Entwicklung von Zellkultur- und Feed-Medien

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413 BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang STEFAN NORTHOFF 1 , CHRISTOPH HEINRICH 1 , HEINO BÜNTEMEYER 1 , TANNO HÜBEL 2 , BERND SCHRÖDER 2 1 TEUTOCELL AG, BIELEFELD 2 MILTENYI BIOTEC GMBH, TETEROW The development of culture media and supplements for fed-batch processes is one of the most complex steps in cell culture process development. We have developed chemically defined and animal com- ponent-free media and supplements for culturing Chinese Hamster Ovary cells (CHO) and hybridoma cells, improving the production of recombinant pro- teins. DOI: 10.1007/s12268-012-0203-y © Springer-Verlag 2012 ó Die Entwicklung leistungsfähiger, che- misch definierter Zellkulturmedien für die Gewinnung rekombinanter biopharmazeuti- scher und diagnostischer Proteine mithilfe von Zellkulturen hat in den vergangenen Jah- ren große Fortschritte gemacht. In Verbin- dung mit Verbesserungen der zellulären Expressionssysteme hat dies in der indus- triellen Zellkulturtechnik zu Produktaus- beuten von mehr als zehn Gramm pro Liter bei rekombinanten Antikörpern geführt [1]. Die bei derartigen Produktionsabläufen in der Industrie am häufigsten verwendete Ver- fahrensweise ist der Fed-Batch-Prozess. Bei diesem diskontinuierlichen Verfahren wird die Zellkultivierung unter Zugabe frischer, konzentrierter Substratlösung (Feed-Medium) durchgeführt. Dadurch kann das Zell-Zeit- Integral und die Prozessproduktivität um ein Vielfaches gesteigert werden. Damit dies gelingt, müssen für die Kultur bestimmter Zelllinien oder sogar Klone spezielle Zellkul- tur- und Feed-Medien sowie Fütterungs- strategien entwickelt werden. Herausfor- derungen bei der Neuentwicklung von generischen Feed- Medien definieren sich durch die meta- bolischen Unter- schiede zwischen den einzelnen Zell- linien. So liegt z. B. die zellspezifische Ver- brauchsrate von L- Asparagin bei den in dieser Arbeit unter- suchten Chinese ham- ster ovary(CHO)-Zell- linien zwischen – 0,22 und –1,01 Piko- mol pro Zelle und Tag. Auch das Verhältnis zellspezifischer Substratverbrauchsraten zueinander kann sich grundlegend zwischen einzelnen CHO-Zelllinien, aber auch Klonen unterscheiden. Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Laktatbildung und Glukosever- brauch konnten Werte von 1,15 bis 1,40 bestimmt werden. Dies bedeutet, dass in die- ser vereinfachten Betrachtung die Verstoff- Fed-Batch-Kultivierung Entwicklung von Zellkultur- und Feed-Medien ˘ Abb. 1: Entwicklung von Feed-Lösungen. Aus drei verschiedenen Zell- linien werden empirisch Daten gewonnen und virtuell in Modellen zusammengefasst. Zusammen mit den Ergebnissen aus statistisch geplanten Versuchsansätzen werden die virtuell erzeugten Daten ausge- wertet und die Formulierung einer neuen Feed-Lösung erstellt. μ: zellspe- zifische Wachstumsrate; qS: zellspezifische Substratverbrauchsrate; qP, zellspezifische Produktbildungsrate; qI: zellspezifische Rate der Bildung von Nebenprodukten, die das Wachstum negativ beeinflussen (Inhibito- ren).

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BIOspektrum | 04.12 | 18. Jahrgang

STEFAN NORTHOFF1, CHRISTOPH HEINRICH1, HEINO BÜNTEMEYER1,

TANNO HÜBEL2, BERND SCHRÖDER2

1TEUTOCELL AG, BIELEFELD2MILTENYI BIOTEC GMBH, TETEROW

The development of culture media and supplements for fed-batchprocesses is one of the most complex steps in cell culture process development. We have developed chemically defined and animal com -ponent-free media and supplements for culturing Chinese Hamster Ovary cells (CHO) and hybridomacells, improving the production of recombinant pro-teins.

DOI: 10.1007/s12268-012-0203-y© Springer-Verlag 2012

ó Die Entwicklung leistungsfähiger, che-misch definierter Zellkulturmedien für dieGewinnung rekombinanter biopharmazeuti-scher und diagnostischer Proteine mithilfevon Zellkulturen hat in den vergangenen Jah-ren große Fortschritte gemacht. In Verbin-dung mit Verbesserungen der zellulärenExpressionssysteme hat dies in der indus-triellen Zellkulturtechnik zu Produktaus-beuten von mehr als zehn Gramm pro Literbei rekombinanten Antikörpern geführt [1].

Die bei derartigen Produktionsabläufen inder Industrie am häufigsten verwendete Ver-fahrensweise ist der Fed-Batch-Prozess. Beidiesem diskontinuierlichen Verfahren wirddie Zellkultivierung unter Zugabe frischer,konzentrierter Substratlösung (Feed-Medium)durchgeführt. Dadurch kann das Zell-Zeit-Integral und die Prozessproduktivität um einVielfaches gesteigert werden. Damit diesgelingt, müssen für die Kultur bestimmterZelllinien oder sogar Klone spezielle Zellkul-

tur- und Feed-Mediensowie Fütterungs-strategien entwickeltwerden. Herausfor-derungen bei derNeuentwicklung vongenerischen Feed-Medien definierensich durch die meta-bolischen Unter-schiede zwischenden einzelnen Zell -linien.

So liegt z. B. diezellspezifische Ver-brauchsrate von L-Asparagin bei den indieser Arbeit unter-suchten Chinese ham-ster ovary(CHO)-Zell-linien zwischen –0,22 und –1,01 Piko-

mol pro Zelle und Tag. Auch das Verhältniszellspezifischer Substratverbrauchsratenzueinander kann sich grundlegend zwischeneinzelnen CHO-Zelllinien, aber auch Klonenunterscheiden. Im Hinblick auf das Verhältniszwischen Laktatbildung und Glukosever-brauch konnten Werte von 1,15 bis 1,40bestimmt werden. Dies bedeutet, dass in die-ser vereinfachten Betrachtung die Verstoff-

Fed-Batch-Kultivierung

Entwicklung von Zellkultur- undFeed-Medien

˘ Abb. 1: Entwicklung von Feed-Lösungen. Aus drei verschiedenen Zell -linien werden empirisch Daten gewonnen und virtuell in Modellenzusammengefasst. Zusammen mit den Ergebnissen aus statistischgeplanten Versuchsansätzen werden die virtuell erzeugten Daten ausge-wertet und die Formulierung einer neuen Feed-Lösung erstellt. μ: zellspe-zifische Wachstumsrate; qS: zellspezifische Substratverbrauchsrate; qP,zellspezifische Produktbildungsrate; qI: zellspezifische Rate der Bildungvon Nebenprodukten, die das Wachstum negativ beeinflussen (Inhibito-ren).

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wechselung von Glukose bei einigen der ver-wendeten Zellen ineffizienter erfolgt. Bei derEntwicklung eines Feed-Mediums für die Fed-Batch-Kultivierung mit verschiedenen Zell -linien und Klonen muss daher Rücksicht aufdie Bedürfnisse möglichst unterschiedlicherzellulärer Systeme genommen werden.

Als Grundlage dienten in diesem Projektcharakteristische Stoffwechsel- und Wachs-tumsprofile, die durch eine tägliche Probe-nahme und die Analyse von 40 verschiede-nen Parametern erstellt werden konnten. Die-se Daten wurden daraufhin unter Berück-sichtigung weiterer wichtiger Aspekte – wiechemische Stabilität, Löslichkeit von Einzel-substanzen und andere physiologische bzw.chemische Parameter – in einem Modellzusammengefasst. Für die Erstellung desModells wurden die Profile mehrerer Zelleneinbezogen. Unterstützt wird diese modell-basierte Entwicklung durch parallele, statis-tisch geplante Versuchsansätze (Design ofExperiments, DoE). Diese dienen vor allem

dem Test neuer, wirksamer Medienkompo-nenten und der Optimierung der Konzentra-tionsbereiche einzelner Bestandteile der Feed-Lösung. Ein schematischer Überblick überdie kombinierte Entwicklungsstrategie ist inAbbildung 1 wiedergegeben.

Die einzelnen Arbeitsschritte können zyk-lisch wiederholt werden, wobei in jedem neu-en Zyklus weitere Zellen in die Entwicklungaufgenommen werden können. Das Ergebniseiner solchen Entwicklung ist eine optimier-te Formulierung, die durch die Testung vielerverschiedener Klone einen Hochleistungs-Fed-Batch für eine Vielzahl verschiedenerZelllinien bzw. Klone ermöglicht. Abbildung 2zeigt die Ergebnisse einzelner Entwick-lungsschritte bei der Entwicklung des Medi-ums CHOMACS CD und des dazugehörigenFeed-Mediums (Miltenyi Biotec).

Im Vergleich zum Batch-Verfahren mit CHOMACS-CD-Medium konnte im Fed-Batch-Verfahren mit dem finalen Feed-Medium dieLebendzelldichte von 1 × 107 auf 2,5 × 107

Zellen pro Milliliter erhöht werden. Dabeiwurde durch die Erhöhung der Zelldichtesowie die Verlängerung der Prozesszeit dieAntikörperkonzentration um den Faktor 4,7gesteigert.

Ein Beispiel für eine rationale Entwicklungeines Feed-Mediums für Hybridomazellen(HybriMACS CD, Miltenyi Biotec) ist in Abbil-dung 3 dargestellt. Hybridomazellen verfü-gen über einen anderen Stoffwechsel als CHO-Zellen [2]. Daher ist es nicht möglich, einefür beide Zelltypen gleichermaßen geeigne-te, optimale Feed-Lösung zu entwickeln. Statt-dessen wurden hier verschiedene Hybrido-maklone in die Entwicklung einbezogen. AlsErgebnis wurde eine Steigerung der Produk-tivität für das dargestellte Hybridom um denFaktor 10 erreicht.

Die beiden Medien CHOMACS CD undHybriMACS CD werden als gebrauchsfertigeFormulierungen für die Kultivierung vonCHO- oder Hybridomazellen in Suspensionangeboten. Die dazugehörigen CHOMACS-bzw. HybriMACS-Feed-Medien sind genausowie die Kultivierungsmedien frei von Protei-nen und tierischen Komponenten. Sie sindauf eine Vielzahl verschiedener CHO- bzw.Hybridomaklone optimiert, welche in Sus-pensionskulturen für die Protein- oder Anti-körperproduktion eingesetzt werden. ó

Literatur[1] Kim JY, Kim YG, Lee GM (2012) CHO cells in biotechnolo-gy for production of recombinant proteins: current state andfurther potential. Appl Microbiol Biotechnol 93:917–930[2] Quek LE, Dietmair S, Krömer JO et al. (2010) Metabolicflux analysis in mammalian cell culture. Metab Eng 12:161–171

˚ Abb. 2: Kultivierung einer rekombinanten CHO-DG44-Zelllinie in CHOMACS-CD-Medium (Miltenyi Biotec) im Batch- und Fed-Batch-Verfahren mit kontinuierlicher Zugabe von verschiede-nen Feed-Medium-Entwicklungsstufen. Die unterschiedlichen Entwicklungsstufen resultieren ausder zyklischen Wiederholung der in Abb. 1 dargestellten Arbeitsschritte. A, Lebendzelldichte undB, maximale Antikörperkonzentrationen, die mithilfe der jeweiligen Verfahren erreicht wurden.

A B

˚ Abb. 3: Kultivierung von Hybridomazellen in HybriMACS-CD-Medium (Miltenyi Biotec) im Batch-und Fed-Batch-Verfahren mit kontinuierlicher Zugabe von Feed-Medium aus den aufeinanderfol-genden Entwicklungsstadien. A, Lebendzelldichte und B, maximale Antikörperkonzentration, diemithilfe der jeweiligen Verfahren erreicht wurden.

A B

Stefan Northoff, Christoph Heinrich, Heino Bünte-meyer, Tanno Hübel und Bernd Schröder (v. l. n. r.)

Korrespondenzadresse:Stefan NorthoffTeutoCell AGHainteichstraße 78D-33613 BielefeldTel.: [email protected]