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Erfahrungsbericht über mein Auslandssemester in Malaysia
Geraldine Scripic
Ich habe mir sehr lange Gedachten darüber gemacht wie ich den Bericht anfangen soll, weil
es so viele Eindrücke waren, die man erlebt hat. Am besten beschrieben ist mein
Auslandssemester mit dem Wort „unbeschreiblich“ - Ein Semester im Ausland an einer
anderen Universität zu verbringen ist eine interessante Erfahrung, aber auch eine
Herausforderung.
Am meisten wurde mir die Frage gestellt, warum ich gerade in Malaysia ein
Auslandssemester machen will. Dafür gab es viele Gründe: Zum einem wollte ich was
anderes als das bisher Bekannte erleben - eine andere Kultur, eine andere Religion, andere
Lebensbedingungen und andere Menschen kennenlernen. Zum anderem bestand in
Malaysia eine gute Möglichkeiten an unserer Partneruniversität UKM in Bangi mein Studium
weiterfortzuführen. Aufgrund der guten Zusammenarbeit der beiden Universitäten und der
Fächerübereinstimmung, hatte ich die Chance in Malaysia Klausuren zu schreiben und sie
an der Universität Duisburg – Essen anrechnen zulassen. Die Studieninhalte an der UKM
entsprachen denen von meiner deutschen Universität. So belegte ich an der UKM
Elektrotechnik, Thermodynamik und Systemdynamik.
Das Studieren an der UKM
Die Universität Kebangsaan Malaysia ist auf ein ganz anderes Unisystem aufgebaut, dass
stark an die Schulzeit erinnert. Man sitzt auf einmal nur noch mit max. 50 Personen in einer
Vorlesung und der Professor kennt fast alle mit Vornamen. So kommt es auch mal vor, dass
der Professor dich während der Vorlesung anspricht und dir zu irgendetwas eine Frage stellt.
Neben der Anwesenheitspflicht stehen Hausaufgaben genauso auf der Tagesordnung wie
unangekündigte Tests, Praktika und Projektarbeiten. Ich denke, dass es für uns alle eine
große Umstellung war, denn von Deutschland waren wir es gewohnt uns im Studium
selberständig zu organisieren und die Freiheit zu haben nicht zur Vorlesungen gehen zu
müssen. Im Vergleich zu Deutschland ist das Studieren in Malaysia daher definitiv mit mehr
Aufwand verbunden. Dafür ist die Endnote in einem Fach aber auch nicht nur von einer
Klausur am Ende des Semesters abhängig. Die Endnote setzt sich in Malaysia aus der
Anwesenheit, dem Praktikum, der Projektarbeit, der Zwischenprüfung und schließlich aus
der Endprüfung zusammen.
Außerdem herrscht eine strikte Kleiderordnung. Aufgrund des muslimischen Glaubens, muss
jeder Student in der Uni Knie und Schultern bedeckt halten. Auch weite Ausschnitte bei
weiblichen Studentinnen werden nicht gern gesehen. Nicht nur aus Respekt dem
muslimischen Glaubens gegenüber sondern auch weil die Vorlesungsräume sehr stark
klimatisieret sind, kann ich euch nur empfehlen eine lange Hose und eine Strickjacke
anzuziehen.
Nach der Uni bietet es sich an in der Unicafeteria der Engineering Faculty oder in der
Pusanika zu essen. Die Cafeteria der Engineering Faculty bietet typisch malaysisches
Essen an. Es gibt ein Buffet mit unterschiedlichen Fleischsorten und Soßen, Salat, Tofu (…)
oder variierende Tagesgerichte. Hierzu muss ich allerdings anmerken, dass das Essen dort
zwar sehr günstig ist, aber leider alles kalt angeboten wird. In der Pusanika gibt es neben der
Mensa eine Bäckerei, die ich euch empfehlen würde.
Cafeteria der Engineering Faculty
Des Weiteren bietet der große Unicampus der UKM viele Freizeitaktivitäten. Es gibt einen
Golfplatz, einen Uni Pool, ein Fitnesscenter, zahlreiche Fußball- und Volleyballfelder, einen
Tennisplatz und ein unieigenes Stadion.
Golfspielen mit Prof Nik
Unipool
An der UKM sprach es sich schnell herum, dass 20 deutsche Austauschstudenten an der
Uni sind. Überall wo wir hingingen, wurden wir freundlich begrüßt, angelächelt oder auch
schon mal gelegentlich in ein Smalltalk über Deutschland verwickelt. Mich hat es ehrlich
gesagt überrascht, dass so ein großes Interesse an uns Austauschstudenten bestand und
dass die Menschen so offen sind. Außerdem hätte ich es auch nie gedacht, dass uns so viel
Aufmerksamkeit entgegengebracht werden würde, auf dem Campus hatte man fast „Star-
Status“. Diesen bemerkte man auch in den Vorlesungen, weil oft gefragt wurde „what
is it like in Germany?“.
Eins jedoch muss man schnell vergessen, die deutsche Pünktlichkeit und an seiner
Gelassenheit arbeiten. Manchmal war das Fitnesscenter einfach geschlossen, weil der
Trainer keine Lust hatte oder der Professor erschien nicht zur Vorlesung. Gerade wenn man
um 8 Uhr in dem Vorlesungssaal saß und kein Professor kam, vermisste man die deutsche
Pünktlichkeit. Andererseits hatten wir dadurch auch mehr Freiheiten und es war nicht alles
so strikt. Der beste Tipp ist wohl sich an die Malaien dranzuhängen.
Das Leben in Malaysia
Wir wohnten fast mit allen 20 deutschen Studenten im gleichen Apartmentblock von Sri Ixora
in Kajang. Ich habe mir mit zwei anderen deutschen Austauschstudentinnen aus meiner
Universität ein Apartment geteilt. Kajang liegt ca. 20 km von der Hauptstadt Kuala Lumpur
entfernt und zur UKM braucht man ca. 10 min mit dem Auto. In den ersten Wochen fuhren
wir ständig mit dem Taxi zur Uni oder nach Kuala Lumpur. An sich ist Taxifahren in Malaysia
im Vergleich zu Deutschland sehr günstig. Zur Uni bezahlt man umgerechnet 0,60 Euro,
wenn man sich ein Taxi zu viert teilt. Jedoch war das Taxifahren manchmal echt
nervenaufreibend, gerade die Taxisuche früh am Morgen und das Feilschen um den Preis
(bei Europäern verlangten die Taxifahrer gern das Doppelte des üblichen Preises). Und da
es neben dem Taxi keine andere Alternative als ein Auto gab, um jeden Tag zur Uni zu
kommen, habe ich mir mit drei anderen meiner Kommilitonen für das halbe Jahr ein Auto
gemietet. Dies war auf lange Sicht betrachtet sogar günstiger als ständig mit dem Taxi zu
fahren und außerdem war man flexibler.
Mit dem Apartment allerdings hatten wir leider kein großes Glück. Wir haben es von
Deutschland aus angemietet, da wir nicht wollten, dass wir in den ersten Wochen in Malaysia
neben dem Zurechtfinden in der neuen Uni noch die Wohnungssuche bewältigen müssen.
Folglich kannten wir vor Ankunft in Malaysia das Apartment nur von Bildern, die die
Mitarbeiter des Mercator Office der UKM uns als Vorschläge für die Unterkunft geschickt
hatten. Jedoch müssten wir bei unserer Ankunft herausfinden, dass die Bilder vom
Apartment und seiner Einrichtung nicht der Wirklichkeit entsprach. Nach endlosen
Gesprächen mit dem uneinsichtigen Vermieter, der Reparatur der kaputten Klimaanlage und
nach einem Besuch bei Ikea war das zuvor spärlich eingerichtete Apartment bewohnbar und
der erste Schock war vergessen. Hinzukam, dass wir sowieso nicht wirklich viel Zeit im
Apartment verbrachten, da wir fast jeden Tag unterwegs waren.
Kuala Lumpur ist eine sehr moderne, multikulturelle Stadt und besitzt viele
Sehenswürdigkeiten wie die Petronas Towers, den KL Tower, die National Mosque,
Chinatown, Time Square und die zahlreichen, immer aufwendig geschmückte Shopping
Malls. Zum Thema Nightlife bietet KL trotz der vorherrschenden islamischen
Glaubensrichtung zahlreiche Clubs wie „Zouk“ und „Alive“ und Skybars, in denen man einen
unglaublichen Blick über Kuala Lumpur hat. Die Clubs in Kuala Lumpur haben jedoch nur bis
3 Uhr geöffnet. Die Ausnahme stellt die Heritage Row dar, dort hat jeder Club bis 5 Uhr
morgens auf.
Das Einzige was ein bisschen mehr Geld gekostet hat war das Reisen. Und da ich nicht nur
in Kuala Lumpur leben und studieren wollte, sondern auch viel von Asien und Malaysia
selbst erleben wollte, habe ich fast jede Möglichkeit zum Verreisen genutzt. Entweder kann
man mit der Billig-Airline AirAsia oder mit dem Bus zu verreisen. Die Busstation „Pudu
Sentral“ in Kuala Lumpur bietet günstige Busverbindungen zu den beliebtesten Stränden von
Malaysia wie Tioman, Langkawi, Pehentian, Pangkor. Auch nach Thailand und
Singapur gibt es Busverbindungen von Kuala Lumpur aus, die eine günstige Alternative zum
Flug sind.
Ich habe so in dem halben Jahr das Formel 1 Rennen in Singapur erleben dürfen, war an
den schönsten Stränden von Malaysia und Thailand, konnte mir die Tempel von Ankor Wat
(Kambodscha) anschauen und bin in Vietnam und Hong Kong rumgereist.
1.Tag in KL an den Petronas Towers Die Skybar „The View“
Die Skybar „Skybar“
Letzter Abend im KL Tower
Nach gefühlten 200 Facebook-Freundschaftsanfragen später sitze ich nun wieder in
Deutschland, die Heizung auf höchster Stufe. Zu Beginn meines Auslandssemester wusste
ich nicht recht was auf mich zu kommt, ich wusste nur, dass ich am anderen Ende der Welt
bin und das alles anderes sein würde. Aber was heißt das schon? Heute kann ich sagen,
dass „anders“ nicht gleich schlecht bedeutet. Ich kann den Leuten, die in Zukunft ein
Auslandssemester planen, nur raten sich auf das Land, auf die Menschen, die Kultur und die
Mentalität einzulassen und allen Dingen offen gegenüberzustehen. Denn nur über das, was
man selber ausprobiert hat und erlebt hat, kann man urteilen. Letztendlich kommt es aber
natürlich auf jeden einzeln selber an, wie man die Zeit dort verbringt und erlebt. Offenheit
aber auch Gelassenheit sind ein Muss um eine spannende und prägende Erfahrung zu
machen.
Abschließend kann ich sagen, dass aller Anfang schwer ist, aber ich bin froh die Möglichkeit
bekommen zu haben ein Auslandssemester in Malaysia zu verbringen. Ich habe zu Beginn
zwar nie gedacht, dass ich das mal sagen werde, aber ein halbes Jahr war doch recht kurz.
Am Ende hatte man sich so gut eingelebt, was letztlich auf die Freundlichkeit und
Hilfsbereitschaft der Malaien zurückzuführen war, dass Malaysia für uns nicht mehr ein
fremdes Land war sondern zu einer zweiten Heimat wurde. Ich persönlich habe meine
Entscheidung keine Sekunde bereut. Ich bin um viele Erfahrungen reicher geworden und
denke, dass wir alle wertvollen Sachen dazugelernt haben und selbständiger geworden sind.
Wir haben Kontakte geknüpft und Freunde dazugewonnen, ob es der Araber um die Ecke
ist, die Kassiererin vom Supermarkt und natürlich die Malaien und Chinesen aus unseren
Kursen an der UKM. Das Auslandssemester hat mir gezeigt, dass die Welt mehr zu bieten
hat. Ich habe meinen Horizont erweitert und trete jetzt unbekannten Sachen offener
entgegen.
Ich möchte mich recht herzlich bei den Professoren und dem Mercator Office bedanken, die
für uns immer ein offenes Ohr hatten.
Dankeschön,
Geraldine Skripic