das Gttliche dasselbe im Grten und im Kleinstenist.

    80. Das Gttliche ist auch ebendasselbe im Grten und im Kleinsten aller Dinge, dieerschaffen sind und nicht leben; denn es ist in allem Guten des Nutzens, der aus ihnen kommt. Da sieaber nicht leben, kommt daher, da sie nicht Formen des Lebens, sondern Formen von Nutzwirkungensind; und die Form ist je nach der Gte des Nutzens verschieden. Wie aber das Gttliche in ihnen sei,soll im Folgenden, wo von der Schpfung die Rede ist, gesagt werden.

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    81. Siehe vom Raum ab und leugne das Leere gnzlich, und dann denke dir die gttliche Liebeund die gttliche Weisheit als das Wesen selbst, das bleibt, wenn der Raum aus dem Gedanken entferntund das Leere geleugnet wird. Hernach denke aus dem Raum, und du wirst finden, da das Gttliche imGrten und Kleinsten des Raumes dasselbe ist; denn es gibt in dem Wesen, das nach Entfernung desRaumes bleibt, nichts Groes und Kleines, sondern nur Gleiches.

    82. Hier mge noch vom Leeren etwas stehen: Ich hrte einst Engel mit Newton ber das Leerereden und sagen, da sie sich mit der Vorstellung einer Leere, die gleich Nichts wre, nicht vertragenknnten, weil sie in ihrer Welt, die geistig ist und sich innerhalb oder oberhalb der Rume und Zeitender natrlichen Welt befinde, ebenso empfinden, denken, angeregt werden, lieben, wollen, atmen, jasogar sprechen und handeln, was durchaus nicht statthaben knnte in einer Leere, die gleich Nichtswre, weil Nichts nichts ist, und vom Nichts nicht etwas ausgesagt werden kann. Newton sagte, er wissewohl, da das Gttliche, welches ist, alles erflle, und da er selbst zurckschaudere vor derVorstellung des Leeren als eines Nichts, weil sie zerstrend fr alles sei. Er ermahnte diejenigen, dieber das Leere mit ihm sprachen, sich zu hten vor der Vorstellung des Nichts, und nannte sie einenIrrwahn, weil im Nichts durchaus keine Ttigkeit des Geistes mglich sei.

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    Zweiter Teil

    Die geistige und die natrliche Sonne

    83. Die gttliche Liebe und Weisheit erscheinen in der geistigen Welt als Sonne. Es gibtzwei Welten, die geistige und die natrliche, und zwar hat die geistige Welt nichts von der natrlichenund die natrliche Welt nichts von der geistigen; sie sind vllig voneinander geschieden und haben bloGemeinschaft durch Entsprechungen, und von welcher Art diese seien, ist schon anderwrts ausfhrlichgezeigt worden. Dies mag durch folgendes Beispiel deutlich werden: Die Wrme in der natrlichenWelt entspricht dem Guten der ttigen Liebe in der geistigen Welt, und das Licht in der natrlichenWelt entspricht dem Wahren des Glaubens in der geistigen Welt; da aber die Wrme und das Gute derttigen Liebe, desgleichen das Licht und das Wahre des Glaubens vllig geschieden sind, wer sieht dasnicht? Auf den ersten Blick erscheinen sie zwar so geschieden, wie wenn sie zwei vllig verschiedeneDinge wren; sie erscheinen so, wenn man bedenkt, was das Gute der ttigen Liebe gemeinsam habe mitder Wrme, und was das Wahre des Glaubens mit dem Licht, whrend doch die geistige Wrme jenesGute und das geistige Licht jenes Wahre ist. Obgleich sie aber an sich so geschieden sind, machen siedoch eins aus durch die Entsprechung. Sie machen so eins aus, da, wenn der Mensch im Wort Wrmeund Licht liest, alsdann die Geister und Engel, die beim Menschen sind, statt der Wrme sich ttigeLiebe denken und statt des Lichtes Glauben. Dies Beispiel ist angefhrt worden, damit man wisse, dadie zwei Welten, die geistige und die natrliche, so voneinander geschieden sind, da sie nichtsmiteinander gemeinsam haben, gleichwohl aber so geschaffen sind, da sie miteinander verkehren, javerbunden werden durch Entsprechungen.

    84. Da jene zwei Welten so voneinander geschieden sind, so kann man deutlich sehen, da diegeistige Welt unter einer anderen Sonne ist als die natrliche Welt. Denn in der geistigen Welt istebensowohl Wrme und Licht wie in der natrlichen Welt. Allein die Wrme daselbst ist geistig und das

    Licht in gleicher Weise, und die geistige Wrme ist das Gute der ttigen Liebe, das geistige Licht aberist das Wahre des Glaubens. Da nun Wrme und Licht ihren Ursprung nicht anderswoher haben knnenals aus einer Sonne, so ist offenbar, da in der geistigen Welt eine andere Sonne sein mu als in dernatrlichen Welt und da auch die Sonne der geistigen Welt ihrem Wesen nach von der Art sein mu,da aus ihr geistige Wrme und geistiges Licht hervorgehen kann, und da die Sonne der natrlichenWelt ihrem Wesen nach von der Art sein mu, da aus ihr natrliche Wrme hervorgehen kann. AllesGeistige aber, das sich auf Gutes und Wahres bezieht, kann nicht anderswoher entstehen als aus dergttlichen Liebe und der gttlichen Weisheit; denn alles Gute gehrt der Liebe an und alles Wahre derWeisheit: da es nicht anderswoher sein knne, kann jeder Weise sehen.

    85. Da es noch eine andere Sonne gibt als die der natrlichen Welt, war bisher unbekannt unddies darum, weil das Geistige des Menschen so sehr in sein Natrliches berging, da er nicht wute,was das Geistige ist, mithin auch nicht, da es eine geistige Welt, in der Geister und Engel sind,unterschieden und verschieden von der natrlichen Welt gibt. Da nun die geistige Welt bei denen, diein der natrlichen Welt sind, so sehr verborgen war, so gefiel es dem Herrn, das Gesicht meines Geisteszu ffnen, damit ich das, was in jener Welt ist, ebenso wie das in der natrlichen Welt sehen, undhernach jene Welt besch