Energie 2013

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2013 Das Stromnetz bald in neuer Hand?! Was bedeutet die Neuvergabe der Konzession für die Kunden? Die Energiewende ist beschlossene Sache – Wie wird sie erfolgreich umgesetzt? Weniger verbrauchen und sinnvoll sparen – Das hilft dem Geldbeutel und der Umwelt. ENERGIE ISTICK/FRANK PETERS

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Energie 2013

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2013Das Stromnetz bald in neuer Hand?!Was bedeutet die Neuvergabe der Konzession für die Kunden?

Die Energiewende ist beschlossene Sache –Wie wird sie erfolgreich umgesetzt?

Weniger verbrauchen und sinnvoll sparen –Das hilft dem Geldbeutel und der Umwelt.

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Energie 20132 B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 2 0 1 · D o n n e r s t a g , 2 9 . A u g u s t 2 0 1 3 ·· ·······················································································································································································································································································

M ancher versteht die ganze Aufre-gung nicht. Der Ölpreis sei inden letzten fünf Jahren um 50Prozent gestiegen und provo-

ziere lediglich die üblichen Aufregungsri-tuale der Autofahrer. Der zeitgleich ledig-lich um ein Drittel gekletterte Strompreishingegen wird im industriepolitischen Ma-nagerseminar als Initialzündung fürDeutschlands industriellen Abstieg be-schworen.

Der steigende Strompreis gilt jedenfallsals Menetekel einer schieflaufenden Ener-giewende. Deren hehres Ziel, die fossilenEnergieträger bis zum Jahr 2050 zu 80 Pro-zent durch erneuerbare Quellen abzulö-sen, ist vorübergehend in den Hintergrundgetreten. Jetzt geht es um Kosten und Kurs-korrekturen. Die Einschätzungen über denVerlauf der Energiewende fallen im zwei-ten Jahr ihrer Inszenierung weit auseinan-der. Zwischen „größtem politischen Ent-wicklungsprojekt in der deutschenGeschichte“ und „Milliardengrab“, ist jenach Sichtweise alles dabei. Aber ernst zunehmende Stimmen, die das Ganze amliebsten wieder abblasen würden, gibt esnur wenige.

20 Milliarden Euro für die Umlage

Als Preistreiber beim Strom ist die Umlageaus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz(EEG), also die Förderung für alternativeEnergien scheinbar leicht auszumachen.Deren anteiliger Aufwand von 1,30 Cent jeKilowattstunde im Jahr 2009 wächst dem-nächst wohl auf sechs Cent. Mit rund 20Milliarden Euro beschwert die Umlage indiesem Jahr die Stromrechnungen.

Für Claudia Kempfert, Energieexpertinam Deutschen Institut für Wirtschaftsfor-schung (DIW) hat diese Transparenz eineSchattenseite. Sie führe allzu leicht zu einer„Stigmatisierung der erneuerbaren Ener-

gien“. Auch ohne Energiewende hätten wirdurch Kohle, Öl und Gas steigende Kosten.„Das treibt auch den Strompreis“, sagt sie.Der scharfe Gegenwind für die Erneuerba-ren erklärt sich für sie dadurch: Erstmaligwürde eine Energieform durch die Anbin-dung an einen transparenten Verbraucher-preis gestützt. Bei Atomstrom oder Kohlesei dies früher viel subtiler geschehen.

Einer Studie der Deutschen Umwelt-hilfe (DUH) zufolge ist der Anteil derStromkosten an den Konsumausgaben pri-vater Haushalte von durchschnittlichknapp 2,4 Prozent 2012 auf knapp 2,5 Pro-zent im laufenden Jahr gestiegen. „Davonentfallen auf die EEG-Umlage 0,5 Prozent-punkte.“ Dies rechtfertige nicht den schril-len Tonfall der andauernden Preisdebatte,heißt es in dem Papier.

„Energie wird zum Luxusgut“, über-schrieb der Verband Berlin-Brandenburgi-scherWohnungsunternehmen (BBU) seinejüngste Auswertung der Wohnnebenkos-ten und gipfelte in der Forderung: „DieEnergiewende muss auf den Prüfstand.“Insbesondere der Strompreis habe sichvöllig von der Einkommensentwicklungabgekoppelt. „Das hat negative Auswir-kungen vor allem für untere und mittlereEinkommen“, so die BBU-Vorsitzende Ma-ren Kern. Allein seit 2011 sei der durch-schnittliche Strompreis in Berlin-Branden-burg um gut 20 Prozent gestiegen. Beieinem Verbrauch von 2 500 Kilowattstun-den im Jahr entspricht das einer Mehrbe-lastung um rund 55 Euro in Brandenburgund etwa 52 Euro in Berlin.

Wie die Studie der DUH allerdings auchzeigt, sind die strompreisbedingten Aus-wirkungen des EEG für die Wirtschaft der-zeit durchaus überschaubar. Das durchWind und Sonne geschaffene Stromange-bot wirke sich an der Strompreisbörse fürGroßverbraucher sogar vergünstigend aus.

Die Autoren stellen fest: „Für die großeMehrzahl der Industriebetriebe sind dieStromkosten nicht maßgeblich; selbst er-hebliche Strompreiserhöhungen im zwei-stelligen Prozentbereich schlagen sich inden Bilanzen lediglich im Promillebereichnieder.“ Nur für knapp die Hälfte des in-dustriellen Stromverbrauchs wird die volleUmlage überwiesen. Von den EEG-Umla-gekosten zahle die Industrie wegen vielerAusnahmeregelungen lediglich 30 Prozent.

Die mehr oder weniger berechtigte Fi-xierung auf den Strompreis ist allerdingsnicht der einzige Kritikpunkt am Energie-wende-Projekt. Michael Süß, Energie-Vor-stand bei Siemens, beanstandet zugleichden ungezügelten Ausbau der alternativenEnergieerzeugung. Das habe zu redundan-ten Strommengen geführt. Nach seinenBerechnungen liegen die Ausbaupläne vonBund und Ländern derzeit beim Dreifa-chen der typischen Spitzenlast, ohne dassausreichende Absicherungskapazitätenfür Tage vorhanden wären, an denen dieSonne nicht scheint und der Wind nichtbläst. Süß fordert, mehr in Speicher zu in-vestieren. Die gegenwärtig in Deutschlandinstallierten Kapazitäten von 44 Gigawatt-stunden würden nicht mal den Bedarf ei-ner Stunde absichern.

Solarwirtschaft am Pranger

Er kritisiert ebenso die mangelnde Auf-merksamkeit für Netzstabilität. „In der Ver-gangenheit gab es fünf, sechs Regelein-griffe im Jahr, heute sind es fasteintausend.“ Das sei ein Signal, dass dieVersorgungssicherheit nur über perma-nentes Regeln und Steuern gewährleistetwerden könne. Gegenwärtig gebe es über1,3 Millionen neue Einspeisequellen vor al-lem aus Photovoltaikanlagen, auf die dieNetze nur unzureichend ausgelegt seien.Die von der Kritik betroffene Solarwirt-

schaft sieht sich zu Unrecht am Pranger.Die Förderung für neue Solarstromanlagensei inzwischen so niedrig, dass sie denStrompreis nicht mehr in die Höhe treibe.Aufgrund der Fördereinschnitte habe sichdie Inlandsnachfrage zuletzt halbiert.„Wenn wir die Energiepreise langfristig sta-bilisieren wollen, brauchen wir mehr er-neuerbare Energien und nicht weniger“,sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführerdes Branchenverbandes BSW-Solar. Docheine Korrektur des EEG hält auch er für nö-tig. „Wir hätten in diesem Jahr auch ohneden Zubau einer einzigen Solar- oderWindkraftanlage eine Preissteigerung er-lebt. Das EEG hat sich grundsätzlich be-währt, doch die Kostenwälzung der Förde-rung muss reformiert werden. Die Preisean der Strombörse sind durch die Energie-wende stark gesunken. Doch beim Ver-braucher kommt davon kaum etwas an“,erklärt Körnig. Maßgeblich für den Umla-geanteil im Strompreis sei die Differenzzwischen den festgelegten Vergütungenund dem, was Alternativstrom an der Börseerzielt. Diese Erlöse wären derzeit viel zugering, weil alte längst abgeschriebeneKohlekraftwerke durch viel zu niedrige CO2

-Kosten immer mehr Strom produzieren.Auch Energieexperte Felix Christian

Matthes vom Öko-Institut hält eine Dros-selung erneuerbarer Energien nicht für dasGebot der Stunde. „Wenn wir die Ziele derEnergiewende ernst nehmen, müssen wirda jedes Jahr um zwei Prozent zulegen“,sagt er. Aus seiner Sicht geht es eher darum,den Strommarkt so umzubauen, dasskünftig auch erneuerbare Energien stärkermit Preissignalen konfrontiert werden. DasStromsystem sei aber nur eine Baustelleder Energiewende. „Die größte Leerstellebei der Energiewende haben wir in derAuseinandersetzung mit der Energieeffizi-enz.“ Da rede keiner darüber.

Ton R. Doesburg ist Vorstandsvorsit-zender des niederländischen Netz-betreibers Alliander AG. Das Toch-terunternehmen Alliander

Stadtlicht managt seit 2006 alle Ampelan-lagen in Berlin. Nun will der Konzern auchdas Stromnetz in der Hauptstadt überneh-men.

Herr Doesburg, wasmacht Deutschland undsein Energiemarkt, für einen niederländi-schen Netzbetreiber wie die Alliander AG in-teressant?

Vor allem die Situation in den Nieder-landen. Das Land ist in diesen Zeiten derEnergiewende, des Übergangs von fossilenauf erneuerbare Energieträger eigentlichzu klein, um dabei wirklich mitreden zukönnen. Die technologischen Veränderun-gen sind riesig, die Veränderungen im IT-Bereich sind riesig, die Veränderungen imEnergiebereich haben globalen Charakter.Wir versorgen zwar mit unseren 7 000 Mit-arbeitern über sieben Millionen Menschenmit Energie, aber wir müssen uns entwi-ckeln. Da kommt es uns sehr entgegen,dass der deutsche Markt sehr viele Ähn-lichkeiten aufweist. Die deutsche Techno-logie sehr gut ist. Also wenn wir uns entwi-ckeln wollen, dann gerne hier.

Würden Sie sagen, die Alliander AG ist einganz gewöhnliches Energieunternehmen,

„Unser Ziel ist, Berlin zum modernsten Netz Europas zu machen“Der Vorstandsvorsitzende der niederländischen Alliander AG, Ton R. Doesburg, würde gerne in der deutschen Hauptstadt investieren

oder gibt es typische Besonderheiten, die Sievon anderen der Branche unterscheiden?

Ich sage immer: Der ganze Energie-markt befindet sich im Wandel, und wirsind die neue Lösung. Damit meine ich, wirhaben kein Interesse mehr an der Energie-erzeugung wie früher, an der Gasproduk-tion. Das ist alles verkauft. Wir haben auchkeinen Vertrieb mehr. Wir sind gewisser-maßen derjenige Dienstleister, der dieStraßen der Stadt, also die energetischenNetze baut und wartet.

Sie sind zwar auch an anderen Orten inDeutschland aktiv, aber worin drückt sichIhr spezielles Interesse an Berlin und seinenNetzen aus?

Berlin ist eine wunderbare Stadt, klar.Aber aus der Sicht eines Energieunterneh-mens, wie dem unsrigen zählt, dass manmit einem Mal genügend Volumen hat, umwirklich mitreden zu können. Berlin hatdie verschiedenen Netze, die wir auch inden Niederlanden betreiben. Das macht esin dem Sinne für uns sehr einfach. Unddann gibt es in der Stadt natürlich jedeMenge Kontakte, die wir brauchen, um unsweiterzuentwickeln.

Wie sehen Sie Berlin als Herausforderung fürAlliander?Worauf stellen Sie sich ein?

Wir haben uns natürlich mit der Situa-tion beschäftigt und sehen die Möglich-

keit, die Netze besser zu betreiben als bis-her. Das ergibt sich aus denAnforderungen, die die Energiewende fürdie Stadt mit sich bringt, die so einige Ver-änderungen erfordern. Darüber hinausglauben wir, einiges effizienter machen zukönnen, als es bislang war.

Aber wenn Sie investieren werden, wie Sieandeuten, müssen Sie diese Investitionen re-finanzieren.Was bedeutet das aus Ihrer Sichtfür die künftigen Energiepreise, die die Berli-ner zu zahlen hätten?

Von heute aus gesehen, gehen wir da-von aus, dass die Preise gleich bleiben,oder sogar ein bisschen sinken. Aber selbstwenn sie steigen sollten, jedenfalls nicht

viel.Wir reden an der Stelle von dem Anteil,den wir beeinflussen können, dem Anteilder Netznutzungsentgelte im Strompreis.

Sie sagen, Sie könnten manches ein bisscheneffizienter machen, was zumBeispiel?

Bei uns käme alles aus einer Hand. Wirwürden ein Berliner Netzunternehmen in-stallieren, das wir dann gemeinsam mit derStadt betreiben. Wir sind kommunal, ge-nauso wie Berlin. Als kommunales Unter-nehmen wird man dann machen, was fürdie Stadt notwendig und für die Bürgerwichtig ist.

Sie wissen, dass viele Berliner inzwischen inEnergiefragen mitreden undmitentscheidenwollen.Wie würden Sie denn künftig für dienotwendige Transparenz in diesen Dingensorgen?

So wie wir das auch in den Niederlan-den machen. Wir haben überall im Landsogenannte Bürgerbeiräte, mit denen wirin engem Kontakt stehen. Das ist heutzu-tage Standard. Es wird nicht einfach einBautrupp losgeschickt, der die Straße auf-gräbt. Das wird gemeinsam geplant undkoordiniert. Das betrifft Strom, Gas,Wasserund wenn möglich auch die Telekommuni-kationsleitungen. Der Umstand, dass Bür-ger mit an Bord sind, hat sich in den Nie-derlanden sehr positiv ausgewirkt. DieseBürgerbeteiligung hat sogar dazu beigetra-

Alliander-ChefTon R. Doesburg

gen, dass die Kosten gesenkt werden konn-ten.

Wie stellen Sie sich das Berliner Netz vor?Wir würden dafür sorgen, dass das Netz

die modernen weltweit führenden, hollän-dischen Standards erreicht. Das bedeutet,dass wir die Digitalisierung der Netze zusogenannten Smart Grids vorantreiben.Damit ließen sich beispielsweise kleinereErzeuger zu virtuellen Kraftwerken zusam-menschalten, etwas das für kleinere Immo-bilienbesitzer wie für große Wohnungsun-ternehmen interessant ist. Wir haben dafürdas Know-how, und wir können es teilen.Unser Ziel ist, Berlin zum modernsten NetzEuropas zu machen. So, wie wir es bereitsin Amsterdam umgesetzt haben

Was hätten die Berliner davon, wenn Allian-der den Zuschlag für das Netz bekäme?

Sie dürften erwarten, dass das Netznach optimalen Kriterien geführt wird. Dasbedeutet, dass sie nicht mehr bezahlen, alsabsolut notwendig ist. Vielleicht erklärendie vier Eckpunkte der Alliander-Eigner ambesten, was die Berliner von uns erwartendürfen: Versorgungssicherheit, bezahlbarePreise, einen Beitrag zum Umweltschutz,hohe Kundenzufriedenheit. Unser An-spruch ist, dass sie als Minimum über 90Prozent betragen sollte.Das Interview führteMartinWoldt.

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Statt überStrompreisesollte mehrüber Energie-effizienzgeredetwerden.

WenigerKOHLEDie Stromkosten für Verbraucher und Industrie habendas Vorgehen bei der Energiewende ins Schlingerngebracht. Die Debatte verlangt immer stärker eineKurskorrektur. Aber wohin?

Von Martin Woldt

GETTY IMAGES/ISTOCKPHOTO/ZIRAFEK

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Energie 2013B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 2 0 1 · D o n n e r s t a g , 2 9 . A u g u s t 2 0 1 3 3 ·· ·······················································································································································································································································································

Gott sei Dank haben wir damals derVersuchung widerstanden“, sagtPotsdams Oberbürgermeister JannJakobs. Und freut sich rückwir-

kend, dass seine Stadt nicht der Not derleeren Kassen gehorchend, den Beschlussgefasst hat, die Potsdamer Stadtwerke(EWP) einst zu verkaufen. Potsdam gehö-ren heute 65 Prozent der Anteile, 35 Pro-zent der Eon edis AG. „Wir leben deshalbnicht auf der Insel der Seligen und könnenmal eben so beschließen, die Preise zu sen-ken, aber in gewissen Grenzen sind Spiel-räume da“, sagt Jakobs. Er verweist darauf,dass die Potsdamer Energiepreise im Städ-tevergleich stets eher im unteren Drittelanzutreffen sind.

Solche Spielräume wollen sich auch an-dere Kommunen zurückerobern. Seit 2007sind mehr als 60 Stadtwerke-Neugründun-gen und mehr als 200 Konzessionsüber-nahmen durch Kommunen und kommu-nale Unternehmen erfolgt, berichtet derVerband Kommunaler Unternehmen(VKU). Auch in Berlin gibt es das Ziel, dieVerantwortung wieder selbst zu überneh-men. Ende des Jahres läuft die Konzessionmit der Gasag für das Gasnetz, ein knappesJahr später die mit Vattenfall für das Strom-netz aus. Doch kann das Land Berlin diegegenwärtigen Betreiber nicht einfach soablösen. Es muss sich mit anderen Bewer-bern beim eigenen Finanzsenator mit ei-nem Angebot in die Bewerberschlangestellen. Mit der landeseigenen GesellschaftBerlin-Energie sollen dann die Netze wie-der in eigene Hände gelangen. Nach einerForsa-Umfrage befürworten 73 Prozent derBerliner die Überführung der Stromversor-gung in die öffentliche Hand.

Volksentscheid im November

Doch nicht alle wollen die Angelegenheitdem Senat allein überlassen. Auf Initiativedes Berliner Energietischs wird es am3. November einen Volksentscheid geben.Ziel ist, die Hauptstadt auf die Rückerobe-rung ihres Stromnetzes einzuschwörenund sie zur Gründung einer eigenen Netz-gesellschaft und eines eigenen Stadtwer-kes zu verpflichten. Damit wollen die In-itiatoren dieRekommunalisierungstendenzen in derStadt per Gesetz unumkehrbar machen.Hinter dem Bündnis stehen Umwelt- undSozialverbände, Mietervereine und Bür-gerinitiativen. Eine entsprechende Unter-schriftensammlung zum Auslösen desVolksbegehrens hatten zum Stichtag imJuni fast 230 000 Berliner unterstützt. Umdie Ziele des Volksbegehrens verbindlichzu machen, sind nun die Mehrheit undrund 625 000 Zustimmungen notwendig.

Widerstand gegen die Rekommunali-sierungstendenzen gibt es allerdings auch.Am offensten wird dieser von der Indus-trie- und Handelskammer (IHK) und derHandwerkskammer artikuliert. „Im mit 63Milliarden Euro verschuldeten Berlin fehltdafür schlichtweg das Geld. Der gesamteKauf der Netze, deren Preis noch nicht be-kannt ist, müsste mit Krediten fremdfinan-ziert werden. Nahezu alles, was mit demNetz verdient würde, müsste in den kom-menden 20 Jahren in die Schuldentilgunggesteckt werden“, sagt der IHK-Bereichs-leiter Energie und Umwelt Henrik Vagt.Demgegenüber glaubt der Sprecher des

Berliner Energietischs, Stefan Taschner:„Trotz Schuldenlast lässt sich der Rückkauffinanzieren und führt langfristig sogar zusicheren Einnahmen. Ein Finanzierungs-modell wäre die Aufnahme von Kommu-nalkrediten zu etwa vier Prozent Zinsen.Bei einer Rendite von derzeit sieben Pro-zent aus dem Netzbetrieb lässt sich diesergut bedienen.“

Denjenigen, die auf günstigere Strom-preise mit Hilfe eines eigenen Stadtwerkeshoffen, rechnet die IHK vor: Wollte einneuer Anbieter den zurzeit günstigsten Ta-rif des Grundversorgers unterbieten,müsste er die Kilowattstunde Strom(KW/h) für Privatkunden für weniger als 18Cent netto anbieten. Ziehe man davon diefesten Kostenanteile für Netzentgelte, Kon-zessionsabgabe, Stromsteuer, KWK-Um-lage sowie EEG-Umlage ab, bliebe eineMarge von 5,4 Cent pro KW/h, die kaumzur Deckung der Beschaffungskosten ander Strombörse reichen dürfte.

„Transparent und diskriminierungsfrei“

Eine breite Akzeptanz der Entscheidungzur Neuvergabe der Konzessionen dürfteletztlich von einem nachvollziehbarentransparenten Verfahren abhängen. Im-merhin bewirbt sich die landeseigene Ber-lin-Energie mit der zuständigen Senatsver-waltung für Stadtentwicklung und Umweltim Hintergrund bei der für die Vergabe zu-ständigen Senatsverwaltung für Finanzen,der Herrin des Konzessionsverfahrens.Letztere unterstreicht ihre neutralen Ent-scheidungskriterien. Demnach werde man„ein transparentes und diskriminierungsf-reies Verfahren durchführen“, das keinerleiBevorzugung des landeseigenen Bewer-bers zulässt. Nur wenn der landeseigeneBetrieb das „beste Angebot“ abgibt, könneer den Zuschlag bekommen.

Was als bestes Angebot zu gelten hat,richtet sich nach den Kriterien des Konzes-sionsrechts. Demnach muss eine Offerteeine „möglichst sichere, preisgünstige, ver-braucherfreundliche, effiziente und um-weltverträgliche Versorgung mit Elektrizi-tät und Gas“ gewährleisten. Andererseitsdürfe es kein Verlangen geben, etwa nur„Strom aus regenerativer Erzeugungdurchzuleiten“ oder die„energetischen Sa-nierungen für den Verbraucher zu finan-zieren“. Die Kriterien sollen noch weiterpräzisiert und im nächsten Verfahrensbriefveröffentlicht werden.

Im Vergabeverfahren für das Gasnetz istdieser zweite Brief inzwischen erschienenund schildert auch die Wertungsmaßstäbe,die an das Bewerberangebot angelegt wer-den. Eine Punktetabelle gewichtet Dingewie die Sicherheit des Netzbetriebes, Ver-braucherfreundlichkeit oder günstigePreise für die Kunden. Aussagen zur Ver-sorgungssicherheit können doppelt soviele Punkte wie die zu den Preisabsichtenerhalten. Nach dem ursprünglichen Zeit-plan sollen die Gebote im Oktober ausge-wertet werden. Im November soll das Ab-geordnetenhaus über die neueGaskonzession befinden. Der Zeitplan fürdie Stromkonzession ist ähnlich gestaffeltund sieht die Entscheidung der Abgeord-neten für September oder Oktober 2014vor. Beide Entscheidungen haben langfris-tige Auswirkungen und betreffen dienächsten 20 Jahre.

Vattenfall Europe: Der schwedi-sche Konzern ist in Berlin Erzeugerund mit seiner Tochter, der Strom-netz Berlin GmbH auch aktuellerBetreiber des rund 35000 Kilome-ter langen Berliner Netzes.

State Grid Corporation of China(SGCC): Das 2002 vom chinesi-schen Staat gegründete Unter-nehmen ist der große Stromnetz-betreiber Chinas. Das Unterneh-men soll mehr als 1,5 MillionenMitarbeiter haben.

Thüga AG: Das Unternehmen willgemeinsam mit dem Land Berlindas Stromnetz betreiben. LautEigenaussage ist es das größteNetzwerk kommunaler Energie-und Wasserdienstleister inDeutschland mit rund 100 Stadt-werken.

BürgerEnergieBerlin: Die BerlinerGenossenschaft bietet für dasStromnetz und will es gemeinsammit Berlin betreiben. Die Genos-senschaft hat etwa 1200 Mitglie-der, deren Anteile rund 5,5 Millio-nen Euro betragen.

Alliander AG: Der größte Netzbe-treiber der Niederlande bewirbtsich mit seiner deutschen Tochtersowohl um das Gas- wie um dasStromnetz. Der Mutterkonzern istein Zusammenschluss von Kom-munen und Provinzen und konzen-triert sich auf den Netzbetrieb.

NBB: Hinter dem Kürzel steht dieNetzgesellschaft Berlin-Branden-burg, die ihr Angebot aufs Gasnetzkonzentriert. Die Gasag-Tochterhat 416 Mitarbeiter und betreibtNetze in mehr als 160 Städten.

Gasag/NBB: In dieser Kombina-tion würden Mutter- und Tochterge-sellschaft im Bieterwettstreitauch eine Partnerschaft mit demLand Berlin für möglich halten.

Berlin Energie BE: Die landesei-gene Gesellschaft befindet sichnoch im Aufbau und wird für beideNetze ins Rennen geschickt.

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WertvolleLEITUNGENDas Land Berlin will das Stromnetzwieder in die eigene Verantwortung übernehmen.Und es will auch die Gasleitungenrekommunalisieren. Dazu muss sich das Landbeim eigenen Finanzsenator bewerben.

Von Martin Woldt

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Zwei Millionen Euro Baukosten fürein Einfamilienhaus, das ist einstattlicher Preis. Aber das Haus ander Fasanenstraße 87a in Charlot-

tenburg ist ja auch etwas Besonderes. Es istein sogenanntes Effizienzhaus Plus, errich-tet vom Bundesbauministerium. „Entde-cken Sie die Zukunft des Bauens!“, fordertein Einladungsblatt auf.

„Die EU-Gebäuderichtlinie verlangt ab2021 das sogenannte Nearly-Zero-Energy-Building“, erklärt Laurenz Hermann, Pro-jektleiter der Berliner Energieagentur fürdas Effizienzhaus Plus. Die Bundesregie-rung habe daraufhin beschlossen, in ei-nem Forschungs- und Öffentlichkeitspro-jekt zu zeigen, „was gegenwärtig schonalles geht“. Der Ehrgeiz drückt sich in demAnspruch aus, dass das Gebäude mehrEnergie produziert, als es benötigt. Des-halb kamen modernste Gebäudetechnik,effiziente Haushaltsgeräte und die neuesteWärmedämmung zum Einsatz. Mit demangestrebten Energieüberschuss sollendas zugehörige Elektroauto und Elektro-fahrräder aufgeladen und gewonnenerSonnenstrom ins öffentliche Netz abgege-ben werden.

Etwas kühl, aber sparsam

Von März 2012 bis Mai 2013 lebte eine vier-köpfige Testfamilie (Ehepaar, zwei Kinder)auf den knapp 150 Quadratmetern Wohn-fläche, die sich über zwei Etagen erstre-cken. Sieht man von der wissenschaftli-chen Begleitung durch mehrere Instituteab, gingen die vier einem ganz normalenAlltag nach. Eine Luft-Wasser-Wärme-pumpe versorgte sie mit Warmwasser. DieRaumwärme im Winter spendete eine da-ran angeschlossene Fußbodenheizungunter dem Korkfußboden. Die in der Abluftenthalte Wärme wurde zu 80 Prozent ein-gefangen. Eine Solaranlage versorgte ei-nerseits Wärmepumpe und Hausgeräteund lieferte anderseits den Strom für Autound Elektrobikes. Eine 40-kWh-Lithium-Ionen-Batterie sorgte dafür, möglichst vielselbst erzeugten Sonnenstrom für den Be-darfsfall vorzuhalten.

Den Protokollen zufolge haben sich dieTestbewohner weitgehend sehr wohl imGebäude gefühlt. Nur von Januar bis Märzmonierte die Ehefrau ein gewisses Behag-lichkeitsdefizit und empfand denWohnbe-reich als etwas zu kalt. Die Bedienung derGebäudetechnik (Beleuchtung, Lüftung,Heizung ) über Touchpanels bedurfte einerEingewöhnungsphase. Elektroauto und E-Fahrräder fanden großen Zuspruch. DerenAufladung am Haus empfand man durch

die vorhandene kontaktfreie Induktions-aufladung als sehr komfortabel. Im Haus,verraten die Protokolle, habe immer aus-reichend Energie zurVerfügung gestanden.

Die im technischen Sinne spannendsteFrage war allerdings die nach dem Energie-überschuss.Wie die Bilanz des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik ausweist, fing diePhotovoltaikanlage 13 306 Kilowattstun-den ein, von denen etwa die Hälfte im Hausverbraucht, die andere Hälfte ins öffentli-che Netz eingespeist wurde. Aus dem Netzwurden 5 800 kWh benötigt. Der Über-schuss betrug rund 900 kWh, die aber nichtausreichten, um den Bedarf von Auto undFahrrädern zu decken. Denn diese wurdenziemlich beansprucht – 16 000 Kilometerim E-Mobil und 6 000 Kilometer per E-Bikewar die Familie unterwegs.

Fehler, aus denen man lernen kann

Den Energieüberschuss hatten sich dieProjektplaner größer vorgestellt. Aber dieSonne ließ sich gerade im Sommer 2012nicht oft genug blicken, 20 Prozent wenigerAusbeute als vorausberechnet. Auch tech-nisch lief nicht alles optimal. Das Hei-zungssystem arbeitete nicht rund, die Ver-luste bei der aus der Abluftrückgewonnenen Wärme waren hoch. Derermittelte Hausstrombedarf erwies sich alszu niedrig kalkuliert. Die automatischenBeleuchtungsschalter zeigten sich nichtsparsam genug. „Auch die offene Kon-struktion des Hauses hat sich für diese Nut-zer nicht als optimal erwiesen“, erklärtLaurenz Hermann. Wenn die oberenSchlafräume nachts kühl sein sollten, ver-suchte die Fußbodenheizung unten, denTemperaturunterschied auszugleichen.

Vermutlich sind es diese Fehler, die deneigentlichen Reiz ausmachen.Weil sich ausihnen für die künftigen wirklichkeitsnähe-ren Projekte lernen lässt. Es ist aber nichtvorgesehen, Plus Energiehäuser völlig au-tark zu machen. „Autarkie ist schon auf Ef-fizienzgründen kein sinnvolles Ziel“, sagtLaurenz Hermann. Auch würden die Kos-ten durch den dann notwendigen großenSpeicher jedes sinnvolle Maß überschrei-ten. “ Ein hoher Eigenversorgungsgrad beiguter Wirtschaftlichkeit sei aber anzustre-ben. Zum Effizienzhaus-Plus-Projekt mitElektromobilität gehören neben dem Ber-liner Flaggschiff noch mehr als 30 weiteresanierte, neu gebaute oder geplante sol-cher Häuser in Deutschland.

Bis 22. Dezember ist das Berliner Haus mittwochsbis sonntags von 13 bis 18 Uhr für Besucher kos-tenfrei geöffnet. Infos unter www.zebau.de

5,8 Kilowatt Leistung hat die imEffizienzhaus Plus eingesetzteWärmepumpe. Sie nutzt die Au-ßenluft als Energiequelle und ent-zieht ihr durch einen Wärmetau-scher die Wärme zur Erwärmungdes Trinkwassers und des Wasser-Kreislaufs der Fußbodenheizung.Je niedriger die Außentemperaturabsinkt, desto geringer wird aller-dings auch die erzielbare Wärme-menge, die die Pumpe aus der Luftgewinnen kann.

175 Kilowattstunden pro Qua-dratmeter und Jahr benötigten diein den 80er-Jahren eingeführtensogenannten „Solarhäuser“ nochals zusätzliche Energie für Hei-zung und Warmwasser. Dieser Be-darf konnte seit Ende des letztenJahrzehnts schließlich durch dieNull-Energie-Häuser auf null ge-drückt werden. Diese Häuser er-zeugen die gesamte benötigteEnergie selbst.

Die Wärmedämmung ist bei die-sen sparsamen Häusern ent-scheidend. Seit den 1950er-Jah-ren hat sich die Wärmedämmungvon Hausaußenwänden bei ver-gleichbaren Wanddicken um dasZehnfache verbessert.

Das Heizen ist für den höchsten Energiekos-tenanteil verantwortlich. Heizung und Warm-wasser verbrauchen rund 80 Prozent des Ener-giebedarfs der eigenen vierWände.Durcheinebedarfsgerechte Temperatursteuerung in denRäumen lässt sich der Verbrauch spürbar be-einflussen. Wichtig ist, dass die Heizkörperungehindert ihre Wärmeleistung an die Umge-bung abgeben können. Verkleidungen, ab-schirmende Möbel, überdeckende Vorhängebehindern die Wärmezirkulation. Das Tempe-raturempfinden ist zwar subjektiv, aber Wohn-räume, die um 20 Grad Celsius warm sind,werden von vielen Menschen als angenehmtemperiert wahrgenommen. Verlässt man dieWohnung übers Wochenende, empfiehlt sich,die Temperatur auf etwa 15 Grad Celsius abzu-senken. Auch für die Nachtstunden ist dies einkostensparender Schritt.

Moderne Ther-mostatventilean den Heizkör-pern könnenprogrammiertwerden, so-dass die Tempe-ratur zum Bei-spiel nachtsrunter- und mor-gens wieder

hochgeregelt wird. Die Stiftung Warenteststellte fest, dass dadurch etwa zehn ProzentEnergie eingespart werden kann. MancheThermoastate lassen sich per Funk vom Com-puter aus bedienen. Die Preise für einzeln pro-grammierbare Thermostatventile beginnenderzeit etwa bei 20 Euro, funkgesteuerte Ge-räte kosten inklusive Computeranschlussetwa 50 Euro.

Zu den Kostentreibern des Energiever-brauchs zählt auch ein Faktor, der unabhängigvon allen technischen Fragen ist: die kompli-zierte Informationslage. Wer kennt schon dieeigenen Verbrauchszahlen bei Heizenergie,Strom und Wasser, analysiert detailliert seinVerbrauchsverhalten? Um mehr Transparenzin seinen womöglich verschwenderischen Um-gang mit Energie zu bringen, besteht die Mög-lichkeit, bei dem vom Bundesumweltministe-rium geförderten Onlineportal CO2-online(www.co2online.de; www.energiesparclub.de)ein persönliches kostenloses Energiespar-konto einzurichten. Es ist eine Art Haushalts-buch und soll Vergleichsmöglichkeiten mitähnlichen Haushalten schaffen, Verbrauchs-veränderungen dokumentieren. Daraus erge-ben sich Hinweise auf Einsparpotenziale. DasKonto kann auch als Modernisierungsratge-ber dienen und verwaltet die jährlichen Ener-gieabrechnungen. Aus den Daten wird über-dies eine persönliche CO2-Bilanz erstellt.

Umwälzpumpensorgen im Was-serkreislauf derZentralheizungfür eine ausrei-chende Zirkula-tion und somitdafür, dass an al-len Heizkörpernoder in jedem

Strang der Fußbodenheizung genügendWärme ankommt. Sie gelten häufig als diegrößten Stromfresser in einem Haushalt undsind für rund zehn Prozent des Verbrauchs ver-antwortlich. Sie brauchen also mehr alsWaschmaschine oder Kühlschrank – insbe-sondere dann, wenn sie schon etwas ältersind. Moderne Pumpen mit Drehzahlregelungund sparsamem Motor können den Verbrauchum bis zu 75 Prozent senken. Damit amorti-siert sich ihr höherer Anschaffungspreis in derRegel schon nach kürzerer Zeit, und dasselbst dann, wenn die alte Pumpe durchausnoch ihren Dienst tun würde. Sollte es sich beidem älteren Modell um eine regelbare Pumpehandeln, empfehlen Energieexperten, denHeizungsbetrieb mal mit einer verringertenPumpleistung auszuprobieren. Auch dadurchließen sich Energieeinsparungen erzielen. Obdie im Haushalt eingesetzte Umwälzpumpeein potenzieller Wechselkandidat ist, verrätbeispielsweise das Onlineportal www.spar-pumpe.de.

Bis zu 1 000 Euro, so schätzen Energieexper-ten, könnte ein durchschnittlicher EU-Haus-halt noch an Energiekosten sparen, wenn dieBewohner effizienter mit Energie umgingen.Auf jede gesparte Kilowattstunde kommt esan, meint das Umweltbundesamt, denn damitließen sich etwa 15 Hemden bügeln, 70 Tas-sen Kaffee kochen oder sieben Stunden in dieRöhre gucken. Ein Kühlschrank mit 300 LiternStauvolumen kommt damit über zwei Tage,eine Waschmaschine schafft immerhin eineTrommelladung.

Der Stand-by-Betrieb ist weiterhin ein Prob-lem. Viele alte Geräte haben in diesem Stand-by-Modus noch eine zu hohe Leistungsauf-nahme. Wenn ein älteres Gerät, das einexternes Netzteil hat, noch nicht als Ganzesentsorgt und eine Weile genutzt werden soll,kann man ein sparsameres Steckernetzteilnach der neuen ERP-Norm kaufen, das weni-ger Strom verbraucht. Solche externen Netz-teile sparen rund zehn Euro im Jahr, sodasssich eine Anschaffung nach etwa anderthalbJahren amortisiert. Bei alten Geräten ohneNetzteil, lohnt es, sich eine Steckerleiste mitSchalter zu kaufen, damit das ganze Gerät ein-fach vom Stromnetz getrennt werden kann.

Akku stattBatterie:Immermehr mo-bile Gerätekommennicht ohneBatterienaus. Aberdiese ent-halten nicht

nur giftige Schwermetalle wie Quecksilberoder Cadmium. Sie sind auch auf die Dauer einKostenfaktor. Günstiger auf längere Sicht sindaufladbare Alkali-/Mangan-Akkus oder Ge-räte, die bereits eine eingebaute Solarzelle be-sitzen. Eine aufladbare Batterie lässt sich zwi-schen 500 und 1000 Mal wiederverwenden.Das macht selbst günstige Discounterpreiseder Einmal-Batterien auf längere Sicht gese-hen teuer. Bei 750 Nachladungen stehen sichAnschaffungspreise von einem Euro bei wie-derverwendbaren AAA-Akkus und bis zu 150Euro bei herkömmlichen Batterien der glei-chen Bauart gegenüber.

Richtig kühlen: Fürs Kühlen und Einfrierenwerden etwa 20 Prozent des Strombedarfs ineinem durchschnittlichen Haushalt benötigt.Am besten funktioniert ein entsprechendesGerät in möglichst ungeheizten Räumen. Ne-ben Heizkörpern sollte der Kühlschrank nichtstehen. Auch allzu lange Sonneneinstrahlungkann sich negativ in der Energiebilanz bemerk-bar machen. Wer Speisen kühlt oder einfriert,sollte nur abgekühlte Ware in den geeignetenFächern verstauen. Und wer Ordnung hält,muss weniger lange suchen und ist auch beimEnergieverbrauch klar im Vorteil. Denn jeschneller der Zugriff, desto kürzer muss dieTür des Kühlschrankes geöffnet werden. Da-durch kann weniger warme Luft ins Inneredrängen, die wieder ans notwendige Tempera-turniveau angepasst werden muss. Regelmä-ßiges Abtauen bei Geräten, die noch Eispan-zer bilden, senkt die Verbrauchskosten zudemund verbessert die Kühlleistung. Auch einThermometer im Innern kann Kosten sparen.Denn tiefer als auf sieben Grad Celsius musskein Kühlschrank die Temperatur absenken.Bei Gefrierfächern sollte die Temperatur mi-nus 18 Grad Celsius betragen.

Laptop statt Desktop: Wer die Neuanschaf-fung eines Computer erwägt und ohne die neu-esten und schnellsten Computerspiele aus-kommen kann, sollte über einen Laptop alsAlternative nachdenken. Im Durchschnitt ver-brauchen diese tragbaren Geräte 70 Prozentweniger Energie als ihre großen Verwandtenmit Extra-Bildschirm. Platzsparender, zudemmobil einsetzbar, sind sie sowieso. Außerdemwerden viel weniger Kunststoffe, Glas undteure Edelmetalle verbaut. Zudem lässt sich,wie an großen Geräten, mit dem Energiemana-gement des Laptops auch der Verbrauch deut-lich reduzieren. Huschen keine Finger überklappernde Tasten, geht das Gerät schlafenund verbraucht statt 80 Watt nur etwa ein bisvier Watt. Das kann im Jahr einen Unterschiedvon 60 Euro auf der Stromrechnung ausma-chen. Bildschirmschoner sind unnötige Ener-gieverschwender, weil sie mehr Energie ver-brauchen, als wenn das Gerät im Schlafmoduswäre. Und auch die volle Helligkeit des Bild-schirms wird selten benötigt. Weniger kannmehr sein und schont zudem die Augen.

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IntelligenteSTEUERUNGNoch geht ein Viertel von Deutschlands Energiebedarffürs Wohnen drauf.In Charlottenburg aber steht ein Haus, das dankcleverer Technik mehr Strom erzeugt,als es verbraucht.

Von Martin Woldt

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Page 5: Energie 2013

Energie 2013B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 2 0 1 · D o n n e r s t a g , 2 9 . A u g u s t 2 0 1 3 5 ·· ······················································································································································································································································································· B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 2 0 1 · D o n n e r s t a g , 2 9 . A u g u s t 2 0 1 3 5 ·· ·······················································································································································································································································································

Berlin ist mit achtWerken der größteProduktionsstandort von Siemens.Seit Kurzem mischt sich der Kon-zern verstärkt in die Energie-

wende-Diskussion ein. Dr. Frank Büchner,Geschäftsleiter von Siemens/Region Ostund Leiter Energy Deutschland des Kon-zerns hat genaue Vorstellungen davon, wobei der Energiewende noch nachjustiertwerden sollte.

Siemens hatte unlängst zum Zukunftsdialogüber die Energiewende eingeladen und sicheinerseits als ein Vorreiter bekannt, anderer-seits eineNeuausrichtunggefordert.HeißtdasSiewollendieEnergiewende,abernichtdiese?

Ja, wir wollen die Energiewende und se-hen sie überwiegend als Chance. Sie kanneinen großen Beitrag zur Nachhaltigkeitleisten. NeueTechnologien, die dafür entwi-ckelt werden, können von der deutschenWirtschaft exportiert werden.Wir verstehenuns als deutsches Unternehmen mit globa-ler Ausrichtung, das mit seinen Produkten,seinem Know-how und seinen Innovatio-nen die gesamte Bandbreite der Erzeugung,der Verteilung und der effektiven Nutzungvon Energie abdeckt. Deswegen ist die Ener-giewende genau unser Thema. Andererseitsist sie aber auch eine große Herausforde-rung für die deutscheWirtschaft, im Grundeeine Generationenaufgabe. Wir werden nurdann erfolgreich sein, wenn wir sie richtiggestalten. Der Industriestandort Deutsch-land muss wettbewerbsfähig bleiben, wozuauch moderate Strompreise gehören.

Worin besteht dieVorreiterrolle von Siemens?Wir sind mit den allermeisten Themen

der Energiewende eng vertraut. Wir habendie neuestenTechnologien zur Nutzung vonWindenergie und Wasserkraft, hochmo-derne Gasturbinen zur Stromerzeugung, in-telligente und sparsame Lösungen desEnergietransports im Netz, sogenannteSmart Grids sowie auch sehr effizienteTech-nik zur Energienutzung in Gebäuden in un-serem Angebotsspektrum. Das macht unszum Vorreiter. Aber wir sehen auch, dass fürein Erreichen der gemeinsamen Ziele einegewisse Neuausrichtung der Energiewendenotwendig ist.

Worin soll diese Neuausrichtung bestehen?Als Unternehmen interessieren wir uns

sehr stark dafür, wie unsere Kunden den-ken. Und auch da lässt sich ein klares Be-kenntnis zur Energiewende feststellen. Aberüber 90 Prozent, die wir in diesem Zusam-menhang persönlich und ausführlich be-fragt haben, geben zu verstehen, dass sie dieNotwendigkeit von Korrekturen sehen, fürdie sich auch Siemens aktiv einsetzen sollte.Sie betreffen vier zentrale Handlungsfelder.Den Klimaschutz, die Bezahlbarkeit, dieVersorgungssicherheit und die Energieeffi-zienz. Lassen wir die Effizienz als ein ganzspezielles Thema mal einen Moment bei-seite. Auf den anderen drei Feldern, so warder Tenor, verläuft die gegenwärtige Ent-wicklung in die falsche Richtung; trotz ra-santen Wachstums erneuerbarer Energien.

Inwiefern?Nehmen wir die Energiepreise. Deutsch-

land liegt bei den Preisen für die Industrieum 19 Prozent und bei den Verbraucher-preisen der Privathaushalte sogar 40 Pro-zent über dem EU-Durchschnitt. Das ist die

Worauf will sich denn Siemens in diesem Zu-sammenhang konzentrieren?

Wir sind da auf mehreren Feldern aktiv.Wir haben zum Beispiel Gasturbinen mitdem weltweit höchsten Wirkungsgrad ent-wickelt, die wir auch hier in Berlin bauen.Gaskraftwerke sind nach unserer Einschät-zung die ideale Ergänzung zu den Erneuer-baren. Sie können einspringen, wenn dieSonne nicht scheint, und der Wind nichtweht. Ein anderer Vorschlag wäre, SmartGrids mit Smart Buildings zu verschmelzen,um Verbraucher stärker und direkt in dasNetzsystem zu integrieren. Das gilt für alleGebäude bis zu Krankenhäusern oder derIndustrie und wäre ein aktiver Beitrag zurEnergiewende. Wir haben Lösungen, umdie Speichermöglichkeiten im Netz auszu-bauen. Das betrifft sogenannte Power-to-Gas-Anlagen, also überschüssigen Wind-strom in Gas zu verwandeln, und in dasGasnetz einzuspeisen. Dazu gehören aberauch unterschiedlich leistungsfähige Li-thium-Ionen-Batterie-Blöcke bis zu mehre-ren Megawatt für schnelle Speicher- undRegelvorgänge gerade in der Nähe vonWindparks und Solaranlagen, aber auchWärme- und Kältespeicher für Gebäude.Wir haben Lösungen für leistungsstarkeund effiziente Stromautobahnen. Das sindÜberlandleitungen, die anstelle von Wech-selstrom mit Gleichstrom arbeiten und da-durch die Verluste typischerweise um 30 bis50 Prozent reduzieren.

Inwiefern stoßen IhreVorstellungen an Gren-zen?

Nehmen wir die Speichertechnik. Jederwird zustimmen, dass Speicher im Netz not-wendig sind, weil sie mehr Stabilität bringenund Schwankungen ausgleichen. Der aktu-elle Vollzug der Energiewende erschwertaber, sie wirtschaftlich zu betreiben. Dennein Speicher rentiert sich, wenn er bei güns-tig verfügbarem Strom aufgeladen wird undbei teurem Strom, also steigendem Bedarf,Energie abgibt. Diese Differenz aber wirdmit dem aktuellen Stromangebot soweiteingeebnet, dass ein Investor kaum Inte-resse am Speichern zeigt. Warum sollte erauch, wo doch gleichzeitig die Erzeugungvon erneuerbarer Energie durch Photovol-taik oder Windkraftanlagen durch die Ein-speisevergütungen über viele Jahre guteRenditen verspricht. Diese Fehlsteuerungdestabilisiert das Netz und muss deshalbdringend korrigiert werden.

Lassen Sie mich abschließend noch nach derRolle von Berlin fragen, die Siemens der StadtimRahmen der Energiewende zubilligt.

Berlin hat große Bedeutung für Siemens.Siemens wurde in Berlin gegründet, und dieStadt ist nach wie vor unser größter Ferti-gungsstandort. Wir produzieren hier unteranderem Gasturbinen, Hochspannungsan-lagen und Komponenten für Smart Grids.Von großer Bedeutung ist die Forschungs-und Entwicklungsarbeit in Kooperation mitden Hochschulen am Standort. Wir habenin Berlin Pilotanlagen, die als Beispiele fürdie sichere Integration einer solchen Stadtin das überregionale Versorgungsnetz die-nen können. Gemeinsam mit dem Senathaben wir inzwischen 200 öffentliche Ge-bäude energetisch saniert. Ich denke, dasunterstreicht die herausgehobene Rolle, dieBerlin für Siemens spielt.Das Interview führteMartinWoldt.

völlig falsche Richtung. Nehmen wir denKlimaschutz. 2012 ist der CO2-Ausstoß ge-genüber dem Vorjahr um zwei Prozent ge-stiegen. Falsche Richtung! Und schließlichdie Versorgungssicherheit. Da wächst seiteiniger Zeit die Zahl der Regeleingriffe, dieVersorgungsunternehmen und Stadtwerkedurchführen müssen, um Stabilität im Netzund damit die gewohnte Versorgungssi-cherheit zu gewährleisten, bedenklich an.Und auch das ist der falsche Weg.

Wieweit sindwir entfernt vomStromausfall?Ich gehe nicht davon aus, dass das pas-

siert. Aber ich ziehe meinen Hut vor denNetzbetreibern und deren Anstrengungen,die Stabilität zu gewährleisten. Denn für diezukünftigen Anforderungen sind die Netzebisher nicht ausgebaut. Bislang erfolgte dieelektrische Versorgung der Ballungszentrenin eine Richtung von zentralen Großkraft-werken aus. Jetzt wird das mehr und mehrdezentraler und damit viel komplexer. Mitt-lerweile gibt es mehr als eine Million weitverteilte Einspeispunkte ins Nieder- oderMittel- und Hochspannungsnetz und somitvermischen sich Erzeugung und Verbrauch.Das erfordert eine gravierendeVeränderungder gesamten Netzstruktur und der System-steuerung. Und weil das nicht abgestimmtmit dem Zuwachs der erneuerbaren Ener-gien erfolgt, wächst das Risiko, dass etwasUnvorhergesehenes passiert. Aber nochmal, ich gehe nicht davon aus, dass uns eingroßer Stromausfall droht.

Wie erklärt sich der CO2-Zuwachs?Der wesentliche Grund ist der Preisver-

fall der CO2-Zertifikate, also der Mengen-preis, den Firmen bei der Erzeugung vonEnergie bezahlen müssen, damit sie eineTonne CO2ausstoßen dürfen. Sind die Preise

so gering wie gegenwärtig, haben sie keinensteuernden Effekt auf Kraftwerke mit hohenEmissionen. So kommt es, dass vor allemalte, abgeschriebene Kohlekraftwerke denBedarf bereitstellen, wenn erneuerbareEnergien nicht liefern. Das ist kontrapro-duktiv, weil sauberere Technologien, wiemoderne Gas- und Dampfkraftwerke alsAbsicherung nicht zum Zuge kommen.

Welche Auswirkungen ergeben sich aus denhohen Energiepreisen?

Mit steigenden Energiepreisen sinkt dieWettbewerbsfähigkeit der Unternehmenund die Bürger müssen einen größeren Teilihres Einkommens für Strom ausgeben. DieEEG-Umlage verursacht etwa ein Fünfteldes Energiepreises. Dazu kommt der Netz-ausbau, der etwa den gleichen Anteil aus-macht. Das verursacht langfristig Kosten-steigerungen. Die nächste erfolgtvermutlich im Oktober. Und auch das mussüberdacht werden.

Sie sprachen noch vom vierten Problemfeld,der Energieeffizienz?Was liegt da imArgen?

Siemens-ManagerDr. Frank Büchner

Wir sind der Meinung, dass diesesThema viel stärker in den Mittelpunkt ge-hört. Hier lässt sich nämlich die größteHebelwirkung erreichen. Die Energie, diegar nicht erst erzeugt werden muss, weilsie nicht benötigt wird, ist die einfachsteund günstigste Art, CO2 -Emissionen zuvermeiden. Außerdem gehört die Sen-kung des Energieverbrauchs neben demAusbau der erneuerbaren Energien undder CO2-Einsparung zu den Zielen, die in-nerhalb der EU festgelegt wurden. Bis2020 sind zehn Prozent Energieeinspa-rung im Vergleich zu 2008 vereinbart, abervorangekommen sind wir bisher so gutwie gar nicht.

Wo lässt sich noch mehr Energie einsparen?Da ist zunächst die Wirkungsgraderhö-

hung bei der Erzeugung selbst zu nennen.Erneuerbare Energien sollten bevorzugtdort installiert werden, wo der Wind amstärksten bläst, die Sonne am häufigstenscheint. Moderne Kraftwerke mit hohemWirkungsgrad sollten die alten mit hohemCO2 -Ausstoß ablösen. Die Kraft-Wärme-kopplung sollte noch stärker in den Fokusrücken. In der Industrie ließen sich durchmodernste Antriebslösungen bis 70 Pro-zent des aktuellen Verbrauchs einsparen.Im Gebäudebereich könnte man durch in-telligentes Energiemanagement schonohne zusätzliche Gebäudedämmungs-maßnahmen 20 bis 40 Prozent heben. Einflächendeckendes Energiemanagementwürde auch bei Nutzung der Energiever-brauchssteuerung den Bedarf und die Er-zeugung besser in Einklang bringen. Da-durch fielen Vorhalte- undSpeicherprozesse weg, die von Energie-verlusten begleitet werden. Das alles fin-det noch viel zu wenig Aufmerksamkeit.

BessereWENDESiemens sieht die Energiewende als Chance.Allerdings sollte an einige Stellen nachjustiert werden.Siemens-Manager Frank Büchner sagt,wie es künftig besser klappen könnte mit einersicheren und umweltfreundlichen Stromversorgung.

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