Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR

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60 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 1 DOI: 10.1002/best.201300069 BERICHT Olaf Mertzsch Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR 50 Jahre TGL 0-4227 1 Einführung der DIN 4227 (10/53) in der DDR Im Oktober 1953 erfolgte die Herausgabe der ersten deut- schen Spannbetonvorschrift mit der Bezeichnung „DIN 4227 – Spannbeton; Richtlinie für Bemessung und Aus- führung“. Die Arbeit an dieser Norm wurde 1943 unter der Leitung von Prof. RÜSCH aufgenommen. Ihm ist es zu verdanken, dass beim Nachweis der Bruchsicherheit erst- mals das Traglastverfahren zur Anwendung kam. Darü- ber hinaus wurden ebenfalls Gebrauchstauglichkeits- nachweise gefordert. Die Frage, ob ein entsprechender Bruchsicherheitsnachweis dem tatsächlichen Tragverhal- ten gerecht wird, wurde bereits 1926 in [1] diskutiert. In der damaligen Sowjetunion war die sogenannte n-freie Bemessung (Traglastverfahren) 1938 mit dem Ziel der Stahleinsparung eingeführt worden [2]. Da Anfang der 1950er-Jahre die fachliche Orientierung bei der Berechnung und Planung von Baukonstruktionen in der DDR noch vorwiegend auf die DIN-Vorschriften ausgerichtet war, erfolgte 1954 die Verbindlichkeitserklä- rung der DIN 4227 [3] für die DDR. Hierbei wurde festge- legt, dass die nach DIN 4227, Abschnitt 2, geforderten Zulassungen vom Ministerium für Aufbau, Abteilung Baurecht und Bauaufsicht für jedes Bauvorhaben einzeln erteilt werden müssen (Einzelfallzulassung). Die Verbindlichkeitserklärung der mit dieser Norm ver- bundenen DIN 1045 („Beton und Stahlbeton – Bemes- sung und Ausführung“), Ausg. April 1943, war bereits 1952 erfolgt. Sie wurde 1962 durch die TGL 11422 [4] er- gänzt, diese regelte die Anwendung des Traglastverfah- rens im Stahlbetonbau. Die Einführung der TGL 11422 ist im Wesentlichen auf die Arbeit von Prof. BRENDEL zu- rückzuführen. Die Grundlagen für das Traglastverfahren gemäß TGL 11422 einschließlich des Sicherheitskon- zepts sind in [2] ausführlich dargelegt. 2 Einflüsse auf die Entwicklung der TGL 0-4227 (05/63) Die Entwicklung des Spannbetonbaus in der DDR war zunächst durch die Zusammenarbeiten im Deutschen Ausschuss für Stahlbeton (DAfStb) und im Deutschen Betonverein E.V. (DBV) geprägt. Darüber wurde sie über die Mitarbeit im CEB auch durch die europäische Forschung beeinflusst. Eine kritische Bestandsaufnahme zu den Möglichkeiten einer verstärkten Nutzung des Spannbetons in der DDR kann [5] entnommen wer- den. In diesem Beitrag benennt Dr. HAMPE (später Professor in Weimar) folgende Punkte, die für eine verstärkte Nutzung des Spannbetons erforderlich sind: Erforschung der Grundlage und Bereitstellung von Grundwerten Schaffung einer Materialbasis Schaffung der technischen Voraussetzungen Schaffung einer Entwurfskapazität Schaffung einer Ausführungskapazität Bereitstellung der gesetzlichen Grundlagen (Bestim- mungen und Zulassungen) Für die Entwicklung der Normung im Spannbetonbau war das „Institut für Stahlbeton“ in Dresden zuständig. Die Arbeiten wurden durch die Veröffentlichungen von ZERNA [6] und ABELES [7] beeinflusst. In diesen Arbeiten werden Ansätze zur Spannbetonbemessung im Zustand II dargelegt. So werden in [7] drei Arten des Vorspanngra- des unterschieden: Typ I – Volle Vorspannung (Unter Gebrauchslast ist jedwede Rissbildung zu ver- meiden.) Typ II – Beschränkte Vorspannung (Unter üblichen Gebrauchslasten sind Risse, die unter Die Spannbetonbemessung in der DDR wurde zunächst durch die DIN 4227 bestimmt. Im Jahr 1964 erfolgte die Einführung der TGL 0-4227. Diese Norm erlaubte auch die Spannbetonbemes- sung im Zustand II. In den 1970er-Jahren wurde mit dem „Ein- heitliches technisches Vorschriftenwerk Beton“ (ETV Beton) ein Bemessungsverfahren auf der Grundlage des semiprobabi- listischen Sicherheitskonzepts entwickelt und 1981 verbindlich eingeführt. Die seinerzeitigen Berechnungsansätze entspre- chen weitgehend den Annahmen des heutigen Eurocodes. Development of prestressed concrete rules in the GDR – 50 years TGL 0-4227 The pre-stressed concrete calculation in the GDR was defined by the DIN 4227 for the first time. In 1964 the TGL 0 4227 was in- troduced. This standard also allowed for the dimensioning of prestressed concrete in state II In the seventies, the uniform technical rules and regulations concrete (ETV Beton) was de- veloped as a design method based on the semi-probabilistic safety concept, and introduced in 1981 obligatory. These former calculation approaches are similar to the assumptions of to- day’s eurocodes.

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60 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 1

DOI: 10.1002/best.201300069

BERICHTOlaf Mertzsch

Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR 50 Jahre TGL 0-4227

1 Einführung der DIN 4227 (10/53) in der DDR

Im Oktober 1953 erfolgte die Herausgabe der ersten deut-schen Spannbetonvorschrift mit der Bezeichnung „DIN4227 – Spannbeton; Richtlinie für Bemessung und Aus-führung“. Die Arbeit an dieser Norm wurde 1943 unterder Leitung von Prof. RÜSCH aufgenommen. Ihm ist es zuverdanken, dass beim Nachweis der Bruchsicherheit erst-mals das Traglastverfahren zur Anwendung kam. Darü-ber hinaus wurden ebenfalls Gebrauchstauglichkeits-nachweise gefordert. Die Frage, ob ein entsprechenderBruchsicherheitsnachweis dem tatsächlichen Tragverhal-ten gerecht wird, wurde bereits 1926 in [1] diskutiert. Inder damaligen Sowjetunion war die sogenannte n-freieBemessung (Traglastverfahren) 1938 mit dem Ziel derStahleinsparung eingeführt worden [2].

Da Anfang der 1950er-Jahre die fachliche Orientierungbei der Berechnung und Planung von Baukonstruktionenin der DDR noch vorwiegend auf die DIN-Vorschriftenausgerichtet war, erfolgte 1954 die Verbindlichkeitserklä-rung der DIN 4227 [3] für die DDR. Hierbei wurde festge-legt, dass die nach DIN 4227, Abschnitt 2, gefordertenZulassungen vom Ministerium für Aufbau, AbteilungBaurecht und Bauaufsicht für jedes Bauvorhaben einzelnerteilt werden müssen (Einzelfallzulassung).

Die Verbindlichkeitserklärung der mit dieser Norm ver-bundenen DIN 1045 („Beton und Stahlbeton – Bemes-sung und Ausführung“), Ausg. April 1943, war bereits1952 erfolgt. Sie wurde 1962 durch die TGL 11422 [4] er-gänzt, diese regelte die Anwendung des Traglastverfah-rens im Stahlbetonbau. Die Einführung der TGL 11422ist im Wesentlichen auf die Arbeit von Prof. BRENDEL zu-rückzuführen. Die Grundlagen für das Traglastverfahrengemäß TGL  11422 einschließlich des Sicherheitskon-zepts sind in [2] ausführlich dargelegt.

2 Einflüsse auf die Entwicklung der TGL 0-4227 (05/63)

Die Entwicklung des Spannbetonbaus in der DDR warzunächst durch die Zusammenarbeiten im DeutschenAusschuss für Stahlbeton (DAfStb) und im Deutschen Betonverein  E.V. (DBV) geprägt. Darüber wurde sie über die Mitarbeit im CEB auch durch die europäischeForschung beeinflusst. Eine kritische Bestandsaufnahmezu den Möglichkeiten einer verstärkten Nutzung desSpannbetons in der DDR kann [5] entnommen wer-den. In diesem Beitrag benennt Dr. HAMPE (später Professor in Weimar) folgende Punkte, die für eine verstärkte Nutzung des Spannbetons erforderlich sind:

– Erforschung der Grundlage und Bereitstellung vonGrundwerten

– Schaffung einer Materialbasis– Schaffung der technischen Voraussetzungen– Schaffung einer Entwurfskapazität– Schaffung einer Ausführungskapazität– Bereitstellung der gesetzlichen Grundlagen (Bestim-

mungen und Zulassungen)

Für die Entwicklung der Normung im Spannbetonbauwar das „Institut für Stahlbeton“ in Dresden zuständig.Die Arbeiten wurden durch die Veröffentlichungen vonZERNA [6] und ABELES [7] beeinflusst. In diesen Arbeitenwerden Ansätze zur Spannbetonbemessung im ZustandII dargelegt. So werden in [7] drei Arten des Vorspanngra-des unterschieden:

– Typ I – Volle Vorspannung (Unter Gebrauchslast ist jedwede Rissbildung zu ver-meiden.)

– Typ II – Beschränkte Vorspannung (Unter üblichen Gebrauchslasten sind Risse, die unter

Die Spannbetonbemessung in der DDR wurde zunächst durchdie DIN 4227 bestimmt. Im Jahr 1964 erfolgte die Einführung derTGL 0-4227. Diese Norm erlaubte auch die Spannbetonbemes-sung im Zustand II. In den 1970er-Jahren wurde mit dem „Ein-heitliches technisches Vorschriftenwerk Beton“ (ETV Beton)ein Bemessungsverfahren auf der Grundlage des semiprobabi-listischen Sicherheitskonzepts entwickelt und 1981 verbindlicheingeführt. Die seinerzeitigen Berechnungsansätze entspre-chen weitgehend den Annahmen des heutigen Eurocodes.

Development of prestressed concrete rules in the GDR –50 years TGL 0-4227 The pre-stressed concrete calculation in the GDR was definedby the DIN 4227 for the first time. In 1964 the TGL 0 4227 was in-troduced. This standard also allowed for the dimensioning ofprestressed concrete in state II In the seventies, the uniformtechnical rules and regulations concrete (ETV Beton) was de-veloped as a design method based on the semi-probabilisticsafety concept, and introduced in 1981 obligatory. These formercalculation approaches are similar to the assumptions of to-day’s eurocodes.

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selten auftretenden Gebrauchslasten entstehen, ge-schlossen.)

– Typ III – Teilweise Vorspannung (Auch unter üblichen Gebrauchslasten können Risseauftreten.)

Darüber hinaus hatte, neben der CNiP II-C [8], die For-schung am Lehrstuhl von Prof. MLOSCH einen entschei-denden Anteil an der weiteren Entwicklung der Spann -betonbemessung. Ziel war hier eine Reduzierung der er-forderlichen Betonstahlbewehrung, die sich z.B. gemäßDIN 4227 aus der Zugkeildeckung ergab. Im Ergebnis derUntersuchungen war festzustellen, dass der Spannungs -zuwachs Δσz bei einer Berechnung nach Zustand II umca. 35% geringer ausfällt als bei einer Berechnung nachZustand I (Ansatz der vollen Zugkeildeckung), Bild 1.

Ausgehend von den zuvor genannten Arbeiten wurde am„Institut für Stahlbeton“ unter der Leitung von Dr. RICKENSTORF (dieser war auch Oberassistent bei Prof.MLOSCH und später Professor an der TU Dresden) das Konzept der „Teilweisen Vorspannung“ gemäßTGL 0-4227 entwickelt. Die ersten Grundsätze zur Nach-weisführung von gerissenen Spannbetonquerschnittenwurden bereits in [9] dargelegt.

3 Die TGL 0-4227 (05/63) und ihre Anwendung3.1 Grundsätzliches und Spannbeton im Zustand I

Die TGL  0-4227 [10] gliedert sich in zwei Teile, denTeil  1  –  „Berechnung nach Zustand I“ und denTeil II – „Berechnung nach Zustand II“.

Der Teil I entspricht im Wesentlichen der DIN 4227 [3],Unterschiede ergaben sich vor allem beim Tragsicher-heitsnachweis. So wurde hier auf der Grundlage der Un-

tersuchungen zur TGL 11422 [4] von einem Sicherheits-beiwert γ = 1,70 ausgegangen. Der Teilsicherheitsbeiwertergab sich demnach aus folgenden Ansätzen:

– Einfluss der Modellunsicherheit:um1 = 1,25

– Einfluss der Lastunsicherheit:um2 = 1,10 … 1,40 ≈ 1,25

– Materialseitige Unsicherheiten:Stahl: ue = 0,90

Beton: ub = 0,60 … 0,65 = 1/1,67 … 1/1,54

Ausgehend von den vorhergehenden Annahmen ergibtsich der Sicherheitsbeiwert in Bezug auf die resultierendeStahllage mit γ = γs = 1,25 · 1,25/0,9 = 1,74 ≈ 1,70. Der Reduktionsfaktor für die Betonfestigkeit kann mit ρ = 0,60/0,90 … 0,65/0,90 = 0,67 … 0,72 ≈ 0,675 ange-nommen werden. Die maximale Betonrandspannung er-hält man entsprechend mit maxσ bR = –0,675 · W28.

Darüber hinaus wurden, aufgrund der nur geringen An-zahl der zur Verfügung stehenden Spannstähle, die me-chanischen Eigenschaften des Spannstahls direkt angege-ben. Die zusätzliche Spannstahldehnung ε bz,T durfte ma-ximal mit 7 ‰ in Ansatz gebracht werden.

3.2 Spannbeton im Zustand II

Der Teil II der TGL 0-4227 [3] umfasste sechs Abschnitte(auf ca. viereinhalb Seiten). In diesem Teil wurden nur dieGrundsätze und erforderlichen Nachweise angegeben. Sowurde z. B. festgelegt, dass beim Nachweis der Durchbie-gung die zulässige Biegeordinate durch den Projektantenselbst festzulegen ist.

Zur Erläuterung der Spannbetonbemessung im Zu -stand II wurde durch das „Institut für Stahlbeton“ paral-lel das Heft „Spannbeton Berechnung nach Zustand II;Erläuterungen zur TGL 0-4227“ [11] herausgegeben. ImRahmen dieses Heftes wurden in elf Kapiteln (einschließ-lich Literaturverzeichnis) die Zusammenhänge der Be-messung dargestellt. Nachfolgend wird auf einige maß-gebliche Aussagen und Ansätze eingegangen.

Im Kapitel 2 (Einführung) wurden im Wesentlichen diegrundsätzliche Einordnung des Berechungsansatzes inBezug auf die Bemessung im Zustand I und die Stahlbe-tonbemessung (Bild 2) sowie das Sicherheitskonzept dar-gelegt. Entgegen den Annahmen für den Zustand I wurdeauch hier von einem einheitlichen Sicherheitsbeiwertν = 1,70 ausgegangen. In der 3.  Auflage 1977 [11] warauch eine Aufspaltung des Teilsicherheitsbeiwerts in einen Sicherheitsbeiwert für die Eigenlast (1,30  ≤νs,g1 ≤ 1,70) und einen Sicherheitsbeiwert für die Nutzlast(1,40  ≤ νs,g2+p ≤ 1,70) entsprechend TGL  11422 [4](Ausg. 03/64) vorgesehen. Die zweite Auflage des Hefteswar 1968 als Beitrag des Fachverbandes Bauwesen zum8. Kongress der Internationalen Vereinigung für Brücken-und Hochbau in New York erschienen.

Bild 1 Vergleichende Betrachtungen nach [9]Comparative analysis [9]

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Im Kapitel  4 (Sicherheit gegen Erreichen der Traglast)wurden das Nachweiskonzept

(1)

und die maßgebenden Beanspruchungskombinationendargestellt

(2)

Die anzusetzende Spannungs- und Dehnungsverteilungkann Bild 3 entnommen werden, die Berechnungsansät-ze zur Ermittlung der resultierenden Betondruckkraftwurden ebenfalls angegeben. Darüber hinaus enthielt [11]Hilfsmittel zur Berechnung der Formänderungsgrößenε bo,T (maximale Betonstauchung), ε b1,T (Betondehnung inHöhe der Zugbewehrung) und ε b2,T (Betondehnung inHöhe einer möglichen Druckbewehrung).

Die grundlegenden Zusammenhänge zur Ermittlung derBeton- und Stahlspannungen wurden im Kapitel 6 (Span-nungsermittlung im Zustand II) aufgezeigt, dieses Kapitelbildete das eigentliche Herzstück der Nachweisführungim Zustand II, Bild 4.

M Ms z,q z,Tν ⋅ ≤

M 1,70 M M M M M

N 1,70 N N N N N

s i,q i,g i,p i,vI

iI

i,tI

s i,q i,g i,p i,vI

iI

i,tI

,

,

ν

ν

( )

( )

⋅ = + + + +

⋅ = + + + +

ϕ

ϕ

Zur Spannungsermittlung von vorgespannten Betonquer-schnitten im Zustand  II ist die kubische Gleichung derForm zu lösen.

(3)

Für den Sonderfall des Rechteckquerschnitts ergeben sichdie Koeffizienten zu:

A = 3α; B = 6 · (Ez/Eb) [α (μ1 + μ2)+μ1 + γ · μ2]; C = –6 · (Ez/Eb) [α (μ1 + γ · μ2) + μ1 + γ 2 · μ2]; α = –(yiN – yio)/h mit yiN = Ni,v+q+ϕ/Mi,v+q+ϕ; γ = h′/h

Zur vereinfachten Lösung dieser Gleichung wurde einentsprechendes Berechnungsnomogramm zur Verfügunggestellt, Bild 5.

Die Zusammenhänge zur Ermittlung der Rissweite ent-hielt Kapitel 7. Den Berechnungsansatz zeigt Gl. (4).

(4)

mit:a maßgebender Rissabstandcw Beiwert zur Berücksichtigung der Mitwirkung

des Betons zwischen den Rissenm1, m2 Beiwerte zur Berücksichtigung der Herstellungs-

technologie und des BelastungsbeginnsE1 Elastizitätsmodul der Zugbewehrung

Aufgrund der noch geringen Erfahrung wurden die zuläs-sigen Rissbreiten auf der sicheren Seite liegend angesetzt.So durften die Rissbreiten von Bauteilen im Freien0,25 mm (unter Höchstlast) bzw. 0,10 mm (unter Mittel-last) nicht übersteigen.

Bei der Berechnung der Durchbiegung (Kapitel 8) wurdezwischen der maximalen Verformung (kurzzeitig), derLangzeitverformung und der nachträglichen Verformungunterschieden. Gl. (5) zeigt beispielhaft den Berechnungs-ansatz für die Langzeitverformung.

A B C 003

02

0η η η+ + + =

1,2511

11 2w a c

Em mw

z ,v qσ= ⋅ ⋅

Δ+ϕ+ +

z1 v q z1 v z1 v q(0)

, , q ,σ σ σΔ = −ϕ ϕ ϕ+ + + + + +

Bild 2 Spannungszustand von Betonkonstruktionen in Abhängigkeit vom Vor-spanngrad [11]Stress state of concrete constructions, depending on the degree ofprestressing [11]

Bild 3 Spannungsverteilung in der Biegdruckzone [11]Stress distribution in the flexural compression zone [11]

Bild 4 Spannungsermittlung im Zustand II – Plattenbalkenquerschnitt nach[11]Stress determination in state II – flanged cross section after [11]

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(5)

mit:l StützweiteEbJi Steifigkeit des ideellen BetonquerschnittsMi,g Biegemoment infolge ständiger Last zum Zeit-

punkt des Vorspannens, jedoch ohne den LastfallVorspannung

Mi,q Biegemoment unter der größten Gebrauchslast(Höchstlast), jedoch ohne den Lastfall Vorspannung

M(0)i,v+ϕ Biegemoment infolge der mittleren Vorspannung

unter Berücksichtigung von Kriechen undSchwinden

kJ Beiwert zur Berücksichtigung des VorspanngradeskJ = 1,00 volle VorspannungkJ = 0,85 beschränkte VorspannungkJ = 0,70 teilweise Vorspannung

f lE J

1k

k M k M

kk M k M

kk M M

v q

2

b i

JqMv i,v

(0)Mq i,q

1

JgMv i,v

(0)Mg i,g

2

JdMd i,d i,g

ϕ

ϕ

( )( )

( )

=

+

+ +

+ −

⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢

⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥

ϕ

ϕ

ϕ+ +

+

+

kM Beiwert zur Berücksichtigung des statischen Sys-tems

ϕ1 Kriechmaß, vom Zeitpunkt der Vorspannung biszum Zeitpunkt der Durchbiegungsermittlung

ϕ2 Kriechmaß, vom Zeitpunkt der Aufbringung derDauerlast bis zum Zeitpunkt der Durchbiegungs-ermittlung

3.3 Anwendung der TGL 0-4227

Betrachtet man das Anwendungsgebiet des Spannbetonsin der DDR, so stellt man fest, dass es sich zum großenTeil um Fertigteillösungen handelt. Hier sind vor allemdie vom VEB Betonleichtbaukombinat entwickeltenSpannbetonmaste, aber auch die VT-Falten mit Spann-weiten bis zu 36 m oder die HP-Schalenelemente zu nen-nen. All diese Elemente wurden auf der Grundlage derTGL  0-4227 bemessen. Des Weiteren wurden in dieserZeit die in großer Stückzahl hergestellten Spannbeton -decken- und Dachelemente sowie Spannbetonbinder ent-wickelt. Im Brückenbau erfolgte die Anwendung der beschränkten Vorspannung erst Ende der 1960er-Jahre,als Beispiel ist hier die Hochbrücke in Wismar zu be -nennen.

4 Spannbetonbemessung nach ETV Beton

(ETV Beton = Einheitliches Technisches Vorschriften-werk Beton)

4.1 Entwicklung des ETV Beton

Die weitere Entwicklung im Spannbetonbau der DDRwurde im entscheidenden Maße durch die Zusammenar-beit im RGW (Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) be-stimmt. Erwartet wurde neben einer langfristigen Stabili-tät des Standardsystems die Erschließung materialökono-mischer Effekte, so wurden die erzielbaren Einsparungs-effekte mit im Mittel ca. 6 % angenommen [12].

Eine wesentliche Grundlage in Bezug auf das Sicherheits-konzept bildete der RGW Standard ST 25-73 „Grundsät-ze für die Berechnung von Baukonstruktionen und Grün-dungen“, vgl. auch [13]. Für die Bemessung im Spannbe-ton wurde zunächst von der SNiP II-C, 1-62 [8] ausgegan-gen. Diese wurden ergänzt durch die dem CEB-ModelCode 78 zugrunde liegenden Annahmen und der im Rah-men der Teilkomplexstudien erarbeiten Forschungsergeb-nisse.

Die Entwicklung des ETV Beton erstreckte sich über ei-nen Zeitraum von ca. zehn Jahren, hierbei sind folgendeEckpunkte zu nennen:

– 1972 Erarbeitung der Konzeption zum ETV Beton – 1973 Erarbeitung einer Komplexstudie – 1974 Beauftragung der Teilkomplexstudie (Teilkom-

plexe vgl. Abschn. 4.2)

Bild 5 Nomogramm zur Lösung der kubischen Gleichung [11]Nomogram for the solution of the cubic equation [11]

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– ca. 1978 Erste Probeanwendungen– 1981 Einführung zum 1. Juli (Stichtag)

Um die Anzahl der zu überarbeitenden Vorschriften zuermitteln, erfolgte zunächst eine Bestandsaufnahme desaktuellen Vorschriftenwerks, Bild 6.

Die Erarbeitung der Teilkomplexe erfolgte federführenddurch das „Institut für Stahlbeton“ in Dresden. Darüberhinaus waren die Institute der Bauakademie der DDR,die Technische Universität Dresden, die Hochschule fürBauwesen Leipzig, die Ingenieurhochschule Wismar so-wie das Bau- und Montagekombinat Ost beteiligt.

4.2 Aufbau und Inhalt des ETV Beton

Der ETV Beton gliederte sich in folgende Teilkomplexe:

A Berechnung und bauliche Durchbildung, TGL 33401bis TGL 33408

B Herstellung und Ausführung, TGL 33411 bis TGL 33422

C Prüfung und Kontrolle, TGL 33431 bis TGL 33450D Spezialbauwerke und Sonderkonstruktionen,

TGL 33461 bis TGL 33467E Erhaltung und Rekonstruktion, TGL 33451 bis

TGL 33454F Bauelemente, TGL 33481 bis TGL 33623

Maßgebend für die Bemessung im Spannbetonbau ist derTeilkomplex A, dieser gliederte sich in folgende Vorschrif-ten (auf die einzelnen Vorschriftenteile kann hier nichteingegangen werden):

TGL 33401 Betonbau, BauunterlagenTGL 33402 Betonbau, BerechnungsgrundlagenTGL 33403 Betonbau, Festigkeits- und Formänderungs-

kennwerteTGL 33404 Betonbau, Schnittgrößen- und Verfor-

mungsberechnungTGL 33405 Betonbau, Nachweis der Trag- und

Nutzungsfähigkeit

TGL 33406 Betonbau, Hilfsmittel für die Nachweis -führung

TGL 33407 Betonbau, Nachweis der Trag- und Nut-zungsfähigkeit aufgrund experimentellerErprobung

TGL 33408 Betonbau, Korrosion und Korrosions-schutz

4.3 Wesentliche Berechnungsannahmen im Rahmen des ETV Beton

4.3.1 Allgemeines

Nachfolgend wird auf einige wesentliche Annahmen, dieim Rahmen der Bemessung gemäß ETV Beton getroffenwurden, eingegangen. Bezüglich der Annahmen zum Si-cherheitskonzept und den zugehörigen Teilsicherheitsbei-werten (last- und materialseitig) sei auf [15] und [16] ver-wiesen. Betrachtet man die Teilsicherheitsbeiwerte aufder Einwirkungsseite, so fällt insbesondere der sehr gerin-ge Wert für die Eigenlast von Beton-, Holz- und Metall-konstruktionen (n  = γ G = 1,1) [17] auf. Will man diesenAnsatz mit DIN EN 1990 [18] vergleichen, so ist zu be-achten, dass gemäß Gl.  (6.10b) (in Deutschland gemäßNA nicht anwendbar) unter bestimmten Bedingungen ei-ne Reduktion des Teilsicherheitsbeiwerts für die ständigeEinwirkung möglich ist, vgl. Gl. (6). Setzt man für den Re-duktionsbeiwert ξ einen Wert von ξ = 0,85 ein, so erhältman ebenfalls einen resultierenden Teilsicherheitsbeiwertvon γ g = 1,15, weitere Ausführungen vgl. [15].

(6)

4.3.2 TGL 33402 – Berechnungsgrundlagen

Bezüglich der Nachweisbedingung entsprachen die An-nahmen des ETV Beton weitgehend denen im Rahmender Eurocodes (EC). So war nachzuweisen, dass die vor-handene Beanspruchung S(Fu) kleiner oder gleich deraufnehmbaren Beanspruchung (S(R)) ist (S(Fu)  ≤ S(R)).Hierbei wurden entsprechend den heutigen Eurocodesdie Grenzzustände der Tragfähigkeit (GZT) und der Nut-zungsfähigkeit (GZN) unterschieden.

4.3.3 TGL 33403 – Festigkeits- undFormänderungskennwerte

Zur Ermittlung der Festigkeitskennwerte des Betons wurde von der Betonprismenfestigkeit (Rn

b) ausgegangen,diese entspricht annähernd der Zylinderdruckfestigkeit.Die Betonprismenfestigkeit wurde aus der im Labor ermittelten Betonwürfeldruckfestigkeit (Rn) bestimmt,Rn

b = 0,728Rn. Die Würfel hatten eine Kantenlänge von150  mm/150  mm/150  mm. Dieses Vorgehen kann mitdem heutigen Vorgehen gemäß Eurocode verglichen wer-den.

E

G P Q Q

d

j G,j k,j p k Q,1 k,1 Q,i 0,i k,ii 1j 1

E ∑∑ξγ γ γ γ ψ

=

+ + +⎡

⎢⎢

⎥⎥>≥

Bild 6 Überblick über das Vorschriftenwerk im Betonbau 1972, [14]Summary of the rules and regulations in concrete construction 1972,[14]

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Der Bemessungswert der Betondruckfestigkeit ergab sichzu:

Grenzzustände der Tragfähigkeit

(7)

Grenzzustände der Nutzungsfähigkeit Rb = Rn

b · mb

Die Materialfaktoren kb (Druck) bzw. kbt (Zug) wurdenwir folgt angesetzt:

→ Druck kb = 1,30; → Zug kbt = 1,50

Die Anpassungsfaktoren ergaben sich unter

Ansatz der Werte gemäß Tab. 1, weitere Angaben vgl. [19]und [20]. Wie Tab. 1 zeigt, wurde hierbei eine relativ gro-ße Spannweite der Anpassungsfaktoren verwendet. Fürden resultierenden materialseitigen Teilsicherheitsbeiwertergab sich somit im Grenzzustand der Tragfähigkeit eineSpannweite von:

(8)

γ b = kb/mb = 1,08 Lastfall Explosionγ b = kb/mb = 1,30 Lastfall Biegungγ b = kb/mb ≈ 1,50 … 1,81 Lastfall Biegung mit Längs-

kraft bzw. Längskraft allein

Vergleicht man diese Werte mit den Annahmen im EC2[21] (γ c/α = 1,50/0,85 = 1,76), so ist festzustellen, dass dieWerte für druckbeanspruchte Bauteile sehr gut überein-stimmen. Bei überwiegend auf Biegung beanspruchtenBauteilen wurde der Teilsicherheitsbeiwert im ETV Betondeutlich geringer angesetzt. Dies ist darauf zurückzufüh-

m mb b,ii∏=

k /m 1,08…1,81b b bγ = =

R R mRk

mR

b b0

bbn

bb

bn

b�

γ= ⋅ = ⋅

ren, dass in diesem Fall aufgrund der geringen dauerndenAuslastung der Betondruckfestigkeit zum einen ein Dau-erstandversagen nicht zu erwarten ist und zum anderendurch die konstruktive Verbügelung der Druckzone einmehraxialer Spannungszustand entsteht, der wiederumdie Aufnahme größerer Betondruckspannungen ermög-licht.

Eine ausführliche Darlegung zur Berechnung der Kriech-zahl und der Schwindverformung kann [19] entnommenwerden. Für die Kriechzahl ergaben sich Werte im Be-reich von ϕ� ≈ 2,0 … 4,0, die unterschiedlichen Verlaufs-funktionen nach ETV Beton und EC2 zeigt Bild 7.

4.3.4 TGL 33404 – Schnittgrößen- undVerformungsberechnung

Gemäß TGL 33404 war bei der Schnittgrößenermittlungim Allgemeinen die Elastizitätstheorie anzuwenden. Ab-weichend hiervon sollte die Schnittgrößenermittlung aufder Grundlage der Plastizitätstheorie erfolgen, wenn:

Tab. 1 AnpassungsfaktorenAdjustment factors

Anpassungs- Erfasster Einfluss Funktion/Zahlenwertfaktor

mb1 Ermüdung; Lastspielzahl ≥ 2 · 106 0,65 + 0,50 · k ≤ 1,0;k = min sb/max sb

mb2 Hohe Belastungsgeschwindigkeit 1,20

mb3 Unbewehrte und konstruktiv bewehrte Konstruktionen 0,80 + 0,20 · (vorh. ms/min ms)

mb4 Wände und Stützen (|e|/h ≤ 0,50) 0,80 … 0.95

mb5 Langzeitwirkung der Belastung bei gedrückten Bauteilen 0,90 + 0,10 (Nu – Nu,d)/Nu ≤ 1,0

mb6 Zweiachsige Beanspruchung in Abhängigkeit vom Hauptspannungs- Druck – Druck: 1,00 … 1,25verhältnis Zug – Druck: 1,00 … 0,10

mb7 Verminderte Plastische Formänderung gesonderte Annahmen≥ Bk 55

mb8 Fertigteilrippendecken; Glasstahlbeton; Stahlsteindecken 0,70; 0,60; 0,60

Bild 7 Verlaufsfunktion nach ETV Beton und EC Distribution function to ETV-Beton and EC2

Page 7: Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR

66 Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 1

O. Mertzsch: Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR

– theoretische und/oder experimentell begründete Me-thoden dafür vorliegen, die die Besonderheiten desStahlbetons in Bezug auf Verformungs- und Rissver-halten berücksichtigen,

– vorwiegend ruhende oder plötzliche Lasten (z. B. Ex-plosion) auftreten,

– in den Grenzzuständen der Tragfähigkeit Rissbildungauftritt und eine ausreichende Verformbarkeit durchbegrenzte Druckzonenausnutzung und eine ausrei-chende Dehnungseigenschaft der Zugzone gewährleis-tet ist.

Ausgehend von diesen Grundsätzen erfolgte die Schnitt-größenermittlung von Durchlaufsystemen und mehrach-sig gespannten Platten grundsätzlich auf der Grundlageder Plastizitätstheorie.

Die Auslastung der Betondruckzone (kxR = bez. Druck -zonenhöhe) war hierbei auf

– Stabtragwerke kxR ≤ 0,7 kxR,1

– Plattentragwerke kxR ≤ 0,5 kxR,1

zu begrenzen (kxR,1 = kxR-Wert für den die Rechenfestig-keit des Stahls auf Zug voll ausgelastet ist). Darüber hi-naus sollte die Duktilität des plastischen Gelenks durchdie Einhaltung der Mindestbewehrung und die Verwen-dung von warmgewalzten oder thermisch verfestigtenStählen erreicht werden.

In TGL 33404 wurden ebenfalls die Grundsätze der Ver-formungsberechnung angegeben.

4.3.5 TGL 33405/02 – Konstruktionen aus Spannbeton

Die Bemessung nach TGL 33405/02 basierte auf denschon in TGL 0-4227 dargestellten Annahmen, es wurdenebenfalls drei Vorspanngrade unterschieden, Bild 8. ImVG II und VG III wurde im Grenzzustand der Tragfähig-keit von einer rechteckigen Spannungsverteilung in derBetondruckzone ausgegangen, vgl. auch [19]. Im Grenz-zustand der Nutzungsfähigkeit und im VG I wurde einedreieckförmige Spannungsverteilung angesetzt.

Im Gegensatz zum CEB-Model Code 78 (Fachwerkanalo-gie) erfolgte der Querkraftnachweis auf der Grundlageder Schrägschnitttheorie, vgl. [22] und [23]. EntsprechendBild 9 wurde hierbei zwischen Vertikalbügeln, Aufbiegun-gen und Schrägbügeln unterschieden. Die aufnehmbareQuerkraft konnte demnach entsprechend Gl. (9) be-stimmt werden.

(9)

In Gl. (9) bedeutet:

α1 = 0,30 für Balken und Plattenbalken α2 = 0,5 für Voll- oder Hohldeckenplatten

Q R b h1 1 1 bt 0 pα β= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

Bild 8 Spannungsverteilung für die Vorspanngrade I bis IIIStress distribution for prestress grade I to III

Bild 9 Modell zur Ermittlung der aufnehmbaren Querkraft [23]Model for the shear resistance

Page 8: Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR

Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 1 67

O. Mertzsch: Development of prestressed concrete rules in the GDR

BER

ICH

TREPO

RT

∑Phi(0) Summe der Horizontalkomponente der Vorspan-

nung im offenen System

Darüber hinaus war der Nachweis der Mindestbe-wehrung erforderlich, diese ergab sich entsprechendGl. (10).

(10)

4.4 Vergleich ETV Beton und EC2

Die Berechnungsannahmen zeigt Bild 10.

Hiervon ausgehend ergibt sich die erforderliche Beweh-rung gemäß ETV Beton zu:

Mus = MEds = 810 · 106 · 1120 · 1220 · (662 – 565) = 942,5 · 106 Nmm

k 1 1 2 0,0686 0,0711 100662

0,151xR = − − ⋅ = < =

erfA 0,0711 19,6430

1660

662 1120 1220430

255 mm (3 12 mm)

s

2

= ⋅ ⋅ ⋅

− = ∅

min

R

R1 0,73

R1 1 0,81

R

R1

1 0,73R

p

b0

p0

p(0)

p0

bt0

b0

p(0)

p0

2

μ

σ

σ

=

−⎛

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟

− − ⋅

−⎛

⎝⎜⎜

⎠⎟⎟

⎢⎢⎢⎢⎢⎢⎢

⎥⎥⎥⎥⎥⎥⎥

m942,5 10

19,6 1600 6620,06869

6

2=

⋅ ⋅=

1

2,5 P R A R A

0,5M N h 0,5h P h 0,5h

P N h

1,02,0

1

hi(0)

p pi s si

u,1 u p1 hi(0)

pi

hi(0)

u

∑ ∑ ∑∑

β

( )

( )

( )( ) ( )

= +

+

++ − − −

≥≤

⎧⎨⎩

Die Bewehrung gemäß EC2 erhält man zu:

Ein Vergleich der Berechnung zeigt, dass sich die unterschiedlichen erforderlichen Bewehrungsmengen(erf As, ETV = 2,55 cm2 < erf As, EC2 = 4,22 cm2) im Wesent-lichen aus den Ansätzen für den Teilsicherheitsbeiwertdes Betons ergeben. Das gleiche Bild zeigt sich auch beimNachweis der Querkrafttagfähigkeit in Bezug auf dieGröße der maximalen Querkrafttragfähigkeit und derTragfähigkeit ohne Querkraftbewehrung.

Einzig bei der Ermittlung der eigentlichen Querkrafttrag-fähigkeit kommt das unterschiedliche Berechnungsmo-dell zum Tragen. Die erforderliche Querkraftbewehrungergibt sich demnach zu:

mit:

Gemäß EC2 [21] ergibt sich eine erforderliche Querkraft-bewehrung von Asw = 218,2 mm2. Somit sind im vorlie-genden Beispiel gemäß ETV Beton nur 70 % der Quer-kraftbewehrung gemäß EC2 erforderlich.

5 Zusammenfassung

Es bleibt festzuhalten, dass die Normung im Spannbeton-bau der DDR sowohl den Stand der nationalen als auchder europäischen Forschung widerspiegelte. Insbesonde-re in Bezug auf die aktuelle Diskussion der wirklichkeits-nahen Nachrechnung von bestehenden Betonkonstruk-tionen kann ein Blick in die Berechnungsannahmen des

A 1,1R

(x)Q (x)h (x)

dx 1,1430

65,9 10 600662

152,8 mm

vsv

ur

px

x

32

0

1

∫η

= = ⋅

⋅ ⋅=

(x) 0,6 0,267 (x) 10,3

(x)0,369

Q 178,5; x 60 cm; h 66,2 cm

1

ur s

η ξβ

ξ= +⎡⎣ ⎤⎦ −

⎣⎢

⎦⎥ =

= Δ = =

erfA 0,0939 15,02435

1660

662 11201220435

422 mm (4 12mm)

s

2

= ⋅ ⋅ ⋅

− = ∅

1 1 2 0,0895 0,0939 100662

0,151ξ = − − ⋅ = < =

f 26,5 N/mm ; f 0,85 26,51,5

15,02

(gemäß Nachrechnungsrichtlinie des BMVBS)

ck2

cd= = =

M 810 10 1120 1220

662 565 942,5 10 NmmEds

6

6( )= ⋅ ⋅ ⋅ ⋅

− = ⋅

942,5 10

15,02 1600 6620,0895Eds

6

2μ =

⋅ ⋅=

Bild 10 Berechnungsannahmen [24]Assumptions of the calculation

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68 Beton- und Stahlbetonbau 109 (2014), Heft 1

O. Mertzsch: Entwicklung der Spannbetonvorschriften in der DDR

ETV Beton hilfreich sein. Im besonderen Maße betrifftdies die Annahmen zum Teilsicherheitskonzept und denhier sehr differenzierten Annahmen zum materialseitigenAnpassungsfaktor.

Dank und Widmung

Der Beitrag ist die schriftliche Zusammenfassung einesVortrags im Deutschen Technikmuseum in Berlin. Diesen

Vortrag wollte ursprünglich Prof. WOLFGANG KRÜGER

halten, der am 04.01.2013 verstorben ist und dem dieserBeitrag gewidmet ist. Mein besonderer Dank gilt HerrnDipl.-Ing. HORST GERSTNER, der mich mit seinen Hin-weisen zur Spannbetonnormung in der DDR sowohl beider Vorbereitung des Vortrags als auch dieses Beitrags unterstützt hat.

Literatur

[1] MAYER, M.: Die Sicherheit der Bauwerke und ihre Berech-nung nach Grenzkräften anstatt nach zulässigen Spannun-gen. Verlag J. Springer, Berlin 1926.

[2] BRENDEL, G.: Stahlbetonbau; Unter Berücksichtigung desSpannbetons; Grundlagen der Theorie und Praxis. 4. Aufla-ge, Teubner Verlagsgesellschaft. Leipzig 1963.

[3] DIN  4227: Spannbeton – Richtlinie für Bemessung undAusführung. Ausgabe 10/1953.

[4] TGL 11422: Bauwerke und Fertigteile aus Beton und Stahl-beton, Berechnungsgrundlagen – Traglastverfahren. Ausga-be 07/1962 und Ausgabe 03/1964.

[5] HAMPE, E: Aufgaben und Forderungen der bauausführen-den Betriebe bei der Durchsetzung des Spannbetonbaus inder DDR. Bauplanung-Bautechnik 1960.

[6] ZERNA, W.: Teilweise vorgespannte Betonkonstruktionen.Beton- und Stahlbetonbau 51 (1956), Heft 12, S. 265–267.

[7] ABELES, P. M.: Teilweise vorgespannte Betonkonstruktio-nen. Der Bauingenieur 39 (1958), Heft 3, S. 77–84 und Heft5, S. 183–190.

[8] SNiP II-C, 1-62: Beton- und Stahlbetonkonstruktionen.Moskau 1962.

[9] RICKENSTORF, G.; GERSTNER, H.: Risssicherung im Spann-beton; Bauplanung. Bautechnik 15 (1961), Heft 12, S. 595–599.

[10] TGL  0-4227: Spannbeton, Berechnung und Ausführung.Ausgabe 05/1963.

[11] RICKENSTORF, G. et al.: Spannbeton Berechnung nach Zu-stand II; Erläuterungen zur TGL 0-4227. VEB Verlag fürBauwesen, Berlin 1964 (3. Auflage Berlin 1977).

[12] GERSTNER, H.; HAUPT, W.: Materialökonomische Effektedes Bewehrungsstahleinsatzes durch Anwendung des ETV-Beton. Bauplanung-Bautechnik 36 (1983), Heft 6.

[13] BEYER, W. O.; BÖTTCHER, J.; DRIGERT, K.-A.: Kommentarzum Standard St 25-73 des RGW „Grundsätze für die Be-rechnung von Baukonstruktionen und Gründungen“. RGWSKB Moskau 1972.12; Bauakademie der DDR, 1974.

[14] SCHMIDT, H.; KÖRNER, Chr.; GERSTNER, H.: Zur Ausarbei-tung des Einheitlichen Technischen Vorschriftenwerks fürden Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonbau. Bauplanung-Bautechnik, 1976.

[15] WIESE, H.; CURBACH, M; ALL-JAMOUS, A.; ECKFELD, L.;PROSKE, D.: Vergleich des ETV Beton und DIN  1045-1. Beton- und Stahlbetonbau 100 (2005), Heft 6, S. 246–248.

[16] GERSTNER, H.; JÄGER, W.; NGUYEN, S. H.: Kann derMauer werksbau noch vom ETV Beton der ehrmaligen DDRprofitieren? Mauerwerk 11 (2007), Heft 4, S. 190–198.

[17] TGL  32274: Lastannahmen für Bauwerke. Ausgabe09/1978.

[18] DIN EN 1990: Grundlagen der Tragwerksplanung. Ausgabe12/2010.

[19] KRÜGER, W.; SCHUBERT, L.: Spannbetonberechnung im Zu-stand II nach DDR-Vorschriften. Beton- und Stahlbetonbau84 (1989), Heft 5, S. 109–115 und S. 147–153.

[20] TREMEL, H.; GERSTNER, H.: Beton-Stahlbeton-Spannbeton,Berechnung und Ausführung. VEB Verlag Bauwesen, Ber-lin 1985.

[21] DIN EN 1992 + Nationaler Anhang – Eurocode 2: Bemes-sung und Konstruktion von Stahlbeton- und Spannbeton-tragwerken. Ausgabe ab 12/2010.

[22] SCHRÖDER, K.: Beitrag zur Bemessung der Querkraft -bewehrung für Stahlbetonrechteckbalken mit gleichbleiben-der Höhe unter Beachtung schweißtechnisch bedingter Be-wehrung. Dissertation, Wismar 1978.

[23] SCHRÖDER, K.: Grundlagen der Querkraftsicherung vonBalken, Platten und Kragarmen nach TGL 33405/1. Bau-planung–Bautechnik 36 (1982), Heft 6.

[24] SCHUBERT, L.; REIS, E.: Biegebeanspruchte vorgespannteBauteile (VG III) bei vorwiegend ruhender Belastung.Teil 2, Leipzig 1986.

Autor

PD Dr.-Ing. habil. Olaf MertzschLandesamt für Straßenbau und Verkehr M-VErich-Schlesinger-Straße 35Pf 161262 18025 Rostock [email protected]