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AUSGABE 1/ 2006

Euro 4,50US$ 5,50

W E L T A L L + E R D E + M E N S C H

Heft 41

Erdbeobachtung: Service aus dem All

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RC Aktuell

Eine ungewöhnliche Perspektive mit Blick von Nord nach Süd zeigt den gesamten Alpenbogen vom nördlichen Alpenvorland bis zur Adria. Es handelt sich hierbeinicht um ein Satellitenbild im klassischen Sinne, sondern um ein digitales Höhenmodell, das aus vielen unterschiedlichen Quellen, auch unter Verwendung von satel-litengestützten Messungen, entstanden ist. Unterschiedlichen Höhen wurden intuitive Farben zugeordnet: Sie reichen von Dunkelgrün (Tiefland) über Hellgrün, Gelb,Ocker, Braun bis zu Lagen um etwa 3000 m, die dunkelbraun dargestellt sind. Höhen oberhalb etwa 3000 m erscheinen in weiß. Das derart pseudocolorierteHöhenmodell wurde schließlich im Computer perspektivisch dargestellt und künstlich beleuchtet, so dass eine höhere Plastizität durch Licht und Schatten erreicht wird.Diese Abbildung befindet sich auch in dem Buch "Berge aus dem All", siehe Seite 17.

Das Stadtzentrum von Neustrelitz – hier befindet sich eine Satelliten-Empfangsanlage des deutschen Fernerkundungszentrums - mit den vom Marktplatz sternförmigabgehenden Straßen aus 817 km Höhe im April 2005 vom indischen IRS-P6-Satelliten gesehen. Fotos: DFD/DLR.

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RC-Kolumne

Raumfahrt Concret 1/2006

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Die Werkzeuge der Forschung sind anspruchsvoller geworden.Während Christoph Kolumbus noch eine Karacke genügte umneue Welten zu entdecken, ist zum entsprechenden Fahrzeug derNeuzeit das Raumschiff geworden. Alleine ist Raumschiff nichtgleich Raumschiff und zudem verlangt das Transportgut höchstunterschiedliche Lösungen. Ein bemanntes Mondfahrzeug unter-scheidet sich von einem kommerziellen Navigationssatellitennicht nur durch das 500fache Gewicht sondern auch die vielfachgrößeren Anforderungen an die Zuverlässigkeit. So haben inknapp 50 Jahren inzwischen einige hundert verschiedeneKonstruktionen den Weg ins All gefunden und eine noch sehr vielgrößere Zahl von Entwürfen die Reißbretter ausgelastet.

Wie wird es jetzt weitergehen? Entwurf und Bau eines Raum-fahrzeugs brauchen wenigstens 10 Jahre. Das US Shuttle ist abergenauso in die Jahre und Kritik gekommen wie die russischenSojus-Kapseln und vermeintlich kommerzielle Träger haben sichzu Subventionsfällen entwickelt. Also sind weltweit Ent-scheidungen überfällig. Da die theoretische Physik denIngenieurbüros bisher noch keine wesentlich neueren Vorlagenliefern konnte, wird weiter um Entwicklungs- und Betriebskosten,um Konstruktionsgewichte und spezifische Impulse, umZuverlässigkeit und Budgets gerungen werden.

Präsident George Bushs Space Exploration Initiative hat der nord-amerikanischen Raumfahrt eine komplett neue Ausrichtung unddazu der NASA mit Michael Griffin einen energischen und kom-petenten Chef beschert. So steht derzeit in den USA fast alles aufdem Prüfstand und selbst Boeings Atlas-Träger könnten den jetztanstehenden Entscheidungen zum Opfer fallen. Immerhin willman auf Wunsch der Gemeinschaft die Raumstation fertig stel-len, sofern es in den verbleibenden gut 4 Jahren gelingt dasShuttle noch 16-mal zu starten, ohne dass sich Isolationsbrockenselbstständig machen. Zur Planung gehört dann auch ein Lagerim Außenbereich der ISS für Ersatzteile wie beispielsweise dieanfälligen Gyroskope, die für die Sojus zu sperrig sein werden.Vorrang haben jetzt die neuen Entwürfe für das Mondprogramm.Man hat zwar schon einmal den Fehler gemacht den kommerzi-ellen Raumtransport der bemannten Raumfahrt unterordnen zuwollen, allerdings gibt es in den USA derzeit kaum kommerzielleRaumfahrt. Also stehen die Chancen für Michael Griffin gut, jeeinen Träger für 125 Tonnen und für etwa 25 Tonnen Nutzlastaus vorhandenen Teilen realisieren zu können. Das US Militärzieht jedenfalls mit. Den Mars hat man dabei schon aus denAugen verloren. Das CEV wird immer kleiner und notwendigeTechnologien, wie neue Antriebe oder Robotik, sind derzeit nichtbezahlbar.

Dank kontinuierlicher Entwicklungsarbeit kann Russland eineReihe kostengünstiger konventioneller Träger für bis zu 21 Ton-nen Nutzlast anbieten. Diese sollen jetzt um ein neues wiederverwendbares bemanntes Raumfahrzeug ergänzt werden. Eineentsprechende Ausschreibung der russischen Raumfahrtagenturbrachte aber noch keine zufrieden stellenden Resultate und essoll von den Anbietern nachgebessert werden. Ob man den Mutfür ein Airlaunch-System wie beispielsweise MAKS haben wird,scheint aber eher unwahrscheinlich.

Bemannter Raumtransport

Derweil wird Klipper trotz des entgegengesetzten Ministerrats-beschlusses von der ESA weiter unterstützt. Natürlich wäre es fürwesteuropäische Astronauten eine Option mit dem Klipper aufder Spitze einer Sojus-2 von Kourou aus in den Weltraum zu star-ten, vielleicht in Istres in der Provence wieder zu landen unddamit eine Perspektive für ein weiteres Engagement bei der Inter-nationalen Raumstation zu bekommen. Das Geld wird der ESAaber woanders fehlen und gleichzeitig den westeuropäischenStandorten außerhalb von Kourou kaum Aufträge bringen, wiedies sowieso eine Gefahr der Strategie ist, überall ein wenig dabeizu sein.

Die westeuropäische Raumfahrt hat zudem andere Sorgen. Fürdie speziell auf kommerziellen Erfolg ausgelegte Ariane 5 mussweiter jeder Flug mit einigen -zig Millionen Euro subventioniertwerden und so versucht man jetzt die Flucht in höhereNutzlastbereiche anzutreten. Alleine, die Entwicklung kommerzi-eller Satelliten zielt wieder auf geringere Gewichte, da dieTechnologien inzwischen wesentlich dichter geworden sind unddie notwendigen Versicherungssummen endlos teurer werdendeEntwürfe verbieten. Arianespace ist als kommerzieller Betreiberauf wirtschaftlichen Erfolg angewiesen und holt deshalb Sojus 2als aktuellen Ariane 4-Nachfolger nach Kourou. Die derzeit vonRussland dafür vorgesehenen 60 Sojus-2 werden in der Lage seinje etwa 2,6 Tonnen Nutzlast in einem geostationärenTransferorbit abzuliefern. Wie viele Flüge bleiben dann noch fürAriane 5 übrig? Was wird in der Folge aus Westeuropas unab-hängigem Zugang zum Weltraum? In Frankreich weiß manjedenfalls um die Fragen und so haben CNES und Roscosmosgerade die gemeinsame Entwicklung eines neuen Trägers bis2020 beschlossen. Vermutlich soll dieser dann in 3 Jahren auf dernächsten ESA-Ministerratskonferenz zur Finanzierung vorgelegtwerden.

China plant dagegen äußerst konsequent seine künftige Rolle imAll. Auf bewährter russischer Technologie aufbauend entwickeltman in kalkulierbaren Schritten weiter und besitzt damit das der-zeit vielleicht effizienteste bemannte Raumfahrtprogramm.Wenn sich die scheinbar führenden Raumfahrtnationen nicht inden Schatten stellen lassen wollen, dürfen sie sich nicht mehrviele Umwege erlauben.

Wie wird es mit der bemannten Raumfahrt also weitergehen?Bisher birgt keine der Planungen das Potenzial für eine deutlicheVerringerung der Transportkosten. Wird bemannte Raumfahrtjenseits des Suborbits auch nach 45 Jahren weiter am politischenTropf hängen? Es gilt für künftige Konzepte den richtigenKompromiss zwischen Entwicklungsaufwand und späterenBetriebskosten zu finden. Ist dann Michael Griffins Weg der rich-tige? Das Mondprogramm war aber schon einmal einfach zustoppen, weil sich die Programmkosten parallel zurProgrammdauer vervielfachten. Ist vielleicht der russische, anHermes erinnernde, Vorschlag besser? Für eine komfortableErschließung der Internationalen Raumstation ist der Klippersicher geeignet und die russische Industrie hofft auf vieleAufträge für die dazu notwendigen Träger. Weiter gehendeVorschläge aber beispielsweise aus von Brauns ehemaligerApollo-Mannschaft, aus der deutschen Forschung oder der russi-schen Industrie für ein Airlaunch-System mit deutlich geringerenBetriebskosten scheinen derzeit keine Rolle zu spielen – so wenig wieDeutschland selbst.Hartmut E. Sänger

Hartmut E. Sänger

Titel: Erstes Farbbild des am 21. Dezember 2005gestarteten neuenWettersatelliten von EUMETSAT. Die Aufnahme entstand am 25. Januar 2006, um 13:30 Uhr Weltzeit. Foto: EUMETSAT.

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RC-Interview

Raumfahrt Concret 1/2006

RC: Sehr geehrter Herr Dr. Liebig, Sie sindseit über einem Jahr Direktor für Erdbeo-bachtung bei der ESA. Was waren bisherIhre wichtigsten Aufgaben?Dr. Volker Liebig: Die mit Abstand wichtigsteAufgabe war die Vorbereitung der ESA-Ministerratskonferenz, die im Dezemberletzten Jahres in Berlin stattfand. Wir habenim Bereich Erdbeobachtung drei wichtigeProgramme zur Zeichnung aufgelegt: dendritten Abschnitt unseres Erdbeobach-tungs-Rahmenprogramms, aus dem unteranderem neue Wissenschafts-Missionenfinanziert werden, das Weltraumsegmentder europäischen GMES-Initiative und dieFortsetzung des sogenannten Earthnet-Programms, das uns weltweite Koope-rationen ermöglicht. Der Ausgang dieserMinisterratskonferenz, die übrigens allezwei bis drei Jahre stattfindet, war für dieErdbeobachtung, aber auch insgesamt einganz großer Erfolg. Außerdem haben wir imDezember MSG-2 gestartet, den zweitenSatelliten der Meteosat-Serie der neuenGeneration, die für die tägliche Wettervor-hersage unabdingbar geworden sind. Ichmöchte auch unsere Mission CryoSat nichtunerwähnt lassen, die nach vielen Jahrenexzellenter Vorbereitung beim Start am 8.Oktober 2005 leider durch das Versagenihrer Trägerrakete zerstört wurde.

RC: Ist in naher Zukunft ein ständigeseuropäisches Satellitensystem zur Erd-beobachtung (ähnlich Galileo zur Navi-gation) angedacht? Dr. Volker Liebig: So ein System ist nicht nurangedacht, es wird bereits mit seiner kon-kreten Implementierung begonnen. Ichspreche von der Initiative "Global Moni-toring for Environment and Security", oderkurz GMES – zugegeben ein etwas sperrigerName. Hinter der Abkürzung versteckt sichaber eines der wichtigsten Programme

europäischer Weltraumpolitik der kommen-den Jahre: ein unabhängiges europäischesSystem der Erdbeobachtung, global undregional, aus dem Weltraum und in situ, d.h.auf der Erde, als umfassende Grundlage fürdie Formulierung, Implementierung undÜberwachung europäischer Politikbereiche –von der Fischerei bis zur Agrarpolitik, vonEmissionsschutz bis zu gemeinsamenSicherheitsfragen. Im Dezember 2005 hatder Ministerrat der ESA die Schaffung derWeltraumkomponente von GMES beschlos-sen. Auch wenn sich Aufbau undHintergrund von GMES und Galileo starkunterscheiden, kann man in gewisser Weisevon zwei "Geschwister-Projekten" sprechen,da Galileo und GMES die ersten beidengroßen Weltraum-Anwendungsprogrammesind, die die Europäische Union und die ESAgemeinsam etablieren.

RC: Gemäß den ESA-Statuten dürfen keinemilitärischen Programme aufgelegt wer-den. Sie sprachen bei GMES aber geradeauch Sicherheitsfragen an. Kann und willdie ESA hier neue Wege gehen?Dr. Volker Liebig: Der Konventionstext, die"Verfassung" der ESA, spricht von europäi-scher Kooperation in der Erforschung undNutzung des Weltraumes zu " friedlichenZwecken". Das schließt nicht aus, dass z.B.friedenserhaltende Missionen unterstütztwerden. Bei GMES sprechen wir hierhauptsächlich von zivilen Anwendungen,wie Grenzsicherung oder maritime Sicher-heitsfragen, Satellitentechnologien habenaber immer sog. Dual-use-Charakter. Ichbin sicher, dass es in den nächsten Jahreneine Weiterentwicklung in der Diskussiondieser Frage geben wird.

RC: Cryosat wird neu gestartet. WelcheESA-Projekte stehen ferner auf dem Gebietder Erderkundung in den nächsten Jahrenan?Dr. Volker Liebig: Im wissenschaftlichenRahmenprogramm der Erdbeobachtungstehen eine ganze Reihe außergewöhnli-cher Missionen an, die in den nächstenJahren sukzessive ins All gebracht werden:Hinter der Eismission Cryosat, die, wiegesagt, aufgrund eines Fehlers der russi-schen Trägerrakete im vergangenenOktober verloren wurde, warten zumBeispiel GOCE, eine Mission zur Messungdes Erdschwerefeldes, SMOS, eine Mission

zur Messung des Feuchtigkeitsgehaltes desBodens und des Salzgehaltes der Ozeane –beides wichtige Faktoren für Klimafor-schung und Wassermanagement, oderADM-Aeolus zur Messung globaler Wind-profile bzw. des Verhaltens der Atmosphäre.Darüber hinaus arbeiten wir am Wiederflugvon Cryosat. Aber wir beschränken unsnicht nur auf "hauseigene" Projekte: Mitdem Earthnet-Programm schaffen wireinen harmonisierten Zugang zu Erd-beobachtungsmissionen anderer Raum-fahrtagenturen und Länder, auch außerhalbEuropas. So bekommt der europäischeNutzer einen bestmöglichen, weil effizien-ten Zugang zu weltweiten Ressourcen undDaten.

RC: Insbesondere auf dem Gebiet derKatastrophenfrühwarnung hat sich dieSatellitentechnik bewährt. Was plant dieESA auf diesem Gebiet?Dr. Volker Liebig: Aus Anlass der großen UN-Weltraumkonferenz "Unispace III" im Som-mer 1999 in Wien wurde ein Vertrag zwi-schen führenden Weltraumbehörden bzw.Satellitenbetreibern unterzeichnet, um imFall des Eintrittes von NaturkatastrophenErdbeobachtungsdaten schnell, effizientund kooperativ zur Verfügung zu stellen.Mittlerweile hat diese "Charter" zwölfPartner und wurde alleine im vergangenenJahr 25-mal weltweit aktiviert, unter ande-rem bei den Hurrikan-Verwüstungen in denUSA, den Überflutungen in Osteuropa letz-ten Sommer oder dem schweren Erdbebenin Pakistan. Dabei muss gesagt werden, dassder Schwerpunkt der Nutzung von Satel-litendaten hier im Bereich des Katastro-phenmanagements und der humanitärenHilfe liegt – punktuelle Vorhersagen einerKatastrophe sind seltener möglich. Wasletzteren Punkt betrifft, darf allerdings dieMeteorologie nicht unerwähnt bleiben, dieja eine Teildisziplin der Erdbeobachtungdarstellt. Unsere europäische Kapazität derMeteosat-Satelliten, die von der ESA ent-wickelt und gebaut und von EUMETSATbetrieben werden, stellt ein wichtigesElement der "Überwachung" unseresPlaneten dar – und es wird auch in Zukunftimmer auf bestmöglichem Niveau zurVerfügung stehen. Schließlich arbeiten wirim Rahmen der Vorbereitung von GMESauch mit Firmen-Konsortien zusammen,um den Einsatz von Erdbeobachtungs-

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Vielfältige europäische Programme in der ErdfernerkundungEin Gespräch mit dem ESA-Direktor für Erdbeobachtung Dr. Volker Liebig

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RC-Interview

Raumfahrt Concret 1/2006

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satelliten zum Katastrophenmanagementals operationellen Service zu etablieren.

RC: Erwarten Sie bei der Realisierung desSystems Galileo auch positive Auswir-kungen auf die Vorhaben der Erdbeo-bachtung und wenn ja, an welchen Stellen?Dr. Volker Liebig: Galileo hat zweierleiAuswirkungen für die Erdbeobachtung.Zum Ersten die rein technisch anwen-dungsbezogene Komponente, zum anderendie politisch-programmatische Komponen-te. Auf technischer Ebene erwarte ich vielewichtige Synergien, wie zum Beispiel dieVerknüpfung von Navigationsdaten mitErdbeobachtungsbildern für den Katastro-phen- und Sicherheitseinsatz, für Kartie-rungen, Schadenserhebungen, Stadtpla-nung, usw. Die Verknüpfung der beidenTechnologien wird zu erheblichen Kosten-senkungen führen und einen wichtigenInnovationsschub für Europa bewirken. Aufprogrammatischer Seite ist die Erfahrungmit Galileo äußerst hilfreich, da Galileo daserste große Weltraumprojekt Europas ist,das sowohl die ESA als auch EuropäischeUnion als Partner zu gleichen Teilen invol-viert. Ich nahm ja persönlich an denVerhandlungen zu Galileo teil, als ich nochProgrammdirektor des DLR war, und kenneden Prozess deshalb recht genau. Bei GMESversuchen wir diese Erfahrungen zu nutzen.

RC: Wird bei künftigen Erdbeobachtungs-satelliten möglicherweise auch auf dieklassische fotografische multispektraleAufnahmetechnik zurückgegriffen werdenoder deckt die digitale Aufnahmetechnikinzwischen alle Felder sicher ab? Dr. Volker Liebig: Für Aufgaben, dieFlexibilität und gute bildliche Auflösungfordern, werden Luftaufnahmen immerihren Platz bewahren. Die analogenAufnahmen sind allerdings schon seit lan-gem von digitalen überholt worden, unddieser Trend wird sich unweigerlich fortset-zen. Eine Verknüpfung beider Technologienwird allerdings zunehmend einfacher, ebendurch die soeben erwähnten digitalenAufnahme- und Auswertetechnologien.

RC: Kann man bei der zukünftigen Flug-hardware auch wieder einmal mit demEinsatz bedeutender deutscher Geräte-technik rechnen?Dr. Volker Liebig: Die deutsche Industrie warschon bisher ein wichtiger Partner der ESAund wird das auch in Zukunft sein. DenkenSie nur an das sehr erfolgreiche InstrumentSciamachy auf ENVISAT, mit dem wir vielewichtige Atmosphärenphänomene, wie dasOzonloch oder die zunehmende Verschmut-zung über den Ballungsräumen Europasoder auch Chinas messen. Die nächsteMission, die von der deutschen Industriegeführt wird trägt den Namen SWARM, ein

Drei-Satellitensystem mit dem wir dasErdmagnetfeld untersuchen. Auch Cryosat,den wir wieder bauen möchten, wird vonder deutschen Industrie geleitet.

RC: Wie sehen die internationalen Koopera-tionen der ESA auf dem Gebiet der Erd-beobachtung aus, beispielsweise mit Russ-land oder China.Dr. Volker Liebig: Die ESA hat seit jeher engeBeziehungen mit anderen Weltraumagen-turen gepflegt. Russland und China ge-hören dazu wie auch Japan, Indien undnatürlich die USA. Kanada ist darüber hin-aus ein sogenannter "kooperierenderStaat", der seit mehr als 25 Jahren ein eige-nes Abkommen und damit eine engeAnbindung an die ESA hat. Was nunRussland und China betrifft, bin ich persön-lich sehrt beeindruckt von deren technolo-gischen Kapazitäten. Russland ist innerhalbder letzten 15 Jahre politisch und wirt-schaftlich durch eine schwierige Phasegegangen. Trotzdem bleibt es ein starkerNutzer unserer Daten, vor allem von ERSund Envisat. Die Kooperation wird sich inden nächsten Jahren noch vertiefen, vorallem wenn Russland selbst wieder ein star-kes Erdbeobachtungsprogramm etablierthat. Auch China wird sich zu einem wichti-gen Partner entwickeln: Die ESA ist eine derersten Weltraumagenturen, die schon seitJahrzehnten enge und intensive Kontaktezur chinesischen Raumfahrt pflegen. Es istbeeindruckend zu sehen, mit welchem ElanChina im Weltraum aktiv ist, und damitmeine ich nicht nur Ambitionen imbemannten Raumflug, sondern selbstver-ständlich auch die Erdbeobachtung. Mitbeiden Ländern haben wir Kooperations-programme initiiert, mit Russland das Bear-Programm und mit China das Dragon-Programm. Dadurch werden Kontakte zwi-schen europäischen und russischen bzw.chinesischen Wissenschaftlern erfolgreich

intensiviert.

RC: Eingangs fragten wir nach Ihren bishe-rigen wichtigsten Aufgaben. Was möchtenSie, wenn Sie in die Zukunft blicken, aufIhrem Gebiet noch bewegen?Dr. Volker Liebig: Nach der Operationali-sierung der Satelliten-Meteorologie in densiebziger Jahren sind wir jetzt an derSchwelle mit GMES einen weiterenAnwendungsbereich, die Umweltbeobach-tung und die Sicherheit aus der Forschungin die operationelle Anwendung zu führen.Die Implementierung der Weltraum-komponente von GMES, die ja sämtlicheInstrumente, Satelliten und das gesamteBodensegment umfasst, ist sicher eine derambitioniertesten und vorrangigsten Auf-gaben. Den immensen Nutzen derErdbeobachtung in konkrete Anwendungenzu überführen, sei es im Bereich humanitä-rer Hilfe, im Klimaschutz, in der Boden-nutzung oder im maritimen Bereich, wirdweiterhin ein Hauptanliegen sein. Genausoist es mir aber wichtig, der Wissenschaftauch in Zukunft qualitative Spitzendatendurch unsere Satelliten zu liefern, und mitneuen Technologien zum immer besserenVerständnis des Systems Erde beizutragen.ESA-Satelliten sind heute weltweit führend,und das sollen sie auch morgen sein. Nichtumsonst gehört der Blick zurück auf unse-ren Planeten zu einem der wichtigstenVorzüge, die uns die Raumfahrt in den letz-ten vierzig Jahren gebracht hat.

RC: Herr Dr. Liebig, wir danken für dasGespräch und hoffen, dass es mit IhrerUnterstützung noch viele neue Ideen aufdiesem so wichtigen und nützlichen Feldder Satellitenanwendung gibt.

Die Fragen stellten Karl-Heinz Marek, Achim Zickler und Uwe Schmaling.

GOCE (Gravity field and Steady-State Ocean Circulation Explorer), eine Mission zur Messung desErdschwerefeldes. Foto: ESA.

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RC-Thema

Raumfahrt Concret 1/2006

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Von TIROS 1 bis MSG-2Die Erfolgsgeschichte meteorologischer SatellitenVon Dipl. Meteorologe Helmut NeumeisterWir werden von diesem Zeitalter der technisch-wissenschaftlichen Glanzleistungeneigentlich überfordert. Das Staunen des ersten Augenblicks verwandelt sich unmittelbar inSelbstverständlichkeit und Warten auf die nächste Sensation.

Versucht man die ersten Ideen für meteoro-logische Satelliten aufzuspüren, gelangtman selbstredend in die Zeit nach dem 2.Weltkrieg mit der aufkommenden Rivalitätzwischen den zwei Hauptsiegermächtenund stößt auf die militärisch geprägtenVorstufen für Satelliten, die Raketen. MitEnde des 2. Weltkrieges fiel das diesbezüg-lich vorhandene Know-how samt derExperten und eine nicht geringe Anzahl A-4-Raketen in die Hände der Sieger überNazideutschland. Unter der BezeichnungV-2 hatten sie eine traurige Berühmtheiterlangt. Eine Kopie der V-2 wurde 1948 inder UdSSR unter der Kennung R-1 getestet.Von 1946 bis 1952 startete die US-Army ca.50 zum Teil mit wissenschaftlichen Instru-menten versehene V-2 vom TestgeländeWhite Sands. Sie erreichten Höhen nahe150 km. Verbesserte Nachfolger der V-2waren die amerikanischen Typen Aerobeeund Viking. Alle 3 Typen wurden für dieAusbildung der Raketentruppen der USAgenutzt. Für die Stellungskontrolle desRaketenkörpers wurden sie mit Kamerasversehen. Diese ersten Fotos aus großenHöhen machten Schlagzeilen und beein-druckten besonders die Meteorologen.

Wer daraufhin zuerst den Vorschlag für dieSchaffung meteorologischer Satellitenmachte, ist nachträglich schwer zu ermit-teln. Es dürfte etwa 1951 gewesen sein. Indiesem Jahr schlugen zumindest Entwick-lungsingenieure der Rand Corporation vor,Wetteraufnahmen von zu entwickelndenSatelliten zur Erde zu übertragen. Dass esetwa gleichzeitig auch in der UdSSR ähnli-che Überlegungen gegeben haben dürfte,liegt nahe. Schließlich war es die UdSSR, dieunter der Regie des aus einem Gulagzurückgeholten Koroljow 1957 mit Sputnik 1für einen tiefen Schock im Westen sorgte,der in den Folgejahren mit zu den hekti-schen Aktivitäten geführt haben dürfte. DieUSA starteten die Vorläufer meteorologi-scher Satelliten Vanguard 2 sowie Explorer6 und 7. Davon war nur der letztgenannteeinigermaßen erfolgreich. Umso mehrüberraschte, dass mit TIROS 1 am 1.4.1960von den USA der erste echte und gut aus-konstruierte meteorologische Satellit aufeine Erdumlaufbahn gebracht wurde (sieheauch Typenblatt in RC 36).

Es folgten viele Starts von meteorologi-schen und meteorologisch genutztenSatelliten, zuerst - wie oben genannt - mitder ersten Serie von den USA, ab 1966 mitKosmos 122 von der UdSSR, 1977 mitMETEOSAT-1 von Westeuropa und GMS-1von Japan, 1982 mit Insat-1A von Indienund 1988 mit Fengyun-1A seitens Chinas.Ein weiteres Land, das in die Familie derWettersatelliteneigner eintreten wird ist dieRepublik Korea mit dem geplanten geosta-tionären Satelliten COMSAT. Bei der Vielzahlvon Starts im Rahmen großzügiger Projektegab es natürlich auch Rückschläge - an-fangs am ehesten aus ballistischenGründen durch Nichterreichen der geplan-ten Umlaufbahn – was aber die großenErfolge nicht schmälert.

Rückschauend kann man folgendewesentlichen Verbesserungen beimeteorologischen Satelliten in denletzten 45 Jahren feststellen :

1. Das Erreichen der geplanten Flug-bahn (ballistisches Problem) und dasBeibehalten der nominellen Flugbahn (u.a.ein Problem der Verfügbarkeit von Energieund Treibstoffreserven). Diese Problemewurden in der Regel ab Ende der sechzigerJahre beherrscht.

2. Die optimale Wahl der Flugbahnenzur Sicherung der vollständigen globalenBeobachtung und zur Sicherung einerangemessenen Wiederholrate der Messun-gen bzw. Beobachtungen.

In der TIROS-Serie wurden bis TIROS 8 nurFlugbahnen mit einer Inklination von 48und 58° gewählt. Bei den meisten METEOR-Satelliten wurden 81 bis 83° bevorzugt(möglicherweise wegen der Lage der Start-basis und der erlaubten Abschusswinkel).Durch solche Bahnen wurde nicht nur dieErde nicht vollständig erfasst, sondern diemeisten dieser Satelliten, die nur oder vorallem im Bereich der reflektierten Sonnen-strahlung Bilder lieferten, verschwanden ingrößeren Zeitabständen bei i = 81° durchdie Drehung der Flugbahnebene nach etwa1,5 Jahren in den Dämmerungsgürteln,konnten also dann eine Zeit lang keineBilder liefern, was uneffektiv war.

Den Durchbruch brachte bereits Nimbus-1im August 1964, bald gefolgt von TIROS 9im Januar 1965 mit einer fast sonnensyn-chronen Bahn von i = 96°. Sonnen-synchrone Bahnen sollten bald Standard füralle polarumlaufenden Erderkundungs-satelliten werden. Bei den METEOR-Satelliten wurde das erstmals mit METEOR-1-28 1977 realisiert. Dennoch blieb man beiden Serien METEOR-2 und 3 bis zu derenletzten Satelliten 1990/91 bei den 81-83°-Bahnen. Erst mit METEOR-3M-1 wurde2001 ein Neubeginn gemacht. Alle nachfol-genden neuen Raumfahrtnationen lerntenzeitig aus den Fehlern und begannen gleichmit sonnensynchronen Bahnen.Weniger problematisch verlief die Entwick-lung bei geostationären bzw. geosynchro-nen Bahnen, die sich generell rasch durch-setzten.

3. Die Erhöhung der Funktionssicher-heit und Funktionsdauer der Satellitenund aller Teilsysteme, um nutzerseitigAusfälle im Routinedienst sowie in derForschung und Entwicklung zu vermeiden,aber auch um die Kosten für das Betreibender Satellitensysteme zu senken bzw. umMittel für weitere umfassendere For-schungsprojekte frei zu bekommen. AlsBeispiel für den erreichten Stand sei hiernur auf MSG-1 und MSG-2 (= METEOSAT-8und 9) verwiesen. Bei diesen wird durchgeeignete Software ein hohes Niveau anAutonomie an Bord des Satelliten erreicht.Dazu gehört, dass die Gesamtfunktion desSatelliten für 24 Stunden ohne Interventionvom Boden im Falle eines Defektes gewähr-leistet wird.

4. Die Verbesserungen bei der Daten-gewinnung und DatenübertragungDie ersten Satelliten verwendeten meistKameras, die in einem bestimmten Zeitab-stand momentane Einzelbilder aufnahmen– z.B. auf der Speicherfläche einer Vidi-konröhre - und die Bilder nach Zwischen-speicherung auf Bodenkommando an denSatellitenbetreiber oder später auch teilsöffentlich sendeten.Aus jener Zeit ist bekannt, dass HerrKaminski von der Sternwarte Bochum denAbrufcode knackte und den Bildspeichereines Wettersatelliten unfairerweise und

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zur Verwunderung der amerikanischenKollegen "leerte".Mit dem APT-System an Bord von TIROS 8war es ab 1963 erstmals möglich Bilder vonWettersatelliten direkt durch den interes-sierten Nutzer zu empfangen. Die nachfol-genden geradzahligen ESSA-Satelliten sen-deten ebenfalls noch Einzelbilder, die bereitsab 1966/67 in Deutschland routinemäßig ander FU Berlin, beim Meteorologischen Dienstin Potsdam und beim Wetterdienst inOffenbach empfangen wurden.Inzwischen befanden sich geometrischhochauflösende Kamerasysteme für denzentralen Abruf und bereits sehr zeitig mul-tispektrale Strahlungsmessgeräte mit zu-nächst relativ geringer Auflösung bei denTIROS- und NIMBUS-Satelliten im Einsatz,so z.B. das 5-Kanal-StrahlungsmessgerätMRIR mit verschiedenen Messbereichen imsichtbaren Spektrum und im Infrarot.Nimbus–3 und –4 (ab 1969/70) hatten u.a.auch bereits ein Messgerät für das UV anBord (MUSE=Monitor of UV Solar Energy).Zuvor hatten NIMBUS-2 und -3 eine wich-tige Neuerung mit der öffentlichen Übertra-gung von IR-Scanneraufnahmen (mittelsDRIR=Direct Readout InfraRed) gebracht,die bereits 1969 auch in Potsdam ebensoaufgezeichnet wurden wie Aufnahmen mitreduzierter geometrischer Auflösung vomgeostationären Satelliten ATS-3 nach demWEFAX-Verfahren für die Bildübertragung. Ab 1972 wurde an Bord von NOAA-2 einneues Messgerät zur Ableitung vertikalerTemperaturprofile eingesetzt (VTPR=VerticalTemperature Profile Radiometer) und eingeometrisch hochauflösendes RadiometerVHRR mit 0,9 km und den Spektralbereichen0,6-0,7 (sichtbarer Bereich) und 10,5-12,5 µm(IR-Fensterbereich). Die Zeilenzahl betrug400 pro Minute und derartige Bilder wurden

bei 1,7 GHz als HRPT (High ResolutionPicture Transmission) auch öffentlich über-tragen. IR-Aufnahmen geringerer Auflösungvon dem SR (Scanning Radiometer) wurdenbereits kurz nach dem Start von NOAA-2 inPotsdam empfangen. Der nachfolgendeNOAA-3 verfügte auch über ein VHRR, des-sen Bilder hoher Auflösung ab Juli 1974zuerst in Deutschland am MeteorologischenInstitut der FU Berlin direkt empfangenwurden.

Es würde zu weit führen alle weitereninteressanten Details zu nennen. Dahersei hier noch auf einige "Meilensteine"verwiesen:Eine weitere entscheidende Verbesserungstellten die ersten im thermischen IR anBord von NIMBUS-3 und –4 sehr schmal-bandig messenden Spektrometer dar, dieu.a. der Ableitung der vertikalen Tempera-turverteilung der Atmosphäre dienten. 5verschiedene Typen wurden hierfür einge-setzt (SIRS, IRIS, FWS, SCR und BUV). DieNIMBUS-Satelliten – eigentlich zunächstnur als Forschungssatelliten geplant - wur-den durch Bildübertragungen zeitweisebereits routinemäßig und öffentlich für dieWetteranalyse und –vorhersage genutztund hatten eine Vorbildwirkung für künftigeoperationale polarumlaufenden Satelliten-serien wie die der ITOS/NOAA-, der Landsat-,der ERS/ENVISAT-Serie und vermutlich auchder KOSMOS- und METEOR-Serien. Dabeistand dann auch die Steigerung der geome-trischen und radiometrischen Auflösungebenso im Vordergrund wie die Vorbild-wirkung der ATS-Satelliten (1966-1974) fürkünftige operationale geosynchrone Satel-liten. Letztere verfügten erstmals überhochauflösende Kamerasysteme für dieErfassung der gesamten Erdansicht. Dabei

wurde die Drehstabilisierung von 100 U/min(wie später bei der METEOSAT-Serie) für dieZeilengewinnung genutzt und zwar bei derSSCC (Spin Scan Cloud Camera) bei ATS-1mit 2.000 Zeilen/Bild, bei der ColorSSCC beiATS-3 mit 2.400 Zeilen und schließlich beiATS-6 mit dem GVHRR (GeosynchronousVery High Resolution Radiometer) für denVIS-und IR-Bereich.Inzwischen ist die Gewinnung und öffentli-che Bereitstellung multispektraler Datenselbstverständlich wie z.B. von dem 12-Kanal-Bilddateninstrument SEVIRI (SpinningEnhanced Visible and InfraRed Imager) derMSG-Satelliten. (Ähnliches gilt zum Beispielauch für das 10 Kanäle umfassende Instru-ment zur Bildgewinnung an Bord der chine-sischen polarumlaufenden Satelliten FENG-YUN-1C und -1D, das dem AVHRR derNOAA-Satelliten entspricht, aber mehr Ka-näle umfasst.)Das SEVIRI besitzt 4 Spektralbereiche imreflektierten Sonnenlicht und 8 im thermi-schen Infrarot, also insgesamt 12 Spektral-bereiche anstelle der 3 bei der erstenGeneration von METEOSAT und das beideutlicher Verbesserung der geometrischenAuflösung im IR von 5 auf 3 km und bei demneugeschaffenen hochauflösenden Kanalim visuellen Bereich, dem HRV = HighResolution Visible (genauer gesagt VIS plusnIR, da mit 0,4 bis 1,1 µm beide Bereicheerfasst werden) eine Steigerung von 2,5 auf1km. Die radiometrische Auflösung wurdegleichzeitig fast verdoppelt und die Wieder-

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An der Zentralen Wetterdienststelle (ZWD) in Potsdamempfangene Infrarot-Aufnahme von NOAA-7 vom 9. Juni 1984 mit der Böenfront (helle zopfartigeWolkenstrukturen sind riesige Gewitterzellen), die im Raum Iwanowa, nordöstlich von Moskau, eine verheerende Tornadolage brachte und etwa 400 Menschenleben forderte.

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holrate von 30 auf 15 Minuten erhöht.Dieser geringere Zeitabstand ist für dieEchtzeitnutzung erforderlich, da unterungünstigen Umständen bereits innerhalbvon 30 Minuten ein sehr stark wetterwirksa-mes Gewitter oder gar ein Gewitterkomplexentstehen kann (vgl. die nachfolgendgenannte "Rapid Scanning"-Technik). Gene-rell erfolgen die Übertragungen nun digital,also selbst bei geringer Auflösung nichtmehr analog. Um Missverständnisse zu ver-meiden muss betont werden, dass bei dermeteorologischen Nutzung in Echtzeit nichteine sehr hohe geometrische Auflösung imVordergrund steht, sondern die zeitliche undgegebenenfalls noch die radiometrische.Das steht ganz im Gegensatz zur Fern-erkundung der Erdoberflächencharakte-ristika, die zwei Größenordnungen bessersein muss, dafür aber erst Tage späterFlächendeckung erreicht.

Nachfolgend seien noch einige inhaltli-che Schwerpunkte für die Gewinnung

und Nutzung von Satellitendaten ge-nannt ohne aus Gründen des Umfangsauf die einzelnen Instrumente undGeräte einzugehen:Bei gefährlichen Wetterentwicklungen (Tro-pischen Wirbelstürmen, Tornadolagen,schweren Gewittern etc.) können die geo-stationären GOES-Satellliten der USA aufBodenkommando ihr Standardregime derBilddatengewinnung und –übertragungunterbrechen und von den gefährdetenGebieten im Abstand weniger MinutenBildausschnitte liefern. Ähnliches ist zur Zeitim Prinzip auch bei dem bei 10° Ost inBereitschaft stehenden METEOSAT-6 möglich.Weitere wesentliche Verbesserungen sinddie Gewinnung von vertikalen Profilen vonTemperatur und Wasserdampf und dieGewinnung riesiger Mengen von Wind-bzw. Verlagerungsvektoren in verschiedenhohen Wolken- und Wasserdampfschichten.Diese finden seit nunmehr mindestens 15Jahren verstärkt Eingang in Modelle dernumerischen Wettervorhersage. Sie sindbesonders wertvoll in datenarmen Gebietenwie den Ozeanen, Wüsten und der Süd-halbkugel. Gleichzeitig können dadurchkonventionelle Sondierungen der Tropos-phäre und Stratosphäre reduziert werden.

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Die Meteosat-4-Aufnahme vom 24. Juni 1992zeigt oben ein Farbmischbild aus dem sichtbarenund infraroten Bereich. Die Gewitterherde sinddeutlich zu erkennen, während dies nur im sicht-baren Kanal (unten) nicht der Fall ist.

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Gleiches gilt mit den aus Messungengewonnenen Daten über die Strahlungs-bilanz, den Oberflächenzustand und insbe-sondere die Wassertemperatur. Speziell fürdie Geofernerkundung der Erdoberflächeund der Ozeane waren die Serien LANDSAT,SPOT und ERS/ENVISAT zukunftsweisend.

Mit Hilfe von Satelliten können Messdatenvon Bodenstationen, aerologischen Auf-stiegsstellen, Schiffen und Flugzeugen mitData Collection Systems von DCP (DataCollection Platform), ASDAR (Aircraft-to-Satellite Data Relay), ASAP (AutomatedShipboard Aerological Programme) etc.gesammelt werden. Hierzu kann die Posi-tionsbestimmung, z.B. mit dem SystemARGOS an Bord der NOAA-Satelliten undden S&R (Search and Rescue)-Programmenbei verschiedenen Satelliten gekoppelt werden.Es können hochgenaue Abbildungen desNiveaus der Land- und Wasseroberflächen,des Seegangs und bestimmter Starknieder-schlagssituationen (z.B. in den Tropen) mit-tels Scatterometern, Seitensichtradar undpassiven Mikrowellensystemen gewonnenwerden.Es werden Daten über Spurengase (Treib-hausgase, Umweltverschmutzung etc.) ausMessungen in zahlreichen schmalbandigenSpektralbereichen abgeleitet.

Die Gestaltung aller Detailkomplexe steht inder Regel auch unter der Zielstellung derEinsparung von Kosten und Aufwand fürdie boden- bzw. erdgebundene Beobach-tung.

5. Ein Beispiel für vorbildliche Zusam-menarbeit, Arbeitsteilung und Auf-gabenkoordinierung stellen die fürNutzung der Daten der MSG-Satellitengeschaffenen Auswertezentren SAFs(Satellite Application Facilities) dar:

Damit nicht in jedem Land die Doppelarbeitbestimmter parameterorientierter Auswer-tungen erfolgen muss, was in vielen kleine-ren Länder nach Umfang und Qualität auchgar nicht möglich oder vertretbar wäre,wurde ein System von Auswertezentrengeschaffen, die SAFs. Diese gehören zumBodensegment von EUMETSAT, nutzen dieErfahrungen und Gutachten von Expertender Mitgliedsstaaten und sind für dieanwenderbezogene Datenverarbeitung zu-ständig. Jedes SAF wird von einem interna-tionalen Konsortium entwickelt und betrie-ben, das unter der Leitung eines bestimm-ten nationalen Wetterdienstes steht (sieheunten). Häufig arbeiten aber mehrereLänder in einem SAF zusammen. DieForschungsergebnisse und Dienstleistungen

der SAFs ergänzen die Tätigkeit von EUMET-SAT in Darmstadt.

Folgende SAFs befinden sich bereits in ope-rationaler Erprobung:• SAF zur Unterstützung von Nowcasting

(momentaner Wetterzustand und Extrapolation bis 2 Stunden) und der kürzestfristigen Wettervorhersage (bis 12Stunden im Voraus) unter Leitung von Spanien,

• SAF für Ozean und Meereis (Frankreich),• SAF für die Klimaüberwachung

(Deutschland),• SAF für die numerische Wettervorhersage (UK),• SAF für die Landoberflächenanalyse

(Portugal).

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Meteosat-5.

MSG-2.

Künftiger europäischer Wettersatellit METEOP.Böen- und Gewitterfront entsteht über Deutschland, förmlich aus dem Nichts heraus (rechts imschwarzen wolkenlosen Bildteil). Aufnahmen von Meteosat-2, empfangen an der ZWD Potsdam. Fotos:ZWD Potsdam, Bearbeitung: Helmut Neumeister.

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Weitere SAFs befinden sich noch in Entwicklung:• SAF zur Ozonüberwachung (Finnland),• SAF für die operationale Hydrologie und

Wasserwirtschaft (Italien),• SAF für die meteorologische Nutzung der

GRAS-Sensoren (GRAS=GNSS Receiver for Atmospheric Sounding, GNSS ein Gerät namens "Global Navigation Satellite System") unter Leitung von Dänemark.

Das globale meteorologische SatellitensystemEine wesentliche Rolle bei der Gesamt-koordinierung der Satellitenbeobachtung

spielte frühzeitig die MeteorologischeWeltorganisation WMO (World Meteoro-logical Organization) und zwar im Rahmender WWW (World Weather Watch) und desGOS (Global Observing System) SatelliteSub-System (siehe Veröffentlichung WMO-No. 411 von 1975 mit 12 Supplements imZeitraum 1975-85 und den Neuauflagender Gesamtveröffentlichung. Danach wer-den 3 Basistypen von Satellitenbeobach-tungen unterschieden: Man vergleichehierzu die nebenstehende Abbildung mitder Anordnung der verschiedenen Satel-litentypen relativ zur Erdkugel).Äquatoriale geostationäre bzw. geo-

synchrone Satelliten mit i < = 1 Grad undder erforderlichen kreisförmigen Flugbahnin knapp 36.000 km Höhe. Nominell solltedas System aus 5 - 6 Satelliten bestehen,die im Abstand von rd. 60 - 70 Grad geo-grafischer Länge über dem Äquator positio-niert sein sollten. Dabei gab es zeitweiligProbleme, weil die Position über demIndischen Ozean weder durch GOMS (Nr. 11994 von Russland gestartet) noch durchdie mehr nationalen Zwecken dienendenindischen INSAT-Satelliten (nachfolgendnicht bezüglich ihrer Äquatorpositiongenannt) zuverlässig abgedeckt wurde.Diese Lücke wird seit etlichen Jahren vonESA/EUMETSAT durch ihre METEOSAT- undneuerdings MSG-Satelliten geschlossen. Die MSG-Flotte besteht aus insgesamt vierSatelliten, die im Abstand von einigenJahren ins All geschossen werden und dannvon einer geostationären Position in 36.000Kilometern aus Daten für die Wettervor-hersage und Klimaforschung liefern. Dererste dieser Wettersatelliten, MSG-1, istbereits seit mehr als drei Jahren erfolgreichim Einsatz. Das Gesamtprogramm inklusiveder vier Satelliten, des Bodensegments unddes Betriebs, kostet rund zwei MilliardenEuro. Davon trägt EUMETSAT 1,7 Milliarden,die ESA zahlt 300 Millionen. Die Beiträgevon EADS Astrium für die Hauptin-strumente und die weiteren Untersystemeder vier MSG-Satelliten haben einen Auf-tragswert von insgesamt rund 350Millionen Euro.

Derzeit (Stand Anfang 2006) nehmen diefolgenden meteorologischen Satellitenäquatoriale Positionen ein und sind teilsoperationell tätig, teils dienen sie alsHavariesatelliten:

• GOES-9 (USA) bei 155° O, war bis zur Verfügbarkeit von MTSAT-1R (Japan) zeitweilig als Ersatzsatellit eingesetzt, dann als "GOES-West"

• GOES-10 bei 135° W, teils als "GOES-West" mit gewissen technischen Einschränkungen, später eventuell dafürder geplante GOES-N (= Nr. 13)

Farbkomposit von MSG-1 (=METEOSAT-8) vom 26.01.06, 13 h UTC mit den Spektralbereichen 0,6 µm(ROT), 0,8 µm (GRÜN) und 12,0 µm (BLAU) mit überlagertem Bodendruckfeld von 12 h UTC (auf NN kor-rigiert). Überwiegend tiefe Bewölkung erscheint gelb (z.B. in Hochdruckgebieten), nur hohe Bewölkungerscheint violett bis blau, Randzonen ohne oder ohne ausreichendes Sonnenlicht erscheinen blau, da hierdie beiden anderen Farbkanäle nicht vertreten sind, vertikal mächtigere und dichtere Bewölkung gehtzunehmend in Richtung weiß über. Quelle: DWD, Ausschnitt reduziert vom Verfasser.

Differenzbild von METEOSAT vom 19.1.06, (12-09) h UTCim IR-Kanal bei 12 µm. Das mittlere Grün zeigt denunveränderten Zustand an mit einer Temperaturänderungkleiner plus/minus 2 K (besonders über wolkenfreienMeeresgebieten wie dem Italien benachbartenMittelmeer), in Richtung größerer Änderungen vergrößernsich die Intervalle der Temperaturänderung um je 2 K proFarbstufe. Die 3 Rotstufen bedeuten folglich zusammenErwärmungen zwischen 10 und 42 K (ein Tiefausläuferzwischen dem westlichen Schwarzen Meer und Süditalienschwächt sich stark ab !), während die 3 Grau-bisWeißstufen eine Abkühlung von -10 bis –42 K bedeuten =Verstärkung eines Tiefausläufers am Ostrand desSchwarzen Meeres. Solche Differenzbilder sind besondersnützlich bei konvektiven Prozessen im Sommer bzw. in denTropen, da sie Änderungen viel klarer abbilden als die übli-chen Zeitrafferaufnahmen. Zeitrafferaufnahmen vonDifferenzbildern zeigen dann sogar die Tendenz derTendenz. Diese Art der Darstellung stammt vom Verfasserdieses Artikels. Quelle: DWD, nachbearbeitet vomVerfasser.

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RC-Thema

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• GOES-11 bei 105° W in Bereitschaft als Reserve für GOES-10 oder -12

• GOES-12 bei 75° W als "GOES-East", später evtl. dafür GOES-N (= Nr. 13), s. oben

• METEOSAT-8 = MSG-1 ( EUMETSAT ) bei3,4° W (z. Z. parallel zu METEOSAT-7 operationell tätig)

• METEOSAT-7 bei 0°, wurde durch METEOSAT-9 = MSG-2 ersetzt.

• METEOSAT-6 bei 10° O als Ersatz, liefert "Rapid Scanning Service"

• METEOSAT-5 bei 63° O, wird später durchMETEOSAT-7 ersetzt

• KALPANA-1 = METSAT-1 (Indien) bei 74° O,Indiens erster Satellit, der ausschließlich meteorologisch-internationalen Zweckendient

• GOMS-N1 bei 76° O, seit 9/98 im "Stand-by"-Modus, GOMS-N2 ist für 2007 für diegleiche Position geplant

• FENGYUN-2A bei 86,5° O und FENGYUN-2B bei 123,5°, beide als Ersatz in Be-reitschaft für FENGYUN-2C

• FENGYUN-2C ( China ) bei 105° O• MTSAT-1R ( Japan ) bei 140° O

Wie man sieht existiert derzeit - auch dankder deutlich gesteigerten Funktionsdauerder meisten Satelliten - eine großzügigeBelegung mit geostationären meteorologi-schen Satelliten trotz mancher Probleme.Das entspricht auch der erfolgreichenGesamtstrategie der von der WMO koordi-nierten Startländer.

Polnah auf sonnensynchronen Bahnenfliegende Satelliten mit i = 97…100° undFlughöhen, die meist zwischen 800 und 900km Höhe liegen. Mit diesen Bahnen wirddas System Erdoberfläche/Atmosphäre vonoben zwar nur 2-mal täglich, aber dafüreben im Gegensatz zu den geosynchronenäquatorialen Satelliten global lückenlos undmeist mit deutlich höherer geometrischerAuflösung erfasst. Anfang 2006 befandensich folgende Satelliten im Einsatz, z.T. abermit Einschränkungen in der Funktion undVerfügbarkeit von Instrumenten für dieDatengewinnung:

a) Sonnensynchrone Vormittagssatel-liten mit Wiederkehr in der ersten Nacht-hälfte mit entgegengesetzter Äquatorüber-querung.Operationell tätig: Von den USA: NOAA-17 (künftig NPOESS) sowie DMSP-F16 undDMSP-F13 (fliegt allerdings schon früh-morgens), letztere beides militärische Satel-liten mit ziviler Nutzung von Daten über dieOrganisation NOAA.Von Russland: METEOR-3M-1 mit Einschränkungen.Von China: FENGYUN-1D.Von EUMETSAT ist für Juni der erste Satellit

der neuen Serie METOP (EPS) geplant.Als Ersatz (E) oder mit reduzierterVerfügbarkeit (R): DMSP-F14 und –F15(beide E), NOAA-15 (E) sowie NOAA-12 (R).

b) Sonnensynchrone Nachmittagssatel-liten :Operationell tätig: NOAA-18.Als Ersatz mit reduzierter Verfügbar-keit: NOAA-14 u. -16 (beide R), künftigNPP/NPOESS.

Satelliten für die Forschung und Ent-wicklung (R & D = Research andDevelopment). Dabei handelt es sich umpolnah umlaufende Satelliten mit überwie-gend sonnensynchronen Bahnen mitFlughöhen meist zwischen 550 und 900 kmHöhe, in Einzelfällen bei 400, 1.000 und1.400 km. Bei sehr hoher geometrischerAuflösung und zwangsläufig geringererScanbreite wird eine vollständige globaleÜberdeckung oft erst nach einer Vielzahlvon Tagen erreicht. Die Serien, die sichbereits über einen längeren Zeitraumerstrecken, sind die für verschiedene Geo-wissenschaften nutzbaren eigentlichenFernerkundungssatelliten LANDSAT (USA),(anfänglich ERTS genannt, 7 Starts von1972 bis 1999) und SPOT (Frankreich, mit 5Starts von 1986 bis 2002). Obwohl von derWMO als Raumfahrtprogramme geführt,betreffen sie im Prinzip alle dafür in Fragekommenden Geowissenschaften. NeuereSatelliten, oft Einzelsatelliten oder mögli-che Prototypen für künftige Serien (sieheAbbildung der Position bzw. Anordnung derSatelliten in Bezug auf die Erdkugel) wur-den erst in den letzten 10 Jahren für spezi-elle Forschungsprojekte gestartet wie z.B.

PARASOL (CNES, Frankreich), ERS 1 und 2(ESA, 1991 und 1995), ENVISAT-1 (ESA,2002), TRMM (Tropical Rainfall MeasuringMission, USA/Japan, 1997), TERRA, UARSund AQUA (NASA) und JASON-1 (NASA/CNES) oder befinden sich noch in Entwicklung.

AusblickDie Meteorologie ist noch stärker als ande-re Wissenschaften von der Sache her aufinternationalen Datenaustausch und inter-nationale Zusammenarbeit angewiesen.Ähnliches gilt für die meisten Geowissen-schaften. Sie können sich erst richtig ent-falten, wenn keine Hindernisse zwischenden Staaten oder durch politische Block-bildungen bestehen. Insofern hat dieEntwicklung seit 1990 weltweit, aber be-sonders auch in Europa, zu mehr Frei-zügigkeit und Kooperation geführt undsollte weiterhin wirken und ebenso aufandere Gebiete und Bereiche ausstrahlen.Wie man sieht kann die Globalisierung auchzu positiven Ergebnissen führen. Damitdürfte auch immer deutlicher werden, dasswir mit den von der Natur gegebenenRessourcen besser haushalten müssen, umso auch die Lebensbedingungen für vielenachfolgende Generationen nicht nur nichtzu erschweren, sondern eher sogar zuerleichtern. Das gilt auch und gerade für dieGefahren, die mit Klima- und Wetterän-derungen einhergehen.

Helmut Neumeister war von 1961 bis 1999 inPotsdam zuerst beim Meteorologischen Dienst undab 1990 beim Deutschen Wetterdienst tätig,zunächst bis 1966 als Vorhersagemeteorologe,dann auf dem Gebiet der Satellitenmeteorologie.

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GrafiK: WMO.

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Was ist Fernerkundung?Die Beobachtung der Erdoberfläche aus der"Ferne", die Sicht von "Oben", ist so alt wiedie Möglichkeiten des Menschen, denErdboden zu verlassen und Aufnahmen desGesehenen zu erstellen. Der Siegeszug derLuftfahrt förderte die systematische Erfas-sung gesamter Länder aus der Luft und dasdamit verbundene ingenieurtechnische Rüst-zeug der Bildmessung ("Photogrammetrie").Mit der Möglichkeit, Satelliten in denWeltraum zu bringen, hat auch die Ferner-kundung diese neue Dimension menschli-chen Wirkens erobert. Getragen vom "KaltenKrieg" lieferten sich die Großmächte auchein Wettrennen um die besten Aufklä-rungssysteme im Weltraum. Zunächst wur-den diese Systeme mit traditioneller, analo-ger Filmtechnologie betrieben. Die Film-kapseln wurden abgeworfen und von spezi-ellen Flugzeugen aufgefangen. Die Sicht ausdem Weltraum wurde danach auch von denMeteorologen entdeckt. Die uns heute aus

dem Wetterbericht vertraute Wolkenkarteüber Europa stellte einen gewaltigen Durch-bruch zur Verbesserung der Genauigkeit derWettervorhersage dar. Analog arbeitendeund modifizierte Videokameras liefertenhier die ersten Bilder. In ca. 36.000 Kilo-metern Höhe – dem geostationären Orbit –ist die Dauer eines Umlaufs des Satellitenum die Erde gleich 24 Stunden. Wetter-satelliten verharren deshalb scheinbar übereinem Punkt der Erdoberfläche und ermög-lichen eine kontinuierliche Gesamtübersichtüber die Wettersituation eines gesamtenKontinents.Die Trennung der Bilder der Oberfläche derErde in verschiedene Farben (Spektralkanäle)und die Verbesserung der geometrischenAuflösung erlaubte es seit 1972 dem erstenzivilen US-Fernerkundungssatelliten Landsat-1in vier Spektralkanälen Bilder mit einerAuflösung von 80 Metern zu liefern. Diese"Bilder" standen nun schon digital zurVerfügung. Solche abbildenden Satelliten-sensoren fliegen in Höhen zwischen 450 kmund ca. 900 km und umkreisen die Erde inca. 70 bis 120 Minuten. Da diese Fernerkun-dungssatelliten über die Polgebiete der sichdrehenden Erde fliegen, wickeln sich dieBildstreifen ihrer elektronischen Kamerasnach einigen Tagen komplett um die Erdeund ermöglichen so die Aufnahme jedenPunktes auf der Erde in regelmäßigenZeitintervallen von Tagen oder Wochen.

Die Entwicklung neuester optischer undelektronischer Bildsensoren ermöglichtheute zivil verfügbare, digitale Aufnahmenmit einer Auflösung von besser als einemMeter. Neben den USA hat sich vor allemEuropa mit der Europäischen Weltraum-agentur ESA und ihren Mitgliedsländern alstechnologischer Vorreiter in der Satelliten-Fernerkundung etabliert. Die bildhafteAufnahme der Erdoberfläche mit Radar-frequenzen (Synthetic Aperture Radar =

SAR) wurde in Europa und vor allem inDeutschland bis zum operationellen Einsatzim Weltraum weiterentwickelt. Währendoptische Systeme auf wolkenfreie Sicht aufdie Erdoberfläche angewiesen sind, könnenRadarsysteme Wolken durchdringen undauch bei Nacht Bilder liefern. Andere Na-tionen – vor allem die aufsteigendenStaaten Indien, Brasilien und China – betrei-ben ein ambitioniertes Satellitenprogramm,welches vor allem der Erdbeobachtungeinen hohen Stellenwert einräumt.Die Beobachtung der Erde mit Satellitennutzt heute einen weiten Bereich vonSensortechnologien. Die traditionelle opti-sche Fernerkundung wird durch dieErweiterung der Auflösung im spektralenBereich durch "hyperspektrale" Sensorenerweitert. Gemessen in bis zu 256 Spektral-kanälen liefern so Mineralien, Vegetationund Werkstoffe einen "spektralen Finger-abdruck", der die chemische Zuordnung desStoffes auch aus der Entfernung desErdorbits ermöglicht.Der "globale Wandel" erfordert auch dieBeobachtung des Zustandes der Erd-atmosphäre. Von Interesse ist dabei eineReihe von Gasen, die nur in "Spuren", d.h. inextrem geringen Mengen in der Atmosphärevorkommen. Ein solches Spurengas ist bei-spielsweise Ozon (O3), welches die gefährli-che ultraviolette Strahlung abschwächt. Esmacht jedoch an keiner Stelle der Erde mehrals ein 100.000stel der Zusammensetzungder Atmosphäre aus. Durch Vermessung desLichtspektrums, das von diesen Molekülenausgesendet wird, oder durch Bestimmungder Abschwächung der solaren Strahlungbeim Durchgang durch die Atmosphärekann auf die Menge des in der Atmosphärevorhandenen Ozons geschlossen werden.Die Verknüpfung dieser Messungen miteinem Modell der Atmosphäre ermöglichtüberdies Aussagen über Parameter, die derSatellit selbst gar nicht direkt messen kann.Die Technik und der Betrieb des Satelliten imWeltraum werden als "Raumsegment"bezeichnet. Derzeit sind etwa 100 Erd-beobachtungssatelliten für zivile Anwen-dungen im Einsatz. Firmen sind zumeist imAuftrag nationaler und europäischerOrganisationen (ESA und EUMETSAT) fürden Bau des Satelliten und seiner Fern-erkundungs-Nutzlast verantwortlich. Ge-winnbringende Anwendungen dieser Satel-litentechnologie lassen in zunehmenderZahl auch kommerzielle Betreiber in den

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Satellitengestützte ErdbeobachtungAufgaben des Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums im DLRVon Prof. Dr. Stefan Dech, Gunter Schreier, Dr. Robert Meisner

Das Forschungszentrum des DLR in Oberpfaffenhofen ausSicht des Satelliten IKONOS der Firma Space Imaging. DasZentrum liegt westlich der deutlich erkennbaren Landebahndes Werksflughafens. Im Nordosten des Bildes liegt dieOrtschaft Gilching, im Südosten Wessling.

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Markt eintreten. Das "Nutzlast-Bodensegment" beginnt mitder Übermittelung der digitalen Messdatendes Satelliten an eine Bodenstation wäh-rend der Satellit diese Station überfliegt.Aufgeprägt auf eine Frequenz im Mikrowel-lenbereich werden diese Daten mit einerDatenrate von bis zu 350 MBit/sec vonParabolantennen empfangen. Bilder miteiner Auflösung von bis zu 11.000 mal11.000 Bildpunkten, einem Informations-inhalt von bis zu 11 Bit pro Bildpunkt undmehreren Farbkanälen sind das Resultateiner solchen Aufnahme. Diese Roh-Datenmüssen mittels komplexer Kalibrations- undProzessierungsverfahren in nutzernahe Pro-dukte umgewandelt werden. Die Daten wer-den in digitaler Form archiviert und als Bild-und Informationsprodukte den Anwendernzur Verfügung gestellt. Schritt haltend mitder technologischen Entwicklung werdenhier neue Medien (z.B. DVD) und dasInternet als Distributionsmedium benutzt.

Das DeutscheFernerkundungsdatenzentrum (DFD)In Oberpfaffenhofen, in der Nähe vonMünchen, liegt das Raumfahrtzentrum desDLR (Deutsches Zentrum für Luft- undRaumfahrt). Als Einrichtung des DLR agiertdas Deutsche Fernerkundungsdatenzentrum(DFD) als Bodensegment für nationale undinternationale Fernerkundungsmissionensowie das Institut für Methodik der Fern-erkundung (IMF) zur Entwicklung neuerFernerkundungsverfahren. Mit seinen 160Mitarbeitern hier und in der AußenstelleNeustrelitz nördlich von Berlin, deckt dasDFD die gesamte Palette des Boden-segments vom Empfang der Daten bis hinzur Anwendung ab. Geographisch im Zen-trum Europas gelegen, eignen sich die deut-schen Stationen ideal zum Empfang allerSatelliten, die Gesamt-Europa abdecken.Diesen geographischen Vorteil und dielangjährige Erfahrung bei internationalenSatellitenmissionen nutzen sowohl öffentli-che Auftraggeber, die ESA und privateFirmen, um das DFD mit der Aufnahme derDaten Ihrer Satelliten zu beauftragen.Initiiert durch nationale Projekte für dieUmwelterkundung hat das DFD schonAnfang der 90er Jahre damit begonnenEmpfangsstationen auch dort aufzubauen,wo Umweltinformationen dringend be-nötigt werden. So betreibt das DFD aucheine Bodenstation in der Antarktis undermöglicht bald auch mit einer Station inMexiko die Kartierung großer Teile des kari-bischen Raumes.Die weitere Verarbeitung dieser digitalenInformationen erfolgt ebenfalls am Daten-zentrum. So beauftragte die ESA das DFD als"Processing and Archiving Centre" (PAC) für

die wichtigsten europäischen Fernerkun-dungsmissionen ERS-1, ERS-2 sowie ENVI-SAT zu dienen. Die komplizierte Verarbei-tung der Radarbilder dieser Missionen sowiederen Archivierung und Verteilung an welt-weite Anwender findet in Oberpfaffenhofenstatt. Die Datenmengen nicht nur solcherRadarsensoren addieren sich schnell zuHunderten von TeraByte (1 TeraByte = 1.000Gigabyte). In Zusammenarbeit mit derIndustrie entwickelten die Ingenieure desDFD deshalb ein "Daten- und Informations-Management System" (DIMS). Herzstückvon DIMS ist das "on-line" Archiv, ein robo-tergestütztes Archiv-System, welches in derLage ist, digitale Daten auf verschiedenstenneuen Medientypen zu speichern und zuverwalten. Gesteuert von der DIMS-Soft-ware laufen die Vorgänge vom Empfang derDaten, deren Verarbeitung und Katalo-gisierung bis hin zur Auslieferung über dasWorld Wide Web (http://www.eoweb.dlr.de)weitgehend automatisch ab. Als "NationalRemote Sensing Data Library" der Bundes-republik Deutschland (NRSDL) dient diesesArchiv als Quelle für Satellitenbilder überDeutschland, Europa und von nationalenProjekten seit Beginn der Fernerkundung inden 70er Jahren.Ergänzend zu den operationellen Dienstendes Bodensegments engagiert sich das DFDin der Weiterentwicklung der Anwendungvon Satellitendaten. In Zusammenarbeit mitinternationalen Organisationen und derIndustrie wird dabei ein weites Spektrumabgedeckt. Kartierungen der Umwelt, dieGefährdung der Biodiversität und der Zu-stand der globalen Atmosphäre gehörtdabei ebenso zu den Aufgaben wie dieErfassung der Höhen der Erdoberfläche, diemediengerechte Visualisierung der Auf-nahmen und der Einsatz von Satellitendatenim Katastrophen- und Krisenmanagement.

Anwendungen für Umwelt undSicherheit (GMES)Parallel zu der Entwicklung eines eigenstän-digen Satellitennavigationssystems (Galileo)hat Europa das Projekt "Global Monitoringfor Environment and Security" (GMES) alsLeitprojekt der Nutzung des Weltraums insLeben gerufen. Neben der Erhebung vonUmwelt- und Geo-Daten mit konventionel-len Mitteln steht hier vor allem der Auf- undAusbau der Nutzung von Fernerkun-dungssatelliten und der dazu notwendigenInfrastruktur im Vordergrund. Getragen vomBedarf vor allem der Direktorate undAgenturen der Europäischen Kommissionwerden in Zusammenarbeit mit der ESA, dennationalen Raumfahrtorganisationen undder Industrie Dienste eingerichtet, welcheden Entscheidungsträgern maßgeschnei-derte Geoinformations-Produkte liefern.

Eine regelmäßige Kartierung der Land-nutzung, des Forstbestandes, der urbanenZersiedelung, der Qualität der Luftgüte inder Atmosphäre und Satelliten-Dienste zurUnterstützung im Katastrophenfall gehörenzu den Projekten, in denen deutsche Firmenund das DFD eine führende Rolle übernom-men haben. Nach dem Abschluss derStudien- und Orientierungsphase, gehtGMES nun in die Implementierung, um bis2008 mit ersten Diensten operationell zurVerfügung zu stehen.Wichtige Parameter in den Veränderungendes Klimas lassen sich nur durch globaleBeobachtungen erfassen und durch inter-nationale Koordination zusammenführen.Auf Basis seiner Aufgaben und Expertise inder Satellitenerkundung der Atmosphäre,betreibt das Fernerkundungsdatenzentrumdes DLR deshalb ein Weltdatenzentrum fürdie Fernerkundung der Atmosphäre. ÜberDeutschland und Europa hinaus werden hierKlimaforscher und Agenturen auf der gan-zen Welt mit neuesten Satellitenmessungen

Die Ozonverteilung über dem Südpol aus Messungen der SensorenGOME und Sciamachy an Bord von ERS-2 bzw. des ENVISAT-Satelliten.

Die Ozonverteilung über dem Südpol aus Messungen derSensoren GOME und Sciamachy an Bord der ERS-2 bzw. ENVI-SAT Satelliten.Die Ozonverteilung über dem Südpol ausMessungen der Sensoren GOME und Sciamachy an Bord der

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aber auch historischen Zeitreihen versorgt(http://wdc.dlr.de/ ).Schnell und unbürokratisch müssen auchRettungs- und technische Hilfsdienste imKatastrophenfall mit Informationen überdas Ausmaß eines Unglücks und die jeweili-ge Lage vor Ort informiert werden. Währendgroße Waldbrände schon in den grob aufge-lösten Daten von Wettersatelliten zu erken-nen sind, benötigt man zur Kartierung einerÜberschwemmung oder der Zerstörungnach einem Erdbeben geographische Infor-mationen mit einer Detailgenauigkeit vonbis zu einem Meter und besser. In Zu-sammenarbeit mit der Firma EuropeanSpace Imaging (EUSI, München) stehen demDFD solche Daten kurz nach derenAufnahme zur Verfügung. In Kooperationmit anderen Satellitenbetreibern, auchaußerhalb Europas, übernimmt das DFD inerklärten Krisenfällen die Aufgabe, solcheDaten zu empfangen und den Hilfskräftenvor Ort in geeigneter Form schnell zukom-men zu lassen. Neben seiner internationalenVernetzung arbeitet ein eigenes Zentrumfür satellitengestützte Kriseninformation(ZKI) im DFD eng mit nationalen Behördenund Dienststellen zusammen (www.zki.caf.dlr.de)

Der Begriff der "Sicherheit" in der euro-päischen Strategie zur Erschließung vonWeltraumtechnologien wird auch aufKrisen und Bedrohungen im humanitärenund politischen Kontext erweitert. In dergemeinsamen Außen- und Sicherheits-politik (CFSP = Common Foreign andSecurity Policy) spielt die Aufklärung mittelsSatelliten eine bedeutende Rolle. Währenddie ökologische Kartierung der Umwelt imGMES-Programm fortgeführt wird, wirddarüber hinaus auch der Zugriff Europas aufentsprechende, zum Teil militärisch genutz-te Satellitensysteme ausgebaut.

Projekte und HerausforderungenIn der kommerziellen Verfügbarkeit solcherhochauflösender Satellitensysteme sindmomentan noch US-amerikanische Firmenführend. Im Auftrag des europäischenLizenznehmers der US Firma "SpaceImaging", empfängt das DFD die Daten desSatelliten IKONOS. Objekte von der Größeeines Meters lassen sich in den Bildernerkennen, welche von Oberpfaffenhofen ausan Anwender in alle Welt verschickt werden.In Zusammenarbeit mit der Firma GAF AG(München) und ihrer Tochter Euromap

(Neustrelitz) empfängt das DFD in Neu-strelitz ebenso die Daten der IndischenErdbeobachtungs-Satelliten. Während diederzeitigen Sensoren noch eher für dieUmweltkartierung eingesetzt werden, stößtdie nächste indische Satelliten-Generation– mit CartoSat – in den Meter-Bereich derAuflösung vor. Gleich zwei Kameras nehmenhier Bilder im Stereo-Modus auf, welche indreidimensionale Höhenmodelle umgerech-net werden.Mussten bislang Stereo-optische Luftauf-nahmen manuell ausgewertet werden, wirddie Kartierung der Topographie der Erde nunzunehmend mit Weltraumtechnologienerstellt und automatisiert. Neben der ste-reo-optischen Methode hat hierbei dieRadar-Interferometrie den Vorteil, unab-hängig von der Witterung zu arbeiten. Ineiner zweiwöchigen Mission wurde im Jahre2000 auf dem Space Shuttle neben einerNASA-Antenne auch eine DLR-Radar-antenne im "interferometrischem" Modusbetrieben. Die Daten dieser "Shuttle RadarTopography Mission" (SRTM) wurden amDFD verarbeitet und liegen nun als globalesHöhenmodell vor.Deutschland hat auch beim Aufbau euro-päischer Satelliten die Führung bei hoch-auflösenden Radarsystemen übernommen.Fünf SARLupe Satelliten werden ab 2005Radarbilder mit einer Auflösung von besserals einem Meter von jedem Punkt der Erdeliefern. Neben diesem primär für militäri-sche Nutzer zugänglichem System, startetdas DLR in Partnerschaft mit der FirmaInfoterra GmbH (EADS-Astrium) das kom-merzielle Radarsystem TerraSAR-X. Ab 2006dient die DFD-Empfangs- und Verarbei-tungskette in Neustrelitz und Oberpfaffen-hofen als globaler Knoten eines Netzes vonTerraSAR-Kunden und Empfangsstationen.Neben den Radar-Bildern – auch diese mitbis zu etwa einem Meter Auflösung –ermöglicht TerraSAR-X auch die Messungvon Geschwindigkeiten von Objekten amBoden. Vereinfacht gesagt, kommt hier dasPrinzip der "Radarfalle" bei der Geschwin-digkeitskontrolle im Straßenverkehr zumEinsatz. Die Messung von Meeresströ-mungen aus dem Weltraum soll aber auchdie optimale Position für Gezeiten- undStrömungskraftwerke liefern.Die regelmäßige Beobachtung von land-und forstwirtschaftlichen Gebieten, um zumBeispiel den Einsatz von Düngern undPestiziden zu optimieren, ist Aufgabe desSystems "RapidEye". Ab 2008 sollen fünfSatelliten für eine schnelle Wiederholungvon multispektralen Aufnahmen vor allemwährend der Vegetationsperiode sorgen.

Industrielle Partner des DFDDas Forschungszentrum des DLR wurdewährend der Shuttle-Missionen, bei denen

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Das Bild zeigt Ergebnisse, wie sie die Deutsche TerraSAR-X Mission liefern kann. Die Farbe der Punkte stellt dieGeschwindigkeit der Wagen auf der Autobahn nahe Ludwigshafen dar. Grafik und Fotos: DFD/DLR.

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Zurückblickend auf eine lange und erfolg-reiche nationale Historie im Bau und Einsatzoptischer Komponenten und der zugehöri-gen zum Teil komplexen Systeme, findendiese auch in der Satellitenindustrie alsNutzlast, wie Spektrometer und Kamera-systeme, verstärkt ihren Einsatz. In derErdbeobachtung ist hierbei im Zeitraum vonüber 20 Jahren ein weltweiter operationellerMarkt entstanden, indem optische Satellitenin Langzeitprogrammen wie Landsat undSpot kontinuierlich im Orbit platziert undüber die Zeit von verbesserten Satellitenersetzt wurden. Parallel hierzu hat sich inder weiteren Folge ein entsprechender In-

dustriezweig zur Datennutzung und -kom-merzialisierung mitentwickelt. NationaleBeispiele für optische Satellitenkonstel-lationen und Datenveredler sind RapidEyeAG und GAF AG. Im Folgenden soll anhanddes Beispiels der EnMAP Mission (Envi-ronmental Mapping and Analysis Program)ein Ausblick in die Zukunft der optischensatellitengestützten Fernerkundung gege-ben werden.

Wohin entwickelt sich die optischeFernerkundung?Wichtige Treiber bei der Optimierung deroptischen Satelliten lagen bisher vorrangigin einer Erhöhung der Bodenauflösung undder Empfindlichkeit der Kamerasysteme. Sokann heute je nach Anwendung auf opti-sche Bilder der Erde mit Auflösungen voneinem Meter und besser zurückgegriffenwerden. Diese Systeme liefern allerdingsDaten in einer beschränkten Zahl vonSpektralbändern, typischerweise in einerGrößenordnung von fünf bis acht Bändern.Die Zukunft der optischen Fernerkundungliegt hier nicht nur in einer weiteren

Verbesserung der Bodenauflösung, sondernspeziell in einer Erhöhung der Anzahl derSpektralbänder. Nur mit diesen sogenann-ten Multi- oder Hyperspektralsensoren las-sen sich entsprechende, detaillierte Aus-sagen über Art und Zustand der unter-schiedlichen aufgenommenen Materialienauf der Erdoberfläche treffen, wobei mitHyperspektralsensoren mit hoher Präzisiondeutlich spezifischere Aussagen über dieaufgenommenen Bilddaten möglich sind.Somit kann auf aktuelle und dringendbenötigte Informationen zurückgegriffenwerden, die zur Beantwortung globaler,geologischer sowie umwelt- und biospezifi-scher Fragestellungen unabdingbar sind.Durch die Planung und Realisierung dernationalen Kleinsatellitenmission EnMAP –eine Mission, die durch neuere technischeEntwicklungen jetzt mit der benötigtenDatenqualität konzipierbar ist – hat Deutsch-land alle Chancen, eine Führungsrolle in denzukünftigen Entwicklungen der Raum-fahrtoptik zu halten und in einerSpitzenposition neue Märkte bei der kom-merziellen Datenvermarktung zu nutzen.

auch deutsche Astronauten beteiligt waren,als das "Deutsche Houston" bekannt. Nebender Kontrolle von Satelliten und bemanntenMissionen repräsentieren die Institute undEinrichtungen des DLR mittlerweile aucheine über Deutschland hinaus wirkendeExpertise in der Erdbeobachtung. Wissen-schaftliche Grundlagen werden nahezunahtlos in technische Systeme und opera-tionelle Anwendungen umgesetzt. DieZusammenarbeit mit Universitäten und derIndustrie stellt dabei sicher, dass dasPotenzial der Fernerkundung über dieGrenzen der Grundlagenforschung erkanntund neue Möglichkeiten erschlossen wer-den. Das DLR beteiligt sich aktiv an Forenund Einrichtungen zur Förderung solcherZusammenarbeit. Im "AnwendungszentrumSatellitennavigation" in Oberpfaffenhofenschuf z.B. das Bayerische Wirtschafts-ministerium zusammen mit dem DLR einePlattform für die Förderung neuer undinnovativer Firmen auch im Bereich derFernerkundung und Geomatik.

Umgekehrt erfordert das Management derdigitalen Bilder aus dem Weltraum neueLösungen in der Informationstechnologie.Die Entwicklung des "Daten- und Infor-mations-Management Systems" (DIMS)wurde am DFD gemeinsam mit einer mittel-ständischen Firma betrieben (WERUM AG),welche DIMS nun für den internationalenEinsatz vermarktet. Neue Satellitensystemeund Anwendungsdienste werden in "PublicPrivate Partnership" mit der Industrie reali-siert. Satellitensysteme wie TerraSAR-Xstärken die Vernetzung des DLR in industri-ellen und internationalen Partnerschaften.Anwendungsprojekte wie GMES sicherneinen Transfer des Know-hows in operatio-nelle Dienste und stellen eine Plattform fürnationale und internationale Partner desDFD, sich in einem zusammenwachsendenEuropa eine führende Position zu schaffen.

Berge aus dem All Herausgegeben vom DLR,244 Seiten mit 3 Ausklapp-tafeln, 148 Farbfotos, 128 Bildlegendenfotos, 80 Karten, 28,8 x 28,8 cm, ISBN: 3-89405-652-5

EUR 50,00 [D], 51,40 [A], sFr 86,00.Aus der distanzierten Perspektive des Satellitenerlebt der Betrachter vertraute Ansichten völlig neu:Die ganze Himalaja- oder Andenkette auf einemBild; oder eine Ansicht der Hawaii-Inseln einschließ-lich der Konturen unter Wasser. Aber auch wenigervertraute Ansichten bekommen faszinierende neueFacetten: der geheimnisvolle Ayers Rock in der aus-tralischen Wüste; der massive Damavand, der sichgleich hinter der iranischen Hauptstadt Teheranerhebt; der stets schneebedeckte Doppelgipfel desElbrus im Kaukasus; der Tafelberg und der LionsHead mit den sie umfließenden Siedlungen vonKapstadt. Ergänzt werden die Satellitenaufnahmendurch einmalige Fotos, die von Astronauten direktaus Raumkapseln und Shuttles aufgenommen wur-den. Der Kalender (2007) zum Erfolgsbildband, mit 12heraustrennbaren Postkarten und 13 Farbfotos, istab Juni 2006 erhältlich.Spiralbindung; 51,0 x 48,0 cm, EUR 29,90 [D], 30,80 [A], sFr 52,00. ISBN: 3-89405-729-7.

Die Zukunft der optischen Fernerkundung in Deutschland Die hyperspektrale Satellitenmission EnMAP Von Dr. Timo Stuffler, Kayser-Threde GmbH

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RC-Thema

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Hintergrund EnMAP Programmatikund SystemstudieGetrieben durch hochaktuelle, wissen-schaftliche und kommerzielle Fragestel-lungen zum System Erde entstand derVorschlag für die hyperspektrale Satelliten-mission EnMAP. Dieser wurde der nationa-len Raumfahrtagentur Ende 2003 im Rah-men eines Aufrufs für die nächste Klein-satellitenmission vorgelegt. EnMAP hat sichin diesem Wettbewerb gegen neun weitereVorschläge durchgesetzt und so für einePhase A-Studie (Feasibility Studie) qualifi-ziert. In den ersten Planungsansätzen hattedas Team unter industrieller Führung derKayser-Threde GmbH und wissenschaftli-cher Leitung am Geo-ForschungszentrumPotsdam (GFZ) unter Begleitung des DLRversucht, das weltweite Interesse an derHyperspektralthematik in die Missionsreali-sierung mit einzubinden und so vorrangigzunächst einen internationalen kooperati-ven Ansatz untersucht. Schlussendlich kris-tallisierte sich aber eine reine nationaleVariante in einem Verbund von sogenann-ten mittelständischen und Non-Prime-Firmen als bevorzugte und bezahlbareLösung heraus. Dieser Ansatz stellt dasThema auf eine breite, nationale, industriel-le und wissenschaftliche Basis, indem vor-handenes Wissen der wichtigsten Schlüssel-partner optimal genutzt und somit dieZukunft der weltweit expandierendenRaumfahrtoptik in Deutschland gesichertwird.

Nach dem erfolgreichen Abschluss derEnMAP-Phase A-Studie Ende 2005 befindet

sich die Raumfahrtagentur zur Zeit derErstellung dieses Artikels noch im End-auswahlprozess zur Definition des weiterenVorgehens.

EnMAP Leistungsfähigkeit und technische Hintergrundinformationen In Abbildung 2 (links) sind Messdaten einesMultispektralsensors gezeigt, die nur einegeringe Möglichkeit zur Identifikation desMaterials (hier Minerale) zulassen. Zur Vali-dierung der Daten müssen vor Ort Boden-analysen durchgeführt werden. Im Vergleichhierzu sind in Abbildung 2 (rechts) beispiel-haft die entsprechenden hyperspektralenMesssignale (Spektren) dargestellt. Diesesind klar voneinander differenziert undermöglichen eine eindeutige Diagnose undverbesserte Klassifikation des entsprechen-den Materials. Mit EnMAP werden dieseDaten flächendeckend und global aufge-zeichnet.

In Abbildung 3 ist EnMAP, charakterisiertüber das Auflösungsvermögen und die An-zahl der Spektralbänder, im Vergleich mitanderen Multi- und Hyperspektralsystemendargestellt. EnMAP bietet die globale Erfas-sung von Ökosystemparametern mit hoherspektraler und räumlicher Auflösung beivergleichsweise hoher Wiederholrate.EnMAP liefert damit einzigartige Daten undhebt sich durch seine Leistungsfähigkeiteindeutig von allen existierenden ähnlichenSatellitensystemen ab (roter Kasten, rechtsim Diagramm). Neben neuen Antworten aufzeitgemäße wissenschaftliche Fragestel-lungen haben die hyperspektralen Daten-

sätze von EnMAP großes Potenzial für vielezukünftige kommerzielle Anwendungen.

Wissenschaftliche und kommerzielleApplikationenGeführt vom GFZ Potsdam und unterstütztvon einer großen, zum Teil internationalenWissenschaftsgemeinde, werden durch EnMAPbisher nicht bestimmbare Umweltparametererfasst und über unterschiedlichste Modellein wissenschaftliche Applikationen umge-setzt. Davon profitieren so unterschiedlicheAnwendungsfelder wie Geologie, Land- undForstwirtschaft, Binnengewässerklassifizie-rungen, Städteplanung und viele mehr. ImRahmen der Realisierung von EnMAP wer-den zusätzlich Prozesse und Formate ent-wickelt, welche die Basis für kommerzielleAnwendungen liefern. Ein Teil der EnMAP-Daten soll hierbei bereits in der Betriebs-phase einer entsprechenden kommerziellenNutzung zugeführt und kontinuierlich opti-miert werden.

EnMAP wurde gezielt als nutzergetriebeneMission ausgelegt, wodurch eine optimaleDatengrundlage zur detaillierten Analyseund damit zum verbesserten Verständnis derauf unserer Erdoberfläche ablaufendenProzesse gegeben wird. Durch die Inter-aktion zwischen Wissenschaft und kommer-ziellen Anwendern in der EnMAP-Nutzer-gemeinschaft werden sowohl die nationaleWissenschaft als auch die Value-Adding-Industrie deutlich gestärkt und in diePosition versetzt, eine internationale Füh-rungsrolle in der zukunftsweisenden opti-schen Fernerkundung zu übernehmen.

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Abbildung 1: EnMAP-Darstellung mit farblich kodiertem,hyperspektralem Datenkubus.

Missionsparameter für EnMAPOrbit- Sonnensynchron : bei 643 km

- Inklination : 97,96°

Äquator-Überflugszeit : 11:00 h LTDN

Abbildungskonzept : "push-broom” mit 30 km Streifenbreite,

± 30 Grad schwenkbar

Beobachtungswiederholzeit (Schwenkwinkel) : < 4 Tage (± 30°),

23 Tage (± 5°)

Maximale Bodenabdeckung

pro Tag : 5.000 km x 30 km

Datenspeicherkapazität : 512 Gbit

Datenübertragungsrate : 100 bis 300 Mbps via X-Band

Instrument-Masse : < 200 kg

Instrument-Leistungsaufnahme : < 200 W

Messkanäle :- VNIR : 420 – 1.030 nm (96 Kanäle)

- SWIR : 950 – 2.450 nm (122 Kanäle)

Startmasse Satellit : 766 kg

Satellitenausrichtung- Genauigkeit : besser als 500 m

- Kenntnis : besser als 100 m

Lebensdauer : 5 Jahre

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RC-ThemaRaumfahrt Concret 1/2006

Einige wichtige Anwendungsbeispiele sindexemplarisch im Folgenden kurz dargestellt:

• Forstwirtschaft: EnMAP ermöglichtdurch die hohe Aussagekraft der Hyperspek-traldaten eine Verbesserung bei der klassi-schen Forstzustandsüberwachung, beimForstmanagement, von der Bewertung vonRegenerationsflächen bis hin zur Wald-nutzung.

• Landwirtschaft: Hyperspektraldaten er-möglichen im Vergleich zu derzeit verwen-deten Multispektraldaten eine signifikanteVerbesserung bei der Bewertung vonQuantität und Qualität des Pflanzenwachs-tums. Dies erlaubt entsprechende hochwer-tige statistische Dienstleistungen (Vorher-sagen), eine verbesserte Subventionskon-trolle und ermöglicht landwirtschaftlichesRisikomanagement bis hin zum ‚PrecisionFarming’.

• Binnengewässer und Küstenbereiche:Satellitengestützte Hyperspektraldaten er-möglichen eine zeitnahe und flächigeGewässerzustandsüberwachung wie sie bis-lang nur an punktuellen Messstellen mitentsprechendem Personaleinsatz möglichist. Dies führt zu Kosteneinsparung beigleichzeitiger Qualitätsverbesserung beiBewertung und Vorhersage.

• Boden- und Land-Management: Dieklassischen Aufgaben der öffentlichenInstitutionen werden unterstützt durch bes-sere Differenzierung, höhere Qualität undReduktion der Kosten.

• Geologie und Prospektion: Das Anwen-dungspotenzial der Hyperspektraldatengeht weit über jenes von bislang verfügba-ren Multispektraldaten hinaus. Es ermög-licht die effiziente diagnostische Kartierungund Analyse, wie sie bei der Rohstoffsuchebis hin zur Entsorgung von Altlasten und derUmweltüberwachung erforderlich wird.

Missionsrealisierung in ausgesuchtenKooperationenZur Realisierung von EnMAP wird aufbau-end auf den langjährigen Erfahrungen derHyperspektralanalyse am GFZ auch auf vor-handenes Institutswissen und Infrastrukturder DLR-Institute sowohl im Satellitenbe-trieb, als auch in der Datenspeicherung und-verarbeitung und der Expertise bei opti-schen Systemen zurückgegriffen. EnMAPstellt einen entsprechenden Datenliefe-ranten für das Forschungsnetzwerk ‚Inte-griertes Erdbeobachtungssystem’ (Helm-holtz-EOS) dar, welches interdisziplinär inallen Bereichen auf hyperspektralen Mess-daten aufbaut. Durch die Integration des

zwischen GFZ und DLR-DFD (DeutschesFernerkundungsdatenzentrum) gemeinsamangeschafften hyperspektralen Flugzeug-sensors ARES in das Szenario für einenhyperspektralen Verbund bzw. eines hyper-spektralen Netzwerks, werden hier gezieltDatenaustausch und -auswertung für spä-tere globale Anwendungsszenarien unter-stützt. Diese Netzwerke und Verbünde for-men die breit gefächerte Basis für eine di-rekte und optimale Integration der EnMAP-Daten in der Wissenschafts- und Nutzer-gemeinde, deren Anforderungen bereits inder Konzeption des Satellitensensors be-rücksichtigt wurden.

Auf der technisch-industriellen Seite wer-den verschiedene Subsystementwicklungenfür eine optimierte Realisierung von EnMAPbegleitet. Der Teamverbund berücksichtigtnationale industrielle Stärken, wie die Inte-gration des kosteneffektiven und leistungs-starken Busses von OHB Technology AG alsBeispiel zeigt. Auch in der Nutzerindustriewerden eine Vielzahl von Unternehmen wiedie GAF AG, Definiens Imaging GmbH undVISTA GmbH mit ihren jeweiligen Stärkenintegriert – schlussendlich treibende Moto-ren weltweit konkurrenzfähiger Spezialisie-rungen. Dieser Weg steht generell für einenkosteneffektiven und innovativen Ein-satz öffentlicher Mittel.

Zusammenfassung und AusblickMit EnMAP bietet sich der deutschen Raum-fahrt- und Datennutzerindustrie eine ein-malige Möglichkeit, in der Erdbeobachtungund Optik eine Führungsrolle zu behaupten,indem die bestehenden Erfahrungen natio-naler Industrie- und Wissenschaftsclusterdirekt in die Realisierung integriert werden.

Der Hyperspektralsatellit EnMAP

• stärkt die Spitzenstellung nationalerWissenschaftsgruppen• unterstützt den Ausbau der führendenPosition deutscher Unternehmen für opti-sche Systeme• bietet breit gestreute Beteiligungsmög-lichkeiten für eine Vielzahl mittelständischerUnternehmen• verfügt über ein großes Potenzial für viel-fältige kommerzielle Applikationen• stellt eine starke Basis für Verhandlungenmöglicher internationaler Kooperationen dar.

EnMAP muss zeitnah realisiert werden.Eine größere Verschiebung des Missions-termins gefährdet den Vorsprung, den sichdas mittelständische deutsche Satelliten-konsortium und die Nutzerindustrie gegen-über weltweit agierenden Konkurrentenerarbeitet haben. Neben z.B. Indien, Kanada,

Italien, Südafrika und USA, plant Japanbereits eine hyperspektrale Satellitenkon-stellation nach dem RapidEye-Modell.

Deutschland darf die Zukunft nicht ver-schlafen und muss wieder vermehrt auf diein der Historie gewachsenen Stärken in derOptik setzen. Schlussendlich entscheidenwir heute über das Morgen und hier habenwir nun die einmalige Chance, optischeSchlüsseltechnologien gezielt für ein kon-kurrenzfähiges Morgen national auf breiterBasis zu verankern.

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Abbildung 2: Vergleich von multispektralen und hyperspektralenMessdaten.

Abbildung 3: Darstellung der EnMAP-Leistungsfähigkeit imVergleich mit anderen weltraumgestützten Multi- bzw.Hyperspektralsystemen. Fotos: Kayser-Threde.

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Raumfahrt Concret 1/2006

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Die Raumfahrt hat viele Facetten. DieSehnsucht des Menschen, das Weltall zuerkunden, und die Suche nach neuenErkenntnissen trägt ihn weit hinaus ins Allund bringt ihn dabei der Erde selbst ganznah – mit Antworten, Informationen undneuen Visionen.

Vor 30 Jahren, am 12. September 1976,erfolgte der erste Weltraumeinsatz derMultispektralkamera MKF-6 an Bord desRaumschiffes Sojus-22. Sie war der ersteSchritt der damaligen DDR zur kosmischenFernerkundung der Erdoberfläche (sieheauch RC 36). Die gleichzeitige Aufnahmevon sechs verschiedenen Multispektralbe-reichen des Lichts auf speziellen hochemp-findlichen Schwarz-Weiß-Filmen ermög-lichte eine Detailerkennbarkeit am Bodenvon 10 m x 10 m bei 265 km Flughöhe. Dieentstandenen Kamerabilder wurden zur Be-urteilung von land- und forstwirtschaftli-chen Kulturen und Flächen, von Wasser-sowie Bodenqualität, aber auch zur Be-

stimmung des Erntezeitpunktes, zur Um-weltforschung und für meteorologischeAussagen genutzt. Sein Pendant für die luft-gestützte Fernerkundung fand das Systemin der Luftbildkamera MSK-4 mit vier Farb-kanälen, welche mehr als 40-mal gebautund international vermarktet wurde. Beideswaren Entwicklungen der Abteilung Raum-fahrt des damaligen Unternehmens VEBCarl Zeiss Jena.Eben diese multispektralen Erdbeobach-tungskameras stellten - neben den erstenautonomen Sternsensoren - das Kernwissender Mannschaft dar, die 1991 die Jena-Optronik GmbH gründete. Das Unterneh-men gehört zu den Pionieren der Welt-raumforschung und entwickelt heute opto-elektronische Instrumente für verschieden-ste Anwendungen im Bereich der Raum-fahrt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf derEntwicklung opto-elektronischer Systemezur Erdbeobachtung. Ob meteorologischeSatelliten oder Kameras zur Erfassung vonInfrastruktur- und Vegetationsdaten - dieLösungen sind als Langzeit-Informations-quelle ausgelegt. Diesen Technologietrend unterstützt aucheine der neuesten Entwicklungen: die multi-spektrale Luftbildkamera Jena AirborneScanner JAS 150 (Objektiv mit 150 mmBrennweite). Mit diesem digitalen Scannerkönnen Stereobildaufnahmen mit einer bis-her unerreichten Auflösung von etwa 15 cmaus 4.000 Metern Höhe erreicht werden.Beim Überflug eines Gebiets können mit denneun CCD-Zeilen vier Spektralkanäle undfünf panchromatische Stereokanäle in vollerAuflösung gleichzeitig aufgenommen wer-den. Mit der integrierten Software JenaStereo können die gewonnenen Daten zurHerstellung von Karten und Höhenmodellensowie zur Boden- bzw. Vegetationsklassi-fizierung verarbeitet werden. Dieses System-paket erweitert das Anwendungsspektrumfür den Nutzer beträchtlich. Besonders inden Bereichen Land- und Forstwirtschaft, imStädteplanungsbereich, in der Meteorologieund zur Telekommunikation mit Mobil-funknetzen finden die gewonnenen Datenvielfältigen Einsatz. Die Jenaer Ingenieurelegen bei der Entwicklung von Instrumentenund Geräten nicht nur großen Wert auf zu-kunftsweisende Technologien, praxiserprobteFunktionalität, modularen Aufbau und einansprechendes Design, vielmehr geht es umkosteneffiziente Lösungen von technischexzellenten und stabilen Systemen.

Mit dem 2004 abgeschlossenen Vertrag überdie Entwicklung und Herstellung der Multi-spektralkameras für die RapidEye-Satellitenknüpft die Jena-Optronik an Tradition undErfahrungen der ersten Generation JenaerRaumfahrtentwicklungen an. Basierte dieMKF-6 auf Linsenoptiken und Nassfilm-technik, so sind es heute Pushbroom-Scan-ner mit hochmodernen Dreispiegeloptiken,welche für verschiedene Erdbeobach-tungsmissionen genutzt werden können.Der Jena Spaceborne Scanner JSS 56 (dieZahl 56 repräsentiert die fünf Spektral-kanäle im sichtbaren Wellenlängenbereichund nahen Infrarot sowie die 6,5 m Abtast-weite auf dem Boden) ermöglicht die stän-dige globale Datenabdeckung. Eine wichtigeEigenschaft der JSS 56 ist die großeSchwadbreite von 70 km in einer Höhe von620 km. Die Daten liefern Informationen fürLandwirtschaft und Kartografie. Anwendersind so etwa Versicherungsagenturen (Pro-gnose und Schadensermittlung), Großagrar-betriebe, Institutionen der EU und Agrar-händler (Warenterminbörsen).Die Produktfamilie der Jena SpaceborneScanner umfasst darüber hinaus das Kon-zept der JSS 54 und JSS 95. Letztere bein-haltet neben den fünf Spektralkanälen imVIS und NIR und einem panchromatischenKanal auch drei Spektralkanäle im kurzwelli-gen Infrarotbereich (SWIR). Der panchroma-tische Kanal liefert 5 m Abtastweite amBoden, die übrigen Kanäle 30 m. Die Er-gänzung um SWIR-Kanäle böte beispiels-weise eine risikoarme und kosteneffektiveLösung für ein Instrument auf der zweitenSatellitenfamilie (Sentinel 2) innerhalb dereuropäischen Initiative zur Umwelt undSicherheitspolitik GMES (Global Monitoringfor Environment and Security). Sentinel 2wird für die Beobachtung von Landober-flächen und Ozeanen eingesetzt. Insbeson-dere Vegetationsentwicklungen und dieWasserqualität in Küstenregionen werdendabei untersucht. Im Rahmen der GMES-Satelliten ist darüber hinaus Sentinel 3 zurdirekten Beobachtung der Ozeane geplant.Die Ergebnisse werden einen Beitrag zumVerständnis des Klimawandels liefern. DieJena-Optronik arbeitet hier an Instrumen-tenanteilen zur Messung der Oberflächen-temperatur des Meeres (Sea SurfaceTemperatur Instrument).

Im Bereich der meteorologischen Instru-mente werden Spektralkanäle im mittleren

Der Kreis schließt sichErdbeobachtung bei Jena-OptronikVon Dietmar Ratzsch, Geschäftsführer Jena-Optronik GmbH

Eine der neuesten Entwicklungen: die multispektraleLuftbildkamera JAS 150 (Jena Airborne Scanner).

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und thermischen Infrarot-Bereich gefordert.METimage ist ein multispektrales abbilden-des Radiometer. Durch ein rotierendesTeleskop wird eine sehr große Schwadbreitevon 2.300 km bei einer Abtastweite vonunterhalb einem km gemäß des Whisk-broom-Scanprinzips abgedeckt. Das Instru-ment zeichnet sich durch seine großeFlexibilität hinsichtlich der radiometrischenEmpfindlichkeit, die Bedienung aller Spek-tren von VIS bis TIR in separaten Empfän-gerbausteinen der Bildebene und seinegroße Flexibilität hinsichtlich der Anzahl derKanäle aus. METimage bietet bis zu 20Spektralkanäle in verschiedenen, teilweisekryogenen Fokalebenen.Das Deutsche Zentrum für Luft- undRaumfahrt e.V. und der Deutsche Wetter-dienst unterstützen das Instrumentkonzeptals nationalen Beitrag zu Meteorologie- undUmweltsatelliten, welches geeignet sein soll,voll operationell in einem Nachfolgesystemzum derzeitigen EUMETSAT Polar System(EPS) von EUMETSAT zum Einsatz zu kom-men.

Die Erfahrungen der Jena-Optronik in derraumgestützten Erdbeobachtung beschrän-ken sich jedoch nicht nur auf Instrumenten-Hardware; darüber hinaus ist die Firma be-reits seit ihrer Gründung eines der führen-den Unternehmen auf dem Gebiet derErdbeobachtungs-Datenprozessierung. Esist diese Kombination aus Know-how imHardware- und Software-Bereich, die unterden einschlägigen Firmen relativ selten, fürden Nutzer aber besonders interessant undvorteilhaft ist.Die anwendungsorientierte Erdbeobachtungerstreckt sich u.a. über die Beobachtung vonUmwelt- und Klimaveränderungen, Über-wachung von Ressourcen, Messung vonReife- und Feuchtigkeitsgraden bis hin zumKatastrophenmanagement.Das von der Jena-Optronik geleitete ProjektENVILAND soll synergetische Aspekte derderzeitigen deutschen Schwerpunkte in der

Erdbeobachtung aufgreifen und wesentli-che Beiträge liefern zur Entwicklung skalen-freier, übertragbarer sowie stabil und öko-nomisch realisierbarer Methoden zur Aus-wertung von Fernerkundungsdaten für dieBodenbedeckungsproblematik. Ziel ist dieEntwicklung neuer Verfahren zur segment-basierten Klassifikation (entgegen der sonstüblichen pixelbasierten Klassifikation) unddie operationelle Erstellung von Land-nutzungskarten. ENVILAND versucht denKlassifikationsprozess zu automatisierenund durch die Kombination von optischenDaten und Radardaten eine maximal mögli-che Vielfalt an Landbedeckungsklassen zuidentifizieren. Das Projekt greift auf Envisat-Daten mit einem Auflösungsbereich um 30 mzurück.

Herauszufinden, wie Umweltveränderungendie Entstehung von Krankheiten beeinflus-sen, ist eine weitere Einsatzmöglichkeit vonFernerkundungsdaten. Im Projekt EPIDE-MIO der Europäischen Weltraumorgani-sation ESA fungiert die Jena-Optronik alsHauptauftragnehmer und koordiniert eineuropäisches Team. Ziel der Auswertung vonSatellitendaten ist die verbesserte Vorher-sage von Epidemien. EPIDEMIO besteht ausacht verschiedenen Fernerkundungspro-dukten, welche zusammen mit den End-nutzern definiert wurden. Sie unterschiedensich in Auflösung und Maßstab. Die Inte-gration von zeitlich versetzten Daten er-möglicht es, Krankheitsausbreitungen mitihren geografischen Bezügen besser nach-vollziehen zu können.

Die Technologiekompetenzen der Jena-Optronik erstrecken sich über diese Appli-kationsanwendungen hinaus und umfassendie Produktion von Geodaten, die Instal-lation, Konfiguration und Wartungkommerzieller Geoinformationssysteme(GIS), die Ergänzung kommerzieller GIS-Systeme mit speziellen Funktionen zuVerarbeitung, Anzeige und Bedienung sowiedie Integration, Verifikation und Adaptionvon Geodaten verschiedener Quellen in ein-heitliche Systeme. So erstreckt sich dasLeistungsspektrum im Bereich der Satel-litendatenauswertung über Geo-Referen-zierung und Geo-Kodierung, die Klassifi-kation der Landbedeckung, stereographi-sche Bestimmung von Höhenmodellen,interferometrische Vermessung mit Radar-Daten bis hin zur GPS-Datenauswertung.

Die lange Erfahrung beim Managementkomplexer Projekte, Tradition und dasKnow-how kennzeichnen die Arbeit derJenaer Ingenieure. Die Kernkompetenzender Jena-Optronik liegen auf der Entwick-lung und Herstellung opto-elektronischerSysteme in den Gebieten des sichtbaren und

METimage. Das Instrumentkonzept der Jena-Optronik für Meteorologie- und Umweltsatelliten.Hintergrundbild: Hurrikan Rita im Golf von Mexiko.

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Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Thema

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infraroten Bereichs des Lichts, sowie desnotwendigen Datenmanagements und der -verarbeitung. Mit zukunftsweisenden Technologien ge-hört das Unternehmen zu den führenden

Instrumenten- und Systemanbietern aufdem internationalen Luft- und Raumfahrt-Markt. Langjährige Erfahrungen und punkt-genaue Lösungen stehen für erfolgreicheProdukte und Projekte im All sowie auf der

Erde. Die Jena-Optronik mit ca. 130 hochqualifizierten Mitarbeitern am Standort inJena ist eine 100-prozentige Tochter-gesellschaft der JENOPTIK AG im Unter-nehmensbereich Photonics.Dabei besitzt der Standort Jena nicht nur alsOptical Valley einzigartiges Potenzial. DerMix aus theoretischer und angewandterForschung und einer starken Industrie isteinmalig in Deutschland.

Mit den Kamerasystemen JAS 150 und JSS56, dem Instrumentkonzept METimagesowie den Projekten ENVILAND und EPIDE-MIO leistet die Jena-Optronik wesentlicheBeiträge zur luft- und raumgestütztenErdbeobachtung. Sie nutzt ihre Erfahrungenaus den letzten 30 Jahren zur Entwicklungneuer Produkte, Verfahren und Techno-logien. Der Kreis erweitert sich.

In den etwa eineinhalb Jahrzehnten ihrerEntwicklung hatten sich die Schwerpunkteder DDR-Weltraumfernerkundung sowohlhinsichtlich der methodischen Forschung,als auch der praktischen Nutzung signifi-kant verändert. Dieser Wandel betraf inerster Linie das Verständnis ihrer Zielstellungund ihres inhaltlichen Konzepts und war dieFolge der Fortschritte auf wissenschaftlich-methodischem, technologischem undinnerstaatlich-organisatorischem Gebiet.Dabei lassen sich drei, an den jeweiligenmethodischen Schwerpunkten bzw. wissen-schaftlichen Hauptaufgaben orientierteEntwicklungsphasen erkennen /2/:

1976-1980 Entwicklung grundlegender Methoden undTechnologien zur analogoptischen Aus-wertung und thematischen Analyse multi-spektraler Fernerkundungsdaten

1980-1985 Entwicklung physikalisch-mathematischerund geowissenschaftlicher Grundlagen,Methoden und Softwarelösungen für eine naturwissenschaftlich begründete rechner-gestützte Interpretation und Nutzung vonFernerkundungsdaten

1985-1990 Entwicklungen zur Integration von Ferner-kundungsdaten in fachspezifische Informa-tionsprozesse, insbesondere im Zusammen-hang mit der Entwicklung raumbezogenerInformationssysteme (GIS) und der Auto-matisierung kartographischer Prozesse.

Für die danach folgende Entwicklung zeich-nete sich als ein Schwerpunkt die Ein-beziehung der Fernerkundung in modernegeowissenschaftliche Aufgaben zur Lösungvon Problemen mit gesamtgesellschaftli-chen Dimensionen ab, wie z.B. Katas-trophenwarnung, operative Umweltüber-wachung, Ernteprognose, seismotektoni-sche Gefährdungsanalyse, automatisierteKartographie u.ä.

Mit den o.g. Entwicklungsphasen war je-weils eine Erweiterung des inhaltlichenVerständnisses der Weltraumfernerkundungals in gleicher Weise natur- wie ingenieur-wissenschaftlicher Disziplin verbunden:

• von der zunächst lediglich qualitativeninterdisziplinären Methode zur Informations-gewinnung über natürliche Objekte derErdoberfläche• über einen quantitativen und formalisier-baren Erkennungsprozess auf der Basis phy-sikalischer Messungen und geo- bzw. biowis-senschaftlicher Zusammenhänge• bis zum Bestandteil moderner raumbezo-gener Informationstechnologien, die dieAktualisierung von Datenbeständen überkomplexe geowissenschaftliche Sachver-halte beinhalten.

Es ist erkennbar, dass die Entwicklung derWeltraumfernerkundung zu einer eigen-ständigen Arbeits- und Forschungsrichtungganz entscheidend von den inhaltlich-methodischen Fortschritten geprägt war.Die methodischen Forschungen dientendabei neben der Verbesserung von Techno-logie und Geräteentwicklung vor allemeinem besseren inhaltlichen Verständnis dergemessenen Daten. Die Grundlagenfor-schung war, wie bekannt, in allen ihrenEntwicklungsphasen auf die Einheit vonwissenschaftlichen Fragestellungen undgesellschaftlichen Nutzanwendungen ori-entiert. Wie bereits erwähnt, mussten in derPraxis Grundlagenforschungen und Erpro-bungen von Nutzungstechnologien gleich-zeitig erfolgen, was eine kurzfristige Bereit-

Die andere Deutsche Raumfahrt (Teil 5)

Die MKF-6 und bunte Bilder waren nicht allesEntwicklung der Weltraumfernerkundung in der DDR (2. Folge)Von Prof. Dr. Karl-Heinz Marek

JSS 56. Multispektralkameras für Erdbeobachtungsmissionen: Die Produktfamilie der Jena SpaceborneScanner. Die JSS 56 wird auf den RapidEye-Satelliten fliegen. Fotos: Jena Optronik, Hurrikan Rita: ESA.

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RC-ThemaRaumfahrt Concret 1/2006

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stellung der erarbeiteten Prinziplösungenfür die gesellschaftliche Nutzung ermög-lichte.

Erreichter StandDer Erfolg des Fernerkundungssystems derDDR basierte auf • der gesamtstaatlichen Organisation aufder Grundlage der Regierungsabkommen,besonders zum IK-Programm, • der kontinuierlichen Weiterentwicklungder wissenschaftlich-methodischen undtechnologischen Grundlagen des Ferner-kundungsprozesses und • den Interessen und Aktivitäten derNutzerbereiche in der Praxis.

Arbeiten des MdZ-Fernerkundung Zu den o.g. drei Faktoren hat das MdZ-Fernerkundung (Methodisch-diagnostischesZentrum) am ZIPE wichtige Arbeiten geleistetund damit zur Beschleunigung der Nutzungvon Fernerkundungsdaten in den betreffen-den Volkswirtschaftsbereichen unmittelbarbeigetragen. Das MdZ hatte sich durch seineumfangreichen Aktivitäten als Leitein-richtung für die AGNGF zum wissenschaftli-chen Koordinierungs- und Konsultations-zentrum zur Entwicklung und Nutzung derFernerkundungstechnologie profiliert. Nebender primären Aufgabe zur Entwicklung vonmethodisch-technologischen Grundlagenerfolgten durch das MdZ für dieNutzerbereiche – speziell in den Anfangs-jahren – u.a. auch Dienstleistungen bei derAusbildung von Fachleuten, der Datenbe-schaffung (z.B. durch Organisation vonFlugzeug- und Satellitenmesskampagnen)und der Koordinierung abgestimmter For-schungsprojekte einschließlich von Groß-experimenten sowie ein umfassenderKnow-how-Transfer, die Wahrnehmungstaatlicher Beratungsaufgaben usw. Das MdZ hat darüber hinaus mit eigenenwissenschaftlichen Arbeiten besonders dieinhaltlich-methodische Entwicklung derAuswertung und Nutzung von Fernerkun-dungsdaten wesentlich beeinflusst. Dazugehörten insbesondere die Arbeiten zu denphysikalisch-mathematischen Grundlagenund zur Signaturforschung (Dr. R. Söllner,Dr. H. Weichelt), zur photographischen (Dr.V. Kroitzsch) und digitalen Bildbearbeitungund –interpretation (Dr. H. Wirth), zurMethodik von Flugzeug- und Satelliten-experimenten (Prof. K.-H. Marek), zurGeoinformatik (Dr. G. Schilbach), zurNutzung der Fernerkundung in Geologieund Seismotektonik (Prof. P. Bankwitz) u.a.

Von den Leistungen des MdZ sollen beispiel-haft hervorgehoben werden:a) Koordinierung der Auswertearbeiten des

Experiments RADUGA zur Multispektral-photographie auf der Basis der ersten hoch-auflösenden Multispektralaufnahmen desDDR-Territoriums aus dem Weltraum. DieAufnahmen mit der MKF-6 erfolgten imZeitraum 15. - 23.9.1976 von Bord desRaumschiffs SOJUS-22 (Bahnneigung 64,8°,Bildstreifenbreite 140 km, Bildmaßstab1 : 2.060.000). Obwohl während diesesFluges insgesamt 14.000 Aufnahmen (20Mio. km2) erhalten wurden, konnten wegenextrem ungünstiger meteorologischer Be-dingungen vom DDR-Territorium nur weni-ge Aufnahmen des Bereichs an der Ost-seeküste (ca. 4 % des DDR-Territoriums) ge-wonnen werden /3/. Im Zeitraum 17. -20.9.1976 erfolgten im Rahmen des RADU-GA-Experiments synchrone Bodenmessun-gen und Flugzeugaufnahmen von DDR-Testgebieten mit dem Reservegerät der imWeltraum befindlichen MKF-6. Die Aus-wertearbeiten zum RADUGA-Experimentwurden im Juni 1977 mit einem vorläufigenBericht offiziell abgerechnet.b) Durchführung von 5 komplexen Flug-zeugmessprogrammen in den Jahren 1977-1981 auf 14 landschaftlich unterschied-lichen DDR-Testgebieten zur Erprobung ver-schiedener Fernerkundungsverfahren unterEinbeziehung von MKF-6, topographischerLuftbildkameras, Spektrometer, eines Multi-spektralscanners S-500 und des Radar-systems TOROS. Durch die Nutzerbereichewurden während dieser Befliegungen aus-gedehnte Bodenmessprogramme realisiert.c) Bereitstellung von Verfahren undRahmentechnologien zur Datenauswertungund -nutzung sowie von Interpretations-beispielen für ausgewählte wissenschaftli-che und volkswirtschaftliche Aufgaben. Ab1977 erfolgten am MdZ-Fernerkundung dieersten routinemäßigen Arbeiten in der DDRauf dem Gebiet der digitalen Bildbear-beitung auf einer amerikanischen OPTRO-NIX-Anlage. Als wesentlichste Anwen-dungsbereiche der Weltraumfernerkundungfür die DDR wurden identifiziert: Karto-graphie, Geologie und Bergbau, Wasser-wirtschaft und Umweltschutz, Meteoro-logie, Land- und Forstwirtschaft, Geographieund Territorialplanung, Ozeanologie. d) Vorbereitung und Herausgabe desMethodenwerkes "Atlas zur Interpretationvon Multispektralaufnahmen – Methodikund Ergebnisse" und "Atlas zur Inter-pretation multispektraler Scannerdaten" /4/in deutscher, englischer und russischerSprache. Dieses Werk beinhaltet dieErgebnisse der langjährigen Zusammen-arbeit von deutschen und sowjetischenInstituten bei der Entwicklung vonMethoden zur visuellen und rechnerge-stützten Auswertung von multispektralenphotographischen und Scanneraufnahmen.Die Akzeptanz dieses Werkes wird allein

dadurch bestätigt, dass dieses Produkt zurMethodik auf die gleiche Stufe gestelltwurde, wie die MKF-6 auf dem Gerätesektorund dass die gesamte englischsprachigeAuflage bereits unmittelbar nach Erscheinenvon amerikanischen Einrichtungen aufge-kauft wurde.e) Vorbereitung und Auswertung der wis-senschaftlichen Experimente zur Fern-erkundung beim bemannten DDR-UdSSR-Weltraumflug 1978. Die globalen Auf-nahmeprogramme zur Multispektralphoto-graphie mit der MKF-6 sowie für dasExperiment "Biosphäre" zur visuell-instru-mentellen Erderkundung unter Nutzungeiner 6 x 6-Handkamera von PENTACON wur-den methodisch und technologisch vorbe-reitet und ausgewertet. Die gemeinsamenArbeiten zu diesem Weltraumflug mit demersten deutschen Kosmonauten Dr. S. Jähnsind in /5/ ausführlich beschrieben. EineVielzahl von Ergebnissen der Bildinter-pretationen aus dem Experiment "Bio-sphäre" enthält das Buch /6/. DiesesExperiment wurde in den Jahren 1978-1982als internationales Forschungsprogramm"Biosphäre" durch die Stammbesatzungenauf SALUT-6 und SALUT-7 sowie von vierINTERKOSMOS-Besatzungen fortgesetzt.Diese internationalen Raumflüge wurdenaußerdem von der DDR durch synchroneMKF-6-Befliegungen von Testgebieten die-ser IK-Länder unterstützt.f) Vorbereitung und Durchführung von ins-gesamt 6 wissenschaftlichen Konferenzen"Zu Stand und Entwicklungstendenzen derFernerkundung" /7/ im Zeitraum 1981-1991.Diese Konferenzen (ab 1984 mit internatio-naler Beteiligung) waren die wichtigstenVeranstaltungen in der DDR auf dem Gebietder Weltraumfernerkundung.

Mobiles Bodenmesslabor des MdZ-Fernerkundung zur synchronen Messung spektraler Objektsignaturen im optischen, mittleren Infrarot- und Mikrowellenbereich(Faltmast mit Radiometern in Arbeitsstellung).

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RC-Thema

Weitere Forschungsarbeiten undArbeiten der NutzerbereicheWesentliche Forschungsarbeiten zur thema-tischen Interpretation und fachbezogenenDatennutzung erfolgten auch in anderenAdW-Instituten und Hochschuleinrich-tungen im Rahmen der Hauptforschungs-richtungen (HFR) Physik der Erde, Inter-kosmos und Geographie/ Hydrologie/ Meteo-rologie, darunter zur Geographie undGeoökologie im IGG (Prof. Krönert), zurOzeanographie im IfM (Dr. Brosin), zurProblematik Ozean-Atmosphäre im IKF(Prof. Zimmermann), zur Forstwirtschaft ander TUD (Dr. Pelz), zur Landschaftsökologiean der PHP (Prof. Barsch), zur Geo-morphologie an der MLU (Prof. Kugler) u.a.

Aufgaben der angewandten Forschung wur-den in den Forschungseinrichtungen derinteressierten volkswirtschaftlichen Nutzer-bereiche durchgeführt, darunter auf denGebieten Umweltschutz und Wasser-wirtschaft (Prof. Seidel / IfW), Geologie undRohstoffe (Dr. Zelt / ZGI, M. Vieweg / SDAGWismut), Landwirtschaft (Prof. Weise / AdL),Kartographie (J. Krämer / KGK, R. Schmidt /MfNV), Meteorologie (Dr. Leiterer / MD) u.a.Diese Bereiche hatten etwa ab 1978 eigeneMitarbeitergruppen formiert undAuswertelabors eingerichtet.Durch die verschiedenen Einrichtungenkonnten bereits nach kurzer Zeit fachspezi-fische Grundlagenuntersuchungen, techno-logische Entwicklungen und eine Vielzahlexperimenteller thematischer Kartierungenvon Testflächen durchgeführt werden, dar-unter zur Dynamik der Flächennutzung, zurVegetationsentwicklung, zur Erfassung undFrüherkennung von Waldschäden, zurBewertung agrotechnischer und städtischer

Ökosysteme und Naturraumpotenziale, zurStrukturgeologie u.ä. Multispektrale Fernerkundungsdaten wur-den in der Folgezeit für regionale geologi-sche Kartierungen, die Untersuchung geolo-gischer und tektonischer Strukturen, bei dergeologischen Erkundung, der Umwelt-überwachung, der Laufendhaltung topo-graphischer Karten im Maßstabsbereich1 : 50.000 – 1:100.000 und für die Schorre-kartierung der Ostseeküste systematisch ge-nutzt. In der Landwirtschaft wurden Fern-erkundungsdaten routinemäßig bei Inven-turen und Qualitätsbewertungen von Nutz-flächen, zur Kennzeichnung von Bestands-parametern in agrotechnischen Geosyste-men, für Zustands- und Produktivitäts-schätzungen, bei der Planung von Bearbei-tungsmaßnahmen, für großräumige Ernte-prognosen u.a. eingesetzt. Auf dem Gebietdes Umweltschutzes erfolgte eine Nutzungdieser Daten u.a. für das Monitoring vonOberflächengewässern und Renaturierungs-flächen in Braunkohlenfolgelandschaftensowie bei der Überwachung der Küsten-dynamik. Systematische Anwendungen inder Ozeanologie betrafen insbesondereUntersuchungen zur Ozeandynamik und zurEntwicklung der Bioproduktivität. Eine routinemäßige Einbeziehung vonFernerkundungsdaten in den Komplex dergeowissenschaftlichen Informationsverar-beitung war verstärkt ab etwa Mitte der1980er Jahre erkennbar. Insgesamt verliefder Übergang von der Experimentalphaseder Datennutzung in die Routineanwen-dung in den verschiedenen Fachrichtungen– übereinstimmend mit internationalenErfahrungen – recht unterschiedlich.Bekanntlich ist dieser Prozess auf einigenGebieten auch heute noch nicht vollständig

abgeschlossen. Ende der 1980er Jahre wur-den in der DDR nach /2/ ca. 20 kommerziel-le Nutzerbereiche von Fernerkundungsdatenregistriert.

GeräteexportSeit Mitte der 1970er Jahre erfolgten durchden VEB Carl Zeiss Jena Geräteentwick-lungen zur photographischen und optisch-elektronischen Datengewinnung von Bordsowjetischer Raumflugkörper und vonFlugzeugen sowie zur Aufbereitung undkartographischen Umsetzung der Aufnah-men (MKF-6 und deren FlugzeugvarianteMSK-4, Komponenten für den Weltraum-scanner FRAGMENT auf METEOR-Satelliten1980, System zur analog-optischen Bild-bearbeitung und Auswertung von Multi-spektralfotos, Präzisionsscanner FEAG u.a.).Durch das IKF wurden Geräte zur Ozean-und Atmosphärenforschung aus demWeltraum (Mehrkanalspektrometer MKS,abbildendes Spektrometer MOS u.a.) ent-wickelt. Nach /1/ wurden im Zeitraum 1969-1991 durch die DDR u.a. 169 Bordgeräte fürgemeinsame Weltraumprojekte mit derUdSSR bereitgestellt.Eine der Hauptaufgaben des bilateralenRegierungsabkommens Fernerkundung mitder UdSSR von 1978 war die Erwirt-schaftung von valutagünstigen Erlösen ausdem Export von technischen Mitteln (Bord-und Bodengeräte). Der MKF-6-Einsatz aufSOJUS-22 erfolgte noch kostenlos, dieExporte des MKF-6/MSP-4-Gerätesystemsin die UdSSR ab 1978 (u.a. ca. 15 MKF-6)erbrachten nach /8/ einen Erlös von ca. 200Mio. Mark. Die Flugzeugkamera MSK-4wurde u.a. in der CSSR, UdSSR, Kuba undVietnam eingesetzt. Obwohl die MKF-6 zurStandardausrüstung auf sowjetischen Welt-

Teilnehmer der 17. Jahrestagung der StAG-Fernerkundung im Mai/Juni 1991 in Potsdam mit den Leitern der Delegationen aus Bulgarien (Prof. D. Mischew), CSSR (Dr. J. Kolar), DDR (Prof. K.-H. Marek), Kuba (Dr. E. Perez Garcia), Mongolei (Dr. C. Tulgaa), Polen (Prof. B. Ney), Rumänien (Prof. N. Oprescu), UdSSR (Prof. N. Armand), Ungarn (Prof. G. Sass) und Vietnam (Prof. Bui Zoan Throng). Fotos: Autor.

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RC-ThemaRaumfahrt Concret 1/2006

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raumstationen deklariert wurde /9/, sindnach den nichtkommerziellen Raumflügender Interkosmonauten von Vietnam (1980),Kuba (1980) und der Mongolei (1981) aufder MIR-Station bis 1986 keine weiterenMKF-6-Einsätze erfolgt. Damit blieb diewirtschaftliche Ausbeute aus Kameraex-porten insgesamt doch unter den Erwar-tungen. Es bestand auch die Auffassung,dass dies nicht nur ausschließlich auf dasgern (u.a. in /8/) in den Vordergrund gescho-bene Exportverbot durch die UdSSR, son-dern auch auf in der Folgezeit nicht reali-sierbare Weiterentwicklungen der MKF-6(größeres Bildformat, größerer Bildmaßstab,einfachere Weiterbearbeitung u.ä.) zurück-zuführen war. Darüber hinaus war weltweiteine steigende Praxiswirksamkeit optisch-elektronischer Multispektralsysteme (1983:Landsat-TM, 1986: SPOT) und der sowjeti-schen hochauflösenden panchromatischen(1980: KATE-200, 1983: KFA-1000) undmultispektralen (1989: MK-4) Kameras fest-zustellen. Es ist ebenfalls bemerkenswert,dass auch die in der 1. Hälfte der 1980erJahre eingesetzten photographischen pan-chromatischen Weltraumkameras der BRD(1983: METRIC-Kamera) und der USA (1984:LFC-Kamera) nur jeweils einen einzigenWeltraumeinsatz erlebten.

Die Auflösung des Systems und dasEnde der ZusammenarbeitDie mit der politischen Wende 1989/1990erfolgte Zerschlagung des DDR-Wirt-schafts- und Wissenschaftssystems führteebenso zur Auflösung des DDR-Fernerkun-dungssystems, wie der Zerfall der sozialisti-schen Staatengemeinschaft zur Auflösungder IK-Zusammenarbeit führte.Die IK-Zusammenarbeit war jedoch zu-nächst nicht sofort beendet. Die 23.Beratung der Vorsitzenden der NationalenIK-Koordinierungsorgane der Teilnehmer-länder (Moskau, 22. - 26.4.1991) hatte nochdie Fortsetzung der Zusammenarbeit aufder Grundlage des Abkommens von 1976bekräftigt. Mit dem Ende der DDR warjedoch bereits am 3.10.1990 ihre Mitglied-schaft am IK-Programm offiziell erloschen.Die Aufgaben des IK-Koordinierungs-komitees der DDR fielen damit in denVerantwortungsbereich der DeutschenAgentur für Raumfahrtangelegenheiten(DARA), die bemüht war, die von der DDReingegangenen Verpflichtungen zur Mit-arbeit an IK-Projekten zu erfüllen. Aus heu-tiger Sicht muss man anerkennen, dass dieDARA die sich für sie daraus ergebenenChancen erfolgreich genutzt hat.Vom 31.5. - 5.6.1991 fand in Potsdam – orga-nisiert vom MdZ-Fernerkundung am ZIPE -die 17. Jahrestagung der StAG-Ferner-kundung mit Teilnehmern aus allen 10

INTERKOSMOS-Ländern statt. Infolge derpolitischen Situation konnte selbst derLeiter dieser Veranstaltung Prof. K.-H.Marek, der seit der vorausgegangenenJahrestagung (Mai 1990 in Metne, Polen)turnusmäßig das Amt des Vorsitzenden die-ses höchsten Gremiums der IK-Länder aufdem Gebiet der Fernerkundung ausübte,lediglich als "Beobachter" teilnehmen. Dieserecht skurrile Situation wurde von den aus-ländischen Teilnehmern nicht nur mitgroßem Interesse, sondern auch mit erheb-licher Erheiterung aufgenommen. An derJahrestagung, die unmittelbar im Anschlussan die 6. Wissenschaftliche Konferenz zu"Stand und Entwicklungstendenzen derFernerkundung" /7/ stattfand, nahm inner-halb der deutschen Delegation auch einoffizieller Vertreter der DARA teil. Späterwurde zur Gewissheit, dass die nächste, fürdas Folgejahr in Havanna/Kuba geplanteJahrestagung auf Grund der politischenVeränderungen in den Teilnehmerländernnicht mehr stattfinden konnte und damitdie Potsdamer Veranstaltung zur letztengrößeren Zusammenkunft der Fernerkun-dungs-Spezialisten der IK-Länder wurde.

Am 16.7.1991 verwies das Bundesfor-schungsministerium auf die Festlegungendes Einigungsvertrages Art. 12 Abs. 3 vom31.8.1990 bezüglich der Behandlung mehr-seitiger Verträge, darunter des zwi-schenstaatlichen Regierungsabkommenszur IK-Zusammenarbeit von 1976 und desbilateralen Regierungsabkommens zur Fern-erkundung von 1978. Danach war eineTeilnahme deutscher Vertreter an IK-Veranstaltungen und eine Mitarbeit in IK-Gremien nicht mehr möglich. Eine weitereMitgliedschaft des vereinten Deutschlandim IK-Programm wurde ausgeschlossen. Eswurde vorgeschlagen, die Vorhaben derinternationalen Zusammenarbeit auf demGebiet der Weltraumforschung mit derUdSSR künftig im Rahmen des existierendenbilateralen WTZ-Abkommens zwischenBMFT und AdW der UdSSR vom 25.10.1988abzuwickeln sowie mit anderen Ländern ggf.solche WTZ-Abkommen zu vereinbaren.Damit fand die internationale Zusammen-arbeit der deutschen Wissenschaftler aufdem Gebiet der Fernerkundung im Rahmendes IK-Programms ihr Ende. Im Jahre 1994erfolgte dann auch offiziell die endgültigeAuflösung der gesamten IK-Zusammen-arbeit.

Am 31.12.1991 wurde die AdW der DDRaufgelöst. Durch das Ausscheiden seinerMitarbeiter aus dem ZIPE hatte sich dasMdZ-Fernerkundung bereits Anfang August1991 aufgelöst. Einzelne Mitarbeiter bzw.ganze Mitarbeitergruppen aus ehem. DDR-

Einrichtungen konnten ihre Arbeiten aufdem Gebiet der Fernerkundung z.T. in beste-henden oder neu formierten Bundes- bzw.Landeseinrichtungen oder in der Privat-wirtschaft fortsetzen. Dafür gibt es eineReihe sehr positiver Beispiele. So wurdenz.B. Mitarbeiter des IKF von DARA bzw. DLRoder Mitarbeiter des MdZ von der uve GmbHübernommen. Auf diese Weise konnte diehohe Qualifikation dieser Mitarbeiter miteinem enormen Umfang an Fachwissen undwissenschaftlich-methodischen und organi-satorischen Erfahrungen, Technologien undz.T. auch noch aktuellen Projekten in dieneue Fernerkundungs-Society des vereintenDeutschland eingebracht werden. Geblieben sind bei den seinerzeit an derEntwicklung der DDR-Fernerkundung aktivBeteiligten nicht nur deren unikale Erfah-rungen in der nationalen und internationa-len Zusammenarbeit während einer gesell-schaftlich sehr bewegten Zeit und einesrasanten technischen Fortschritts auf demGebiet der Weltraumfernerkundung. Be-stand haben aber vor allen Dingen auch dievielfältigen und später leider oft ungenutztgebliebenen wissenschaftlichen und tech-nologischen Kenntnisse und Fähigkeiten derBeteiligten auf einem damals neuen, sich inden Anfängen seiner Entwicklung befindli-chen, faszinierenden Arbeits- und For-schungsgebiet.

Literatur/ 1 / H. Hoffmann : Die andere deutsche Raumfahrt.Edition Ost, Berlin 1998./ 2 / K.-H. Marek: Zur Entwicklung der Fernerkundung inder DDR. Zeitschrift für Photogrammetrie und Ferner-kundung, Heft 4. Wichmann Verlag, Karlsruhe 1990./ 3 / AdW der DDR / AdW der UdSSR (Hrsg.): SOJUS-22erforscht die Erde. Akademie- Verlag, Berlin 1980./ 4 / AdW der DDR / AdW der UdSSR (Hrsg.): Atlas zurInterpretation aerokosmischer Multispektralaufnahmen –Methoden und Ergebnisse (deutsch, russisch, englisch). Akademie-Verlag, Berlin 1982 und 1988./ 5 / K.-H. Marek: Ein echter Forschungskosmonaut. In: H. Hoffmann: Sigmund Jähn. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1999./ 6 / K.-H. Marek, A. Kowal (Schriftleitg.): FotographischeFernerkundung der Erde – Experimente auf der Orbital-station SALUT-6. Akademie-Verlag , Berlin 1983./ 7 / o.V.: Fernerkundung – Stand und Entwicklungs-tendenzen. Proceedings 1.-6. Konferenz. Veröffentl. ZIPENr. 74, 76, 82, 93, 106 und 118. Potsdam 1982-1991./ 8 / K. Hein-Weingarten: Das Institut fürKosmosforschung der AdW der DDR. Duncker & Humblot, Berlin 2000./ 9 / A. Zickler: Die Multispektralkamera MKF-6 aus Jena.Raumfahrt Concret, Heft 36, Neubrandenburg 2005.

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Für einige unserer Leser liegt diesem

Heft ein Hinweis bei, das

RC-Abonnement zu verlängern.

RC 41-2006_Quark_6NEU 17.02.2006 17:07 Uhr Seite 27

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Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Angewandte Raumfahrt

26

Am 28. Dezember letzten Jahres war es so-

weit. Gerade drei Tage bevor die internatio-

nal vereinbarten Sendelizenzen verfallen

wären, startete vom russischen Weltraum-

bahnhof Baikonur aus der erste Satellit für

das europäische Navigationssystem Galileo.

Der 600 Kilogramm schwere Erdtrabant

wurde von einer Sojus-Rakete in eine Um-

laufbahn in 23.000 km Höhe geschossen.

Mit dem Satelliten GIOVE-A sind erste Tests

für das 3,8 Milliarden Euro teure Naviga-

tionssystem geplant, das bis 2010 in Betrieb

gehen soll.

Die heute kostenlos angebotenen Dienste

des US Global Positioning Systems, dessen

Satelliten auch gerade mit zu Galileo ver-

gleichbaren Eigenschaften in die nächste

Generation gehen, das derzeit ebenfalls ent-

stehende russische GLONASS sowie das von

China konzipierte Beidou (siehe RC 39/40)

bekommen damit Konkurrenz. Außer der EU

und der ESA sind derzeit auch China, Indien,

Israel, Marokko, Saudi-Arabien und die

Ukraine an Galileo beteiligt.

Die Anfänge der Satellitennavigation gehen

noch auf Ende der 50er Jahre mit dem US-

System Transit zurück. Ob die Erfahrungen

von Christoph Kolumbus oder Charles

Lindbergh dabei den Ausschlag gaben, das

buchstäbliche Stochern im Nebel nicht

identifizierbarer Landstriche sollte vorbei

sein. Das Militär übernahm wieder einmal

die Initiative und so waren bis 1995 dann 24

Satelliten des neuen Global Positioning

Systems im Einsatz und somit die Funk-

tionsbereitschaft sichergestellt.

Dazu gehört der Empfang von mindestens

vier Satelliten. Aus den Empfangsdaten wer-

den die Signallaufzeiten der in 20.000 km

Höhe fliegenden Sender gemessen und dar-

aus eine Position errechnet. Die Daten-

übertragung im 12- und 1.500 MHz-Bereich

erfordert dabei theoretisch eine direkte

Sichtverbindung zum Satelliten. Daher ist

die Funktion beispielsweise in Häuser-

schluchten, dichten Wäldern oder bei star-

kem Regen nur eingeschränkt möglich.

Der private Nutzer kann heute ein Navi-

gationssystem für den Straßenverkehr mit

einem neuen Auto bestellen oder nachrü-

sten. Letzteres ist interessant, da ein Auto-

mobil üblicherweise länger aktuell bleibt als

dies selbst von dem neuesten Navigations-

system zu erwarten ist. Dabei gibt es inzwi-

schen ein großes Angebot in Form von klei-

nen Geräten mit Kartendarstellung und

einer Routenberechnung mit entsprechen-

der Wegweisung, um ein vorgewähltes Ziel

zu erreichen. Aber auch das schon vorhan-

dene Handy, der PDA, oder der Laptop eig-

net sich oft zur Navigation zusammen mit

einer Kartensoftware und eben einem GPS-

Empfänger.

Je einen Empfänger der aktuellsten Bau-

weisen führender Anbieter lagen uns für

einige Versuche vor. Wie in vielen Bereichen

der Elektronik geht auch hier die Ent-

wicklung in Riesenschritten voran. Während

noch vor vielleicht zwei Jahren die Emp-

fänger schon Schwierigkeiten hatten, unter

einer Baumallee die Position zu bestimmen,

hat sich das inzwischen deutlich geändert.

Erstmals unter freiem Himmel in Betrieb

genommen, dauert es bei beiden Geräten

keine Minute bis erste Positionsdaten aus-

All-Tagsservice Satellitennavigation Von Hartmut E. Sänger

Die Rikaline R 6033 und die Holux GR-236 sind beide hochempfindliche und schnelle GPS-Empfänger, die die errechneten Positionsdaten drahtlos an ein Handy,einen PDA oder einen PC weitergeben können. Hier werden bei schlechtem Wetter noch 2 m hinter einem Fenster jeweils 3 GPS-Satelliten ausgewertet.Foto: Hartmut E. Sänger.

RC 41-2006_Quark_6NEU 17.02.2006 17:07 Uhr Seite 28

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gewiesen und dann auch zuverlässig weiter

verfolgt werden. Selbst in einem Lokal, eini-

ge Meter hinter dem Fenster sitzend, gibt es

inzwischen immer noch eine gültige Orts-

bestimmung. Beide Geräte schenken sich

dabei sehr wenig. Der Rikaline-Empfänger

ist vielleicht eine Idee schneller und genau-

er, dafür ist aber auch der Stromverbrauch

etwas höher. Eine persönliche Präferenz

lässt sich eher über ergänzende Eigen-

schaften ausmachen.

Für den Straßenverkehr, zu Fuß in fremden

Großstädten, für Wanderungen in unbe-

kannter Landschaft ist GPS jedenfalls zum

wirklich verlässlichen Helfer geworden.

Allerdings ist die Entwicklung auch Kompro-

misse eingegangen. Wer beispielsweise hin-

ter einem Flussdamm die potenzielle Hoch-

wassergefährdung ausloten will hat schlechte

Karten. Die genaue Höhenangabe ist gene-

rell schwierig, da einige Meter Höhen-

unterschied auf dem Erdboden für den Weg

zum Satelliten im Zehnmillionstelbereich

liegen. Zudem ignoriert die Rikaline Kor-

rektursignale wie sie beispielsweise in

Europa von der ESA mit dem EGNOS-Pro-

gramm als Zusatzdienst zum GPS-System

inzwischen angeboten werden. EGNOS lie-

fert dieses Signal, das von ESA-Boden-

stationen errechnet, über geostationäre

Satelliten ausgesandt, und von den Empfän-

gern zur Korrektur der empfangenen Posi-

tionsdaten verwendet werden kann. Das

Korrektursignal soll die Abweichung des

angezeigten vom tatsächlichen Standort

reduzieren. Diese Abweichung entsteht un-

ter anderem durch die Qualität der Zeit-

messung auf den Satelliten, durch Beein-

flussungen der speziellen und der allgemei-

nen Relativitätstheorie auf die Ortszeit der

Satelliten, durch Störungen in der Ionosphäre

und Turbulenzen in der dichteren Atmo-

sphäre, die das Signal beeinflussen.

In erster Linie wurde EGNOS für professio-

nelle Aufgabenbereiche wie die Luftfahrt

entwickelt, aber es ist eben generell in der

Lage, die derzeitig maximalen Toleranzen bei

der Ortsbestimmung von vielleicht 25 m auf

etwa 5 m zu reduzieren. Unter guten Be-

dingungen liegt so mit der Holux die hori-

zontale Genauigkeit schon im Dezimeter-

Bereich. Ein entsprechendes Korrektursignal

für Galileo ist allerdings als kostenpflichti-

ger Dienst geplant.

Was wäre sonst noch möglich? Es gibt heute

schon winzige Gyroskope die, in so einem

Empfänger eingebaut, auch nach abgerisse-

nem Satellitenempfang, beispielsweise in

Tunnels, die Position weiter interpolieren

könnten. Die Politik verspricht sich jeden-

falls im Navigationsbereich außer den

Nutzanwendungen einen kräftig aufblühen-

den Markt mit vielen Tausenden von

Arbeitsplätzen.

RC wird künftig über die verschiedenen

Nutzungen von Galileo ausführlich

berichten.

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RC 41-2006_Quark_6NEU 17.02.2006 17:07 Uhr Seite 29

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Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Private Raumfahrt

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Beginnend mit dieser Ausgabe wird Raum-fahrt Concret in etwa jedem zweiten Heftüber die Fortschritte der "Privaten Raum-fahrt" berichten, einem Feld, auf dem seitkurzem eine ungemein dynamische Ent-wicklung eingesetzt hat. Im vorliegendenBeitrag stellen wir zunächst einige grundle-gende Betrachtungen zum Thema an, und

präsentieren das gegenwärtige "Teilnehmer-feld" um die vorderen Ligaplätze dieserneuen Disziplin. In den folgenden Artikelnbeschäftigen wir uns mit den aktuellenFortschritten dieser Unternehmen und denNewcomern in der Szene.Eine der nicht ganz so seriösen Paradigmendes technischen Fortschritts lautet: "Eine

neue Idee ist dann reif für ihre Realisierung,wenn mindestens fünf Jahre vergangensind, seit zuletzt jemand darüber gelachthat". Seriös oder nicht, auf die PrivateRaumfahrt passt dieses Muster: Die meistenManager haben ausgiebig darüber gelacht,und die fünf Jahre sind eben um.

Ich selbst habe in der Vergangenheit unzäh-lige Raumfahrt-Ingenieure verächtlich mitdem Zeigefinger an die Stirne tippen sehen,sobald das Thema angesprochen wurde."Private Raumfahrt" wurde mit pyromanveranlagten, verschrobenen Bastlern inVerbindung gebracht, etwa in der Art wie siedie Filmklamotte "Die tolldreisten Kerle inihren rasselnden Raketen" mit Gerd Fröbe inder Hauptrolle recht unterhaltsam kolpor-tiert.

Sucht man in der Fachliteratur oder im Webnach einer Definition dieses Begriffes, dannstellt man schnell fest, dass die Auslegungenrecht unterschiedlich sind. "Private Raum-fahrt" wird derzeit überwiegend im Sinnevon bemannter suborbitaler oder orbitalerRaumfahrt zu touristischen Zwecken mittelsauf rein privater Basis entwickelter Träger-fahrzeuge verstanden.

Dabei macht die "Private Raumfahrt" nichtsanderes als die "Institutionelle Raumfahrt".Ihre Aufgabe ist der Transport von Nutz-lasten aller Art in den Weltraum. Seien siebemannt oder unbemannt. Sie tut dies abermit Hilfe von Transportgeräten, die aus-schließlich auf die Initiativen privaterUnternehmer zurückgehen, also weder ganznoch teilweise staatlich oder institutionellgefördert sind.

Das Ziel der privaten Raumfahrt ist es, denZugang zum Weltraum nicht nur für einigewenige Privilegierte zu eröffnen, sondernfür jedermann. Eben das zu erreichen, wasden institutionellen Einrichtungen und denAerospace-Giganten in bislang fast fünfJahrzehnten Raumfahrtpraxis nicht gelang.

Das Lachen ist verstummt Dass diese Szene nun ernst genommen wirdhat in erster Linie Burt Rutan mit seinemUnternehmen Scaled Composites bewirkt. In

Die tollkühnen Männer in ihren rasselnden Raketen (Folge 1)

Private Anbieter drängen auf den MarktVon Eugen Reichl

Paul Allen, Mike Melville and Burt Rutan (von links nach rechts) nach dem ersten privaten Raumflug am29. September 2004. Foto: Scaled Composites.

Brian Binnie im Al. Wiederholungsflug für den X-Prize am 4. Oktober 2004. Foto: Vulcan / Discovery Channel Productions.

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Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Private Raumfahrt

den letzten Jahren konnte eine staunendeÖffentlichkeit die Entwicklung, die erstenTestflüge und schließlich den erfolgreichenEinsatz eines bemannten suborbitalenRaumfahrzeugs bis in Höhen von über 110Kilometer verfolgen.

Im Jahre 2004 gewann Burt Rutan mit sei-nen beiden Piloten Mike Melville und BrianBinnie den X-Price, nachdem sie innerhalbweniger Tage mit ihrem kleinen Raumfahr-zeug SpaceShipOne bis an die Grenze zumWeltraum vorgestoßen waren. Und dies miteinem finanziellen Einsatz, der kaum 30Millionen Dollar betrug. Für dieses Geldbekommt man bei der NASA noch nicht maldie Blaupausen für ein Raumfahrzeug,geschweige denn irgendwelche Hardware.

Seit den Tagen des Kalten Krieges warRaumfahrt das uneingeschränkte Herr-schaftsgebiet von Aerospace-Giganten wieBoeing, Lockheed Martin oder NorthropGrumman, oder die Unternehmung vonspeziell dafür eingerichteten Raumfahrt-agenturen technisch fortschrittlicher Natio-nalstaaten. Stets wurde die Entwicklung vonTrägerraketen vom Steuerzahler aufge-bracht. Erst in jüngerer Zeit wurden derSerienbau oder die Modifikation von vor-handenen Raumtransportsystemen in weni-gen Fällen von der Industrie bezahlt. Aberdie Grundlagen dafür, wie Infrastruktur,Komponenten, Subsysteme und Systeme,wurden zuvor mit staatlichen Mitteln undauf staatliche Initiative hin entwickelt undfinanziert.

Das amerikanische RaumfahrtunternehmenOrbital Sciences behauptet beispielsweisevon sich, die Trägerraketen Pegasus undMinotaur ausschließlich mit Firmenmittelnentwickelt zu haben. Tatsächlich aber hatOrbital nichts anderes gemacht, als vorhan-dene Hardware wie die Antriebsstufen aus-gemusterter Minuteman-Interkontinental-raketen (die sie vom Militär kostenlos zurVerfügung gestellt bekommen haben) neukombiniert und so modifiziert zu haben,dass man damit nicht mehr einen Ge-fechtskopf sondern einen Erdsatelliten inden Orbit transportieren kann. Diese mili-tärischen Antriebsstufen sind zuvor mit ho-hem Einsatz von Steuergeldern entwickeltworden. Beispiele wie diese gibt es eineganze Reihe. Weltweit gab es bislang jeden-falls kein Unternehmen, das sich nicht min-destens 90 % einer Trägerraketenentwick-lung vom Staat bezahlen ließ. Doch dannkam Elon Musk.

Elon Musk und die erste privat ent-wickelte TrägerraketeElon Musk ist der erste Unternehmer, dereine komplette Satellitenträgerrakete ent-wickelt, und dafür keinen Cent staatlicherLeistungen in Anspruch genommen hat.Seine Firma - Space X - existiert gerade malseit dreieinhalb Jahren. In dieser kurzen Zeithat Musk den Falcon 1 gebaut, den erstenvollständig neu konstruierten Orbitalträgerweltweit in über einem Jahrzehnt. FürAerospace-Giganten wie Boeing, Lockheedoder EADS wäre das ein unvorstellbar kurzerZeitraum. Die Entwicklung von Trägerra-keten, selbst von kleinen wie der VEGA, wirddort bislang eher in Jahrzehnten bemessen.Dabei hat Elon Musk fast alles komplett neukonstruieren lassen. Triebwerke, Tanks, Elek-tronik. All das, was bei den großen Firmenhunderte und tausende von Menschen be-schäftigt. Elon Musk hat das mit 120Mitarbeitern geschafft. Zum Zeitpunkt, als diese Zeilen entstehen,steht der Falcon unmittelbar vor seinemErstflug. Der soll am 8. Februar vom Omelek-Atoll auf den Marshall-Inseln erfolgen. DerFalcon ist übrigens teilweise wieder ver-wendbar. Ein wichtiger Aspekt in derzukünftigen "Privatisierung" des Weltraums,denn die Wiederverwendbarkeit (wenn sienicht gerade in einem monströs komplexenSystem wie dem Shuttle betrieben wird)senkt ab einer bestimmten Startfrequenz diePreise.Elon Musks zentrales Mantra gilt für alleUnternehmen der privaten Raumfahrtszene:"Runter mit den Startkosten". PrivateRaumfahrt kann sich nur entwickeln, wennder finanzielle Aufwand für den Transport inden Weltraum dramatisch sinkt. Die heutigeSituation in der Raumfahrt ist eine "Henne-und-Ei-Problematik", wie sie typischer nichtsein kann: Die Startkosten sind so hoch, weiles so wenige Nutzlasten für den Weltraumgibt. Und es gibt so wenige Nutzlasten, weildie Startkosten so hoch sind. Elon Musk steht übrigens nicht allein. EinPrivatunternehmen, das etwas hinter Space Xliegt, ist Masten-Space Systems. Mastenbetreibt ein noch vorsichtigeres, inkremen-telles Vorgehen, als Space X. Mastens erstesProdukt wird das XA-1.0 Space Vehicle sein,mit dem eine Nutzlast von 100 Kilogrammauf eine suborbitale Bahn in maximal 100Kilometer Höhe gebracht werden soll. Mitdiesem "Build-a-little, Test-a-little"-Vor-gehen will sich Masten Space im Wind-schatten von Elon Musk letztendlich aberauch dem Orbit nähern.Der Einsatz eines ungemein effizienten,dabei aber verblüffend kleinen Teams istauch ein Markenzeichen des X-PriceGewinners Burt Rutan. Auch er hat das

gesamte X-Price-Equipment bestehend ausdem riesigen Trägerflugzeug White Knight,dem Raumfahrzeug SpaceShipOne und derkompletten Bodeninfrastruktur einschließ-lich Testständen mit gerade eben 50Mitarbeitern geschaffen.

Runter mit den Preisen Elon Musk hat durch den Einsatz modern-ster Konstruktions- und Managementtech-niken, und durch radikale Vereinfachungaller Systeme den Falcon zum mit weitemAbstand billigsten Trägerfahrzeug gemacht.Er kann preislich sogar mit den russischenInterkontinentalraketen mithalten, die seitdem Zusammenbruch der Sowjetunion zuhunderten auf Halde liegen. Die aber sindnotorisch unzuverlässig, und werden mitden Jahren auch nicht besser. Und hier siehtElon Musk seine kommerzielle Chance.Verglichen mit westlichen Trägern dieserLeistungsklasse ist der Preis für den Falconmärchenhaft niedrig: 5,5 Millionen Eurowird Musk für einen Start nehmen. Die vor-hin erwähnte Pegasus von Orbital Scienceskostet das Dreifache, obwohl, wie geschil-dert, der Staat die Entwicklung zu 90Prozent bezahlt hat. Und die ebenfallserwähnte, nur wenig stärkere Minotaurkostet das Vierfache. Der zukünftigeeuropäische Kleinträger VEGA wird 15Millionen Euro pro Start kosten aber diesnur, weil die ESA aus Gründen der politi-schen Unabhängigkeit Europas jeden einzel-nen Start massiv finanziell stützen wird.Sonst läge der Preis pro Start bei 25Millionen Euro.Der Falcon ist aber nur der erste Schritt. ElonMusk hat größere Pläne. Und ist auch schondabei, sie umzusetzen. Das Design des

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RC 41-2006_Quark_6NEU 17.02.2006 17:07 Uhr Seite 31

Page 29: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

Falcon 1 ist die Grundlage für den wesent-lich leistungsfähigeren Falcon 5, der in nurzwei Jahren fliegen soll und den noch malgrößeren Falcon 9. Und der Falcon 9 wird inwenigen Jahren in der Lage sein, eine privatentwickelte bemannte Raumkapsel in denOrbit zu bringen. Und vielleicht sogar nochvor dem mit Unsummen an staatlichenMitteln entwickelten Crew ExplorationVehicle der NASA zum Einsatz kommen.Damit für Privatunternehmen auch wirt-schaftliche Anreize für die Entwicklungeines privaten bemannten Orbitalsystemsexistieren, hat der amerikanische Hotel-Tycoon Andrew Bigelow nach dem Vorbilddes X-Price jetzt den "Americas Space Price"ins Leben gerufen. Und Bigelow will nochmehr für die Förderung der privatenRaumfahrt tun: Er will eine private Raum-station errichten, und damit ein Ziel, einenHafen, für ein privates bemanntes Orbital-system bereitstellen. Schon in wenigenMonaten soll ein erstes Testelement dieserPrivat-Raumstation in den Weltraum trans-portiert werden.

Suborbitaler Weltraumtourismus:Treiber der EntwicklungBevor es in den Orbit geht, müssen aber dieindustriellen Fähigkeiten aufgebaut werden.Vor allem aber muss ein genügend großerMarkt für das Produkt "Raumtransport"geschaffen werden. Sonst landet man wie-der in der vorhin beschriebenen "Henne-und-Ei-Problematik". Die aufwändige Ent-wicklung von Weltraumtechnologie lohntsich für Privatunternehmen nur, wenn dieEntwicklungskosten auch amortisiert wer-den. Und das erste Produkt der neuen priva-ten Dienstleistung "Raumtransport" wirdder Weltraumtourismus sein.

Auch über diesen Begriff wurde übrigens beiden "Profis" noch vor Jahren viel und herz-lich gelacht. Und auch hier ist das Lachen inder Zwischenzeit verstummt. Auch dafürwar der X-Price der entscheidende Eis-

brecher. SpaceShipOne war ein suborbitales Vehikel,

das auf einer parabelförmigen Flugbahn wieein sehr hoch geworfener Stein an dieGrenze zum Weltraum vorstieß. Weit davonentfernt, eine Umlaufbahn um die Erdeerreichen zu können. Trotzdem aber ein voll-ständiges Raumfahrzeug. Der Weltraum-tourismus wird sich, das zeichnet sich klarab, über suborbitale Flüge den Weg in denOrbit und darüber hinaus bahnen. Und diesaus einem einfachen Grund:

Suborbitale Raumflüge können mit einemBruchteil des Aufwandes für einenOrbitalflug realisiert werden. Für einFahrzeug, das 100 Kilometer Höhe, fünfMinuten Schwerelosigkeit und 4.000Kilometer pro Stunde erreicht ist nur einSiebtel des Aufwandes nötig, den einOrbitalfahrzeug braucht. In jeder Hinsicht.Angefangen von den Entwicklungskostenbis zu den Flugkosten pro Passagier. MancheDinge braucht man sogar überhaupt nicht:Raumanzüge, komplexe Lebenserhaltungs-systeme oder einen aufwändigen Thermal-schutz.

Ein suborbitaler Flug ist zwar nur kurz, bein-haltet aber alles, was ein Orbitalflug auchbietet: Den Andruck bei Start und Landung.Die Sicht auf die Erde. Schwerelosigkeit,wenngleich nur kurz. Die ganze Palette derEmpfindungen. Und es ist absehbar, dass derMarkt suborbitaler Touristenflüge auchdann weiter bestehen bleiben wird, wennmittelfristig orbitale Touristenflüge angebo-ten werden. Suborbitale Flüge werden dannals preiswerte "Raumfahrt light" verkauft.

In diesem neuen Marktsegment ist inzwi-schen ein spannender Wettbewerb zwischendrei Unternehmens-Paarungen entbrannt,die Erfolg versprechende Konzepte aufwei-sen.

Von den drei Gruppierungen dürften derzeitIncredible Adventures und Rocketplane am

weitesten sein. Virgin Galactic und ScaledComposites sind nur wenige Monate hinter-her, haben aber ein wesentlich fortschrittli-cheres und leistungsfähigeres Produkt.

Im übernächsten Heft werden wir einenStatusreport über die Fortschritte der hiervorgestellten Unternehmen geben.

Space Tourismus - Die OberligaDie wichtigsten Unternehmen, die inKürze mit bemannten suborbitalenRaumflügen beginnen werden.Hier haben sich in der jüngerenVergangenheit drei Paarungen ergeben, dieErfolg versprechende Konzepte aufweisen.Jeweils ein Vermarktungsunternehmen hatsich mit einer Entwicklungsfirma zusam-mengetan.

Virgin Galactic & Scaled CompositesVirgin Galactic ist eine von RichardBransons Virgin Group gegründete Firma(Bekanntestes Unternehmen dieser Gruppe:Virgin Airways).

Virgin Galactic war schon einer derSponsoren, der SpaceShipOne zum Gewinndes X-Price verhalf. Nun hat Branson BurtRutan beauftragt, in seiner Firma einTouristenraumschiff zu entwickeln. Es ent-steht derzeit unter strikter Geheimhaltungin den Hangars von Scaled Composites aufdem Mojave-Spaceport. Branson will gleichfünf Einheiten davon bauen lassen.

Die Flüge werden, nach den Berechnungenvon Virgin Galactic, anfangs etwa 160.000Euro kosten. Im fünften Betriebsjahr, sonehmen die Experten an, wird der Flugpreisauf etwa 40.000 Euro gesunken sein. Imzehnten Jahr, weiter steigende Nachfragevorausgesetzt, sollten es nur noch 20.000Euro sein.

Im ersten Jahr der Passagierflüge, und dassollte nach jetziger Planung das Jahr 2008sein, erwartet Virgin Galactic 104 Flüge, beidenen 520 Passagiere auf eine Höhe von150 Kilometern transportiert werden, unddabei eine Schwerelosigkeitsphase von etwa6 Minuten Dauer erleben.

Incredible Adventures & RocketplaneLtd.Im Mai 2004 eröffnete Rocketplane auf demOklahoma Spaceport ein Büro mit ganzendrei Angestellten. Ein Jahr später beschäf-tigte Rocketplane bereits mehr als 30Mitarbeiter und hat die Entwicklung ihresersten Raumfahrzeugs in Angriff genom-men, der Rocketplane XP. Die Firma wuchsweiter und gegen Ende des letzten Jahres

Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Private Raumfahrt

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Der XERUS von XCOR. Foto: XCOR.

RC 41-2006_Quark_6NEU 17.02.2006 17:07 Uhr Seite 32

Page 30: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

nahm Rocketplane den Ex-NASAAstronauten John Herrington unter Vertragum das Testprogramm durchzuführen.

Das Fluggerät basiert auf der Zelle einesLearjet, bekommt einen Deltaflügel, wirdstrukturell verstärkt, mit Tanks und einemRocketdyne RS 88-Raketentriebwerk ausge-stattet. Der Rollout des Fluggerätes sollMitte dieses Jahres stattfinden. Bald danachwird ein etwa 25 Flüge umfassendesTestprogramm beginnen. Danach kann derPassagierbetrieb aufgenommen werden. Beijedem der Einsatzflüge wird der Rocket-plane XP einen Piloten und drei Passagiereaufnehmen können. Incredible Adventures wird die Flüge der XPvermarkten.

Space Adventures & XCOR Aerospace Space Adventures ist das etabliertesteUnternehmen auf dem Gebiet des Welt-raumtourismus und XCOR der wahrschein-lich angesehenste Triebwerksentwickler inder Szene der privaten Raumfahrt.

Space Adventures hat sich weltweit einenNamen gemacht, weil sie bei der russischenRaumfahrtagentur die "Touristenflüge" zurISS vermittelt. Dabei kann bei einigen weni-gen Besatzungstransfers (maximal einmalpro Jahr) ein "Gast-Kosmonaut" mitfliegen.Dennis Tito war der erste dieser "Touristen",Greg Olson vor einigen Monaten der bislangletzte. Obwohl diese Flüge pro Person um die20 Millionen Dollar kosten ist auch hier dieNachfrage bei weitem größer als dasAngebot.

Das Fluggerät, das XCOR für seine suborbi-talen Touristenflüge einsetzen will, ist derXERUS, natürlich ausgestattet mit dem fein-sten und neuesten Raketentriebwerk ausder Fertigung von XCOR.

Auf dem Weg in die "Oberliga"Hinter den vorher vorgestellten Unter-nehmen gibt es ein Verfolgerfeld, in demalle schon in einer fortgeschrittenenHardware-Phase sind und zum Teil bereitsbeachtenswerte Tests durchgeführt haben.Auch diese Firmen wollen bereits in ein biszwei Jahren bemannte suborbitale Flügedurchführen.

Armadillo AerospaceArmadillo ist in der Szene hoch beliebt, weiles bei ihnen immer kracht und raucht. Einfurchtloses Trüppchen unverdrossenerBastler. Sie schrecken auch im frühen tech-nischen Stadium nicht vor bemanntenVersuchen zurück. Sie sind auch deswegenbeliebt, weil sie über ihren Arbeitsfortschrittstets ausführlich im Web berichten. Das

Team besteht aus einem knappen Dutzendjunger Ingenieure und Techniker, einer Fraudie den ganzen Laden kommerziell zusam-menhält und darauf achtet, dass die Jungsin ihrer Begeisterung nicht mehr Geld aus-geben als sie einnehmen, und demMaskottchen Widget. Schon wegen deshohen Unterhaltungswertes ist ArmadilloAerospace unbedingt zu beachten.

Starchaser IndustriesDie britischen Starchaser arbeiten unterdem Motto: "Dedicated To Putting BritainBack Into Space". AmbitioniertesUnternehmen, das sich von einem Vereinreiner Amateure zu einem ernsthaftenMitspieler in der Szene entwickelt hat. AuchStarchaser geht nach einem "Step by Stepapproach" vor und will sich dem Ziel,Menschen in den Weltraum zu bringen, vor-sichtig nähern. Sie haben schon einigebeachtenswerte Flugversuche hinter sich,aber nichtsdestotrotz noch einen langenWeg vor sich.

Da Vinci ProjectDiese kanadische Unternehmung verfolgtein interessantes Konzept. Ihr Raumfahr-zeug mit Namen "Wild Fire" wird zunächstmit einem Helium-Ballon auf große Höhegeschleppt (etwa 30 Kilometer). Dort feuertdas Triebwerk und die Kapsel steigt auf über100 Kilometer Höhe. Die Landung erfolgtam Fallschirm. Der Projektchef und Firmen-gründer Brian Feeney will den Erstflughöchstpersönlich absolvieren.

Canadian ArrowMit der gleichnamigen Rakete, praktisch derNachbau einer V2, will Canadian Arrow inKürze mit Versuchsstarts von Cape Rich, inKanada, beginnen. Die Astronauten dafürsind jedenfalls schon ausgewählt. DieTriebwerkstests mit dem Einsatztriebwerkverliefen Erfolg versprechend. Nun stehtzunächst eine Reihe unbemannter Testflüge an. Canadian Arrow ist vielleicht der derzeitvielversprechendste Kandidat für denAufstieg in die Oberliga und bereits auf derSuche nach einem Marketingpartner.

Die SpaceportsSpaceports, die vor allen Dingen inAmerika derzeit wie die Pilze aus demBoden schießen:Um den zukünftigen privaten Raumfahr-zeugen auch in den Weltraum zu verhelfen,entstehen derzeit vor allem in den USA dieersten sogenannten "Spaceports" - Flugha-fenanlagen in abgelegenen Gegenden, dienur sehr geringen "normalen" Luftfahrt-betrieb aufweisen. Die Genehmigung, einenSpaceport zu betreiben, muss man sichdabei - zumindest in den USA - bei der

Nationalen Luftfahrtbehörde einholen.

Der bekannteste, weil als erster aktiv bei denTest- und Wettbewerbsflügen des X-Price,ist der Mojave-Spaceport in Kalifornien, dernördliche Nachbar der Edwards Airforce Basis. Als nächstes wird sich der New MexicoSpaceport darauf einrichten, den ab 2007alljährlich stattfindenden X-Price Cup aus-zutragen, und als Heimatbasis für VirginGalactic zu dienen. Virgin will dafür ab demnächsten Jahr einen futuristischen Ge-bäudekomplex hinstellen. Auch der NewMexico Spaceport hat einen berühmtenNachbarn, das historische Raketenversuchs-gelände von White Sands, auf dem schonWernher von Braun die aus Deutschlandmitgebrachten V 2-Raketen testete.

Als weiteres Startgelände für bemanntesuborbitale Raketen hat sich der OklahomaSpaceport eingerichtet. Er wird die Heimat-basis für die Flüge der Rocketplane Ltd. wer-den.

In Kanada wird ein Gelände in Cape Richeingerichtet, an dem der Canadian Arrow andie Grenze zum Weltraum aufbrechen will,und Brasilien meldet sich mit dem Start-gelände Alcantara auf dem Markt.

Aber auch die traditionellen Startanlagenwie Cape Canaveral wollen künftig ein Wortmitreden. Space X hat bereits eine eigene Startanlagein Vandenberg, Kalifornien, gebaut, und einezweite auf dem Mini-Atoll Omelek, das zuden Marshall-Inseln gehört.

Internet-AdressenInformieren Sie sich im Internet über die Fortschritte derPrivaten Raumfahrt

Armadillo Aerospace: http://armadilloaerospace.com/n.x/Armadillo/HomeBigelow Aerospace: http://www.bigelowaerospace.com/Canadian Arrow: http://www.canadianarrow.com/index.htmIncredible Adventures: http://www.incredible-adventures.com/sub-orbital.htmlMasten Space Systems:http://masten-space.com/Mojave Spaceport: http://www.mojaveairport.com/New Mexico Spaceport: http://www.space.com/news/060102_nm_spaceport.htmlOklahoma Spaceport: http://www.state.ok.us/~okspaceport/Rocketplane: http://www.rocketplane.com/flash.aspScaled Composites: http://www.scaled.com/index.htmlSpace Adventures: http://www.spaceadventures.com/Space X: http://spacex.comStarchaser: http://www.starchaser.co.uk/index.phpVirgin Galactic: http://www.virgingalactic.com/de/Default.aspXCOR: http://www.xcor.com/

Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Private Raumfahrt

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Page 31: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Rezension

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Space Shuttle Columbia, Springer Verlag 2005. 512 Seiten mit vielen S/W Bildern, Soft Cover. Am 1. Februar 2003 verglühte das erste wirklichwiederverwendbare Raumschiff der Menschheit,die Raumfähre Columbia, am Himmel von Texas.Der Band blickt zurück auf alle 28 Missionen derColumbia. Mit Berichten der beteiligten Techniker,

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First Man- The Life of Neil A. Armstrong; J.R. Hansen, Simon & Schuster;USA 2005. 784 Seiten mit S/W Abb.., gebunden.Der ehemalige NASA-Historiker Hansen blickt aufdie beispiellose Karriere von Neil Armstrongzurück: seine Kampfeinsätze in Korea, die Test-flüge mit der X-15, den fast Katastrophenflug vonGemini VIII bis hin zur triumphalen Mondlandungim Jahre 1969. Eine einzigartige Biografie einesMannes, der heute weitgehend zurückgezogen

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Geschichte der NASA; Michael H. Gorn; Knesebeck2005; 304 S. mit 500 meist farbigen Abb.. 24 x 28 cm.Der NASA-Experte Michael H. Gorn zeichnet alleEreignisse nach: vom ersten Überschallflug überden verlorenen Wettlauf mit der Sowjetunion umden ersten bemannten Raumflug, die glanzvolle

Apollo-11-Mission bis hin zu den tragischen Spaceshuttle-Un-glücken der letzten Jahrzehnte. Reiches Bildmaterial aus den Archi-ven der NASA lässt eines der größten Abenteuer des 20. Jahrhundertsvor unseren Augen lebendig werden. h 3399,,9955

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Komplex "Erde" auch nicht so richtig Sinn. Dieerste Steigerung erwartet den Leser imAbschnitt "Venus". Obwohl es hier kein neuesMaterial gibt hat es der Autor verstanden, ausden bisherigen Fotos die besten auszusuchen.Kapitel "Mars" beeindruckt zwar durch die aus-klappbaren Panoramabilder, aber die Auswahlder amerikanischen Rover-Aufnahmen hättebedeutend effektvoller sein können. DasJupitersystem wird relativ knapp abgehandeltund die Fotos sind allesamt schon des öfterendurch die Presse gegangen. Auch vomSaturnsystem existieren neuere Bilder, dieauch schon vor Drucklegung des Buchesvorrätig waren.Hervorzuheben bleibt der begleitende Text, der,wie bei Hahn üblich, verständlich und infor-mativ ist.Britta Peters

Die Geschichte der NASAVon Michael Gorn, miteinem Vorwort vonEdwin Aldrin.Knesebeck Verlag, ge-bunden, 304 Seiten, 500meist farbige Abbildungen.39,95 Euro [D] / 41,40Euro [A] / sFr 69,00.ISBN 3-89660-308-6

Es ist immer ein schwieriges Unterfangen dieHistorie eines Ereignisses in einem limitiertenUmfang so aufzuarbeiten oder darzustellen,das der Leser ein klares und verständliches Bildbekommt. Noch komplizierter wird es, wenndas Ereignis ein Jahrzehnte andauernderProzess ist, wie die Entwicklung der NASA.Michael Gorn gelingt dieser Spagat in bewun-dernswerter Weise Gorn zeichnet die vielenEreignisse mit dem Wissen des Insiders nach:Vom ersten Überschallflug über den verlorenenWettlauf mit der Sowjetunion um den erstenbemannten Raumflug, die glanzvolle Apollo 11-Mission, mit der 1969 zwei Astronauten derNASA auf dem Mond landeten, bis zu den tra-gischen Spaceshuttle-Unglücken aus jüngererZeit. Darüber hinaus werden die einflussreich-sten Persönlichkeiten aus Politik und Wissen-schaft vorgestellt, welche die NASAVoranbrachten. Umfangreiches Bildmaterialaus den Archiven der NASA, welches den auchfür Laien verständlichen Text begleitet, lässtdieses Buch zu einer wertvollen Lektüre werden. Benno Lewuwa

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Page 32: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

Einst hat ein Raumfahrtanalytiker Chinasbemannte Raumfahrt als eine sich langsamfortmühende Schildkröte bezeichnet, diealle Jubeljahre einen Raumflug macht. Diebemannte Raumfahrt der USA verglich ermit einem schlafenden Hasen, da die Space-Shuttle-Flotte zu diesem Zeitpunkt derAussage schon lange vom Startverbotbetroffen war. Es liegt wohl etwas Wahrheitin beidem. Im Folgenden sind die Hauptereignisse derfünf Tage des Shenzhou 6-Fluges aufgelistet(alle Angaben in Pekinger Zeit).

1. Tag (12. Oktober 2005)Ähnlich wie beim Flug von Shenzhou 5 vorzwei Jahren, haben die chinesischen Verant-wortlichen die Namen der Flugmannschaftund der Doubles lediglich 24 Stunden vordem Start bekannt gegeben. Die beidenTaikonauten, Fei Junlong und Nie Haisheng,wohnten der Tradition gewordenen Verab-schiedungszeremonie gegen 5:30 Uhr bei,als plötzlich Schneefall einsetzte. Es wurdeals ein gutes Omen betrachtet, dass derSchnee just in dem Moment aufhörte, alsdie beiden sich zum Startplatz begaben. DasDuo stieg durch die Seitenluke des Orbital-moduls in das Raumschiff ein und begabsich um 6:15 Uhr auf ihre Sitze innerhalbder Rückkehrkapsel. Shenzhou 6 hob um9:00 Uhr ab und verschwand bereits 40 Se-kunden später in den dichten Wolken überdem Startplatz. Als ein Novum hat Chinasoffizieller Fernsehsender CCTV den Start liveübertragen und kontinuierlich über diegesamte Dauer der fünftägigen Raum-fahrtmission berichtet. Der Start verlief reibungslos und das Raum-schiff separierte nach 583 Sekunden von derletzten Raketenstufe.

Shenzhou 6 vollführte um 15:54 Uhr daserste automatische Manöver, als es durcheinen 63 Sekunden langen Triebwerksimpulsvon der anfänglichen 200 x 347 kmFlugbahn auf einen 340 km hohen kreisför-migen Orbit einschwenkte. Um 17:29 Uhröffnete Fei die kopfüber befindliche Luke,die zum Orbitalmodul führt und schwebtemit Hilfe seines Mannschaftskameraden Niehinein. Fei entledigte sich dann seinesSkaphanders und wechselte in den blauenArbeitsanzug. Alle diese Aktivitäten warenErstleistungen eines Chinesen. Fei schwebteum 19:59 Uhr zurück in die Landekapsel undgab somit das Orbitalmodul für NieHaisheng frei, damit er sich umkleiden

konnte. Es gehört zu den Flugregeln, dassstets ein Taikonaut in der Rückkehrkapselverweilt, um eine ständige Überwachungder Monitore und des Raumschiffes sowiedie Kommunikation mit dem Boden zugewährleisten.

Nie war um 21:30 Uhr in der Landekapselzurück. Bereits zwei Minuten später konntedie zweiköpfige Mannschaft mit ihrenFamilienmitgliedern sprechen. Das Bahnver-folgungsschiff Yuanwang 3 machte dieseKommunikationsverbindung möglich. Nies

RC-ThemaRaumfahrt Concret 1/2006

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Volksrepublik China - die dritte Weltraummacht (Teil 6)

Shenzhou 6 bahnt den Weg in die ZukunftVon Chen Lan

Das Innere der Landekapsel vom Orbitalmodul aus gesehen. Foto: CCTV.

Nie Haisheng schwebt durch die Luke. Foto: Fei Junlong.

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Tochter sang ein Liedchen, da ihr Papa amnächsten Tag seinen Geburtstag entspre-chend dem chinesischen Mondkalender fei-ern würde. Gegen 23:00 Uhr hatte es sich Fei Junlongim Orbitalmodul mit einem Schlafsack fürdie Nachtruhe bequem gemacht, währendNie in der Landekapsel schlief.

2. Tag (13. Oktober)Obwohl die offizielle Berichterstattung vonder Shenzhou 6-Mission als der ersten "wis-senschaftlichen Mission” sprach, da wäh-rend dieses Raumfluges viele Experimenteim Orbitalmodul ausgeführt wurden, warklar, dass das Hauptziel des Fluges immernoch in verschiedenen Test- und ingenieur-technischen Aufgaben bestand. Sie dientendazu, das Systemdesign und die Fähigkeitender Apparaturen nach und nach zu verbes-sern. Somit war für die beiden Taikonautender zweite Tag an Bord ein vollgepackterArbeitstag. Wiederholt übten sie das An-und Ablegen der Raumanzüge in kürzesterZeit, das Öffnen und Schließen der Lukezwischen den beiden Modulen sowie derdamit verbundenen Dichtheitstests, dasproblemlose Bewegen durch die Luke unddas Auffangen von Kondenswasser. Um15:13 Uhr fand eine Weltpremiere statt: Eswurden erstmals Videoaufnahmen aus demInneren eines chinesischen Raumschiffeszur Erde gesandt.Seinen Geburtstag feierte Nie Haisheng, miteinem Mondkuchen, ein traditionelles chi-nesisches Essen und gleichzeitig eine Artvon chinesischer Weltraumnahrung.

3. Tag (14. Oktober)Nach nunmehr drei Tagen im Weltraum, hatsich die Besatzung an die Schwerelosigkeitgewöhnt. Sie wiederholten die Tests dervorangegangenen Tage. Die beiden Taiko-nauten führten eine Reihe von schnellenund weiträumigen Bewegungsabläufendurch, um deren Einfluss auf die Lage desRaumschiffs zu beobachten. Um 16:31 Uhrschlug Nie im Rückkehrmodul hintereinan-der vier Purzelbäume. Die Lage des Raum-schiffes blieb während dieser Übung stabil.

Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Thema

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Nie Haisheng im Schlafsack im Orbitalmodul. Foto: Fei Junlong.

Fei Junlong beim Trinken in der Rückkehrkapsel. Foto: Nie Haisheng.

Sequenzen der Bordkamera (live cam): Start.Fotos: CCTV.

Kurz vor der Abtrennung der Seitenbooster. Abtrennung der ersten Stufe. Shenzhou 6 innerhalb des Fairings.

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Page 34: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

4. Tag (15. Oktober)Der vierte Tag war ein normaler Arbeitstag.Gemäß offiziellen Verlautbarungen führtedie Crew eine Reihe von wissenschaftlichenExperimenten im Orbitalmodul durch. Einesdavon war eine Untersuchung des mensch-lichen Herzmuskels und der Knochenzellen.Nach 18:00 Uhr übertrug Nie von der Be-satzung aufgenommene digitale Fotos zurErde. Die verwendete Kamera wurde spätervon Amateuren im Internet als eine Pentaxidentifiziert.Um 16:28 Uhr hatte die Besatzung einenbesonderen Funkkontakt mit dem Flug-kontrollzentrum in Peking, als Präsident HuJintao dort zu Besuch weilte.

5. Tag (16. Oktober)Während ihres letzten Tages an Bord teste-ten die beiden Taikonauten die Satel-litenkommunikation vom Raumschiff aus.Dabei war unklar, ob sie chinesische GEO-Kommunikationssatelliten nutzten oderkommerzielle LEO-Systeme. Die Luke zum Orbitalmodul wurde um23:26 Uhr geschlossen. Zu diesem Zeit-punkt überflog Shenzhou 6 die Bahnver-folgungsstation in Xiamen.

6. Tag (17. Oktober)Die Landung wurde um 2:45 Uhr mit demKommando zum Wiedereintritt eingeleitet.Um 3:44 Uhr wurde der Orbitalmodul abge-trennt und unmittelbar danach der Brems-impuls gegeben. Die Triebwerke schaltetensich um 3:48:29 Uhr ab. Dann folgte um4:06 Uhr die Abtrennung des Triebwerks-moduls. Der Hauptfallschirm öffnete sichum 4:20 Uhr und die Hubschrauber konn-ten die Rückkehrkapsel daraufhin sofortausmachen. Die Landung erfolgte um 4:33Uhr, wobei der Landeort lediglich um 1 kmvom vorausberechneten Punkt in derAmugulang-Steppe, nahe der SiedlungHongger – 60 km nördlich von der StadtWulanha, der Hauptstadt von SiziwangBanner in der Inneren Mongolei – abwich.Dank besonders günstiger Windbedin-gungen setzte die Landekapsel vertikal aufund blieb auch in dieser Position stehen.Dadurch hatte die zweiköpfige Mannschaftetwas sanftere Landebedingungen als YangLiwei, benötigte aber auch etwas länger für

den Ausstieg, da sie erst auf das Gestell fürdie Bergung warten musste. Um 5:07 Uhrschließlich konnte die Luke zur Landekapselgeöffnet werden. Zwei Stunden nach demAufsetzen auf der Erdoberfläche konntendie beiden Taikonauten selbstständig ausder Kapsel aussteigen, natürlich in exzellen-ter Verfassung. Die Landung von Shenzhou 6 war für diejunge Raumfahrtnation China die ersteNachtlandung. Zur Verbesserung derSicherheit der Mannschaft während derLandephase wurden zusätzliche Messungeninsbesondere mit Infrarot-Verfolgungs-geräten ausgeführt. Die Übertragung desnationalen Fernsehsenders CCTV zeigte einkontinuierliches Infrarotvideo beginnendmit der Entfaltung des Hauptfallschirms biszum Aufsetzen auf der Erdoberfläche. CCTVzeigte erstmalig den kompletten Lande-vorgang. Die Shenzhou 6-Mission dauerte insgesamt115 Stunden und 33 Minuten und setztesomit einen neuen chinesischen Rekord.

Verbesserungen und ÄnderungenDie erste bemannte Mission Chinas, der Flugvon Shenzhou 5 im Jahre 2003, war eineerfolgreiche Mission, verlief aber nicht per-fekt. Bei Shenzhou 6 gab es insgesamt 110Veränderungen am Raumschiff und 75 an

der Trägerrakete. Die Hauptmodifikationensind nachfolgend aufgelistet.

Schwingungsunterdrückung bei derCZ-2F Eines der ernsteren Probleme, die währenddes Fluges von Shenzhou 5 auftraten,waren Vibrationen im niederfrequentenBereich (um die 8 Hz). Sie setzten 130Sekunden nach dem Start, direkt nach derAbtrennung der Seitenbooster ein. YangLiwei beschrieb diese Schwingungen alseine unangenehme Nebenwirkung auf seinHerz. Glücklicherweise dauerten dieseVibrationen nur etwas länger als 10 Sekun-den an. Die Analyse nach dem Flug bestätigte denIngenieuren dass die 8 Hz-Schwingung eineArt Resonanz war, da die vertikalen Eigen-schwingungen der Raketenstruktur zu dichtan der Schwingfrequenz des Treibstoffs inden Leitungen und den daraus folgendenSchubschwingungen lagen. Anfang 2005entschloss man sich zur Entwicklung einesneuen Druckdämpfers um die Schwin-gungsfrequenz in den Treibstoffleitungenzu ändern. Diese Maßnahme hat sich alsgeeignet herausgestellt. Während desStarts von Shenzhou 6 trat das Problemnicht mehr auf.

RC-Thema

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Shenzhou 6-Schnittzeichnung. Foto: CAST.

Letzter Blick auf Shenzhou 6 aus der Nähe.Shenzhou 6 nach der Absprengung derVerkleidung.

Separation des Raumschiffes. Shenzhou 6 entfernt sich (dieRaketenstufe hat sich in diesemMoment einmal um die eigeneAchse gedreht).

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Page 35: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

Live-Kameras an der TrägerraketeErstmalig wurden Kameras am Raketen-körper montiert, um mittels der Übertra-gung von digitalen Echtzeitvideos den Startund das Verhalten der Rakete in dieserPhase zu überwachen. Eine Kamera wurdean der zweiten Stufe befestigt, um währenddes Starts nach unten zu blicken und dieStufentrennung sichtbar zu machen unddie andere an der Spitze der zweiten Stufe,innerhalb der Verkleidung, um die weitereStufentrennung und den Zustand derRakete zu überwachen. Die Bilder, die vonden beiden Kameras aufgenommen wur-den, übertrug CCTV live. Abgesehen vonsehr kurzen Unterbrechungen während derStufentrennungen, funktionierte das Auf-zeichnungssystem perfekt. Es ist wert zuerwähnen, dass die obere der beidenKameras auch noch nach der Stufentren-nung Bilder übertrug. Nun mit der abge-trennten Stufe weiter verbunden, machtesie einen langen Schwenk als die Stufenahezu zweimal rotierte. Es konnte dabeiein beeindruckendes Bild von dem sich ent-fernenden Shenzhou-Raumschiff vor demHintergrund der blauen Erde und dem dun-klen Weltraum aufnehmen.

Rettungssystem Um die Triebwerke nicht durch ein irrtümli-ches Signal zu aktivieren, wurde vor derTriebwerkszündung eine zusätzliche Iso-lation angebracht.

Erweiterte und verbesserte Datenauf-zeichnungskapazitätenEs wurden zwei neue Videokameras imInneren des Orbitalmoduls installiert. Einedavon war für die Echtzeit-Videoüber-tragung und die andere für Videoauf-zeichnungen zuständig. Ebenso kam einneues Tonaufnahmegerät zum Einsatz. DerNotfalldatenrekorder (CRU – Clamant Re-cord Unit oder auch als Black-Box bezeich-net) wurde ebenfalls verbessert. Die Größedes Geräts konnte auf die Abmaße Länge:17 cm, Breite: 10 cm und Höhe: 20 cm hal-biert werden, während die Speicher-kapazität auf 1 GB verhundertfacht wurde.

Zusätzliche Ausrüstung imOrbitalmodulUm die Versorgung der zweiköpfigenMannschaft zu gewährleisten, wurde dasLebenserhaltungssystem vollständig akti-viert. Die Toilettenausrüstung, die Essens-bereiter, Wassercontainer, die Müllsam-melbehälter und die Schlafsäcke wurdenzum ersten Mal an Bord mitgeführt undauch benutzt. Natürlich waren auch mehrVersorgungsgüter als jemals zuvor an Bord.Nahrung und Wasser hätten für beideCrewmitglieder 7 Tage lang ausgereicht, da

zwei Tage für den Fall einer Notsituationeingeplant worden waren. Um dieseAusstattung beherbergen zu können, wur-den die Gegenstände im Orbitalmodul inihrer Anordnung optimiert und angepasst.

Verbesserung desEnergieversorgungssystemsEs hat sich herausgestellt, dass bei allenvorangegangenen Shenzhou-Raumschiffenim Lauf der Mission ein Leistungsabfall derEnergieversorgung auftrat. Die Ingenieurevom SAST (Shanghai Academy of Space-flight Technology) benötigten 7 ganzeMonate, um dem Problem auf die Spur zukommen. Schließlich aber funktionierte dasShenzhou 6-Orbitalmodul während ausge-dehnter Tests für länger als zwei Monate bisMitte 2005. Alle Datenaufzeichnungen las-sen den Schluss zu, dass die Energie-versorgung stabil war.

Entfernung des sogenannten"attachment segment”Alle bisherigen Shenzhou-Schiffe verfügtenam oberen Ende des Orbitalmoduls über einsogenanntes "attachment segment” (eineaußen angebrachte Instrumentenplatt-form), eine Art Aufbau. Da Shenzhou 6allerdings 2 Taikonauten und im Vergleichzu Shenzhou 5 zusätzliche Nutzlast von 200 kgaufnehmen musste, wurde dieses Zusatz-segment auf Grund des hohen Gewichtsabmontiert. Trotz Demontage bliebShenzhou 6 noch immer schwerer alsShenzhou 5. Die Startmasse von Shenzhou

6 lag bei 8.079 kg, während es Shenzhou 5auf 7.840 kg brachte. Dafür hatte sich dieLänge von Shenzhou 6 auf 8 Meter imVergleich zu Shenzhou 5 mit 8,86 m ver-kürzt. Das Gesamtvolumen von Shenzhou 6betrug 5,5 m3.

Nutzlasten und ExperimenteEine von den vielfältigen chinesischenRaumfahrttraditionen sind Huckepack-Nutzlasten, von denen auch zahlreiche anBord von Shenzhou 6 verstaut waren.Insgesamt beliefen sich diese auf 64 Artikel,wie z.B. die Flaggen des InternationalenOlympischen Komitees, der Expo Shanghai2010 und einer chinesischen Polarex-pedition. Außerdem wurden Kunstwerkebekannter chinesischer Künstler, Zeich-nungen und Briefe von Grundschulschülernan die Taikonauten, die zuvor in einemnationalen Wettbewerb ausgewählt wur-den, mit ins Weltall genommen. Obliga-torisch waren auch Gedenkbriefmarken,Ersttagsbriefe und andere philatelistischeBelege, Pflanzen- und Blumensamen undProben von Mikroorganismen. Daneben gabes auch eine unbekannte Anzahl wissen-schaftlicher Nutzlasten im Orbitalmodul.Darüber haben die chinesischen Mediennoch keine Details bekannt gegeben. Dieeinzige bislang in der Öffentlichkeit publi-zierte Nutzlast ist das Experiment zurUntersuchung des Herzmuskels und derKnochenzellen. Bemerkenswert ist einehochauflösende Weitwinkel-Kamera, die imOrbitalmodul untergebracht wurde. Sie

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RC-Thema

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Die Raumschiffe (von links) Sojus TMA (Russland), Shenzhou 5 und 6 (China) in der maßstäblichenGegenüberstellung.

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Page 36: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

scheint dem Modell in Shenzhou 5 ähnlichzu sein, von dem man annimmt, dass sieeine Auflösung von 1,6 m hatte (Shenzhou5 hatte auch noch eine zweite Kamera indem Zusatzsegment). Shenzhou 6 war die erste Mission, bei derdie Mannschaft Experimente im Innern desOrbitalmoduls ausführen konnte. Da dasHauptziel des Fluges jedoch die Verbes-serung des Raumschiffdesigns war, kannman davon ausgehen, dass die meistenExperimente, einschließlich die der Erdfern-erkundung mit der großen Kamera, entwe-der automatisch oder vom Boden ausgesteuert wurden.

Andere ÄnderungenWeitere Veränderungen betrafen einigeunnötige Messinstrumente im Innern desOrbitalmoduls, verbesserte Widerstands-fähigkeit der Ausrüstung gegenüber Feuch-tigkeit, verbessertes Alarmsystem um Fehl-alarm, wie er mehrere Male beim Wieder-eintritt von Yang Liweis RaumschiffShenzhou 5 auftrat, zu vermeiden, verbes-serte Dichtungen und Dichtheitsprüfungenfür die Lukentür sowie verbesserte Schock-absorber in den Sitzen der beiden Be-satzungsmitglieder.

Mit der erfolgreichen Durchführung derShenzhou 6-Mission hat die 2. Phase imchinesischen bemannten Raumflugpro-gramm begonnen. Diese neue Phase umfasstdie Meisterung fundamentaler Weltraum-technologien und die Bereitstellung einesgrundlegenden Raumtransportsystems. Alslogische Folgeschritte wurden die dreiHauptziele der Phase 2 festgelegt: Außen-bordarbeiten (EVA), Rendezvous- undKopplung und Start einer bemannten Mini-Raumstation (genannt Weltraumlaborato-rium – Space Laboratory).

Shenzhou 6-Doublemannschaft

Liu Boming, Oberstleutnant, wurde im September1966 in Yi’an, Provinz Heilongjiang, geboren. Liutrat der Chinesischen Armee (PLA) im Juni 1985 beiund absolvierte die Militärische Fliegerschule(PLAAF 3rd Flight College) im Jahre 1989. Er wurdeals Shenzhou-Taikonaut im Januar 1998 ausge-wählt. Liu hat als PLAAF-Pilot und Geschwader-Kommandant 1.050 Stunden Flugerfahrung.

Jing Haipeng, Oberstleutnant, wurde im Oktober1966 in Yuncheng, Provinz Shanxi, geboren. Jingtrat der Armee Chinas (PLA) im Juni 1985 bei undabsolvierte die Fliegerschule (PLAAF 12th FlightCollege) im Jahre 1990. Er wurde als Shenzhou-Taikonaut im Januar 1998 ausgewählt. Er kann als

PLAAF-Pilot 1.200 Flugstunden verbuchen.

Zhai Zhigang, Oberstleutnant, wurde am 10.Oktober 1966 in Longjiang, Provinz Heilongjiang,geboren. Er ist 172 cm groß und wiegt 65,5 kg. Er istverheiratet und hat einen Sohn. Zhai trat derChinesischen Armee (PLA) im Juni 1985 bei undabsolvierte die Fliegerakademie (PLAAF 3rd FlightCollege) im Jahre 1989. Er blickt als PLAAF-Pilot auf950 Flugstunden Erfahrung zurück. Als Shenzhou-Taikonaut wurde er im Januar 1998 ausgewählt.Zhai gehörte bereits zur Doublemannschaft für denhistorischen Shenzhou 5-Flug.

Wu Jie, Brigadegeneral, wurde im Oktober 1963 inZhengzhou, Provinz Henan, geboren. Er ist 163 cmgroß und wiegt 63 kg. Er trat den ChinesischenLuftstreitkräften (PLA) im September 1980 bei undabsolvierte die Ingenieursakademie der Armee(PLAAF Engineering College) im Jahre 1987 sowiedie Fliegerakademie (PLAAF 3rd Flight College) imJahre 1989. Er kann als PLAAF-Pilot 1.200Flugstunden für sich verbuchen. Wu wurde alsShenzhou-Trainingstaikonaut im Jahre 1996 ausge-wählt. 1997 erhielt er eine einjährige Ausbildung imSternenstädtchen, dem Gagarin Kosmonautenaus-bildungszentrum, bei Moskau.

Die Biographien der Shenzhou 6-Besatzung findenSie in unserem Raumfahrerporträt in der nächstenAusgabe.

Übersetzung und deutsche Bearbeitung: Jacqueline Myrrhe.

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Vor 20 Jahren: CHALLENGER - Tragödie der bemannten RaumfahrtVon Horst Jelitte

Der Morgen, der am 28. Januar 1986 überdem Startgelände in Kap Kennedy anbrach,war klar und kalt, bei Temperaturen leichtunter dem Gefrierpunkt.Auf der Startrampe 39 B stand seit bereitsgeraumer Zeit die Raumfähre Challenger,deren Start als Mission 51L eigentlich fürden 23. Dezember 1985 vorgesehen war.Es hatten sich jedoch erhebliche Start-verschiebungen ergeben, die nicht durchdie Challenger selbst, sondern durch dievorherige Mission der Columbia (Flug 61C)verursacht worden waren.Bei diesem Flug waren insgesamt siebenneue Starttermine notwendig, darunter je-weils 2 durch technische Probleme unddurch schlechtes Wetter. Sie zogen sichüber einen Zeitraum von 25 Tagen hin.Warfen Kritiker der NASA angesichts dieserVerzögerungen vor, mit dem Shuttle ein vielzu anfälliges Konzept realisiert zu haben, sokonterte diese mit dem Slogan 'Sicherheitzuerst'. Ein Großteil der Öffentlichkeit und

der Medien akzeptierte diese 'Sicherheits-philosophie' der amerikanischen Raum-fahrtbehörde. So kommentierte eine west-deutsche Tageszeitung die Startverschie-bungen bei der Columbia am 13. Januar1986 so: "Sicherheitsnormen - d.h. dasRisiko zu minimieren - haben sich dieAmerikaner selbst gesetzt. Auch in Zukunftwird dieser Leitgedanke das oberste Gebotder US-Raumfahrtbehörde sein."So auch bei der Challenger. Hier nämlichwurde der Starttermin 23. Dezemberzunächst auf den 23. Januar 1986, dann aufden 25. Januar und schließlich auf den 26.verschoben. Doch auch dieser Startterminkonnte aufgrund ungünstiger Wetterprog-nosen nicht gehalten werden. Aber aucham 27. Januar gab es Probleme. Zwar liefder Countdown planmäßig an, das Füllender Tanks wurde eingeleitet, doch ergabsich ein 'Hold' am frühen Vormittag, dervon Problemen mit dem Griff der Außen-luke der Fähre verursacht wurde. Dieses war

zwar nach gut einer Stunde von denTechnikern gelöst, doch waren inzwischendie Wetterbedingungen wieder umgeschla-gen. Querwinde von unerlaubter Geschwin-digkeit über der Landepiste am KennedySpace Center hätten eine Notlandung derRaumfähre beim Ausfall eines der Haupt-triebwerke gefährdet. Dieser Startabbruch-modus war und ist Bestandteil der starter-laubenden Voraussetzungen in den NASA-Plänen für jeden Shuttle-Start. Da dieseVoraussetzung nicht erfüllt war, wurde derStart der Challenger erneut um 24 Stundenverlegt. Die Fähre stand eine weitere Nachtauf der Startrampe, eine Nacht, in der eineüber Florida hinwegziehende Kaltfront fürextrem niedrige Temperaturen sorgte. Diesewaren die bisher niedrigsten bei einemShuttle-Start überhaupt.In der Flugkontrollleitung machte man sichdeshalb Gedanken über eine möglicheEisbildung an der Fähre. Man befürchtete,dass beim Start sich lösendes Eis die emp-

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findlichen Hitzeschutzkacheln der Raum-fähre beschädigen könnte. Um 1.35 Uhrwurde deshalb ein Inspektionsteam ("Eis-team") zur Rampe geschickt. Da sich aber keine grundlegenden Beden-ken bei der Kontrolle ergaben, traf dieFlugleitung die Entscheidung, den Count-down fortzuführen. Man ging davon aus,dass sich die Eisprobleme mit den anstei-genden Temperaturen bei Anbruch derDämmerung von selbst lösen würden. Aucheine weitere Eis-Inspektion im Verlauf desVormittags brachte keine neuen Erkennt-nisse.

73 SekundenDie siebenköpfige Crew für STS-51L wurdefolglich planmäßig um 6.18 Uhr geweckt. Inder Crew befand sich auch Christa

McAuliffe, die im Rahmen des 'Teacher inSpace'-Projektes unter 10.000 Bewerbernfür diesen Flug ausgewählt worden war. Siesollte aus dem Orbit Unterrichtsstunden inPhysik geben. Die Mannschaft derChallenger hatte die Aufgabe, den zweitenvon drei geplanten TDRS-Relais-Satellitenfür die NASA und den Spartan-Halley-Satelliten zur Beobachtung des Kometenauszusetzen. Kurz nach 8.00 Uhr erreichte die Crew dieStartrampe und um 8.36 Uhr saßen alleAstronauten in ihren Sitzen. Der Lift-offwar für 9.38 vorgesehen. Bis dahin war dieBesatzung mit den Startvorbereitungenbeschäftigt; insbesondere Scobee undSmith checkten die Raumfähre durch undstanden in lebhafter Kommunikation mitdem Bodenpersonal.Der Starttermin selbst war inzwischen ver-schoben worden, um weitere Zeit für dasAbschmelzen des Eises zu gewinnen. DerProgramm-Manager ordnete zudem einedritte Inspektion an, so dass sich weiterezeitliche Verzögerungen ergaben. Kurz nach11 Uhr war auch diese Inspektion beendet.Es gab keine Bedenken und alle Mitgliederdes Startteams gaben ihr 'GO' für dieFortsetzung des Countdowns, der bis zumStart problemlos durchlief. Am 28. Januar1986, um 11.38 Uhr EST, hob die Challengervon der Rampe ab. Hugh Harris imStartkontrollzentrum kommentierte: "Liftoff of the twenty-fifth space shuttle missi-on and it has cleared the tower". Challengerwar auf dem Wege.

Die Ereignisse der nächsten 73 Sekundensollen schrittweise nachvollzogen werden:• 0,0587 Sek. (nach T gleich 0):Challenger hebt von der Startrampe ab.• 0,2 Sek.: Aus der unteren Segment-Verbindung des rechten Boosters trittweißer Dampf aus. Dieses Phänomen ergaberst die spätere Auswertung der Start-beobachtungskameras; im Moment desStarts wurde es von Niemandem bemerkt.• 0,445 Sek.: Aus der gleichen unterenSegmentverbindung tritt schwarzer Rauchaus. Auch dieses bemerkte man erst bei derspäteren Fotoanalyse.• 7.724 Sek.: Challenger beginnt mitdem geplanten Roll-Manöver.• 19.859 Sek.: Das Roll-Manöver istbeendet.• 35.379 Sek.: In der Phase der stärkstendynamischen Beanspruchung wird derSchub der Haupttriebwerke planmäßig auf65 % gedrosselt.• 51.860 Sek.: Der Schub derHaupttriebwerke wird auf 104 % hochge-fahren.• 58.788 Sek.: Am besagten unterenBoostersegment tritt eine erste, kleine

Flamme auf.• 60.004 Sek.: Es treten Differenzen imBrennkammerdruck der beiden Boosterauf. In den folgenden Sekunden verliertder rechte Booster immer mehr an Druck;das automatische Lagekontrollsystem ver-sucht, dem entgegenzusteuern.• 64.705 Sek.: Eine hell leuchtendeFlamme wird auf der dem Außentankzugewandten Seite des Boosters sichtbar;die Flamme nimmt an Intensität zu.• 72.141 Sek.: Die Gesamtkonstruktiondes Space Shuttle beginnt auseinander zubrechen.• 73.191 Sek.: Zwischen der Challengerund dem Außentank blitzt eineStichflamme auf.• 73.399 Sek.: Der Außentank explo-diert; das Gefährt verschwindet in einereinzigen Glutwolke; die Raumfähre wirdauseinandergerissen.• 73.523 Sek.: Haupttriebwerk Nr. 1schaltet aufgrund extremer Treibstoff-versorgungsprobleme hundertstelSekunden vor der Zerstörung ab.• 73.618 Sek.: Letzte Telemetriedatenvon Challenger werden aufgefangen.• 110.250 Sek.: Aus Sicherheitsüberle-gungen werden die beidenFeststoffbooster, die bei der Explosion seit-lich weggeschleudert wurden und ihrenFlug fortsetzten, gesprengt.

Die Suche nach den UrsachenUnmittelbar nach der Explosion begann dieintensive Suche nach den Ursachen dieserKatastrophe.Im Rahmen dieser Untersuchungen wurdeauch der Entscheidungsprozess hin zumShuttle in seiner heutigen Konzeptionnachvollzogen. Die NASA musste beim Bauder Raumfähre aufgrund massiver Etat-kürzungen, aber auch durch Nutzlast-ansprüche der Militärs technische Kompro-misse eingehen. Erstmals in der bemanntenRaumfahrt griff man auf Feststoffraketenzurück, die, ähnlich wie ihre kleinerenSilvestermodelle, einmal gestartet, nichtmehr abschaltbar sind. Auf die ebenfallsmöglichen Flüssigtreibstoffraketen mussteaus Kostengründen verzichtet werden. DieAnordnung der einzelnen Komponentendes Gefährtes war zudem die, dass derOrbiter mit dem Mannschaftsteil seitlicham riesigen Außentank mit seiner hochbri-santen Ladung befestigt war und nicht -wie bisher üblich - an der Spitze des jewei-ligen Raketenmodells. Im Falle einesUnglücks war dadurch ein rasches Heraus-katapultieren der Mannschaft aus derGefahrenzone nicht mehr möglich.Auch der Aufbau der Feststoffraketen sorg-te - wie sich im Verlaufe ihres Flugeinsatzes

STS-51L-Untersuchungsfoto bei 73,201 Sekunden:Aufblitzen zwischen Orbiter und Externem Tank (ET).

STS-51L-Untersuchungsfoto bei 76,425 Sekunden: DieNasenkappe des rechten Feststoffboosters hat sich geöff-net und den Bremsfallschirm entlassen.

Dieses Foto des Challenger-Unglücks am 28. Januar 1986wurde von einer 70 mm-Verfolgungskamera auf PositionUCS 15 südlich des Pad 39B um 11:39:16,061 Uhr (EST)aufgenommen. Eines der SRBs ist oben im Bild zu erkennen.

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herausstellte - für Probleme. Die beidenFeststoffbooster sind bei einem Durch-messer von 3,71 Meter 45,50 Meter lang.Sie werden aus einzelnen Segmentenzusammengesetzt. Besonders wichtig istdabei, dass die Zusammenfügung zweierSegmente absolut dicht ist, um ein seitli-ches Austreten der extrem heißen Gase, diebeim Abbrennen des Treibstoffes entstehen,zu verhindern. Deshalb wurden an denNahtstellen zweier Segmente elastischeDichtungsringe, die O-Ringe, eingebaut, diedurch ihre doppelte Ausführung eine abso-lute Gewähr für das hermetische Schließender Verbindungsstellen bieten sollten. Einerbesonderen Beanspruchung unterliegendiese Stellen während der Startphase, in derder Druck innerhalb der Feststoffbooster inrund sechs Zehntel Sek. auf etwa 200kg/cm2 ansteigt. Dadurch beult sich der ausrund einem Zentimeter dickem Stahl beste-hende Raketenmantel aus. Dieser Deh-nungseffekt gilt besonders für die etwassteiferen Nahtstellen der Boostersegmente,doch sollte die flexible Reaktion der elasti-schen O-Ringe auch in dieser kritischenPhase die absolute Dichtigkeit gewährlei-sten.Der NASA war bewusst, dass die Dich-tungsringe mit zu den kritischen Teilen desShuttle-Systems gehörten. Ebenso war mansich im Klaren darüber, dass ein Versagenbeider O-Ringe - aus welchen Gründenauch immer - zum Verlust von Fähre undBesatzung führen konnte. Ernsthafte Bedenken traten erstmals 1983auf, als neue schubkräftigere Booster mitzugleich dünneren Stahlwänden eingesetztwurden. Untersuchungen an den ausge-brannten und wieder geborgenen Booster-elementen (sie kehren nach Brennschlussan Fallschirmen zur Erde zurück, um füreinen neuen Einsatz aufbereitet zu werden)zeigten dann auch, dass die Bedenken kei-

nesfalls unbegründet waren. An insgesamtgut 30 Dichtungsringen hatten sich teilwei-se oder gar ganze Abschmelzungen erge-ben, mit dem 'Höhepunkt' im April 1985.Bei der Mission 51-B der Challenger war dererste O-Ring komplett und der zweite zurund 80 Prozent verbrannt. Challenger flogdamals um Haaresbreite an der Katastrophevorbei. Spätere Untersuchungen zeigten,dass bei diesen Problemen die Außen-temperaturen des Starttages offensichtlichmit eine Rolle spielten: Von 21 Starts beiTemperaturen von 16 Grad oder höher zeig-ten ganze vier Booster Abbrennungen anden O-Ringen; dagegen wiesen alleStartraketen, die bei Temperaturen unter 16Grad flogen, Verschmorungen an einemoder sogar beiden Dichtungsringen auf.Der NASA waren die grundlegendenProbleme mit den Ringen zwar bekannt,jedoch wurden keine Konsequenzen gezo-gen.Morton Thiokol, der Hersteller der Booster,gab sich damit nicht zufrieden und schlugeine Vielzahl von konstruktiven Verän-derungen an den Verbindungen zurErhöhung des Sicherheitsstandards vor.Doch der laufende Flugbetrieb und dasBudgetproblem führten wohl dazu, dasskeine grundlegenden Verbesserungen vor-genommen wurden.Auch mit eingedrungenem Wasser gab esProbleme. So hatte man bei der MissionSTS-9 (Columbia) im November 1983 beieiner wegen technischer Probleme notwen-digen Reparatur am rechten Feststoff-booster festgestellt, dass Wasser in dieNahtstelle der Raketensegmente einge-drungen war.Zum Zeitpunkt ihres Starts aber hatte dieFähre Challenger im Januar 1986 bereitsseit dem 22. Dezember 1985 bei zum Teilwidrigen Witterungsverhältnissen auf derRampe gestanden, länger als je ein Shuttle vorher.

Die niedrigen Januartemperaturen vor demStart von 51-L führten nach all den bisheri-gen Erfahrungen zunächst dazu, dass dieFrage der Auswirkungen dieser klimatischenBedingungen auf die Dichtungsringe er-neut problematisiert wurde. Bei MortonThiokol machten sich 14 Ingenieure Ge-danken über das ungewöhnlich kalteWetter. Sie brachten ihre Bedenken gegenden Start auch am Abend des 27. Januarvor, fanden jedoch kein Gehör. Offen-sichtlich spielte der zeitliche Druck aufSeiten der NASA und wohl auch wirtschaft-liche Gründe auf Seiten des Booster-Herstellers, der maßgeblich von NASA-Aufträgen 'lebte', eine nicht unerheblicheRolle. Der Booster-Spezialist der NASA,Lawrence Mulloy, sprach an diesem Abendjenen Satz, der das Dilemma zeigt: "MeinGott, Thiokol, wann glaubt ihr, dass ich star-ten soll? Nächsten April?" Derart unterDruck gesetzt, machte das Managementvon Thiokol einen Rückzieher und relati-vierte die vorgetragenen Bedenken. Mulloygab daraufhin 'grünes Licht' für dieBooster-Segmente, verschwieg aber seinenVorgesetzten die Bedenken von Thiokol.Damit stand dem Start der Challengernichts mehr im Wege.Zwar wurde das losgeschickte Eis-Team inder Nacht noch einmal stutzig, als eine eherzufällige Messung der Temperatur am rech-ten Booster den Wert von minus 13 Gradergab, doch glaubte man wegen diesesextrem niedrigen Wertes an einen Mess-fehler. Das Team gab diesen Wert deshalbauch nicht weiter, zumal alle übrigenMesswerte weit über diesem lagen. Heuteweiß man, dass die minus 13 Grad wohlrealistisch waren. Der am frühen Morgendes 28. Januar wehende ohnehin kühleWind strich nämlich am mit extrem kaltemWasserstoff gefüllten Außentank vorbei,kühlte dabei noch weiter ab und traf alsnächstes auf den rechten Booster, den erdadurch extrem abkühlen ließ. Auch von Rockwell International, demHersteller der Raumfähre, kamen Bedenkengegen einen Start bei derart unwirtlichenWitterungsbedingungen, doch wurdenauch diese vom NASA-Management relati-viert. Damit waren alle Signale auf 'GO'geschaltet und die Challenger wurde mitsieben Mann Besatzung auf die Reisegeschickt.Der Ablauf des Fluges bis hin zur Explosionwurde dann durch folgende verhängnisvol-le Ereignisse bestimmt:Das Auftreten der zunächst weißen, dannschwarzen Dampfwolke bis 0.678 Sekundennach dem Start war nach den Erkennt-nissen der Untersuchungskommission dar-auf zurückzuführen, dass die durch dieKälte spröde und unelastisch gewordenen

2,9 x 4,9 m großes Teilstück von Challengers rechtem Flügel bei der Einlagerung in der Logistics Facility.Es wurde von Tauchern der USS "Opportune" 22,25 km nordöstlich von Cape Canaveral aus 21,5 m tie-fem Wasser geborgen. Fotos: NASA.

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F Ö R D E R E R D E R R A U M F A H R T U N D W E L T R A U M F O R S C H U N GIn letzter Konsequenz will der Mensch alles persönlich in Augenschein nehmen, was es gibt.

Also wird das nächste große Menschheitsziel in der Erschließung unseres Sonnensystems bestehen.

Als Förderer der Raumfahrt und Weltraumforschung möchte ich andere Menschen für dieses Ziel begeistern.

Darum spendet Eberhard Rödel aus Schwerin 500.- Euro im Jahr 2006.

Dichtungsringe die Nahtstelle der Booster-segmente bei der großen dynamischenBelastung während des Starts nicht kom-plett abdichteten, so dass heiße Gase ausdem Inneren das in der Dichtungsfugebefindliche Wasser/Eis verdampfen und dieDichtungsringe selbst anschmoren konn-ten. Damit nahm das Verhängnis seinenLauf. Nach knapp 60 Sekunden Flug tratdann exakt an dieser Stelle eine ersteFlamme auf, ein Beweis, dass die Dichtungkomplett weggebrannt war. Die Flammewurde größer, der Innendruck des rechtenBoosters wich deshalb von dem des linkenab, jedoch steuerte das 'Reaction ControlSystem' des Shuttle dem damit verbunde-nen unterschiedlichen Schub zunächstnoch entgegen.Diese seitwärts am Booster austretendeFlamme wurde, wie Spezialaufnahmenzeigten, immer größer und war gegen denHaupttank des Shuttle, etwa im Bereich derunteren Verbindungsstrebe des Boosterszum Außentank, gerichtet. Diese Verbin-dung brach nach etwa 71 Sekunden, ent-weder durch die Hitze oder durch mechani-sche Belastung. Dadurch war das untereEnde des rechten Boosters jetzt frei beweg-lich. Die austretenden Gase verursachteneinen seitlichen Schub am unteren Teil desFeststoffmotors, der sich vom Haupttankwegzubewegen begann. Dadurch nähertesich natürlich die Spitze des Boosters demoberen Teil des Haupttankes. Nach 72Sekunden beschädigte diese Spitze offen-sichtlich den Haupttank; sie riss ihn auf undder Innendruck des Tankes begann rapidezu sinken. Aus dem Leck trat der hochex-plosive Treibstoff aus, zwischen dem oberenTeil der Challenger und dem Außentankblitzte Feuer auf, Sekundenbruchteile spä-ter ereignete sich eine gewaltige Knall-gasexplosion, die das Raumgefährt ausein-ander riss. Die Gewalt dieser Explosion ent-sprach bei dem noch vorhandenen Treib-stoff nach 72 Sekunden Flug der einerDetonation von etwa 600 Tonnen TNT.Es gab und gibt viele Spekulationen darü-ber, wodurch die Besatzung der Challengergetötet worden ist. Die letzte aufgefangeneReaktion ist die des Piloten Smith:"Uh...Ah..." Eine Analyse der Fotos zeigte,dass die insgesamt stabiler gebauteMannschaftskabine dem Druck derExplosion wohl widerstanden hat. Dieservordere Rumpfteil der Challenger muss

dann mit zunehmender Geschwindigkeitder Erde entgegengefallen und mit ca. 220- 290 km/h auf dem Ozean aufgeschlagensein. Ob die Astronauten erst durch denAufschlag auf das Wasser getötet wordensind, ist umstritten. Es gibt Indizien dafür (z. B.benutzte und fast geleerte Sauerstoff-flaschen), dass zumindest ein Teil derBesatzung bis zum Aufschlag auf demWasser lebte.Die sterblichen Überreste der Astronautenkonnten später mit dem vorderen Teil derMannschaftskabine geborgen werden.

Challenger und die FolgenDie Explosion der Challenger führte sofortzum kompletten Stopp der bemanntenRaumflüge der USA. Das Flugverbot dauer-te bis zum 29. September 1988. Es hatte zurFolge, dass der gesamte Terminplan derNASA für bemannte wissenschaftlicheMissionen und Raumsondenstarts hinfälligwurde. Für 1988 war die D-2 Missiongeplant. Auch für bedeutsame Forschungs-vorhaben wie Ulysses (ursprünglicherStarttermin: 15.5.86), Galileo (Ende Mai 86),Magellan und das Hubble Space Teleskop(Oktober 86) ergaben sich Verzögerungenvon mehreren Jahren. Selbst bei den Militärs führte der Verlust derChallenger zu erheblichen Problemen. Bis1986 hatte sich das Pentagon nur auf dieRaumfähre gestützt, um Spionagesatellitenund Experimente für das SDI-ProjektPräsident Reagans in eine Umlaufbahn zubringen. Der überarbeitete Flugplan derNASA sah nur noch wenige DOD-Flüge vor;militärische Nutzlasten wurden zukünftigdurch Titan III- und IV-Raketen in den Orbitgeschossen. Eine weitere Konsequenz ausder Katastrophe ergab sich für den kom-merziellen Bereich. Ursprüngliche Überle-gungen beim Bau des Shuttle waren vonder Absicht ausgegangen, die Transport-kapazität der Fähre auch privaten Interes-senten anzubieten, um so in die 'Gewinn-zone' zu fliegen. Der Shuttle flog fortan nurnoch für wissenschaftliche Zwecke.Umfangreich waren die technischenVeränderungen. So wurde der Nahtbereichder Boostersegmente komplett neu kon-struiert und mit weiteren Sicherheits-vorkehrungen versehen. Der Schutz derVerbindungsstellen gegen das Eindringenvon Wasser, ein dritter O-Ring, zusätzlicheIsolierungen, neue Bolzenverbindungen

und Materialien, um nur einige der mehr alsfünfzehn konstruktiven Veränderungen zunennen, sollen sicherstellen, dass dieFeststoffraketen zukünftig sicher arbeiten.Weitere Verbesserungen betrafen dasFahrwerk der Raumfähre, das als ebenfallskritischer Teil des Systems angesehen undmit erheblichen Veränderungen versehenwurde, unter anderem mit der stabilerenAusführung einzelner Elemente, einer bes-seren Bremswirkung usw. Da es technischunmöglich ist, für alle Besatzungsmit-glieder Schleudersitze zu installieren odergar den Mannschaftsteil der Fähre komplettaus einem Gefahrenbereich herauszukata-pultieren, beschränkten sich die Verbes-serungen für den Fall eines vorzeitigenStartabbruches im Wesentlichen darauf, derBesatzung den Ausstieg aus der Fähre mög-lichst rasch zu ermöglichen.Dafür wurde die Ausstiegsluke neu konstru-iert; ein von der Fähre wegführender Fiber-glasstab soll im Falle eines Notausstiegessicherstellen, dass die abspringenden Astro-nauten weit genug von der Fähre wegkom-men.Es bleibt jedoch unbestrittene Tatsache,dass in der ersten Startphase keine Rettungder Mannschaft möglich ist. Sollte eineFähre in der ersten Startphase explodieren,so gibt es für die Mannschaft kein Entrinnen.Die komplizierteste Flugmaschine, die jevon der Menschheit gebaut worden ist,hatte immer wieder mit technischenProblemen zu kämpfen, die zum Teil lang-wierige Startverzögerungen nach sichzogen. Auch nach der Challenger-Katas-trophe erreichten die Raumfähren nie diegewünschte Zuverlässigkeit. Das Verglühender Columbia beim Wiedereintritt in dieErdatmosphäre am 1. Februar 2003 zeigtezudem, dass andere Systemkomponenten inihrem Risikopotenzial unterschätzt wordenwaren. Inzwischen ist das Ende der Ära derRaumfähren eingeläutet! Wie der Shuttle-Nachfolger aussehen wird,steht endgültig noch in den Sternen.Verschiedene Konzeptionen stehen zurDiskussion (siehe auch RC 39/40). In-zwischen können die USA zusehen, wieRussen und auch Chinesen ihre Mann-schaften ins All schicken – mit einerTechnologie, die in ihrer Historie bis in die60er Jahre zurückreicht. Aber die funktio-niert – auf die Minute pünktlich!

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Raumtransport fürEuropa - ein Plädoyerfür Ariane 5Zum Beitrag: "ESA-Ministerrats-konferenz in Berlin" in RC 39/40, Seite 68Viel Kritik musste der europäische Raum-transport unlängst von den deutschen Medieneinstecken. Die europäische SchwerlastraketeAriane-5 stand dabei zumeist im Mittelpunktdes Anstoßes. Es war vom "Milliardengrab"oder vom "störanfälligen High-tech-Monster"die Rede. Auch in der RC konnte man einenBericht lesen, der im Tenor diesem Trend folg-te. Tatsächlich ist die Sichtweise, die in denArtikeln durchweg vertreten wird, zu einseitig. Der Raumtransport war von jeher ein Gebiet,auf dem technische Entwicklung und syste-matischer Fortschritt ohne eine massive staat-liche Förderung undenkbar gewesen wäre. Diebeiden Supermächte USA und UdSSR mach-ten den Raumtransport zu einem der zentra-len Elemente im Konflikt des Kalten Kriegs, beidem finanzielle Ressourcen eine untergeord-nete Rolle spielten, sobald ein entsprechenderErfolg in Aussicht war. Mit dieser Haltunggelang den USA die aus heutiger Sicht nachwie vor unglaubliche Leistung der Mond-landung mit Apollo. Doch bereits bei derEntwicklung des Space Shuttles in den 70erJahren begann sich dieser Ansatz zu wandelnund Kostendenken die strategischen Entschei-dungen zu beeinflussen – mit weit reichendenKonsequenzen.Für die Nutzlasten des gerade aufkeimendenkommerziellen Marktes standen kaum Träger-raketen bereit, nachdem der Transport kom-merzieller Satelliten mit dem Shuttle unter-sagt wurde. In dieser Situation schlug dieGunst der Stunde für Ariane, die im gleichenZeitraum große Erfolge feierte. Auf einmalwar die europäische Trägerrakete nahezu kon-kurrenzlos auf dem Markt und für fast allewestlichen Anbieter auf dem Telekommuni-kationssektor ein gefragter Anbieter. Es fielArianespace und der europäischen Raum-transportindustrie in dieser Weltmarktsitu-ation nicht schwer, Ariane gewinnbringend zuvermarkten.Doch die Monopolsituation der europäischenAriane war nicht in Stein gemeißelt. EinUmdenken in den USA sorgte recht bald füreine Renaissance der klassischen Atlas- undDelta-Trägersysteme und der Fall des EisernenVorhangs führte in den 90ern zur Verfüg-barkeit russischer und ukrainischer Träger-systeme auch für westliche Kunden. In diesenZeitrahmen fiel auch die Markteinführung derAriane-5, die nach dem Ende des Hermes-Raumgleiters ausschließlich für den Transportunbemannter Fracht ins All genutzt werdensollte. Der Erststart war ein Fehlschlag und dieQualifikation der Rakete verzögerte sich umJahre. War die Entwicklung der neuen

Superrakete ein Fehler gewesen?Es ist in der Tat so, dass die Ariane-5 nichtprimär für den heutigen Einsatz ausgelegtund optimiert worden war und dieAbhängigkeit vom Doppelstart sowohl dieStückzahlen als auch die Missionsflexibilitätdes Trägersystems verringert. Es zeigt sichallerdings, dass diese Nachteile im heutigenGesamtbild von eher nachrangiger Bedeutungsind. Das zentrale Problem bei der Vermark-tung europäischer Trägersysteme auf demWeltmarkt ist der Preis, der für kommerzielleStartdienstleistungen gegenwärtig verlangtwerden kann. Der Erlös für den Start einesSatelliten der 4 – 5 t-Klasse in den geosta-tionären Transferorbit liegt heute bei runden75 M$, was augenblicklich etwa 62,5 Mh.entspricht. Die Produktion und Start-vorbereitung eines Trägersystems in dieserLeistungsklasse ist derzeit in Europa nichtmöglich. Auch eine Ariane-4 wäre heute zudiesem Preis nicht herstellbar. Zuletzt lagendie Startkosten einer Ariane-44L – der lei-stungsfähigsten Variante mit 4,8 t Nutz-lastkapazität – bei über 100 Mh. EinePreisreduktion von über 40% wäre notwendiggewesen, um gewinnbringend auf demWeltmarkt anbieten zu können. Das war nichtrealisierbar. Vor diesem Hintergrund fiel dierichtige Entscheidung, die Ariane-4 zuGunsten der leistungsfähigeren Ariane-5 vomMarkt zu nehmen, um sowohl Arianespace, alsauch die Raumtransportindustrie von derbudgetären Doppelbelastung zweier parallelaktiver Produktionslinien und Startanlagen zubefreien. Die Trägerrakete Ariane-5 hat mit ihrergroßen Leistungsfähigkeit prinzipiell rechtgute Chancen auf dem Markt. Dabei erweistsich die Fähigkeit, Nutzlasten im Doppelstartzu starten sowohl als Chance als auch alsRisiko. Einerseits beschert der Doppelstart denMissionsplanern und Kunden in erster LinieNachteile, weil stets zwei Satelliten gleichzei-tig startbereit sein müssen. Andererseits sorgtder Doppelstart dafür, dass die systematischhohen Produktions- und Betriebskosten eineswestlich gefertigten Trägers relativiert wer-den. So bringen beispielsweise zwei Nutz-lasten der 3 t-Klasse substanzielle Mehrein-nahmen im Vergleich zu einem einzigen Satel-liten der 6 t-Klasse weil die Startpreise nichtlinear mit der Masse skalieren. Die großeNutzlastkapazität der Ariane-5 ist hier vonVorteil. Doch alle Bemühungen, die Ariane-5 bei die-sen Weltmarktbedingungen gewinnbringendzu vermarkten sind bislang nicht erfolgreichgewesen und auch Optimisten werfen einenkritischen Blick in die Zukunft. Selbst wennsich im besten Falle auf dem Marktsegmentrussischer, ukrainischer und westlicher An-bieter die Preise auf einem höheren Niveaustabilisieren könnten ist absehbar, dass diefernöstlichen Anbieter von Startdienst-leistungen in China und Indien bald einen er-neuten Preiskampf auf dem Weltmarkt ein-läuten. Die nicht nach marktwirtschaftlichenKalkulationen im westlichen Standard gefer-

tigten Träger lassen sich zu nahezu beliebiggeringen Preisen anbieten. Es stellt sich daherheute die grundsätzliche Frage, ob ein inEuropa gefertigtes Raumtransportsystemprinzipiell auf dem Weltmarkt erfolgreich seinkann, oder ob unser im Vergleich hohesLohnniveau dies auf lange Sicht von vornher-ein ausschließt. Ist es also vor diesem Hintergrund gerechtfer-tigt oder lohnenswert, zusätzliche Mittel indas Ariane-System zu investieren? DieAntwort lautet ja! Mit der Ariane-5 verfügtEuropa über eine leistungsfähige Trägerrakete,die gute Chancen hat, in naher Zukunft die"Kinderprobleme" eines neuen Raumtrans-portsystems hinter sich zu lassen, und einenmit Ariane-4 vergleichbar hohen Vertrauens-und Qualitätsstandard zu erreichen. DieQualität eines Trägersystems misst sichschließlich vor allem an der Zahl erfolgreicherMissionen. Auf der Ministerratskonferenz inBerlin wurde ein neues Programm aufgelegt –"Ariane Consolidation and Evolution Pre-paration", ACEP – in das Deutschland pro Jahrim Durchschnitt knapp acht Millionen Euroeinzahlt. Mit diesem im Vergleich geringenAufwand soll Ariane-5 in seiner neuen "10-Tonnen"-Konfiguration für den Flugbetriebder kommenden Jahre optimiert und dieKosten für den Erhalt des europäischenWeltraumzugangs minimiert werden. Einezweifellos lohnende Investition.Auf dem europäischen Trägersektor laufendaneben allerdings seit geraumer Zeit dieunterschiedlichsten Aktivitäten, um die tech-nischen und systematischen Anforderungenan ein Raumtransportsystem der nächstenGeneration zu identifizieren. Der Schwerpunktbei der Entscheidungsfindung ist hierbei derEntwurf eines Raumtransportkonzepts, dasden Ansprüchen des institutionellen europäi-schen Raumtransportbedarfs am ehestengerecht wird und dessen Realisierung dieeuropäischen Steuerzahler am wenigstenbelastet. Dieser Prozess sollte nicht aufgrundvon kurzfristigen Trends oder dem Wirken ein-zelner Lobbyisten übereilt zu einem Abschlussgedrängt werden. Nur eine ausgewogeneAnalyse aller Aspekte kann hier zu einer lang-fristig befriedigenden Lösung führen. Bisdahin ist Europas eigenständiger Weltraum-zugang und der Erhalt des technischen Know-hows auf dem Bereich Trägersysteme direktmit dem Erfolg der Ariane-5 verknüpft. Unddank der gemeinsamen europäischen An-strengungen, dominieren in der jüngerenVergangenheit die Erfolge bei weitem dieMisserfolge im Ariane-Programm.Dr. Thilo Kranz

RC-Meinung

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Wettlauf zum MondVierteiliger Film vonDebbie Cadbury undChris Spencer.

Montags, 16. Januar,23. Januar, 30. Januarund 6. Februar, je-weils 21.00 Uhr, ARD.Co-Produktion zwi-schen den USA (Na-tional Geographic),

Russland (Channel One), Deutschland (NDR)und Großbritannien (BBC).

Die Produktion wurde als Spielfilm mit doku-mentarischem Anspruch angekündigt. Hierbeginnt auch schon das Problem. Wie ernsthaftlassen sich geschichtliche Vorgänge mit denAnsprüchen eines Spielfilms vereinbaren? Wirdder Zuschauer nicht automatisch die Inter-pretationen des Regisseurs als vermeintlicheGeschichtsereignisse in Erinnerung behalten?

So fallen auch schnell einige Ungereimtheitenauf. Dazu muss ich ergänzen, dass mir selbstdiese Geschichte nicht nur als Aufarbeitungder heute verfügbaren Daten bekannt ist. Inden 60ern und 70ern hatte ich mehrfachGelegenheit mich mit Wernher von Braun,manchen seiner Mitarbeiter und beispielsweiseauch Leonid Sedow zu unterhalten. Der "Vaterdes Sputniks" war zu dieser Zeit im Westen derRepräsentant der russischen Raumfahrtfor-schung. Dabei fiel nie der Name Sergej

Koroljows. Als einer der besten Kenner galtdazu Rolf Engel. Auch er wusste zwar, dass hin-ter den russischen Erfolgen ein großer Kon-strukteur stehen musste, konnte diese Rolleaber mit keinem Namen verbinden.Deshalb kann ich hier auf die Darstellung desLebens Koroljows auch nicht aus eigenerKenntnis eingehen. Die Beschreibung vonBrauns als opportunistischen und kriegsverbre-cherischen Ingenieur des Nazisystems ist aberüberzeichnet. Aus einer heute sehr komforta-blen Position und mit einigem geschichtlichenWissen ist es wohl schwierig die Entscheidun-gen von Menschen, die nur einen Bruchteildessen über ihre eigene Zeit wussten und sichgleichzeitig immer mit einem Existenz bedro-henden totalitären System auseinandersetzenmussten, beurteilen zu können.

Warum wird also unterschlagen, dass auch vonBraun unter Hitler im Gefängnis saß? Warumwird von Braun absurderweise in den Mundgelegt, dass er gegenüber amerikanischenVorgesetzten die Arbeit für Stalin vorziehenkönnte? Warum wird unterschlagen, dass estatsächlich der amerikanische Präsident D.D.Eisenhower war, der mit seiner Ankündigungeines Satelliten für das geophysikalische Jahrletztlich das Wettrennen startete. Statt richti-ger Details gibt es nur immer wieder Pathos.

Um es klarzustellen: Es geht hier nicht darum,das einstige Geschehen während der NS-Zeitverharmlosen zu wollen. Wenn man Geschich-te aufarbeitet, sollte man aber nicht einzelneAspekte willkürlich präsentieren. Wir selbstkönnen schließlich heute nur dankbar sein in

einer Demokratie leben zu dürfen und uns nurmit deren sehr viel harmloseren Anforderungenan den Einzelnen auseinandersetzen zu müs-sen.

Der Wettlauf zum Mond ist eines der span-nendsten Ereignisse der Menschheitsge-schichte und verdient Aufmerksamkeit. Dasswir inzwischen nur sehr schwer in der Lage zusein scheinen den damaligen Erfolg zu wieder-holen, macht diesen Geschichtsabschnitt umsowichtiger. Dass es dabei ausgerechnet die deut-sche Nazigeschichte ist, die die Voraus-setzungen dafür schuf, ist tragisch. Wir solltendazu aber auch das Plädoyer einiger Raum-fahrtpioniere in Erinnerung behalten, die ausden frühen Raketenentwicklungen eine Über-windung interkontinentaler Konflikte ableite-ten. Von Braun hat dies seinerzeit übrigensauch J.F. Kennedy vorgetragen. Der bekamallerdings nur noch einmal Gelegenheit, dasThema in einer Rede zu vertiefen.

In diesem Film steckt viel Arbeit und immerwieder werden detaillierte Bilder jener Zeitgezeichnet. Diese Bilder hätten die Mühegelohnt, in einem sorgfältiger recherchiertenRahmen präsentiert zu werden. Zusammen-fassend bleibt der Wunsch, gerade der Ra-keten- und Raumfahrtgeschichte künftigetwas ehrlicher zu begegnen.Hartmut E. Sänger

Raumfahrt Concret 1/2006

RC-Rezension/ISSRe

zens

ion

ISS-Sichtbarkeitvon März bis Mai 2006Die Datenbasis ist vom 10. Februar 2006.

Grafikmodell: Hartmut E. Sänger

Die Grafik zeigt die jeweilige Bahnder ISS, so wie sie direkt auf die Erd-oberfläche projiziert sein würde. Füreinen Beobachter, der sich bei kla-rem Himmel unterhalb der entspre-chenden Linie befände, zöge die ISSalso genau senkrecht über diesenhinweg (90° über dem Horizont =Zenit, schwarzer Halbkreis = Hori-zontlinie). An fast allen anderenOrten auf dem Kartenausschnittwäre die Station zwar auch zusehen, aber in geringeren Höhenüber dem Horizont. Verliefe bei-spielsweise eine Linie über Bern inder Schweiz, so wäre die ISS an die-ser Stelle in Rostock theoretisch aufHöhe des Horizonts zu beobachtenund umgekehrt. Eine Bahn überLeipzig ließe die ISS in Rostock 60°hoch über dem Horizont von Rostockerscheinen usw. Die projiziertenBahnkurven gehen jeweils vonwestlicher in östliche Richtung undsind mit Anfangs- und. Endzeitendokumentiert. Die Helligkeit derRaumstation schwankt zwischen +2(Polarstern) und –4 Magnitude(Venus im hellsten Glanz). AufGrund der stetigen Bahnänderungder ISS (Höhenverlust, Anheben beiShuttlemissionen) sind im Laufeunseres Berichtszeitraumes Diffe-renzen von einigen Minuten proMonat wahrscheinlich.

Genaue tägliche Lokalisationen in: www.heavens-above.com

ISS

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RFK-Report Nr. 31

RC-RFK-Report

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Raum

flugk

örpe

r-Re

port

November 2005Start- Internat. Name Land/ Träger/ Bahn in km Umlauf Inkl. in ˚ Funktion und Bezeichnung,

tag Index Org. Startort in min ggf. weitere Infos in Fußnote

08 2005-044A INMARSAT 4-F2 INMARSAT Zenit-3SL/ GEO, 53° W 6 t, 13 kW KomSat. mit 200 Spot-Beams für Daten-

Odyssey Pazifik und Videoübertragung nach Nord- und Südamerika

154º W sowie die Pazifik und Atlantic-Regionen.

09 2005-045A Venus ESA Sojus-FG/ interplanetar 1,3 t (davon 570 kg Treibstoff), 1,1 kW, 1,5 x 1,8 x 1,4 m

Express Baikonur Planetensonde mit 7 Instrumenten zur Venus-

Fernerkundung. Erste europäische Mission zur Venus.

☛RFK-Spot.

16 2005-046A Spaceway 2 USA Ariane 5ECA/ GEO, 99° W 6 t, 12,3 kW KomSat mit 48 Ka-Band-Transpondern für

Kourou Hochgeschwindigkeits- und hochauflösenden Video-

und Internetservice für DirectTV-Kunden in

Nordamerika.

16 2005-046B Telcom 2 Indonesien wie vor GEO, 118° O 1,9 t, dreiachsenstabilisierter TelekomSat. mit 24 C-

Band-Transpondern und Spot-Beams für

Hochgeschwindigkeits-Daten-, Audio- und

Internetservice.

Dezember 200521 2005-047A Progress-M55 Russland Sojus-U/ 91,6 51,6 5,7 t (davon 880 kg Treibstoff) Versorgungsraumschiff

/Roscosmos Baikonur für die ISS mit 210 kg Wasser, 83 kg Luft und 1,4 t

Ausrüstung an Bord.

21 2005-048A Gonets-M Russland Cosmos-3M/ 1.424 x 1.414 114,7 82,5 250 kg, 40 W KomSat. auf niedriger Höhe.

Plessetzk ☛RFK-Spot.

21 2005-048B Kosmos 2416 wie vor wie vor wie vor wie vor wie vor MilitärSat. – keine weiteren Angaben.

(Rodnik) ☛RFK-Spot.

21 2005-049A INSAT 4A Indien Ariane 5G/ GEO, 83° O 3,1 t und 5,5 kW KomSat. mit 1.263 W-C-Band und 12

Kourou 140 W-Ku-Band-Transpondern für direkten Heim-

Daten- und –TV-Service (DTH = direct-to-home) für

Indien und Nachbarländer.

21 2005-049B MSG-2 ESA/ wie vor GEO, 0° O Meteosat Second Generation 2 ist ein 2 t, spin-stabili-

EUMETSAT sierter WetterSat. mit zwei Hauptinstrumenten: SEVIRI

und GERB. 1) ☛ Beitrag auf den Seiten 8-13

25 2005-050A Kosmos 2419 Russland Proton-K/ 19.125 x 19.116 675 64,86 GLONASS NavSat. für Slot-3 Position.

Baikonur http://www.glonass-center.ru/nagu.txt

25 2005-050B Kosmos 2418 wie vor wie vor wie vor wie vor wie vor wie vor

25 2005-050C Kosmos 2417 wie vor wie vor wie vor wie vor wie vor wie vor

28 2005-051A GIOVE-A ESA Sojus-Fregat/ 23.613 x 23.613 841 56 Galileo In-Orbit Validation Element ist ein 600 kg

Baikonur NavSat. für die Galileo-Konfiguration aus 30 NavSats.

bis zum Jahre 2010.

29 2005-052A AMS 23 USA/ Proton-M/ GEO, 172° O 5 t KomSat. Mit 20 Hochleistungs Ku-Band- und 18 C-

(WorldSat 3) SES Global Baikonur Band-Transpondern für Audio-, Video- und

Internetservice für die Pazifische Region.

Januar 200619 2006-001A New Horizons USA/ Atlas V/ interplanetar 450 kg reine, dreiachsen-spin-stabilisierte

NASA Cape Canaveral Planetensonde zum Pluto. Das Raumschiff nutzt 11 kg

Plutonium für einen Nuklearreaktor, ähnlich dem von

Cassini. http://pluto.jhuapl.edu/ 2)24 2006-002A ALOS Japan/ H-2A/ 700 x 698 98,7 98,2 4 t Fernerkundungssatellit ☛RFK-Spot.

(Daichi) JAXA Tanegashima

1) SEVIRI (Spinning Enhanced Visible and InfraRed Imager) wird alle 15 min Bilder in vier optischen und in acht infraroten Kanälen liefern. Die Auflösung wird bei 1 km im sichtbarenSpektrum und bei 3 km im infraroten Spektrum liegen. GERB (Geostationary Earth Radiation Budget) wird die Energiebilanz zwischen dem auf die Erde einstrahlenden Sonnenwind und dieInfrarotabstrahlung messen. Sobald MSG-2 betriebsbereit ist (ab Juni 2006), wird er in Meteosat-9 umbenannt werden. Die bisherigen 8 Meteosats gehörten zur ersten Generation europäi-scher Wettersatelliten. 2) New Horizons ist auf dem Weg zum Pluto und Charon, wo die Sonde 2016 ankommen soll. An Bord befinden sich sieben Hauptinstrumente: Ralph – ein 6 cm- Teleskop, Alice – ein UV-Spektrometer, REX (Radio EXperiment) – ein Radioempfänger, LORRI (LOng Range Reconnaissance Imager) – eine Kamera mit 100 m Auflösung, SWAP (Solar Wind Analyzer around Pluto) –ein Spektrometer für den Solarwind, PEPSI (Pluto Energetic Particle Spectrometer Investigation) – ein Spektrometer zur Untersuchung von Elementarteilchen und SDC (Student DustCounter) – für die Messung der Grösse von Partikeln. Ebenfalls an Bord fliegt eine CD mit den Unterschriften von 435.000 Bürgern der USA.

Die rückgeführten und verglühten RFK`s werden in der nächsten Ausgabe nachgereicht.Zusammenstellung: Jacqueline Myrrhe.

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Raumfahrt Concret 1/2006

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Fünfmonatige Reise zur VenusDie Europäische Weltraumorganisation ESAgab nach der erfolgreichen Mission Mars Ex-press, deren Orbiter sich seit Dezember 2003in einer Umlaufbahn um den Roten Planetenbefindet, ihrer jüngsten Mission nicht zufälligden ähnlich lautenden Namen Venus Express.Schließlich sind beide Raumschiffe fast bau-gleich und wie auch bei der Mission MarsExpress wurde das Projekt extrem schnell rea-lisiert. Im April 2006 soll Venus Express fürzunächst 500 Tage –oder auch mehr- aus demOrbit den Planeten erkunden. Trotz fast iden-tischer Größe von Venus und Erde ist derAtmosphärendruck (auf der Erde normaler-weise als Luftdruck bezeichnet) auf der Venushundertmal so hoch wie auf der Erde - undauch die Zusammensetzung und Dynamik derAtmosphäre sind ganz unterschiedlich undauf der Venus alles andere als lebensfreund-lich: Zwar herrscht am Boden fast Windstille,

doch in großer Höhe jagen Wolken ausSchwefelsäure in nur vier Tagen um denPlaneten - übrigens in viel größerer Ge-schwindigkeit, als die Venus sich um ihre eige-ne Achse dreht: Ein im Sonnensystem einma-liges Phänomen.Die sich stellenden Fragen sind vielfältig:Welche chemische Zusammensetzung habendie einzelnen Schichten der Atmosphäre imDetail? Welche physikalischen Eigenschaftenhaben die Schichten, wie zirkulieren sie? Wiespielt sich der Treibhauseffekt der Venusgenau ab, und wie entwickelte er sich imLaufe der Jahrmilliarden? War es im "Treib-haus" auf der Venus immer schon so heiß,zwischenzeitlich gar noch heißer? Oder be-wirkten helle Wolken zeitweilig einen gegen-teiligen Effekt, indem Sonnenstrahlung stär-ker ins Weltall reflektiert wurde und es aufder Venus auch kühlere Phasen gab - nichtzuletzt, weil das nukleare Feuer der Sonneanfänglich noch nicht so heiß war wie heute?

Welche Wechselwirkung geht diese einzigar-tig dichte Atmosphäre mit den Gesteinen aufder Venus ein?

Doppelstart in PlessetzkGonez-M ist ein kleiner Nachrichtensatellitfür mobile Kommunikationsdienstleistungen(E-Mail, SMS usw.). Betreibergesellschaft istdie Staatsfirma GONEZ, die bereits seit einigenJahren einige Satelliten des Typs Gonez-D1betreibt. GONEZ stellt seinen Service vorwie-gend Regierungsbehörden, aber auch derNachrichtenagentur ITAR-TASS, zur Verfü-gung. Das Programm wird von der Raum-fahrtbehörde Roscosmos finanziert, die auchdie Gonez-Satelliten bei NPO PM bauen lässt.Die Ausrüstung liefert die Firma Totschpriboraus Moskau. Mit Gonez-M wird eine neueSatellitengeneration mit 7 Jahren Funktions-dauer eingeführt. Insgesamt sollen 12 Satel-

liten gestartet werden. Bislang sind sechsGonez-D1 in Betrieb. Der Satellit Kosmos 2416ist vermutlich das militärische Gegenstück zuGonez-M. Spaceflightnow bezeichnet ihn als"Rodnik". Vermutlich handelt es sich um einverbessertes Modell des Typs Strela-3. DerSatellit wurde bei NPO PM oder Poljot gebaut.Auf der Rakete Cosmos-3M Nr. 232 flogenauch Briefe russischer Kinder mit Wünschenan Väterchen Frost zum Neuen Jahr mit. DerStart war ursprünglich am 20.12. geplant,musste aber um 24 Stunden verschoben wer-den, nachdem man eine defekte Batterie ander Oberstufe der Rakete gefunden hatte. DieBatterie wurde ausgetauscht und die Raketezum Start freigegeben.

ALOS ist nicht nur Kartograph sondern auch KatastrophenwächterALOS - Advanced Land Observing Satellite –dient der Vermessung, der präzisen, regiona-len Landüberwachung im asiatisch-pazifi-schen Raum, der Katastrophenvorwarnungund der Erkundung von Naturressourcen.Seine Fernerkundungseigenschaften sindgegenüber seinen Vorgängern JERS-1 undADEOS stark verbessert worden.An Bord des japanischen Satelliten befindensich drei Sensoren:PRISM (Panchromatic Remote-sensingInstrument for Stereo Mapping), AVNIR-2 (Advanced Visible and Near InfraredRadiometer) und PALSAR (Phased Arraytype L-band Synthetic Aperture Radar).PRISM besteht aus drei gleichen Kameras, diedas Höhenprofil vermessen. Eine Kamera ist inNadir-Richtung montiert, eine 24 Grad vor-wärts geneigt und die andere 24 Grad rück-wärts geneigt. Der Fotoprozess wird durch die

Satellitenbewegung befördert, nicht durchScannen. Mit einer Breite von 70 km für dieNadir-Kamera und 35 km für die beiden ande-ren können Aufnahmen von 2,5 m Auflösungim Bereich von 0,52 – 0,77 nm und von28.000 CCD-Bildpunkten erreicht werden.AVNIR-2 ist ein Strahlungsmessgerät im opti-schen und infraroten Bereich, womit die Ober-flächenbeschaffenheit der Landmasse festge-stellt werden kann. Vier Bandbreiten können

mit 7.000 CCD-Bildpunkten abgedeckt wer-den, wobei eine Auflösung von 10 m erreichtwird. Das Gerät kann einen Bildstreifen von1.500 km Breite scannen. PALSAR ist ein Radarim Frequenzbereich von 1.270 MHz mit dreiverschiedenen Auflösungen: fein, scan oderpolarimetrisch. Dabei werden Auflösungenvon 40 km im Feinbereich und polarimetri-schen Modus und bis 300 km im Scanmoduserreicht. Das Radar erlaubt Tag-und-Nacht-Beobachtungen bei jedem Wetter.Am 28. Januar teilte die Japanische Raum-fahrtbehörde JAXA mit, dass es keinerleiProbleme während der kritischen Phase desSatelliten, angefangen vom Start, Trennungvom Träger, über die Entfaltung der Solar-paneele und Antennen bis zur Vorbereitungdes regulären Regimes gegeben hat. DerÜbergang in den Sicherheitsmodus erfolgteplanmäßig, bevor die Phase der Inbetrieb-nahme der Bordsysteme gestartet wurde.Diese Prozeduren der Instrumentenprüfungwerden noch bis April andauern.

RFK-

Spot

Foto: NASA.

Foto: NPO PM.

Foto: JAXA.

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Page 44: Erdbeobachtung: Service aus dem All · 2013. 12. 12. · AUSGABE 1/ 2006 Euro 4,50 US$ 5,50 WELTALL + ERDE + MENSCH Heft 41 Erdbeobachtung: Service aus dem All RC 41-2006_Quark_6NEU

F Ö R D E R E R D E R R A U M F A H R T U N D W E L T R A U M F O R S C H U N GIch bin Förderer der Raumfahrt und Weltraumforschung, weil sie uns kontinuierlich zu neuen Ufern führt und

gigantische Perspektiven eröffnet. Wie auf keinem anderen Gebiet ist die internationale und interfachliche

Kooperation so ausgeprägt und auch erforderlich. Den Weltraum begreifen, heisst uns selbst erkennen - diese

uralte Sehnsucht der Menschheit treibt uns stetig voran.

Darum spendet Jacqueline Myrrhe 2.000.- Euro im Jahr 2006 für RC.

RC-Intern

Raumfahrt Concret 1/2006

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,wir möchten uns für das ausgesprochene Vertrauen recht herzlich bedanken. Denn fast alle Leser haben Ihr Abonnement trotz unserer 25 %igenPreiserhöhung verlängert.Ganz besonderen Dank geht wieder an jene, die auch in diesem Jahr RC mit einer Spende unterstützen:Franz Ulbrich (Kassel), Regina Hagen (Darmstadt), Carsten Mahr (Königswusterhausen), Manfred Böller (Treffelstein), Gerald Steinmetz(Frankfurt/Oder), Familie Nobiling (Berlin), Helmut Schuster (Wien).Aber last but not least gebührt unser Dank auch dem DLR und der Industrie, von der wir insbesondere EADS Space, Galileo Industries, OHB-System,Jena-Optronik, MT Aerospace, IABG, Kayser-Threde und von Hoerner & Sulger erwähnen möchten. Aber auch kleine engagierte Unternehmen wiedas Steinbeis-Transfer Zentrum oder die Klingseisen Technologie GmbH, die RC in gewohnter Weise unterstützen, sollen nicht unerwähnt bleiben.

Wir wissen, liebe Leserinnen und Leser, Ihr Vertrauen zu schätzen und möchten mit noch mehr Qualität und Engagement dieses rechtfertigen.Darum haben wir unser Team mit einigen neuen kompetenten Personen ergänzt:

Prof. Dr. Karl-Heinz Marek wohnt in Werder, Brandenburg, studierte an der Moskauer Hochschule für Geodäsie,Photogrammetrie und Kartografie und promovierte 1971 an der TU Dresden.1977 wurde er zum Leiter des Fernerkundungszentrums der Akademie der Wissenschaften der DDR berufen und hatte 1978die wissenschaftliche Leitung zur Vorbereitung und Auswertung der Fernerkundungsexperimente beim ersten deutschenWeltraumflug inne. 1984 Professor für Geodäsie und Fernerkundung an der AdW.Von 1990 bis 1991 war er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Fernerkundung der sozialistischen Länder im Interkosmos-Programm. Seit 2004 ist er Vorsitzender des Arbeitskreises Fernerkundung Berlin-Brandenburg e.V.

Dipl. Ing. Axel Kopsch lebt im Bodenseekreis und ist seit 33 Jahren im Raumfahrtgeschäft tätig, beispielsweise imSatellitenbau (Electrical System Engineering) bei Dornier System / EADS-Astrium oder an drei ESA-Satellitenprojekten (ISEE-B,ERS-1, ERS-2). Ferner Mitarbeit an diversen ESA-Studien für Erdbeobachtung und Programmtätigkeit für SAR-Missionen.Von 1981 bis zur Fusion mit der DGLR 1991 Mitglied in der Hermann-Oberth Gesellschaft.Seit 2002 Mitglied des IFR. Er betreut die DGLR-Bezirksgruppe Friedrichshafen und organisiert technisch-wissenschaftliche Vorträge über Luft- undRaumfahrt für die Öffentlichkeit in Immenstaad.

Eugen Reichl, wohnhaft in München, ist bei der EADS Space Transportation GmbH in München im Bereich Träger- undSatellitenantriebe tätig.Er war langjähriger Berichterstatter des Star Observer und Europakorrespondent des amerikanische Magazins "Ad Astra" derNational Space Society. Eugen Reichl ist Verfasser und Mitherausgeber des seit drei Jahren erscheinendenRaumfahrtjahrbuches des VFR und arbeitet derzeit für den Stuttgarter Motorbuch-Verlag an einer Raumfahrtchronik. Neben Vorträgen für EADS, Vereine, Schulen und Bildungseinrichtungen wie für die bayerische Hans Seide-Stiftung lieferter Beiträge für Wissenschaftssendungen des Bayrischen Rundfunks. Er ist seit acht Jahren Vorstandsrat im VFR (http://www.vfr.de/).

Tasillo Römisch, wohnt in Mittweida, Sachsen, studierte an der Universität Leipzig Ökonomie und war 1972Gründungsmitglied der Raumfahrt-Jugendarbeitsgemeinschaft "JAGK", 1988 Mitglied des Präsidiums der Gesellschaft für Weltraumforschung und Raumfahrt der DDR (GWR). 1992 Eröffnung des firmeneigenen Raumfahrtmuseums, 1996 Gründung der welteinzigen privaten Astronautenvermittlung.2004 Leiter der DGLR-Bezirksgruppe Dresden. Chairman aller sechs bisherigen SATERRA-Raumfahrtkonferenzen der Hochschule Mittweida. Studienreisen zur Raumfahrt-und Technikgeschichte in 40 Länder.

Dr. Achim Zickler wohnt in Jena, Thüringen, studierte dort an der Universität Physik und promovierte 1974 an der TU Ilmenau. Von 1954 bis 1979 war er im VEB Carl-Zeiss-Jena tätig, zuletzt als Hauptabteilungsleiter.1974 Leitung des Entwicklungsteams der Multispektralkamera MKF-6. Ab 1979 Mitarbeiter im Institut für Kosmosforschung (Interkosmos, Fernerkundung, Einsatz der MKF-6). Von 1991 bis zu seinem Ruhestand 1998 Mitarbeiter der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (DARA) bzw.des DLR, verantwortlich für die Organisation der deutschen Zusammenarbeit mit Russland und China.Seit 1999 stellv. Vorsitzender der DGLR-Bezirksgruppe Erfurt und seit 2004 ehrenamtlicher Berater des Wirtschaftsministeriums Thüringens in Fragen Luft- und Raumfahrt.

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RC-Bunte Ecke/Impressum

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Raumfahrt Concret 1/2006

Impressum©2006/ Herausgeber: Initiative 2000 plus e.V. Raumfahrt Concret erscheint im Verlag Iniplu 2000im Jahr 2006 mit 5 Ausgaben (mindestens 36 Seiten)Verlagsleiter: Jacqueline MyrrheAnschrift des Verlages:Verlag Iniplu 2000c/o Initiative 2000 plus e.V.Lindenstraße 63 (TIG), 17033 NeubrandenburgEinzelverkaufspreis*:EE 4,50 *mit RC-Extra EE 7,50US$ 5,50 US$ 8,00zzgl. Porto und VerpackungJahresabonnement:(inkl. Versand) Deutschland: EE 20,00

Europa: EE 23,00Anzeigenpreisliste auf AnforderungZur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 4 vom 1.10.2001Bei Lieferverzug in Form von höherer Gewalt besteht keinRechtsanspruch gegenüber dem Verlag. Kopien zum kommerziellenVertrieb oder Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Herausgebers. Die Redaktion behält sichvor, Beiträge redaktionell zu bearbeiten. Namentlich gekennzeichneteArtikel stellen nicht unmittelbar die Meinung des Herausgebers dar.

Redaktionskollegium: Uwe Schmaling (Chefredakteur, V.i.S.d.P.), Hartmut E. Sänger (Stellvertretender Chefredakteur), Dietmar Röttler,Prof. Dr. Karl-Heinz Marek, Dr. Achim Zickler, Tasillo Römisch.Eugen Reichl, Axel Kopsch.

Associate editorsChina: Chen LanUSA: Dr. Dwayne A. Day

Korrespondent Russland: Prof. Anatoli Sotow

Ständige MitarbeiterMars Society: Sven Knuth, Felix KalkumModellraketen: Stefan WimmerGrafiken: Dietmar RöttlerTitel/Grafik/Layout: Jörg HinzDruck: D&S Druck&Service GmbH NeubrandenburgSponsoring: Jacqueline Myrrhe, Raumfahrtexpertin

Anschrift der RedaktionRaumfahrt ConcretPF 10 12 39D- 17019 NeubrandenburgTelefon: 0395 - 582 33 66Fax: 0395 - 36 96 747E-Mail: [email protected]: www.raumfahrt-concret.de

Gerichtsstand: Amtsgericht NeubrandenburgRedaktionsschluss: 20.02.2006

RC ist Hauszeitschrift folgender Vereine:

Internationaler Förderkreis für Raumfahrt Hermann Oberth - Wernher von Braun (IFR) e.V.Kontakt: Dipl. Ing. Frank E. RietzE-Mail: [email protected]

Verein zur Förderung der Raumfahrt e.V. Postfach 801966, 81619 München, www.vfr.de Fax: +49 (0)89 - 450 08 99 - 7375 Kontakt: Ulla Hodapp E-Mail: [email protected]

Deutsche Raumfahrt Gesellschaft e.V. Greta-Bünichmann-Straße 3, 48155 Münster, www.drg-gss.orgTel.: (0251) 394 48 63, Fax: (0251) 394 48 64 Kontakt: Michael StenneckenE-Mail: [email protected]

Raketenmodellsportverein 82´e.V.Kontakt: Marcus RehbergerE-Mail: [email protected]

Europa und Russland verabredeten, wie erstjetzt bekannt wurde, vor einigen Jahreneinen Wettbewerb zum Bau und Start einerKleinrakete. Der Einfachheit halber war alseinziges Kriterium die erreichte Höhe aus-geschrieben. Die Konstruktionsmannschaftwar auf jeweils 20 Personen beschränkt.

Beide Teams bereiteten sich rund zwei Jahredarauf vor. Im ersten Jahr des Wettbe-werbes flog die russische Rakete rund 100km weiter in den Weltraum als die europäische.Nach dieser Niederlage war das Europa-Team sehr betroffen. Das obere Manage-ment entschied, dass der Grund für dieseNiederlage unbedingt herausgefundenwerden musste. Eine Projektgruppe wurdeeingesetzt, um das Problem zu ergründenund geeignete Maßnahmen zu empfehlen.Nach langen Untersuchungen fand manheraus, dass bei den Russen 19 Personen ander Konstruktion werkelten und 1 Personmit administrativen Aufgaben betraut war.Bei den Europäern waren 19 Mann mitadministrativen Tätigkeiten beschäftigt und1 Person konstruierte die Rakete.

Das obere Management engagierte soforteine Beraterfirma, die eine Studie über die Struktur des europäischen Teams erstellensollte. Nach einigen Monaten und beträcht-

lichen Kosten kamen die Berater zu demErgebnis, dass zu viele Leute mitVerwaltungsaufgaben beauftragt und zuwenige mit dem Bau der Rakete beschäftigtwaren.Um eine weitere Niederlage gegen dieRussen zu verhindern, wurde sofort dieTeamstruktur verändert. Es gab jetzt einenGeneraldirektor, sechs Direktoren, je vierSenior Adviser und Heads sowie vier Staffmember und einen Konstrukteur. Außerdemwurde ein Leistungsbewertungssystem ein-geführt, um dem Konstrukteur mehrAnsporn zu geben. Ebenso wurde seinAufgabenbereich erweitert, um ihm mehr

Verantwortung zu übertragen.

Im nächsten Jahr gewannen die Russen mit200 km Vorsprung.

Das obere Management entließ sofort denKonstrukteur wegen schlechter Leistungen,verkaufte die noch vorhandenen Raketen-teile und stoppte alle weiteren Investi-tionen für eine neue Rakete. Der Bera-terfirma wurde ein Lob ausgesprochen unddas eingesparte Geld den 19 administrati-ven Personen als Entschädigung ausge-zahlt.

Der WettbewerbVon Space Driver Cörling

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Karikatur: Andreas Meenke.

Raumfahrt Concret auf der ILA Berlin-Brandenburg16. bis 21. Mai 2006 • Halle 6Besuchen Sie uns!

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