Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

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Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen – Physikalische Effektkataloge zur systematischen Identifikation potentieller Messgrößen Vom Fachbereich Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigte DISSERTATION vorgelegt von Gunnar Thomas Vorwerk-Handing, M.Sc. aus Gütersloh Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner Mitberichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen Tag der Einreichung: 10.11.2020 Tag der mündlichen Prüfung: 23.02.2021 Darmstadt 2021 D17

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Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen – Physikalische Effektkataloge zur systematischen

Identifikation potentieller Messgrößen

Vom Fachbereich Maschinenbau

an der Technischen Universität Darmstadt

zur Erlangung des akademischen Grades eines

Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.)

genehmigte

DISSERTATION

vorgelegt von

Gunnar Thomas Vorwerk-Handing, M.Sc.

aus Gütersloh

Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner

Mitberichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen

Tag der Einreichung: 10.11.2020

Tag der mündlichen Prüfung: 23.02.2021

Darmstadt 2021

D17

Page 2: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

– Physikalische Effektkataloge zur systematischen Identifikation potentieller Messgrößen

Dissertation

Genehmigte Dissertation von Gunnar Thomas Vorwerk-Handing, M.Sc. aus Gütersloh

Berichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner

Mitberichterstatter: Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen

Tag der Einreichung: 10.11.2020

Tag der mündlichen Prüfung: 23.02.2021

Darmstadt 2021 — D 17

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Page 3: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

III

Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit, abgesehen von den in ihr ausdrücklich

genannten Hilfen, selbstständig verfasst habe.

Darmstadt, den 25. Februar 2021

(Gunnar Thomas Vorwerk-Handing)

Page 4: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

IV

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbei-

ter am Fachgebiet Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd) der Technischen Uni-

versität Darmstadt. Der Ursprung und die Motivation für diese Arbeit gehen auf das erste von

mir bearbeitete Kooperationsprojekt, mit dem Ziel einer Konzeptentwicklung zur Erfassung

von Lastkollektiven in einer Sattelkupplung, zurück. Ausgehend von diesem Projekt hat mich

die Frage begleitet: Was wird wo gemessen, um eine benötigte Information zu gewinnen?

An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei meinem Doktorvater und Leiter des Fachge-

biets pmd, Herrn Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner, für das entgegengebrachte Vertrauen, die

vielen fachlichen Anregungen und die wissenschaftliche Betreuung meiner Arbeit bedanken.

Insbesondere die intensiven Gespräche und Beispiele aus der Industrie haben zum Gelingen

dieser Arbeit beigetragen. Darüber hinaus hat die gemeinsame Arbeit mit Herrn Prof. Dr.-Ing.

Eckhard Kirchner meine persönliche Entwicklung mit geprägt und zu meiner fachlichen und

persönlichen Weiterentwicklung beigetragen.

Herrn Prof. Dr.-Ing. Sven Matthiesen, Inhaber des Lehrstuhls für Gerätekonstruktion und Ma-

schinenelemente am Institut für Produktentwicklung (IPEK) am Karlsruher Institut für Tech-

nologie (KIT), danke ich für das Interesse an meiner Arbeit und die beiden damit verbundenen

konstruktiven fachlichen Diskussionen sowie die Bereitschaft zur Übernahme des Korreferates.

Durch seine fachliche sowie wissenschaftliche Expertise war er ein idealer Ansprechpartner

für meine Forschungsarbeit. Die resultierenden Fragen und Anregungen seinerseits haben zu

einer fachlichen und wissenschaftlichen Schärfung meiner Arbeit beigetragen.

Für die kollegiale Arbeitsatmosphäre und die gute Zusammenarbeit sowie die daraus resultie-

rende angenehme Zeit am Fachgebiet, danke ich allen ehemaligen und derzeitigen Kollegin-

nen und Kollegen, die mich auf dem Weg zur Promotion begleitet haben. Georg Martin, Stefan

Schork und Sven Vogel danke ich insbesondere für die sehr gute, knapp vierjährige, Zusam-

menarbeit sowie den stets intensiven Austausch im Arbeitsbereich Mechatronische Maschinen-

elemente, auch über die Forschung hinaus. Hervorheben möchte ich auch die direkte Zusam-

menarbeit mit meinen Bürokollegen Stefan Schork und anschließend Peter Welzbacher.

Gerade in der Endphase meines Promotionsvorhabens sowie beim Schreiben der vorliegenden

Dissertation waren die Diskussionen und Rückmeldungen sehr hilfreich – Danke!

Ein explizites Dankeschön gilt zudem Herrn Kropp, stellvertretend für die Firma Federal-

Mogul DEVA GmbH, sowie meinem Kollegen André Harder und dem Studenten Hans Joachim

Groß, die durch die erstmalige Anwendung der Ergebnisse dieser Arbeit in einem Koopera-

tionsprojekt eine initiale Evaluation der Ergebnisse ermöglicht haben. Weiterhin möchte ich

allen Studierenden danken, die mit ihrem Einsatz im Rahmen von Gruppen- und Abschluss-

arbeiten meine Forschung unterstützt haben.

Mein herzlichster Dank gilt meinem persönlichen Umfeld, das mich auf meinem bisherigen

Weg begleitet, auf vielfältigste Art und Weise unterstützt und mir stets den notwendigen Rück-

halt gegeben hat – meiner Familie, meinen Freunden und natürlich meiner Freundin Luisa.

Darmstadt, im Februar 2021 Gunnar Vorwerk-Handing

Page 5: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

V

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ................................................................................................................. 1

2 Grundlagen und Stand der Forschung ...................................................................... 4

2.1 Grundlagen der methodischen Produktentwicklung ............................................... 4

2.1.1 Grundlagen technischer Systeme ............................................................... 4

2.1.2 Physikalische Effekte im Kontext der Produktentwicklung ....................... 10

2.1.3 Beherrschung von Komplexität durch Modelle und Methoden ................. 12

2.1.4 Grundlagen technischer Entwicklungsprozesse ........................................ 13

2.2 Grundlagen zur Modellierung technischer Systeme ............................................. 18

2.2.1 Klassifizierung von Modellen technischer Systeme der PE ....................... 18

2.2.2 Modellierung technischer Systeme aus Sicht der Regelungstechnik ......... 19

2.2.3 Modellierung mechatronischer Systeme .................................................. 23

2.2.4 Modellierung von Messungen in technischen Systemen ........................... 30

2.3 Grundlagen zur Unsicherheit in technischen Systemen ........................................ 32

2.3.1 Unsicherheit in der Produktentwicklung .................................................. 32

2.3.2 Unsicherheit in der Messtechnik .............................................................. 38

2.4 Stand der Forschung hinsichtlich methodischer Ansätze

zur Entwicklung technischer Systeme .................................................................. 40

2.4.1 Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte .................. 40

2.4.2 Beobachter – Bestimmung nicht gemessener Regelgrößen ....................... 46

2.4.3 Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme

– Festlegung der Messgröße .................................................................... 48

2.4.4 Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit

in technischen Systemen .......................................................................... 52

2.5 Zusammenfassung der Grundlagen und des Stands der Forschung ...................... 56

3 Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge .............................................. 57

3.1 Anwendbarkeit bestehender Effektkatalogen im angestrebten Kontext ................ 57

3.2 Problembezogene Beschränktheit bestehender Effektkataloge ............................. 58

4 Zielsetzung und Forschungsdesign ......................................................................... 62

4.1 Forschungsbedarf ................................................................................................ 62

4.2 Zielsetzung .......................................................................................................... 63

4.3 Forschungsfragen ................................................................................................ 64

4.4 Forschungsvorgehen ............................................................................................ 65

5 Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen ......................................................... 69

5.1 Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender Katalogsysteme....... 69

5.1.1 Analyse bestehender zweidimensionaler Effektmatrizen .......................... 69

5.1.2 Analyse bestehender eindimensionaler Effektkataloge ............................. 72

5.2 Anforderungen an ein Katalogsystem ................................................................... 75

Page 6: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

VI

5.3 Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix

– Verknüpfung von individueller Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen.... 77

5.3.1 Aufbau und Gliederung der Effektmatrix ................................................. 77

5.3.2 Inhalte der Effektmatrix .......................................................................... 89

5.3.3 Anwendbarkeit der Effektmatrix .............................................................. 90

5.4 Konzipierung und Entwicklung des Effektkatalogs

– Effektsammlung inklusive Verknüpfung notwendiger Eigenschaften ................. 91

5.4.1 Aufbau und Gliederung des Effektkatalogs .............................................. 91

5.4.2 Inhalte und Informationen des Effektkatalogs ......................................... 92

5.4.3 Anwendbarkeit des Effektkatalogs ........................................................... 97

5.5 Anwendung des Katalogsystems

– Erfassung der Dehnung von Zugträgern in einem Zahnriemen .......................... 98

5.5.1 Grundlagen zum Zahnriemen(-trieb) ....................................................... 98

5.5.2 Ziel und Umfang der beispielhaften Betrachtung ..................................... 99

5.5.3 Potentielle Messgrößen zur Erfassung der Dehnung von Zugträgern ..... 100

6 Unsicherheitsbetrachtung

– Abschätzung der Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten ......................... 105

6.1 Identifikation von Unsicherheit in Effektketten .................................................. 105

6.1.1 Kontextunsicherheit ............................................................................... 107

6.1.2 Modellunsicherheit ................................................................................ 109

6.1.3 Datenunsicherheit ................................................................................. 112

6.2 Berücksichtigung von Unsicherheit in Effektketten ............................................ 114

6.2.1 Beurteilung der identifizierten Unsicherheit .......................................... 114

6.2.2 Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit .................... 127

7 Initiale Evaluation der Ergebnisse ........................................................................ 129

7.1 Erreichung der Zielsetzung ................................................................................ 130

7.2 Anwendung des entwickelten Ansatzes im Rahmen der Entwicklung

eines sensorintegrierenden Gleitlagers ............................................................... 135

7.2.1 Grundlagen und Randbedingungen ....................................................... 135

7.2.2 Identifikation potentieller Messgrößen und Entwicklung von

Messkonzepten zur Erfassung des Verschleißes einer

selbstschmierenden Gleitlagerbuchse..................................................... 138

7.2.3 Initiale Beurteilung der Anwendbarkeit sowie

Nützlichkeit / Brauchbarkeit des entwickelten Katalogsystems

anhand des Kooperationsprojekts .......................................................... 143

8 Darstellung und Einordnung der Ergebnisse ........................................................ 145

8.1 Fazit .................................................................................................................. 145

8.2 Ausblick ............................................................................................................. 149

Page 7: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

VII

Anhang A – Grundlagen und Stand der Forschung...................................................... XVI

Anhang B – Zielsetzung und Forschungsdesign ........................................................ XXVII

Anhang C – Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer

systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen ......... XXIX

Anhang D – Darstellung und Einordnung der Ergebnisse ......................................... XXXI

Glossar .................................................................................................................... XXXIII

Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... XXXVIII

Tabellenverzeichnis .................................................................................................... XLII

Literaturverzeichnis ................................................................................................... XLIII

Eigene Veröffentlichungen ............................................................................................. LI

Betreute studentische Arbeiten .................................................................................... LII

Page 8: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

VIII

Abkürzungs- und Symbolverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

CPM Characteristics-Properties Modelling

DIN Deutsches Institut für Normung

DMS Dehnungsmessstreifen

el. elektrisch(e)

E Element

E-Modul Elastizitätsmodul

engl. englisch

FE Finite-Elemente

FF Fest-Forderung

FMEA Failure Mode and Effects Analysis

FTA Fault Tree Analysis

GUM Guide to the expression of uncertainty in measurement

HAZOP Hazard and Operability (-Verfahren)

IPEK Institut für Produktentwicklung (am KIT)

KIT Karlsruher Institut für Technologie

mag. magnetisch(e)

MEMS Micro-Electro-Mechanical System

PDCA Plan – Do – Check – Act

PDD Property-Driven Development

PDF probability density function

(deutsch: Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion, WDF)

PE Produktentwicklung

physik. physikalisch(e)

pmd Produktentwicklung und Maschinenelemente Darmstadt

(Fachgebiet an der TU Darmstadt)

PTFE Polytetrafluorethylen

PTW Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen

(Fachgebiet an der TU Darmstadt)

PU Polyurethan

QFD Quality-Function-Deployment

Page 9: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

IX

R Relation

SFB Sonderforschungsbereich

SWOT Strengths, Weaknesses, Opportunities und Threats (-Analyse)

TOTE Test – Operate – Test – Exit

TRIZ Theorie des erfinderischen Problemlösens

TU Technische Universität

UMEA Uncertainty Mode and Effects Analysis

VDI Verein Deutscher Ingenieure

VDI [Nummer] VDI-Richtlinie [Nummer]

VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau

W Wunsch

WDF Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion

(engl.: probability density function, PDF)

ZF Zugehörigkeitsfunktion

ZF Ziel-Forderung

ZHA Zurich Hazard Analysis

Symbolverzeichnis

A Systemmatrix

A Fläche

a Beschleunigung

an Vorfaktor (multiplikative Verknüpfung von Eingangsgrößen x und Ausgangs-

größe y im Modell der Auswertung)

B Steuermatrix

B Magnetische Flussdichte

C Beobachtungsmatrix

C Kapazität

ci Sensitivitätskoeffizient

cmed Medienabhängigen Phasengeschwindigkeit

D Durchgangsmatrix

d Störgröße

d Dämpfungsfaktor

Page 10: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

X

d Dicke

E Elastizitätsmodul

E Elektrische Feldstärke

E Energie

e Regelabweichung bzw. Beobachterfehler

e Potentialgröße (allg. auch als Leistungs- oder Netzwerkvariable bezeichnet)

ei,max Maximale Messabweichung

ei,zul Zulässige Messabweichung

Ex Extensum

F Kraft

FL Längskraft

FV Vorspannkraft

f Flussgröße (allg. auch als Leistungs- oder Netzwerkvariable bezeichnet)

fabtast Abtastfrequenz

fλ Eigenfrequenz (λ ≙ Ordnung Eigenfrequenz)

G Fehlergrenze

g Erdbeschleunigung

I Intensität

I Strom

IM Flussgröße

i Intensive Zustandsgrößen oder Intensitätsgrößen

i Zählvariable bzw. Zählindex

j Ruck

k Federsteifigkeit

L Induktivität

L Drehimpuls

l Länge

M Memristor

m Masse

m Stellgröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)

m‘ Längengewicht

Page 11: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XI

mS (Schwere) Masse

n Zählvariable bzw. Zählindex

n Stoffmenge

P Leistung

P Index für P-Variable (Einpunktgröße)

p Impuls

p Schalldruck

Q Elektrische Ladung

Q Wärmemenge

�� Wärmestrom

q Extensive Zustandsgrößen

R Widerstand

Rm Reluktanz

r Abstand (Länge)

S Entropie

s Verschiebung

T Index für T-Variable (Zweipunktgröße)

T Temperatur

T Messdauer

t Zeit

U Spannung

𝑈∆𝑦

Dimensionsloses Verhältnis aus der maximalen, aus der identifizierten

Unsicherheit resultierenden, Abweichung und der maximal zulässige

Messabweichung

u Eingangsvektor

u Stellgröße

u Messunsicherheit

uzul Zulässige Messunsicherheit

V Volumen

�� Volumenstrom

v Geschwindigkeit

v Schallschnelle

Page 12: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XII

WA Verschleißfläche

Wl Verschleißlänge

WM Verschleißmasse

WV Verschleißvolumen

w Führungsgröße

X Primärgröße

X Wirkung

XG Gestaltparameter

XMess,pot Potentielle Messgrößen

x Variable (physikalische Größe)

x Zustandsvektor

�� Schätzwert des Zustandsvektors

x Störgröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)

x0 Arbeitspunkt der Messgröße

xG Erwartungswert des Gestaltparameter XG

xiW Wahrer Wert der Messgröße

xmax Obere Grenze des Messbereichs

xmin Untere Grenze des Messbereichs

xMess,pot Erwartungswert der potentiellen Messgröße XMess,pot

Δxi Fehlergrenze der Messgröße

ΔxMess Maximal zulässige Messabweichung eines Sensors

Y Ursache

YZ Zu erfassende Zustandsgröße

Y Potentialgröße

y Ausgangsvektor

y Variable (physikalische Größe)

y Regel- bzw. Ausgangsgröße

y Antwort / Reaktion (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)

y0 Arbeitspunkt der zu bestimmenden Größe

yiW Wahrer Wert der zu bestimmenden Größe

yM Gemessene Regel- bzw. Ausgangsgröße

Page 13: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XIII

yZ Erwartungswert der zu bestimmenden Größe

Δy Maximal zulässige Messabweichung

Δyi Fehlergrenze der zu bestimmenden Größe

Δyuns Maximale, aus der identifizierten Unsicherheit resultierende, Abweichung

der zu erfassenden Größe

z Steuergröße (Verständnis und Notation nach TAGUCHI)

α Gruppennummer

α Thermischer Ausdehnungskoeffizient

αn Potenz (multiplikative Verknüpfung von Eingangsgrößen x und

Ausgangsgröße y im Modell der Auswertung)

ε Dehnung

ε0 Influenzkonstante

η Dynamische Viskosität

λ Wärmeleitfähigkeit

λ Wellenlänge

λ Ordnung Eigenfrequenz

π Kreiszahl

Φ Induktionsfluss

ω Winkelgeschwindigkeit

ω Winkelbeschleunigung

б Spannung (mechanisch)

Page 14: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XIV

Kurzfassung

Die Verfügbarkeit zuverlässiger und aussagekräftiger Informationen über technische Systeme

und Prozesse ist eine essentielle Voraussetzung für die Digitalisierung technischer Systeme

und stellt eine der aktuellen Herausforderungen im Maschinenbau dar. Im Zuge dessen stellt

sich die Frage, welche Messgrößen potentiell geeignet sind, um benötigte Informationen über

systemindividuelle Prozess- oder Zustandsgrößen zu gewinnen. Dementsprechend ist es das

Ziel dieser Arbeit, systematisch Zusammenhänge zwischen einer zu erfassenden systemspezifi-

schen Prozess- oder Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung eines

(bestehenden) technischen Systems, herzustellen.

Der Ansatz physikalische Effektsammlungen einzusetzen, um einen Zusammenhang zwischen

physikalischen Größen herzustellen, wird in dieser Arbeit aufgegriffen und zur Identifikation

potentieller Messgrößen, ausgehend von einer zu bestimmenden physikalischen Größe, ein-

gesetzt. Hieraus wird die erste der beiden Hauptforschungsfragen abgeleitet: Wie kann der

Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen,

unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral durch eine Modellierung mittels

physikalischer Effekte, basierend auf einer Effektmatrix und einem Effektkatalog hergestellt

werden? In einer Literaturrecherche wird festgestellt, dass die Katalogsysteme nach KOLLER

und ROTH als etablierte Stellvertreter physikalischer Effektkataloge anzusehen sind. Diese

weisen hinsichtlich der angestrebten Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen

in Form von Effektketten allerdings zwei wesentliche Einschränkungen auf: Zum einen gehen

beide Effektkataloge von einer zu realisierenden Wirkung aus und nicht von einer Ursache

und zum anderen ist eine Berücksichtigung von Gestaltparametern eines technischen Systems

nicht vorgesehen. Durch den Vergleich der beiden Katalogsysteme sowie durch eine Abstrak-

tion der identifizierten Einschränkungen werden Anforderungen an ein zu entwickelndes

Katalogsystem definiert. Darauf aufbauend wird durch die Verknüpfung der Grundgedanken

beider Katalogsysteme mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung ein anforde-

rungsgemäßes Katalogsystem konzipiert.

Um das divergente Vorgehen bei der Identifikation potentieller Messgrößen begründet in

einem zweckmäßigen Umfang zu halten, wird die zweite Hauptforschungsfrage definiert: Wie

kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs-

und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung,

die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzeitig geprüft und abgesichert

werden? Durch das Übertragen, Verknüpfen und Weiterentwickeln existierender Ansätze der

Unsicherheitsforschung sowie dem Einbeziehen von Robust-Design-Strategien wird eine Iden-

tifikation und Berücksichtigung auftretender Unsicherheit ermöglicht.

Die Beantwortung der Forschungsfragen wird in einer logischen Verifikation gezeigt. Die An-

wendbarkeit sowie Nützlichkeit der Ergebnisse dieser Arbeit werden durch eine exemplarische

Anwendung im Zuge der Entwicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers initial validiert.

Hierbei werden die Funktionsfähigkeit und die Anwendbarkeit des Ansatzes initial nachgewie-

sen. Somit bilden die Ergebnisse dieser Arbeit eine Grundlage, um die in einem technischen

System auftretenden Wandlungen einer zu erfassenden physikalischen Größe systematisch in

die Identifikation potentieller Messgrößen zur Erfassung dieser Größe einzubeziehen. Mittels

der eingeführten Unsicherheitsbetrachtung wird eine frühzeitige Prüfung und Absicherung der

prinzipiellen messtechnischen Funktionsfähigkeit einer identifizierten Effektkette ermöglicht.

Page 15: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XV

Abstract

Reliable and meaningful information about technical systems and processes is key to the dig-

italisation of technical systems and represents one of the current challenges in mechanical

engineering. In this context, it is unclear which quantities should be measured to obtain

relevant information about system-specific process or state variables. Hence, this thesis aims

at systematically establishing a connection between a system-specific process or state variable

and potential measurands by taking the (existing) technical system into account.

This thesis considers collections of physical effects to establish a connection between physical

quantities and these are used to identify potential measurands. This leads to the first of two

main research questions: how can a system-dependent connection between a system-specific state

variable and potential measurands be established in a solution-neutral way by using an effect

matrix and an effect catalogue to model physical effects? A literature study shows that the two

catalogue systems by KOLLER and ROTH, respectively, represent important examples of physical

effect catalogues. However, both approaches have two main limitations if one aims to identify

cause-effect relationships in the form of effect chains: on the one hand, both effect catalogues

focus on an effect to be realised and not a cause. On the other hand, the approaches do not

consider design parameters of the technical system. Requirements for a novel catalogue system

are defined by comparing the two catalogue systems and by abstracting the identified limita-

tions. According to these requirements, this thesis develops a catalogue system by combining

the basic ideas of both catalogue systems with the fundamental idea of multipole-based

modelling.

In order to constrain the divergent approach to identify potential measurands within reason-

able limits, the second main research question is defined: how can the basic functionality of

developed effect chains be verified through an uncertainty analysis, i.e. by identifying and consid-

ering the influences and effects of environmental and boundary conditions on the developed effect

chains, at an early stage? The transfer, combination and further development of existing

approaches of uncertainty research as well as the inclusion of robust design strategies enable

the identification and consideration of occurring uncertainties.

The answers to the research questions are confirmed by logical verification. The applicability

as well as the usefulness of the results proposed in this thesis are initially validated by an

exemplary application in the development of a sensor-integrating plain bearing. Hereby, the

functionality and applicability of the approach are initially proven. Thus, the results of this

thesis form a basis for systematically including the changes of a physical quantity of a technical

system into the identification of potential measurands for recording this quantity. The pro-

posed uncertainty analysis enables an early verification of the fundamental metrological func-

tionality of an identified effect chain.

Page 16: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

1

1 Einleitung

Eine wesentliche Grundlage der Digitalisierung technischer Systeme und der einhergehenden

Integration von intelligenten Funktionen, bspw. im Kontext der Zielvision „Industrie 4.0“ oder

vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Maintenance), stellt die Verfügbarkeit aus-

sagekräftiger und verlässlicher Informationen über Prozesse und Zustände dar.1 Vor diesem Hin-

tergrund entstehen neben der Erfüllung der Primärfunktion eines technischen Systems zusätz-

liche Anforderungen hinsichtlich einer Erfassung systemspezifischer Prozess- und Zustandsgrö-

ßen2. Je nach Betrachtungshorizont reicht der Umfang technischer Systeme hierbei von ganzen

(Produktions-) Anlagen, über einzelne Maschinen bis hin zu Baugruppen und deren Kompo-

nenten bspw. in Form von standardisierten Maschinenelementen. In der gegenwärtigen Situ-

ation muss festgestellt werden, dass eine Vielzahl bestehender technischer Systeme – insbe-

sondere solche mit langen Lebenszyklen – nicht vor diesem Hintergrund entwickelt wurden

und entsprechend nicht in der Lage sind, die benötigten Informationen zur Verfügung zu stel-

len.3 Je nach Branche liegt das statistische Durchschnittsalter des deutschen Maschinenparks

bei 12 bis 18 Jahren.4 Auch international lässt sich diese Feststellung bspw. am durchschnitt-

lichen Alter des französischen Maschinenparks (19 Jahre) oder dem der USA (10 Jahre)

bestätigen.5 Hinzu kommt, dass die eingesetzten Maschinen technologisch betrachtet entspre-

chend ihrer Entwicklungszeit etwa zwei bis drei Jahre älter sind.6

Die Erfüllung der aufgezeigten Anforderung hinsichtlich einer Bereitstellung aussagekräftiger

und verlässlicher Zustandsgrößen durch einen Austausch der bestehenden Maschinen und

Anlagen ist kurz- und mittelfristig kaum realistisch, da dieser in der Regel unwirtschaftlich

ist.7 Folglich tritt die (nachträgliche) Integration von Messfunktionen in (bestehende) techni-

sche Systeme zur Erfassung der benötigten Informationen in den Vordergrund.8 In der Litera-

tur werden solche Nachrüst-Lösungen (engl. Retrofit) vielfach in Form von Vorgehensmodel-

len beschrieben. Einen wesentlichen Schritt zur Sensorintegration in ein (bestehendes) tech-

nisches System stellt die „Festlegung möglicher Messgrößen“ unter Einbezug eines vorgelager-

ten Schritts der „Festlegung möglicher Messstellen“ dar.9 Dem liegt zugrunde, dass zur Erfassung

1 Vgl. Kirchner et al. (2018), S. 64; Simmons (2018), S. 28 sowie Abramovici und Herzog (2016), S. 18 f. 2 Zustandsgrößen sind physikalische Größen, die den Zustand eines Beobachtungsobjekts charakterisieren.

Die Bezeichnung Zustand kann sich sowohl auf ein betrachtetes technisches System sowie dessen

Elemente als auch auf Operanden eines Prozesses beziehen und wird durch die Summe der momentanen

Eigenschaften des Beobachtungsobjekts bestimmt (vgl. Unterabschnitt 2.1.1). Dementsprechend wird im

Folgenden konsequent die Bezeichnung Zustandsgröße verwendet, welche gemäß des dargestellten

Verständnisses Prozessgrößen mit einschließt. 3 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 161 sowie Juschkat (2016) – Aussage von Dr.-Ing. Struth als Geschäfts-

führer der Robert Bosch GmbH im Bereich „Industrial Technology“. 4 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele als Leiter des Instituts für Produk-

tionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen (PTW) an der TU Darmstadt. 5 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 162. 6 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele. 7 Vgl. Weinzierl (2019) – Aussage von Prof. Dr.-Ing. Prof. h. c. Abele sowie Harting (2017), S. 16. 8 Vgl. Guerreiro et al. (2018), S. 167; Löpelt et al. (2019), S. 273; Gräler und Anell (2018), S. 34 sowie

Vorwerk-Handing et al. (2018) und Vorwerk-Handing et al. (2019). 9 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff.; Zeller (1996), S. 144 sowie Fleischer et al. (2018), S. 6.

Page 17: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

2

systemspezifischer Zustandsgrößen eines technischen Systems sowohl direkte als auch indi-

rekte Messungen in Betracht zu ziehen sind.10 Für die folgenden Inhalte dieser Arbeit wird

deswegen konsequent zwischen der zu erfassenden Zustandsgröße, als Ziel der Messung und

deren Auswertung, sowie der eigentlichen Messgröße, als Eingangsgröße eines Sensors, unter-

schieden.

Um ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und eine resultierende unbegründete Ein-

schränkung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird im „Leitfaden Sen-

sorik für Industrie 4.0“ des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die

Bedeutung einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen explizit her-

vorgehoben.11

Unabhängig davon, ob die Integration einer Messfunktion nachträglich in ein bestehendes

System oder im Rahmen einer sensorischen Neuentwicklung angestrebt wird, stellt sich die

Frage nach potentiellen Messgrößen. Das Ziel ist hierbei die Gewinnung einer definierten Infor-

mation. Beispiele für sensorische Neuentwicklungen stellen die Entwicklung von sensorischen

Maschinenelementen12 oder Prüf- und Validierungsumgebungen13 dar.

Ziel der Arbeit

Aus der Motivation ist zu schlussfolgern, dass das übergeordnete Ziel darin besteht, aussage-

kräftige und verlässliche Informationen über Prozesse und Zustände in (bestehenden) techni-

schen System effektiv und effizient bereitzustellen. Vor diesem Hintergrund wird mit der vor-

liegenden Arbeit das Ziel verfolgt, einen Zusammenhang zwischen einer definierten, system-

spezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen zur Erfassung dieser, insbesondere

unter Berücksichtigung eines (bestehenden) technischen Systems, methodisch herzustellen.

Da physikalische Effekte allgemeingültig den Zusammenhang zwischen physikalischen

Größen herstellen, wird der Ansatz verfolgt, hierzu physikalische Effektkataloge einzusetzen.

Auf diese Weise soll systematisch eine Grundlage für die lösungsneutrale Diskussion potenti-

eller Messgrößen zur Erfassung der benötigten Daten ermöglicht werden. Eine präzise

Beschreibung der Zielsetzung dieser Arbeit erfolgt in Abschnitt 4.2 auf Basis relevanter Grund-

lagen und dem Stand der Forschung sowie einer aufbauenden Einschätzung der Potentiale

und Grenzen bestehender physikalischer Effektkataloge im Kontext dieser Arbeit.

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in acht Kapitel, die logisch in ihrer Argumentation aufei-

nander aufbauen. Eine Übersicht über den Aufbau der Arbeit ist auf der folgenden Seite in

Abbildung 1.1 dargestellt.

10 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 11 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff. 12 Vgl. Kirchner et al. (2018), S. 63 ff. sowie Vorwerk-Handing et al. (2020a), S. 21 ff. 13 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54.

Page 18: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

3

Kapitel

2Kapitel

3Kapitel

4Kapitel

5Kapitel

6Kapitel

7Kapitel

8

Absch

ließ

ende

Betr

ach

tung

2.) Forschungsfrage /

Zielsetzung

1.) Forschungsfrage /

Zielsetzung

Beantw

ort

ung For

sch

ung

sfr

agen

Fol

gerunge

n &

For

sch

ung

sdesign

Erf

assung IST-Sta

nd &

Pro

ble

mste

llun

g

Grundlagen

Modellierung technischer Systeme

Klassische Produktentwicklung;

Regelungstechnik; Mechatronik; Messtechnik

Unsicherheit

Produktentwicklung;

Messtechnik

Methodische Produktentwicklung

Technische Systeme; Physikalische Effekte;

Modelle & Methoden; Entwicklungsprozesse

Stand der Forschung

Beobachter

(Regelungstechnik)

Integration von Messfunk-

tionen in technische Systeme

Physikalische

Effektkataloge

Unsicherheit in

technischen Systemen

Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge

Anwendbarkeit bestehender

Effektkataloge im angestrebten Kontext

Problembezogene Beschränktheit

bestehender Effektkataloge

Zielsetzung & Forschungsdesign

ZielsetzungForschungsfragen

Forschungsvorgehen

Forschungsbedarf

Anforderungen an ein

Katalogsystem

physikalischer Effekte

Konzeptionierung und Entwicklung eines

entsprechenden Katalogsystems

Analyse der problembezogenen Beschränkt-

heit bestehender Effektkataloge

Katalogsystem physikalischer Effekte

Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten

Effektmatrix Effektkatalog

Identifikation von Unsicherheit

Differenzierung von Kontext-, Modell- & Datenunsicherheit

Berücksichtigung von Unsicherheit

Beurteilung & Beherrschung der identifizierten Unsicherheit

Darstellung & Einordnung der Ergebnisse

Initiale Evaluation der Ergebnisse

Verifikation der Ergebnisse

Beurteilung der Zielerreichung

Initiale Validierung

Beispiel eines sensorintegrierenden Gleitlagers

Fazit Ausblick

Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit

Page 19: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

4

2 Grundlagen und Stand der Forschung

Neben den Grundlagen zur Entwicklung und Modellierung technischer Systeme wird in die-

sem Kapitel ein Überblick über den für diese Arbeit relevanten Stand der Forschung gegeben.

2.1 Grundlagen der methodischen Produktentwicklung

Mit dem Ziel technische Probleme zu lösen, wird unter Produktentwicklung (PE) der Prozess

ausgehend von einem anfänglichen Problem bis hin zu einer technischen Lösung dieses Prob-

lems in Form eines Produkts verstanden. Dies erfolgt unter Berücksichtigung definierter

Anforderungen sowie individuell vorliegenden Bedingungen und Einschränkungen.14

2.1.1 Grundlagen technischer Systeme

Die Lösung eines technischen Problems wird nach PAHL & BEITZ mithilfe technischer Gebilde

erreicht, diese werden u. a. als Anlage, Apparat, Maschine, Gerät, Einzelteil bezeichnet.15

HUBKA beschreibt eine Hierarchie ausgehend vom technischen Objekt und darauf aufbauenden

Objektgruppen, wie z. B. technischen Gebilden oder technischen Produkten. An der Spitze der

Hierarchie und folglich als Oberbegriff zu sehen, beschreibt HUBKA technische Systeme, deren

Zweck die Ausübung einer Wirkung auf einen technischen Prozess ist.16 Aufbauend darauf

definieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM ein technisches System als ein künstlich erzeugtes geomet-

risch-stoffliches Gebilde, das entwickelt wird, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Liegt

der Fokus der Betrachtung vornehmlich auf dem geometrisch-stofflichen Gebilde und weniger

auf dem Prozess, sprechen auch EHRLENSPIEL & MEERKAMM von einem technischen Produkt.17

Da das dargestellte Verständnis eines technischen Systems nach HUBKA bzw. EHRLENSPIEL &

MEERKAMM vom allgemeinen Systembegriff abgeleitet wird, gilt für das technische System wei-

terhin auch das grundlegende Verständnis eines Systems.18

Abbildung 2.1: Modell eines (technischen) Systems19

14 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 1. 15 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 39. 16 Vgl. Hubka und Eder (1992), S. 6 f. und 89 ff. sowie Hubka (1984), S. 80. 17 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 35. 18 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. bzw. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 25 ff. 19 Eigene Darstellung, nach Hubka (1984), S. 15.

Eigene Darstellung nach Hubka 1984

S.15

Eingangs-

größen

Ausgangs-

größen

Umgebung

System-

grenze

Menge der Elemente E

Menge der Relationen RStr

ukt

ur

Page 20: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

5

Ein System setzt sich aus einer endlichen Menge von Elementen, ihren Eigenschaften und der

Verknüpfung dieser Elemente mittels Relationen zusammen.20 Es ist gegenüber der Umgebung

durch eine Systemgrenze abgegrenzt, wobei Interaktionen zwischen dem System und der Um-

gebung stattfinden und mittels Ein- und Ausgangsgrößen (Inputs und Outputs) beschrieben

werden.21 Der beschriebene prinzipielle Aufbau von (technischen) Systemen ist in Abbildung

2.1 in einem Modell dargestellt.

Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems sind allgemein Energien, Stoffe und

Signale.22 Die Funktion eines technischen Systems stellt u. a. nach BIRKHOFER & KLOBERDANZ

eine lösungsneutrale Beschreibung als Operation des gewollten Zusammenhangs zwischen

Ein- und Ausgangsgrößen dar.23 Der tatsächliche Zusammenhang zwischen Ein- und

Ausgangsgrößen eines realisierten technischen Systems in Form eines technischen Produkts

wird als Verhalten bezeichnet.24 Das Verhalten schließt hierbei auch unerwünschte und/oder

unbeabsichtigte Effekte mit ein. Die dargestellten Grundlagen technischer Systeme und der

Zusammenhang zum technischen Prozess sind in Abbildung 2.2 abgebildet.

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Hubka/Eder 1992 S. 94

Zustand n

des Operanden

Technischer

Prozess

Zustand n + 1

des Operanden

Tec

hnisch

es S

yste

m

Ausgangsgrößen /

Wirkungen

Eingangsgrößen /

Energien, Stoffe, SignaleFun

ktion

/

Ver

halten

Umgebung

Abbildung 2.2: Zusammenhang zwischen technischem System und technischem Prozess25

20 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. 21 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 28. 22 Vgl. u. a. Hubka und Eder (1992), S. 94 sowie Pahl und Beitz (2007), S. 41 ff. 23 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014) S. 53; Pahl und Beitz (2007), S. 44 und 783; Lindemann (2009),

S. 331 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 24 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 55. 25 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Hubka und Eder (1992), S. 94.

Page 21: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

6

Um wesentliche Aspekte hervorzuheben, werden Systeme – im hier betrachten Fall technische

Systeme – je nach Bedarf auf verschiedene Weise betrachtet. ROPOHL unterscheidet hierzu drei

Konzepte zur Modellierung von Systemen (vgl. Abbildung 2.3):

• funktionales Systemkonzept,

• strukturales Systemkonzept und

• hierarchisches Systemkonzept.26

Die jeweiligen Konzepte haben das Ziel, einen Systemaspekt in den Vordergrund zu stellen,

wobei der Systembegriff insgesamt alle drei Aspekte umfasst.

Eigene Darstellung nach Ropohl 2009,

S.8, vgl. Auch Hubka 1992 S. 94

a) Funktionales Systemkonzept b) Strukturales Systemkonzept c) Hierarchisches Systemkonzept

System

Umge

bung

System

Umge

bung

System

Umge

bung

Eingangsgrößen

Ausgangsgrößen

Element Relation Supersystem

Zustände

Subsystem

Abbildung 2.3: Funktionales, strukturales und hierarchisches Konzept

zur Modellierung von Systemen27

Das funktionale Systemkonzept stellt die Funktion des Systems in den Vordergrund. Wie in

Abbildung 2.3 a) dargestellt, wird hierzu das System als Blackbox betrachtet, die durch von

außen sichtbare Zusammenhänge zwischen ihren Eingangs- und Ausgangsgrößen charakteri-

siert wird.28 Es wird bewusst weder die materielle Konkretisierung, noch die innere Struktur

des Systems betrachtet.29 Diese Betrachtungsweise entspricht in vielen Fällen dem alltäglichen

Umgang eines Laien mit technischen Produkten. Zum Beispiel sieht der Nutzer einer Wasch-

maschine als Eingangsgrößen den elektrischen Strom (Energie), das Wasser und das Wasch-

mittel (Stoff) sowie die Programmauswahl (Signal) und erwartet als Ausgangsgröße eine Wir-

kung, die die zugeführte verschmutzte Wäsche reinigt.

Das strukturale Systemkonzept betrachtet das System als eine Ganzheit aus verknüpften Ele-

menten (vgl. Abbildung 2.3 b). Es geht davon aus, dass einzelne Teile nicht isoliert von ihrem

Kontext betrachtet werden dürfen, sondern in Abhängigkeit der weiteren Elemente des Sys-

tems zu sehen sind. Entsprechend liegt der Fokus einerseits auf der Darstellung der Vielfalt an

Interdependenzen zwischen den einzelnen Elementen des Systems und andererseits auf der

Beschaffenheit der Elemente.30

26 Vgl. Ropohl (2009), S. 75. 27 Eigene Darstellung, nach Ropohl (2009), S. 76; vgl. auch Hubka und Eder (1992), S. 94. 28 Vgl. Ropohl (2009), S. 75. 29 Vgl. Ropohl (2009), S. 76. 30 Vgl. Ropohl (2009), S. 75.

Page 22: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

7

Das hierarchische Systemkonzept, dargestellt in Abbildung 2.3 c), berücksichtigt den Umstand,

dass sich – je nach Standpunkt der Betrachtung – ein System aus Subsystemen zusammensetzt

und insgesamt als Teil eines umfassenden Systems, eines sogenannten Supersystems, zu sehen

ist. Diese Betrachtungsweise spiegelt sich insbesondere in der Detaillierung des jeweils

betrachteten Systems wider. In einer immer tiefer greifenden Analyse des Systems bewegt sich

der Betrachter in der Hierarchie nach unten, wohingegen ebenso entgegengesetzt eine immer

weiter greifende Synthese von Zusammenhängen auf einer höheren Hierarchiestufe möglich

ist.31

Beschreibung technischer Systeme

Da ein technisches System nur wegen bestimmter gewünschter Eigenschaften entwickelt, her-

gestellt und genutzt wird, erfolgt dessen Beschreibung anhand seiner Eigenschaften.32 Hierzu

definieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM eine Eigenschaft als alles, „was durch Beobachtungen,

Messergebnisse, allgemein akzeptierte Aussagen usw. von einem Gegenstand festgestellt werden

kann“ 33. Dieses Verständnis übernimmt auch die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 sinngemäß.34

Um Missverständnissen bezüglich der Bedeutung und des Verhältnisses der Bezeichnungen

Eigenschaft und Merkmal vorzubeugen, wird weiterhin nach PONN & LINDEMANN definiert, dass

sich eine Eigenschaft formal aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer Ausprägung (z. B.

5 mm) zusammensetzt.35 Ein Merkmal bezeichnet also einen beschreibenden Parameter eines

(technischen) Systems.36 Diese Differenzierung zwischen Eigenschaft und Merkmal entspricht

dem Verständnis der VDI-Richtlinie 2221.37

Neben dem bisher dargestellten und im Folgenden verwendeten Verständnis von Eigenschaf-

ten und Merkmalen existieren in der Literatur zahlreiche weitere Auffassungen zur Bedeutung

und Ansätze zur Definition der beiden Begriffe. Exemplarisch wird an dieser Stelle auf das

abweichende aber ebenfalls etablierte Verständnis nach WEBER hingewiesen. Im Rahmen der

Modellierungsansätze des Characteristics-Properties Modelling (CPM)38 und des Property-

Driven Development (PDD)39 wird nach WEBER zwischen Merkmalen, welche direkt vom Ent-

wickelnden beeinflusst und festgelegt werden sowie Eigenschaften, welche sich aus diesen

Merkmalen ergeben und nicht direkt beeinflusst werden können, unterschieden.40 Insbeson-

dere auf dem Forschungsgebiet von Prozessen und Methoden zur Gestaltung von technischen

Produkten kann dieses Verständnis zweckmäßig sein und wird aus diesem Grund von

31 Vgl. Ropohl (2009), S. 77. 32 Vgl. Hubka (1984), S. 97 ff. sowie Hubka und Eder (1992), S. 9 ff. 33 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38. 34 Vgl. VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 5. 35 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 432. 36 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 443. 37 Die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 ist hinsichtlich der Bedeutung und des Verhältnisses der Bezeichnun-

gen Eigenschaft und Merkmal uneinheitlich. Die hier dargestellte Aussage bezieht sich auf S. 7. Auf S. 5

wird abweichend das Verständnis eines Merkmals als eine Eigenschaft, die besonders herausgehoben

werden soll, von Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38 übernommen. 38 Ansatz zur Modellierung eines zu entwickelnden Produkts von den direkt beeinflussbaren „characteris-

tics“ (deutsch: „Merkmalen“) hin zu den abhängigen „properties“ (deutsch: „Eigenschaften“). 39 Ein auf dem CPM aufbauender Ansatz zur Beschreibung des Entwicklungs- und Gestaltungsprozesses. 40 Vgl. Weber (2007), S. 87.

Page 23: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

8

MATTHIESEN aufgegriffen und angewendet.41 Da im Kontext dieser Arbeit hingegen die Diffe-

renzierung zwischen einem beschreibenden Parameter eines (technischen) Systems (Merk-

mal) und die Angabe einer Quantifizierung dieses Merkmals (Ausprägung) – zusammen als

Eigenschaft bezeichnet – in den Vordergrund tritt, ist das eingangs dargestellte Verständnis für

diese Arbeit zweckmäßig. Eine Übersicht über weitere Auffassungen in der Fachliteratur liefert

ERBE, indem verschiedene Abgrenzungen der Begriffe Eigenschaft, Merkmal und Verhalten

etablierter Autoren (u. a. Weber, Hubka, Gero & Kannengiesser, Suh, Birkhofer & Wäldele)

gegenübergestellt werden.42

Eigenschaften ermöglichen nicht nur die Beschreibung von technischen Systemen und deren

Elementen, sondern auch die Beschreibung von Prozessen bzw. deren Operanden. Die Summe

der momentanen Eigenschaften eines Beobachtungsobjekts bspw. von einem technischen

System oder vom Operanden eines Prozesses bestimmt dessen Zustand. Der Zustand eines

Beobachtungsobjekts wird entsprechend als das quantitative Maß seiner momentanen

Eigenschaften definiert.43 Zustandsgrößen charakterisieren in Form von physikalischen Größen

den Zustand eines technischen Systems. Ändert sich der Zustand eines Systems, ändern sich

zwangsläufig auch bestimmte Zustandsgrößen.44 Der Zustand von einzelnen materiellen

Elementen eines technischen Systems lässt sich durch Gestaltparameter beschreiben. Diese

fassen sowohl geometrische als auch stoffliche Merkmale bzw. Eigenschaften zusammen.45 Die

Gesamtheit der Gestaltparameter, die das materielle Objekt beschreiben und zu seiner

Herstellung notwendig sind, werden als Gestalt bezeichnet.46 Gestaltparameter, die „entweder

einen direkten Zusammenhang mit einer Funktion besitzen oder […] Gestalteigenschaften beein-

flussen, die für die Funktionserfüllung relevant sind“47 werden weiterhin als funktionsrelevante

Gestaltparameter bezeichnet.48

Um technische Systeme zweckmäßig und einheitlich beschreiben zu können, ist eine Struktu-

rierung der Eigenschaften technischer Systeme sinnvoll. Eine im Entwicklungsprozess zweck-

mäßige Differenzierung stellt die Unterscheidung zwischen Eigenschaften, die vom Entwi-

ckelnden unmittelbar festgelegt werden und denen, die sich mittelbar aus den erstgenannten

ergeben, dar.49 In diesem Kontext werden die Bezeichnungen „unabhängige Eigenschaft“ und

„abhängige Eigenschaft“ für die beschriebene Differenzierung von BIRKHOFER & WÄLDELE in die-

ser Arbeit übernommen.50 Indem eine Differenzierung zwischen unabhängig veränderlichen

und abhängig veränderlichen Eigenschaften getroffen wird, vertritt auch HUBKA, im Rahmen

41 Vgl. Matthiesen (2020), S. 7. 42 Vgl. Erbe (2013), S. 159. 43 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 515 und 926 ff. sowie MacFarlane (1967), S. 13. 44 Vgl. Lunze (2016), S. 79; Löser et al. (2018), S. 24. 45 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7. 46 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 908. 47 Matthiesen (2020), S. 7. 48 Vgl. Matthiesen (2020), S. 7. 49 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 39. 50 Vgl. Birkhofer und Waeldele (2008), S. 22 ff.

Page 24: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

9

von Eigenschaftskategorien nach der Funktionsabhängigkeit, diese Sichtweise.51 Die Funktion

eines technischen Systems ergibt sich in diesem Verständnis aus den abhängig veränderlichen

Eigenschaften. Da sich die Funktion eines technischen Systems über den Zusammenhang

zwischen (allgemeinen) Ein- und Ausgangsgrößen (Energien, Stoffe und Signale) definiert,

lassen sich zur Beschreibung technischer Systeme auch allgemeine Funktionen aufstellen. Eine

Übersicht über die allgemeinen Funktionen „Wandeln“, „Umformen“, „Verknüpfen“, „Leiten“ und

„Speichern“ nach ROTH gibt Tabelle 2.1.52

Tabelle 2.1: Übersicht über die allgemeinen Funktionen nach ROTH

Der wesentliche Vorteil dieser normierten und definierten Beschreibung liegt in der begrenz-

ten Anzahl an Funktionen, mit denen unterschiedliche technische Systeme beschrieben wer-

den können. Dies ermöglicht es einerseits, Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen technischen

Systemen zu erkennen und zu nutzten sowie andererseits, auf gut dokumentiertes Wissen,

z. B. in Form von Effektkatalogen oder Lösungssammlungen zurückzugreifen.

51 Vgl. Hubka (1984), S. 101. 52 Vgl. Roth (2000), S. 81 ff. 53 Eigene Darstellungen, in Anlehnung an Roth (2000), S. 82. 54 Die dargestellten Beispiele beziehen sich auf die allgemeine Ein- und Ausgangsgröße der Energie sowie

im Fall des Verknüpfens auf den expliziten Fall der summativen Verknüpfung von Energie und Informa-

tion. Analog lassen sich Beispiele für die beiden anderen allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen (Stoff

und Information) beschreiben. Eine vollständige Übersicht (inkl. Beispielen) der allgemeinen Funktio-

nen im Zusammenhang mit den allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems stellt

Roth (2000) auf S. 84 zur Verfügung.

Allgemeine Funktion Symbol53 Erklärung Beispiel54

Wandeln

Ändern der Art Elektromotor

Umformen

Ändern der

Erscheinungsform

Mechanisches

Getriebe

Verknüpfen

Vereinigen oder Teilen Elektrischer

Schalter

Leiten

Versetzen an einen

anderen Ort Mechanische Welle

Speichern

Ein- und Ausspeichern

sowie gespeichert

halten

Akkumulator

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Roth 2000, S. 82

S

L

U

W

V

V

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Roth 2000, S. 82

S

L

U

W

V

V

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Roth 2000, S. 82

S

L

U

W

V

V

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Roth 2000, S. 82

S

L

U

W

V

V

Eigene Darstellung in Anlehnung an

Roth 2000, S. 82

S

L

U

W

V

V

Page 25: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

10

2.1.2 Physikalische Effekte im Kontext der Produktentwicklung

Der Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems in

Form der Funktion bzw. des Verhaltens (vgl. Unterabschnitt 2.1.1) wird mittels physikalischer,

chemischer und/oder biologischer Effekte hergestellt und ist entsprechend auch mittels diese

beschreibbar.55 Im Maschinenbau kommt der genannte Zusammenhang in der Regel durch

einen physikalischen Effekt oder durch eine Verkettung mehrerer physikalischer Effekte

zustande. Eine Ausnahme bildet hierbei bspw. die Verfahrenstechnik.56 Diese beruht vielfach

auch auf chemischen und biologischen Effekten. Im Folgenden wird der Begriff „physikalischer

Effekt“ bzw. kurz „Effekt“ stellvertretend verwendet. Dieser soll gemäß des beschriebenen Ver-

ständnisses auch die Möglichkeit einer Nutzung chemischer und biologischer Effekte prinzipi-

ell mit einschließen. Eine physikalische Erscheinung bzw. ein physikalisches Geschehen wird

als physikalischer Effekt und die quantitativ ausformulierte Beziehung zwischen beteiligten

physikalischen Größen als physikalisches Gesetz bezeichnet.57 Da physikalische Effekte die

Grundlage bzw. Voraussetzung zur Realisierung der in Tabelle 2.1 dargestellten allgemeinen

Funktionen bilden, stellt die Betrachtung dieser einen etablierten Ansatz zur Realisierung von

Funktionen dar (vgl. Abbildung 2.4).58

Abbildung 2.4: Realisierung einer allgemeinen Funktion in einem technischen System

auf Basis eines physikalischen Effekts

Die technische Realisierung physikalischer Effekte findet durch geometrisch-stoffliche Gebilde,

sog. Effektträger59, in einer definierten Umgebung, d. h. im technischen System statt. In diesem

Zusammenhang wird die Verknüpfung von physikalischem Effekt und Effektträger als Wirk-

zusammenhang bezeichnet.60 Wird weiterhin der Wirkzusammenhang im Kontext der Funkti-

55 Vgl. Koller (1998), S. 59 ff. sowie Pahl und Beitz (2007), S. 51 f. 56 Vgl. u. a. Pahl und Beitz (2007), S. 52. 57 Vgl. Roth (2000), S. 2 sowie Ponn und Lindemann (2011), S. 447. 58 Vgl. u. a. Pahl und Beitz (2007), S. 52 ff.; Roth (2000), S. 111 ff. sowie Koller (1998), S. 59 ff. 59 Vgl. bspw. Koller (1998), S. 61 f. 60 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 52.

Allgemeine Funktion:

Umformen (und Leiten)

Physikalischer Effekt:

Hebel-Effekt

Realisierung im technischen System mittels Effektträger:

Balken und Auflager

Eigenschaften* des technischen Systems:

Geometrisch: Längen l1 = 850 mm und l2 = 500 mm sowie

Flächenträgheitsmoment des Balkens I = 39.800 mm4

Stofflich: E-Modul des Balkenmaterials E = 210.000 MPa

Kinematisch: Kopplung zwischen Balken und Auflager

mit einem rotatorischen Freiheitsgrad

* Beispielhafte Angabe von funktionsrelevanten Eigenschaften

l1 l2

F2

F1

Notiz: Brechstange aus Stahl (rund mit einem Durchmesser von etwa 30 mm)

Page 26: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

11

onserfüllung beschrieben, sprechen PAHL & BEITZ von einem Wirkprinzip.61 Die notwendigen

Voraussetzungen eines technischen Systems zur Realisierung eines physikalischen Effekts

lassen sich über die geometrischen, stofflichen und kinematischen Eigenschaften eines techni-

schen Systems beschreiben.62 Abbildung 2.4 verdeutlicht dies am Beispiel eines mechanischen

Hebels.

Die Betrachtung von physikalischen Effekten zur Realisierung von Funktionen bietet die Mög-

lichkeit, Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen technischen Aufgaben bzw. Problemen zu

erkennen, zu nutzten und bereits vorhandenes Wissen aufzugreifen, z. B. in Form von

Effektkatalogen (vgl. auch: Beschreibung technischer Systeme über allgemeine Funktionen –

Unterabschnitt 2.1.1). In diesem Kontext betrachtet SIMONEK physikalische Gesetze vor dem

Hintergrund, dass diese einen Zusammenhang sowie darüber hinaus eine kausale Beziehung

zwischen zwei63 physikalischen Größen herstellen.64 Hierbei wird festgestellt, dass sich die

Gleichungen aus einer abhängig veränderlichen Größe, einer unabhängig veränderlichen

Größe und einer unveränderlichen Größe65 zusammensetzen. Weiterhin differenziert SIMONEK

zwischen Größen, die vom Entwickelnden im Konstruktionsprozess in Form von geometri-

schen und stofflichen Eigenschaften festgelegt werden (sog. Konstruktionsgrößen) und Grö-

ßen, die im Funktionsablauf veränderlich sind und vom Entwickelnden nicht unmittelbar fest-

gelegt werden können (sog. Funktionsgrößen).66 Diese Gemeinsamkeiten zwischen Größen in

physikalischen Gleichungen fasst SIMONEK in den Bezeichnungen abhängige und unabhängige

Funktionsgröße sowie Konstruktionsgröße zusammen:

abhängige Funktionsgröße = f (unabhängige Funktionsgröße, Konstruktionsgröße) .67

Weiterhin wird die Zeit t als Ausnahme definiert, da diese weder den Konstruktions- noch den

Funktionsgrößen zugeordnet werden kann. Auf das Beispiel aus Abbildung 2.4 bezogen, wird

die Kraft F1 als abhängige Funktionsgröße, die Kraft F2 als unabhängige Funktionsgröße sowie

die Längen l1 und l2 als Konstruktionsgrößen bezeichnet. Die Größen stehen gemäß des Hebel-

Gesetzes im folgenden Zusammenhang:

61 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 786. 62 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 52 ff. und S. 149. 63 Simonek betrachtet nur Zusammenhänge, die sich aus einem isolierten Effekt ergeben und sich nicht

weiter zerlegen lassen (vgl. Simonek (1973) S. 10). 64 Vgl. Simonek (1973), S. 10. 65 Eine unveränderliche Größe muss nach dem von Simonek vorgestellten Verständnis nicht zwangsläufig

konstant sein (vgl. Simonek (1973), S. 11 f.). 66 Vgl. Simonek (1973), S. 12. 67 Anmerkung des Autors: Eine weitere Differenzierung hinsichtlich physikalischer Konstanten wird von

Simonek nicht beschrieben.

𝐹1 = 𝐹2 ∙

𝑙2

𝑙1

. ( 2.1 )

Page 27: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

12

2.1.3 Beherrschung von Komplexität durch Modelle und Methoden

Die Art und Ausprägung der Komplexität von technischen Systemen kann stark variieren.

Intuitiv erscheinen bspw. technische Systeme mit einer hohen Anzahl an Elementen und

Relationen zwischen diesen Elementen als komplex.68 LINDEMANN definiert Komplexität in

diesem Zusammenhang in Abhängigkeit von den „Elementen (Art und Verschiedenartigkeit,

Anzahl und Ungleichmäßigkeit der Aufteilung), den Relationen (Art, Verschiedenartigkeit und

Anzahl) sowie der Dynamik (Art und Anzahl der möglichen Zustände)“ 69. Die definierten

Abhängigkeiten zieht LINDEMANN gleichzeitig auch zur Beschreibung der Komplexität eines

(technischen) Systems heran.70

Um die wachsende Komplexität technischer Systeme zu beherrschen, hat sich der Ansatz der

Systemtechnik (engl. Systems Engineering) etabliert.71 Ein wesentlicher Aspekt der System-

technik ist die an die Situation und den Zweck angepasste Definition einer Betrachtungseinheit

in Form eines (technischen) Systems und dessen Abgrenzung durch Systemgrenzen.72 Das

betrachtete System genügt hierbei den in Unterabschnitt 2.1.1 beschriebenen Grundlagen.

Hierauf aufbauend werden mittels einer Systembetrachtung Modelle entwickelt und einge-

setzt, um durch Abstraktion komplexe Sachverhalte zu strukturieren.73 EHRLENSPIEL &

MEERKAMM definieren ein Modell als ein „gegenüber einem Objekt (Original) vereinfachtes,

abstrahiertes, gedankliches, programmtechnisches, immaterielles oder stoffliches Gebilde, das

Analogien zu diesem Objekt aufweist“ 74. Weiterhin sind Modelle allgemein zweckorientiert,

trennen das für die jeweilige Situation Wesentliche von Unwesentlichem und aus ihrem Ver-

halten lassen sich Rückschlüsse auf das Original ziehen.75

STACHOWIAK weist Modellen drei charakterisierende Merkmale zu:

• Das Abbildungsmerkmal besagt, dass Modelle Abbildungen bzw. Repräsentationen von

natürlichen oder künstlichen Originalen sind. Je nach Standpunkt können die Originale

wiederum Modelle sein.

• Das Verkürzungsmerkmal beschreibt die reine Erfassung von relevanten Attributen des

Originals durch das Modell, d. h. ein Modell erfasst nicht alle Attribute des repräsen-

tierten Originals.

• Das pragmatische Merkmal berücksichtigt, dass ein Modell zu einem bestimmten Zeit-

punkt und zu einem definierten Zweck gebildet wird. Es erfüllt eine Einsatzfunktion

für bestimmte modellnutzende Subjekte, innerhalb eines definierten Zeitintervalls und

unter Einschränkung auf bestimmte Operationen.76

68 Vgl. Lindemann (2009), S. 8. 69 Lindemann (2009), S. 332. 70 Vgl. Lindemann (2009), S. 10. 71 Vgl. u. a. Haberfellner (2012), S. 31 ff.; Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 26 f., Lindemann (2009),

S. 9 sowie VDI 2206 (2004), S.24. 72 Vgl. Lindemann (2009), S. 9 sowie Haberfellner (2012), S. 32 ff. 73 Vgl. Haberfellner (2012), S. 39 ff. sowie Lindemann (2009) S. 11. 74 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6 sowie Lindemann

(2009), S. 333. 75 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 76 Vgl. Stachowiak (1973), S. 131 ff.

Page 28: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

13

Verschiedene Modelle werden in einem Vorgehen (z. B. zur Lösung eines technischen Prob-

lems) jeweils zu einem bestimmten Zweck und zu bestimmten Zeitpunkten eingesetzt. Erfolgt

dieses Vorgehen planmäßig und regelbasiert als eine Abfolge von Tätigkeiten zum Erreichen

eines definierten Ziels (z. B. Lösung eines technischen Problems), so wird dies als Methode

bezeichnet.77

2.1.4 Grundlagen technischer Entwicklungsprozesse

Technische Entwicklungsprozesse sind durch die Lösung von Aufgaben und/oder Problemen78

zur Erreichung eines Ziels geprägt. In diesem Zusammenhang stellt sich die wesentliche Frage,

welche Handlungen in welcher Reihenfolge auszuführen sind, um den Entwicklungsprozess

mit möglichst geringem Aufwand (hohe Effizienz) zu einem möglichst guten Ergebnis (hohe

Effektivität) zu führen. Durch die Beschreibung wesentlicher Elemente einer Handlungsfolge

für bestimmte Situationen oder Zielsetzungen, können Vorgehensmodelle eine Hilfestellung

bieten. Sie ermöglichen ein planmäßiges und regelbasiertes Vorgehen in Form einer Methode.

Die Formulierung von Vorgehensmodellen erfolgt entweder in Form einer deskriptiven

Beschreibung von Vorgehensmustern oder in Form von präskriptiven Vorgaben oder Empfeh-

lungen von Arbeitsschritten und deren zeitlicher Abfolge.79 Weder deskriptiven Beschreibung

noch präskriptiven Vorgaben oder Empfehlungen, sind hierbei als starre Vorschriften zu sehen.

Sie sind an die jeweilige Situation und die entsprechenden Kontextfaktoren flexibel anzupas-

sen.80 Ohne eine entsprechend kritische Betrachtung von Vorgehensmodellen kann es auf-

grund des vereinfachten, abstrahierten und zweckorientierten Abbilds der Realität (vgl. Un-

terabschnitt 2.1.2) zu Fehlern und Misserfolg kommen.81 In Abhängigkeit des jeweiligen

Standpunkts und Blickwinkels auf den technischen Entwicklungsprozess existieren allein im

deutschsprachigen Raum eine Vielzahl von Vorgehensmodellen. Ein wesentlicher Faktor ist in

diesem Zusammenhang der Auflösungsgrad des Vorgehensmodells. LINDEMANN unterscheidet

in einem fließenden Übergang die als Mikrologik bezeichneten elementaren Denk- und Hand-

lungsabläufe sowie die Makrologik, die bspw. in Form einer Gesamtprojektplanung erfolgt.82

Im Folgenden werden gezielt Vorgehensmodelle aus den Disziplinen Maschinenbau, Mechat-

ronik (Elektrotechnik und Informatik) sowie der Messtechnik vorgestellt, die für das Verständ-

nis und den Aufbau der Arbeit relevanten sind.

77 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; Lindemann (2009), S. 333 sowie VDI 2221 (2019),

Blatt 1, S. 7. 78 Eine Differenzierung zwischen Aufgabe und Problem stellt die Kenntnis und die Verfügbarkeit eines

Vorgehens und der Mittel zur Erreichung des angestrebten Ziels dar. Bei einer Aufgabe sind Vorgehen

und Mittel zur Zielerreichung bekannt und verfügbar, bei einem Problem hingegen sind Vorgehen

und/oder Mittel unklar bzw. nicht verfügbar (vgl. Lindemann (2009), S. 329 und 334). 79 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 458. 80 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 190; Nähere Informationen zu möglichen Kontextfaktoren können der

VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 24 f. entnommen werden. 81 Vgl. Lindemann (2009), S. 38. 82 Vgl. Lindemann (2009), S. 38.

Page 29: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

14

Entwicklung technischer Produkte und Systeme gemäß VDI-Richtlinien 222x

Die Kernrichtlinie zur Entwicklung technischer Produkte bildet die VDI-Richtlinie 2221

(VDI 2221) in ihrer aktuellen Fassung aus dem Jahr 2019. Das beschriebene allgemeine Vor-

gehen zur Entwicklung technischer Produkte ist national und international anerkannt. Zur

besseren Übertragbarkeit in die Praxis ist die VDI 2221 in zwei Blätter unterteilt. Blatt 1

beschreibt die Grundlagen der methodischen Entwicklung von technischen Produkten und

Systemen und definiert hierzu zentrale Ziele, Aktivitäten und Arbeitsergebnisse in einem

„Modell der Produktentwicklung“ (vgl. Abbildung 2.5).

Abbildung 2.5: Allgemeines Modell der Produktentwicklung83

83 Eigene Darstellung, nach VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 31.

Eigene Darstellung nach VDI 2221 (2019), Blatt 1, S.31 und VDI 2222, Blatt 1. S.5

Produktplanung

Entwicklungsauftrag

Verfeinerte und

ergänzte

Anforderungen

Ziele

PhasenAktivitäten

Ergebnisse

Absicherung der

Anforderungserfüllung

physisch

virtuell

Freigabe

Produktdokumentation

Planung Konzept etc.

Zeit

Klären und Präzisieren des

Problems bzw. der Aufgabe

Ermitteln von Funktionen und

deren Strukturen

Bewerten und Auswählen von

Lösungskonzepten

Gliedern in Module,

Schnittstellendefinition

Gestalten der Module

Integrieren des gesamten

Produkts

Ausarbeiten der Ausführungs-

und Nutzungsangaben

...

Suchen nach Lösungsprinzipien

und deren Strukturen

Anforderungen

Funktionsmodelle

Lösungskonzepte

Systemarchitektur

Teilentwürfe

Gesamtentwürfe

Produktdokumentation

...

Prinzipielle

Lösungskonzepte

Page 30: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

15

In Blatt 2 werden exemplarisch Produktentwicklungsprozesse (PE-Prozesse) in unterschiedli-

chen Kontexten erläutert, bspw. resultierend aus der jeweiligen Branche, Produktart oder

Stückzahl. Weiterhin wird eine Zuordnung der möglichen Aktivitäten zu Prozessphasen in

kontextspezifischen Entwicklungsprozessen vorgeschlagen.84 Anhand der im „Modell der Pro-

duktentwicklung“ beschriebenen Aktivitäten und den entsprechend angestrebten Ergebnissen

wird eine Einordnung der Inhalte dieser Arbeit in Abbildung 2.5 ermöglicht. Die Aktivität

„Suche nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen“ und das angestrebte Ergebnis in Form

„prinzipieller Lösungskonzepte“ stehen hierbei im Mittelpunkt. Die VDI-Richtlinie 2222

(Blatt 1) „Methodisches Entwickeln von Lösungsprinzipien“ besitzt im Vergleich zur übergeord-

neten VDI 2221 einen vertiefenden und ergänzenden Charakter, wobei der Fokus auf den

Tätigkeiten liegt, die zum Ermitteln einer prinzipiellen Lösung führen. Die angestrebten

Lösungen enthalten die wesentlichen Funktionen, physikalischen Effekte zur Umsetzung

dieser Funktionen und erste Bezüge zur technischen Realisierung in Form einer Gestalt.85 Ein

wesentlicher Schritt ist in diesem Zusammenhang die Suche nach Lösungsprinzipien auf der

Ebene von (physikalischen) Effekten und der Gestalt (vgl. Unterabschnitt 2.1.2).86

Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme gemäß VDI-Richtlinie 2206

Um das domänenübergreifende Entwickeln mechatronischer Systeme auf den Gebieten des

Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Informationstechnik methodisch zu unterstützen,

existiert mit der VDI-Richtlinie 2206 „Entwicklungsmethodik für mechatronische Systeme“

(VDI 2206) eine Ergänzung zur VDI 2221. Die Bezeichnung mechatronisches System beinhal-

tet gemäß VDI 2206 die funktionale und/oder räumliche Integration von Sensoren, Aktoren

und Informationsverarbeitung in einem Grundsystem.87 Der Fokus der beschriebenen Vorge-

hensweisen, Methoden und Werkzeuge liegt auf dem Systementwurf unter Berücksichtigung

der genannten Fachdomänen. Ein wesentliches Ziel des Systementwurfs ist neben der Vermei-

dung von Vorfixierungen hinsichtlich der späteren Lösung durch Abstraktion, die Suche nach

Wirkprinzipien und Lösungselementen zur Erfüllung von Teilfunktionen. Das makroskopische

Vorgehen zur Entwicklung mechatronischer Systeme wird im V-Modell in Abbildung 2.6

zusammenfassend dargestellt.88 Auf der Mikro-Ebene verweist die VDI 2206 auf die Anwen-

dung allgemeiner Problemlösungszyklen ausgehend von einer Situationsanalyse oder Ziel-

übernahme und darauffolgenden wechselnden Analyse- und Syntheseschritten (siehe auch

Abschnitt 4.4).89

84 Vgl. VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 3. 85 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 1, S. 2. 86 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 1, S. 19 f. und S. 23 ff. 87 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.10. 88 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.29. 89 Vgl. VDI 2206 (2004), Blatt 1, S.27 f.

Page 31: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

16

Eigene Darstellung nach VDI 2206, S.29

Anforderungen Produkt

Eigenschaftsabsicherung

Informationstechnik

Elektrotechnik

Maschinenbau

Modellbildung und -analyse

Domänenspezifischer Entwurf

Abbildung 2.6: Das V-Modell als Makrozyklus90

Methodische Vorgehensweisen zur Entwicklung von Sensorsystemen

In Abhängigkeit vom Standpunkt und individuellem Ziel existiert eine Vielzahl verschiedenster

Vorgehensmodelle zur Entwicklung von Sensorsystemen. Ein makroskopisches Vorgehen zum

Entwurf von Sensoren und Sensorsystemen stellen bspw. TRÄNKLER & REINDL vor.91 Konkretere

Vorgehensmodelle – angefangen beim Entwurf von Sensorsystemen92, über Modelle zum Vor-

gehen bei der Auswertung von Messungen93, bis hin zum Vorgehen bei der Bestimmung der

Messunsicherheit94 – werden ebenfalls in der Literatur beschrieben.

Wie bereits in den Ausführungen zu den VDI-Richtlinien 222x und 2206 erläutert, liegt der

Fokus dieser Arbeit auf der konzeptionellen Lösungssuche u. a. durch die Auswahl von

Lösungsprinzipien und deren Strukturen im Rahmen des Systementwurfs. Aus diesem Grund

wird exemplarisch ein zur Erreichung dieses Ziels repräsentatives Vorgehensmodell nach

LÖPELT ET AL.95 bzw. ZELLER96 in Abbildung 2.7 dargestellt.

90 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 29 und 32. 91 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 16 f. 92 Vgl. u. a. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff.; Zeller (1996), S. 144 f. sowie Fleischer et al. (2018), S. 6 ff. 93 Vgl. DIN 1319-3 (1996), S.4 f. 94 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Tränkler und Reindl (2015), S. 32 ff. 95 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 96 Vgl. Zeller (1996), S. 144 f.

Page 32: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

17

Eigene Darstellung nach Löpelt et al. (2019), S. 273

Identifikation der Messaufgabe

Erstellung der Anforderungsliste

Festlegung möglicher Messstellen

Auswahl möglicher Messprinzipien

Einschränkung der Messprinzipien

Festlegung des Messprinzips

Auswahl und Bewertung geeigneter Sensorsysteme

Det

aillieru

ng u

nd K

onk

retisierung

von

Aufg

aben

und

Anfo

rderu

ngen

Vorbereitungsphase

Auswahlp

hase

Festlegung eines positiven Nutzens

durch den Einsatz von Sensoren

Konzept

Rechnerunterstützung

Festlegung möglicher Messgrößen

Abbildung 2.7: Modell einer methodischen Vorgehensweise zur Sensorauswahl97

Das Vorgehen ist in eine Vorbereitungs- und eine Auswahlphase unterteilt. Insbesondere die

„Festlegung möglicher Messgrößen“ unter Einbeziehung des vorgelagerten Schritts der „Festle-

gung möglicher Messstellen“ sowie die Auswahlphase sind für diese Arbeit relevant. Die Ent-

wicklung der eigentlichen Sensoren und Messgeräte steht nicht im Fokus dieser Arbeit. Da

Sensoren und Messgeräte dem eingeführten Verständnis nach aber allgemein technische

Systeme darstellen, sind die bereits eingeführten Vorgehen und Entwicklungsprozesse prinzi-

piell anwendbar. Dies spiegelt sich, bei teilweise leicht abweichenden Bezeichnungen, in der

entsprechenden Literatur durch prinzipiell gleiche Vorgehensweisen wider.98

97 Eigene Darstellung, nach Löpelt et al. (2019), S. 273 bzw. Zeller (1996), S. 144. 98 Vgl. bspw. Czichos (2008), S. 82 ff.

Page 33: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

18

2.2 Grundlagen zur Modellierung technischer Systeme

Um die in der Realität vielfach komplexen technischen System entwickeln zu können, muss

der Entwickelnde deren Komplexität beherrschen. In Unterabschnitt 2.1.3 werden hierzu

Modelle und Methoden eingeführt. In diesem Kapitel werden darauf aufbauend

Modellierungsansätze und Sichtweisen verschiedener Disziplinen auf technische Systeme

vorgestellt.

2.2.1 Klassifizierung von Modellen technischer Systeme der PE

Die Modellierung technischer Produkte bzw. im Allgemeinen technischer Systeme (vgl. Unter-

abschnitt 2.1.1) beschreibt die Bildung eines zum gegebenen Zeitpunkt zweckmäßigen und

verkürzten Abbilds des technischen Systems in Form eines (Produkt-) Modells. EHRLENSPIEL &

MEERKAMM definieren ein Produktmodell als ein Modell (vgl. Unterabschnitt 2.1.3), „das alle für

die Produkterstellung, -nutzung und -entsorgung relevanten Informationen in hinreichender Voll-

ständigkeit enthält“ 99.

Abbildung 2.8: Produktmodellpyramide nach Ehrlenspiel100

Eine Differenzierung bestehender Produktmodelle ist anhand unterschiedlicher Aspekte mög-

lich, z. B. anhand der Phase des PE-Prozesses (Planung, Konzeptionierung, …), des Zwecks

(Analyse, Kommunikation, …), des Informationsgehalts (funktionale Zusammenhänge, physi-

kalische Effekte, …) oder der Form der Abbildung (gedanklich/programmtechnisch, immate-

riell/stofflich, …) (vgl. Unterabschnitt 2.1.3 und 2.1.4). Als eine in der Entwicklungsmethodik

99 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 913. 100 Eigene Darstellung, nach Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 48.

Page 34: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

19

etablierte und für den weiteren Verlauf dieser Arbeit zweckmäßige Differenzierung wird im

Folgenden die Klassifizierung anhand des Konkretisierungs- bzw. Abstraktionsgrads101 der

Beschreibung des technischen Systems auf Ebene der Funktion, der Physik und der Gestalt

vorgenommen.102 In Abbildung 2.8 werden diese Ebenen horizontal in Form einer Produkt-

modellpyramide nach EHRLENSPIEL & MEERKAMM dargestellt.

Im Kontext des PE-Prozesses (vgl. Unterabschnitt 2.1.4) stellen die schraffierten vertikalen

Flächen schematisch die Lösungssuchen und -auswahl dar. Die horizontalen Flächen reprä-

sentieren schematisch die jeweils möglichen Lösungsvarianten auf der entsprechenden Ebene.

Um von einer Ebene auf die nächst tiefere zu gelangen, muss eine Lösungsvariante103 ausge-

wählt werden. Diese führt auf der nun erreichten Ebene erneut zu mehreren Alternativen. Die

Anzahl der sinnvollen Lösungsalternativen sowie deren Komplexität nimmt im Entwicklungs-

prozess mit fortschreitender Konkretisierung zu. Dieser Umstand wird durch die Pyramiden-

form unterstrichen.104

In dieser Arbeit tritt im Rahmen des Konzeptprozesses insbesondere die Suche nach Lösungs-

prinzipien und deren Strukturen in den Vordergrund (vgl. Unterabschnitt 2.1.4). Die techni-

schen Lösungsmöglichkeiten bzw. das betrachtete bestehende technische System lassen bzw.

lässt sich auf dieser Konkretisierungs- bzw. Abstraktionsebene durch Effekt- und Wirkprinzi-

pienmodelle abbilden (vgl. Unterabschnitt 2.1.2).

2.2.2 Modellierung technischer Systeme aus Sicht der Regelungstechnik

In verschiedenen Teildisziplinen des Maschinenbaus existiert eine Vielzahl von Modellen, die

auf spezifische Ziele angepasst sind. Die Teildisziplin der Regelungstechnik befasst sich mit der

gezielten Beeinflussung von (physikalischen) Größen in dynamischen (technischen) Syste-

men. Ziel ist es, die Regelgröße105 y(t) auch unter Einwirkung einer Störgröße d(t) entweder

auf einem vorgegebenen konstanten Wert zu halten oder gemäß einer durch eine Führungs-

größe w(t) vorgegebene Weise zeitlich zu verändern. Ein Regler bestimmt hierzu die Differenz

zwischen der Führungsgröße w(t) und der direkt oder indirekt gemessenen Regelgröße yM(t) in

Form der Regelabweichung e(t)= w(t) – yM(t) und gibt in Abhängigkeit von dieser eine Stell-

größe u(t) für die Regelstrecke vor. Die Grundstruktur eines Regelkreises ist in Abbildung 2.9

a) in einem für die Regelungstechnik typischen Modell, dem Blockschaltbild dargestellt.

101 Im Sinne des PE-Prozesses findet eine stetige Konkretisierung, ausgehend von Anforderungen und Funk-

tionen über prinzipielle Lösungen hin zur Gestalt des Produkts, statt. Bezogen auf die Betrachtung eines

vorliegenden technischen Systems, z. B. im Rahmen einer Analyse, wird hingegen in der Regel von einer

Abstraktion, in entgegengesetzter Richtung, gesprochen. 102 Vgl. auch Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 47 ff. 103 In der Realität ist die Beschränkung auf eine Lösungsvariante häufig nicht möglich bzw. nicht sinnvoll

zu begründen. In diesem Fall müssen mehrere Lösungsalternativen parallel weiterentwickelt werden,

bis eine Bewertung auf einer konkreteren Ebene möglich ist. 104 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 47 ff. 105 An dieser Stelle wird exemplarisch die Regelung einer Größe dargestellt. In praktischen Anwendungen

kann z. B. im Fall von Verkopplungen mehrerer Regel- und Stellgrößen oder der Verknüpfung von meh-

reren (Teil-) Systemen eine Mehrgrößenregelung notwendig sein (vgl. Lunze (2020), S. 1 ff.).

Page 35: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

20

Führungsgröße

w(t) Regeleinrichtung

(Regler & Stellglied)

Regelstrecke

(Stell- & Störverhalten)

Messglied

Regelabweichung

e(t)

Stellgröße

u(t)

Störgröße

d(t)

Regelgröße

y(t)

Rückführung der gemessenen Regelgröße

yM(t)

-

a)

b)

w(t) e(t)

d(t)

y(t)

yM(t)

u(t)

1Regeleinrichtung

(Regler & Stellglied)

- 1 Messglied

Regelstrecke

(Stell- & Störverhalten)

Abbildung 2.9: Grundstruktur eines Regelkreises –

a) Blockschaltbild106 und b) Signalflussgraph107

Blockschaltbilder stellen (technische) Systeme als eine Verkopplung von Teilsystemen grafisch

dar und werden neben der Regelungstechnik bspw. auch in der Elektrotechnik oder der

Mechatronik eingesetzt. Sie lassen eine frühe Modellierung von technischen Systemen bereits

vor einer quantitativen Beschreibung zu und können in späteren Phasen zur Systemanalyse

und zum Reglerentwurf eingesetzt werden.108 Hierbei vermittelt die strukturierte Darstellung

eine Übersicht über den Aufbau des technischen Systems und zeigt, wie die auftretenden Sig-

nale109 untereinander verkoppelt sind, wo Rückkopplungen auftreten und ob das System in

voneinander unabhängige Teilsysteme zerlegbar ist.110 Teilsysteme bzw. Übertragungsglieder

werden als Blöcke und Signale als Pfeile dargestellt. Um die gegenseitige Beeinflussung ein-

zelner Signale untereinander darstellen zu können, werden in der Regelungstechnik neben

Blockschaltbildern auch Signalflussgraphen eingesetzt. Ein Signalflussgraph ist ein gerichteter

Graph, in dem Signale durch Knoten und die Übertragungseigenschaften durch Kanten

beschrieben werden (vgl. Abbildung 2.9 b). Bei einem direkten Vergleich der beiden Modelle

aus Abbildung 2.9 wird deutlich, dass die Bedeutung der Pfeile/Kanten und Blöcke/Knoten

zwischen den beiden Darstellungsformen vertauscht ist.

106 Eigene Darstellung, nach Lunze (2016), S. 4 f. 107 Eigene Darstellung, nach Lunze (2016), S. 55 f. 108 Vgl. Lunze (2016), S. 43. 109 In der Regelungstechnik wird von den allgemeinen Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems

(vgl. Unterabschnitt 2.1.1) primär der Signalfluss betrachtet. Blockschaltbilder sind diesbezüglich aber

nicht grundsätzlich limitiert und können prinzipiell auch Stoff- und Energieflüsse abbilden. 110 Vgl. Lunze (2016), S. 44.

Page 36: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

21

Zustandsraumdarstellung

Die Zustandsraumdarstellung in einem Zustandsraummodell ist eine, insbesondere in der Re-

gelungstechnik verwendete, Form zur Beschreibung von dynamischen (technischen) Syste-

men. Sie wird zur Analyse und Synthese dynamischer (technischer) Systeme im Zeitbereich

eingesetzt, z. B. im Rahmen der regelungstechnischen Behandlung von nichtlinearen Syste-

men oder Mehrgrößensystemen. Das Modell besteht aus einer Menge von n Differentialglei-

chungen erster Ordnung, wobei die Beziehungen zwischen den Ein-/Ausgangsgrößen und den

Zustandsgrößen durch Matrizen und Vektoren in Zustandsgleichungen dargestellt werden.

Das Zustandsraummodell für ein Mehrgrößensystem111 hat die allgemeine Form:

��(𝑡) = 𝐀 𝒙(𝑡) + 𝐁 𝒖(𝑡)

𝒚(𝑡) = 𝐂 𝒙(𝑡) + 𝐃 𝒖(𝑡) . ( 2.2 )

Legende:

Zustandsvektor x (n x 1)-Vektor Systemmatrix A (n x n)-Matrix

Eingangsvektor u (m x 1)-Vektor Steuermatrix B (n x m)-Matrix

Ausgangsvektor y (p x 1)-Vektor Beobachtungsmatrix C (p x n)-Matrix

Durchgangsmatrix D (p x m)-Matrix

Beispiel des Einmassenschwingers

Die beschriebene Modellierung technischer Systeme wird im Folgenden am Beispiel des in

Abbildung 2.10 dargestellten Einmassenschwingers verdeutlicht.

k d

F F

x xm m

System Freikörperbild

Fk = k · x Fd = d · x g

Abbildung 2.10: Modellierung des Einmassenschwingers als System und als Freikörperbild

Die Bewegungsgleichung wird durch

𝑚�� = 𝐹 − 𝑘𝑥 − 𝑑��

⇔ �� =𝐹

𝑚−

𝑘

𝑚𝑥 −

𝑑

𝑚��

( 2.3 )

beschrieben. Die Differenzialgleichung 2. Ordnung ist in Abbildung 2.11 in einem Blockschalt-

bild dargestellt.

111 Bei der Darstellung eines Eingrößensystems werden die Matrizen B, C und D entsprechend zu den

Vektoren b, c und d.

Page 37: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

22

F

1

m

-k

-d

x x x.. .

Abbildung 2.11: Darstellung der Differenzialgleichung des Einmassenschwingers

als Blockschaltbild

Der Zustand112 des Systems zweiter Ordnung wird durch die zwei Zustandsgrößen 𝑥 (Ver-

schiebung) und �� (Geschwindigkeit) in einem Zustandsvektor x beschrieben. Nur durch die

Kenntnis beider Zustandsgrößen lässt sich der aktuelle Zustand des Systems bestimmen,

anschaulich die aktuelle Position x und die Verteilung der Energie113 zwischen den beiden

Speichern Masse und Feder.

Die Zustandsraumdarstellung des Systems ist gemäß

�� = 𝐀 𝑥 + 𝒃 𝑢

𝑦 = 𝒄 𝑥 + 𝒅 𝑢

( 2.4 )

durch das Gleichungssystem114

[��1

��2

] = [0 1

− 𝑘𝑚⁄ − 𝑑

𝑚⁄] [

𝑥1

𝑥2

] + [0

1𝑚⁄

] 𝑢

𝑦 = [1 0] [𝑥1

𝑥2

]

( 2.5 )

gegeben und in Abbildung 2.12 in einem Blockschaltbild dargestellt.

u

A

x

b c

yx.

Abbildung 2.12: Zustandsraumdarstellung des Einmassenschwingers im Blockschaltbild

112 Der Zustand eines Systems wird in diesem Zusammenhang dem regelungstechnischen Verständnis nach

als ein Vektor x verstanden, der zusammen mit dem Verlauf der Eingangsgröße u(t) des Systems eine

eindeutige Bestimmung der Ausgangsgröße y(t) ermöglicht (vgl. Lunze (2016), S. 79). Dies ist ein vom

sonstigen Verständnis (vgl. Glossar) in dieser Arbeit abweichendes Verständnis des Zustandsbegriffs. 113 Für die Masse gilt 𝐸𝑚 =

1

2𝑚��2 und für die Feder gilt 𝐸𝑘 =

1

2𝑘𝑥2.

114 In der dargestellten Form werden Störungen d(t) (Durchgangsmatrix D bzw. Durchgangsvektor d) nicht

berücksichtigt, d. h. es ist der Fall d(t)=0 dargestellt.

Page 38: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

23

Neben der klassischen Regelung des Systems anhand seiner Ausgangsgröße y(t) (vgl.

Abbildung 2.9) ermöglicht die Betrachtung im Zustandsraum nicht nur die Rückführung der

Ausgangsgröße y(t), sondern des gesamten Zustandsvektors x in Form einer sog. Zustandsre-

gelung (vgl. Abbildung 2.12). Eine Zustandsregelung wird u. a. in Mehrgrößensystemen oder

nichtlinearen Systemen eingesetzt und ermöglicht eine schnelle Regelung bei einer hohen

Regelgüte.115

Um eine vollständige Zustandsrückführung technisch zu realisieren, müssten theoretisch alle

Zustandsgrößen gemessen werden.116 Dies ist in vielen technischen Anwendungen allerdings

nicht erfüllt bzw. umsetzbar.117 Der Einsatz von Beobachtern zur Lösung dieses Problems wird

in Unterabschnitt 2.4.2 vorgestellt.

2.2.3 Modellierung mechatronischer Systeme

Mechatronische Systeme setzen sich gemäß der VDI 2206 aus einem mechanischen, elektro-

mechanischen, hydraulischen oder pneumatischen Grundsystem sowie Sensoren, Aktoren und

einer Informationsverarbeitung zusammen.118 Die Grundstruktur eines mechatronischen Sys-

tems ist als eine Verknüpfung der vier genannten Elemente durch allgemeine Ein- und Aus-

gangsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.1.1) modellhaft in Abbildung 2.13 dargestellt.

Grundsystem

Sensoren

Mensch

Umgebung

Informations-

verarbeitung

Aktoren

Informations-

verarbeitung

Leistungs-

versorgung

Kommunikations-

system

Mensch-Maschine-

Schnittstelle

notwendige Elemente

optionale Elemente

Informationsfluss

Stofffluss

Energiefluss

Abbildung 2.13: Grundstruktur eines mechatronischen Systems119

Die Inhalte dieser Arbeit lassen sich im V-Modell (vgl. Unterabschnitt 2.1.4) in der Phase „Sys-

tementwurf“ einordnen. Um die eingenommene Betrachtungsweise einzuordnen und aufbau-

end relevante Modellierungsansätze vorzustellen, wird die Modellhierarchie nach JANSCHEK in

Abbildung 2.14 genutzt.120

115 Vgl. Lunze (2020), S. 149 ff. 116 Vgl. Lunze (2020), S. 150 und 345. 117 Vgl. Lunze (2020), S. 345. 118 Vgl. VDI 2206 (2004), S. 14. 119 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 14. 120 Vgl. Janschek (2009), S. 54 f.

Page 39: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

24

Systemsicht: Produktaufgabe

Systemsicht:

Energie-, Signalfluss, DynamikSystemsicht: Struktur, Schnittstellen

Energiebasierte Modellierung

Sortieren + Gleichungsmanipulation

Linearisierung

Lineare Analysemethoden

Numerische Integration

Mechatronisches System

Qualitatives Systemmodell

(hybrides) Zustandsmodell

Modellbasierte Verhaltensaussagen für

das reale mechatronische System

Lineares zeitinvariantes

System, Übertragungsfunktion

Mehrpolbasierte Modellierung

Sim

ula

tionste

chnik

Modellb

ildung

Domänenspezifische Modelle mit konzentrierten Elementen

(hybrides) Differential-algebraisches Gleichungssystem

Abbildung 2.14: Modellhierarchie für den Systementwurf mechatronischer Systeme121

Es wird zwischen qualitativen und quantitativen Systemmodellen unterschieden, wobei sich

grundsätzlich die Herausforderung der Modellierung eines technischen Systems unter Berück-

sichtigung und Verknüpfung der verschiedenen involvierten Domänen (Mechanik, Elektro-

technik, Informatik) ergibt. Die Interaktionen zwischen Systemelementen der verschiedenen

physikalischen Domänen finden über Energieflüsse mit entsprechenden Rückwirkungen statt.

Das resultierende heterogene, gekoppelte Verhalten eines mechatronischen Systems ist in

geeigneten domänenunabhängigen Modellen abzubilden.122

Die qualitativen Systemmodelle ermöglichen es, ein System so zu strukturieren, dass es über-

schaubar und damit die inneren Zusammenhänge für einen Entwickelnden ersichtlich werden.

Auf dieser Basis können gerätetechnische Entwurfsvarianten erarbeitet werden. Weiterhin

wird durch die qualitative Modellierung des Systems erst die darauf aufbauende, quantitative

Modellierung von klar abgegrenzten und überschaubaren Subsystemen in Form von physika-

lisch/mathematischen Gleichungen ermöglicht.123 Zur Modellierung mechatronischer Systeme

können zwei Ansätze verfolgt werden: Zum einen lassen sie sich, entsprechend des im

V-Modell beschriebenen „Domänenspezifischen Entwurfs“ (vgl. Unterabschnitt 2.1.4), jeweils

121 Eigene Darstellung, nach Janschek (2009), S. 55. 122 Vgl. Janschek (2009), S. 55. 123 Vgl. Janschek (2009), S. 57 f.

Page 40: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

25

aus Sicht der beteiligten Domänen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik modellie-

ren124, zum anderen ist eine domänenunabhängige Modellierung des Gesamtsystems mög-

lich125. Da ersteres der angestrebten domänenübergreifenden Modellierung widerspricht, wird

die domänenunabhängige Modellierung im Folgenden näher betrachtet.

Hierzu wird nach JANSCHEK ausgehend von einer Modellierung mit konzentrierten Systemele-

menten und allgemeinen Energieerhaltungssätzen zwischen Ansätzen zur energiebasierten

Modellierung unter Nutzung von skalaren Energiefunktionen und Ansätzen zur mehrpolbasierten

Modellierung unter Nutzung von komponentenbasierten Systemmodellen mit leistungserhalten-

den Verschaltungsgesetzen unterschieden.126 Im Rahmen der in dieser Arbeit betrachteten

Modellbildung wird der mehrpolbasierte Modellierungsansatz verfolgt. Die Struktur eines

mehrpolbasierten Netzwerkmodells ermöglicht es, die physikalische Topologie des betrachte-

ten technischen Systems zu erhalten. Auf diese Weise eröffnet sich die Möglichkeit einer

Modularisierung von physikalischen Modellen bzw. vom Modellierungsprozess allgemein

anhand einer klaren technischen Komponentenzuordnung.127 Darüber hinaus ist der mehrpol-

/netzwerkbasierte Modellierungsansatz auch für umfangreiche und komplexe Systeme geeig-

net.128 Ein Ausblick auf Paradigmen zur Multidomänenmodellierung auf Basis von Mehrpolen

wird in Abbildung 2.15 gegeben.

Kirchhoffsche

Netzwerke

(rückwirkungsbehaftet)

Signalgekoppelte

Netzwerke

(rückwirkungsfrei)

Multidomänenmodellierung

auf Basis von Mehrpolen

Port-HAMILTONIAN

Formalismus

Bond

Graphen

Abbildung 2.15: Paradigmen zur Multidomänenmodellierung mechatronischer Systeme auf Basis

von konzentrierten Netzwerkelementen in Form von Mehrpolen129

Mehrpolbasierte Modellbildung

Bei der mehrpolbasierten Modellbildung werden technische Systeme mit multidisziplinärem

Charakter einheitlich anhand von konzentrierten Netzwerkelementen sowie allgemeinen

Energieerhaltungssätzen beschrieben.130 Die Verknüpfung der einzelnen örtlich und funktio-

nell abgegrenzten Netzwerkelemente zu einem Gesamtmodell des technischen Systems

geschieht über Klemmen bzw. Pole anhand leistungserhaltender Verschaltungsgesetze

(Kirchhoffsche Gesetze). Je nach Anzahl der Pole werden die Netzwerkelemente als Zweipol

bzw. Eintor, Dreipol, Vierpol bzw. Zweitor oder Mehrtor bezeichnet (vgl. Abbildung 2.16).

124 Vgl. Czichos (2008), S. 31 ff. 125 Vgl. Janschek (2009), S. 75 ff. 126 Vgl. Janschek (2009), S. 75. 127 Vgl. Janschek (2009), S. 106 f. 128 Vgl. Janschek (2009), S. 123. 129 Eigene Darstellung, nach Janschek (2009), S. 76. 130 Eine solche Modelldarstellung technischer Systeme wird von MacFarlane (1967), S. 69 allgemein auch

als „Netzwerkbild“ bezeichnet.

Page 41: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

26

e(t)

f(t)

konzentriertes

Netzwerkelement

Zweitor/

Vierpol

Eintor/

ZweipolDreipol

Nur innerhalb einer

physikalischen Domäne verschaltbar

Verschaltungen zwischen verschiedenen

physikalischen Domänen möglich

→ Wandler sind mindestens Zweitore

Mehrtor

Abbildung 2.16: Übersicht konzentrierter Netzwerkelemente

Die Grundlage der mehrpolbasierten Modellbildung stellt der Energieaustausch zwischen den

Netzwerkelementen mittels eines Paars von zueinander konjugierten generalisierten Energie-

variablen bzw. Netzwerkvariablen dar.131 Diese werden definiert als

• generalisierte Potentialgröße e (engl. effort) und

• generalisierte Flussgröße f (engl. flow).132

Beispiele für generalisierte Potentialgrößen sind die Geschwindigkeit v oder die Spannung U

und Beispiele für generalisierte Flussgrößen sind die Kraft F oder der Strom I.133

Das Produkt der Potential- und Flussgröße stellt eine

• generalisierte Leistung 𝑃(𝑡) ∶= 𝑒(𝑡) ∙ 𝑓(𝑡) dar.134

Da anhand des Paares generalisierter Netzwerkvariablen der Energieaustausch, nicht aber die

im System bzw. Element gespeicherte Energie beschrieben wird, reichen diese beiden Größen

zur Beschreibung der in einem System bzw. Element vorhandenen Gesamtenergie nicht aus.

Die in einem abgeschlossenen System bzw. Element vorhandene Gesamtenergie kann durch

eindeutig definierte Fundamentalgrößen beschrieben werden. Da die Energie als eine mengen-

artige physikalische Zustandsgröße nicht alleine fließen kann, benötigt sie immer einen Ener-

gieträger. Zu jedem Energieträger gehört wiederum ein Potential.135 Die bereits eingeführten

generalisierten Netzwerkvariablen e und f sind nicht von der Größe des betrachteten Systems

bzw. allgemein einer Menge abhängig. Sie werden aus diesem Grund als intensive Zustandsgrö-

ßen oder Intensitätsgrößen 𝑖𝑗 bezeichnet. Beispiele für intensive Zustandsgrößen sind die Kraft

F oder der Strom I sowie die Geschwindigkeit v oder die Spannung U. Dem gegenüber werden

Zustandsgrößen, die von der Größe des betrachteten Systems bzw. allgemein einer Menge

131 Vgl. MacFarlane (1967), S. 18 ff. und S. 69 ff, sowie Wellstead (1979), S. 11 f. 132 Vgl. Wellstead (1979), S. 11 sowie Janschek (2009), S. 77 ff. 133 In der Literatur werden unter der Einnahme eines anderen Standpunktes auch gegensätzliche Zuord-

nungen beschrieben. Die an dieser Stelle eingeführte Sichtweise wird für den weiteren Verlauf dieser

Arbeit konsequent beibehalten. Weitere Informationen können Wellstead (1979), S. 26 sowie Janschek

(2009), S. 82 entnommen werden. 134 Vgl. Wellstead (1979), S. 9 ff. sowie Janschek (2009), S. 78; siehe auch MacFarlane (1967), S. 31 ff.

Hinweis: Sowohl die Regelabweichung (vgl. Unterabschnitt 2.2.2) als auch die generalisierte Potential-

größe werden gemäß der jeweils üblichen Konvention als e(t) bezeichnet. Die Unterscheidung der beiden

Bezeichnungen findet in dieser Arbeit anhand des Kontexts statt. 135 Vgl. Grabow (2013), S. 1 ff.

Page 42: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

27

abhängig sind als extensive Zustandsgrößen 𝑞𝑗 bezeichnet. Beispiele für extensive Zustandsgrö-

ßen sind der Impuls p oder die elektrische Ladung Q sowie die Verschiebung s oder der Induk-

tionsfluss Φ. Intensive und extensive Zustandsgrößen stehen über die Ableitung nach der Zeit

t im Zusammenhang:

𝑖𝑗 ∶=𝑑𝑞𝑗

𝑑𝑡 . ( 2.6 )

Nach der Gibb‘schen Fundamentalform für Gleichgewichtszustände berechnet sich die Ener-

gieänderung eines Systems gemäß der Gleichung:

𝛿𝐸 = ∑ 𝑖𝑗 ∙ 𝛿𝑞𝑗 .

𝑗

( 2.7 )

Die Gesamtenergie eines Systems bzw. eines Elements ergibt sich nach Gleichung 2.7 aus der

Summe der Produkte der beiden paarweisen intensiven und extensiven Zustandsgrößen.136

Daraus folgt, dass sich innerhalb einer physikalischen Domäne immer genau vier Systemvari-

ablen bilden lassen, zwei intensive Größen und zwei extensiven Größen. Die beiden intensiven

Größen und extensiven Größen werden weiterhin anhand ihrer messtechnischen Eigenschaf-

ten unterschieden:

• Zustandsgrößen, zu deren Bestimmung genau ein Raumpunkt notwendig ist, werden

als P-Variablen (von lat. per – „durch“) oder Einpunktgrößen bezeichnet und mit dem

Index P charakterisiert. Beispiele sind die Kraft F oder der Strom I bzw. der Impuls p

oder die elektrische Ladung Q.

• Zustandsgrößen, zu deren Bestimmung zwei Raumpunkte notwendig sind, werden als

T-Variablen (von lat. trans – „über“) oder Zweipunktgrößen bezeichnet und mit dem

Index T charakterisiert. Beispiele sind die Geschwindigkeit v oder die Spannung U bzw.

die Verschiebung s oder der Induktionsfluss Φ.

Die beschriebenen Definitionen und Zusammenhänge sind in Tabelle 2.2 systematisch zusam-

mengefasst. Die bereits im Fließtext genutzten Beispiele aus den Domänen der Mechanik und

der Elektrotechnik sind sowohl in dieser Tabelle als auch in Tabelle 2.3 und in Abbildung 2.17

konsistent aufgegriffen.

Die eingeführten Systemvariablen werden über zwei Arten von konstitutiven Gesetzen mitei-

nander verknüpft. Der zeitliche Zusammenhang zwischen intensiven und extensiven

Zustandsgrößen wurde bereits in Gleichung 2.6 eingeführt. Der Zusammenhang zwischen P-

und T-Variablen wird über Gestaltparameter wie z. B. die innere Dämpfung d, die Federkon-

stante k und die Masse m bzw. den elektrischen Widerstand R, die Induktivität L und die

Kapazität C hergestellt. Diese Gestaltparameter rufen auf Systemebene entweder speichernde

(z. B. Federkonstante k und Masse m bzw. Induktivität L und Kapazität C) oder wandelnde

(z. B. innere Dämpfung d oder elektrischer Widerstand R) Eigenschaften hervor. Die beschrie-

benen konstitutiven Gesetze sind in der Tabelle 2.3 zusammenfassend dargestellt.

136 Vgl. Grabow (2013), S. 5 f.

Page 43: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

28

Tabelle 2.2: Zusammenfassung der Systemvariablen im Rahmen der

Mehrpolbasierten Modellbildung

System-

variable

Formel-

zeichen Eigenschaft

Energie-

variable

Leistungs-

variable137

Beispiel

(Mechanik /

Elektrotechnik)

Primärgröße X

P-Variable

extensive

Zustandsgröße

qP –

Impuls p /

elektrische

Ladung Q

Potentialgröße Y

T-Variable

intensive

Zustandsgröße

iT e

Geschwindig-

keit v /

Spannung U

Flussgröße IM

P-Variable

intensive

Zustandsgröße

iP f Kraft F /

Strom I

Extensum Ex

T-Variable

extensive

Zustandsgröße

qT –

Verschiebung s /

Induktions-

fluss Φ

Hinweis:

P-Variable ≙ Einpunktgröße

T-Variable ≙ Zweipunktgröße

extensive Zustandsgröße ≙ „Quantität“

intensive Zustandsgröße ≙ „Intensität“

Tabelle 2.3: Übersicht über die konstitutiven Gesetze zur Verknüpfung der Systemvariablen

Bezeichnung Gleichung

(Definition)

Allgemeines

Element Eigenschaft

Beispiel

(Mechanik /

Elektrotechnik)

kapazitives

Gesetz 𝐶 ∶=

𝑞𝑃

𝑖𝑇

Kapazität Energie-

speicher

Masse m /

Kapazität C

resistives

Gesetz 𝑅 ∶=

𝑖𝑇

𝑖𝑃

Widerstand Energie-

wandler

innere Dämpfung d /

el. Widerstand R

induktives

Gesetz 𝐿 ∶=

𝑞𝑇

𝑖𝑃

Induktivität Energie-

speicher

Federkonstante k /

Induktivität L

memristives

Gesetz 𝑀 ∶=

𝑞𝑇

𝑞𝑃

Memristor Energie-

wandler –

137 Da der Energieaustausch zwischen den Netzwerkelementen mittels eines Paars von zueinander konju-

gierten, generalisierten Leistungsvariablen dargestellt wird, werden diese in der Literatur teilweise auch

als Netzwerkvariablen bezeichnet.

Page 44: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

29

Ein Überblick über die Systemvariablen, deren Bildungsgesetze sowie deren Verknüpfung mit-

tels konstituierender Gesetze ist in Abbildung 2.17 in einem Übersichtsmodell dargestellt. Es

wird deutlich, dass ausgehend von der Primärgröße die drei weiteren Systemvariablen zumin-

dest mathematisch eindeutig abgeleitet werden können. In der Praxis stellt sich nach JANSCHEK

allerdings heraus, dass es nicht immer trivial ist, die domänenübergreifenden Analogiebezie-

hungen in korrekter Weise aufzustellen.138

Ex

qT

Y

iT

X

qP

IM

iP

P = iP · iT

δ EP = iT · δ qP δ ET = iP · δ qT

qT

iPL :=

qP

iTC :=

d

dt

d

dt

Verschiebung

s

[m]

Geschwindig-

keit v

[m/s]

Impuls p

[N·s]

Kraft F

[N]

d

dt

d

dt

Fed

er-

konst

ante

k

Masse m

Induk-

tionsfluss Φ[Wb]

Spannung U

[V]

el. Ladung Q

[C]

el. Strom I

[A]

d

dt

d

dt

Indukt

ivität L

Kapazität

C

Beispiel: Mechanik Beispiel: Elektrotechnik

Allgemein

Abbildung 2.17: Übersicht über die Systemvariablen sowie deren Verknüpfung mittels

konstituierender Gesetze in allgemeiner Form sowie jeweils an einem Beispiel

aus der Mechanik und aus der Elektrotechnik139

138 Vgl. Janschek (2009), S. 106 f. 139 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Grabow (2013), S. 11.

Page 45: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

30

2.2.4 Modellierung von Messungen in technischen Systemen

Messungen, d. h. die Erfassung und Darstellung physikalischer Größen und die Zuordnung

entsprechender Maßzahlen, sind Gegenstand des disziplinübergreifenden Gebiets der Mess-

technik. Der grundlegende Aufbau einer Messkette ist in Abbildung 2.18 dargestellt. Anknüp-

fungspunkte zu den Inhalten dieser Arbeit bestehen im Bereich der Messgrößenaufnahme.

Sensorelemente bzw. Sensoren wandeln oder formen eine physikalische, chemische oder biolo-

gische Messgröße in ein elektrisches Messsignal140 um. Hierbei ist anzumerken, dass der

Begriff des Sensorelements bzw. Sensors nicht einheitlich definiert ist.141 Im Folgenden wird

das in Abbildung 2.18 b) dargestellte Verständnis eines Sensors als die erste in sich geschlos-

sene Komponente, die an ihrem Eingang die Messgröße aufnimmt und an ihrem Ausgang ein

konditioniertes Messsignal liefert, nach TRÄNKLER & REINDL übernommen.142

Hilfsenergie

Umgebung

Einfluss & Störgrößen

Mess-

signal

Messgrößenaufnehmer

• Sensor

• Messaufnehmer

• Fühler

• Detektor

Mess-

größeMess-

objekt

Mess-

wert

Signalverarbeitung

• Messschaltung

• Messverstärker

• Rechner

Messwertausgabe

• Anzeige

• Registrierung

• Speicherung

a)

b)

Sensor-

element

Mess-

schaltung

Messver-

stärker

Mikro-

controller

mit AD-

Wandler

Bus-

koppler

physikalische

Messgröße

elektrisches

Messsignal

normiertes,

analoges,

elektrisches

Messsignal

Sensor (-Element)

Sensor (mit analogem, normiertem Ausgangssignal)

(busfähiger, intelligenter) Sensor

aktive Messschaltung

Digitale Bus-

Schnittstelle

Abbildung 2.18: Allgemeine Struktur der Messtechnik

a) Messkette143 und b) Abgrenzung des Sensor-Begriffs144

140 Messgrößenaufnehmer bzw. Sensoren weisen heute nahezu ausschließlich ein elektrisches Signal als

Ausgangsgröße auf (vgl. bspw. Hoffmann (2015), S. 30 oder Tränkler und Reindl (2015), S.3). Grund-

sätzlich ist aber auch ein analoger Messvorgang z. B. durch den optischen Vergleich eines Prüflings mit

einer Maßverkörperung (z. B. Lineal) möglich. 141 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S. 19. 142 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S.4. 143 Eigene Darstellung, nach Czichos und Habig (2015), S. 80. 144 Eigene Darstellung, nach Tränkler und Reindl (2015), S. 4.

Page 46: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

31

Da ein Sensor ein Messsignal wandelt, kann eine Messung auch als eine Erfassung der Wir-

kung X1 einer Ursache Y (Messgröße) auf den Sensor gesehen werden. Das Ziel ist der Rück-

schluss von der Wirkung X1 auf die Ursache Y (vgl. Abbildung 2.19).

Ursache Y

Kraft F

Wirkung X1

Verschiebung s

Messung: X1 = h ( Y, X2, X3, , XN )

Modell der Auswertung: Y = f ( X1, X2, X3, , XN )

Bsp.: FederkraftmesserZugfeder mit der

Federkonstanten k

70 N

60 N

50 N

40 N

30 N

20 N

10 N

[ N ]

F

s

Abbildung 2.19: Entwicklung eines Modells der Auswertung basierend auf einem

Ursache-Wirkung-Zusammenhang145

Der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird anhand von physikalischen Effekten

aufgebaut. Nicht berücksichtigte Einflüsse und Unvollkommenheiten (bspw. des Messobjekts,

der Umwelt oder des Messgeräts) wirken auf die Messkette und rufen Messunsicherheit (vgl.

Unterabschnitt 2.3.2) hervor. Mathematisch kann der Ursache-Wirkung-Zusammenhang

durch die funktionale Abhängigkeit

X1=h(Y, X2, X3, …, XN) ( 2.8 )

ausgedrückt werden. Wird diese Gleichung nach dem gesuchten Merkmal bzw. der Messgröße

Y umgestellt, ergibt sich die allgemeine Form des Modells der Auswertung

Y=f(X1, X2, X3, …, XN).146 ( 2.9 )

Gemäß dem bisherigen Verständnis dieser Arbeit, wird ein Sensor als ein technisches System

betrachtet. Folglich gelten die bereits in den Unterabschnitten 2.1.1, 2.1.2 und 2.1.4 beschrie-

benen Grundlagen. Insbesondere auch die in den Unterabschnitten 2.2.1 bis 2.2.3 vorgestell-

ten Ansätze und Möglichkeiten zur Modellierung sind auf Sensoren bzw. Sensorsysteme über-

tragbar.

145 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Weckenmann et al. (2006), S. 191 sowie Tränkler und Reindl

(2015), S. 27. 146 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 8 sowie Sommer und Siebert (2004), S. 53.

Page 47: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

32

2.3 Grundlagen zur Unsicherheit in technischen Systemen

Im folgenden Kapitel werden die notwendigen Grundlagen zum Verständnis von Unsicherheit

im Kontext der vorliegenden Arbeit beschrieben. Vor diesem Hintergrund liegt der Fokus auf

der Betrachtung von Unsicherheit im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere

aus Sicht der Produktentwicklung und der Messtechnik. In anderen wissenschaftlichen Diszip-

linen wie z. B. der Psychologie, Betriebs- und Volkswirtschaftslehre oder Informatik wird der

Begriff der Unsicherheit im jeweiligen Zusammenhang abweichend verwendet.

2.3.1 Unsicherheit in der Produktentwicklung

Bei der Betrachtung des Produktlebenslaufs vom Standpunkt der Produktentwicklung aus wird

deutlich, dass ein Produkt über alle Entwicklungs-, Fertigungs- sowie Nutzungsphasen hinweg

einer Vielzahl von zum Entwicklungszeitpunkt nicht exakt vorhersehbaren und somit unsiche-

ren Einflüssen ausgesetzt ist. Eine hieraus resultierende Notwendigkeit einer Berücksichtigung

von Unsicherheit im Rahmen der Entwicklung von technischen Systemen wird in der Literatur

beschrieben.147

Begriff der Unsicherheit

Die verschiedenen Perspektiven aus denen Unsicherheit im Kontext der Produktentwicklung

betrachtet werden kann, zeigen sich an der vielfältigen Verwendung des Begriffs, bspw. in

Form von Beurteilungs-, Prognose-, Planungs- oder Datenunsicherheit.148 Anstelle einer ein-

deutigen Abgrenzung wird der jeweilige Fokus der Betrachtung durch die verfolgte Zielset-

zung, welche dem Begriff der Unsicherheit vorangestellt wird, festgelegt. Zurückführen lässt

sich Unsicherheit themenübergreifend auf eine eingeschränkte Informationsverfügbarkeit.149

Diesem Verständnis folgend, wird die Definition von Unsicherheit gemäß ISO Guide 73:2009

aufgegriffen und den folgenden Inhalten zugrunde gelegt. Unsicherheit ist demnach der

Zustand, „der sich aus dem gänzlichen oder teilweisen Fehlen von Informationen, Verständnis

oder Wissen […] ergibt“ 150.

Das Verständnis und die Beziehungen zwischen den Begriffen Daten, Informationen und Wissen

wird gemäß der VDI 5610 übernommen. Demnach sind Daten objektive Fakten, die ohne

Zusammenhang bzw. Kontext nicht deutbar sind und als „Rohmaterial“ zu verstehen sind.151

Informationen ergeben sich aus „strukturierten Daten mit Relevanz und Zweck, die in einen Kon-

text gebracht, kategorisiert, kalkuliert und korrigiert werden können“ 152. Durch die Vernetzung

von Informationen entsteht Wissen, welches es ermöglicht, Vergleiche anzustellen, Verknüp-

fungen herzustellen und Entscheidungen zu treffen.153

147 Vgl. Lawrence (1996), S. 8 ff.; Pahl und Beitz (2007), S. 499 sowie Engelhardt (2012), S. 23 f. 148 Vgl. Eifler (2014), S. 7. 149 Vgl. Galbraith (1973), S. 5 sowie Eifler (2014), S. 7. 150 Vgl. ISO Guide 73: 2009 (2009), S. 2. 151 Vgl. VDI 5610 (2009), S. 4. 152 VDI 5610 (2009), S. 4. 153 Vgl. VDI 5610 (2009), S. 4.

Page 48: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

33

Grundlagen der Klassifizierung von Unsicherheit

Verschiedene Arten von Unsicherheit haben unterschiedliche Ursachen sowie Folgen und kön-

nen mit unterschiedlichen Maßnahmen beherrscht werden. Daher ist sowohl für die Identifi-

kation (Analyse), als auch für die Berücksichtigung (Synthese) von Unsicherheit im weiteren

Verlauf dieser Arbeit eine Unterscheidung von Unsicherheit in Form einer Klassifizierung sinn-

voll. Ansätze zur Klassifizierung bieten bspw. die Differenzierung zwischen epistemischer154

und aleatorischer Unsicherheit155 sowie der zur Verfügung stehende Umfang an Informationen

bzgl. einer mit Unsicherheit behafteten Größe. Diese Ansätze sind zur Identifikation und

Berücksichtigung von Unsicherheit allerdings noch nicht präzise genug. Eine zweckmäßige

Klassifizierung von Unsicherheit anhand ihrer Manifestation schlägt KREYE ET AL. in Form der

Differenzierung von Kontext-, Daten-, Modell- und Phänomenologischer Unsicherheit vor.156 Eine

Darstellung der vorgeschlagenen Manifestation ist in Abbildung 2.20 in einem Systemmodell

verortet dargestellt.

Wahrscheinlichkeitsdichtefunktio

n

y

Schritt 2

Soll-Wert

Wahrscheinlichkeitsdichtefunktio

n

y

Ausgangs-

verhalten

Reduzierte

Schwankung

Schritt 1

Soll-Wert

Mittelwert

wird an

Soll-Wert

angepasst

a) b)

Abbildung 2.20: Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL.157

Als Kontext einer Situation oder eines Systems werden die umgebenden Umstände verstanden.

Die Kontextunsicherheit beschreibt den Ausfall oder die Beeinträchtigung bzw. allgemein die

Beeinflussung des Systems durch äußere Einflüsse.158 DE WECK ET AL. unterscheiden Kontex-

tunsicherheit in Abhängigkeit von der Beeinflussbarkeit der Umstände durch das Unterneh-

men bzw. den Entwickelnden in endogene und exogene Unsicherheit.159

Datenunsicherheit beschreibt die mit den Eingangsgrößen eines Systems bzw. eines Modells

verknüpfte Unsicherheit. Je nach Ausprägung der Unsicherheit ist zwischen Datenunvollstän-

digkeit, Datenungenauigkeit und einer Variation in den Eingangsdaten zu unterscheiden.160

Die bewusst oder unbewusst getroffenen Vereinfachungen in der Modellbildung führen, zu

einer als Modellunsicherheit bezeichneten Abweichung zwischen dem Modell als Abbild der

154 Auf einem Mangel an Informationen beruhende Unsicherheit, die durch einen Informationsgewinn

reduziert werden kann. 155 Auf Zufall basierende Unsicherheit, die nicht reduziert werden kann. 156 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 2 ff. 157 Eigene Darstellung, nach Kreye et al. (2011), S. 97. 158 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 2. 159 Vgl. de Weck et al. (2007), S. 4 ff. 160 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 3.

Page 49: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

34

Realität und der tatsächlichen Realität. Sie kann entsprechend des Modells bspw. in Unsicher-

heit des konzeptionellen Modells, des mathematischen Modells oder des Berechnungsmodells

unterschieden werden.161

Phänomenologische Unsicherheit berücksichtigt die Unvorhersehbarkeit der Zukunft aufgrund

unbekannter Ereignisse oder unbeachteter Einflüsse, wie z. B. das zukünftige Systemverhalten

oder potentielle Konsequenzen aus einer Entscheidung. Sie resultiert aus der Gegebenheit,

dass manche (erforderlichen) Informationen zum Zeitpunkt der Beschreibung unbekannt sind.

Da immer ein Einfluss eines unberücksichtigten Ereignisses auftreten kann, ist phänomenolo-

gische Unsicherheit nie vollständig beschreibbar oder eliminierbar.162

EIFLER greift die Klassifizierung von Unsicherheit nach KREYE ET AL. auf und differenziert die

im PE-Prozess relevante Unsicherheit in Daten- und Modellunsicherheit.163 Eine Einordung

dieser Differenzierung in den PE-Prozess ist in Abbildung 2.21 dargestellt.

Phase

I

Produkt-

definitionsphase

Phase

II

Konzept-

phase

Phase

III

Entwurfs-

phase

Phase

IV

Ausarbeitungs-

phase

Fehle

nde

Infor

matio

n

Aufw

and d

er In

formatio

ns-

aufn

ahme

Aufgrund von:

• Eingrenzung der Modelle auf

Teilbereiche eines Systems

• Nicht berücksichtigten

Einflussgrößen

• Unsicherheit über tatsächlich

bestehende Abhängigkeiten

Aufgrund von:

• Vielzahl von Einflussgrößen und

bestehenden Abhängigkeiten

• Reduzierung des Modellierungs-

und Berechnungsaufwands

Fehle

nde

Infor

matio

n

Aufw

and d

er In

formatio

ns-

auf n

ahme

Aufgrund von:

• Noch nicht getroffenen

Entwicklungsentscheidungen

• Unbekannter bzw. großer

Schwankungsbreite

Aufgrund von:

• Begrenzten oder unvollständigen

Datensätzen

• Großer Schwankungsbreite

• Messungenauigkeiten

Datenunsicherheit

Unsicherheit über die Eingangsgrößen

eines Systems oder eines Modells

Modellunsicherheit

Unsicherheit eines Modells

im Vergleich mit der Realität

Abbildung 2.21: Einordnung von Daten- und Modellunsicherheit in den PE-Prozess nach Eifler164

Daten- und Modelunsicherheit weisen dem dargestellten Verständnis nach verschiedene Abhän-

gigkeiten im Entwicklungsablauf auf. Auf der einen Seite hängt die Genauigkeit eines empiri-

schen Modells bspw. stark von der Vollständigkeit bzw. dem ausgewählten Wertebereich, der

zugrunde liegenden Datensätze ab, auf der anderen Seite kann die Analyse von Produktmo-

dellen mit einem vereinfachenden Charakter zu Unsicherheit über die ermittelten Größen in

nachfolgenden Entwicklungsschritten führen.165 Weiterhin wird deutlich, dass der überwie-

gende Teil der für den PE-Prozess relevanten Unsicherheit im Bereich der epistemischen

Unsicherheit einzuordnen ist, d. h. sich primär über einen Mangel an Informationen, sowohl

im Bereich der Daten als auch der Modelle, definiert. Entsprechend kann dieser Unsicherheit

161 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 3. 162 Vgl. Kreye et al. (2011), S. 5. 163 Vgl. Eifler (2014), S. 17. 164 Eigene Darstellung, nach Eifler (2014), S. 18. 165 Vgl. Eifler (2014), S. 17 f.

Page 50: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

35

durch die Beschaffung notwendiger Informationen entgegengewirkt werden. Dies steht aller-

dings in einem Zielkonflikt mit der Senkung des Entwicklungsaufwandes und der Modellkom-

plexität.

Zusammenfassend werden die Zusammenhänge im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB

805 abgebildet. In Abbildung 2.22 wird hierzu Modellunsicherheit einbezogen und eine

Zuordnung von epistemischer und aleatorischer Unsicherheit166 vorgenommen. Die darge-

stellte Determiniertheit ist als ein idealisierter Zustand anzusehen.

Determiniertheit

Wirkung bekannt

Aleatorische

Unsicherheit

Wirkung bekannt

Wirkung unbekanntvollständig

beschreibbar

vollständig

beschreibbar

nur teilweise

beschreibbar vernachlässigt

UnsicherheitDeterminiertheit

exakte Modelle,

vollständige

Information

Stochastische

Unsicherheit

determinierte

Variabilität

bekannte

Wahrscheinlich-

keitsdichte-

funktionen (WDF)

Epistemische

Unsicherheit

Ungewissheit

unsichere

Variabilität

geschätzte WDF

oder Zugehörig-

keitsfunktionen

(ZF)

Ungewissheit

unbekannte

Variabilität

unbekannte oder

teilweise unbe-

kannte WDF,

geschätzte ZF,

Intervalle

Unbeachtete

Unsicherheit

bekannte oder

geschätzte

Unsicherheit,

bewusst

vernachlässigt

Unwissen

Modell und

Parameter sind

nicht hinreichend

bekannt

Abbildung 2.22: Erweitertes Unsicherheitsmodell des SFB 805167

Grundlagen des Robust Design

Der Begriff des Robust Design ist nicht strikt definiert und fasst allgemein Ansätze zur Entwick-

lung robuster Produkte zusammen. Robustheit wird in diesem Zusammenhang als die Unemp-

findlichkeit des zu entwickelnden Produktes gegenüber potentiell auftretenden Störeinflüssen

bzw. allgemein gegenüber Unsicherheit168 aufgefasst. Die ersten Ansätze sowie die Bezeich-

nung „Robust Design“ gehen auf Weiterentwicklungen auf dem Gebiet des „Quality

Engineerings“ durch den Japaner GENICHI TAGUCHI zurück.169 Qualität bzw. Qualitätsverlust

definiert TAGUCHI als die Abweichung von einem Soll-Wert und dem daraus resultierenden

166 Der Balken im unteren Teil des Modells repräsentiert hierbei den relativen und nicht den absoluten

Anteil der aleatorischen und epistemischen Unsicherheit an der Gesamtunsicherheit. 167 Eigene Darstellung, nach Lotz (2018), S. 37 – Basierend auf dem Unsicherheitsmodell des SFB 805 von

Hanselka und Platz (2010), S. 57 und Engelhardt (2012), S. 20. 168 Der Begriff der klassischen Störgröße als einen äußeren Einfluss, der den idealen Zusammenhang

zwischen Eingangs- und Ausgangsgröße negativ beeinflusst, wird durch den allgemeinen Begriff der

Unsicherheit erweitert. 169 Vgl. Park et al. (2006), S. 183.

Page 51: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

36

gesellschaftlichen Gesamtverlust. Eine stetige Verlustfunktion stellt den direkten Zusammen-

hang zwischen der Abweichung vom Soll-Wert und einem daraus resultierenden geldwerten

Nachteil her.170 Ziel ist es entsprechend, die Abweichungen vom definierten Soll-Wert und

damit den gesellschaftlichen Gesamtverlust zu minimieren.

Der für diese Arbeit relevante Teil des Robust Design-Ansatzes nach TAGUCHI liegt im Bereich des

„Product Design“. Es werden die drei Schritte des „System Design“, des „Parameter Design“ und des

„Tolerance Design“ durchlaufen.

• System Design nach TAGUCHI

Das System Design umfasst die Entwicklung des Produkts gemäß der definierten Anfor-

derungen bis zu einem Detaillierungsgrad, der es ermöglicht einen Prototyp aufzu-

bauen, welcher die gestellten Anforderungen erfüllt und die Auswahl und Festlegung

der Bauteile, Materialien sowie möglicher Fertigungsverfahren unterstützt.171 Es

werden in dieser Phase keine expliziten Maßnahmen hinsichtlich Robust Design vor-

genommen.172

• Parameter Design nach TAGUCHI

Im Rahmen des Parameter Designs wird eine Optimierung der Produktparameter vor dem

Hintergrund der ganzheitlichen Kostenminimierung173 durch die Minimierung der Varianz

in der Produktleistung174 angestrebt. Dies beinhaltet den Kerngedanken des Robust Designs,

in Form einer Minimierung der Auswirkungen von Störgrößen (Noise) auf das Verhalten eines

Produktes oder Prozesses.175 Hierzu werden die Stör- und Steuergrößen (engl. Noise Factors

and Control Factors) erfasst und gezielt direkt bzw. indirekt beeinflusst. Der schematische

Zusammenhang zwischen dem Produkt/Prozess mit seinen Ein- und Ausgängen sowie den

Stör- und Steuergrößen ist in Abbildung 2.23 in Form eines P-Modells nach TAGUCHI abge-

bildet.

Produkt / ProzessStellgröße

(Signalfaktor)

Störgröße

Steuergröße

Antwort /

Reaktion

m

x

z

y = f (m,x,z)

Abbildung 2.23: P-Modell nach TAGUCHI176

170 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 13 ff. sowie Klein (2011), S. 15 ff. 171 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 176 f. 172 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 16. 173 Bezieht sich auf den gesamten Produktlebenszyklus, d. h. neben der Entwicklung und Produktion auch

maßgeblich auf die spätere Nutzungsphase des Produkts. 174 In diesem Zusammenhang steht die Produktleistung als Oberbegriff für alle Kriterien, die im Rahmen

einer Beurteilung der Leistungserfüllung des Produkts, d. h. der Befriedigung der vom Kunden gestellten

Anforderungen, zu berücksichtigen sind. 175 Vgl. Lochner und Matar (1990), S. 18. 176 Eigene Darstellung, nach Klein (2011), S. 30, in Anlehnung an TAGUCHI.

Page 52: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

37

Die Störgrößen stellen die einzigen Größen dar, die im Bereich des Parameter Designs nicht

direkt durch den Entwickelnden beeinflussbar sind.177 TAGUCHI unterscheidet sie in drei

verschiedene Arten: Schwankungen in den Umgebungsbedingungen (engl. External Noise),

Verschleiß oder Alterung (engl. Internal Noise) und Variationen zwischen eigentlich

gleichen Produkten durch Schwankungen der Materialeigenschaften, Fertigungs- oder

Montageprozesse (engl. Unit-to-Unit Noise).178

• Tolerance Design nach TAGUCHI

Um die Abweichungen der Ausgangsgrößen unter dem Einfluss von Störgrößen in

einem akzeptablen Bereich zu halten, werden im Rahmen des Tolerance Design nach

TAGUCHI die zulässigen Toleranzen der Steuergrößen entsprechend festgelegt bzw. ver-

schärft. Da jede Verschärfung der Toleranzen eine Erhöhung der Kosten nach sich zieht,

ist es das Ziel, die Toleranzen so grob wie möglich zu wählen.179 Da diese Maßnahme

auf den Möglichkeiten und dem betriebenen Aufwand im Bereich des Parameter

Designs aufbaut, sieht TAGUCHI im Parameter Design den wichtigsten Schritt, hin zur

Entwicklung robuster Produkte bzw. Prozesse.180

Aufbauend auf den Grundlagen des Robust Design nach TAGUCHI werden in der Literatur eine

Vielzahl an Weiterentwicklungen und Verknüpfungen mit weiteren Ansätzen beschrieben.

Einen Überblick hierüber geben bspw. FREUND181 oder LOTZ182.

Um Anknüpfungspunkte zwischen den Ergebnissen des SFB 805 „Beherrschung von Unsicher-

heit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus“ und den Inhalten dieser Arbeit herzustellen

und nutzbar zu machen, wird im Folgenden die entsprechende Betrachtungsweise vorgestellt.

Ausgangspunkt stellt der in Abbildung 2.24 dargestellte Zusammenhang zwischen einer Stör-

größe bzw. Unsicherheit und der daraus resultierenden Abweichung des Produktverhaltens

von der Produktfunktion dar.

Störung/

UnsicherheitEinfluss VerhaltenAuswirkung

Pro

dukt

Rotor läuft

unsauber

z. B. Verklemmen

Wärmequelle Strahlung Strahlung

Umwelt

z. B. Wärmezufuhr z. B. Strahlung z. B. Bauteilverzug

Abbildung 2.24: Zusammenhang Störung/Unsicherheit und Verhalten

am Beispiel eines Lagerbocks183

177 Vgl. Park et al. (2006), S. 184. 178 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 176. 179 Vgl. Lochner und Matar (1990), S.18. 180 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 178. 181 Vgl. Freund (2018), S. 42. 182 Vgl. Lotz (2018), S. 38. 183 Eigene Darstellung, nach Mathias (2016), S. 101.

Page 53: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

38

Der dargestellte Zusammenhang wird durch vier chronologisch aufeinander aufbauende

Schritte hergestellt, welche erfüllt sein müssen, um die beschriebene Abweichung hervorzuru-

fen184:

1.) Eine Störgröße bzw. Unsicherheit muss auftreten.

2.) Eine Störgröße bzw. Unsicherheit muss einen Einfluss auf die Funktion haben.

3.) Dieser Einfluss muss eine Auswirkung auf die Funktion haben.

4.) Die Auswirkung des Einflusses auf die Funktion muss eine relevante Abweichung zwischen

Funktion und Verhalten hervorrufen.

2.3.2 Unsicherheit in der Messtechnik

In der Messtechnik wird Unsicherheit zur Charakterisierung der Güte von Messergebnissen

verwendet und in diesem Kontext als Messunsicherheit bezeichnet. Ihre Kenntnis stellt die

Grundlage für die Vergleichbarkeit und Akzeptanz von Messergebnissen und den darauf auf-

bauenden Entscheidungen dar.185 Als weltweit akzeptierter Standard zur Bewertung und

Angabe von Messunsicherheit hat sich der „Guide to the Expression of Uncertainty in Measure-

ment“ (GUM)186 etabliert.187 Das deutschsprachige Pendant stellt der „Leitfaden zur Angabe der

Unsicherheit beim Messen“188 als Nachfolgedokument bzw. Ersatz für die zurückgezogene DIN

V ENV 13005189 dar. Die GUM definiert Messunsicherheit als „Parameter, associated with the

result of a measurement, that characterizes the dispersion of the values that could reasonably be

attributed to the measurand” 190. Die DIN 1319-x definiert Messunsicherheit sinngemäß gleich,

als „Kennwert, der aus Messungen gewonnen wird und zusammen mit der Messgröße zur Kenn-

zeichnung eines Wertebereichs für den wahren Wert der Messgröße dient“ 191. Die vollständige

Angabe eines Messergebnisses setzt sich aus einem Messwert x, einer Angabe zur Messunsi-

cherheit u und einer Einheit zusammen (Bsp.: Länge l=10 mm ± 0,05 mm).192 Im Vergleich

zum bisher dargestellten Verständnis der Unsicherheit in der Produktentwicklung, stellt die

Messunsicherheit einen rein quantitativen Kennwert dar. Zur Bewertung bzw. Bestimmung

der Messunsicherheit stellt die GUM ein standardisiertes Verfahren zur Verfügung. Das sche-

matisch in Abbildung 2.25 dargestellte Verfahren geht von vorhandenen Kenntnissen über den

Messprozess und die beteiligten Eingangsgrößen aus. Als beteiligte Eingangsgrößen werden

gemäß Abbildung 2.19 alle Größen bezeichnet, die einen Einfluss auf das Messergebnis und

die zugehörige Messunsicherheit haben können, also auch Störgrößen.193 Ergebnisse vorheri-

ger Messungen, Erfahrungswerte und subjektive Bewertungen, Werte aus Kalibrier-/Prüfschei-

nen, Herstellerangaben oder Tabellen-/Literaturwerte können als mögliche Quellen für diese

184 Vgl. Mathias et al. (2010), S. 344. 185 Vgl. Sommer und Siebert (2004), S. 53. 186 JCGM 100: 2008 (2008). 187 Vgl. Sommer und Siebert (2004), S. 52. 188 ISO/IEC Guide 98-3: 2008 (2008). 189 DIN V ENV 13005: 1999 (1999) [zurückgezogen 10.2014]. 190 JCGM 100: 2008 (2008), S. 2. 191 DIN 1319-1 (1995), S.14. 192 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S.16. 193 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 34.

Page 54: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

39

Kenntnisse herangezogen werden.194 Darauf aufbauend muss das Modell der Auswertung (vgl.

Unterabschnitt 2.2.4) in Form eines mathematischen Zusammenhangs zwischen allen relevan-

ten Eingangsgrößen und der Messgröße aufgestellt werden. Im nächsten Schritt müssen die

Eingangsgrößen durch die Zuweisung einer Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (engl. proba-

bility density function, PDF) beschrieben werden.195 Die folgenden Schritte bis hin zur Angabe

des Messergebnisses bzw. bis zum Aufstellen und Bewerten des Messunsicherheits-Budgets

basieren auf der Gauß’schen Unsicherheitsfortpflanzung und erfolgen nach festen Regeln.196

Darlegung der Kenntnisse über die Messung und die Eingangsgrößen

Modellierung der Messung Einschätzen der Größen

Methoden:

- Typ A

- Typ B

Ursache Wirkung

Modell der Auswertung:

Y=f(X1 ,X2 ,X3 , ,XN)

- Erwartungswerte xi

- Messunsicherheit uxi

Kombinieren der Werte und Unsicherheiten

Gauß sche Unsicherheitsfortpflanzung

- Erwartungs-

- wert y

- Mess-

- unsicherheit uy

PDF

Berechnen der erweiterten MessunsicherheitErweiterte Mess-

unsicherheit Uy, kP

Angabe des vollständigen MessergebnissesErwartungswert y

± Unsicherheit Uy (kP)

Aufstellen und Bewerten des Messunsicherheits-Budgets

Hauptaufgaben

Rechnen nach

festen Regeln

1

2 3

4

5

6

7

Abbildung 2.25:Vorgehen zur Messunsicherheitsbestimmung

nach dem Standard-GUM-Verfahren197

194 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 35. 195 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Sommer und Siebert (2004), S. 54 ff. 196 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008) sowie Sommer und Siebert (2004), S. 55 ff. 197 Eigene Darstellung, nach Sommer und Siebert (2004), S. 56.

Page 55: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

40

2.4 Stand der Forschung hinsichtlich methodischer Ansätze zur Entwicklung

technischer Systeme

Aufbauend auf den in den Unterkapiteln 2.1 bis 2.3 eingeführten Grundlagen werden im Fol-

genden gezielt methodische Ansätze zur Entwicklung technischer Systeme vorgestellt, die vor

dem Hintergrund der Zielsetzung und dem Forschungsdesign in Kapitel 3 den Stand der For-

schung abbilden und damit die Basis für die Kapitel 5 und 6 schaffen.

Der in Abschnitt 2.4.1 vorgestellte Ansatz, Informationsspeicher in Form von Effektkatalogen

zur Entwicklung prinzipieller Lösungen auf der Ebene von physikalischen Effekten einzuset-

zen, stammt aus der klassischen Produktentwicklungsmethodik. Aufgrund der prinzipiell sehr

ähnlichen Fragestellung nach der Bestimmung einer nicht (direkt) messbaren Regelgröße in

der Disziplin der Regelungstechnik, wird in Unterabschnitt 2.4.2 der Ansatz eines Beobachters

eingeführt. Domänen- und disziplinunabhängig wird in Unterabschnitt 2.4.3 ein Überblick

über den Stand der Forschung hinsichtlich konkreter Ansätze zur Integration einer Messfunk-

tion in (bestehende) technische Systeme gegeben. Abschließend wird der für diese Arbeit

relevante Stand der Forschung auf dem Gebiet der Identifikation und Berücksichtigung von

Unsicherheit inkl. einer Betrachtung von ausgewählten Robust Design-Ansätzen in Unterab-

schnitt 2.4.4 dargestellt.

2.4.1 Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte

Zur Entwicklung technischer Systeme stellt die Verfügbarkeit von, zum entsprechenden Zeit-

punkt benötigten, Informationen eine elementare Voraussetzung dar. Ein erheblicher Anteil

des bereits (allgemein) erarbeiteten Wissens kann nicht nutzbringend angewandt werden, da

es nicht oder nicht in geeigneter Form verfügbar ist. Dies betrifft insbesondere Entwickelnde

technischer Systeme, die permanent bspw. auf physikalisches, technologisches oder stoffkund-

liches Wissen zurückgreifen müssen.198 Sobald die im Gedächtnis des Entwickelnden verfüg-

baren Informationen nicht mehr ausreichen, wird allgemein und insbesondere beim methodi-

schen Entwickeln der Zugriff auf extern gespeicherte Informationen erforderlich.199 Als Hilfs-

mittel, um die Verfügbarkeit und Ausschöpfung bestehenden Wissens zu verbessern und damit

als geeignetes Hilfsmittel für bessere Lösungen, bieten sich Kataloge an.200

Gemäß der VDI 2222, Blatt 2 werden unter dem Oberbegriff des Konstruktionskatalogs Infor-

mations- bzw. Wissensspeicher zusammengefasst, die hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Zugriffs-

möglichkeiten und ihres Aufbaus auf das methodische Entwickeln von technischen Systemen

zugeschnitten sind. Insbesondere werden sie durch eine jeweils weitgehende Vollständigkeit,

eine klare Systematik und Gliederung sowie der Existenz von Zugriffsmerkmalen charakteri-

siert (vgl. Abbildung 2.26). Konstruktionskataloge werden weiterhin in drei wesentliche Arten

198 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4. 199 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 2. 200 Vgl. u. a. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 27 ff.

Page 56: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

41

unterschieden: Objektkataloge, Operationskataloge201 und Lösungskataloge202.203 Da Objektka-

taloge aufgabenunabhängig die zum Entwickeln notwendigen Informationen insbesondere aus

dem Bereich der Physik enthalten, treten sie an dieser Stelle in den Vordergrund. Objektkata-

loge die Informationen über physikalische Effekte beinhalten, werden im Folgenden als

Effektkataloge bezeichnet. Sie sind gegenüber reinen Sammlungen physikalischer Effekte wie

z. B. nach VON ARDENNE ET AL.204 abzugrenzen, da solche Sammlungen das oben beschriebene

Charakteristikum des Zugriffsmerkmals hinsichtlich der Entwicklung technischer Systeme

nicht aufweisen. Einen Überblick über Effektsammlungen und Effektkataloge stellt ZOBEL205

zur Verfügung.

Hauptteil

Gliederungsteile

[ & Zugriffsteile ]II

I Nr.

1

2

3

1 2 3

Hauptteil

Gliederungsteile

[ & Zugriffsteile ]II

I Nr.

1

2

3

1 2 3

C

Hauptteil

Gliederungsteile

[ & Zugriffsteile ]II

I Nr.

1

2

3

1 2 3

B

Hauptteil

Gliederungsteile

[ & Zugriffsteile ]II

I Nr.

1

2

3

1 2 3

A

1 2 31 2 1 21 2 53 4

Gliederungsteil Hauptteil Zugriffsteil Anhang

Eindimensionaler Gliederungsteil

Zweidimensionaler Gliederungsteil Dreidimensionaler Gliederungsteil

Abbildung 2.26: Allgemeiner Aufbau physikalischer Effektkataloge mit

ein-, zwei oder dreidimensionalem Gliederungsteil206

Wie in Unterabschnitt 2.1.2 eingeführt, stellen physikalische Effekte den Zusammenhang zwi-

schen den Ein- und Ausgangsgrößen eines technischen Systems, in Form der Funktion bzw.

des Verhaltens, her. Da physikalische Effekte allgemein einen Zusammenhang zwischen zwei

201 Enthalten Operationen (Verfahrensschritte) oder Operationsfolgen (Verfahren), die im Rahmen des

methodischen Entwickelns von Bedeutung sind sowie deren Anwendungsbedingungen und Einsatzkri-

terien (vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 f. sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f.). 202 Enthalten Lösungen für bestimmte, ggf. durch Randbedingungen ergänzte, Funktionen oder Aufgaben

(vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 5 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29). 203 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f. 204 „Effekte der Physik und ihre Anwendungen“, von Ardenne et al. (2005). 205 „Systematisches Erfinden : Methoden und Beispiele für die Praxis“, Zobel (2019), S. 236 ff. 206 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 31, 32 und 33.

Page 57: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

42

physikalischen Größen herstellen, werden Effektkatalogen gemäß des Ursache-Wirkung-

Grundgedankens207 anhand der beteiligten physikalischen Größen aufgebaut und strukturiert.

Effektkataloge setzen sich gemäß des allgemeinen Aufbaus von Konstruktionskatalogen aus

einem Gliederungsteil, einem Hauptteil und einem Zugriffsteil (ggf. inkl. Anhang) zusammen.

Je nach Anzahl der an der Gliederung des Effektkatalogs beteiligten physikalischen Größen

wird zwischen ein-, zwei- oder dreidimensionalen208 Katalogen unterschieden. Der prinzipielle

Aufbau und die eingeführte Differenzierung sind in Abbildung 2.26 dargestellt.

Der konkrete Aufbau von verfügbaren Effektkatalogen sowie deren jeweiliger Einbezug in ein

Vorgehen zur Synthese von Prinziplösungen unterscheiden sich im Detail je nach Autor. Am

weitesten verbreitet und sehr etabliert sind das Katalogsystem nach KOLLER und die Funktions-

größenmatrix nach ROTH.209 Diese werden im Folgenden vorgestellt.

Katalogsystem nach KOLLER

Das Katalogsystem nach KOLLER setzt sich aus den vier Komponenten der Zuordnungsmatrix,

des Effekt-Gruppenverzeichnisses, der Eigenschaftstabelle sowie dem eigentlichen Effektkatalog

zusammen. Eine schematische Übersicht über das von KOLLER präsentierte Katalogsystem zur

Synthese von Effektstrukturen und Prinziplösungen ist in Abbildung 2.27 dargestellt.

Die Zuordnungsmatrix stellt einen zweidimensionalen Übersichtskatalog dar, in dem der

Zusammenhang zwischen physikalischen Ein- und Ausgangsgrößen unter indirektem Verweis

auf die jeweiligen physikalischen Effekte abgebildet wird. Die schraffierten Felder symbolisie-

ren die Existenz von Effektgruppen, in welchen die eigentlichen physikalischen Effekte geclus-

tert sind. Die Effektgruppen und eine Übersicht über die enthaltenen physikalischen Effekte

sind im Effekt-Gruppenverzeichnis eingetragen. Dieses verweist wiederum auf die entsprechen-

den Einträge in der Eigenschaftstabelle und im Effektkatalog. Da vielfach mehrere Effekte

prinzipiell den Zusammenhang zwischen zwei physikalischen Größen herstellen können, stellt

die Eigenschaftstabelle Informationen zur Vorauswahl potentiell in Frage kommender Effekte

anhand ihrer aufgabenspezifischen Anwendbarkeit zur Verfügung. Die aufgeführten Informa-

tionen werden in die Rubriken „Vereinfachungen“, „zu beachtende Randbedingungen“ und

„Anmerkungen des Anwenders“ eingeteilt. Im Effektkatalog sind die vom Autor dem Abstrakti-

onsgrad entsprechend als relevant erachteten Informationen und Verweise systematisch auf-

geführt.210

207 Siehe auch Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 540 oder Zobel (2019), S. 236. 208 Ein Beispiel für einen dreidimensionalen Katalog liefert Huang (2002), S. 110. Allgemein ist diese Form

in der Praxis allerdings wenig verbreitet (vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 33) und für den weiteren

Verlauf dieser Arbeit nicht von Relevanz. 209 Die Aussage baut auf der vom Autor durchgeführten Literaturrecherche und der Erfahrung des Autors

sowie der Aussage der VDI 2222 (1997), Blatt 1, (S.23 f.): „Ein sehr wichtiges Hilfsmittel für die Kon-

struktion in der prinzipiellen Phase […] besteht darin, wichtige, zur Verwendung geeignete physikalische

Effekte übersichtlich aufzubereiten […]. Das wurde in vorbildlicher Weise von Koller in Effekt-Katalogen

gemacht, für bestimmte Größen auch von Roth […]“ auf. Auf die Existenz weitere Effektsammlungen, die

im Kontext dieser Arbeit von untergeordneter Bedeutung sind, wird an dieser Stelle hingewiesen. Einen

Überblick inkl. dem Verweis auf weiterführende Literatur gibt die VDI 2222 (1997), Blatt 1 (S. 24). 210 Detaillierte Informationen zur Entwicklung und dem Aufbau des beschriebenen Katalogsystems sind

Koller und Kastrup (1998), S. 36 ff. zu entnehmen.

Page 58: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

43

Abbildung 2.27: Katalogsystem physikalischer Effekte nach KOLLER & KASTRUP211

Funktionsgrößenmatrix nach ROTH

ROTH ordnet die von ihm entwickelte Funktionsgrößenmatrix und die Sammlung physikalischer

funktioneller Zusammenhänge in die Entwicklung und Realisierung eines Lösungsprinzips, aus-

gehend von bzw. mit der Funktionsstruktur auf Grundlage einer Betrachtung von Intensitäts-

und Qualitätsgrößen, ein.212 Als Hilfsmittel, um einer erarbeiteten Funktionsstruktur Effekte

zuordnen zu können, stellt ROTH eine Übersicht physikalischer Effekte in der „Funktionsgrö-

ßenmatrix“ und eine ausführlichere Beschreibung dieser in der „Sammlung physikalischer,

funktioneller Zusammenhänge“ vor. Eine schematische Übersicht über die von ROTH präsen-

tierte Funktionsgrößenmatrix und den zugehörigen Effektkatalog ist in Abbildung 2.28 darge-

stellt.

In der Funktionsgrößenmatrix werden Intensitäts- und Quantitätsgrößen aus verschiedenen

physikalischen Domänen in einem zweidimensionalen Effektkatalog zeilenweise (Eingangs-

größen bzw. abhängige Variablen) und spaltenweise (Ausgangsgrößen bzw. unabhängige

Variablen) symmetrisch aufgeführt. In den entstehenden Kreuzungsfeldern der Matrix wird

211 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 40. 212 Vgl. Roth (2000), S. 111 ff.

Page 59: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

44

das Vorhandensein von Effekten, welche einen Zusammenhang zwischen der jeweilige Ein-

und Ausgangsgröße herstellen können, über eine Schraffur kenntlich gemacht. Eine Ziffer im

Kreuzungsfeld dient als Kennzahl für die Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammen-

hänge in Form eines eindimensionalen Effektkatalogs. In der Sammlung physikalischer, funk-

tioneller Zusammenhänge sind die vom Autor als relevant erachteten Informationen und Ver-

weise systematisch aufgeführt.213

Ein-

gang

Aus-

gang

Nr.

1

2

3

4

...

1 2 3 4 ...

Abhängige

Variable

Unab-

hängige

Variable

Ein

Aus

1.1 1.2 ...

...

Feldnummer

Funktions-

größen-

matrix

Bemerkung

(Bezeichnungen ,

Erklärungen zu

Formelzeichen,

Anwendungen, )

Verweis auf

weiterführende

Literatur

1.1

Funktionsgrößen

Funktionsgrößen

Gleichung

Sammlung physikalischer ,

funktioneller Zusammenhänge

(eindimensionaler Effektkatalog )

Funktionsgrößenmatrix

(zweidimensionaler Effektkatalog )

Abbildung 2.28: Aufbau der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH sowie der zugehörigen

Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge214

213 Detaillierte Informationen zur Entwicklung und dem Aufbau der Funktionsgrößenmatrix und dem

zugehörigen Effektkatalog sind Roth (2000), S. 111 ff. zu entnehmen. 214 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Roth (2000), S. 115 und 118 ff.

Page 60: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

45

Zusammenfassung digitaler Anwendungen (Effektkataloge)

Neben den beiden vorgestellten analogen Katalogen nach KOLLER und ROTH existieren digitale

Effektkataloge in Form von Effektdatenbanken, die häufig im Zusammenhang mit der „Theorie

des erfinderischen Problemlösens“ (TRIZ) beschrieben werden. Effektdatenbanken existieren

sowohl als eigenständige Anwendungen215, als auch in Form von Modulen in Programmen216.

Da nur eine begrenzte Anzahl von physikalischen Effekten existiert217 und sowohl digitale als

auch analoge Effektkataloge auf dieser Tatsache basieren, ist der grundlegende Informations-

gehalt und Funktionsumfang von Effektdatenbanken vergleichbar mit dem der analogen

Effektkataloge. Da aus den bekannten Effektdatenbanken aufgrund der mangelnden Verfüg-

barkeit von Informationen über deren Entwicklung und zugrundeliegenden Strukturierung

bzw. Logik keine allgemeingültigen Aussagen abgeleitet werden können, ist ihre Bedeutung

für die folgenden Inhalte dieser Arbeit als gering zu bewerten. Hinsichtlich eines Ausblicks

zeigen die bestehenden digitalen Effektkataloge allerdings Möglichkeiten einer rechnerbasier-

ten Anwendung auf Basis der Ergebnisse dieser Arbeit auf. Stellvertretend wird im Folgenden

die Effektdatenbank der Oxford Creativity vorgestellt.

Effektdatenbank der OXFORD CREATIVITY218

Im ersten Schritt der Effektsuche in der „Effects Database“ wird mittels einer Suchmaske zwi-

schen drei möglichen Typen an Effektabfragen unterschieden:

• allgemein beabsichtigte Funktion („Function Query“)219,

• auf einen Parameter bezogene Funktion („Parameter Query“)220 und

• dem Wandeln/Umformen einer Größe („Transform Query“).

Die aufgeführten Funktionen, Parameter und Größen sind nicht normiert und weisen keine

erkennbare Struktur innerhalb der jeweiligen Kategorie auf. Für diese Arbeit relevant ist, im

direkten Vergleich mit den klassischen analogen Effektkatalogen, die Effektabfrage „Transform

Query“. Die Auswahlmöglichkeiten dieser Abfrage und die ausgegebenen Ergebnisarten

(Effekt, Anwendung oder beides) sind Abbildung 2.29 zu entnehmen. Entsprechend der

215 Kostenfreie Beispiele stellen die „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd. (2020)(am 24.04.2020

unter dieser Adresse verfügbar: „http://wbam2244.dns-systems.net/EDB/index.php“) oder das „Produc-

tion Inspiration“ – Werkzeug der Firma AULIVE (am 24.04.2020 unter dieser Adresse verfügbar:

„http://www.productioninspiration.com/“) dar. 216 Das kommerzielle Programm „TechOptimizer“ der Firma Invention Machine beispielsweise enthält ein

auf Effekten basierendes Transformationsmodul. Weitere Informationen und ein Überblick über alterna-

tive Programme bietet Zobel (2019), S. 317 ff. 217 Vgl. Huang (2002), S. 110. 218 Am 24.04.2020 unter dieser Adresse verfügbar: „http://wbam2244.dns-systems.net/EDB/index.php“. 219 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist im Anhang A1 in Abbildung A.5 abgebildet. 220 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist im Anhang A1 in Abbildung A.6 abgebildet.

Page 61: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

46

jeweiligen Auswahl gibt die Effektdatenbank potentielle Effekte als Vorschläge inkl. einer kur-

zen Beschreibung und dem Verweis auf weiterführende Informationsquellen (in der Regel

Wikipedia221) aus.222

Abbildung 2.29: Auswahlmöglichkeiten im Rahmen der „Transform Query“

in der „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd.223

Eine weitere Funktion der Effektdatenbank, die vor dem Hintergrund dieser Arbeit von Inte-

resse ist, stellt die Effektabfrage „Parameter Query“ unter Verwendung der auf einen auszu-

wählenden Parameter bezogenen Funktion „messen“ dar.224 Als Ergebnis einer solchen Abfrage

gibt die Effektdatenbank Vorschläge für potentielle Effekte zum Messen der gewählten Größe

aus (inkl. kurzer Beschreibung und dem Verweis auf weiterführende Informationsquellen).

Für das Beispiel einer Kraftmessung sind die ausgegebenen Ergebnisse in Abbildung A.7 in

Anhang A1 exemplarisch dargestellt.

2.4.2 Beobachter – Bestimmung nicht gemessener Regelgrößen

Aufbauend auf der Formulierung einer Regelungsaufgabe besteht ein wesentlicher Schritt zur

Lösung in der Auswahl der Regelgröße. Welche Größe(n) jeweils als Regelgröße(n) fun-

giert/fungieren geht vielfach aus den Güteanforderungen der Regelungsaufgabe hervor. Her-

ausforderungen treten auf, wenn relevante Größen nicht (direkt) messbar sind und deshalb

an ihrer Stelle eine andere messbare Ersatzgröße als Ausgang y(t) betrachtet werden muss.225

In diesem Fall muss die eigentlich relevante Größe aus der gemessenen Ersatzgröße berechnet

werden. Nach LUNZE setzt die Bestimmung der Regelgröße gute Kenntnisse und Erfahrungen

aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet voraus.226 Die beschriebene Herausforderung tritt wei-

terhin insbesondere im Zusammenhang der Zustandsregelung auf. Wie in Unterabschnitt 2.2.2

beschrieben, müssten für eine Zustandsregelung theoretisch alle Zustandsgrößen gemessen

werden. Dieser Anforderung, die in vielen technischen Anwendungen nicht erfüllt, bzw. nicht

umsetzbar ist, wird mit einem Beobachter begegnet. Der eingesetzte Beobachter bestimmt

221 Wikipedia ist eine Online-Enzyklopädie aus freien Inhalten. Die deutsche Startseite ist unter folgender

Adresse verfügbar: „https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Hauptseite“ (Stand 25.04.2020). 222 Die Art und Ansicht der Ausgabe kann anhand Abbildung A.7 in Anhang A1 exemplarisch nachvollzogen

werden. 223 Oxford Creativity Ltd. (2020) 224 Eine Abbildung zur entsprechenden Abfrage ist in Anhang A1 in Abbildung A.6 dargestellt. 225 Vgl. Lunze (2016), S. 14. 226 Vgl. Lunze (2016), S. 15.

Page 62: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

47

unter Verwendung eines Regelstreckenmodells aus dem Verlauf der Stell- und Regelgrößen

(Ein- und Ausgangsgrößen der Regelstrecke) einen Schätzwert ��(𝑡) für den Zustandsvektor

x(t).227 Hierzu wir ein zweites System in Form eines Modells parallel zur Regelstrecke aufge-

baut (vgl. Abbildung 2.30).

Der unterlagerte

Regelkreis hat das Ziel,

den Beobachterfehler

möglichst schnell

abklingen zu lassen.

x

^ x

u

A

x

B C

yx.

x (0)

A

x (0)^

CB

^ x

.uB

x

^

-

y

^

e

Anfangszustand

Anfangszustand

Beobachterfehler

Schätzwert des

Zustandsvektors

Rückführungsmatrix

L

Beobachter

Zustandsvektor

nicht messbar oder

nicht gemessen

Abbildung 2.30: Struktur des Luenbergerbeobachters inkl. Erläuterung228

Der Beobachter verfügt über zwei wesentliche Eigenschaften:

• Erstens ist das Verhalten des Regelkreises mit Zustandsrückführung über den Beobach-

ter sehr ähnlich zum Verhalten des Regelkreises bei einer Zustandsrückführung mit

gemessenen Zustandsgrößen.

• Zweitens ist die Funktionsfähigkeit auch unter dem Einfluss von Störgrößen auf die

Regelstrecke gegeben.229

Der Entwurf eines Beobachters baut auf einem (guten) Modell der Regelstrecke und der

Beobachtbarkeit230 des Modells auf und kann allgemein mit denselben Verfahren wie der Ent-

wurf eines Zustandsreglers durchgeführt werden.231

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aus Sicht der Regelungstechnik die zu erfassen-

den Größen (Regelgrößen bzw. Zustandsgrößen) aus der Regelungsaufgabe ergeben. Zur

Erfassung kommt sowohl eine direkte Messung der relevanten Größen, als auch eine indirekte

227 Für weitere Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur verwiesen, z. B. Lunze (2020), S. 345 ff. 228 Eigene Darstellung, nach Lunze (2020), S. 350. 229 Vgl. Lunze (2020), S. 346. 230 Weiterführende Informationen sind bspw. Lunze (2020), S. 93 ff. zu entnehmen. 231 Vgl. Lunze (2020), S. 358 ff.

Page 63: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

48

Messung von Ersatzgrößen infrage. Es wird hierbei nicht weiter betrachtet, wie der Zusam-

menhang zwischen einer relevanten Größe und möglichen Ersatzgrößen im betrachteten Sys-

tem systematisch hergestellt werden kann. Eine systematische Betrachtung von systemspezifi-

schen Eigenschaften, die mittels Wandlungen (und Umformungen) den Zusammenhang zwi-

schen relevanten Größen und Ersatzgrößen herstellen können, wird nicht beschrieben.

Beobachter, die in der VDI 2206 auch als „Softwaresensoren“ bezeichnet werden, ermöglichen

es mittels eines Modells aus bekannten und gemessenen Größen (Stell- und Regelgrößen),

nicht gemessene Zustandsgrößen abzuschätzen.

2.4.3 Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme –

Festlegung der Messgröße

Wie in der Motivation und Zielsetzung in Kapitel 1 ausgeführt, bilden methodische Ansätze

zur Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme einen wesentlichen

Anteil am Stand der Forschung für die Inhalte dieser Arbeit. In diesem Abschnitt werden die

relevanten Ergebnisse einer Literaturrecherche hinsichtlich entsprechender Ansätze darge-

stellt. Neben der direkten Recherche nach konkreten Ansätzen wurden auch exemplarisch Pro-

jekte zur Integration von Messfunktionen in ausgewählte technische Systeme betrachtet, um

aus den jeweils beschriebenen Ergebnissen Rückschlüsse auf das angewendete Vorgehen zu

ziehen. Es wird darauf hingewiesen, dass eine solche Betrachtung aufgrund der nicht über-

schaubaren Anzahl an praktischen Sensorintegrationen in technische Systeme nur exempla-

risch umgesetzt werden kann. Ein Überblick über die erfassten Ansätze und Vorgehen zur

Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme ist in Tabelle A.1 und

Tabelle A.2 im Anhang A2 dargestellt. Die für den weiteren Verlauf wesentlichen Ansätze und

Vorgehen sind in dieser Tabelle hervorgehoben und werden im Folgenden zusammengefasst.

Hierbei stehen insbesondere die Festlegung einer Messgröße und die Auswahl entsprechender

Sensorik im Vordergrund.

Der Umfang und der Zeitraum, in dem die Integration von Sensoren in technische Systeme in

der Literatur232 beschrieben wird, verdeutlicht, dass die grundsätzliche Integration von Mess-

funktionen in (bestehende) technische Systeme ein weit verbreitetes Entwicklungsziel dar-

stellt. Vor dem Hintergrund des Bedarfs einer belastbaren Datenbasis zur Realisierung von

Bestrebungen hinsichtlich der Zielvision Industrie 4.0 gewinnt das Thema zusätzlich an

Bedeutung und Aktualität.233 Entsprechend werden in Fachbüchern234, Leitfäden235, Journal-

beiträgen236 und Dissertationen237 eine Vielzahl von Ansätzen dargestellt, die die Integration

von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme makroskopisch in Form von Vorge-

hensmodellen beschreiben. Da sich bei einer vergleichbaren Betrachtungsweise der Entwick-

232 Vgl. Tabelle A.1 und Tabelle A.2 im Anhang A2. 233 Vgl. Simmons (2018), S. 26 ff. und Fleischer et al. (2018), S. 1 ff. 234 Vgl. bspw. u. a. Tränkler und Reindl (2015), S. 17. 235 Vgl. bspw. u. a. Fleischer et al. (2018). 236 Vgl. bspw. u. a. Löpelt et al. (2019). 237 Vgl. bspw. u. a. Zeller (1996), S. 144 f.

Page 64: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

49

lungsaufgabe sinngemäß ein konsistentes Vorgehen in der Literatur abzeichnet, wird stellver-

tretend auf das Vorgehensmodell nach LÖPELT ET AL.238 bzw. ZELLER239 aus Unterabschnitt 2.1.4,

dargestellt in Abbildung 2.7, verwiesen. Wie bereits angedeutet sind insbesondere die „Festle-

gung möglicher Messgrößen“ unter Einbezug des vorgelagerten Schritts der „Festlegung mögli-

cher Messstellen“ sowie die Auswahlphase für die folgenden Inhalte von Relevanz. Da die Ent-

wicklung der eigentlichen Sensoren und Messgeräte nicht im Fokus dieser Arbeit steht, wird

an dieser Stelle auf weiterführende Fachliteratur240 verwiesen.

Festlegung möglicher Messgrößen

Im Vorgehensmodell nach LÖPELT ET AL.241 aus Abbildung 2.7 stellt die Festlegung der Mess-

größe den letzten Schritt in der Vorbereitungsphase zur Sensorauswahl dar. Aufbauend auf

den Anforderungen und der Betrachtung potentieller Messstellen werden in einem iterativen

Prozess potentielle Messgrößen festgelegt.242 FLEISCHER ET AL. heben in diesem Zusammenhang

hervor, dass individuell zu erfassende Zustandsgrößen eines technischen Systems häufig auf

verschiedene Arten erfasst werden können. Die Erfassung kann direkt erfolgen, d. h. die

Zustandsgröße entspricht der Messgröße oder indirekt, d. h. über physikalische Zusammen-

hänge einer oder mehrerer anderer Messgrößen.243 Eine konkrete methodische Unterstützung

wie der Zusammenhang zwischen der in den Anforderungen charakterisierten Erfassung einer

Zustandsgröße244 und potentiellen Messgrößen hergestellt werden kann, wird von LÖPELT ET

AL. nicht gegeben. Die Bedeutung einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener, auf diesem

Entwicklungsniveau denkbarer Messgrößen hebt der „Leitfaden Sensorik für Industrie 4.0“ im

Kontext einer äquivalent beschrieben Phase explizit hervor. Den Hintergrund bildet das

Bestreben, ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und die unbegründete Einschrän-

kung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden.245 Um eine anwendungsspezi-

fische, lösungsneutrale Diskussion potentieller Messgrößen anzuregen, werden Leitfragen wie

z. B. „Sind die Messgröße bereits bekannt?“ oder „Welche [Messgrößen, Anm. des Autors] sollen

erfasst werden?“ zur Verfügung gestellt.246 Darüber hinaus soll die Diskussion durch einen

„Werkzeugkasten Sensortyp“ unterstützt werden.247

Im Kontext des Predictive Maintenance, beschreiben GOURIVEAU ET AL. eine vergleichbare Situ-

ation bei der Auswahl der zu messenden Größe, um eine benötigte Information zu gewinnen.

Demnach erfordert die Wahl der zu messenden Größe in der Praxis ein tiefes Verständnis der

238 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 239 Vgl. Zeller (1996), S. 144 f. 240 Siehe bspw. Hoffmann (2015), Bergmann (2008), Hering und Schönfelder (2018) oder Tränkler und

Reindl (2015). 241 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. 242 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 273 f. 243 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 244 Der Begriff wird vom Autor entsprechend des im Glossar für diese Arbeit eingeführten Verständnisses

an dieser Stelle konsistent zu den aufbauenden Inhalten eingesetzt. Löpelt et al. (2019) verwenden den

Begriff nicht. 245 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6. 246 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 6 f. 247 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 10 f.

Page 65: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

50

kausalen Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung. Aufgrund der Vielfalt an physika-

lischen Phänomenen in technischen Systemen wird weiterhin multidisziplinäre Expertise

benötigt.248 In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass es keine systematische Methode

gibt, um zu ermitteln welche physikalischen Größen überwacht bzw. gemessen werden

sollten, um eine angestrebte Information zu generieren. In der Praxis wird dieser Situation

vielfach durch erfahrungsbasierte „Best Practice“-Ansätze begegnet.249

Erste modellunterstützte Ansätze zur systematischen und lösungsneutralen Auswahl von

Messgrößen präsentieren MATTHIESEN ET AL. im Kontext von Prüf- und Validierungstätigkeiten

handgehaltener Geräte (engl. „Power-Tools“). Im Rahmen der messtechnischen Erfassung eines

Systemzustands in Form von Systemgrößen wird die Bedeutung der Wahl der zu analysieren-

den Messgröße hervorgehoben.250 Allgemein wird eine Differenzierung von Fluss- und

Potentialgrößen aufgrund ihrer jeweiligen Eigenschaften und der daraus resultierenden Aus-

wirkungen auf eine potentielle Messung dieser Größen vorgeschlagen.251 Weiterhin wird be-

schrieben, dass zur quantitativen Bestimmung einer Systemgröße auch andere Systemgrößen,

im Fall von Flussgrößen insbesondere korrespondierende Potentialgrößen, unter Verwendung

eines validen Systemmodells genutzt werden können.252 Eine systematische bzw. methodisch

unterstützte Erschließung des Zusammenhangs zwischen den zu quantifizierenden System-

größen und anderen Systemgrößen, durch deren Messung eine indirekte Quantifizierung der

benötigten Systemgröße ermöglicht werden kann, wird nicht dargestellt.253

Einen anderen Ansatz, um die Auswahl von Messgrößen und die quantitative Bewertung von

kommerziell verfügbaren Sensoren bzw. Sensorsystemen im Kontext der Produktvalidierung

zu unterstützen, beschreiben MATTHIESEN ET AL. ausgehend von den Ergebnissen von ANDING.254

Hierzu werden – aufbauend auf der Ermittlung der aus der initialen Messaufgabe resultieren-

den Anforderungen – die relevanten Wirkzusammenhänge des betrachteten Prüflings und des

zu entwickelnden Messsystems ergründet. Nähere Aussagen welche Wirkzusammenhänge

relevant sind bzw. wie die Relevanz von Wirkzusammenhängen erkannt werden kann sowie

über konkrete Ansätze zur Identifikation der Zusammenhänge werden nicht dargestellt. Die

relevanten Wirkzusammenhänge werden in Form mathematischer Zusammenhänge model-

liert und in einem Baumdiagramm entsprechend ihrer Abhängigkeiten dargestellt. Ob und in

wie weit sich auf dem betrachteten Abstraktionsniveau die Zusammenhänge bereits begründet

mathematisch beschreiben lassen bleibt offen. Auf Basis der dargestellten Aufschlüsselung der

mathematischen Gleichungen in einem Messprinzipbaum (vgl. Abbildung 2.31) sollen Lösun-

gen für die Messaufgabe generiert werden.255

248 Vgl. Gouriveau et al. (2016), S. 19 f. 249 Vgl. Gouriveau et al. (2016), S. 20. 250 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54. 251 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 54 ff. 252 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 56. 253 Vgl. Matthiesen et al. (2014), S. 57 f. 254 Vgl. Matthiesen et al. (2016) sowie Anding (2016). 255 Vgl. Matthiesen et al. (2016), S. 4 ff.

Page 66: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

51

·

Fgesamt (t) = Ff (x) + Fd (x) + Fm (x)· ·

a

v

x

Fm

Fd

Ff

j

Fm = m a

j = ad

dt v = dta

x = dtv

Fd = d v

Ff = c x

Ff

Fd

Fm

x

v

a

j

Federkraft

Dämpferkraft

Trägheitskraft

Verschiebung

Geschwindigkeit

Beschleunigung

Ruck

Abbildung 2.31: Aufschlüsselung der mathematischen Gleichungen eines Wirkzusammenhangs

in einem Messprinzipbaum nach MATTHIESEN et. al256

Hierzu werden zwei Grundregeln definiert:

• Zum einen sollen die Pfade zwischen zu quantifizierender Größe und tatsächlich

gemessener Größe möglichst kurz sein.

• Zum anderen sollen lineare Zusammenhänge einer Integration oder Differentiation

vorgezogen werden.257

Es wird hierbei keine allgemeingültige Begründung für die definierten Grundregeln gegeben.

Um die Leistungsfähigkeit der generierten Lösungen zu bewerten, wird eine Simulation der

Messkette vorgeschlagen. Welche Informationen für eine solche Simulation benötigt werden,

wie diese ermittelt werden und wie die Simulation aufgebaut werden soll, wird nicht näher

beschrieben. Faktoren wie z. B. ein späterer Messaufbau oder allgemein der zu betrachtende

Prüfling werden in die Betrachtung nicht eingeschlossen. In der Diskussion der Ergebnisse

kommen die Autoren zu dem Schluss, dass „Die vorgestellte Methode hinsichtlich einer Berück-

sichtigung der realen Gestalt erweitert werden muss, um auch eine Aussage über die spätere Mess-

qualität des realen Messsystems treffen zu können“ 258.

Auswahlphase – Von der Messgröße zum Sensor

Aufbauend auf der Festlegung möglicher Messgrößen wird schrittweise über die Auswahl

möglicher Messprinzipien und die beiden konvergenten Schritte „Einschränkung der Messprin-

zipien“ und „Festlegung des Messprinzips“ die Grundlage für die schlussendliche Sensorauswahl

erarbeitet (vgl. Abbildung 2.7). Die genannten Schritte werden jeweils maßgeblich vor dem

individuellen Hintergrund der definierten Anforderungen und Randbedingungen durchge-

führt. Zur methodischen Unterstützung sind verschiedenste Ansätze denkbar. LÖPELT ET AL.

beschreiben bspw. den Aufbau einer Messprinzipienhierarchie. Hierzu wird ausgehend von

der Messgröße ein Baumdiagramm aufgebaut, dessen Äste sich nach charakteristischen Eigen-

256 Eigene Darstellung, nach Matthiesen et al. (2016), S. 7. 257 Vgl. Matthiesen et al. (2016), S. 8. 258 Matthiesen et al. (2016), S. 11.

Page 67: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

52

schaften potentieller Messprinzipien aufspannen und an dessen jeweiligen Enden ein Mess-

prinzip steht.259 Der „Leitfaden Sensorik für Industrie 4.0“ unterstützt diese Phase durch eine

systematische Betrachtung des zur Verfügung stehenden Bauraums und der zur Verfügung

stehenden Sensorschnittstellen, der Umgebungsbedingungen, der geforderten Eigenschaften

des Messsignals, potentieller Ausfälle oder Fehlfunktionen sowie benötigter Stückzahlen,

unter Nutzung von Leitfragen und entsprechenden Werkzeugkästen.260 Allgemein wird der

Weg von einer festgelegten Messgröße bis hin zu spezifischen Sensoren ausführlich in der

entsprechenden Fachliteratur261 sowie durch Informationen der jeweiligen Sensorhersteller

beschrieben.

2.4.4 Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit in

technischen Systemen

Die Definition und Klassifizierung von Unsicherheit in Unterabschnitt 2.3.1 ermöglicht die

Beschreibung auftretender Unsicherheit, ggf. unter Einbeziehung ihrer Quelle. Die vorausge-

hende Identifikation und die sich anschließende Berücksichtigung von Unsicherheit werden in

diesem Abschnitt betrachtet. Als maßgebliche Grundlage zur Identifikation und Berücksichti-

gung von Unsicherheit dienen die Ergebnisse von ENGELHARDT in Form der Uncertainty Mode

and Effects Analysis (UMEA).262 Ausgehend von den Ergebnissen der UMEA erfolgt die syste-

matische Beherrschung der Unsicherheit. Einen Ausblick auf diese Tätigkeit, die allgemein als

Robust Design bezeichnet wird, wird abschließend in diesem Abschnitt dargestellt.

Ansatz zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit

Aufbauend auf der in Unterabschnitt 2.3.1 vorgestellten Definition und Klassifizierung von

Unsicherheit stellt ENGELHARDT mit der UMEA eine Methodik zur systematischen Erfassung

und Bewertung von Unsicherheit zur Verfügung. Die in Abbildung 2.32 dargestellte UMEA-

Methodik wird gemäß eines sequenziellen Vorgehens in die fünf Phasen: Umfeld/Zielanalyse,

Identifikation von Unsicherheit, Wirkung von Unsicherheit, Bewerten von Unsicherheit sowie eine

abschließende Entscheidungsphase untergliedert.

Hierbei greift die UMEA-Methodik auf bereits bestehende Modelle und Methoden zurück und

ordnet diese den einzelnen Phasen zu.263 Die jeweiligen Modelle bilden, entsprechend der

jeweiligen UMEA-Phase, die Realität auf einem zweckmäßigen Niveau ab. Dadurch wird die

Grundlage geschaffen, um mit den entsprechend zugeordneten Methoden Unsicherheit zu

identifizieren sowie Ursachen und Wirkungen einheitlich zu beschreiben. Je nach Wissens-

stand kann die überwiegend auf Expertenwissen zurückgreifende Methodik sowohl quantita-

tive als auch qualitative Daten nutzen.264 In einer anknüpfenden Arbeit erweitert EIFLER die

259 Vgl. Löpelt et al. (2019), S. 274 f. 260 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 7 ff. 261 Siehe bspw. Hoffmann (2015), Bergmann (2008), Hering und Schönfelder (2018) oder Tränkler und

Reindl (2015). 262 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff. 263 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff. 264 Vgl. Engelhardt (2012), S. 138.

Page 68: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

53

UMEA, indem Prozessketten entlang des Produktlebens, formalisiert über verkettete Eigen-

schaftsnetzwerke, in Sensitivitätsmatrizen abgebildet werden.265

Umfeld / Ziel

Analyse

Identifikation von

Unsicherheit

Wirkung von

Unsicherheit

Bewerten von

Unsicherheit

Ent-

schei-

den

• Umfeldmodell

• Zielanalyse

• Prozessmodell

• Eigenschaftsmodell

• Wirkkettenmodell • Beurteilungsmodell

• Entscheidungsmodell

• Fragelisten

• Delphi-Methode

• QFD

• SWOT

• Umfeldanalyse (5M)

• ZHA

• HAZOP

• Expertenbefragung

• Fault-Tree-

Analysis

• Eigenschafts-/

Prozessbeziehungen

• Ursachenanalyse

• ETA

• Expertenbefragung

• Auswirkungsteil

FMEA

• Wirkungsdiagramme

• Bewertungsteil ZHA

• Risikoanalyse

• Bewertungsteil FMEA

• Kostenanalyse

• Zuverlässigkeitsanalyse

• Entscheidungstheorie

UMEA

Modelle

Meth

oden

1

2

3

Abbildung 2.32: Uncertainty Mode and Effects Analysis (UMEA) nach ENGELHARDT266

Ansätze des Robust Designs

Um im Rahmen des in Unterabschnitt 2.3.1 beschriebenen Parameter Design nach TAGUCHI,

den Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und Minimierung der Abweichung

des Mittelwerts vom Soll-Wert zu lösen, beschreibt TAGUCHI ein zweistufiges Vorgehen267:

1) Minimierung der Schwankung durch Steigerung der Robustheit (Abweichung des Mit-

telwerts vom Soll-Wert bleibt vorerst unberücksichtigt) (vgl. Abbildung 2.33 a) und

2) Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert (geringfügige Vergröße-

rung der Schwankung aus Schritt 1) werden akzeptiert) (vgl. Abbildung 2.33 b).

Die schematisch dargestellte Optimierung findet in beiden Schritten mittels einer Anpassung

der Steuergrößen (vgl. Abbildung 2.23) statt. Zur Durchführung der eigentlichen Optimierung

wird der mathematische Zusammenhang zwischen den beteiligten Stör- und Steuergrößen

benötigt. Entsprechend der beiden Optimierungsschritte wird die Ausnutzung folgender

Zusammenhänge zwischen Stör- und Steuergrößen beschrieben268:

265 Vgl. Eifler (2014), S. 68 ff. 266 Eigene Darstellung, nach Engelhardt (2012), S. 55. 267 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 353. 268 Vgl. Taguchi et al. (2004), S. 177 sowie Klein (2011), S. 29.

Page 69: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

54

1) Durch ein gezieltes Verschieben der Steuergrößen wird unter Ausnutzung von Nichtli-

nearitäten die Empfindlichkeit gegenüber Störgrößen gesenkt und somit die Schwan-

kung der Ausgangsgrößen minimiert (vgl. Abbildung 2.34 a) und

2) Mithilfe linearer Zusammenhänge wird anschließend die Abweichung des Mittelwerts

vom Soll-Wert minimiert (vgl. Abbildung 2.34 b).

Wahrsch

einlich

keitsdichte

funktion

y

Schritt 2

Soll-Wert

Wahrsch

einlich

keitsdichte

funktion

y

Ausgangs-

verhalten

Reduzierte

Schwankung

Schritt 1

Soll-Wert

Mittelwert

wird an

Soll-Wert

angepasst

a) b)

Abbildung 2.33: Lösung des Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und

Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert – Parameter Design nach TAGUCHI269

Stellgröße / Signalfaktor

Antw

ort / R

eaktion

Mithilfe nichtlinearer Beziehungen

kann die Empfindlichkeit gegenüber

Streuungen vermindert werden

Mithilfe linearer Beziehungen kann

der Mittelwert auf den Sollwert

eingestellt werden

Stellgröße / Signalfaktor

Antw

ort / R

eaktion

a) b)

Abbildung 2.34: Ausnutzung von nichtlinearen und linearen Zusammenhängen

zwischen Stör- und Steuergrößen – Parameter Design nach TAGUCHI270

In der Literatur werden fortführend weitere, konkretere Methoden beschrieben, um die Vari-

anz im Produktverhalten zu beherrschen. LOTZ gibt unter Verweis auf weiterführende Literatur

einen Überblick über entsprechende Methoden.271

269 Eigene Darstellung, nach Park et al. (2006), S. 184. 270 Eigene Darstellung, nach Klein (2011), S. 29. 271 Vgl. Lotz (2018), S. 38.

Page 70: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

55

Für den Fall, dass der mathematische Zusammenhang zwischen den beteiligten Stör- und

Steuergrößen (noch) nicht bekannt ist, hat TAGUCHI die Methode des „Design of Experiments“

(DoE) entwickelt. Sie verfolgt das Ziel, durch die Entwicklung und Anwendung von systema-

tischen Versuchsplänen, die optimalen Werte der Steuergrößen mit einem Minimum an Ver-

suchen zu ermitteln.272

Da die entsprechenden Ergebnisse des SFB 805 für die in Kapitel 6 folgenden Inhalte relevant

sind, werden diese konsistent zu Unterabschnitt 2.3.1 im Folgenden zielgerichtet und aus-

schnittsweise zusammengefasst. Von dem bereits dargestellten Verständnis des SFB 805 aus-

gehend werden die folgenden, in Abbildung 2.35 schematisch am Beispiel dargestellten, drei

grundsätzlichen Robust Design-Strategien unterschieden273:

1.) Die Störgröße/Unsicherheit eliminieren.

2.) Den Einfluss der Störgröße/Unsicherheit reduzieren/eliminieren.

3.) Die Auswirkung des Einflusses reduzieren/eliminieren.

Störung/

UnsicherheitEinfluss VerhaltenAuswirkung

Pro

dukt

Umwelt

Robust Design

Strategien

Wärmequelle Strahlung Strahlung

Von Wärmequellen

abschirmen!

Reflektierende

BeschichtungSymmetrischer Aufbau

Störung/

Unsicherheit

eliminieren

Einfluss

unterdrücken

Auswirkung

reduzieren

Abbildung 2.35: Robust Design-Strategien des SFB 805 am Beispiel eines Lagerbocks274

272 Da diese Ausprägungen des Robust Design für den weiteren Verlauf der Arbeit nicht relevant sind, wird

zur weiteren Ausführung des Ansatzes auf weiterführende Literatur u. a. bspw. Taguchi et al. (2004)

oder Klein (2011) verwiesen. 273 Vgl. Mathias et al. (2010), S. 345 f. 274 Eigene Darstellung, nach Mathias (2016), S. 104.

Page 71: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

56

2.5 Zusammenfassung der Grundlagen und des Stands der Forschung

Aufbauend auf den Grundlagen der methodischen Produktentwicklung in Unterkapitel 2.1

wurden in Unterkapitel 2.2 verschiedene Ansätze zur Modellierung technischer Systeme sowie

die notwendigen Grundlagen hierzu eingeführt. Neben den klassischen Modellierungsansät-

zen aus der Produktentwicklung wurden insbesondere Ansätze aus der Regelungstechnik,

Mechatronik und Messtechnik betrachtet. Im Rahmen der Beschreibung der Grundlagen zur

Unsicherheit in technischen Systemen wurden die beiden für diese Arbeit relevanten Sichtwei-

sen der klassischen Produktentwicklung, insbesondere auch die des SFB 805 sowie der Mess-

technik zusammengefasst. In Unterkapitel 2.4 wurde der für die folgenden Inhalte relevante

Stand der Forschung dargestellt. Von besonderer Bedeutung für dieses Unterkapitel sind die

Informationsspeicher physikalischer Effekte in Form von Effektkatalogen nach KOLLER und

ROTH sowie die Methoden zur Identifikation und Berücksichtigung von Unsicherheit in tech-

nischen Systemen.

Auf Basis der durchgeführten Literaturrecherche wird festgestellt, dass die Integration von

Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme ein weit verbreitetes Entwicklungsziel

darstellt, welches vor dem Hintergrund gegenwärtiger Bestrebungen bspw. hinsichtlich der

Zielvision „Industrie 4.0“ oder vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Mainte-

nance) zusätzlich an Bedeutung und Aktualität gewinnt.275 In der Fachliteratur wird die

Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme vielfach makroskopisch

in Form von Vorgehensmodellen beschrieben, wobei sich bei einer vergleichbaren Betrach-

tungsweise der Entwicklungsaufgabe sinngemäß ein konsistentes Vorgehen in den verschie-

denen Quellen abzeichnet.276 In diesem Zusammenhang ist insbesondere die „Festlegung mög-

licher Messgrößen“ unter Einbezug eines vorgelagerten Schritts der „Festlegung möglicher Mess-

stellen“ sowie die Sensor-Auswahlphase für diese Arbeit von Relevanz. Es wird weiterhin fest-

gestellt, dass zur individuellen Erfassung benötigter Zustandsgrößen eines technischen Sys-

tems sowohl direkte als auch indirekte Messungen in Betracht gezogen werden können. Um

ein vorzeitiges Denken in technischen Lösungen und die unbegründete Einschränkung des

Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird im „Leitfaden Sensorik für Industrie

4.0“

277 des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die Bedeutung einer

lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen explizit hervorgehoben.

Ein methodischer Ansatz oder eine konkrete Unterstützung, wie der Zusammenhang zwischen

der in den Anforderungen charakterisierten Erfassung einer Zustandsgröße und potentiellen

Messgrößen hergestellt werden kann, konnte sowohl in dem genannten Leitfaden als auch all-

gemein in der Literatur nicht festgestellt werden.

275 Vgl. u. a. Simmons (2018), S. 26 ff. sowie Guerreiro et al. (2018), S. 161 ff. 276 Vgl. stellvertretend Löpelt et al. (2019), S. 273 ff. und Zeller (1996), S. 144. 277 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff.

Page 72: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

57

3 Potentiale und Grenzen bestehender Effektkataloge

Im Folgenden werden die in Unterabschnitt 2.4.1 eingeführten Effektkataloge nach KOLLER

und ROTH problembezogen analysiert und die Folgerungen für diese Arbeit hieraus abgeleitet.

Hierzu wird bereits der grundlegende Ansatz dieser Arbeit, den Zusammenhang zwischen einer

zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des bestehen-

den technischen Systems durch die Verwendung von Effektkatalogen herzustellen, antizipiert.

3.1 Anwendbarkeit bestehender Effektkatalogen im angestrebten Kontext

Physikalische Effekte stellen einen Zusammenhang zwischen physikalischen Größen her (vgl.

Unterabschnitt 2.1.2). Im Kontext der klassischen Produktentwicklung wird nach Unterab-

schnitt 2.1.2 insbesondere der Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines

technischen Systems betrachtet. Mit der Verwendung von Effektkatalogen wird das Ziel ver-

folgt, für eine definierte Funktion einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette zu finden.

Im Kontext des in Unterabschnitt 2.1.1 eingeführten Verständnisses, steht in diesem Zusam-

menhang die Ausgangsgröße des Effekts, in Form der primär angestrebten Wirkung auf einen

Prozess, im Vordergrund. Eingangsgrößen eines potentiell nutzbaren Effekts werden entspre-

chend eingesetzt, um gewünschte Ausgangsgrößen hervorzurufen. Aus dieser Situation folgt,

dass sich die grundsätzliche Ausrichtung bestehender Kataloge am Ziel, d. h. der Ausgangs-

größe eines Effekts, orientiert. Um einen Zusammenhang zwischen der zu erfassenden

Zustandsgröße YZ und potentiellen Messgrößen XMess,pot herzustellen, wird in dieser Arbeit eine

entgegengesetzte Betrachtungsweise, von der Ursache Y hin zur Wirkung XMess,pot, angestrebt.

Da physikalische Effekte zum Teil richtungsgebunden sind, muss dies bei der Betrachtung

bestehender Kataloge berücksichtigt werden.

Ein Beispiel für einen richtungsgebundenen und damit irreversiblen physikalischen Effekt,

stellt die Joulesche Wärme bspw. in einem stromdurchflossenen ohmschen Leiter dar. Elektri-

sche Energie Eelektrisch wird durch den elektrischen Widerstand R des Leiters in thermische Ener-

gie Ethermisch gewandelt und dissipiert.278 Für einen ohmschen Leiter, der weder mechanische

noch chemische Arbeit verrichtet, folgt aus dem Jouleschen Gesetz:

�� =

𝑑𝑄

𝑑𝑡= 𝑃 = 𝐼2 ∙ 𝑅 =

𝑈2

𝑅 . ( 3.1 )

Anwendung findet dieser Effekt u. a. in Glühlampen oder Heizwiderständen als zentrale Kom-

ponente von Widerstandsheizungen. In diesem physikalischen Zusammenhang stellen die

Spannung U und der Strom I die Eingangsgröße bzw. Ursache und der Wärmestrom �� die

Ausgangsgröße bzw. Wirkung des physikalischen Effekts dar. Eine Umkehrung des Effekts,

was einem Vertauschen von Ursache und Wirkung gleichbedeutend wäre, ist physikalisch

nicht möglich. Anschaulich auf das Beispiel der Glühlampe bezogen: Durch die Zufuhr eines

Wärmestroms �� in den Glühfaden, ist es nicht möglich eine Spannung U bzw. einen Strom I

am Anschlusssockel hervorzurufen.

278 Allgemein wird der Sachverhalt der Richtungsabhängigkeit bzw. Irreversibilität von Vorgängen im zwei-

ten Hauptsatz der Thermodynamik behandelt.

Page 73: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

58

Für zweidimensionale Effektkataloge führt dies entsprechend zu einer unsymmetrischen Mat-

rix. Das „Vertauschen“ von Ein- und Ausgangsgrößen bestehender Kataloge, was bspw. einer

Spiegelung der Effektmatrix an ihrer Hauptdiagonalen entspräche, ist folglich nicht zulässig.

Unter Berücksichtigung dieser Tatsache ist die Nutzung bestehender Effektkataloge im beab-

sichtigten Kontext zulässig.

3.2 Problembezogene Beschränktheit bestehender Effektkataloge

Als Ergebnis des vorherigen Abschnitts 3.1 wird festgestellt, dass bestehende Effektkataloge,

die entwickelt wurden, um einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette für definierte

Funktionen zu identifizieren, prinzipiell dazu geeignet sind, einen Zusammenhang zwischen

einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herzustellen.

Aufbauend auf den Ausführungen zum Katalogsystem nach KOLLER und der Funktionsgrößen-

matrix nach ROTH in Unterabschnitt 2.4.1, wird in diesem Abschnitt erläutert welche Ein-

schränkungen bestehende Effektkataloge in Bezug auf die angestrebte Verwendung aufwei-

sen.

Katalogsystem nach KOLLER

Im Katalogsystem nach KOLLER sind die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog und der

Effektkatalog als Detailkatalog eingesetzt. Beide Kataloge werden in den Fachbüchern

„Prinziplösungen zur Konstruktion technischer Systeme“279 und „Konstruktionslehre für den

Maschinenbau“280 abgebildet. In „Prinziplösungen zur Konstruktion technischer Systeme“ wird

innerhalb des Katalogsystems zwischen verschiedenen Gruppen von Effekten (mechanische,

fluidmechanische, elektrische und magnetische sowie optische) unterschieden und diese wie-

derum in einzelnen Katalogsystemen dargestellt. Aufgrund dieser Untergliederung ist das Auf-

bauen von übergreifenden Zusammenhängen zwischen den aufgeführten physikalischen

Größen deutlich unübersichtlicher als in der Darstellung in „Konstruktionslehre für den

Maschinenbau“. Da die prinzipiellen Inhalte identisch sind und die Darstellung im Fachbuch

„Konstruktionslehre für den Maschinenbau“ übersichtlicher ist, beziehen sich die folgenden Aus-

führungen auf die dort dargestellten Effektkataloge. Ein Ausschnitt der betrachteten Zuord-

nungsmatrix und dem zugehörigen Effektkatalog ist im Anhang A1 in Abbildung A.1und

Abbildung A.2 dargestellt.

Die Zuordnungsmatrix führt im Gliederungsteil zeilenweise Ursachen und spaltenweise die

daraus resultierenden Wirkungen auf (vgl. Abbildung 3.2). Diese Darstellung ermöglicht eine

direkte Nutzbarkeit vor dem Hintergrund der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Ursache-

Wirkung-Sichtweise. Die jeweils in der ersten Zeile und Spalte im Gliederungsteil des Katalogs

aufgeführten physikalischen Größen lassen eine individuelle Zuordnung der im spezifischen

Anwendungsfall betrachteten physikalischen Größen zu. Die Beschreibung der aufgeführten

Größen ist hierbei allerdings stellenweise unpräzise. Aus messtechnischer Sicht stellt es z. B.

einen Unterschied dar, ob eine Größe als Ursache bzw. Wirkung281 oder im Zusammenhang

279 Koller und Kastrup (1998), S. 49 ff. 280 Koller (1998), S. 547 ff. 281 Im Verständnis nach Simonek (1973), S. 12 als Funktionsgröße bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.1.2).

Page 74: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

59

des Effekts als Konstante282 auftritt. Insbesondere ist hiervon die Länge l betroffen. Wie in

Abbildung 3.1 verdeutlicht, stellt die Länge l bspw. im Hooke’schen Gesetz als Δ l eine Funkti-

onsgröße, im Hebeleffekt hingegen einen Gestaltparameter282 dar.

Abbildung 3.1: Differenzierung der Länge als Funktionsgröße und Gestaltparameter

Die Zusammenfassung von „nahe verwandten“ physikalischen Größen zu einer Gruppe erfolgt

nach KOLLER aus „Platzgründen“.283 Im Hinblick auf die angestrebte Verwendung führt dies

dazu, dass Gruppen von physikalischen Größen gebildet werden, die Größen mit messtech-

nisch unterschiedlichen Eigenschaften enthalten und somit deren Differenzierung verhindern

(vgl. Abbildung 3.2).

Abbildung 3.2: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER284

Ein anschauliches Beispiel stellt das in Abbildung 3.2 dargestellte Ursachen- bzw. Wirkungs-

feld dar. In diesem Feld werden die physikalischen Größen „elektrische Spannung U“, „elektri-

scher Strom I“ und „elektrisches Feld E“ zusammengefasst. Gemäß des in Unterabschnitt 2.2.3

eingeführten Verständnisses stellt die elektrische Spannung U eine Potentialgröße, der elektri-

scher Strom I eine Flussgröße und das elektrische Feld bzw. die elektrische Feldstärke E eine

auf eine Fläche bezogene Potentialgröße mit den jeweils entsprechenden messtechnischen

282 Im Verständnis nach Simonek (1973), S. 12 als Konstruktionsgröße bezeichnet (vgl. Abschnitt 2.1.2). 283 Vgl. Koller (1985), S. 56. 284 Vgl. Koller (1998), S. 548 f.

...

10

...

... ...10

Ursache

Wirkung

...

...

... ...

el. Spannung

el. Strom

el. Feld

el. Spannung

el. Strom

el. Feld

Verstärker-EffektTransformator

Sekundärelektronen-vervielfacherThermokreuz

LeitungTransduktorInfluenz

Magnetverstärker

Nr.

Nr.

Page 75: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

60

Eigenschaften dar. Eine messtechnisch sinnvolle Differenzierung dieser Größen wird in der

beschriebenen Zuordnungsmatrix folglich verhindert.

Für den Übersichtskatalog nach KOLLER wird festgestellt, dass die jeweils als Ursache bzw. Wir-

kung aufgeführten physikalischen Größen:

• aus der praktischen Konstruktionsanwendung heraus und nicht nach physikalischen

Gesichtspunkten ausgewählt und differenziert werden. Dies führt zu physikalischen

Uneindeutigkeiten.

• ohne ausreichende physikalische Begründung zusammengefasst bzw. nicht ausrei-

chend differenziert dargestellt werden. Dies verhindert eine messtechnisch sinnvolle

Differenzierung der physikalischen Größen.

Als Konsequenz sind nicht alle nutzbare Zusammenhänge zwischen systemspezifischen

Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch in der Zuordnungsmatrix

abbildbar.

Da die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog für den Effektkatalog fungiert, treffen die dar-

gestellten Aussagen auch auf den Effektkatalog zu. Darüber hinaus ist der Effektkatalog wie

in Abschnitt 3.1 erläutert im Gegensatz zur Zuordnungsmatrix wirkungsorientiert aufgebaut.

Die notwendige Berücksichtigung dieser Tatsache führt zu einer wenig intuitiven Anwendung

und zu einem erhöhten Aufwand in der Anwendung.

Funktionsgrößenmatrix nach ROTH

Wie auch im Katalogsystem nach KOLLER wird von ROTH ein zweidimensionaler Übersichtska-

talog und ein eindimensionaler Detailkatalog eingesetzt (vgl. Abbildung 2.28).285 Der Über-

sichtskatalog in Form einer Funktionsgrößenmatrix, ausschnittsweise in Abbildung 3.3 sowie

in Abbildung A.3 im Anhang A1 dargestellt, wird im Gegensatz zur Zuordnungsmatrix nach

KOLLER aus abhängigen Variablen am Eingang (zeilenweise) und unabhängigen Variablen am

Ausgang (spaltenweise) aufgebaut. Die jeweils im Gliederungsteil aufgeführten Variablen ent-

sprechen dabei den Intensitäts- und Quantitätsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.2.3) der physi-

kalischen Domänen der Mechanik (translatorisch/rotatorisch), der Strömungslehre, der Elekt-

rotechnik und der Thermodynamik und sind gemäß dieser Domänen strukturiert. Konstrukti-

onsgrößen (vgl. Unterabschnitt 2.1.2) werden nicht betrachtet. Gemäß der Ein- und Ausgänge

der Funktionsgrößenmatrix ist diese wie in Abschnitt 3.1 eingeführt wirkungsorientiert aufge-

baut. Weiterhin entspricht der Begriff der Funktionsgröße in der Benennung dem in Unterab-

schnitt 2.1.2 dargestellten Verständnis nach SIMONEK.

285 Vgl. Roth (2000), S. 114 ff.

Page 76: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

61

Ein-

gang

Aus-

gang

Nr.

1

2

3

4

...

1 2 3 4 ...

F

s

pi

v

...

F s pi v ...Abhängige

Variable

Unab-

hängige

Variable

Ein

Aus

1.1 1.2 ...

... ...

Abbildung 3.3: Ausschnitt der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH286 –

Funktionsgrößen des translatorischen Impulses aus der Domäne der Mechanik

Für den weiteren Verlauf der Arbeit wird festgestellt, dass die Funktionsgrößenmatrix nach

ROTH:

• Konstruktionsgrößen aufgrund des ursprünglichen Anwendungszwecks nicht aufführt.

Diese sind im betrachteten Kontext aber vielfach von Interesse und entsprechend

Gegenstand von Messungen.

• magnetische Phänomene nicht berücksichtigt.

• Phänomene der Wellenlehre (sowohl materiegebunden als auch nicht materiegebun-

den) weder im Gliederungs- noch im Zugriffsteil berücksichtigt, diese für praktischen

Messungen aber relevant sind.

• im Gliederungs- und Zugriffsteil zwar die Domäne der Thermodynamik aufführt, in der

Matrix aber diesbezüglich keine Effekte verzeichnet sind. Folglich werden entspre-

chende Effekte mit der bestehenden Funktionsgrößenmatrix nicht abgebildet.

Als Konsequenz sind nicht alle nutzbare Zusammenhänge zwischen systemspezifischen

Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch in der Funktionsgrößenmatrix

abbildbar.

Da die Zuordnungsmatrix als Übersichtskatalog für die „Sammlung physikalischer, funktioneller

Zusammenhänge“, ausschnittsweise in Abbildung A.4 im Anhang A1 dargestellt, fungiert, tref-

fen die dargestellten Aussagen auch auf diesen Effektkatalog zu.

286 Vgl. Roth (2000), S. 115.

Page 77: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

62

4 Zielsetzung und Forschungsdesign

Im Abschnitt 4.1 wird zunächst der Forschungsbedarf und anschließend in Abschnitt 4.2 die

Zielsetzung dieser Arbeit dargestellt. Sowohl die resultierenden Forschungsfragen als auch die

Vorgehensweise zur Beantwortung dieser, wird in den Abschnitt 4.3 und 4.4 vorgestellt.

4.1 Forschungsbedarf

Die Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme stellt eine der aktuellen

Herausforderungen im Maschinenbau dar. Insbesondere vor dem Hintergrund der Zielvision

„Industrie 4.0“ und vorausschauender Instandhaltung (engl. Predictive Maintenance) ist dies

von großer Bedeutung und Aktualität. In der Fachliteratur wird die Integration von Messfunk-

tionen in (bestehende) technische Systeme vielfach makroskopisch in Form von Vorgehens-

modellen beschrieben (vgl. Unterabschnitte 2.1.4 und 2.4.3). Um die unbegründete Ein-

schränkung des Lösungsraums durch eine Vorfixierung zu vermeiden, wird die Bedeutung

einer lösungsneutralen Diskussion verschiedener potentieller Messgrößen in der Literatur explizit

hervorgehoben.287 Ein methodischer Ansatz oder eine konkrete Unterstützung wie der Zusam-

menhang zwischen einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, insbeson-

dere unter Berücksichtigung des bestehenden technischen Systems, hergestellt werden kann,

konnte in der Literatur nicht aufgezeigt werden.

Da physikalische Effekte allgemeingültig einen Zusammenhang zwischen physikalischen Grö-

ßen herstellen, werden Effektkataloge betrachtet, um systematisch einen Zusammenhang zwi-

schen einer relevanten Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herzustellen. Ausgehend von

diesem grundlegenden Ansatz der Arbeit, wird in Abbildung 4.1 der Forschungsbedarf in Form

eines graphischen Fazits zu den Grundlagen und dem Stand der Forschung dargestellt.

Wesentliche Kernpunkte stellen die folgenden Feststellungen dar:

• Die grundsätzliche Anwendung bestehender Effektkataloge im beabsichtigten Zusam-

menhang ist prinzipiell von der Ursache zur Wirkung hin zulässig (vgl. Abschnitt 3.1).

Durch das systematische Vorgehen kann eine Grundlage für eine lösungsneutrale Dis-

kussion potentieller Messgrößen geschaffen werden.

• Das Katalogsystem nach KOLLER und die Funktionsgrößenmatrix nach ROTH weisen

stellvertretend für bestehende Effektmatrizen und -kataloge zwei wesentliche

Beschränkungen hinsichtlich der angestrebten Verwendung auf:

• Sie können nicht alle Zusammenhänge zwischen systemspezifischen

Zustandsgrößen und potentiellen Messgrößen systematisch abbilden (vgl.

Abschnitt 3.2).

• Gemäß des ursprünglichen Anwendungszwecks ist der Einbezug der Ein- und

Auswirkungen der Eigenschaften eines bereits existierenden technischen Sys-

tems sowie der Einbezug der in der Realität auftretenden Störgrößen, zusam-

men allgemein als Unsicherheit bezeichnet, auf die entwickelten Effektketten

nicht vorgesehen.

287 Vgl. Fleischer et al. (2018), S. 5 ff.

Page 78: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

63

i

i i

Effekt-

kataloge

Informationen über

Zustandsgrößen auf

System- und

Komponentenebene

Komponente trägt

bzw. verkörpert

Information initial

Bestehende Systeme Verfügbare Messtechnik

Komponenten als Leiter,

Wandler und/oder

Umformer von Energien,

Signalen und Stoffen

Komponenten als

potentielle

Messobjekte

Lösungsneutrale Diskussion potentieller

Messobjekte und -größen sowie Festlegung

Physikalische Effekte

Umwelt

Einflüsse und

Interaktionen

Charakterisierung des Systems

und der Komponenten über Eigen-

schaften sowie Modellierung der

Zusammenhänge

Unsicherheit

Mess-

signal

Sensor

Mess-

wert

i

Signalverarbeitung

(Messschaltung und -

verstärker sowie

Rechner)

Messwertausgabe

(Schnittstelle, Speicher

oder Anzeige)

Vorgehens-

modelle

Abbildung 4.1: Forschungsbedarf resultierend aus den Grundlagen

und dem Stand der Forschung

4.2 Zielsetzung

Gemäß der Feststellungen in Abschnitt 4.1 ergeben sich für diese Arbeit zwei aufeinander

aufbauende Zielsetzungen, deren Erreichung auf einer jeweiligen Hypothese basiert:

(1) Methodische Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen

Systems, durch eine Modellierung auf der Ebene physikalischer Effekte mithilfe einer

Effektmatrix und eines zugehörigen Effektkatalogs.

Hypothese:

Wenn die in Abschnitt 5.2 erfassten Anforderungen bei der Entwicklung einer Effekt-

matrix und des zugehörigen Effektkatalogs berücksichtigt und erfolgreich umgesetzt

werden, wird das angestrebte Ziel erreicht.

(2) Methodische Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten

und frühzeitiger Abbruch von Effektketten, die begründet nicht erfolgsversprechend

sind. Umsetzung anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkun-

gen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels

einer Unsicherheitsbetrachtung.288

288 Es wird keine Unsicherheitsforschung angestrebt, sondern auf bestehende Ergebnisse aus der Produkt-

entwicklung und Messtechnik (vgl. Abschnitt 2.3 und Unterabschnitt 2.4.4) zurückgegriffen.

Page 79: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

64

Hypothese:

Anhand der in Unterabschnitt 6.2.1 definierten Kriterien zur Beurteilung der identifi-

zieren Unsicherheit lässt sich eine begründete Aussage treffen, ob Ein- und Auswirkun-

gen von Umgebungs- und Randbedingungen die prinzipielle Funktionsfähigkeit und

Anwendbarkeit von Effektketten verhindern.

Beurteilung der Ergebnisse

Die direkten Ergebnisse dieser Arbeit können anhand der beschriebenen Zielsetzung sowie der

formulierten Hypothese beurteilt werden. Die übergeordneten, auf die (Gesamt-) Situation

bezogenen Auswirkungen der Ergebnisse, müssen anhand situationsbezogener Kriterien beur-

teilt werden. Konkret bedeutet dies eine Anwendung im Rahmen der Bearbeitung praktischer

Entwicklungsaufgaben/-probleme im Kontext der in der Motivation (vgl. Kapitel 1) dargestell-

ten Situation. In Tabelle B.1 und Tabelle B.2 im Anhang B1 werden entsprechende Kriterien

und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse dieser Arbeit aufgeführt. Eine initiale

Evaluation der Ergebnisse erfolgt in Kapitel 7.

4.3 Forschungsfragen

Um die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Ziele zu erreichen, ist die Beantwortung der

nachfolgenden Forschungsfragen essenziell. Analog zu den Zielen ergeben sich zwei aufeinan-

der aufbauende Hauptforschungsfragen, welche wiederum in Teilfragen untergliedert werden:

(1) Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und

potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungs-

neutral durch eine Modellierung mittels physikalischer Effekte, basierend auf einer

Effektmatrix und einem Effektkatalog, hergestellt werden?

a) Warum sind bestehende Effektmatrizen und -kataloge nicht in der Lage, alle nutz-

baren Zusammenhänge abzubilden?

b) Wie sind eine Effektmatrix und ein zugehöriger Effektkatalog gemäß der definier-

ten Anforderungen aufzubauen?

(2) Wie kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von

Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer

Unsicherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten

frühzeitig geprüft und abgesichert werden?

a) Welche systematischen Ansätze zur Erfassung von Unsicherheit sind zur Identifi-

kation der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die

entwickelten Effektketten einsetzbar?

b) Welche Kriterien können zur Beurteilung der identifizierten Unsicherheit im

betrachteten Kontext angewendet werden?

c) Welche Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit können im

betrachteten Kontext aus dem Robust Design abgeleitet werden?

Page 80: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

65

4.4 Forschungsvorgehen

Die Forschung im Rahmen dieser Arbeit baut sowohl auf Grundlagen der Systemtechnik als

auch der Konstruktionswissenschaft auf und lässt sich entsprechend in beide Denkansätze ein-

ordnen. Es wird festgestellt, dass beide Denkansätze über die jeweils betrachteten Inhaltsbe-

reiche der Beschreibung des (technischen) Systems289 und der Methodik zur Analyse und Syn-

these von (technischen) Systemen290 eine enge Beziehung aufweisen. Der Zusammenhang

zwischen den beiden jeweils betrachteten Inhaltsbereichen ist in Abbildung 4.2 nach

EHRLENSPIEL & MEERKAMM dargestellt.

Theorie technischer

Systeme

Physik, Technologie

Theorie der

Konstruktionsprozesse

Mensch

Was wird festgelegt? Wie wird festgelegt?

Konstruktions- bzw. Entwicklungsmethodik

Konstruktionspraxis

Wissenschaft

Basis

Anleitung

zum Handeln

Abbildung 4.2: Zusammenhang zwischen der Theorie technischer Systeme

und der Theorie der Konstruktionsprozesse291

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf den Inhalten der linken Seite der Abbildung im Bereich der

Physik und Technologie als Basis technischer Systeme. Die erzielten Ergebnisse fließen in

Ansätze der Konstruktions- bzw. Entwicklungsmethodik ein, welche in der Konstruktionspra-

xis Anwendung finden.

Aufbauend auf der Einordnung dieser Arbeit wird im Folgenden das Vorgehen zur Beantwor-

tung der in Abschnitt 4.3 dargestellten Forschungsfragen zur Erreichung der in Abschnitt 4.2

aufgestellten Zielsetzung vorgestellt. Das konkrete Vorgehen in Form von einzelnen Schritten

und zugehörigen Zwischenergebnissen wird jeweils entsprechend der beiden Hauptfor-

schungsfragen detailliert in Tabelle 4.1 und Tabelle 4.2 beschrieben.

289 Im klassischen Verständnis der Konstruktionswissenschaft als „Theorie technischer Systeme“ bezeichnet

(vgl. bspw. Hubka und Eder (1992), S. 85 ff.). 290 Im klassischen Verständnis der Konstruktionswissenschaft als „Theorie der Konstruktionsprozesse“

bezeichnet (vgl. bspw. Hubka und Eder (1992), S. 109 ff.). 291 Eigene Darstellung, nach Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 24 und 12.

Page 81: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

66

Tabelle 4.1: Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage

Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage:

Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrö-

ßen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral, durch eine Modellierung auf Ebene

physikalischer Effekte mithilfe einer Effektmatrix und eines zugehörigen Effektkatalogs, hergestellt werden?

Tätigkeit Ansatz /

Methode

Angestrebtes

Ergebnis

Verweis im

Manuskript

Erfassung und Vergleich

verschiedener physikali-

scher Effektkataloge hin-

sichtlich ihres Aufbaus

und Inhalts

Literaturrecherche Übersicht über wesentliche

physikalische Effektkataloge,

ihren Aufbau und prinzipiel-

len Inhalt sowie Feststellung

der problembezogenen Be-

schränktheit

(Unter-)

Abschnitte

2.4.1, 3.1

und 3.2

Analyse der problembe-

zogenen Beschränktheit

bestehender Effektkata-

loge

Siehe allgemein angewende-

tes Vorgehen (im Anschluss

an Tabelle 4.2)

Übersicht über die Gründe,

die zu einer problembezoge-

nen Beschränktheit bestehen-

der Effektkataloge führen

Abschnitt

5.1

Definition von Anforde-

rungen an ein Katalog-

system sowie Hypothe-

senbildung zur Zielerrei-

chung

Siehe allgemein angewende-

tes Vorgehen (im Anschluss

an Tabelle 4.2) sowie speziell

auch VDI 2222, Blatt 2, S. 9

Entsprechende Anforderungen

und Hypothesen an ein zu

entwickelndes Katalogsystem

physikalischer Effekte

Abschnitt

5.2

Konzipierung und Auf-

bau einer Effektmatrix

und eines zugehörigen

Effektkatalogs

Siehe allgemein angewende-

tes Vorgehen (im Anschluss

an Tabelle 4.2), Informations-

beschaffung über bestehende

Kataloge sowie Sammlungen

physikalischer Effekte (Physik

Fachliteratur)

Logisch begründeter Aufbau

des Katalogsystems in Form

der Gliederung und der Zu-

griffsoptionen

Abschnitte

5.3 und 5.4

Prinzipielle Anwendung

des entwickelten Kata-

logsystems

Exemplarische Anwendung

des entwickelten Katalogsys-

tems am Beispiel der Entwick-

lung eines sensorintegrieren-

den Zahnriemens

Aufzeigen einer prinzipiellen

Anwendung des entwickelten

Katalogsystems sowie Ver-

deutlichung eines Vorgehens

zur Anwendung

Abschnitt

5.5

Beurteilung der Errei-

chung der Zielsetzung

Logische Verifikation anhand

einer Argumentation und Be-

gründung auf Basis eines Ab-

gleichs zwischen den definier-

ten Zielen und den erzielten

Ergebnissen

Logisch begründete Beurtei-

lung der Erreichung der Ziel-

setzung vor dem Hintergrund

der in Abschnitt 4.2 aufge-

führten Hypothesen

Abschnitt

7.1

Erbringung des initialen

Nachweises der Anwend-

barkeit sowie Nützlich-

keit der Ergebnisse

Initiale Validierung durch eine

exemplarische Anwendung

(unabhängig vom Autor) der

Ergebnisse in einem Koopera-

tionsprojekt

Initialer Nachweis der An-

wendbarkeit sowie Nützlich-

keit bzw. Brauchbarkeit der

Ergebnisse

Abschnitt

7.2

Page 82: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

67

Tabelle 4.2: Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage

Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage:

Wie kann, anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und

Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels Unsicherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funkti-

onsfähigkeit entwickelter Effektketten möglichst frühzeitig geprüft werden?

Tätigkeit Ansatz /

Methode

Angestrebtes

Ergebnis

Verweis im

Manuskript

Identifikation und Be-

wertung bestehender

Methoden zur Erfassung

und Berücksichtigung

von Unsicherheit

Literaturrecherche in den Ge-

bieten der Produktentwick-

lung und Messtechnik (keine

explizite Unsicherheitsfor-

schung)

Übersicht über wesentliche

Methoden zur Erfassung und

Berücksichtigung von Unsi-

cherheit sowie deren Bewer-

tung vor dem Hintergrund

dieser Arbeit

Abschnitt 2.3,

Unterabschnitt

2.4.4 und

Abschnitt 6.1

Entwicklung eines An-

satzes zur Berücksichti-

gung von Unsicherheit

im betrachteten Kontext

Siehe allgemein angewende-

tes Vorgehen (im Anschluss

an Tabelle 4.2)

Ansatz zur Berücksichtigung

von Unsicherheit im be-

trachteten Kontext

Abschnitt 6.2

Anwendung und Ver-

deutlichung der beiden

zuvor aufgeführten

Schritte

Exemplarische Anwendung

und Verdeutlichung der bei-

den zuvor aufgeführten

Schritte am Beispiel des „In-

telligenten Zahnriemens“

Verdeutlichung des Vorge-

hens sowie Nachweis der An-

wendbarkeit

Abschnitte 6.1

und 6.2

Beurteilung der Errei-

chung der Zielsetzung

Logische Verifikation anhand

einer Argumentation und Be-

gründung auf Basis eines Ab-

gleichs zwischen den defi-

nierten Zielen und den erziel-

ten Ergebnissen

Logisch begründete Beurtei-

lung der Erreichung der Ziel-

setzung vor dem Hintergrund

der in Abschnitt 4.2 aufge-

führten Hypothesen auf Basis

bestehender und etablierter

Ansätze

Abschnitt 7.1

Das angewendete Vorgehen zur Beantwortung der wissenschaftlichen Fragen bzw. Lösung der

wissenschaftlichen Probleme wird für alle Forschungsfragen gemeinsam erläutert. Da es keine

expliziten Vorgehensweisen oder Methoden gibt, um Methoden und Heuristiken zu entwi-

ckeln292, orientiert sich das angewendete Vorgehen zur Beantwortung der wissenschaftlichen

Fragen bzw. Lösung der wissenschaftlichen Probleme am allgemeinen Vorgehen zum Prob-

lemlösen. An dieser Stelle wird auf das generelle Vorgehen zum Lösen von Problemen nach

der VDI 2206 verwiesen, welches in Abbildung 4.3 dargestellt ist.293

Aufbauend auf einer Situationsanalyse und der Zielformulierung (Anforderungen) werden be-

stehende Ansätze analysiert und in darauffolgenden Syntheseschritten kombiniert und weiter-

entwickelt. Die Grundlage hierfür stellt die Abfolge grundlegender Denkprozesse bspw.

292 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 144. 293 Vgl. VDI 2206 (2004), S.28; siehe auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 17.

Page 83: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

68

beschreibbar in Form einer TOTE-Einheit294 dar.295 Die erarbeiteten Ergebnisse werden

exemplarisch296 angewendet, analysiert und bewertet. In einem iterativen Prozess, der eine

erneute Situationsanalyse und Zielformulierung je nach Entwicklungsstand zulässt werden die

Teilaspekte beantwortet. Hierbei werden die Ergebnisse stetig weiterentwickelt und verbes-

sert. Aus Sicht des Qualitätsmanagements wird ein vergleichbares Vorgehen durch den PDCA-

Zyklus297, auch als Demingkreis bezeichnet, beschrieben.298 Eine weitere Orientierung bieten

die Ausführungen von BLESSING & CHAKRABARTI, in denen der Prozess zur Entwicklung von

Methoden und Heuristiken in die fünf Schritte: Aufgabenklärung, Konzeptionierung, Ausar-

beitung, Realisierung und Evaluation untergliedert wird.299

Analyse und Bewertung

Ist-Zustand

orientiertes Vorgehen

(vorhandene Struktur

wird zugrunde gelegt)

Situationsanalyse

Zielformulierung

Zielübernahme

Soll-Zustand

orientiertes Vorgehen

(Idealkonzept steht

im Vordergrund)

Anstoß Anstoß

Situationsanalyse

• Lösungs-

alternativen

entwickeln

• Lösungen prüfen,

verbessern,

verwerfen

Planen des

weiteren

Vorgehens

Lernen

Entscheidung

Abbildung 4.3: Problemlösezyklus als Mikrozyklus300

294 Die Abkürzung TOTE steht für „Test – Operate – Test – Exit“. 295 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 63 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 103 ff. 296 Anwendung durch den Autor sowie durch Studierende der Studiengänge Maschinenbau, Mechatronik

und Wirtschaftsingenieurwesen (Fachrichtung Maschinenbau) an der TU Darmstadt im Rahmen von

Abschlussarbeiten (Bachelor-/Master-Thesen und einer Studienarbeit) sowie Projektarbeiten (Advanced

Design Projects) in verschiedenen Projekten: Formular Student Fahrzeug (Welches (2018), Sattelkupp-

lung (Dieter et al. (2018), Marknagel (Müller (2018) und Intelligenter Zahnriemen (Erz et al. (2018)

sowie Asan (2019). 297 Die Abkürzung PDCA steht für „Plan – Do – Check – Act“. 298 Vgl. Kirchner (2020b), S. 227 f. sowie Gitlow et al. (1989), S. 19 f. 299 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 146 ff. 300 Eigene Darstellung, nach VDI 2206 (2004), S. 28; vgl. auch Haberfellner (2012), S. 72 ff.

Page 84: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

69

5 Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen

Um das erste in Abschnitt 4.2 beschriebene Ziel zu erreichen, wird in diesem Kapitel die erste

der beiden in Abschnitt 4.3 aufgestellte Forschungsfragen untersucht und beantwortet. Durch

die Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender Effektmatrizen und -kataloge

wird der Forschungsfrage 1 a) in Abschnitt 5.1 begegnet. Anschließend wird in den Abschnit-

ten 5.2 bis 5.4 die Forschungsfrage 1 b) behandelt.

Der verfolgte Ansatz beruht auf dem Zugriff auf Informationsspeicher physikalischer Effekte

in Form von Effektkatalogen. Weiterhin wird die in der Literatur etablierte Verwendung eines

zweidimensionalen Übersichtskatalogs (Abschnitt 5.3) und eines eindimensionalen Detailka-

talogs (Abschnitt 5.4) beibehalten (vgl. Unterabschnitt 2.4.1). Den Ausgangspunkt des Kapi-

tels bildet die Erfassung und der Vergleich verschiedener physikalischer Effektkataloge hin-

sichtlich ihres Aufbaus und ihres Inhalts mittels einer Literaturrecherche sowie die Feststellung

der problembezogenen Beschränktheit dieser Kataloge in den (Unter-) Abschnitten 2.4.1, 3.1

und 3.2. Darauf aufbauend werden die Gründe für die festgestellte problembezogene

Beschränktheit analysiert, Anforderungen an ein Katalogsystem abgeleitet sowie eine entspre-

chende Effektmatrix und der zugehöriger Effektkatalog konzipiert und aufgebaut. In Abschnitt

5.5 wird am Beispiel eines sensorintegrierenden Zahnriemens die Anwendung des entwickel-

ten Katalogsystems exemplarisch gezeigt.

5.1 Analyse der problembezogenen Beschränktheit bestehender

Katalogsysteme

Um zu analysieren an welchen Stellen bereits existierende Effektkataloge301 problembezogene

Beschränkungen aufweisen, wurden diese in verschiedenen realen Entwicklungsprojekten vor

dem betrachteten Hintergrund eingesetzt.302 Aus den exemplarischen Beobachtungen folgt die

Feststellung einer eingeschränkten Nutzbarkeit bestehender Effektkataloge im angestrebten

Kontext. Diese wurde in den Abschnitten 3.1 und 3.2 beschrieben und davon ausgehend in

Abschnitt 4.1 ein Forschungsbedarf abgeleitet. Daran anknüpfend werden die exemplarisch

festgestellten Einschränkungen in diesem Abschnitt abstrahiert, um die Ursachen der allge-

meinen problembezogenen Beschränktheit bestehender Effektkataloge zu erfassen.

5.1.1 Analyse bestehender zweidimensionaler Effektmatrizen

Die betrachteten Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH nutzen jeweils einen zweidimensio-

nalen Übersichtskatalog und einen zugehörigen eindimensionalen Detailkatalog. Da in diesem

301 Als die beiden am weitesten verbreiteten und etabliertesten Effektkataloge (vgl. Unterabschnitt 2.4.1)

werden im Folgenden konsistent zum Unterabschnitt 2.4.1 das Katalogsystem nach KOLLER sowie die

Funktionsgrößenmatrix inkl. der zugehörigen Sammlung physikalischer, funktionelle Zusammenhänge

nach ROTH betrachtet. 302 Die Anwendung in den Projekten Formular Student Fahrzeug (Welches (2018), Sattelkupplung (Dieter

et al. (2018), Marknagel (Müller (2018) und Intelligenter Zahnriemen (Erz et al. (2018) sowie Asan

(2019) erfolgte durch Studierende der Studiengänge Maschinenbau, Mechatronik und Wirtschaftsinge-

nieurwesen (Fachrichtung Maschinenbau) an der TU Darmstadt im Rahmen von Abschlussarbeiten

(Bachelor-/Master-Thesen und einer Studienarbeit) sowie Projektarbeiten (Advanced Design Projects).

Page 85: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

70

Abschnitt gezielt nur die jeweiligen zweidimensionalen Effektmatrizen betrachtet werden,

wird diese Differenzierung bei der folgenden Analyse aufrechterhalten.

Zuordnungsmatrix nach KOLLER

Die bei der Anwendung der Zuordnungsmatrix nach KOLLER festgestellte Beschränktheit der

Effektmatrix hinsichtlich der abbildbaren Ursache-Wirkung-Zusammenhänge in Form von

Effekten oder Effektketten zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen

Messgrößen wird auf drei wesentliche Tatsachen zurückgeführt.

1.) Die Zusammenfassung von „nahe verwandten“ physikalischen Größen zu einer Gruppe

erfolgt nach KOLLER aus „Platzgründen“ 303 und basiert nicht auf klaren Regeln in Form

einer physikalischen Grundlage.

Systemspezifische Zustandsgrößen müssen am Eingang der Matrix entsprechend in eine der

aufgeführten Gruppen eingeordnet werden. Hierbei treten in zwei prinzipiellen Fällen Unein-

deutigkeiten auf:

• Zum einen, wenn die systemspezifische Zustandsgröße nicht direkt als Ursache aufge-

führt ist und indirekt verschiedenen aufgeführten Gruppen von Ursachen zugeordnet

werden kann und

• zum anderen, wenn die aufgeführten physikalischen Größen innerhalb einer Gruppe

hinsichtlich der Differenzierung zwischen Funktionsgröße und Gestaltparameter nicht

eindeutig sind.

Exemplarisch lässt sich der erste Fall an dem in Abbildung 5.1 betrachten Volumenstroms ��

verdeutlichen. Dieser könnte sowohl der Gruppe „Länge/Querschnitt/Volumen“ unter Bezug

auf die zeitliche Ableitung des Volumens V als auch der „Geschwindigkeit“ unter Bezug auf das

Integral der Fläche dA über die Geschwindigkeit v zugeordnet werden.

1

2

...

...

Ursache

Wirkung

Länge

Querschnitt

Volumen

...

...

Geschwindigkeit

Volumen V

Volumen-

strom V. ?

...

V=dV

dt

.

V = dAv.

Abbildung 5.1: Uneindeutigkeit bei der Einordnung eines Volumenstroms ��

in die Zuordnungsmatrix nach KOLLER

Der zweite Fall lässt sich am Beispiel der in Abbildung 3.1 betrachteten Länge l veranschauli-

chen. Es ist ein Unterschied, ob die Länge l als Ursache bzw. Wirkung eines physikalischen

303 Vgl. Koller (1985), S. 56.

Page 86: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

71

Effekts in Form einer Funktionsgröße (bspw. im Hooke’schen Gesetz) oder im Zusammenhang

eines Effekts als Konstante in Form eines Gestaltparameters (bspw. beim Hebeleffekt) auftritt.

Die Zusammenfassung von verschiedenen physikalischen Größen in Gruppen führt weiterhin

dazu, dass Größen mit messtechnisch unterschiedlichen Eigenschaften in einer Gruppe zusam-

mengefasst werden. Eine messtechnisch sinnvolle Differenzierung und der Aufbau von Effek-

ten oder Effektketten zwischen den Größen einer Gruppe werden in der Zuordnungsmatrix

folglich verhindert.

Ein anschauliches Beispiel stellt das in Abbildung 3.2 dargestellte Ursachen- bzw. Wirkungs-

feld dar. In diesem Feld werden die physikalischen Größen „elektrische Spannung U“, „elektri-

scher Strom I“ und „elektrisches Feld E“ zusammengefasst. Gemäß des in Abschnitt 2.2.3 einge-

führten Verständnisses stellt die elektrische Spannung U eine Potentialgröße, der elektrische

Strom I eine Flussgröße und das elektrische Feld bzw. die elektrische Feldstärke E eine auf

eine Fläche bezogene Potentialgröße dar. Weiterhin ist es in diesem Fall nicht direkt möglich

den Zusammenhang zwischen einer elektrischen Spannung U und dem elektrischen Strom I

bspw. über den Widerstand R mittels des ohmschen Gesetzes abzubilden.

2.) Der Vergleich der Zuordnungsmatrix nach KOLLER mit der Funktionsgrößenmatrix nach

ROTH zeigt, dass erstere nicht alle von ROTH systematisch ermittelten und aufgeführten

Funktionsgrößen enthält.

Als Beispiele aus der Domäne der Mechanik, sind das Moment M oder der Volumenstrom ��

zu nennen. Entsprechende Zustandsgrößen müssen unter dem Rückgriff auf das Wissen bzw.

die Erfahrung des Nutzers einer existierenden Gruppe zugeordnet werden. Hierbei können,

wie unter 1.) am Beispiel des Volumenstroms �� gezeigt, Uneindeutigkeiten auftreten.

3.) Gestaltparameter werden nur vereinzelt und nicht systematisch aufgeführt.

Funktionsrelevante Gestaltparameter stellen den Zusammenhang zwischen den beabsichtig-

ten Funktionsgrößen her und bilden somit die Grundlage eines technischen Systems und

dessen Funktionsfähigkeit. Aus diesem Grund sind funktionsrelevante Gestaltparameter, ins-

besondere auf dem Gebiet des Condition Monitorings, von Interesse und entsprechend Gegen-

stand von Messungen. Darüber hinaus bilden Gestaltparameter die Grundlage für die Wirkung

von Störgrößen auf das technische System sowie das von der Funktion abweichende Verhalten

des technischen Systems. Die Zuordnungsmatrix nach KOLLER führt als Gestaltparameter

„Länge/Querschnitt/Volumen“, „Masse/Trägheitsmoment/Dichte“, „elektrischer Widerstand“,

„elektrische Kapazität“ und die „elektrische Induktivität“ im Gliederungsteil auf. Wesentliche

weitere funktionsrelevante Gestaltparameter wie bspw. der Elastizitätsmodul E, die dynami-

sche Viskosität η oder der Wärmeleitfähigkeit λ werden nicht berücksichtigt.

Funktionsgrößenmatrix nach ROTH

Die Funktionsgrößenmatrix nach ROTH führt ihrer Bezeichnung entsprechend nur Funktions-

größen auf. Gestaltparameter, nach ROTH bzw. SIMONEK als Konstruktionsgrößen bezeichnet

(vgl. Abschnitt 2.1.2 und 2.4.1), werden nicht aufgeführt. In Folge dessen lassen sich, wie

bereits im Absatz zuvor für die Zuordnungsmatrix nach KOLLER beschrieben, Gestaltparameter

nicht berücksichtigen. Darüber hinaus werden drei Gründe festgestellt, die zu einer einge-

schränkten Nutzbarkeit im beabsichtigten Kontext führen.

Page 87: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

72

1.) Es werden nicht alle Domänen der Physik systematisch berücksichtigt, folglich ist die

Auflistung von Primärgrößen unvollständig.

Die (schwere) Masse bspw. wird nicht als Primärgrößen berücksichtigt. Entsprechend werden

Gravitationseffekte nicht (direkt) abgebildet.

2.) Die Domäne der Thermodynamik ist zwar im Gliederungs- und Zugriffsteil aufgeführt,

es werden hierzu aber keine physikalischen Effekte in der Funktionsgrößenmatrix auf-

geführt.

Entsprechend sind thermodynamische Zusammenhänge in der Funktionsgrößenmatrix nach

ROTH nicht abgebildet. PONN und LINDEMANN, die sich über die VDI 2222, Blatt 1 auf die Funk-

tionsgrößenmatrix nach ROTH beziehen, führen in der Funktionsgrößenmatrix auch thermo-

dynamische Effekte auf und heben diese Einschränkung damit bereits auf.304

3.) Die in der Funktionsgrößenmatrix aufgeführten Funktionsgrößen sind entsprechend

der betrachteten Domänen physikalisch begründet. Darüber hinaus treten in der prak-

tischen Anwendung weitere abgeleitete oder in Zusammenhang stehende physikalische

Größen mit messtechnischer Relevanz auf. Diese Größen werden aufgrund des rein

systematischen Aufbaus der Funktionsgrößenmatrix nicht berücksichtigt.

Bspw. wird die aus der Primärgröße des translatorischen Impulses p bzw. der zugehörige Po-

tentialgröße der Geschwindigkeit v ableitbare Beschleunigung a nicht aufgeführt. Die in tech-

nischen und insbesondere messtechnischen Anwendungen eingesetzten Beschleunigungsmes-

sungen sind somit nicht abbildbar. Weiterhin lassen sich magnetische Effekte und insbeson-

dere elektromagnetische Wellen wie z. B. Licht nicht darstellen. Auch materiegebundene Wel-

len wie z. B. Fluidschall können höchstens indirekt einbezogen werden. Optische und akusti-

sche Zusammenhänge können in der Funktionsgrößenmatrix folglich nicht adäquat erfasst

werden.

5.1.2 Analyse bestehender eindimensionaler Effektkataloge

In diesem Unterabschnitt werden die eindimensionalen Effektkataloge nach KOLLER und ROTH

analysiert.

Prinzipkatalog nach KOLLER

Der Prinzipkatalog baut im Katalogsystem nach KOLLER über das Effektgruppenverzeichnis auf

der Zuordnungsmatrix auf (vgl. Abschnitt 2.4.1). Da entsprechend eine Durchgängigkeit bzgl.

der aufgeführten Ursachen und Wirkungen und den verknüpfenden physikalischen Effekten

besteht, treffen die inhaltlichen Feststellungen bzgl. der problembezogenen Beschränktheit

der Zuordnungsmatrix auch auf den Effektkatalog zu. Diese wurden bereits in Unterabschnitt

5.1.1 erläutert. Darüber hinaus ist der Prinzipkatalog wie in Abschnitt 3.1 eingeführt, im

Gegensatz zur Zuordnungsmatrix, wirkungsorientiert aufgebaut (vgl. Abbildung 5.2). Dies

stellt keine direkte Beschränkung, wohl aber eine Einschränkung dar, da es zu einer wenig

intuitiven Anwendung und zu einem erhöhten Aufwand in der Anwendung führt.

304 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 349.

Page 88: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

73

Prinzipkatalog: Wandeln der Energie- bzw. Signalart

Ursache: ... Kraft/Druck / Mechanische Energie

Ursache GesetzPhysikalischer EffektAnwendungs-

beispieleLiteratur

01.04

Länge,

Querschnitt,

Volumen

02.04

Geschwindigkeit

...

Prinzipkatalog: Wandeln der Energie - bzw. Signalart

Ursache: ... el. Spannung / el. Strom / el. Feld

Ursache GesetzPhysikalischer EffektAnwendungs-

beispieleLiteratur

01.10

Länge,

Querschnitt,

Volumen

02.10

Geschwindigkeit

...

Abbildung 5.2: Darstellung des wirkungsorientierten Aufbaus des Prinzipkatalogs nach KOLLER305

Im klassischen Anwendungsbereich der betrachteten Effektkataloge, ist es das Ziel physikali-

sche Effekte zu finden, um eine definierte Funktion physikalisch-technisch zu realisieren. Da

auf diesem Abstraktionsniveau mehrere Effekte zur Auswahl stehen können, um einen

Ursache-Wirkung-Zusammenhang gemäß der angestrebten Funktion herzustellen, stellt

KOLLER zur Vorauswahl der infrage kommenden Effekte eine gesonderte „Eigenschaftstabelle“

(vgl. Abschnitt 2.4.1) vor. Diese basiert auf dem Ansatz, Randbedingungen bzw. Anforderun-

gen der jeweiligen Effekte an die Gestalt und die Umgebung des technischen Systems zu er-

fassen und in einem Katalog zu verzeichnen. Im Kontext dieser Arbeit lässt sich ein solcher

Ansatz prinzipiell einsetzen und weist darüber hinaus vielversprechende Potentiale hinsicht-

lich der zielgerichteten Entwicklung erfolgsversprechender Effektketten auf. Der wesentliche

Grund hierfür liegt in der Verfügbarkeit von Informationen über das betrachtete bestehende Sys-

tem bzw. der Möglichkeit Informationen über das bestehende System zu gewinnen. Die ursprüng-

liche Anwendung nach KOLLER geht von einer Anwendung auf Basis festgelegter Funktionen

aus. Dementsprechend liegen noch keine Gestaltinformationen vor bzw. für den Fall dass sol-

che aus Umgebungssystemen, Anforderungen oder Randbedingungen ableitbar sind, werden

diese im beschriebenen Vorgehen nicht explizit berücksichtigt. Die Eigenschaftstabelle nach

KOLLER sieht gemäß des in Abbildung 5.3 dargestellten Ausschnitts zur Gliederung der Infor-

mationen zum jeweiligen Effekt eine Differenzierung in „Vereinfachungen“, „zu beachtende

Randbedingungen“ sowie „Anmerkungen des Anwenders“ vor.306

305 Vgl. Koller (1998), S. 561 und 575. 306 Vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 44 sowie bspw. S. 60 f.

Page 89: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

74

Name des

EffektsVereinfachung

Zu beachtende

Randbedingungen

Anmerkungen

des Anwenders

... ... ...

Hebeleffekt

Supraleitung

Vernachlässigung von Deformationen,

Massenträgheit und LagerreibungKraftwirkung auf das Fundament

Unterschreitung einer kritischen

Temperatur notwendig; Stromstärke

und äußeres Magnetfeld dürfen

einen krit. Wert nicht überschreiten

-

Abbildung 5.3: Ausschnitt der Eigenschaftstabelle für mechanische Effekte sowie elektrische und

magnetische Effekte nach KOLLER & KASTRUP307

Gemäß der Bezeichnung werden in der Rubrik „Vereinfachungen“ Annahmen und Vereinfa-

chungen aufgeführt, soweit diese in der beschriebenen Ursache-Wirkung-Beziehung angenom-

men wurden. Auf das Beispiel des Hebeleffekts in Abbildung 2.4 bezogen werden bspw. die

Vernachlässigung von Deformationen, Massenträgheit und Lagerreibung bei der Herstellung

des Zusammenhangs der Kräfte F1 und F2 aufgeführt. Insbesondere von Bedeutung für eine

Vorauswahl von physikalischen Effekten ist die zweite Rubrik, „zu beachtende Randbedingun-

gen“, da in dieser Spalte Bedingungen vermerkt werden unter denen der jeweilige Effekt auf-

tritt. Die in der Eigenschaftstabelle nach KOLLER in dieser Spalte aufgeführten Randbedingun-

gen sind individuell für den jeweiligen Effekt zutreffend, untereinander weisen sie jedoch kei-

nen einheitlichen Charakter auf. Als Randbedingung für den bereits oben als Beispiel heran-

gezogenen Hebel-Effekt wird bspw. die Kraftwirkung auf ein Fundament genannt. Für den

Effekt der Supraleitung wird die Unterschreitung einer kritischen Temperatur als notwendig

sowie die Überschreitung der Stromstärke und des äußeren Magnetfelds über einen kritischen

Wert als ausschließende Randbedingungen aufgeführt.308 Der uneinheitliche Charakter und

die unsystematische Beschreibung der aufgeführten Randbedingungen verhindern eine ein-

heitliche Vorgabe bzw. auf den angestrebten Anwendungsfall bezogen einen einheitlichen Ab-

gleich von vorliegenden Randbedingungen und notwendigen bzw. ausschließenden Randbe-

dingungen. Die letzte Rubrik „Anmerkungen des Anwenders“ enthält leere Felder und soll dem

Anwendenden die Möglichkeit geben, einem Effekt individuelle Informationen zuzuordnen.

Solche anwendungsspezifischen und nicht allgemeingültigen Informationen stehen nicht im

Fokus dieser Arbeit. Folglich ist diese Rubrik für die vorliegende Arbeit nicht relevant.

Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge nach ROTH

Die Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge nach ROTH bildet den eindimen-

sionalen Detailkatalog zum zweidimensionalen Übersichtskatalog in Form der Funktionsgrö-

ßenmatrix (vgl. Unterabschnitt 2.4.1). Wie für den Prinzipkatalog nach KOLLER, gilt auch für

die Sammlung nach ROTH, dass aufgrund der Kompatibilität zwischen Übersichts- und

Detailkatalog die Feststellungen bzgl. der problembezogenen Beschränktheit der

307 Eigene Darstellung, nach Koller und Kastrup (1998), S. 60. 308 Vgl. Koller und Kastrup (1998), S. 60 und 274.

Page 90: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

75

Funktionsgrößenmatrix auch auf den Effektkatalog zutreffen. Diese wurden bereits in

Unterabschnitt 5.1.1 erläutert. Im direkten Vergleich zum Prinzipkatalog nach KOLLER ist

weiterhin festzustellen, dass in der Sammlung nach ROTH keine Skizzen und Beispiele der

aufgeführten Effekte enthalten sind. Entsprechend sind die aufgeführten Informationen

weniger anschaulich bzw. intuitiv verständlich. Die Sammlung physikalischer Effekte nach

PONN & LINDEMANN, welche sich über die VDI 2222, Blatt 1 auf die Funktionsgrößenmatrix

nach ROTH bezieht, umfasst hingegen sowohl Prinzipskizzen als auch Beispiele. Dabei gilt es

zu beachten, dass diese Sammlung nur eine Auswahl an Effekten darstellt.309

Eine Vorauswahl von potentiell infrage kommenden physikalischen Effekten zur Realisierung

einer Funktion betrachtet ROTH nicht. Dementsprechend enthält die Sammlung physikalischer,

funktioneller Zusammenhänge keinen Zugriffsteil. Das zuvor in diesem Abschnitt aufgezeigte

Potential, Randbedingungen bzw. Anforderungen der jeweiligen Effekte an die Gestalt und

die Umgebung des technischen Systems auszunutzen, um zielgerichtet erfolgsversprechende

Effektketten zu entwickeln, wird folglich von ROTH nicht genutzt.

5.2 Anforderungen an ein Katalogsystem

Als Grundlage für die Konzipierung und Entwicklung einer Effektmatrix in Abschnitt 5.3 und

eines Effektkatalogs in Abschnitt 5.4 werden in diesem Abschnitt die Anforderungen und

Randbedingungen erfasst und definiert. Die Anforderungen gehen hierbei auf die Analyse der

problembezogenen Beschränktheit bestehender Katalogsysteme in Abschnitt 5.1 zurück und

werden gemäß der VDI 2222, Blatt 2 hinsichtlich allgemeiner sowie problemspezifischen

Anforderungen und Randbedingungen vervollständigt.310 Klassischerweise werden beste-

hende Effektmatrizen und -kataloge gemäß Abschnitt 2.1.4 aufbauend auf Funktionsmodellen

zur Suche nach Lösungsprinzipien und deren Strukturen eingesetzt.311 Eine konkrete Gestalt

des zu entwickelnden Systems, liegt in dieser Phase im ursprünglichen Sinne noch nicht vor.

Aus der Gegebenheit heraus, dass bei der Betrachtung bestehender Systeme bereits eine kon-

krete Umgebung in Form des technischen Systems vorliegt, wird diese neben der angestrebten

Funktion als Grundlage mit einbezogen.

Das makroskopische Ziel bzw. die makroskopische Anforderung an das zu entwickelnde Kata-

logsystem besteht darin, einen Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen mittels eines physikalischen Effekts bzw. einer

Effektkette herzustellen. Verallgemeinert werden Zusammenhänge zwischen einer Ursache

und der resultierenden Wirkung systematisch in der Effektmatrix aufgebaut und abgebildet

(vgl. Abbildung 3.2 sowie Unterabschnitt 2.4.1). Die Informationen über die einzelnen physi-

kalischen Effekte, die diese Zusammenhänge herstellen, sind im eindimensionalen Effektkata-

log verzeichnet (vgl. auch Abbildung 2.26 aus Unterabschnitt 2.4.1). Die detaillierteren An-

forderungen aus der Analyse der Zuordnungsmatrix nach KOLLER und der Funktionsmatrix

nach ROTH sowie der jeweils zugehörigen Effektkataloge wurden inhaltlich in Abschnitt 5.1

erläutert und werden in Tabelle 5.1 zusammengefasst.

309 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 350 ff. 310 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4. 311 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 3.

Page 91: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

76

Tabelle 5.1: Anforderungen an Effektmatrix und -katalog

Glie-

der-

ung

Art der

Anforde-

rung

Nr. Bezeichnung Erläuterung

Gli

ed

eru

ng u

nd

Au

fbau

FF 1. Vollständigkeit und

Aufbau des Gliede-

rungsteils

Aufbau und Inhalt des Gliederungsteils müssen physi-

kalisch logisch begründet und in diesem Rahmen voll-

ständig sein; die verwendete Logik muss erkennbar

und nachvollziehbar sein (vgl. Anforderung Nr. 5)

FF 2. Zweckmäßigkeit

des Gliederungs-

teils

Technisch und aus der Anwendungserfahrung heraus

als sinnvoll erachtete Gliederungsaspekte sind über die

Gliederung unter Punkt 1. hinaus aufzuführen

FF 3. Eindeutigkeit Differenzierte, eindeutige Bezeichnung und Auffüh-

rung der physikalischen Größen im Gliederungsteil

FF 4. Funktionsgrößen

und Gestaltparame-

ter

Berücksichtigung von Funktionsgrößen, funktionsrele-

vanten Gestaltparametern und zeitlichen Zusammen-

hängen im Hauptteil

FF 5. Zugriffsteil

Effektkatalog

Aufführen erforderlicher Eigenschaften einer Kompo-

nente bzw. des Systems, damit ein potentieller Effekt

auftritt bzw. auftreten kann; Möglichkeit der Selektion

bzw. Vorauswahl potentieller Effekte anhand eines Ab-

gleichs zwischen erforderlichen und vorliegenden bzw.

herstellbaren Eigenschaften

Inh

alt

FF 6. Erweiterbarkeit, Ak-

tualisierbarkeit

Der Aufbau muss (lokal) sowohl hinsichtlich der Glie-

derung als auch der aufgeführten Effekte flexibel er-

weiterbar und aktualisierbar sein

FF 7. Gültigkeit Die Inhalte müssen den Grundgesetzen der Physik ge-

nügen sowie allgemeingültig und übertragbar sein

FF 8. Widerspruchsfrei-

heit

Die Effektmatrix und der Effektkatalog müssen unter-

einander und im Kontext weiterer Effektsammlungen

widerspruchsfrei sein

ZF 9. Vollständigkeit der

aufgeführten Ef-

fekte

Gemäß der Gliederung ist eine möglichst vollständige

Aufführung aller potentiell nutzbaren Effekte anzustre-

ben; die Basis bilden die in der Effektmatrix nach

KOLLER und der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH

enthaltenen Effekte

An

wen

dbark

eit

ZF 10. Anwendbarkeit Die Anwendbarkeit soll für einen möglichst großen

Nutzerkreis und entsprechend individuell verfolgte

Ziele gegeben sein

W 11. Zugriff Schneller Zugriff auf Informationen

W 12. Handhabung Bequeme Handhabung

Page 92: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

77

Aus den in Tabelle 5.1 aufgeführten Anforderungen ergibt sich die in den Abschnitte 5.3 und

5.4 vorausgesetzte Hypothese hinsichtlich der Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix

und des Effektkatalogs:

Wenn die in Tabelle 5.1 erfassten Anforderungen bei der Konzipierung und Entwicklung einer

Effektmatrix und des zugehörigen Effektkatalogs berücksichtigt und erfolgreich umgesetzt werden,

wird das angestrebte Ziel, die Herstellung des Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des jeweiligen Systems,

erreicht.

Da die erarbeiteten Ergebnisse auf dieser Hypothese basieren, sind sie auch vor dem Hinter-

grund dieser Hypothese sowie der enthaltenen Zielsetzung zu beurteilen (vgl. Abschnitt 7.1

sowie Anhang B1, Tabelle B.1 und Tabelle B.2). Inwieweit die Ergebnisse hinreichend bzgl.

einer finalen Anwendbarkeit und angenommenen positiven Auswirkungen sind, muss an der

Verbesserung der in der Einleitung (vgl. Kapitel 1) dargestellten Situation bzw. der Lösung

des als wiederkehrend identifizierten Problems evaluiert werden (vgl. Abschnitt 7.2).

5.3 Konzipierung und Entwicklung der Effektmatrix – Verknüpfung von

individueller Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen

In diesem Abschnitt wird die Konzeption und Entwicklung eines zweidimensionalen Über-

sichtskatalogs in Form einer Effektmatrix zum systematischen Verknüpfen einer systemspezi-

fischen Zustandsgröße mit potentiellen Messgrößen dargestellt.

Der Aufbau dieses Abschnitts orientiert sich an der Gliederung der im vorherigen Abschnitt in

Tabelle 5.1 aufgeführten Anforderungen. Da die Effektmatrix als Übersichtskatalog fungiert,

liegt der Schwerpunkt auf einem systematischen Aufbau und einer physikalisch begründeten

Gliederung der Inhalte.

5.3.1 Aufbau und Gliederung der Effektmatrix

Der Bezeichnung entsprechend wird der zweidimensionale Übersichtskatalog zur Herstellung

eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen

Messgrößen in Form einer schematisch in Abbildung 5.4 dargestellten Matrix, der sog. Effekt-

matrix, aufgebaut. Diese führt, gemäß der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Ursache-

Wirkung-Sichtweise, analog zur Zuordnungsmatrix nach KOLLER (vgl. Abschnitt 3.2), im Glie-

derungsteil spaltenweise Ursachen und zeilenweise die daraus resultierenden Wirkungen auf.

Ursache

Wirkung

...

... ...

...

...

...

Hauptteil

Gliederungsteil

Gliederungste

il

Ursache-/

Wirkungs-

sichtweise

Abbildung 5.4: Schematischer Aufbau der Effektmatrix

Page 93: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

78

Grundlegender Ansatz zur Gliederung und zum Aufbau

Die Ursachen und Wirkungen werden anhand der Hauptbereiche der klassischen Physik in

Mechanik, Elektrizität und Magnetismus sowie Thermodynamik gegliedert.312 Das Gebiet peri-

odischer Zustandsänderungen in Form von sowohl materiegebundenen als auch nicht mate-

riegebundenen Wellen, allgemein als Wellenlehre bezeichnet, wird im Zusammenhang der

Hauptbereiche Mechanik (materiegebundene Wellen, Bsp. Fluidschall) sowie Elektrizität und

Magnetismus (nicht-materiegebundene Wellen, Bsp. Licht) berücksichtigt. Die jeweils im Glie-

derungsteil aufgeführten physikalischen Größen werden aus den acht bilanzierungsfähigen

Größen der klassischen Physik abgeleitet. Die allgemeine Bilanzierung von Energie bildet hier-

für die Grundlage. Zur differenzierten Gliederung werden die weiteren sieben bilanzierungsfä-

higen Größen der klassischen Physik Impuls p, Drehimpuls L, (schwere) Masse mS, Volumen V,

elektrische Ladung Q, Entropie S und Stoffmenge n herangezogen.313 Gemäß der in Abschnitt

2.2.3 eingeführten Grundlagen zu Systemvariablen und der darauf aufbauenden mehrpolba-

sierten Modellbildung, werden die sieben bilanzierungsfähigen Größen als Primärgrößen X

herangezogen und die jeweiligen Fluss- und Potentialgrößen IM und Y sowie das Extensum Ex

abgeleitet. Auf diese Weise wird der Gliederungsteil gemäß der ersten Anforderung (vgl.

Tabelle 5.1) physikalisch logisch begründet und in diesem Betrachtungskontext vollständig

aufgebaut. Eine Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Unterteilung und zum Aufbau

des Gliederungsteils bzw. der Effektmatrix ist in Abbildung 5.5 dargestellt. Konsistent zu den

Beispielen zur mehrpolbasierten Modellbildung in Unterabschnitt 2.2.3, sind in Abbildung 5.7

der Gliederungsteil zum translatorischen Impuls aus der Domäne Mechanik und der Gliede-

rungsteil zur elektrischen Ladung aus der Domäne Elektrizität und Magnetismus exemplarisch

dargestellt.

312 Für weitere Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur aus dem Bereich der Physik verwiesen,

bspw. Hering et al. (2016), S. 3 - 6. 313 Weitere Informationen zum didaktischen Ansatz der Systemphysik können bspw. Maurer (2015) ent-

nommen werden.

Page 94: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

79

Thermodynamik

Mechanik

Elektrizität

Magnetismus

Temperatur

Ladung

Masse

ZeitLängemate

rie-

gebun

den

nicht mate

rie-

gebun

den

Wellenle

hre

Akustik

Optik

Wellenbild (Felder)

Partikelbild

Klassische PhysikEnergie

E

Bilanzierungsfähige Größen der klassischen Physik

el.

Ladung Q

trans.

Impuls p

rot.

Impuls L

(schwere)

Masse mS

Volumen

V

Entropie

S

Stoff-

menge n

Modell eines Ersatzelements in der mehrpolbasierten Modellbildung

Ex

q T

Y

i T

X

q P

I M

i P

d

dt

d

dt

Gestaltparameter

Abbildung 5.5: Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Gliederung

und zum Aufbau des Gliederungsteils der Effektmatrix314

314 Eigene Darstellung, Ausschnitt der Zusammenhänge innerhalb der klassischen Physik, nach Hering et al.

(2016), S. 5.

Page 95: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

80

Die Differenzierung der genannten physikalischen Größen bzw. Systemvariablen und die

daraus resultierende Kompatibilität zur mehrpolbasierten Modellbildung ermöglicht hinsicht-

lich der Erfassung potentieller Messgrößen im Kontext technischer Systeme weitere

wesentliche Vorteile:

• Auf Basis der Differenzierung ist es möglich, einen direkten Rückschluss auf die mess-

technischen Eigenschaften der aufgeführten Größen zu ziehen. Gemäß Abschnitt 2.2.3

werden innerhalb einer physikalischen Domäne die vier Systemvariablen in P-Variablen

bzw. Einpunktgrößen mit dem Index P sowie T-Variablen bzw. Zweipunktgrößen mit

dem Index T differenziert.

• Da der Energieaustausch zwischen den diskreten Netzwerkelementen innerhalb eines

gemäß der Mehrpoltheorie aufgebauten Modells immer durch die Fluss- und Potential-

größe einer Domäne beschreibbar ist, können Energieflüsse und damit auch die Wand-

lungen und Umformungen einer im System auftretenden Funktionsgröße modelliert

werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des Transports von Energien bzw.

Signalen in einem technischen System relevant.

o Auf diese Weise ist es möglich, das System bspw. anhand von Flussgrößen

schrittweise entlang von Knoten zu strukturieren sowie sequenziell zu model-

lieren und zu betrachten.315 Die Bezeichnung „Knoten“ geht auf die Betrachtung

des elektrischen Stroms in elektrischen Netzwerken gemäß der Kirchhoffschen

Knotenregel316 (1. Kirchhoffsches Gesetz) zurück und lässt sich analog auf wei-

tere Flussgrößen übertragen.317 In der Mechanik bspw. entspricht dies einer

Bilanzierung von Kräften an einem freigeschnittenen Element. In Abbildung 5.6

sind die genannten Zusammenhänge exemplarisch visualisiert.

o Über die jeweiligen Potentialgrößen sind Relationen zwischen verschiedenen

diskret modellierten Ersatzelementen in einem System entlang von Maschen

abbildbar.318 In elektrischen Netzwerken (vgl. Abbildung 5.6) entspricht dies

bspw. der Betrachtung aller Teilspannungen im Umlauf einer Masche gemäß

der Kirchhoffschen Maschenregel319 (2. Kirchhoffsches Gesetz).

315 Siehe hierzu auch Vorwerk-Handing et al. (2018), S. 3 f. 316 Siehe bspw. Meschede (2015), S. 340. 317 Vgl. MacFarlane (1967), S. 61 und 109 f. 318 Vgl. MacFarlane (1967), S. 61 und 109 f. 319 Siehe bspw. Meschede (2015), S. 340.

Page 96: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

81

R 1

R 3

R 2 R 4

C

L

U 1

U 3

U 2 U 4U 0

U C

U L

I 1 I 3

I 2

I 2

I 1 I 3

Knoten Masche

Elektrisches Netzwerk

F 1

F 2

Mechanisches Fachwerk

Knoten

F 1 F S2

F S1

Knotenpunktverfahren:

: Fx = 0

: Fy = 0

y

x

Kirchhoffsche

Maschenregel:

U i = 0

Bsp.: U 2 = U C + U 4 + U L

Kirchhoffsche

Knotenregel:

I i = 0

Bsp.: I 1 = I 2 + I 3

Abbildung 5.6: Knoten- und Maschenregel nach Kirchhoff im elektrischen Netzwerk (links)

sowie Knotenpunktverfahren am freigeschnittenen mechanischen Fachwerk (rechts)

Eingang / Ursache

Gebiet

Bilanzier-

ungsfähige

Größe

Abbildung der Zusammenhänge

Fluss-

größe IM

Potential-

größe Y

Exten-

sum Ex

Primär-

größe X

Intensive

Zusatndsgrößen

Extensive

Zustandsgrößen

Funktionsgrößen

Kraft

Geschwin-

digkeit

Verschie-

bung

Impuls

el.

Strom

Induktions-

fluss

el.

Ladung

el.

Spannung

Mechanik

Impuls

- transla

torisch

Ele

ktr

izität

und

Magnetismus

ele

ktr

ische L

adung

Induktions -

fluss Φ[Wb]

Spannung U

[V]

el.

Strom I

[A]

el.

Ladung Q

[C]

d

dt

ddt

Induk-

tivität

el. W

iderstan

d

Kapa-

zität

Verschie -

bung s

[m]

Geschwin-

digkeit v

[m/s]

Kraft F

[N]

Impuls p

[N·s]

ddt

d

dt

Ela

sti-

zität

Dämpfung

Masse

Ausgang / Wirkung

ist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an

der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt

Abbildung 5.7: Ausschnitt der Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix

am Beispiel des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q

Page 97: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

82

Im Rahmen der mehrpolbasierten Modellbildung wird der Zusammenhang zwischen den

jeweils vier Systemvariablen entweder über Gestaltparameter oder einen zeitlichen Zusam-

menhang hergestellt (vgl. Abschnitt 2.2.3 sowie ROTH320). Diese Gegebenheit wird durch das

Aufführen der entsprechenden Gestaltparameter sowie der Zeit t in der Effektmatrix berück-

sichtigt und somit die vierte Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) an die Effektmatrix erfüllt. Da die

Gestaltparameter und die Zeit t gemäß der Ursache-Wirkung-Beziehung den Zusammenhang

zwischen den Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen herstellen, können diese Größen nicht

als Ursache in einem physikalischen Effekt auftreten und werden deswegen im Eingangs-Glie-

derungsteil der Effektmatrix nicht aufgeführt. Da Gestaltparameter allerdings von Systemva-

riablen bzw. Funktionsgrößen beeinflusst werden und dieser Zusammenhang wiederum mit-

tels physikalischer Effekte beschreibbar ist, werden die Gestaltparameter sowie die Zeit t im

zeilenweisen Gliederungsteil der Effektmatrix als Wirkung aufgeführt (vgl. Abbildung 5.8).

Permitti-

vitätszahl

XX

spez.

Widerstand

Permeab-

ilitätszahl

X

Dichte

XX

innere

Reibung

Elastizi-

tätsmodul

X

el. Widerstand Induktivität Kapazität

Ausgang /

Wirkung

Analog zu Eingang / Ursache

spaltenweise aufgebaut , d.h. an der

Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt

Allgemeine

Zustands-

größen eines

technischen

Systems

funktions-

relevante

Gestalt-

parameter

Gestalt-

parameterElastizität Masseinnere Dämpfung

Zeit

Zeit

stoffliches

Merkmal

geometrisches

Merkmal

Zeit

Abbildung 5.8: Ausschnitt der vom Eingang abweichenden Gliederung des Ausgangs im

Gliederungsteil der Effektmatrix

320 Die beschriebene Tatsache stellt auch Roth (2000) auf Seite 113 sinngemäß unter Verwendung einer

geringfügig abweichenden Bezeichnung fest.

Page 98: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

83

Vor dem Hintergrund einen Zusammenhang zwischen Funktionsgrößen verschiedener physi-

kalischer Teilgebiete aufzubauen und modellieren zu können, ist der beschriebene Aufbau des

Ausgangs im Gliederungsteil der Effektmatrix aus zwei Gründen von elementarer Bedeutung:

• Gestaltparameter stellen nicht nur den Zusammenhang zwischen den Systemvariablen

innerhalb eines Teilgebiets, sondern auch teilgebietsübergreifend her. Hierbei wird Ener-

gie zwischen den beteiligten Teilgebieten ausgetauscht. Ein Beispiel für die Herstellung

eines Zusammenhangs zwischen Systemvariablen verschiedener Teilgebiete, stellt das

Coulomb-Gesetz dar, welches die Basis der Elektrostatik bildet.321 Es beschreibt die Kraft

F zwischen zwei elektrischen Ladungen Q und Q‘, welche idealisiert als Punktladungen

betrachtet werden (vgl. Abbildung 5.9).

Abbildung 5.9: Coulomb-Gesetz –

Kraft F zwischen zwei elektrischen (Punkt-) Ladungen Q und Q‘

Folglich wird ein Zusammenhang zwischen der elektrischen Primärgröße der Ladung Q

(Ursache) und der Flussgröße Kraft F (Wirkung) aus dem Bereich der Mechanik

beschrieben. Hergestellt wird dieser Zusammenhang über den Gestaltparameter der

Länge l 322, die Influenzkonstante ε0 sowie die Kreiszahl π gemäß:

𝐹 =

𝑄 𝑄′

4 𝜋 휀0 𝑟2 . ( 5.1 )

Hierbei ist F die von den Ladungen Q und Q‘ ausgehende Kraft und 𝑟 der Abstand der

beiden als punktförmig angenommenen Ladungen Q und Q‘.

• Weiterhin können Gestaltparameter eines Teilgebiets von Systemvariablen bzw. Funk-

tionsgrößen eines anderen Teilgebiets beeinflusst werden. Hierbei findet zwischen den

beteiligten Teilgebieten näherungsweise kein Energieaustausch statt. Über die Beein-

flussung eines Gestaltparameters nehmen Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen

eines Teilgebiets indirekt Einfluss auf ein anderes Teilgebiet. Diese Zusammenhänge

lassen sich messtechnisch nutzen, bspw. in Messwiderständen (vgl. Abbildung 5.10).

Im Anwendungsfall des Messwiderstands wird der Gestaltparameter des elektrischen

Widerstands R (Teilgebiet der Elektrizität) durch die Einwirkung einer thermischen

321 Vgl. Meschede (2015), S. 315 f. 322 Der Abstand r der beiden als punktförmig angenommenen Ladungen Q und Q‘ entspricht dem Gestalt-

parameter der Länge l.

Page 99: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

84

Funktionsgröße in Form der Temperatur T (Teilgebiet der Thermodynamik) beein-

flusst. Eine indirekte Temperaturmessung wird über die Messung des Spannungsabfalls

an dem von einem konstanten Messstrom durchflossenen, temperaturabhängigen

elektrischen Widerstand R realisiert.

ϑ

V

Stromquelle Spannungsmessgerät

Platin-Messwiderstand

Pt100 ( R 0 °C = 100 Ω )

Temperatursensor Pt100

Pt-100 im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung

Abbildung 5.10: Pt-100 Temperatursensor (im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung) als Beispiel

für die Beeinflussung von Gestaltparametern einer physikalischen Domäne

durch Funktionsgrößen einer anderen physikalischen Domäne

Darüber hinaus wird durch diese systematische Berücksichtigung der Gestaltparameter eine

eindeutige Unterscheidung zwischen Systemvariablen bzw. Funktionsgrößen und Gestaltpa-

rametern vollzogen, die bspw. in der Zuordnungsmatrix nach KOLLER nicht vorhanden ist und

zu entsprechenden Uneindeutigkeiten führt (vgl. Abschnitt 3.2). Dieser Aspekt wird in der

dritten Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) beschrieben.

Um dem vom Anwendenden gewählten Abstraktionsgrad in der Betrachtung der beschriebe-

nen Zusammenhänge gerecht zu werden, werden die übergeordneten Gestaltparameter weiter

in die unabhängigen stofflichen und geometrischen Merkmale differenziert (vgl. Abbildung

5.8). Der Anwendende sieht bspw. einen Zusammenhang zwischen der Kraft F und der Ver-

schiebung s, welcher über das Hooke’sche Gesetz beschrieben wird. Je nach Bedarf und Wissen

des Anwendenden wird dieser Zusammenhang auf verschiedenen Betrachtungsebenen herge-

stellt. Einerseits ist es möglich den Zusammenhang über die bspw. in Experimenten direkt

ermittelte Elastizität bzw. Federkonstante k der betrachteten Komponente herzustellen. Ande-

rerseits kann bspw. im eindimensionalen Fall der Zusammenhang über eine differenzierte

Betrachtung der Fläche A senkrecht zur wirkenden Kraft F und die Ausgangslänge l0 (geomet-

rische Merkmale) sowie dem Elastizitätsmodul E des Materials (stoffliches Merkmal) herge-

stellt werden (vgl. Abbildung 5.11).

Page 100: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

85

Abbildung 5.11: Betrachtung des Hooke’schen Gesetzes als Beispiel für die Abhängigkeit des

Abstraktionsgrads in der Betrachtung der beschriebenen Zusammenhänge vom Anwendenden

Erweiterungen des grundlegenden Ansatzes zur Gliederung und zum Aufbau

Die Anwendung und der Vergleich einer Effektmatrix mit einem gemäß den Ausführungen

aufgebauten Gliederungsteil mit der Zuordnungsmatrix nach KOLLER zeigen, dass es sinnvoll

und notwendig ist über den streng systematischen Aufbau hinaus auch abgeleitete Größen mit

direkter messtechnischer Relevanz in den Gliederungsteil einzubeziehen (vgl. zweite Anforde-

rung in Tabelle 5.1). Hierfür werden zwei Ursachen festgestellt: Erstens können die zugrunde

gelegten Ansätze der Systemphysik und der mehrpolbasierten Modellierung manche Bereiche

der Physik, die sowohl physikalisch als auch insbesondere technisch aus der Anwendung

heraus sinnvoll und notwendig sind, nicht abbilden. Zweitens weisen physikalische Größen,

die aus den aufgeführten Zustandsgrößen abgeleitete sind, teilweise eine große praktische

Verbreitung auf. Beide Aspekte werden im Folgenden näher erläutert und darauf aufbauend

eine Erweiterung des Ansatzes zur Gliederung der Effektmatrix vorgestellt.

Zu den abgeleiteten Größen gehören bezogene Größen, die sich aus den bereits aufgeführten

Zustandsgrößen über

• einen Bezug auf einen Gestaltparameter (z. B. Masse m, Länge l, Fläche A oder Volu-

men V) oder

• eine Ableitung nach der Zeit t respektive eine Integration über die Zeit t ergeben.

Neben klassischen bezogenen Größen der Mechanik wie bspw. der Spannung б bzw. τ oder

der Dehnung ε, werden auf diese Weise bspw. auch elektrische und magnetische Feldgrößen

in den Ansatz aufgenommen. Exemplarisch sind die aus diesem Aspekt resultierenden Erwei-

terungen der grundlegenden Gliederung der Effektmatrix für die bilanzierungsfähige Größe

des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q in Abbildung 5.12 in Rot her-

vorgehoben.

Page 101: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

86

el.

Feldstärke

el.

Flussdichte

mech.

Spannung

Dehnungs-

geschwin-

digkeit

Dehnung

Beschleu-

nigung

Kraft

Geschwin-

digkeit

Verschie-

bung

Impuls

Induktions-

fluss

el.

Ladung

el.

Spannung

X

X

X

X

X

Eingang / Ursache

Gebiet

Bilanzier-

ungsfähige

Größe

Abge-

leitete

Größen

Abbildung der Zusammenhänge

Fluss-

größe IM

Potential-

größe Y

Exten-

sum Ex

Primär-

größe X

Intensive

Zustandsgrößen

Abgeleitete

Größen mit

messtech-

nischer

Relevanz

Extensive

Zustandsgrößen

Funktionsgrößen

Mechanik

Impuls

- t

ransla

torisch

spezifisch

,

flä

chenbezogen

Ele

ktr

izität

und M

agnetismus

Ele

ktr

isch

e L

adung

spezifisch

,

flä

chenbezogen

Verschie -

bung s

[m]

Geschwin-

digkeit v

[m/s]

Kraft F

[N]

Impuls p

[N·s]

ddt

d

dt

Beschleu-

nigung a

[m/s2]

ddt

Feder-

konsta

nte

Dämpfung

Masse

Masse

Induktions -

fluss Φ[Wb]

Spannung U

[V]

el.

Strom I

[A]

el.

Ladung Q

[C]

ddt

ddt

Induk-

tivität

el. Wider

stand

Kapa-

zität

el.

Strom

Ausgang / Wirkungist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an

der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt

Abbildung 5.12: Ausschnitt der erweiterten Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix

Da der Ansatz der Systemphysik323 und die mehrpolbasierte Modellierung auf Basis der bilan-

zierungsfähigen Größen der klassischen Physik gemäß Abbildung 5.5 nicht geeignet sind, um

magnetische Effekte zu erfassen und zu modellieren, wird eine Erweiterung des Ansatzes

323 Weitere Informationen zum didaktischen Ansatz der Systemphysik können bspw. Maurer (2015) ent-

nommen werden.

Page 102: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

87

angestrebt. Der Grund für die beschriebene Beschränktheit liegt darin, dass die Existenz eines

magnetischen Monopols bzw. magnetischer Ladung als Pendant zur elektrischen Ladung Q

praktisch nicht nachgewiesen ist.324 Die Notwendigkeit einer Erweiterung bzw. einer Aus-

nahme ergibt sich aus der Tatsache, dass eine solche magnetische Ladung in der grundlegen-

den Systematik gemäß Abbildung 5.5 als Primärgröße herangezogen werden müsste, um die

drei weiteren Systemvariablen abzuleiten. Da magnetische Effekte aus technischer und insbe-

sondere auch messtechnischer Sicht von Bedeutung sind und diese entsprechend in der Effekt-

matrix zu berücksichtigen sind, werden die in Abbildung 5.13 dargestellten magnetischen Grö-

ßen und Zusammenhänge in den Gliederungsteil aufgenommen. Um eine möglichst einheitli-

che Darstellung zu erreichen, orientiert sich die Darstellung der Zusammenhänge in Abbildung

5.13 an der verwendeten Übersichtsdarstellung nach Unterabschnitt 2.2.3.325 Sie stellt aber,

wie beschrieben, eine bewusst definierte Ausnahme gegenüber dem grundlegenden Ansatz

ausgehend von einer Primärgröße gemäß Abbildung 5.5 dar.

mag.

Feldstärke

mag.

Flussdichte

mag. Fluss

el.

Fluss

-

mag.

Spannung

X

X

Ele

ktr

izität und M

agnetismus

Es e

xistiert in d

er k

lassisch

en P

hysik

keine b

ilanzierungsfä

hige G

röße.

spezifisch,

flä

chenbezogen

el.

Fluss ψ[C]

mag.

Spannung

Um [A]

mag.

Fluss Φ

[Wb]

-

d

dt

Reluktan

z /

mag

. Widerstan

d

Eingang / Ursache

Gebiet

Bilanzier-

ungsfähige

Größe

Abge-

leitete

Größen

Abbildung der Zusammenhänge

Fluss-

größe IM

Potential-

größe Y

Exten-

sum Ex

Primär-

größe X

Intensive

Zustandsgrößen

Abgeleitete

Größen mit

messtech-

nischer

Relevanz

Extensive

Zustandsgrößen

Funktionsgrößen

Ausgang / Wirkungist spaltenweise analog aufgebaut, d.h. an

der Hauptdiagonalen der Matrix gespiegelt

Abbildung 5.13: Berücksichtigung magnetischer Effekte über eine definierte Ausnahme

324 Vgl. Meschede (2015), S. 981. 325 Eine vergleichbare Darstellung zur Berücksichtigung magnetischer Effekte im Rahmen der mehrpolba-

sierten Modellbildung beschreibt auch Grabow (2018), S. 186. Eine physikalische Begründung liefert

Grabow (2018) darüber hinaus nicht.

Page 103: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

88

Aspekte der Wellenlehre, d. h. sowohl materiegebundene als auch nicht materiegebundene

Wellen müssen im Gliederungsteil der Effektmatrix differenziert berücksichtigt werden.

Materiegebundenen Wellen wie bspw. Fluidschall werden im Teilgebiet der Mechanik und

nicht materiegebundenen Wellen wie bspw. Licht im Teilgebiet Elektrizität und Magnetismus

berücksichtigt.

• Materiegebundene Wellen als periodische Zustandsänderungen können je nach Aus-

breitungsmedium (Feststoff oder Fluid) als Körperschall durch Funktionsgrößen des

translatorischen Impulses oder als Fluidschall durch Funktionsgrößen der bilanzie-

rungsfähigen Größe des Volumens abgebildet werden.

Diese Differenzierung basiert auf der Tatsache, dass in Fluiden nur Longitudinalwellen

in Form von Druck- und Dichteschwankungen auftreten und sich ausbreiten. In den

allermeisten Fällen wird zur Quantifizierung des Fluidschalls eine dynamische Feld-

größe, der Schalldruck p, gemessen. Kinematische Größen, wie die Schallschnelle v,

werden hingegen nur selten erfasst.326

Feststoffe hingegen nehmen neben Normalspannungen auch Schubspannungen auf.

Daraus folgt, dass in Festkörpern sowohl Longitudinalwellen als auch Transversalwel-

len unabhängig voneinander auftreten und sich ausbreiten. Im Gegensatz zum Fluid-

schall werden zur Quantifizierung des Körperschalls überwiegend kinematische Grö-

ßen wie Ausschlag (d. h. die relative Verschiebung bzw. Dehnung ε), Schnelle

(Geschwindigkeit v) oder Beschleunigung a gemessen. Dynamische Größen wie Span-

nungen б und Kräfte F werden – wenn benötigt – indirekt aus den Ableitungen kine-

matischer Größen und entsprechender Materialparameter ermittelt.327

• Gekoppelte elektrische und magnetische Felder in Form nicht materiegebundener

elektromagnetischer Wellen, werden im Bereich Elektrizität und Magnetismus über die

Aufführung ihrer charakterisierenden Größen Wellenlänge λ 328 (vgl. Abbildung 5.14)

und Intensität I berücksichtigt.

Abbildung 5.14: Spektrum elektromagnetischer Strahlung329

Der Aufbau und die Gliederung der, gemäß dieses Unterabschnitts konzipierten, Effektmatrix

ist im Anhang C1 in Abbildung C.1 dargestellt.

326 Vgl. Möser und Kropp (2010), S. 521. 327 Vgl. Möser und Kropp (2010), S. 521 ff. 328 Die Wellenlänge λ kann wahlweise auch indirekt mittels der medienabhängigen Phasengeschwindigkeit

cmed über die Frequenz f ausgedrückt werden. Der Zusammenhang wird durch 𝜆 =𝑐𝑚𝑒𝑑

𝑓 hergestellt.

329 Darstellung von Frank et al. (2015) übernommen.

Page 104: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

89

5.3.2 Inhalte der Effektmatrix

Da die Effektmatrix, im Verständnis nach KOLLER (vgl. Unterabschnitt 2.4.1), als Übersichtska-

talog fungiert, stellen der entwickelte Ansatz und der daraus folgende Aufbau der Effektmatrix

das elementare Ergebnis dieses Abschnitts dar. Im Hauptteil der Matrix wird in den aus dem

Gliederungsteil aufgespannten Kreuzungsfeldern zwischen Ursache und Wirkung, die Existenz

eines oder mehrerer physikalischer Effekte verzeichnet (vgl. Abbildung 5.15).

Ursache

Wirkung

...

... ...

...

j

iEffekt(e) n, n+1, ...

Zellenbezeichnung

EffektnummerierungZelle [ i / j ]

Ursache-

Wirkungs-

Betrachtung

Abbildung 5.15: Inhalt der Effektmatrix

In den Kreuzungsfeldern aufgeführte Effektnummern symbolisieren einerseits die Existenz

eines physikalischen Effekts, der den Zusammenhang zwischen der zeilenweise aufgeführten

Ursache und der spaltenweise verzeichneten resultierenden Wirkung beschreibt und dient

andererseits zusammen mit der Zellenbezeichnung als Schnittstelle zum in Abschnitt 5.4 dar-

gestellten Effektkatalog. Dementsprechend wird der prinzipiell darstellbare Inhalt des

Effektkatalogs durch die Gliederung der Effektmatrix vorbestimmt. Der in Abschnitt 5.3.1 dar-

gestellte Ansatz zur Gliederung und zum Aufbau der Effektmatrix ist physikalisch begründet

und im Rahmen der zugrunde gelegten physikalischen Gesetzmäßigkeiten allgemeingültig

und widerspruchsfrei (vgl. siebte und achte Anforderung aus Tabelle 5.1). Die Erweiterungen

besitzen aus physikalischer Sicht ebenfalls allgemeine Gültigkeit und sind sowohl untereinan-

der als auch im Kontext weiterer Effektsammlungen widerspruchsfrei. Ihre Auswahl und Zu-

ordnung geht hingegen auf eigene Erfahrungen sowie Erfahrungen und Ergebnisse anderer

Autoren zurück. Dementsprechend ist insbesondere für diese Bereiche des Gliederungs- und

Hauptteils der Effektmatrix die sechste Anforderung aus Tabelle 5.1 relevant. Es wird gefor-

dert, dass der Aufbau sowohl hinsichtlich der Gliederung als auch der aufgeführten Effekte

flexibel erweiterbar sein muss. Diese Anforderung wird insofern erfüllt, als die Effektmatrix

sowohl im Gliederungs- als auch im Hauptteil der verschiedenen physikalischen Bereiche bei

Bedarf zeilen- und spaltenweise durch abgeleitete Größen mit messtechnischer Relevanz

sowie zugehörigen Gestaltparametern und Effekten erweitert werden kann.

Die verzeichneten physikalischen Abhängigkeiten zwischen einer Ursache und der resultieren-

den Wirkung sind umfangreich erforscht und beschrieben, trotzdem kann eine absolut voll-

ständige Beschreibung aller potentiell auftretenden physikalischen Effekte nicht begründet

gewährleistet werden. Es wird entsprechend gemäß der neunten Anforderung aus Tabelle 5.1

eine möglichst vollständige Aufführung aller potentiell nutzbaren Effekte angestrebt. Die

Basis, um dieses Ziel zu erreichen, bilden die in der Zuordnungsmatrix nach KOLLER und der

Page 105: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

90

Funktionsgrößenmatrix nach ROTH enthaltenen Effekte sowie allgemeine physikalische

Effektsammlungen bspw. nach VON ARDENNE ET AL.330 (vgl. Abschnitt 2.4.1).

5.3.3 Anwendbarkeit der Effektmatrix

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Konzipierung und Entwicklung einer Effektmatrix und

eines zugehörigen Effektkatalogs, um systematisch einen Zusammenhang zwischen einer sys-

temspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Berücksichtigung des in-

dividuellen Systems lösungsneutral herzustellen. Aspekte der Anwendbarkeit spielen hinsicht-

lich der Antizipation einer späteren praktischen Nutzung eine wesentliche Rolle. Allgemein

wird gemäß der zehnten Anforderung (vgl. Tabelle 5.1) durch die abstrakte Betrachtung auf

Ebene physikalischer Effekte die Anwendbarkeit für einen möglichst großen Nutzerkreis und

entsprechend individuell verfolgte Ziele ermöglicht. Der Wunsch nach einem schnellen Zugriff

auf Informationen und eine möglichst bequeme Handhabung (vgl. Tabelle 5.1) wird auf die-

sem Entwicklungsniveau im Wesentlichen durch zwei Aspekte berücksichtigt.

• Die Verknüpfung von physikalischen Effektkatalogen und dem Ansatz der mehrpolba-

sierten Modellbildung ermöglicht eine Strukturierung des individuell betrachteten Sys-

tems und damit ein systematisches Vorgehen sowie einen gezielten Rückgriff auf allge-

meingültig beschriebene Informationen über potentiell nutzbare Zusammenhänge in

Effektkatalogen.

• Es wird eine Anwendung eines zweidimensionalen Übersichtskatalogs (Abschnitt 5.3)

und eines eindimensionalen Detailkatalogs (Abschnitt 5.4) mit strukturiert aufbauen-

dem Informationsgehalt in zwei Schritten ermöglicht, wobei jeweils konsequent hie-

rarchisch strukturierte Gliederungs- und Zugriffsmerkmale verwendet werden. Der

Informationsgehalt der jeweiligen Hauptteile der beiden Kataloge ist hinsichtlich eines

effizienten Zugriffs aufgeteilt und aufeinander abgestimmt.

Als Vorgriff auf Inhalte des Abschnitts 6.1 wird im Rahmen der Konzipierung der Effektmatrix

weiterhin berücksichtigt, dass die Effektmatrix die Identifikation von Unsicherheit strukturiert

unterstützen soll. Da existierende Effektmatrizen im ursprünglichen Sinn eingesetzt werden,

um für eine definierte Funktion einen realisierenden Effekt oder eine Effektkette zu finden,

wird gemäß der adressierten Phase im PE-Prozess (vgl. Abschnitt 2.1.4) eine Einbeziehung

von Unsicherheit, die aus einem bereits existierenden technischen System resultiert, nicht vor-

gesehen. Somit stellt dieser Aspekt eine grundlegende Erweiterung der bisher in der Literatur

dargestellten Verwendung von Effektmatrizen dar.

330 „Effekte der Physik und ihre Anwendungen“, von Ardenne et al. (2005).

Page 106: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

91

5.4 Konzipierung und Entwicklung des Effektkatalogs – Effektsammlung

inklusive Verknüpfung notwendiger Eigenschaften

In Fortführung des in Abschnitt 5.3 eingeführten zweidimensionalen Übersichtskatalogs in

Form einer Effektmatrix wird in diesem Abschnitt die Konzeptionierung und Entwicklung

eines eindimensionalen Detailkatalogs dargestellt (vgl. auch (Unter-)Abschnitt 2.4.1 und 3.2).

Ziel dieses Effektkatalogs ist es, die zur Konzeptionierung messtechnisch nutzbarer Effektketten

relevanten Informationen über die in der Effektmatrix verzeichneten physikalischen Effekte bereit-

zustellen. Von Relevanz ist insbesondere eine Erfassung von bereits auf diesem Abstraktions-

niveau begründet anwendbaren Auswahlkriterien für bestimmte Effekte und die daraus resul-

tierende Möglichkeit zielgerichtet erfolgsversprechende Effektketten zu entwickeln.

Der Aufbau dieses Abschnitts orientiert sich an der Gliederung der in Abschnitt 5.2 in Tabelle

5.1 aufgeführten Anforderungen in die drei Abschnitte „Gliederung und Aufbau der Effektmat-

rix“, „Inhalte und Informationen der Effektmatrix“ sowie Aspekten hinsichtlich der „Anwendung

der Effektmatrix“. Da der Effektkatalog als Detailkatalog fungiert, liegt der Schwerpunkt auf

der begründeten Auswahl der relevanten Inhalte und Informationen des Katalogs.

5.4.1 Aufbau und Gliederung des Effektkatalogs

Der eindimensionale Effektkatalog führt die für den Anwendungszweck relevanten Informati-

onen und Verweise über die in der Effektmatrix verzeichneten physikalischen Zusammen-

hänge systematisch in einer Tabelle auf. Zu diesem Zweck besteht zwischen den beiden Kata-

logen eine Schnittstelle in Form einer durchgängigen und eindeutigen Bezeichnung der ent-

haltenen physikalischen Effekte. Diese ist anhand von (zusammengesetzten) Ordnungsziffern

oder über die wortwörtliche Bezeichnung der Ursache und resultierenden Wirkung bzw. des

physikalischen Effekts umgesetzt (vgl. Abbildung 5.16 und Abbildung 5.17).

1

2

...

A ...B

Ursache

Wirkung

Kraft F

...

Kraft F ...

Geschwindig-

keit v

Geschwindig-

keit v

1. Hebeleffekt

2. Keileffekt

...

Nr.

Nr.

Eff

ektm

atr

ixEff

ekt

kata

log

[1/A] 1. Hebeleffekt

[1/A] 2. Keileffekt

...

Abbildung 5.16: Zusammenhang zwischen Effektmatrix und Effektkatalog

sowie schematischer Aufbau des Effektkatalogs

Page 107: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

92

Da die eingeführte Effektmatrix und der Effektkatalog ein Katalogsystem mit einer gemeinsa-

men Schnittstelle bilden, ist der Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs von der Ef-

fektmatrix (vgl. auch Anhang C1, Abbildung C.1 und Abbildung C.2) abhängig. Die Ordnungs-

ziffer setzt sich aus der Bezeichnung für die betreffende Zelle der Effektmatrix und einer fort-

laufenden Effektnummer zusammen. Die Zelle wird hierbei über ihre Zeilennummer und ihren

Spaltenbuchstaben beschrieben. Die fortlaufende Nummer wird eingesetzt, um mehrere Ef-

fekte innerhalb einer Zelle zu differenzieren und wiederkehrende Effekte (reversible Effekte)

durch dieselbe fortlaufende Nummer kenntlich zu machen. Um die Übersichtlichkeit und An-

wendbarkeit zu erhöhen, werden die bereits implizit in der Spalten- und Zeilenbezeichnung

enthaltenen Informationen über die Ursache x und die Wirkung y(x) zusätzlich aufgeführt. In

der Regel besitzen die in der Effektmatrix verzeichneten Zusammenhänge zwischen Ursache

x und Wirkung y(x) in Form eines physikalischen Effekts eine Bezeichnung. Diese Bezeichnung

ist insbesondere für die Kommunikation außerhalb des Katalogsystems z. B. zu Recherchezwe-

cken notwendig und wird aus diesem Grund ebenfalls aufgeführt. Der beschriebene Aufbau

des Gliederungsteils des Effektkatalogs ist in Abbildung 5.17 dargestellt.

Zeile in Effektmatrix

(Ursache)

Spalte in Effektmatrix

(Wirkung)Effektnummer

OrdnungsnummerUrsache

x

Wirkung

f(x)Effekt

Zeilennummer

(aus Effektmatrix)

Spaltenbuchstabe

(aus Effektmatrix)

fortlaufende

Effektnummer Kraft F Verschiebung s

elastische

Dehnung

Hauptt

eil

Zugriffs

teil

Abbildung 5.17: Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs

am Beispiel der elastischen Dehnung

Die vollständige Gliederung des, gemäß dieses Unterabschnitts konzipierten, Effektkatalogs

ist im Anhang C1 in Abbildung C.2 dargestellt.

5.4.2 Inhalte und Informationen des Effektkatalogs

Die Inhalte und Informationen des Effektkatalogs werden gemäß des in Abbildung 5.16 sche-

matisch dargestellten Aufbaus in Haupt- und Zugriffsteil untergliedert (vgl. Abschnitt 2.4.1).

Hauptteil des Effektkatalogs

Gemäß des in Abbildung 5.16 abgebildeten schematischen Aufbaus des Effektkatalogs werden

im Hauptteil des Katalogs die relevanten Informationen und Verweise zu den physikalischen

Effekten aufgeführt. Die Grundlage zur Auswahl der aufgeführten Informationen schafft der

Prinzipkatalog nach KOLLER (vgl. Abbildung A.2 im Anhang A1). Entsprechend werden, soweit

möglich, zu jedem Effekt eine Skizze, ein Anwendungsbeispiel sowie Verweise auf weiterfüh-

rende Literatur aufgeführt. Angenommene, den jeweiligen Effekt betreffende, Vereinfachun-

gen werden nicht wie im Katalogsystem nach KOLLER in einer separaten Eigenschaftstabelle

verzeichnet, sondern direkt in den Effektkatalog aufgenommen (vgl. Abbildung 5.18).

Page 108: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

93

Skizze Gestalt-

para-

meter

stoff-

liches

Merkmal

geomet-

risches

Merkmal

Zeit

Liter-

aturAusprägung Beispielweiter

Funktions-

größe

getroffene

Verein-

fachungen

Zusammenhang über ...

s

F

l0 Elatizität

bzw.

.Feder-

konstante

Elasti-

zitäts-

modul

Fläche

-

ideal

elastisches

Verhalten-

DMS-

Kraft-

aufnehmer ...

Gliederungste

il

Zugriffs

teil

Kraft

F

Verschiebung s

linear

nicht -linear

Abbildung 5.18: Aufbau des Hauptteils des Effektkatalogs am Beispiel der elastischen Dehnung

Da die nach KOLLER bzw. ROTH angegebenen Gleichungen entweder allgemeingültig und abs-

trakt sind oder einen bestimmten Fall bzw. eine bestimmte Ausprägung des physikalischen

Effekts beschreiben und damit bereits bestimmte Annahmen beinhalten, wird gegenüber dem

ursprünglichen Aufbau nach KOLLER die Spalte „Ausprägung“ hinzugefügt. Diese beschreibt die

prinzipielle(n) Ausprägung(en) des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung qualita-

tiv bspw. in Stichpunkten oder einem Graph (vgl. Abbildung 5.18). Auf diese Weise wird es

dem Nutzer ermöglicht, den grundlegenden Zusammenhang bzw. mögliche Ausprägungen des

Zusammenhangs schnell und intuitiv zu erfassen (vgl. zehnte und elfte Anforderung aus

Tabelle 5.1).

Die wesentliche Erweiterung gegenüber den Inhalten der Hauptteile bestehender Effektkata-

loge liegt in der differenzierten Betrachtung der Größen, die den Zusammenhang zwischen

der Ursache und der Wirkung herstellen. Nach Abschnitt 5.1 und Unterabschnitt 5.3.1 wird

der Zusammenhang zwischen einer ursächlichen Funktionsgröße und einer resultierenden

Wirkung über Gestaltparameter und/oder einen zeitlichen Zusammenhang hergestellt.

Gestaltparameter setzten sich aus stofflichen und/oder geometrischen Eigenschaften der

betrachteten Komponente zusammen. Da diese Eigenschaften im Effektkatalog nicht in Form

einer Ausprägung quantifiziert sind, werden sie als Merkmale bezeichnet. Die Aufführung von

sowohl übergeordneten Gestaltparametern als auch stofflichen und geometrischen Merkmalen

ist konsistent zur Effektmatrix (vgl. Unterabschnitt 5.3.1) und wird über den vom Anwenden-

den gewählten Abstraktionsgrad in der Betrachtung des Zusammenhangs begründet. Darüber

hinaus können weitere Funktionsgrößen (passiv) an einem Ursache-Wirkung-Zusammenhang

beteiligt sein. Ein entsprechendes Beispiel stellt die Lorentzkraft331 dar:

�� = 𝑄 �� × �� . ( 5.2 )

Die Gleichung 5.2 beschreibt die Kraft ��, welche auf eine sich in einem magnetischen Feld

(magnetische Flussdichte ��) mit der Geschwindigkeit �� bewegende Ladung Q wirkt. Gemäß

dem beispielhaft dargestellten Zusammenhang, kann je nach Betrachtungsweise sowohl die

Geschwindigkeit �� als auch die magnetische Flussdichte �� als Ursache für die wirkende Lor-

entzkraft �� aufgefasst werden. Je nach Festlegung des betrachten Ursache-Wirkung-

Zusammenhangs in der Effektmatrix, wird die weitere an dem physikalischen Zusammenhang

beteiligte Funktionsgröße im Hauptteil des Effektkatalogs aufgeführt. Die dargestellten Erwei-

331 Vgl. Meschede (2015), S. 367.

Page 109: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

94

terungen werden gemäß Abbildung 5.18 in der Rubrik „Zusammenhang über…“ zusammen-

gefasst.

Die vorgestellte inhaltliche Erweiterung des Effektkatalogs ist für den angestrebten Verwen-

dungszweck aus zwei Gründen sinnvoll bzw. notwendig:

• Durch die differenzierte Aufführung der Größen, die den Zusammenhang zwischen

Ursache und Wirkung herstellen wird offensichtlich welche Abhängigkeiten bestehen

und welche Größen bekannt sein müssen, um über den betrachteten Effekt einen mess-

technisch nutzbaren, eindeutigen Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung her-

stellen zu können.

• Insbesondere funktionsrelevante Gestaltparameter sind bspw. auf dem Gebiet des

Condition Monitorings von Interesse, können aber gemäß Abschnitt 5.3.1 nicht als Ein-

gangsgrößen in der Effektmatrix verwendet werden. Gestaltparameter werden im

Gegensatz zu Funktionsgrößen nicht gewandelt oder umgeformt. Sie stellen den

Zusammenhang zwischen Funktionsgrößen her und nehmen somit Einfluss auf den

Zusammenhang zwischen Ursache und hervorgerufener Wirkung.

Über die Erfassung der Ursache und Wirkung eines physikalischen Effekts kann auf den

(veränderten) Zusammenhang und damit auf die (zeitliche) Änderung beteiligter

Gestaltparameter geschlossen werden. Von Interesse sind folglich alle physikalischen

Zusammenhänge in denen der gesuchte Gestaltparameter auftritt, da so potentiell

beeinflusste Zusammenhänge zwischen Funktionsgrößen identifiziert werden können.

Ausgehend von einem initialen Zusammenhang zwischen dem gesuchten Gestaltpara-

meter und einer Wirkung in Form einer Funktionsgröße kann das bereits beschriebene

Vorgehen zum Aufbau von Effektketten mittels der in Abschnitt 5.3 eingeführten

Effektmatrix angewendete werden.

Um mittels der Effektmatrix einen Zusammenhang zwischen einem zu erfassenden

Gestaltparameter und potentiellen Messgrößen herstellen zu können, ist folglich ein

Zwischenschritt notwendig. In diesem Zwischenschritt wird die vorgestellte Erweite-

rung des Effektkatalogs zur Gliederung des Katalogs genutzt. Eine Filterung des Effektka-

talogs nach dem gesuchten Gestaltparameter in der Rubrik „Zusammenhang über …“

führt auf Funktionsgrößen bzw. physikalische Effekte, die potentiell zur Bestimmung

des Gestaltparameters nutzbar sind. Diese können anschließend in der Effektmatrix als

Eingangsgrößen eingesetzt werden. Das prinzipielle Vorgehen ist in Abbildung 5.19

visualisiert.

Skizze Gestalt-

para-

meter

stoff-

liches

Merkmal

geomet-

risches

Merkmal

Zeit

Liter-

aturAusprägung Beispielweiter

Funktions-

größe

getroffene

Verein-

fachungen

Zusammenhang über ...

Gliederungste

il

Zugriffs

teil

Abbildung 5.19: Gliederung des Effektkatalogs über Gestaltparameter

bzw. stoffliche und geometrische Merkmale

Page 110: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

95

Zugriffsteil des Effektkatalogs

Ziel des Zugriffsteils ist es, dem Anwendenden eine Vorauswahl der potentiell nutzbaren phy-

sikalischen Effekte zu ermöglichen (vgl. fünfte Anforderung aus Tabelle 5.1). Um einen

Abgleich zwischen Anforderungen und Randbedingungen der einzelnen Effekte und dem

individuell betrachteten technischen System zu ermöglichen, werden aus effektspezifischen

Anforderungen und Randbedingungen notwendige Eigenschaften des technischen Systems abge-

leitet und aufgeführt. Dieser Schritt wird über die in Abschnitt 2.1.2 beschriebene Feststellung

nach PAHL & BEITZ begründet, dass sich die notwendigen Voraussetzungen eines technischen Sys-

tems zur Realisierung eines physikalischen Effekts über die geometrischen, stofflichen und kine-

matischen Eigenschaften des technischen Systems beschreiben lassen. Um den angestrebten

Abgleich systematisch und automatisierbar durchführen zu können, werden allgemeingültige

Eigenschaften definiert, welche möglichst eine hierarchische Struktur aufweisen. Den Aus-

gangspunkt bildet die Differenzierung zwischen geometrischen, stofflichen und kinematischen

Eigenschaften eines technischen Systems.332

Geometrische Eigenschaften lassen sich allgemeingültig kategorisieren, nach PAHL & BEITZ bspw.

in die Merkmale Art, Form, Lage, Größe und Zahl sowie entsprechend zugehörigen Ausprägun-

gen.333 Da grundsätzliche physikalische Effekte allerdings nicht von einer definierten Geomet-

rie abhängen, wird festgestellt, dass anhand eines solchen allgemeingültigen Charakterisie-

rungsansatzes eine Festlegung von notwendigen geometrischen Eigenschaften für physikali-

sche Effekte nicht zielführend möglich ist. Da jedes materielle Objekt über geometrische

Eigenschaften verfügt, eine Beschreibung dieser aber nicht allgemeingültig in einen Zusam-

menhang mit den Anforderungen und Randbedingungen physikalischer Effekte gebracht

werden kann, werden im Folgenden die geometrischen Eigenschaften nicht weiter in den

Effektkatalog einbezogen. Vorliegende Informationen über geometrische Eigenschaften des

technischen Systems bieten davon unabhängig Potentiale, zusätzlich zu den in dieser Arbeit

eingeführten Ansätzen individuell eingesetzt zu werden. Insbesondere vor dem Hintergrund

der primären Funktionserfüllung durch funktionsrelevante Gestaltparameter sowie Bauraum-

beschränkungen sind die geometrischen Eigenschaften des Ausgangssystems zwingend indivi-

duell zu berücksichtigen.

Zur systematischen Vorauswahl potentiell nutzbarer physikalischer Effekte werden die stoffli-

chen und kinematischen Eigenschaften herangezogen. Stoffliche Eigenschaften können, auf die

jeweils betrachtete Komponente des technischen Systems bezogen, isoliert betrachtet werden.

Kinematische Eigenschaften hingegen benötigen immer einen zeitlichen und/oder räumliche

Bezug334 und können dementsprechend nur auf Systemebene betrachtet werden. Aus dieser

Tatsache folgt die Differenzierung der im Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaf-

ten in komponentenabhängige und systemabhängige Eigenschaften (vgl. Abbildung 5.20).

332 Weiterführend wird darauf hingewiesen, dass sich ROTH ausführlich mit Zugriffs- und Gliederungsmerk-

malen für Kataloge auseinandersetzt und eine Sammlung entsprechender Merkmale in Roth (1982), S.

64 ff. präsentiert. 333 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 149. 334 Vgl. Baehr (1974), S. 51.

Page 111: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

96

Komponentenabhängige Eigenschaften

[ geometrische Eigenschaften ]

Notwendige Eigenschaften eines technischen Systems

gemäß effektspezifischer Anforderungen und Randbedingungen

stoffliche Eigenschaften kinematische Eigenschaften

Systemabhängige Eigenschaften

Eigensch

aft

en

eines

tec

hnisch

en

Syste

ms n

ach

Pahl & B

eitz

1.) Allgemeine stoffliche Eigenschaften:

Merkmal:

Aggregatzustand

Ausprägungen:

fest

flüssig

gasförmig

2.) Anwendungsspezifische stoffliche

Merkmale:

Merkmal(e):

Effektkatalog -

Kategorie

Zusammenhang über

- Rubrik stoffliches

Merkmal

Ausprägungen:

Individuell prüfen ob

das jeweilige Merkmal

in einer nutzbaren

Ausprägung vorliegt

1.) Allgemeine kinematische Eigenschaften:

Merkmal:

Bewegungsart

Ausprägungen:

ruhend

translatorisch

rotatorisch

2.) Anwendungsspezifische

Randbedingungen:

Merkmal(e):

Effektkatalog -

Kategorie

Zusammenhang über

- Rubrik weitere

Funktionsgrößen

Ausprägungen:

Individuell prüfen ob die

entsprechende

Funktionsgröße in einer

nutzbaren Ausprägung

vorliegt

Ausprägungen:

gleichförmig

ungleichförmig

oszil lierend

Merkmal:

Bewegungsform

Zusammenhang über...

Gestalt-

parameter

weitere

Funktions-

größe

Zeit

geo-

metrisches

Merkmal

stoffliches

Merkmal

Zusammenhang über...

Gestalt-

parameter

weitere

Funktions-

größe

Zeit

geo-

metrisches

Merkmal

stoffliches

Merkmal

Abbildung 5.20: Gliederung notwendiger Eigenschaften des technischen Systems

resultierend aus effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen im Zugriffsteil

Als komponentenabhängige Eigenschaften werden in einem ersten Schritt allgemeine und in

einem zweiten Schritt anwendungsindividuelle stofflichen Eigenschaften der jeweiligen Kom-

ponente betrachtet. Zur allgemeingültigen Differenzierung wird der Aggregatzustand (fest,

flüssig, gasförmig) herangezogen (vgl. Abbildung 5.20). Aufbauend werden die im Hauptteil

in der Kategorie „Zusammenhang über…“ in der Rubrik „stoffliches Merkmal“ aufgeführten

Merkmale übernommen. Es ist anwendungsfallspezifisch zu prüfen, ob das entsprechende

stoffliche Merkmal in einer nutzbaren Ausprägung vorliegt.

Als systemabhängige Eigenschaften werden im ersten Schritt allgemeingültige kinematische

Merkmale der Komponente in Relation zum technischen System betrachtet. Hierzu werden

nach PAHL & BEITZ die Art und Form der Bewegung herangezogen.335 Mögliche Ausprägungen

der genannten Merkmale sind ruhend, translatorisch oder rotatorisch sowie gleichförmig,

ungleichförmig und oszillierend (vgl. Abbildung 5.20). Im zweiten Schritt werden die im Haupt-

teil in der Kategorie „Zusammenhang über…“ in der Rubrik „weitere Funktionsgrößen“ aufge-

335 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 149.

Page 112: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

97

führten Funktionsgrößen betrachtet. Es ist anwendungsindividuell zu prüfen, ob die entspre-

chende Funktionsgröße im betrachten System in einer nutzbaren Ausprägung vorliegt.

Allgemein können darüber hinaus die im Effektkatalog in den Spalten „getroffene Annahmen“

und „Ausprägung des Effekts“ effektindividuell aufgeführten Informationen zur Vorauswahl der

potentiell nutzbaren physikalischen Effekte herangezogen werden.

Komponentenabhängige

(stoffliche) Eigenschaften

Notwendige Eigenschaften eines technischen SystemsGliederungste

ilSystemabhängige

(kinematische) Eigenschaften

Merkmal Ausprägung Merkmal Ausprägung

Hauptt

eil

Abbildung 5.21: Aufbau des Zugriffsteils des Effektkatalogs

Ziel des beschriebenen und in Abbildung 5.21 dargestellten Zugriffsteils ist es, die Möglichkeit

der Selektion bzw. Vorauswahl potentieller Effekte anhand eines Abgleichs zwischen notwen-

digen Eigenschaften der betrachteten Komponente bzw. des Systems aus Effektsicht und vor-

liegenden bzw. herstellbaren Eigenschaften zu schaffen. Hierbei wird explizit darauf hingewie-

sen, dass gegenwärtig bestehende Eigenschaften einer Komponente potentiell verändert wer-

den können, um bestimmte physikalische Effekt zu ermöglichen. Insbesondere stoffliche

Eigenschaften weisen dieses Potential auf, solange die funktionsrelevanten Eigenschaften

nicht negativ beeinflusst werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit eines Austauschs oder

einer lokalen Modifikation der betrachteten Komponente. Da kinematische Eigenschaften in

der Regel unmittelbar funktionsrelevant sind, bieten sie dieses Änderungspotential gewöhn-

lich nicht.

Eine Unverträglichkeit zwischen den Eigenschaften des technischen Systems und notwendigen

Eigenschaften aus der Perspektive eines potentiellen physikalischen Effekts führt zum Aus-

schluss des jeweiligen Effekts.

5.4.3 Anwendbarkeit des Effektkatalogs

Der Fokus des Abschnitts 5.4 liegt auf der Konzipierung und Entwicklung eines Effektkatalogs,

welcher gemeinsam mit der in Abschnitt 5.3 eingeführten Effektmatrix ein Katalogsystem bil-

det. In diesem Rahmen ist es das primäre Ziel des Effektkatalogs, die zur Konzeptionierung

messtechnisch nutzbarer Effektketten relevanten Informationen über die in der Effektmatrix

verzeichneten physikalischen Effekte im Hauptteil bereitzustellen. Weiterhin ist ein effizienter

Zugriff auf diese Informationen über den Zugriffsteil zu ermöglichen. Die Anwendbarkeit wird

hierbei durch eine Antizipation einer späteren praktischen Nutzung sowie einer potentiellen

(Teil-) Automatisierung des Vorgehens bspw. in einem Online-Tool einbezogen. Durch die zur

Effektmatrix konsistente Betrachtung der Zusammenhänge auf dem Abstraktionsniveau phy-

sikalischer Effekte, wird die Allgemeingültigkeit und Anwendbarkeit für einen möglichst gro-

ßen Nutzerkreis ermöglicht (vgl. zehnte Anforderung aus Tabelle 5.1). Dem Wunsch nach

einem schnellen bzw. effizienten Zugriff auf die aufgeführten Informationen gemäß der elften

Anforderung aus Tabelle 5.1 wird über die Einführung eines Zugriffsteils im Effektkatalog

begegnet.

Page 113: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

98

5.5 Anwendung des Katalogsystems –

Erfassung der Dehnung von Zugträgern in einem Zahnriemen

Im folgenden Abschnitt wird das Katalogsystem beispielhaft eingesetzt, um Zusammenhänge

zwischen der Dehnung eines Zahnriemens bzw. dessen Zugträgern und potentiellen Messgrößen

zur Quantifizierung dieser Dehnung herzustellen.

5.5.1 Grundlagen zum Zahnriemen(-trieb)

Zur bewegungstreuen Übertragung von Antriebsmomenten werden Zahnriemen bzw. Zahn-

riemengetriebe als Zugmitteltriebe im industriellen Umfeld in verschiedensten Anwendungen

eingesetzt. Neben der Bewegungstreue, stellen die vergleichsweise geringe Masse/Trägheit

und Einsetzbarkeit in einem breiten Drehzahlbereich, die verhältnismäßig kostengünstige

Überbrückung größerer Wellenabstände sowie der schmierungsfreie und mit geringem War-

tungsaufwand verbundene Betrieb wesentliche Vorteile einer Kraftübertragung mittels eines

Zahnriementriebs dar.336

Im einfachsten Aufbau besteht ein Zahnriementrieb aus einer treibenden und einer getriebe-

nen Riemenscheibe sowie dem eigentlichen Zahnriemen. Um die notwendige Vorspannkraft

des Zahnriemens zu erzeugen, ist in diesem Fall eine Verschiebung des An- bzw. Abtriebs

notwendig. Da eine solche Verschiebung des An- bzw. Abtriebs in vielen technischen Anwen-

dungen nicht sinnvoll und/oder möglich ist, wird häufig ein separates Spannelement ohne An-

bzw. Abtriebsfunktion in Form einer Spannrolle eingesetzt (vgl. Abbildung 5.22).

Antriebsscheibe AbtriebsscheibeSpannrolleZahnriemen

Abbildung 5.22: Beispielhafter Aufbau eines Zahnriementriebs bestehend aus Antrieb, Abtrieb,

Spannrolle und dem eigentlichen Zahnriemen

Da die Zähne des Zahnriemens formschlüssig in die Riemenscheibe greifen, ist die Überein-

stimmung zwischen der Riementeilung und der Scheibenteilung (vgl. Abbildung 5.23) eine

wesentliche Voraussetzung für den korrekten Betrieb eines Zahnriementriebs. Im Betrieb tritt

durch die sich überlagernde Beanspruchung des Zahnriemens, infolge der notwendigen Vor-

spannkraft FV und der übertragenen Last, eine Dehnung des Zahnriemens auf. Da sich als

Konsequenz die Riementeilung gegenüber dem unbelasteten Zustand verändert, wird die Be-

lastbarkeit eines Zahnriemens im Betrieb im Wesentlichen über die Riemensteifigkeit limitiert.

336 Vgl. Kirchner (2020a), S. 554 sowie Perneder (2009), S. 3 f.

Page 114: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

99

Teilung

Profil

Abtriebs-

scheibe

Antriebs-

scheibe

Abbildung 5.23: Aufbau eines Zahnriementriebs337

Der Aufbau eines Zahnriemens setzt sich aus einem Basiswerkstoff und darin eingebetteten

längsstabilen Zugträgern (vgl. Abbildung 5.24) zusammen. Der im Folgenden exemplarisch

betrachtete Zahnriemen enthält Stahlseile als Zugträger, welche in eine Matrix aus

Polyurethan (PU) eingebettet sind. Die Betriebskraft wird mittels der Zahnscheiben über die

PU-Matrix in den Riemen eingeleitet. Im Last- bzw. Leertrum wird die Kraft überwiegend

durch die Zugträger geleitet.

Zugträger

(Stahlseile)

Basiswerkstoff

(Polyurethan)

Abbildung 5.24: Exemplarischer Aufbau eines Zahnriemens338

Über die Betriebszeit hinweg tritt eine Reduktion der Steifigkeit des gesamten Zahnriemens

auf. Übersteigt die aus der Gesamtdehnung des Zahnriemens resultierende Teilungsdifferenz

zwischen Riemen- und Scheibenprofil das Lückenspiel, nehmen die Eingriffsbeanspruchungen

stark zu und es kann zum Aufsteigen und Überspringen des Riemens kommen. Um dies im

Betrieb zu verhindern, ist es von Interesse, unzulässig große Dehnungen eines Zahnriemens im

Betrieb zu erkennen und frühzeitig einen Austausch des Riemens oder ggf. eine Lastreduktion

vorzunehmen.

5.5.2 Ziel und Umfang der beispielhaften Betrachtung

Ziel des Beispiels ist es, gemäß der im Abschnitt 5.3 vorgestellten Effektmatrix und dem zuge-

hörigen Effektkatalog (vgl. Abschnitt 5.4) systematisch einen Zusammenhang zwischen der

Dehnung ε der Zugträger und potentiellen Messgrößen zur Erfassung und Quantifizierung dieser

337 Eigene Darstellung, nach Nagel (2008), S. 13. 338 Eigene Darstellung, nach Nagel (2008), S. 28.

Page 115: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

100

Dehnung herzustellen. Hierzu ist neben dem entwickelten Katalogsystem die Entwicklung

eines prinzipiellen Vorgehens zur Anwendung des Katalogsystems notwendig. Der maximale

Betrachtungsumfang umfasst gemäß Abbildung 5.25 den Zahnriemen, die treibende und die

getriebene Riemenscheibe sowie eine Spannrolle (vgl. Abbildung 5.22).

treibende

Zahnscheibe

getriebene

Zahnscheibe

Zahnriemen

Systemgrenze

PU-Matrix

Zugträger

Spannrolle

Abbildung 5.25: Darstellung des maximalen Betrachtungsumfangs im Rahmen des Beispiels in

Form eines strukturalen Systemmodells

Allgemein muss die Detailtiefe der Betrachtung an die Anforderungen und Randbedingungen

der Entwicklungsaufgabe angepasst werden. Komponenten, die nicht beeinflusst werden kön-

nen, werden bspw. weniger detailliert dargestellt als beeinflussbare Komponenten. Da das

betrachtete Beispiel aus einem Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO Antriebstechnik

Breher GmbH & Co. KG (kurz: BRECO) zur Entwicklung eines sensorintegrierenden Zahnrie-

mens stammt, wird der Zahnriemen in sich auch als beeinflussbare Komponente betrachtet.

Da die Zugträger und die umgebende PU-Matrix des Zahnriemens signifikant unterschiedliche

physikalische Eigenschaften aufweisen, wird in der folgenden Modellierung weiterhin zwi-

schen PU-Matrix und Zugträger differenziert (vgl. Abbildung 5.25). Dabei gilt es zu beachten,

dass die Zugträger im Inneren der PU-Matrix eingebettet sind. Aufgrund der geometrischen

Kopplung der Zugträger und der PU-Matrix treten diese im technischen System als ein Element

in Form des Zahnriemens auf.

5.5.3 Potentielle Messgrößen zur Erfassung der Dehnung von Zugträgern

Um einen nutzbaren Zusammenhang zwischen der Dehnung der Zugträger des Zahnriemens

und potentiellen Messgrößen herzustellen, ergeben sich zwei prinzipielle Freiheitsgrade:

• Zum einen können ausgehend von den Zugträgern die weiteren Komponenten inner-

halb des Betrachtungsumfangs gemäß Abbildung 5.25 als potentielle Messorte in

Betracht gezogen werden und

• zum anderen kann die Anzahl der in Betracht gezogenen Wandlungen innerhalb einer

betrachteten Komponente variiert werden.339

Abbildung 5.26 verdeutlicht die beiden Optionen ausgehend von den Zugträgern als initialem

Auftretensort der zu erfassenden Dehnung ε.

339 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2018), S. 6 ff.

Page 116: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

101

Zahn-

riemen

Energieaustausch zwischen den Komponenten

des Systems über Fluss- und Potentialgrößen

Zugträger

Potentielle

Messgrößen

Ziel:

Quantifizierung der

Dehnung der Zugträger

Wandeln & Umformen

physikalischer Größen

treibende

Zahnscheibe

Einsatz (kommerziell) verfügbarer Sensorik / Messtechnik

(Erfassung der Messgröße(n) und Verarbeitung der Daten zu einer Information)

Dehnung

ε

...

...

getriebene

Zahnscheibe

Riemen-

körper

Spannrolle

Abbildung 5.26: Ansätze zur Ableitung potentieller Messgrößen am Beispiel des

Zahnriementriebs ausgehend von der Dehnung der Zugträger

Die Anzahl der einbezogenen Wandlungen wird über die Anzahl der Iterationen in der

Ursache-Wirkung-Betrachtung (vgl. Abbildung 5.27) in der Effektmatrix bestimmt. Ein allge-

meingültiges Vorgehen bzgl. der beiden aufgezeigten Freiheitsgrade lässt sich nicht begründet

festlegen. Je nach Anforderungen und Randbedingungen muss individuell ein zweckmäßiges

Vorgehen vom Anwendenden gewählt werden. Im Rahmen des Beispiels soll explizit die

Anwendung des Katalogsystems verdeutlicht werden. Die Zugträger, als initialer Auftretensort

der Dehnung ε, werden entsprechend als potentieller Messort betrachtet. Ausgehend von der zu

erfassenden Dehnung ε werden weiterhin initial zwei Wandlungen betrachtet.

Die zu erfassende Dehnung ε ist, gemäß des in Unterabschnitt 5.3.1 beschriebenen und in

Abbildung 5.12 dargestellten Aufbaus der Effektmatrix, im Teilgebiet der Mechanik unter der

bilanzierungsfähigen Größe des translatorischen Impulses p als eine aus der Verschiebung s

abgeleitete physikalische Größe aufgeführt. Ausgehend von der Betrachtung der zu erfassen-

den Größe als Eingangsgröße der entwickelten Effektmatrix (Ursache), ist es unmittelbar mög-

lich, zeilenweise potentielle Wirkungen zu identifizieren. Hierzu stehen die einzelnen Einträge

in der betrachteten Zeile jeweils im Kreuzungsfeld zur potentiellen Wirkung, dem Ausgang

der Effektmatrix (vgl. Abbildung 5.27). Im jeweiligen Kreuzungsfeld ist der bzw. sind die phy-

sikalische(n) Effekt(e) verzeichnet, die einen Zusammenhang zwischen der Dehnung ε und

möglichen (Aus-)Wirkungen, d. h. potentiellen Messgrößen herstellen.

Page 117: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

102

Ursache

Wirkung

...

... ...

...

j

iEffekt(e) n, n+1, ...

Iteration der (initialen) Ursache-Wirkungs-Betrachtung

Erfasste Wirkungen werden im nächsten Iterationsschritt

als Ursachen erneut betrachtet

Zelle [ i / j ]

Abbildung 5.27: Vorgehen zur [Iteration einer (initialen)] Ursache-Wirkung-Betrachtung

Der eindimensionale Effektkatalog, gemäß Abschnitt 5.4, stellt aufbauend die zur Konzeptio-

nierung messtechnisch nutzbarer Effektketten relevanten Informationen über die verzeichne-

ten physikalischen Effekte bereit. Weiterhin wird, mittels des im Effektkatalog enthaltenen

Zugriffsteils, eine Selektion bzw. Vorauswahl potentieller Effekte ermöglicht. Diese basiert auf

einem Abgleich zwischen notwendigen Eigenschaften der betrachteten Komponente bzw. des

Systems aus Effektsicht und vorliegenden bzw. herstellbaren Eigenschaften der Komponente

bzw. des Systems (vgl. Unterabschnitt 5.4.2).

Die zu erfassende Dehnung ε kann sich gemäß Unterabschnitt 5.3.1 sowohl auf weitere Funk-

tionsgrößen, als auch auf Gestaltparameter auswirken:

• Im Fall einer auftretenden elastischen Dehnung εelastisch stellt bspw. das Hooke’sche

Gesetz einen Zusammenhang zu einer Kraft F her, d. h. zu einer weiteren Funktions-

größen.

Eine mögliche messtechnische Nutzung dieses Falls stellt die Erfassung der Abnahme

der Vorspannkraft FV im Zahnriemen in einem wegvorgespannten Aufbau (feste Spann-

rolle) dar. Messgeräte zur Bestimmung der Vorspannkraft FV im Zahnriemen sind in

verschiedensten Ausführungen kommerziell verfügbar.

• Die Dehnung ε ist definiert als Quotient aus der Längenänderung bzw. Verschiebung

s und der Ausgangslänge l0. Die sich einstellende Länge l = l0 + s stellt eine Änderung

der geometrischen Eigenschaft des Riemens (Gestaltparameter) dar.

In diesem Fall stellt die Messung der sich einstellenden resultierenden Länge l eine

Möglichkeit zur Bestimmung der Verschiebung s dar.340 Eine Anwendung dieses Falls

stellt die Verwendung von (Verschleiß-) Lehren dar.

Insbesondere für die Betrachtung der erfassten Auswirkungen als Ursachen im nächsten Itera-

tionsschritt, ist diese Differenzierung zu beachten. Funktionsgrößen können in diesem Zusam-

menhang gemäß Abbildung 5.27 unmittelbar wieder als Ursachen in der Effektmatrix betrach-

tet werden. Die identifizierten Gestaltparameter müssen zur erneuten Betrachtung gemäß

340 Es wird die Kenntnis über die Ausgangslänge l0 vorausgesetzt.

Page 118: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

103

Unterabschnitt 5.4.2 in einem Zwischenschritt erst mit nutzbaren Funktionsgrößen bzw. phy-

sikalischer Effekte verknüpft werden, welche von der Änderung des Gestaltparameters beein-

flusst werden. Hierzu wird die in Unterabschnitt 5.4.2 vorgestellte Erweiterung des Effektka-

talogs zur Gliederung des Katalogs eingesetzt. Eine Filterung des Effektkatalogs nach dem

betreffenden Gestaltparameter in der Rubrik „Zusammenhang über …“ führt auf potentiell

nutzbare Funktionsgrößen bzw. physikalische Effekte (vgl. Abbildung 5.19). Diese können

anschließend in der Effektmatrix als Eingangsgrößen (Ursache) für eine erneute Betrachtung

eingesetzt werden.

Ein Ausschnitt der auf diese Weise identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung der

Dehnung von Zugträgern ist in Abbildung 5.28 dargestellt.

treibende

Zahnscheibe

Zahnriemen

Komponenten

des Systems Zu erfassende

Zustandsgröße

Potentielle Messgrößen

Dehnung

ε

Riemen-

körper

Zugträger

getriebenen

Zahnscheibe

Flussgröße

(Einpunktgröße )

Extensum

(Zweipunktgröße )

Geometrisches

Merkmal

Definition der

Dehnung

Definition der

Dehnung

Querkon -

traktion

Elastische

Dehnung

(Hooke 'sches

Gesetz )

...

Eigenfrequenz

Permeabilität

µ

...

Längskraft (im

Lasttrum) FL

Verschiebung

s

Länge

l

......

...

...

Zeit

Gestalt-

parameter

*Gestaltparameter ergeben sich aus geometrischen und stofflichen Merkmalen eines Objekts . Entsprechend wirkt

sich eine Beeinflussung eines geometrischen oder stofflichen Merkmals indirekt auf Gestaltparameter aus .

Saiten-

gleichung

Magnetoelas-

tischer Effekt

...

...

...

...

...

Querschnitts -

fläche A

el. Widerstand R

Reluktanz Rm

Induktivität L

...

Erste

Ite

ration d

es V

orgehens

Zw

eite W

andlu

ng

Legende :

*

Erste

Wandlu

ng

Abbildung 5.28: Ausschnitt der identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung der

Dehnung der Zugträger im betrachteten Zahnriemen341

341 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Vorwerk-Handing et al. (2019), S. 5.

Hinweis des Autors: Die exemplarisch aufgeführten Effekte und potentiellen Messgrößen gehen auf Asan

(2019) zurück. Eine vollständige Auflistung aller erfassten Effekte, sowohl vor als auch nach einer

Vorauswahl, kann Asan (2019) S. 45 ff. entnommen werden.

Page 119: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

104

In dem in Unterabschnitt 5.5.2 genannten Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO wird

eine Erfassung der Eigenfrequenz fλ ohne externe Anregung anhand der auftretenden Betriebs-

schwingungen angestrebt. Eine Übersicht über die genutzte Effektkette ist in Abbildung 5.29

gegeben.

Elastische Dehnung

FL ~ εSaitengleichung

fλ ~ FLLängskraft (im

Lasttrum ) FL

Einsatz (kommerziell)

verfügbarer Sensorik /

Messtechnik zur

Erfassung der

Eigenfrequenz fλ und

Verarbeitung der Daten

zu einer Information

potentielle

Messgröße

Zu erfassende

Zustandsgröße

Dehnung

ε Eigenfrequenz

Abbildung 5.29: Effektkette des Messkonzepts des „Intelligenten Zahnriemens“

Um die identifizierte Effektkette praktisch nutzbar zu machen, wurde ein Sensorknoten ent-

wickelt, der es ermöglicht, die auftretenden Beschleunigungen zu erfassen und drahtlos an

einen Empfänger zu senden.342 Auf Basis der Messdaten wird eine Information über die Trans-

versalschwingungen des Zahnriemens gewonnen und daraus die Eigenfrequenzen des Zahn-

riemens abgeleitet.343 Der Sensorknoten inkl. Bluetooth-Sender sowie ein Li-Polymer-Akku zur

Energieversorgung wurden wie in Abbildung 5.30 dargestellt in zwei benachbarte Zähne des

Zahnriemens integriert.344

Sensorknoten inkl.

Bluetooth-Sender

Li-Polymer-Akku

Zahnriemen

Abbildung 5.30: Intelligenter Zahnriemen345

Weitere erfasste, in Abbildung 5.28 ausschnittsweise aufgezeigte, potentielle Messgrößen, bie-

ten darüber hinaus Ansatzpunkte für die Entwicklung alternativer Lösungen. Übliche Messme-

thoden zur Bestimmung der Vorspannkraft von Zahnriemen nutzen gegenwärtig den Zusam-

menhang zwischen Vorspannkraft FV und Eigenfrequenz fλ eines schwingenden Trums.346 In

artverwandten Anwendungen wie z. B. Fördergurten werden bereits Sensorlösungen einge-

setzt, die auf magnetischen Eigenschaften des Fördergurts basieren.347

342 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 2. 343 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 3. 344 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 3 f. 345 Eigene Darstellung, nach Vorwerk-Handing et al. (2020a), S. 10 bzw. Großkurth und Martin (2019), S. 4. 346 Vgl. Perneder (2009), S. 101 f. 347 Vgl. Continental AG (2017).

Page 120: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

105

6 Unsicherheitsbetrachtung – Abschätzung der Funktionsfähigkeit

entwickelter Effektketten

Bestehende Katalogsysteme, bspw. nach KOLLER und ROTH, sind vor dem Hintergrund der

Funktionsrealisierung durch physikalische Effekte für die Entwicklungsphase von Lösungsprin-

zipien bzw. prinzipiellen Lösungskonzepten entwickelt worden (vgl. Unterabschnitt 2.1.4 und

2.4.1). Entsprechend finden Umgebungs- und Randbedingungen in Form einer Gestalt (Eigen-

schaften) und Störgrößen bisher keine Berücksichtigung. Da im Kontext der angestrebten Ver-

wendung des entwickelten Katalogsystems Informationen über das betrachtete (bestehende)

technische System vorliegen bzw. gewonnen werden können, ist es sinnvoll, diese Informati-

onen einzubeziehen. Umgesetzt wird dies, indem die Ein- und Auswirkungen von Umgebungs-

und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten und damit die prinzipielle Funktions-

fähigkeit entwickelter Konzepte frühzeitig geprüft werden. Dem allgemeinen Bestreben nach

Frontloading in der Produktentwicklung entsprechend, wird auf diese Weise eine Auswahl

ermöglicht, in der nicht erfolgsversprechende Effektketten bzw. Konzepte ggf. frühzeitig

begründet abgebrochen werden können.

Die Inhalte dieses Kapitels bauen auf den in Abschnitt 2.3 zusammengefassten Grundlagen zu

Unsicherheit aus Sicht der Produktentwicklung und Messtechnik auf. Es wird dargestellt, wie

durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und

Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung,

die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzeitig geprüft werden kann

(vgl. 1. Forschungsfrage – Abschnitt 4.3). Das Ziel gemäß Abschnitt 4.2 ist es, die prinzipielle

Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten zu prüfen und begründet nicht erfolgsverspre-

chende Effektketten frühzeitig abzubrechen. Hierzu wird in Abschnitt 6.1 dargestellt, welche

bestehenden Methoden zur Erfassung von Unsicherheit zur Identifikation der Ein- und Aus-

wirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten einge-

setzt werden können (vgl. Forschungsfrage 2 a) – Abschnitt 4.3). Aufbauend wird in Abschnitt

6.2 die Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit in Form einer Beurteilung und

Ansätzen zur Beherrschung beschrieben (vgl. Forschungsfrage 2 b) und c) – Abschnitt 4.3). In

den einzelnen Abschnitten wird die in Unterabschnitt 5.5.3 beschriebene Effektkette im Mess-

konzept des „Intelligenten Zahnriemens“ (vgl. Abbildung 5.29) aufgegriffen und die jeweiligen

Inhalte exemplarisch an diesem Beispiel verdeutlicht.

6.1 Identifikation von Unsicherheit in Effektketten

Die in Unterabschnitt 2.4.4 beschriebene UMEA-Methodik nach ENGELHARDT befasst sich im

zweiten der fünf Schritte mit der Identifikation von Unsicherheit. Hierzu werden allgemein-

gültige Modelle und qualitative Methoden zur Identifikation von Unsicherheit beschrieben.348

Durch den unspezifischen Charakter der Methodik ist sie einerseits allgemeingültig und ent-

sprechend auf die in dieser Arbeit betrachtete Problemstellung anwendbar, andererseits aber

nicht in der Lage eine konkrete Unterstützung zu liefern.

348 Vgl. Engelhardt (2012), S. 55 ff.

Page 121: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

106

Aus diesem Grund wird im Folgenden, bezugnehmend auf die UMEA sowie die enthaltenen

Modelle und Methoden, gezielt die Identifikation von Unsicherheiten im Kontext einer mess-

technisch nutzbaren Effektkette betrachtet, welche einen Zusammenhang zwischen einer sys-

temspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen herstellt. WELZBACHER analysiert

die in der UMEA aufgeführten deduktiven und induktiven Methoden zur Identifikation und

Berücksichtigung von Unsicherheiten im Hinblick auf ihren typischen Anwendungsbereich,

ihre Ziele, das angewendete Verfahren, die erforderlichen Informationen sowie spezifische

Vor- und Nachteile.349 Anschließend wird eine systematische Auswahl und Bewertung vor dem

Hintergrund der angestrebten Identifikation von Unsicherheiten im Rahmen der konzeptio-

nellen Integration von Messfunktionen in ein bestehendes technisches System durchgeführt.350

Entsprechend der ermittelten Rangfolge wird die Fault Tree Analysis (FTA) bzw. Fehlzustands-

baumanalyse zur Identifikation von Unsicherheit ausgewählt.351

Für die folgenden Inhalte wird unter Verweis auf den oben genannten Bewertungs- und Aus-

wahlprozess die Fehlzustandsbaumanalyse als Ansatz für eine deduktive Analyse zur Identifi-

kation von Unsicherheit gewählt. Anstelle eines Systemausfalls oder Fehlers, steht an der

Spitze des „Fehlzustandsbaums“ die zu identifizierende Unsicherheit. Dieser Ansatz wird in

Teilen mit der Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL. (vgl. Unter-

abschnitt 2.3.1) verknüpft. Eine Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE

ET AL. in den Kontext der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme ist in

Abbildung 6.1 dargestellt.

beabsichtigte &

unbeabsichtigte Interaktion

Technisches System

Umwelt

Eingangsgrößen

des Modells der

Auswertung

- Messgrößen

- Gestaltparameter

Bestehendes (ursprüngliches)

technisches System

Sensorik

(technische Realisierung der Messfunktion)

Modell der

Auswertung

Eingangsgrößen des

technischen Systems

Ausgangsgrößen des

technischen Systems

Kontext

(-unsicherheit)

Daten-

unsicherheit

Modell-

unsicherheit

Ausgangsgröße

des Modells der

Auswertung

Information über

die zu bestimmende

Zustandsgröße

Phänomenologische Unsicherheit

Abbildung 6.1: Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE ET AL. in den Kontext

der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme

Umgesetzt wird die beschriebene Verknüpfung der modifizierten Fehlzustandsbaumanalyse

und der Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell, indem in der ersten Ebene der FTA

die Differenzierung von Daten- und Modellunsicherheit und die Zusammenhänge zur Kontex-

tunsicherheit angewendet und übernommen werden (vgl. Abbildung 6.2).

349 Vgl. Welzbacher (2020), S. 33 ff. 350 Vgl. Welzbacher (2020), S. 43 ff. 351 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 2 sowie Welzbacher (2020), S. 45

Page 122: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

107

statische oder dynamische

Beeinflussung

statische

Abweichung

indirekte

Überlagerung

direkte

Überlagerung

Umgebungs- und Randbedingungen

(Stör- und Nebengrößen)

Unsicherheit

Datenunsicherheit Modellunsicherheit

Kontextunsicherheit

... ... ...

Abbildung 6.2: Ansatz zur Identifikation von Unsicherheit auf Basis einer

Fehlzustandsbaumanalyse

Die darüber hinaus nach KREYE ET AL. manifestierte phänomenologische Unsicherheit

beschreibt die Unsicherheit, die aus unbekannten und daher nicht berücksichtigten Einflüssen

oder Ereignissen resultiert und ist per Definition nie vollständig beschreibbar (vgl. Unterab-

schnitt 2.3.1). Die im Entwicklungsprozess auftretende phänomenologische Unsicherheit

hängt u. a. vom gewählten Ansatz und dem Vorgehen ab und kann durch ein systematisches

Vorgehen reduziert werden. Folglich ist die Verwendung des in dieser Arbeit beschriebenen

systematischen Katalogsystems, im entsprechenden Kontext, als Ansatz zur Reduktion phäno-

menologische Unsicherheit zu sehen. Da phänomenologische Unsicherheit jedoch nicht allge-

mein identifiziert werden kann, wird sie an dieser Stelle nicht unmittelbar einbezogen.

6.1.1 Kontextunsicherheit

Kontextunsicherheit ergibt sich gemäß Unterabschnitt 2.3.1 aus den Umgebungs- und Rand-

bedingungen des betrachteten (technischen) Systems und lässt sich in endogene und exogene

Unsicherheit unterscheiden. Hinsichtlich der konzeptionellen Integration von Messfunktionen

steht der Nutzungskontext des Systems im Vordergrund. Insbesondere die physikalische

Umgebung der Messfunktion ist hierbei von Relevanz, da sie die Messfunktion durch Störun-

gen beeinflussen kann. Die physikalische Umgebung der Messfunktion besteht hierbei nicht

nur aus der Umgebung des bestehenden technischen Systems (exogene Kontextunsicherheit),

sondern auch aus dem technischen System selbst (endogene Kontextunsicherheit) (vgl.

Abbildung 6.1). Insbesondere müssen Nebengrößen berücksichtigt werden, die unbeabsichtigt

im Zusammenhang mit der Erfüllung der Hauptfunktion auftreten. Durch die Verursachung

von Daten- und/oder Modellunsicherheit kann sich die Kontextunsicherheit indirekt negativ

auf die Integration von Messfunktionen auswirken (vgl. Abbildung 6.2).

Zur Identifikation von Kontextunsicherheit in Form von Stör- und Nebengrößen, können

sowohl intuitive als auch systematische Ansätze gewählt werden. Um die phänomenologische

Unsicherheit möglichst gering zu halten, eignet sich insbesondere eine systematische Erfas-

sung von Stör- und Nebengrößen bspw. mithilfe der von MATHIAS entwickelten „Liste normier-

ter Störgrößenbezeichnungen“ 352.

352 Vgl. Mathias (2016), S. 51 ff.

Page 123: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

108

Um die Kompatibilität zwischen der bestehenden „Liste normierter Störgrößenbezeichnungen“

nach MATHIAS und dem entwickelten Katalogsystem zu erhöhen, ist es sinnvoll, die aus der

aufgeführten Störgröße resultierenden physikalischen Einflussgrößen im Kontext des Ursache-

Wirkung-Zusammenhangs mit aufzuführen (vgl. Abbildung 6.3). Die physikalischen Einfluss-

größen sind hierbei physikalische Größen, die aus Störgröße resultieren und auf die Messfunk-

tion oder das technische System wirken. Ein entsprechender Ansatz einer Prüfliste zur Identi-

fikation von Kontextunsicherheit im Rahmen der konzeptionellen Integration von Messfunkti-

onen in bestehende Systeme wird im Beitrag „Consideration of uncertainty within the

conceptual integration of measurement functions into existing systems“ 353 vorgestellt. Die vorge-

stellte und in Abbildung 6.3 ausschnittsweise dargestellte Prüfliste basiert auf der von MATHIAS

entwickelten „Liste normierter Störgrößenbezeichnungen“. Die aufgeführten Störgrößen

werden den verschiedenen Teildisziplinen der Physik (Mechanik, Elektrizität, ...) zugeordnet.

Darüber hinaus werden zwei wesentliche Erweiterungen vorgeschlagen:

• Den Störgrößen werden jeweils physikalische Einflussgrößen, konsistent zu dem in

dieser Arbeit eingeführten Katalogsystem, zugeordnet. Diese Durchgängigkeit ist für

die weitere Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit in Abschnitt 6.2 sinnvoll.

• Weiterhin ist jeder potentiellen Störgröße ein Bearbeitungsfeld für das Auftreten und

die Quantifizierung/Beschreibung der zugehörigen physikalischen Einflussgrößen

zugeordnet. Auf diese Weise werden sowohl bereits bekannte Informationen über die

betreffende Störgröße schriftlich dokumentiert, als auch eine Nachvollziehbarkeit zu

einem späteren Zeitpunkt oder für Dritte sichergestellt.

Mechanik:

Bewegungsbasierte Phänomene:

Potentielle Störgröße

Beschleunigung entgegen

Bewegungsrichtung

Piktogramm AuftretenPhysikalische Einflussgröße(n) Quantifizierung/Beschreibung

Beschleunigung a

Beschleunigung in

Bewegungsrichtung Beschleunigung a

Beschleunigung: Newton´sche Gravitation

Beschleunigung a

Erhöhung der

Winkelgeschwindigkeit Winkelbeschleunigung ω

Verringerung der

Winkelgeschwindigkeit Winkelbeschleunigung ω

Gleiten zwischen Festkörpern

mit direktem Kontakt

Verschiebung s

Kraft F

Temperatur T

.

.

Inhalt gemäß der Liste normierter

Störgrößenbezeichnungen nach MATHIASErweiterung

Abbildung 6.3: Ausschnitt einer Prüfliste zur Identifikation von Kontextunsicherheit

nach VORWERK-HANDING ET AL.354

353 Vorwerk-Handing et al. (2020b); siehe auch Welzbacher (2020), S. XVIII ff. 354 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 3 (basierend auf der von Mathias (2016), S. XVI ff. entwickelten

Liste normierter Störgrößenbezeichnungen).

Page 124: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

109

Intelligenter Zahnriemen

Für das Messkonzept des „Intelligenten Zahnriemens“ (vgl. Abbildung 5.29 und Abbildung

5.30) führt WELZBACHER die ausgefüllte Prüfliste, reduziert auf die potentiell auftretenden Stör-

größen, im Anhang seiner Arbeit auf.355 Die identifizierte Kontextunsicherheit wirkt sich

gemäß Abbildung 6.2 indirekt durch die Verursachung von Daten- und/oder Modellunsicher-

heit auf die Messfunktionen aus. Die relevanten Einflüsse werden dementsprechend jeweils

im Rahmen der Identifikation der Modell- und Datenunsicherheit in den Unterabschnitten

6.1.2 und 6.1.3 näher beschrieben.

6.1.2 Modellunsicherheit

Modellunsicherheit beruht auf Vereinfachungen, die im Zuge der Modellierung bewusst oder

unbewusst vorgenommen werden und zu einer unvollständigen oder unzureichenden Abbil-

dung der Realität führen (vgl. Unterabschnitt 2.3.1). Im Kontext der konzeptionellen Integra-

tion von Messfunktionen in ein bestehendes System, tritt die Unsicherheit des konzeptionellen

Modells der Auswertung in den Vordergrund. Es wird davon ausgegangen, dass die zur Reali-

sierung der Messfunktion verwendete Wirkungskette und die darin enthaltenen einzelnen

physikalischen Effekte bekannt sind. Diese physikalischen Effekte werden als beabsichtigte

Effekte definiert. Die Modellunsicherheit ergibt sich aus physikalischen Effekten, die parallel

zu diesen beabsichtigten Effekten auftreten und nicht im Modell berücksichtigt werden. Diese

unbeabsichtigten Effekte können die beabsichtigten Effekte überlagern. Je nach Art der Über-

lagerung wird zwischen direkter und indirekter Überlagerung differenziert (vgl. Abbildung

6.4).356

• Eine direkte Überlagerung der beabsichtigten Effektkette resultiert aus einer unbeab-

sichtigten Effektkette, die die gleiche Ein- und Ausgangsgröße wie die beabsichtigte

Effektkette aufweist.

• Eine indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effektkette tritt auf, wenn die Ausgangs-

größe eines unbeabsichtigten Effekts oder einer unbeabsichtigten Effektkette der Ein-

oder Ausgangsgröße der beabsichtigten Effektkette entspricht. Diese unbeabsichtigten

Effekte haben Störgrößen aus der Umgebung oder eine Nebengröße des technischen

Systems als Eingangsgröße.

Aus Gründen der Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird in den beiden genannten Punkten

durchgängig von physikalischen Effektketten gesprochen. Die getroffenen Aussagen gelten

gleichermaßen für einzelne physikalische Effekte und Teile einer Effektkette. Im Modell der

Auswertung werden nur die Eingangs- und Ausgangsgröße einer gesamten Effektkette explizit

genannt. Eine direkte und/oder indirekte Überlagerung kann auch physikalische Zwischen-

größen innerhalb der Effektkette betreffen.

355 Vgl. Welzbacher (2020), S. XXV f. 356 Vgl. Vorwerk-Handing et al. (2020b), S. 3 f.

Page 125: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

110

Unbeabsichtigte Effekte

(Nicht im Modell der Auswertung

berücksichtigte physikalische Effekte)

Eingangsgrößen

des Modells der

Auswertung

Ausgangsgröße

des Modells der

AuswertungBeabsichtigte physikalische Effekte

(Im Modell der Auswertung

berücksichtigte physikalische Effekte)

Unbeabsichtigte Effekte

(Nicht im Modell der Auswertung

berücksichtigte physikalische Effekte)

Unbeabsichtigte Effekte

(Nicht im Modell der Auswertung

berücksichtigte physikalische Effekte)

Physikalische

Einflussgrößen der

auftretenden Stör-

oder Nebengrößen

Physikalische

Einflussgrößen der

auftretenden Stör-

oder Nebengrößen

direkte Überlagerung

indirekte Überlagerung

Effekt I ...Effekt II

Physikalische Zwischengrößen

Abbildung 6.4: Direkte und indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effekte

durch unbeabsichtigte Effekte

Zur systematischen Identifikation unbeabsichtigter Effekte kann die in Abschnitt 5.3 beschrie-

bene Effektmatrix eingesetzt werden. Zur Identifikation einer direkten Überlagerung des beab-

sichtigten Effekts bzw. der beabsichtigten Effektkette werden die Ein- und Ausgangsgrößen

bzw. das entsprechende Kreuzungsfeld des beabsichtigten Effekts betrachtet. Unbeabsichtigte

Effekte, die einen beabsichtigten Effekt direkt überlagern könnten, müssen aufgrund derselben

Ein- und Ausgangsgrößen zwangsläufig ebenfalls in den betreffenden Feldern der Effektmatrix

verzeichnet sein. In Abbildung 6.5 ist das Vorgehen anhand der Eingangsgröße bzw. Ursache

i und der Ausgangsgröße bzw. Wirkung j dargestellt. Durch die Betrachtung des rot umrande-

ten Feldes wird offensichtlich, dass ein physikalischer Effekt n potentiell von allen weiteren in

derselben Zelle aufgeführten physikalischen Effekten n+1, … direkt überlagert werden kann.

Die reine Tatsache, dass neben dem angestrebten Effekt weitere Effekte den Zusammenhang

zwischen der betrachten Ursache und Wirkung herstellen können, lässt noch keine Aussage

über das tatsächliche Auftreten von Modellunsicherheit zu. Das tatsächliche Auftreten eines

Effekts kann erst über die im Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaften des Sys-

tems sowie weitere systemspezifische Informationen geprüft werden (vgl. Unterabschnitt

5.4.2 – Zugriffsteil des Effektkatalogs).

Im Fall einer indirekten Überlagerung eines beabsichtigten Effekts besitzt der verursachende

unbeabsichtigte Effekt eine physikalische Einflussgröße, die aus einer Störgröße aus der

Umgebung oder einer Nebengröße des technischen Systems resultiert als Eingangsgröße. Die

auftretenden Stör- und Nebengrößen sowie deren physikalische Einflussgrößen werden

bereits als Kontextunsicherheit erfasst und wirken sich potentiell über die Modellunsicherheit

negativ auf die messtechnische Nutzung der beabsichtigten Effektkette aus. Ob auftretende

Page 126: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

111

Stör- und Nebengrößen tatsächlich einen Einfluss haben können, kann über die Effektmatrix

geprüft werden. Hierzu werden die physikalischen Einflussgrößen der identifizierten Stör- und

Nebengrößen zeilenweise als Ursache betrachtet und die Schnittfelder zu den spaltenweise

markierten Ein- und Ausgangsgrößen des beabsichtigten Effekts betrachtet (vgl. Abbildung

6.6). Das tatsächliche Auftreten eines unbeabsichtigten Effekts ist, basierend auf den im

Effektkatalog aufgeführten notwendigen Eigenschaften des Systems sowie weitere systemspe-

zifische Informationen, zu prüfen. (vgl. Unterabschnitt 5.4.2 – Zugriffsteil des Effektkatalogs).

Ursache

Wirkung

...

... ...

...

j

iEffekt(e) n, n+1, ...

Zelle [ i / j ]

Abbildung 6.5: Ermittlung möglicher direkter Überlagerungen

eines beabsichtigten Effekts mithilfe der entwickelten Effektmatrix

Ursache

Wirkung

...

... ...

...

j

i

Stör- und

Nebengrößen

als Ursachen

betrachten

Spaltenweise Ein- und Ausgangsgrößen

des beabsichtigten Effekts markieren

k

Effekt(e) n, n+1, ...

Zelle [ i / j ]

Betrachtete Stör-

oder Nebengrößen

kann Einfluss auf

j haben

Betrachtete Stör-

oder Nebengrößen

kann keinen Einfluss

auf k haben

Effekt(e) keine

Zelle [ i / k ]

Abbildung 6.6: Ermittlung möglicher indirekter Überlagerungen eines beabsichtigten Effekts

ausgehend von identifizierten Stör- und Nebengrößen mittels Effektmatrix

Page 127: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

112

Intelligenter Zahnriemen

Aus dem Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens wird exemplarisch der physikalische

Effekt „Saite“ hinsichtlich der auftretenden Modellunsicherheit betrachtet (vgl. Abbildung

6.7).

Längskraft (im

Lasttrum) FL

Potentielle Messgröße (Einsatz (kommerziell) verfügbarer

Sensorik / Messtechnik zur Erfassung der Eigenfrequenz fλ und

Verarbeitung der Daten zu einer Information)

Zu erfassende

Zustandsgröße

Dehnung

ε

Eigenfrequenz

Exemplarischer Betrachtungsumfang des Beispiels

Saitengleichung

fλ ~ FL

Elastische Dehnung

FL ~ ε

Abbildung 6.7: Betrachtungsumfang der Effektkette des Beispiels Intelligenter Zahnriemen

– Physikalischer Effekt „Saite“

Eine direkte Überlagerung des Effekts „Saite“ durch einen anderen physikalischen Effekt mit

derselben Ein- und Ausgangsgröße wird über die Betrachtung der Effektmatrix gemäß

Abbildung 6.5 ausgeschlossen. Um mögliche indirekte Überlagerungen des beabsichtigten

Effekts zu erfassen, werden die Einflussgrößen der identifizierten Stör- und Nebengrößen (vgl.

Unterabschnitt 6.1.1) als Ursache betrachtet und gemäß Abbildung 6.6 Schnittfelder zu den

spaltenweise markierten Größen Kraft F (Längskraft im Lasttrum FL) und Frequenz f identifi-

ziert. Durch dieses Vorgehen werden zwei Quellen für Modellunsicherheit erfasst: Wärmedeh-

nung und Torsionsschwingungen (vgl. Tabelle 6.1).

Tabelle 6.1: Quellen für Modellunsicherheit im Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens

am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“357

Art der

Überlagerung

Quelle

(Stör- &

Nebengrößen)

Effekt Eingangsgröße des

Effekts

Ausgangsgröße

des Effekts

Direkte

Überlagerung – – –

Indirekte

Überlagerung

Wärmezufuhr Wärmedehnung Wärmestrom �� Längskraft im

Lasttrum FL

Periodische

Kraft

Torsions-

schwingungen

Kraft F (Kontaktkräfte ≠

Längskraft im Lasttrum FL)

Frequenz f

6.1.3 Datenunsicherheit

Die systematische Identifikation der Datenunsicherheit setzt die Kenntnis der zugrundeliegen-

den Effektkette und Gesetzmäßigkeit(en) des Messkonzepts voraus. Um die Datenunsicherheit

in den einzelnen Effekten der betrachteten Effektkette zu bestimmen, werden die darin ent-

haltenen system- und komponentenspezifischen Eingangsgrößen identifiziert. Diese Eingangs-

größen werden hinsichtlich einer unsicheren Quantifizierung, ihrer zeitlichen Variabilität und

357 Vgl. Welzbacher (2020), S. 84 f.

Page 128: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

113

ihrer Abhängigkeit von Einflussgrößen potentieller Stör- und Nebengrößen analysiert. Die auf-

tretenden potentiellen Stör- und Nebengrößen und die daraus resultierenden physikalischen

Einflussgrößen sind bereits im Rahmen der Identifikation der Kontextunsicherheit ermittelt

worden. Diese werden zur Identifikation der Datenunsicherheit bezüglich ihres Einflusses auf

die einzelnen Konstruktionsgrößen untersucht. Dieser Schritt kann teilweise durch die in der

Effektmatrix verzeichneten Zusammenhänge unterstützt werden, darüber hinaus ist die Erfah-

rung bzw. das Wissen des Anwendenden notwendig. Entsprechend können zielgerichtete

Recherchen und Untersuchungen notwendig sein, um Abhängigkeiten zwischen auftretenden

Einflussgrößen und Eingangsgrößen auszuschließen bzw. zu beschreiben.

Intelligenter Zahnriemen

Aus dem Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens wird erneut der physikalische Effekt

„Saite“ (vgl. Abbildung 6.7) exemplarisch betrachtet, nun allerdings hinsichtlich der auftreten-

den Datenunsicherheit. Gemäß der zugrundeliegenden Saitengleichung

𝑓𝜆(𝐹𝐿) = 𝜆 √𝐹𝐿

4 𝑚′ 𝑙2 ( 6.1 )

gehen das Längengewicht m‘ und die frei schwingende Trumlänge l als Eingangsgrößen neben

der Ursache (Längskraft FL im Lasttrum) in die Gleichung zur Berechnung der Eigenfre-

quenz fλ358 ein. Beide Größen werden hinsichtlich einer unsicheren Quantifizierung und ihrer

Abhängigkeit von Einflussgrößen potentieller Stör- und Nebengrößen analysiert. Eine Betrach-

tung ihrer zeitlichen Variabilität entfällt in diesem Fall, da diese auf den Verschleiß des Rie-

mens zurückzuführen ist, welcher sich wiederum in der zu erfassenden Dehnung widerspie-

gelt. Das Ergebnis der Analyse ist in Tabelle 6.2 zusammengefasst.

Tabelle 6.2: Quellen für Datenunsicherheit im Messkonzept des Intelligenten Zahnriemens

am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“

Eingangsgröße

im Modell der Auswertung

(≠ Ursache)

Statische Abweichung von der

angenommenen

Quantifizierung359

Statische oder dynamische

Beeinflussung

(Stör- &Nebengrößen)

Längengewicht m‘ Spezifikation der Eigenschaften

(bspw. Messunsicherheit bei der

Bestimmung der Größe)

Frei schwingende

Trumlänge l

Spezifikation der Eigenschaften

(bspw. Messunsicherheit bei der

Bestimmung der Größe)

Wärmezufuhr und resultierende

Wärmedehnung

358 λ ≙ Ordnung der Eigenfrequenz. 359 Die auftretenden statischen Abweichungen zwischen den wahren Werten und der angenommenen

Quantifizierung des Längengewichts m‘ und der frei schwingenden Trumlänge l, führen zu einer kon-

stanten Abweichung der (erfassten) Eigenfrequenz von der erwarteten Eigenfrequenz. Da das Ziel der

Messung ein Rückschluss auf die Dehnung, also eine Differenz l – l0 und kein absoluter Wert, ist, haben

konstante Abweichungen hinsichtlich des angestrebten Ziels in diesem Fall keine unmittelbaren Auswir-

kungen. Allgemein kann solchen konstanten Abweichungen messtechnisch durch eine Kalibrierung

begegnet werden.

Page 129: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

114

6.2 Berücksichtigung von Unsicherheit in Effektketten

Durch die Berücksichtigung der vorliegenden Unsicherheit wird im Rahmen dieser Arbeit das

Ziel verfolgt, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten abzuschätzen und

begründet nicht-erfolgsversprechende Effektketten frühzeitig abzubrechen. Hierbei muss

berücksichtigt werden, dass sich der Entwicklungsstand der betrachteten Effektketten bzw.

der potentiellen Lösungsalternativen auf einem konzeptionellen Entwicklungsniveau befindet

und deswegen die Möglichkeit besteht, der identifizierten Unsicherheit konzeptionell entge-

gen zu wirken und sie auf diese Weise zu beherrschen. Aus diesem Grund untergliedert sich

die Berücksichtigung der identifizierten Unsicherheit zum einen in die Beurteilung und zum

anderen in Ansätze zur Beherrschung der als kritisch beurteilten Unsicherheit.

6.2.1 Beurteilung der identifizierten Unsicherheit

Da Kontextunsicherheit nicht direkt, sondern nur mittelbar über Modell- und Datenunsicher-

heit auf die Effektkette bzw. das Messkonzept einwirkt, werden im Folgenden die Modell- und

Datenunsicherheit, nicht aber die ggf. ursächliche Kontextunsicherheit, beurteilt. Da hinsicht-

lich der Funktionsfähigkeit bzw. Nicht-Funktionsfähigkeit einer Effektkette bzw. eines Mess-

konzepts in der angestrebten Betrachtung die negativen Auswirkungen von Unsicherheit aus-

schlaggebend sind, werden diese als erstes Beurteilungskriterium herangezogen. Die Bedeu-

tung der Unsicherheit beschreibt das Ausmaß der Wirkung der Modell- und Datenunsicherheit

auf die betrachtete Effektkette bzw. das betrachtete Messkonzept. Die Beurteilung der Bedeu-

tung einer Unsicherheit setzt ein Mindestmaß an Informationen über die ausschlaggebende

Unsicherheit voraus. Dieser Aspekt wird durch die parallele Beurteilung der Schwere der

jeweils betrachteten Unsicherheit berücksichtigt. Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere

können im Konzeptstadium vom Entwickelnden konzeptionell noch beeinflusst werden. Dieser

Umstand wird durch die Beurteilung der Beherrschbarkeit von Modell- und Datenunsicherheit

berücksichtigt.

Bedeutung der Unsicherheit

Die Beurteilung der Bedeutung der auftretenden Unsicherheit hinsichtlich einer messtechni-

schen Nutzbarkeit einer Effektkette bzw. eines Messkonzepts, geht auf die in einer Anforde-

rung zu definierende zulässige Messunsicherheit uzul(yZ) des Erwartungswerts yZ der zu

bestimmenden Zustandsgröße YZ zurück. Prinzipielles Ziel ist es, eine Aussage treffen zu

können, ob die zulässige Messunsicherheit uzul(yZ) unter dem Einfluss der auftretenden Daten-

und Modellunsicherheit eingehalten wird. Um diese Aussage treffen zu können, sind neben

der exakten Beschreibung der physikalischen Gesetzmäßigkeiten der gewünschten und unge-

wünschten Effekte in einem mathemaischen Modell die PDF der einzelnen, in das Modell der

Auswertung eingehenden und mit Unsicherheit behafteten, physikalischen Größen erforder-

lich (vgl. Unterabschnitt 2.3.2). D. h. neben dem Erwartungswert xMess,pot der potentiellen

Messgröße XMess,pot müssen bspw. auch die Erwartungswerte xG der Gestaltparameter XG

berücksichtigt werden. Insbesondere in der betrachteten konzeptionellen Entwicklungsphase

liegen diese Informationen für die potentiell nutzbaren Effektketten bzw. Messkonzepte nicht

vor. Aus diesem Grund wird, anstelle einer Betrachtung auf Basis der auftretenden Messunsi-

cherheit u(yZ), eine Auswahl in Form eines Ausschlusses nicht erfolgsversprechender Effekte

Page 130: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

115

bzw. Effektketten auf Basis der geforderten Fehlergrenze G der zu bestimmenden

Zustandsgröße YZ vorgenommen. Das so erreichte konvergente Vorgehen entspricht dem kon-

servativen Grundgedanken, dass auf Basis der vorliegenden Informationen noch keine fun-

dierte Aussage über die tatsächliche Funktionsfähigkeit eines Messkonzepts gemacht werden

kann, nicht erfolgsversprechende Effektketten aber bereits begründet abgebrochen werden

können.

Es wird geprüft, ob eine Messung der betrachteten potentiellen Messgröße XMess,pot mit verfüg-

baren Sensoren unter dem Einfluss der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die

Anforderungen an die Messabweichung ei erfüllt und innerhalb der geforderten Fehlergrenze

G liegt. Hierzu wird:

• abgeschätzt, mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle

Messgröße XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im gefor-

derten Messbereich leisten können.

• geprüft, ob für den Fall der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren Sen-

sors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die gefor-

derte Fehlergrenze G überschritten wird.

Ansatz:

Für den allgemeinen Fall eines nichtlinearen Zusammenhangs zwischen der zu bestimmen-

den Zustandsgröße YZ (Ursache) und der potentiellen Messgröße XMess,pot (Wirkung) wird

als Ansatz zur Abschätzung beider Aspekte eine Taylorreihenentwicklung am entsprechen-

den Arbeitspunkt y0 angewendet. Für hinreichend kleine Abweichungen vom betrachteten

Arbeitspunkt y0 wird gemäß der gängigen Praxis bei der Abschätzung der Unsicherheitsfort-

pflanzung zwischen Ursache und Wirkung im Bereich der Messtechnik die Taylorreihenent-

wicklung nach dem ersten Glied abgebrochen.360 Die angewendete Approximation um einen

Arbeitspunkt y0 entspricht folglich einer Linearisierung und wird in Gleichung 6.2 beschrie-

ben.

ℎ𝑦0

(𝑦) = ℎ(𝑦0) + [ 𝜕ℎ

𝜕𝑦 |

𝑦0

(𝑦 − 𝑦0)] ( 6.2 )

Die Steigung der durch die Gleichung 6.2 beschriebenen Geraden gibt eine Auskunft über

die Sensitivität der Wandlung oder Umformung der Ursache y in die Wirkung x=h(y). Der

beschriebene Zusammenhang bezieht sich auf die physikalische Sichtweise einer aufgrund

einer Ursache (Eingangsgröße) resultierenden Wirkung (Ausgangsgröße). In Abbildung 6.8

ist sowohl diese Sichtweise, als auch die aus Sicht der Messtechnik gebräuchliche Form der

inversen Betrachtung in Form des Modells der Auswertung dargestellt.

360 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 18 f., Tränkler und Reindl (2015), S. 31 f. oder Puente León (2019),

S. 174 f.

Page 131: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

116

Abbildung 6.8: Linearisierung des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung aus Sicht

des physikalischen Effekts (links) und aus Sicht des Modells der Auswertung (rechts)361

Die Sensitivität einer Ausgangsgröße gegenüber Eingangsgrößen wird im messtechnischen

Zusammenhang (vgl. Abbildung 6.8, rechts) als Sensitivitätskoeffizient ci bezeichnet.362

𝑐𝑖 =

𝜕𝑓

𝜕𝑋𝑖

|𝑋𝑖,0

= 𝜕𝑓

𝜕𝑥𝑖

|𝑥𝑖,0

( 6.3 )

Da sowohl die Eingangsgrößen als auch die Ausgangsgröße allgemein unsicherheitsbehaftet

sind und vom wahren Wert xiW bzw. yiW abweichen, sind für die folgende Betrachtung nicht

die Einzelwerte der Ein- und Ausgangsgrößen relevant, sondern die jeweilige Messabwei-

chung ei. Da die einzelnen Messabweichungen ei im Konzeptstadium noch nicht bekannt

sind, werden im Folgenden die zulässigen Messabweichung ei,zul in Form der Fehlergrenzen

Δxi und Δyi betrachtet.

𝑒𝑖,𝑧𝑢𝑙 → ∆𝑥𝑖 = |𝑥𝑖 − 𝑥𝑖𝑊| 𝑏𝑧𝑤. ∆𝑦𝑖 = |𝑦𝑖 − 𝑦𝑖0| ( 6.4 )

Der Zusammenhang zwischen den Fehlergrenzen Δxi und Δyi wird, analog zum Zusammen-

hang der Unsicherheitsbeiträge der Eingangsgrößen ui(x) und der Ausgangsgrößen ui(y)

nach GUM 363, über den Sensitivitätskoeffizienten ci abgeschätzt.

𝑢𝑖(𝑦) = |𝑐𝑖| ∙ 𝑢(𝑥𝑖) → ∆𝑦 ≈ |𝑐𝑖| ∙ ∆𝑥𝑖 𝑏𝑧𝑤. ∆𝑥 ≈ |𝑐𝑖

−1| ∙ ∆𝑦𝑖 ( 6.5 )

Durch Einsetzen von 6.3 in 6.5 folgt für die Fortpflanzung der Fehlergrenze Δy

∆𝑦 ≈ ∑ |

𝜕𝑓

𝜕𝑥𝑖|

𝑥𝑖,0𝑖

∆𝑥𝑖 . 364 ( 6.6 )

361 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Tränkler und Reindl (2015), S. 32. 362 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 19 , Tränkler und Reindl (2015), S. 32. 363 Vgl. JCGM 100: 2008 (2008), S. 19. 364 Vgl. Puente León (2019), S. 175.

Eingangsgröße y ≙ Ursache

Ausgangsgröße x

≙ W

irkung

Physikalische Sichtweise

Ursache/Wirkung

y0

Eingangsgröße x ≙ Wirkung

Ausgangsgröße y

≙Ursach

e

x0

Messtechnische Sichtweise

Modell der Auswertung

y0x0

x=h(y) y=f(x)f(x)=h-1(y)

Bereich der

Eingangsgrößen

-verteilung

Bereich der

Ausgangsgrößen-

verteilung Linearisierung

um den

Arbeitspunkt y0

Bereich der

Eingangsgrößen

-verteilung

Bereich der

Ausgangsgrößen-

verteilung

Linearisierung

um den

Arbeitspunkt x0

Page 132: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

117

Für die Betrachtung aus Sicht des physikalischen Zusammenhangs (vgl. Abbildung 6.8,

links) folgt mit h(y)=f -1(x) analog:

∆𝑥 ≈ ∑ (|

𝜕𝑓

𝜕𝑥𝑖|

𝑥𝑖,0

)

−1

𝑖

∆𝑦𝑖 = ∑ | 𝜕ℎ

𝜕𝑦𝑖|

𝑦𝑖,0

∆𝑦𝑖 .

𝑖

( 6.7 )

Die angestrebte Betrachtung der Fehlergrenzen erfordert die konservative Annahme, dass

die messtechnisch theoretisch ungünstigste Konstellation von Messabweichungen auftritt.

Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Auftreten der messtechnisch theore-

tisch ungünstigsten Konstellation von Messabweichungen selten zu erwarten ist.365 Für die

hier angestrebte erste Beurteilung ist dieses Vorgehen zweckmäßig, ersetzt aber nicht die

genaue Betrachtung der tatsächlich auftretenden Unsicherheit zu einem späteren Entwick-

lungszeitpunkt.

Für den häufig auftretenden Fall einer multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgrößen x

und Ausgangsgröße y im Modell der Auswertung

𝑦 = 𝑓(𝑥) = 𝑎1𝑥1

𝛼1 ∙ 𝑎2𝑥2𝛼2 ∙ … ∙ 𝑎𝑛𝑥𝑛

𝛼𝑛 ( 6.8 )

mit der partiellen Ableitung

𝜕𝑓

𝜕𝑥𝑖

= 𝑎1𝑥1𝛼1 ∙ … ∙ 𝛼𝑖𝑎𝑖𝑥𝑖

𝛼𝑖−1∙ … ∙ 𝑎𝑛𝑥𝑛

𝛼𝑛 = 𝑦 ∙𝛼𝑖

𝑥𝑖

( 6.9 )

folgt durch Einsetzten von 6.9 in 6.6

∆𝑦 ≈ |𝑦0| ∙ ∑ |𝛼𝑖

∆𝑥𝑖

𝑥𝑖,0|

𝑛

𝑖

. 366 ( 6.10 )

Für den betrachteten Fall der multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgrößen x und Aus-

gangsgröße y im Modell der Auswertung ist es sinnvoll, anstelle der absoluten Fehlergren-

zen Δx und Δy die relativen Fehlergrenzen zu betrachten. Gemäß Gleichung 6.11 ergibt sich

die relative Fehlergrenze der Ausgangsgröße aus der Summe der mit dem entsprechenden

Gewichtungsfaktor αi gewichteten relativen Fehlergrenzen der Eingangsgrößen.

|∆𝑦

𝑦0| ≈ ∑ |𝛼𝑖

∆𝑥𝑖

𝑥𝑖,0|

𝑛

𝑖

( 6.11 )

365 Vgl. Hoffmann (2015), S. 550. 366 Vgl. Puente León (2019), S. 176.

Page 133: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

118

1. Abschätzung, mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle

Messgröße XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im ent-

sprechenden Messbereich leisten können.

Um abzuschätzen mit welcher zulässigen Messabweichung d. h. innerhalb welcher Fehlergren-

zen ΔxMess ein Sensor die potentielle Messgröße XMess,pot erfassen können müsste, wird aus den

Anforderungen an die zu bestimmenden Zustandsgröße YZ die Fehlergrenze Δy herangezo-

gen.367 Weiterhin wird vorausgesetzt, dass ausgehend von der zu bestimmenden

Zustandsgröße YZ ein physikalischer Zusammenhang h(yZ) in Form einer Effektkette hin zur

potentiellen Messgröße XMess,pot vorliegt. Dieser kann bspw. mittels des in Kapitel 5 vorgestell-

ten Katalogsystems entwickelt worden sein.

𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠,𝑝𝑜𝑡 = ℎ(𝑦𝑍) ( 6.12 )

Aus der zulässigen Messabweichung ΔyZ der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ wird über

Gleichung 6.7 die absolute maximal zulässige Messabweichung ΔxMess eines potentiellen Sen-

sors abgeschätzt (vgl. Abbildung 6.9).

∆𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠 ≈ |

𝜕ℎ

𝜕𝑦|

𝑦0

∆𝑦 ( 6.13 )

Für den Fall einer multiplikativen Verknüpfung von Eingangsgröße y und Ausgangsgröße x

gemäß

ℎ(𝑦𝑧) ~ 𝑎 𝑦𝛼 ( 6.14 )

folgt nach Gleichung 6.11 für die relative maximal zulässige Messabweichung

|∆𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠

𝑥| ≈ |𝛼

∆𝑦

𝑦| . ( 6.15 )

Besteht zwischen der Ursache und Wirkung ein, über den gesamten angestrebten Messbereich

gesehen, nicht-linearer Zusammenhang (vgl. Abbildung 6.9), so ist der kritischste Arbeits-

punkt y0,krit für die Abschätzung heranzuziehen. Dieser lässt sich über die Erfassung des auf

den Messbereich bezogenen Minimums der Sensitivität von XMess gegenüber YZ ermitteln.

367 Sollten diese Informationen nicht vorliegen, ist in einem Schritt der Anforderungsermittlung zu klären,

welche maximale Messabweichung Δy hinsichtlich der geforderten Information über die Zustandsgröße

tolerabel ist.

Page 134: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

119

Wirkung

≙ XMess

Physikalische Sichtweise

Ursache/Wirkung

ymin = y0,krit

xMess,pot=h(yZ)

ymax

ymin -

Δy

ymin +

Δy

ymax

- Δy

ymax

+ Δy

xmin + ΔxMess

xmin xmin - ΔxMess

xmin + Δx

xmax

xmin - Δx

Ursache

≙ YZ

Abbildung 6.9: Zusammenhang zwischen der Fehlergrenze Δy der zu bestimmenden

Zustandsgröße YZ und der maximal zulässigen Messabweichung bzw. Fehlergrenzen ΔxMess eines

Sensors zur Erfassung der potentiellen Messgröße XMess,pot

Auf Basis der Abschätzung der maximal zulässigen Messabweichung ΔxMess und dem Messbe-

reich von xmin bis xmax (vgl. Abbildung 6.9) wird geprüft, ob verfügbare Sensoren eingesetzt

werden können.

2. Prüfen, ob für den Fall der maximalen Messabweichung e i,max eines verfügbaren Sen-

sors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die gefor-

derte Fehlergrenze G überschritten wird.

In logischer Fortführung der Betrachtung potentieller Sensoren im beschriebenen Vorgehen

erfolgt eine Prüfung der Bedeutung der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren

potentiellen Sensors in Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit hin-

sichtlich der geforderten Fehlergrenze G. Hierzu wird das Modell der Auswertung

𝑌𝑍 = 𝑓(𝑋1, 𝑋2, 𝑋3, … , 𝑋𝑁) 𝑏𝑧𝑤. 𝑦𝑍 = 𝑓(𝑥𝑀𝑒𝑠𝑠,𝑝𝑜𝑡 , … , 𝑥𝑛) ( 6.16 )

betrachtet. Weiterhin wird in der vorgenommenen Abschätzung davon ausgegangen, dass die

Größen xMess,pot, …, xn voneinander unabhängig sind bzw. als unabhängig angenommen

werden. Für die Fortpflanzung der unsicheren Größen xMess,pot, …, xn wird aufgrund des

betrachteten konzeptionellen Entwicklungsniveaus die Fortpflanzung der jeweiligen maxima-

len Abweichungen Δxi gemäß Gleichung 6.6 angewendet.

Page 135: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

120

∆𝑦𝑢𝑛𝑠 ≈ ∑ |

𝜕𝑓

𝜕𝑥𝑖|

𝑥𝑖,0𝑖

∆𝑥𝑖 ( 6.6 )

Für den Fall einer zu berücksichtigen Korrelation zwischen den Größen xMess,pot, …, xn, ist die

Gleichung 6.6 um einen entsprechenden Korrelationsterm zu erweitern.368

Um die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit zu beurteilen, wird das dimensionslose

Verhältnis 𝑈∆𝑦 aus der maximalen, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abwei-

chung Δyuns gemäß Gleichung 6.6 und der maximal zulässige Messabweichung Δy gebildet

𝑈∆𝑦 =

∆𝑦𝑢𝑛𝑠

∆𝑦 . ( 6.17 )

Ist das Verhältnis 𝑈∆𝑦 ≤ 1, ist die identifizierte Unsicherheit in diesem Entwicklungsstadium

als akzeptabel einzuschätzen. Ist das Verhältnis 𝑈∆𝑦 > 1, ist die identifizierte Unsicherheit als

potentiell kritisch einzuschätzen und es sind Maßnahmen, gemäß den in Unterabschnitt 6.2.2

beschriebenen Ansätzen zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit, zu prüfen. Welche

der identifizierten unsicheren Einflussgrößen xi zu betrachten sind, hängt von individuellen

Randbedingungen ab. Eine generelle Strukturierung der Vorgehensweise ist durch eine Prio-

risierung der einzelnen unsicheren Einflussgrößen xi gemäß ihres Anteils an der resultierenden

Abweichung Δyuns möglich. Hierzu werden die betragsmäßig größten Summanden aus Glei-

chung 6.6 zuerst betrachtet.

Sollte eine erneute Beurteilung der identifizierten Unsicherheit, nach dem Ausschöpfen aller

sinnvoll anwendbaren Maßnahmen, weiterhin ein Verhältnis 𝑈∆𝑦 > 1 ergeben, kann das Kon-

zept gegenüber alternativen Konzepten begründet zurückgestellt oder verworfen werden. Dar-

über hinaus können die verbleibenden potentiellen Messgrößen bzw. die zugehörigen Mess-

konzepte aufsteigend vom kleinsten Verhältnis 𝑈∆𝑦 geordnet und damit für die weitere Ent-

wicklung priorisiert werden.

Intelligenter Zahnriemen

Um die Bedeutung der identifizierten Modell- und Datenunsicherheit gemäß des dargestellten

Ansatzes beurteilen zu können, werden konkrete Informationen über ein betrachtetes System

benötigt. In dem, dem Beispiel zugrundeliegenden Kooperationsprojekt mit der Firma BRECO

wurde nicht von einem konkreten (Antriebs-)System zur Entwicklung des Intelligenten Zahn-

riemens ausgegangen. Um das Vorgehen trotzdem zu verdeutlichen, werden im Folgenden

exemplarisch die in Tabelle 6.3 angegebenen Annahmen eines realistischen Anwendungsfalls

getroffen. Konsistent zu den beispielhaften Darstellungen zur Identifikation von Unsicherheit

in Effektketten, wird weiterhin exemplarisch der physikalische Effekt „Saite“ isoliert betrach-

tet. Dies bietet die Möglichkeit, Vergleiche zu konventionellen Messgeräten zur Bestimmung

der Vorspannkraft eines (Zahn-)Riementriebes zu ziehen.

368 Für weiterführende Informationen wird auf entsprechende Fachliteratur wie bspw. JCGM 100: 2008

(2008), S. 21 ff. und Tränkler und Reindl (2015), S. 32 f. verwiesen.

Page 136: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

121

Tabelle 6.3: Annahmen zum beispielhaft betrachteten Zahnriemen

Parameter Variable Quantifizierung Erläuterung

Längskraft des

Zahnriemens FL 2375 N

Entspricht 50 % der maximalen Zugkraft Fzul des

Zahnriemens Brecoflex AT 10 mit E-/Stahl-Zug-

trägern und einer Breite von 32 mm der Firma

BRECO369

Zu erfassende Än-

derung der Längs-

kraft des Zahnrie-

mens

ΔFL 85 N

Abschätzung (der konkrete Zahlenwert ist für die

Verdeutlichung des Vorgehens von untergeordne-

ter Bedeutung)

Längengewicht

des Zahnriemens m‘ 0,180kg

m

Entnommen aus dem Produktkatalog der Firma

BRECO für den Zahnriemen Brecoflex AT 10

Standard mit einer Breite von 32 mm369

Frei schwingende

Trumlänge des

Zahnriemens l 1000 mm Beispielhaft definierter Wert

Ordnung der

Eigenfrequenz fλ λ 1 bis 6

Wie in den Ausführungen nach GROßKURTH &

MARTIN370 wird eine Erfassung der Eigenfrequen-

zen bis zur sechsten Ordnung angestrebt

1. Abschätzung mit welcher zulässigen Messabweichung ei,zul ein Sensor die potentielle Messgröße

XMess,pot erfassen können müsste und ob verfügbare Sensoren dies im entsprechenden Messbe-

reich leisten können.

Bezogen auf den betrachteten Zusammenhang zwischen der Längskraft FL und der Eigenfre-

quenz fλ des Zahnriemens, wird in diesem Schritt abgeschätzt, mit welcher zulässigen Mess-

abweichung Δfλ und in welchem Messbereich fλ,max ein potentieller Sensor die potentielle Mess-

größe der Eigenfrequenz fλ des Zahnriemens erfassen können müsste. Da zwischen Längskraft

FL und der Eigenfrequenz fλ des Zahnriemens ein nicht-linearer Zusammenhang besteht, ist

der kritischste Arbeitspunkt F0,krit für die Abschätzung heranzuziehen. Der physikalische

Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird über die Saitengleichung (vgl.

Gleichung 6.1) beschrieben.

Aus dem in Abbildung 6.10 dargestellten qualitativen Verlauf einer Wurzelfunktion wird

deutlich, dass ein auf den Messbereich bezogenes Minimum der Sensitivität von fλ gegenüber

FL für ein zu erfassendes Maximum der Längskraft FL,max vorliegt. Entsprechend wird die

maximal zu erfassende Längskraft FL = FL,max für die folgende Abschätzung als FL0,krit

herangezogen.

369 Vgl. BRECO Antriebstechnik Breher GmbH & Co. KG (2013), S. 25. 370 Vgl. Großkurth und Martin (2019), S. 5.

Page 137: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

122

Eigenfrequenz fλ

Physikalische Sichtweise

Ursache/Wirkung

FL,max = FL0,krit

fλ(F)

FV,max

- ΔF

FV,max

+ ΔF

fλ,min + Δfλfλ,min fλ,min - Δfλ

Kraft FL

Abbildung 6.10: Erfassung des kritischsten Arbeitspunkts FL0,krit anhand der qualitativen

Betrachtung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs

Die folgende Abschätzung gilt für den Arbeitspunkt FL0,krit, mit einer gemäß Gleichung 6.1 und

den angenommenen Werten aus Tabelle 6.3 berechneten Eigenfrequenz von:

Gemäß Gleichung 6.13 wird auf Basis der Saitengleichung 6.1 die maximal zulässige Messab-

weichung Δfλ eines potentiellen Sensors abgeschätzt:

∆𝑓𝜆 ≈ |

𝜕𝑓𝜆(𝐹)

𝜕𝐹|

𝐹0,𝑘𝑟𝑖𝑡

∙ ∆𝐹𝐿 ( 6.19 )

∆𝑓𝜆 ≈ | 𝜆 ∙ √1

4 𝑚′ 𝑙2∙

1

2√𝐹0,𝑘𝑟𝑖𝑡

| ∙ ∆𝐹𝐿

= || 𝜆 ∙ √1

4 ∙ 0,180 𝑘𝑔𝑚 ∙ (1 𝑚)2

∙1

2 ∙ √2375 𝑁 || ∙ 85 𝑁 = 𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧

( 6.20 )

In Abhängigkeit von der zu erfassenden Ordnung λ der Eigenfrequenz wird berechnet, dass

Frequenzen von

aufgelöst werden müssen.

𝑓𝜆(𝐹𝐿0,𝑘𝑟𝑖𝑡) = 𝜆 √𝐹𝐿0,𝑘𝑟𝑖𝑡

4 𝑚′ 𝑙2= 𝜆 ∙ √

2375 𝑁

4 ∙ 0,180 𝑘𝑔𝑚 ∙ (1 𝑚)2

= 𝜆 ∙ 57,4 𝐻𝑧 . ( 6.18 )

𝑓𝜆 = 𝜆 ∙ (57,4 ± 1,0) 𝐻𝑧 ( 6.21 )

Page 138: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

123

Verfügbare Schwingungsaufnehmer zur Messung einer mechanischen Schwingung verwenden

als Eingangsgrößen, im Fall einer translatorischen Bewegung, die Auslenkung s, die Geschwin-

digkeit v oder die Beschleunigung a.371 Ausgehend von der aufzulösenden Frequenz (vgl. Glei-

chung 6.21) muss dementsprechend eine Aussage über die Abtastfrequenz fabtast und Mess-

dauer T der eigentlichen Eingangsgröße eines potentiellen Schwingungsaufnehmers getroffen

werden.

Zur Berechnung der Abtastfrequenz fabtast wird das Nyquist-Shannon-Abtasttheorem angewen-

det:

Wird bspw. wie bei GROßKURTH & MARTIN eine Erfassung der Eigenfrequenzen bis zur sechsten

Ordnung λ=6 angestrebt, ergibt sich eine Mindestabtastfrequenz von

Die notwendige Messdauer T wird anhand der Unschärferelation der Nachrichtentechnik ge-

mäß Gleichung 6.24 berechnet.373

𝑇 =

1

∆𝑓𝜆

=1

𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧 ( 6.24 )

Zur Messung der sechsten Eigenfrequenz folgt aus Gleichung 6.24 eine notwendige Mess-

dauer T von:

𝑇 =

1

𝜆 ∙ 1,0 𝐻𝑧=

1

6 ∙ 1,0 𝐻𝑧= 0,17 𝑠 . ( 6.25 )

Typischerweise zur Frequenzanalyse schwingender mechanischer Komponenten eingesetzte

MEMS-Sensoren374, ermöglichen eine Abtastung bis in den kHz-Bereich.375 Dementsprechend

wird der technischen Realisierbarkeit des betrachteten Effekts durch die Mindestabtastfre-

quenz eines (kommerziell) verfügbaren Sensors nicht widersprochen. Die Mindestmessdauer

muss im Kontext der konkreten Ausführung der Messung bewertet werden.

2. Prüfen, ob für den Fall der maximalen Messabweichung ei,max eines verfügbaren Sensors in

Kombination mit der auftretenden Daten- und Modellunsicherheit die geforderten Fehler-

grenze G überschritten wird.

Um am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ zu zeigen, wie die Auswirkungen auftreten-

der Datenunsicherheit abgeschätzt werden kann, wird exemplarisch die frei schwingende

Trumlänge l betrachtet. In Unterabschnitt 6.2.1 wird, in Bezug auf den physikalischen Effekt

371 Vgl. Kuttner (2015), S. 63 f. 372 Vgl. Kuttner (2015), S. 290. 373 Vgl. Kuttner (2015), S. 290. 374 Micro-Electro-Mechanical System (MEMS), vgl. bspw. Hering und Schönfelder (2018), S. 370. 375 Exemplarisch. wurde der MEMS-Sensor ADXL372 der Firma ANALOG DEVICES für die Abschätzung

herangezogen (vgl. Analog Devices (2020).

𝑓𝜆,𝑎𝑏𝑡𝑎𝑠𝑡 > 2 ∙ 𝑓𝜆 = 2 ∙ 𝜆 ∙ 57,4 𝐻𝑧 = 𝜆 ∙ 114,8 𝐻𝑧 . 372 ( 6.22 )

𝑓𝜆,𝑎𝑏𝑡𝑎𝑠𝑡 > 𝜆 ∙ 114,8 𝐻𝑧 = 6 ∙ 114,8 𝐻𝑧 = 688,8 𝐻𝑧 . ( 6.23 )

Page 139: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

124

der „Saite“, die Änderung Δl der frei schwingenden Trumlänge l als eine Ursache für auftre-

tende Datenunsicherheit identifiziert. Die frei schwingende Trumlänge l wird von der Kon-

struktion des Zahnriementriebs durch den Wellenabstand und die Zahnscheiben bestimmt.

Eine nicht berücksichtigte Wärmezufuhr in die Konstruktion und die resultierende Tempera-

turerhöhung gegenüber dem zur Bestimmung der frei schwingenden Trumlänge l vorliegen-

den Zustand, führt gemäß des thermischen Ausdehnungskoeffizients α zu einer Vergrößerung

von l. Ergänzend zur Tabelle 6.3 werden entsprechende Informationen über das technische

System und die Umgebungsbedingungen zur Abschätzung benötigt. In Tabelle 6.4 werden die

benötigten Größen beispielhaft definiert bzw. abgeschätzt.

Tabelle 6.4: Ergänzende Annahmen zum technischen System

des beispielhaft betrachteten Zahnriemen

Parameter Variable Quantifizierung Erläuterung

Thermischer Ausdeh-

nungskoeffizient der

Umgebungskonstruktion

α 11,5 ∙ 10−6 1

K

Es wird eine Umgebungskonstruktion aus

Stahl mit einem entsprechenden thermi-

schen Ausdehnungskoeffizienten angenom-

men.

Temperaturänderung

der Umgebungskon-

struktion

ΔT 40 K Beispielhaft definierter Wert

Änderung der frei

schwingenden Trum-

länge (Datenunsicher-

heit)

Δl 0,46 mm

∆𝑙 = 𝑙0 ∙ 𝛼 ∙ ∆𝑇

= 1000 𝑚𝑚 ∙ 11,5 ∙ 10−6 1

K∙ 40 𝐾

= 0,46 𝑚𝑚

Zu erfassende Frequenz fλ 57,4 Hz Vgl. Gleichung 6.21 zur Erfassung der

ersten Eigenfrequenz

Gemäß Gleichung 6.6 wird auf Basis des Modells der Auswertung

die Auswirkungen der Datenunsicherheit bezogen auf die frei schwingenden Trumlänge Δl

abgeschätzt:

∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙 ≈ |

𝜕𝐹𝐿(𝑓𝜆)

𝜕𝑙|

𝑓𝜆

∆𝑙 ( 6.27 )

∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙 ≈8𝑚′ 𝑙

𝜆2𝑓𝜆

2 ∙ ∆𝑙 =8 ∙ 0,180

𝑘𝑔𝑚 ∙ 1 𝑚

12(57,4 𝐻𝑧)2 ∙ 0,46 ∙ 10−3 𝑚

= 2,2 𝑁

( 6.28 )

Um die Bedeutung zu beurteilen, wird das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝐹𝑉 aus der maximalen,

aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abweichung ΔFL(fλ)uns,Δl und der zu erfas-

sende Änderung der Längskraft ΔFL des Zahnriemens gemäß Gleichung 6.17 gebildet:

𝐹𝐿(𝑓𝜆) = 𝑓𝜆

−1(𝐹𝐿) =4 𝑚′ 𝑙2

𝜆2∙ 𝑓𝜆

2 ( 6.26 )

Page 140: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

125

𝑈∆𝐹𝐿

=∆𝐹𝐿(𝑓𝜆)𝑢𝑛𝑠,∆𝑙

∆𝐹𝐿

=2,2 𝑁

85 𝑁= 0,03. ( 6.29 )

Da das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝐹𝑉≪ 1 ist, ist die auf die frei schwingende Trumlänge

bezogene Datenunsicherheit an sich in diesem Beispiel als vernachlässigbar einzuschätzen und

somit tolerierbar.376

Schwere der Unsicherheit

Der dargestellte Ansatz zur Beurteilung der Bedeutung von Unsicherheit hinsichtlich der Funk-

tionsfähigkeit einer Effektkette, setzt ein Mindestmaß an Informationen voraus. Ausgehend

von der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ muss ein physikalischer Zusammenhang

h(yZ, x2, …, xn) in Form einer Effektkette hin zur potentiellen Messgröße XMess,pot bekannt sein.

Die Eingangsgrößen dieses physikalischen Zusammenhangs müssen weiterhin durch ihren

jeweiligen Erwartungswert yZ, x2, …, xn und zumindest eine abgeschätzte maximalen Messab-

weichung ei,max beschrieben werden können. Das Beurteilungskriterium der Schwere der Unsi-

cherheit berücksichtigt diesen Aspekt und zeigt auf, welche Informationen zur Beurteilung der

Bedeutung der identifizierten Unsicherheit fehlen und ggf. noch erarbeitet werden müssen.

Auf diese Weise wird weiterhin eine Entscheidung ohne entsprechende Wissensgrundlage

sichtbar gemacht und idealerweise vermieden.

Tabelle 6.5: Zustände und Erläuterungen hinsichtlich der Beurteilung der Schwere von

identifizierter Unsicherheit sowie daraus resultierende Folgen

Zustand Erläuterung Folgen

1.) Unsicherheit

≤ Ungewissheit

Es sind mindestens die Erwartungs-

werte der relevanten Mess- und Ein-

flussgrößen yZ, x2, …, xn sowie deren

abgeschätzte maximalen Messabwei-

chung ei,max bekannt.

Die Beurteilung der Bedeutung der

identifizierten Unsicherheit kann ge-

mäß des beschriebenen Ansatzes

durchgeführt werden.

2.) Unbeachtete Unsi-

cherheit

Es liegt mindestens eine Abschätzung

der Unsicherheit vor, welche bewusst

vernachlässigt wird.

Die Beurteilung der Bedeutung der

identifizierten Unsicherheit kann

nicht gemäß des beschriebenen An-

satzes durchgeführt werden. Durch

eine potentielle Beherrschung der

identifizierten, aber nicht beachteten

Unsicherheit, kann die Bedeutung der

unbeachteten Unsicherheit eliminiert

werden.

3.) Unwissen Das physikalische Modell sowie die

Einflussgrößen sind nicht hinrei-

chend bekannt.

Es mangelt an Informationen zur Be-

urteilung der Bedeutung der identifi-

zierten Unsicherheit sowie zur poten-

tiellen Beherrschung der identifizier-

ten Unsicherheit.

376 In einer realen Betrachtung sind entsprechend des beispielhaft dargestellten Vorgehens die Auswirkun-

gen aller identifizierten Unsicherheiten abzuschätzen und die gemäß Gleichung 6.6 resultierende

Gesamtunsicherheit zur Bildung von 𝑈∆𝐹𝑉 heranzuziehen.

Page 141: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

126

Zur Beurteilung der Schwere der vorliegenden Unsicherheit wird das erweiterte Unsicherheits-

modell des SFB 805 gemäß Abbildung 2.22 in Unterabschnitt 2.3.1 herangezogen. Gemäß

dem vorherigen Absatz muss zur Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit

mindestens Ungewissheit hinsichtlich der unsicheren Eingangsgrößen vorliegen. Die weiteren

Differenzierungen, bis hin zur theoretischen Determiniertheit, sind für die angestrebte Beur-

teilung folglich nicht relevant. Entsprechend werden zur Beurteilung der Schwere der identi-

fizierten Unsicherheit gemäß Tabelle 6.5 und Abbildung 6.11 drei Zustände unterschieden.

Determiniertheit

Wirkung bekannt

Aleatorische

Unsicherheit

Wirkung bekannt

Wirkung unbekanntvollständig

beschreibbar

vollständig

beschreibbar

nur teilweise

beschreibbar vernachlässigt

UnsicherheitDeterminiertheit

exakte Modelle,

vollständige

Information

Stochastische

Unsicherheit

determinierte

Variabilität

bekannte

Wahrscheinlich-

keitsdichte-

funktionen (WDF)

Epistemische

Unsicherheit

Ungewissheit

unsichere

Variabilität

geschätzte WDF

oder Zugehörig-

keitsfunktionen

(ZF)

Ungewissheit

unbekannte

Variabilität

unbekannte oder

teilweise unbe-

kannte WDF,

geschätzte ZF,

Intervalle

Unbeachtete

Unsicherheit

bekannte oder

geschätzte

Unsicherheit,

bewusst

vernachlässigt

Unwissen

Modell und

Parameter sind

nicht hinreichend

bekannt

1.) 2.) 3.)

Abbildung 6.11: Beurteilung der Schwere der identifizierten Unsicherheit gemäß Tabelle 6.5,

dargestellt im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB 805377

Beherrschbarkeit der Unsicherheit

Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identifizierten Unsicherheit können im

betrachteten Konzeptstadium vom Entwickelnden noch konzeptionell beeinflusst werden. Aus

diesem Grund ist die reine Beurteilung dieser beiden Aspekte auf der Konzeptebene nur für

einen spezifischen Stand möglich und hinsichtlich des Endergebnisses nur bedingt aussage-

kräftig. Durch die Beurteilung der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit wird

diesem Umstand begegnet und die Aussagekraft der Beurteilung von potentiellen Messgrößen

und den zugehörigen Messkonzepten gesteigert. Die Beherrschbarkeit berücksichtigt die Mög-

lichkeiten, eine identifizierte Unsicherheit zu beherrschen und lässt hierbei eine Berücksichti-

gung des dafür erforderlichen Aufwands zu. Ziel ist es, durch die Berücksichtigung der mögli-

chen Beherrschbarkeit einer identifizierten Unsicherheit einen technisch unbegründeten

Abbruch einer Effektkette zu verhindern. Resultierende Maßnahmen in Form von Änderungen

können durch das iterative Vorgehen in der Konzeptphase realisiert werden.

377 Ursprüngliche Darstellung vgl. Unterabschnitt 2.3.1, nach Lotz (2018), S. 37 – Basierend auf dem Unsi-

cherheitsmodell des SFB 805 von Hanselka und Platz (2010), S. 57 und Engelhardt (2012), S. 20.

Page 142: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

127

Den Ansatz zur Beurteilung der Beherrschbarkeit von Unsicherheit liefert die Bewertung der

individuellen Anwendbarkeit von Robust Design-Strategien (vgl. Unterabschnitt 2.4.4 – insbe-

sondere Abbildung 2.35):

• Unsicherheit reduzieren/eliminieren,

• Einflüsse der Unsicherheit reduzieren/unterdrücken und

• Auswirkungen der Unsicherheit reduzieren/verhindern.

Der konkrete Bezug und die Bereitstellung von Ansätzen zur Beherrschung von Unsicherheit

im betrachteten Kontext ist Gegenstand des Unterabschnitts 6.2.2.

6.2.2 Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit

Um die Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit begründet beurteilen zu können und

das Potential der betrachteten Messkonzepte bestmöglich auszuschöpfen, ist Wissen über

mögliche Ansätze zur Beherrschung von Unsicherheit notwendig. Die tatsächliche Beherr-

schung von Unsicherheit bezieht sich im betrachteten Kontext auf die Vermeidung negativer

Auswirkungen von Unsicherheit. Diese werden durch die Bedeutung der Unsicherheit in Un-

terschnitt 6.2.1 beurteilt. Entsprechend werden im Folgenden Ansätze betrachtet, die einge-

setzt werden können, um die Bedeutung der Unsicherheit zu reduzieren. Hierzu wird die zur

Identifikation von Unsicherheit verwendete Differenzierung von Kontext-, Modell- und Da-

tenunsicherheit in Abschnitt 6.1 als Ausgangspunkt aufgegriffen und mit Robust Design-

Strategien verknüpft. Die in Unterabschnitt 6.2.1 weiterhin beurteilte Schwere der Unsicherheit

ist relevant, wenn ein Mangel an Informationen bzw. Wissen vorliegt. Dementsprechend

werden exemplarisch Ansätze zum zielgerichteten Informationsgewinn bzw. Wissensaufbau

aufgeführt.

Bedeutung der Unsicherheit

Die Ansätze, um die identifizierte Unsicherheit durch eine Reduktion der Bedeutung zu

beherrschen, unterscheiden sich je nach Manifestation der Unsicherheit. Der in Abschnitt 6.1,

insbesondere in Abbildung 6.2, eingeführte Ansatz zur differenzierten Identifikation von

Unsicherheit stellt den Ausgangspunkt zur Reduktion der Bedeutung der identifizierten Unsi-

cherheit dar. Jedes aufgeführte Element im modifizierten Fehlzustandsbaum stellt einen mög-

lichen Ansatzpunkt dar.

Kontextunsicherheit, die gemäß Unterabschnitt 6.1.1 aus Stör- und Nebengrößen resultiert

und sich indirekt über eine Verursachung von Daten- und Modellunsicherheit negativ auf die

Funktionsfähigkeit der angestrebten Messfunktion auswirkt, lässt sich prinzipiell über alle drei

Robust Design-Strategien (vgl. Unterabschnitt 2.4.4 – insbesondere Abbildung 2.35) beherr-

schen:

• Stör- und Nebengrößen reduzieren/eliminieren,

• Einflüsse der Stör- und Nebengrößen reduzieren/unterdrücken und

• Auswirkungen der Stör- und Nebengrößen reduzieren/verhindern.378

378 Nähre Ausführungen hierzu können bspw. Mathias (2016), S. 104 ff. entnommen werden.

Page 143: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

128

Modellunsicherheit, die sich gemäß Unterabschnitt 6.1.2 aus der Nicht-Berücksichtigung von

physikalischen Effekten in Form einer direkten oder indirekten Überlagerung des beabsichtig-

ten Effekts ergibt, lässt sich bzgl. ihrer Bedeutung durch eine Berücksichtigung der auftreten-

den Überlagerungen beherrschen. Hierzu kann das vorliegende Modell um die bisher nicht

berücksichtigten direkten und/oder indirekten Überlagerungen des beabsichtigten Effekts

erweitert werden.

Datenunsicherheit, die gemäß Unterabschnitt 2.3.1 die Eingangsgrößen eines Systems bzw.

dessen Modells betrifft, kann je nach vorliegender Ausprägung durch Ergreifen individueller

Gegenmaßnahmen reduziert werden:

• Datenunvollständigkeit – Vervollständigung der notwendigen Daten bspw. durch wei-

tere Messung,

• Datenungenauigkeit – Verbesserung der Datengenauigkeit bspw. durch die Nutzung

eines alternativen Messverfahrens oder im Fall von Gestaltparametern durch eine

zusätzliche Vermessung der relevanten Merkmale des Ausgangssystems. Der Einfluss

von (statischer) Datenungenauigkeit kann weiterhin durch eine Kalibration des Mess-

systems reduziert werden,

• Variation in den Eingangsdaten – Variation durch eindeutige Betrachtung definierter

Zustände unterbinden oder Variation im Modell der Auswertung berücksichtigen

(→ Modellunsicherheit).

Schwere der Unsicherheit

Um die Schwere der Modell- und Datenunsicherheit sowie ggf. der verursachenden Kontextun-

sicherheit zu reduzieren, müssen Informationen bzw. Wissen über die unsicheren Merkmale,

Einflüssen und/oder Beziehungen gewonnen werden. Im Rahmen der Entwicklung von Pro-

dukten wird diese Vorgehensweise der Detaillierung und Ausarbeitung allgemein als Konkre-

tisierung bezeichnet. Dementsprechend sind gängige Methoden zur Konkretisierung aus der

Produktentwicklung anwendbar, um die Schwere der Unsicherheit zu reduzieren. Beispiele

hierfür stellen

• gezielte Versuche bspw. mithilfe von Prototypen,

• Berechnungen oder Simulationen sowie

• Recherchen in der Literatur oder durch Diskussionen (Rückgriff auf bestehendes

Wissen)

dar.379

379 Siehe hierzu auch weiterführende Literatur aus der Produktentwicklungsmethodik bspw. Pahl und Beitz

(2007), S. 265 ff.

Page 144: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

129

7 Initiale Evaluation der Ergebnisse

Die Evaluation eines Modells oder einer Methode zielt nach BLESSING & CHAKRABARTI darauf

ab, die Anwendbarkeit im Kontext einer betrachteten Situation sowie den Einfluss auf die

betrachte Situation wissenschaftlich zu untersuchen.380 Eine allgemeinere, zu dieser Auffas-

sung konsistente Definition, beschreibt SPIEL: „Evaluationsforschung untersucht wissenschafts-

gestützt unter Berücksichtigung geltender Standards die Effektivität (Ausmaß der Zielerreichung)

und Effizienz (Verhältnis von Aufwand und Nutzen) von Gegenständen.“381 Gegenstände können

dem zugrunde gelegten Verständnis nach u. a. allgemein Maßnahmen, Prozesse oder Metho-

den sein.382

Gemäß Kapitel 4 wird mit dieser Arbeit die Entwicklung eines Ansatzes zur Verbesserung bzw.

Unterstützung der Lösung eines wiederkehrenden Problems in einer verbreitet auftretenden

Situation (vgl. Kapitel 1) angestrebt: Die Auswahl und Festlegung von Messgrößen zur Erfas-

sung einer definierten Zustandsgröße in einem bestehenden technischen System. Dementspre-

chend stellt Evaluationsforschung nicht das primäre Ziel dieser Arbeit dar. Die finale Anwend-

barkeit und angenommenen positiven Auswirkungen, oder allgemein die Effektivität und

Effizienz des entwickelten Ansatzes, müssen an der Verbesserung der in der Motivation (vgl.

Kapitel 1) dargestellten Situation bzw. der Lösung des als wiederkehrend identifizierten Prob-

lems evaluiert werden. Entsprechend viele Aspekte und Einflussfaktoren müssen in diesem

Zusammenhang berücksichtigt werden. Im Kontext dieser Arbeit ist exemplarisch die tatsäch-

liche Umsetzung des entwickelten Ansatzes, bspw. analog in Tabellenform383 oder als rech-

nerbasierte Anwendung384, als ein wesentlicher Einflussfaktor für die Anwendbarkeit und

damit auch die tatsächliche Verbesserung der in der Motivation dargestellten Situation anzu-

sehen. Weiterhin ist im Fall einer rechnerbasierten Implementierung des Ansatzes, ein maß-

geblicher Einfluss der konkreten Umsetzung auf das Ergebnis der Evaluation zu erwarten.

Dementsprechend ist eine vollständige Evaluation der Ergebnisse dieser Arbeit, auf der Basis

des den Zielen dieser Arbeit entsprechenden Entwicklungsniveaus, nicht abschließend durch-

führbar.

Um die Ergebnisse dieser Arbeit vor dem Hintergrund der in Abschnitt 4.2 definierten Ziele

dennoch beurteilen zu können und erste Schlussfolgerungen über die Beziehung zwischen der

Motivation, den Zielen und den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit ziehen zu können, ist

eine initiale Evaluation385 notwendig. Initial deswegen, weil sich die durchgeführte Evaluation

in erster Linie an den Zielen und Hypothesen gemäß Abschnitt 4.2 orientiert und darüber

380 Vgl. Blessing und Chakrabarti (2009), S. 181 ff. 381 Spiel et al. (2010), S. 2, nach SPIEL (2003): „Wissenschaftliche Evaluation – eine Maßnahme der Quali-

tätssicherung“ (kein Zugriff auf Primärquelle). 382 Vgl. Spiel et al. (2010), S. 2. 383 Eine analoge Umsetzung des entwickelten Ansatzes wird aufgrund des Umfangs sowie der durchzufüh-

renden Iterationen als unvorteilhaft eingeschätzt und vom Autor nicht angestrebt bzw. empfohlen. 384 Der logische und systematische Aufbau des Ansatzes lässt eine rechnerbasierte Implementierung zu.

Entsprechend ist nach Ansicht des Autors eine solche Umsetzung bspw. in Form einer Web-Anwendung

perspektivisch anzustreben. 385 Die Verwendung und das Verständnis des Begriffs der initialen Evaluation geht auf die Ausführungen

von Blessing und Chakrabarti (2009), S. 195 und 208 f. zurück.

Page 145: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

130

hinaus exemplarisch einen Ausblick auf eine Evaluation vor dem Hintergrund der in der

Motivation dargestellten Situation gibt. Es werden hierzu im Folgenden zwei Aspekte unter-

sucht:

• Erreichung der Zielsetzung (Verifikation)

Wurde die Zielsetzung vor dem Hintergrund der in Abschnitt 4.2 aufgeführten Hypo-

thesen erreicht?

➢ Logische Argumentation und Begründung auf Basis eines Abgleichs zwischen den

definierten Zielen und den erzielten Ergebnissen

• Zusammenhang zwischen Ergebnissen und Motivation (Validierung)

Haben die Ergebnisse einen positiven Einfluss auf die in der Motivation dargestellte

reale Situation und die identifizierte Problemstellung?

➢ Initialer Nachweis der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit der

Ergebnisse386, anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse in einem

Kooperationsprojekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und pmd, zur

Entwicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers

7.1 Erreichung der Zielsetzung

Ausgehend von der in Abschnitt 4.2 definierten Zielsetzung und der zugrundeliegenden

Hypothesen, wird in diesem Abschnitt eine Beurteilung der Ergebnisse dieser Arbeit in Form

einer logischen Verifikation durchgeführt. Hierzu werden entsprechende Beurteilungskriterien

aus der Zielsetzung und den Hypothesen abgeleitet. Die beiden aufeinander aufbauenden Ziel-

setzungen aus Abschnitt 4.2 werden getrennt betrachtet. Da die Beantwortung der in Abschnitt

4.3 jeweils aufgestellten (Teil-)Forschungsfragen die Grundlage zur Erreichung der Zielset-

zung darstellt, wird deren Beantwortung implizit mit beurteilt.

Erste Zielsetzung – Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer system-

individuellen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen mittels Katalogsystem

➢ Wurden die in Abschnitt 5.2 definierten Anforderungen […] erfüllt?

Der Erfüllungsgrad der in Abschnitt 5.2 definierten Anforderungen ist in Tabelle 7.1 differen-

ziert für jede Anforderung, inklusive einer kurzen Begründung, dargestellt.

386 Nach Üreten et al. (2019) umfasst der Validierungsbegriff weiterhin die Akzeptanz einer Methode. Die

Akzeptanz der Ergebnisse kann aufgrund der exemplarischen Anwendung zum Zeitpunkt der Arbeit

(noch) nicht begründet beurteilt werden.

Page 146: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

131

Tabelle 7.1: Beurteilung des Erfüllungsgrads der definierten Anforderungen durch den

entwickelten Ansatz eines Katalogsystems physikalischer Effekte

Glie-

de-

rung

Art der

Anforde-

rung

Nr.

Be-

zeich-

nung

Erläuterung und Beurteilung

des Erfüllungsgrads

Gli

ed

eru

ng u

nd

Au

fbau

FF 1.

Voll

stän

dig

keit

un

d A

uf-

bau

des

Gli

ed

eru

ngst

eil

s

Da der Aufbau und Inhalt entsprechend der klassischen Physik in Ver-

knüpfung mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung

aufgebaut ist und somit auf die allgemeingültige Energie-Bilanzierung

zurückzuführen ist, wird diese Anforderung als erfüllt bewertet. Dar-

über hinaus kann, unter Einbezug der zweiten Anforderung über den

Vergleich zu bestehenden physikalischen Katalogsystemen nach

KOLLER und ROTH, die Einschätzung bestätigt werden.

FF 2.

Zw

eck

mäß

igkeit

des

Gli

ed

eru

ngst

eil

s

Da sowohl aus der praktischen Erfahrung heraus als auch aus dem

Vergleich mit bestehenden physikalischen Katalogsystemen nach

KOLLER und ROTH entsprechende abgeleitete Größen im Gliede-

rungsteil aufgeführt werden, wird diese Anforderung als erfüllt be-

wertet. Sollte es sich im Rahmen der weiteren praktischen Anwen-

dung als vorteilhaft erweisen bestimmte abgeleitete Größen darüber

hinaus zu berücksichtigen, ist dies gemäß der sechsten Anforderung

möglich.

FF 3.

Ein

deu

tigkeit

Durch die systematische Berücksichtigung der Funktionsgrößen und

der funktionsrelevanten Gestaltparameter (vierten Anforderung)

wird eine eindeutige Unterscheidung zwischen Systemvariablen bzw.

Funktionsgrößen und Gestaltparametern vollzogen. Damit wird die-

ser Anforderung entsprochen.

FF 4.

Fu

nkti

on

sgrö

ßen

un

d

Gest

alt

para

mete

r

Nach dem Verständnis der mehrpolbasierten Modellbildung, werden

neben den Funktionsgrößen in Form der Primär-, Fluss- und Potenti-

algröße sowie des Extensums auch die, den Zusammenhang zwischen

den genannten Größen herstellenden, funktionsrelevanten Gestaltpa-

rametern und die Zeit, logisch abgeleitet und im entsprechenden Glie-

derungsteil aufgeführt. Folglich ist die Anforderung als erfüllt zu be-

urteilen.

FF 5.

Zu

gri

ffst

eil

Eff

ektk

ata

log

Um dem Anwendenden eine Vorauswahl der potentiell nutzbaren

physikalischen Effekte zu ermöglichen, werden aus effektspezifischen

Anforderungen und Randbedingungen notwendige Eigenschaften des

technischen Systems abgeleitet und im Zugriffsteil des Effektkatalogs

aufgeführt. Dieser Schritt wird über die Feststellung nach

PAHL & BEITZ begründet, dass sich die notwendigen Voraussetzungen

eines technischen Systems zur Realisierung eines physikalischen Ef-

fekts über die geometrischen, stofflichen und kinematischen Eigen-

schaften des technischen Systems beschreiben lassen. Entsprechend

wird der Effektkatalog dieser Anforderung gerecht.

Fortsetzung auf der nächsten Seite…

Page 147: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

132

Glie-

de-

rung

Art der

Anfor-

derung

Nr.

Be-

zeich-

nung

Erläuterung und Beurteilung

des Erfüllungsgrads

Inh

alt

FF 6.

Erw

eit

erb

ark

eit

/

Aktu

ali

sierb

ark

eit

Aufgrund des bisher verfolgten Aufbaus der Effektmatrix und des zu-

gehörigen Effektkatalogs in Form einer zwei- bzw. eindimensionalen

Tabelle, sind sowohl die Gliederungsteile als auch die aufgeführten

Inhalte ggf. erweiterbar und aktualisierbar. Somit ist diese Anforde-

rung erfüllt.

FF 7.

ltig

keit

Da die Inhalte den Grundgesetzen der klassischen Physik genügen,

wird der Forderung nach Allgemeingültigkeit und Übertragbarkeit in

diesem Rahmen entsprochen.

FF 8.

Wid

er-

spru

chsf

reih

eit

Der Aufbau und die Inhalte der entwickelten Effektmatrix und dem

zugehörigen Effektkatalog genügen den Grundgesetzen der klassi-

schen Physik. Daher ist die Widerspruchsfreiheit in diesem Rahmen

gegeben.

ZF 9.

Voll

stän

dig

keit

der

au

fgefü

hrt

en

Eff

ekte

Die Basis der aufgeführten Effekte bilden die, in der Zuordnungs-

matrix nach KOLLER und der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH ent-

haltenen Effekte. Physikalische Effekte, die bisher nicht erfasst wur-

den sowie etwaig auftretende neue Erkenntnisse, können in der Ef-

fektmatrix zeilen- und spaltenweise ergänzt bzw. aktualisiert werden

(sechste Anforderung). Die Vollständigkeit der aufgeführten Effekte

hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit und ins-

besondere die „Vollständigkeit“ der Lösungssuche in einer späteren

Anwendung, das eigentliche logische Konzept ist hingegen davon un-

abhängig.

An

wen

dbark

eit

ZF 10.

An

wen

dbark

eit

Durch die abstrakte Betrachtung auf der Ebene physikalischer Effekte,

wird die Anwendbarkeit für einen möglichst großen Nutzerkreis und

entsprechend individuell verfolgte Ziele konzeptionell ermöglicht.

Einen maßgeblichen Einfluss auf die tatsächliche Anwendbarkeit hat

die perspektivische Umsetzung der Ergebnisse bspw. in einer rechner-

basierten Anwendung.

W 11.

Zu

gri

ff

Durch die Anwendung eines zweidimensionalen Übersichtskatalogs

und eines eindimensionalen Detailkatalogs mit strukturiert aufbauen-

dem Informationsgehalt, wird ein Vorgehen in zwei Schritten ermög-

licht. Wobei jeweils konsequent hierarchisch strukturierte Gliede-

rungs- und Zugriffsmerkmale verwendet werden. Der Informations-

gehalt der jeweiligen Hauptteile der beiden Kataloge ist hinsichtlich

eines effizienten Zugriffs aufgeteilt und aufeinander abgestimmt.

Hinsichtlich eines konkreten Zugriffs auf die enthaltenen Informatio-

nen, hat die perspektivische Umsetzung der Ergebnisse bspw. in einer

rechnerbasierten Anwendung, einen maßgeblichen Einfluss.

W 12.

Han

dh

abu

ng

Da die Handhabbarkeit der Inhalte von der perspektivischen Umset-

zung der Ergebnisse bspw. in einer rechnerbasierten Anwendung ab-

hängt, kann bzgl. dieses Wunsches (noch) keine Aussage getroffen

werden.

Page 148: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

133

➢ Ist es möglich, mithilfe der entwickelten Effektmatrix und dem entwickelten Ef-

fektkatalog, Zusammenhänge zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße

und potentiellen Messgrößen zu identifizieren, die mit den bestehenden Katalog-

systemen nach KOLLER oder ROTH nicht identifiziert werden können?

Der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Mess-

größen wird im Kontext dieser Arbeit als Ursache-Wirkung-Zusammenhang betrachtet und

mittels physikalischer Effekte hergestellt. Da physikalische Effekte allgemeingültig einen

Zusammenhang zwischen einer Ursache und einer Wirkung herstellen, kann gemäß Abschnitt

3.1 ein physikalischer Effektkatalog eingesetzt werden, um systematisch, ausgehend von der

Ursache, potentiell messbaren (Aus-)Wirkungen zu identifizieren. Die in Abschnitt 3.2 festge-

stellten Einschränkungen der bestehenden physikalischen Katalogsysteme nach KOLLER und

ROTH hinsichtlich der angestrebten Nutzung, wurden in Abschnitt 5.1 analysiert. Aufbauend

wurden in Abschnitt 5.2 Anforderungen an ein, dem angestrebten Verwendungszweck ent-

sprechend, geeignetes Katalogsystem abgeleitet. In Tabelle 7.1 wurde der Erfüllungsgrad

dieser Anforderungen beurteilt. Aufgrund der erfolgreichen Umsetzung der Anforderungen

kann begründet davon ausgegangen werden, dass die identifizierten konzeptionellen Ein-

schränkungen der betrachteten bestehenden Katalogsysteme im entwickelten Katalogsystem

behoben werden. Durch eine erneute Betrachtung der in den Abschnitten 3.2 und 5.1 darge-

stellten Beispiele, auf Basis des entwickelten Katalogsystems, kann diese Aussage an konkreten

Beispielen belegt werden.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass das entwickelte Katalogsystem und die Anwendung

dessen als Methode prinzipiell in der Lage ist, systematisch einen Zusammenhang zwischen

einer systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen unter Einbezug des

individuell betrachteten Systems herzustellen und abzubilden.

Zweite Zielsetzung – Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwickelten

Effektketten mittels einer Unsicherheitsbetrachtung

➢ Lässt sich, anhand der entwickelten Kriterien zur Beurteilung der systematisch

identifizierten Unsicherheit, gemäß der Hypothese die prinzipielle Funktionsfähig-

keit der entwickelten Effektketten begründet beurteilen?

Die Grundlage für die angestrebte Beurteilung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwi-

ckelten Effektketten, mittels einer Unsicherheitsbetrachtung, stellt die (systematische) Identi-

fikation der im betrachteten Messkonzept individuell auftretenden Unsicherheit dar. Da im

Rahmen dieser Arbeit keine Unsicherheitsforschung angestrebt wird, wird hierzu die Klassifi-

zierung von Unsicherheit nach KREYE ET AL.387 aufgegriffen, mit Ansätzen zur Identifikation

von Unsicherheit nach ENGELHARDT388 und MATHIAS389 kombiniert und auf die betrachtete

Situation übertragen. Da die dargestellten Ergebnisse in diesem Bereich logisch auf bestehende

Vorgehensweisen und Methoden zurückgeführt werden, wird von einer Gültigkeit gemäß der

ursprünglichen Arbeiten ausgegangen.

387 Kreye et al. (2011). 388 Engelhardt (2012). 389 Mathias (2016).

Page 149: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

134

Die Beurteilung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit der entwickelten Effektketten geht auf

eine Beurteilung der, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden Auswirkungen

zurück. Die Grundlage hierfür stellen die Betrachtung und der Vergleich von anforderungsge-

mäß zulässigen und maximal resultierenden Fehlergrenzen aus Sicht der Messtechnik dar.

Hierzu werden die beiden allgemein denkbaren Sichtweisen eingenommen. Zum einen

werden aus dem betrachteten System, der zu beurteilenden Effektkette sowie der zulässigen

Fehlergrenze Δy Anforderungen an einen Sensor abgeleitet und anschließend geprüft, ob ein

entsprechender Sensor verfügbar und einsetzbar ist. Zum anderen wird abgeschätzt, welche

Folgen der Einsatz eines bestimmten Sensors, inklusive der durch den Sensor eingebrachten

Unsicherheit, auf die resultierende Fehlergrenze Δyuns der zu bestimmenden Zustandsgröße YZ

hat. Auf diese Weise ist es möglich, die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit, hinsichtlich

der messtechnischen Nutzung der entwickelten Effektkette, begründet zu beurteilen. Quanti-

fiziert wird die Bedeutung durch das dimensionslose Verhältnis 𝑈∆𝑦 aus der maximalen, aus

der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abweichung Δyuns und der maximal zulässige

Messabweichung Δy. Für 𝑈∆𝑦 ≤ 1 ist die identifizierte Unsicherheit in diesem Entwicklungssta-

dium als tolerabel einzuschätzen. Für 𝑈∆𝑦 > 1 hingegen ist die Unsicherheit als potentiell kri-

tisch anzusehen und das Konzept kann gegenüber alternativen Konzepten begründet zurück-

gestellt bzw. verworfen werden.

Die Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit setzt ein Mindestmaß an

Informationen über die ausschlaggebende Unsicherheit voraus. Dieser Aspekt wird durch die

parallele Beurteilung der Schwere der jeweils betrachteten Unsicherheit berücksichtigt. Die

Beurteilung und vorgenommene Differenzierung geht auf Ergebnisse des SFB 805 in Form des

erweiterten Unsicherheitsmodells390 zurück. Durch die differenzierte Beurteilung der Schwere

der Unsicherheit wird deutlich, welche Informationen vorhanden bzw. verfügbar sind und

welche noch zu erarbeiten sind, um die Bedeutung begründet abschätzen zu können.

Da sich die betrachteten Effektketten bzw. potentiellen Lösungen auf einem konzeptionellen

Entwicklungsniveau befinden, können sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identi-

fizierten Unsicherheit vom Entwickelnden noch konzeptionell beeinflusst werden. Folglich ist

die reine Beurteilung dieser beiden Aspekte auf der Konzeptebene nur für einen spezifischen

Stand möglich und hinsichtlich des Endergebnisses nur eingeschränkt aussagekräftig. Das

Potential, die identifizierte Unsicherheit ggf. konzeptionell zu beherrschen, muss im Rahmen

einer begründeten Beurteilung entsprechend mitberücksichtigt werden. Durch die Beurteilung

der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit wird diesem Umstand entsprochen. Um

das Potential einer prinzipiellen Lösung hinsichtlich der Beherrschbarkeit der identifizierten

Unsicherheit beurteilen zu können, ist Wissen über die prinzipiellen Ansätze zur Beherrschung

der Unsicherheit notwendig. Die entsprechend entwickelten Ansätze gehen auf das Prinzip des

Robust Designs zurück und werden im Rahmen dieser Arbeit mit der Klassifizierung nach

KREYE ET AL.391 verknüpft. Da dieses Vorgehen logisch auf bestehende und etablierte Ansätze

zurückzuführen ist, wird von dessen Gültigkeit ausgegangen.

390 Vgl. Lotz (2018) S. 37. 391 Kreye et al. (2011).

Page 150: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

135

Zusammenfassend wird festgestellt, dass ausgehend von einer Beurteilung der Bedeutung der

identifizierten Unsicherheit anhand der resultierenden Fehlergrenze, dem Sicherstellen eines

Mindestmaßes an Information, mittels der Beurteilung der Schwere der Unsicherheit, sowie

dem Einbeziehen des Potentials einer prinzipiellen Lösung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit

eines entwickelten Messkonzepts begründet abgeschätzt werden kann.

7.2 Anwendung des entwickelten Ansatzes im Rahmen der Entwicklung

eines sensorintegrierenden Gleitlagers

Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse dieser Arbeit, sind anhand der

Verbesserung der in der Motivation dargestellten Situation zu beurteilen. Im Rahmen dieser

Arbeit wird ein initialer Nachweis der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit

der Ergebnisse anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse, in einem Kooperati-

onsprojekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem Fachgebiet pmd zur Ent-

wicklung eines sensorintegrierenden Gleitlagers, erbracht. Die inhaltliche Bearbeitung des

Kooperationsprojekts erfolgte von Seiten des pmds durch Herrn Harder, M. Sc. (wissenschaft-

licher Mitarbeiter aus dem Arbeitsbereich Smart Bearings) und dem Maschinenbaustudenten

Herrn Groß, B. Sc. Auf diese Weise wurde eine direkte Selbstevaluation und potentielle Ein-

flussnahme des Autors vermieden.

7.2.1 Grundlagen und Randbedingungen

Das Ziel des Kooperationsprojekts zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem

Fachgebiet pmd ist die Entwicklung eines Messkonzeptes zur Erfassung des Verschleißes von

selbstschmierenden Gleitlagerbuchsen. Im Sinne sensorischer Maschinenelemente ist die

Erfassung des Verschleißes in-situ, d. h. im Maschinenelement, umzusetzen. Konkreter Ent-

wicklungsgegenstand ist die, aus einem faserverstärkten Kunststoffverbundwerkstoff beste-

hende, selbstschmierende Gleitlagerbuchse Deva.tex 552.

Die betrachtet Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 ist zweischichtig aus einer Tragschicht und einer

Gleitschicht aufgebaut (vgl. Abbildung 7.1). In der Herstellung wird zunächst die Gleitschicht

und anschließend die Tragschicht des Lagers auf einen Wickeldorn aufgewickelt (vgl. auch

Abbildung 7.5). Die Gleitlagerbuchse besteht aus durchgehend gewickelten und in Epoxidharz

eingebetteten Fasern. Als Festschmierstoff ist in den Fasern der Gleitschicht Polytetrafluo-

rethylen (PTFE) und im Epoxidharz Graphit enthalten. Die aus glasfaserverstärktem Epoxid-

harz bestehende Tragschicht der Gleitlagebuchse wird im Anschluss an die Wicklung der Gleit-

schicht auf diese aufgewickelt. Anschließend werden die sich auf dem Wickeldorn befindende

Gleit- und Tragschicht für 30 bis 45 Minuten bei 90 °C angeliert und abschließend, je nach

Durchmesser, bei 180 °C für zwei bis drei Stunden ausgehärtet. Nach dem Aushärten wird der

Wickeldorn gezogen, die Oberfläche geschliffen und das entstandene Rohr entsprechend der

angestrebten Lagerbreite abgelängt. Die so entstandenen Gleitlagerbuchsen werden abschlie-

ßend mit einer Montagefase versehen und, im Fall eines Präzisionslagers, an der Gleitfläche

zusätzlich spanend bearbeitet.

Page 151: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

136

Tragschicht Gleitschicht

Abbildung 7.1: Gleitlagerbuchse deva.tex 552

Die Montage der Gleitlagerbuchsen in die vorgesehenen Lageraufnahmen erfolgt mittels Ein-

pressen über einen Einpressdorn bzw. ab einem Innendurchmesser von 150 mm optional

durch Einsetzten der mit flüssigem Stickstoff unterkühlten Gleitlagerbuchsen. Referenzanwen-

dungen sind nach Angabe des Herstellers u. a. Wasserturbinen, Windkraftanlagen, Land-, Bau-

und Erdbewegungsmaschinen sowie Schienenfahrzeuge.392

Aufgrund des Wirkprinzips der betrachteten Gleitlagerbuchse, tritt im Betrieb Festkörperrei-

bung zwischen der Gleitschicht der Lagerbuchse und der Welle auf. Der in der Gleitschicht

enthaltene Schmierstoff wird durch einen kalkulierten Verschleiß der Gleitschicht freigesetzt.

Dementsprechend ist ein Verschleiß der Gleitschicht prinzipbedingt notwendig. Die auftreten-

den tribologischen Effekte bestimmen hierbei einerseits den mechanischen Widerstand gegen-

über einer Relativbewegung zwischen Gleitlagerbuchse und Welle sowie andererseits den

resultierenden Verschleiß aufgrund der auftretenden Reibung. Der im Normalfall primär an

der Gleitlagerbuche auftretende, kalkulierte Verschleiß wird als der fortschreitende Material-

verlust aus der Oberfläche der Gleitlagerbuchse, in Folge der tribologischen Beanspruchung

durch die auftretende Festkörperreibung, definiert.393 Kennzeichnen lässt sich der auftretende

Verschleiß über Verschleißmessgrößen, welche die verschleißbedingte Veränderung der

Gestalt oder Masse eines Körpers beschreiben.394 Je nach Dimension des Verschleißes werden

Verschleißlängen Wl, Verschleißflächen WA oder Verschleißvolumen WV unterschieden. Das

Verschleißvolumen ist über die Dichte des verschleißenden Körpers mit der alternativ verwen-

den Verschleißmasse WM gekoppelt.395 Die im Kontaktbereich eines tribologischen Systems

ablaufenden physikalischen und chemischen Wechselwirkungen, die für den makroskopischen

Verschleiß ursächlich sind, werden als Verschleißmechanismen bezeichnet. Differenziert

werden diese in Oberflächenzerrüttung, Abrasion, Adhäsion und tribochemische Reaktio-

nen.396 Da das zu entwickelnde Messkonzept anforderungsgemäß den gleichmäßig und

kontinuierlich auftretenden makroskopischen Verschleiß (vgl. Abbildung 7.2 a) erfassen soll,

392 Die Referenzanwendungen wurden der Homepage des Herstellers (http://deva.de/de/lieferprogramm-

/lieferprogramm-/deva-tex) am 31.08.2020 entnommen. 393 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127. 394 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127 f. 395 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 127 ff. 396 Vgl. Czichos und Habig (2015), S. 132.

Weitere (detaillierte) Informationen zu den einzelnen Verschleißmechanismen können der Fachliteratur

auf dem Gebiet der Tribologie, bspw. Czichos und Habig (2015), S. 133 ff., entnommen werden.

Page 152: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

137

ist eine weitere Differenzierung der Verschleißmechanismen für die Konzeptentwickung nicht

unmittelbar relevant. Überwiegend abrasiver Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das

Lager und daraus resultierende Riefenbildung (vgl. Abbildung 7.2 b), Adhäsionseffekte auf-

grund von Lager- oder Wellenpartikeln im Spalt zwischen Welle und Lager, ein Brechen der

gesamten Gleitlagerbuchse durch eine Überlastung oder eine Delamination der Gleitschicht

aufgrund zu hoher Adhäsionskräfte oder Betriebstemperaturen können, nach Angaben der

Firma Federal-Mogul DEVA GmbH, unter den genannten Bedingungen auftreten, sollen aber

bewusst nicht Gegenstand der Betrachtung sein.

verschlissener Bereich

a) b)

Abbildung 7.2: Verschleiß einer Gleitlagerbuchse Deva.tex 552397

a) Kalkulierter Verschleiß aufgrund tribologischer Beanspruchung durch Festkörperreibung

b) Abrasiver Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das Gleitlager

Die Grundlage zur Identifikation potentieller Messgrößen und zur anschließenden Entwick-

lung von Messkonzepten, stellt die Festlegung der zu erfassenden Größe, des Betrachtungs-

umfangs in Form der Systemgrenze sowie eine Anforderungsermittlung dar. Gemäß der ein-

geführten Verschleißmessgrößen wird die radiale Abnahme der Gleitschicht bzw. die verblei-

bende Dicke d der Gleitschicht, nach Absprache mit der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH,

als zu erfassende Größe festgelegt. Der Betrachtungsumfang beschränkt sich auf die Gleitla-

gerbuchse Deva.tex 552 sowie die unmittelbaren Schnittstellen zum umgebenen System in

Form einer Welle und dem Lagersitz im Gehäuse. Wesentliche Anforderungen an das zu ent-

wickelnde Messkonzept zur Erfassung des Verschleißes der Gleitlagerbuchse sind:

• Die Sensorik ist in die Gleitlagebuchse zu integrieren

o Bauraumneutralität gegenüber konventioneller Gleitlagerbuchse, um Aus-

tauschbarkeit zu gewährleisten und Anpassungen am Lagersitz bzw. Gehäuse

vermeiden zu können

o Integration der zusätzlichen Fertigungsschritte in den bestehenden Fertigungs-

prozess, um möglichst geringen zusätzlicher Fertigungs-/Montageaufwand zu

397 Eigene Darstellung, nach Groß (2020), S. 11; Die Bilder wurde mit freundlicher Genehmigung von der

Firma Federal-Mogul DEVA GmbH zur Verfügung gestellt.

Page 153: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

138

erreichen (Sensorik muss Aushärtetemperatur von 180°C zwei bis drei Stunden

ertragen können)

• Berührungslose Messung, um mechanischen Verschleiß an der Messeinrichtung auszu-

schließen

• Betriebssicherheit für Anwendende

• Möglichst geringe Mehrkosten im Vergleich zur bestehenden Gleitlagerbuchse

Konkrete Anforderungen hinsichtlich der zulässigen Messabweichung bzw. Genauigkeit der

Verschleißmessung werden im Rahmen der Konzeptentwicklung unternehmensseitig nicht als

Anforderungen definiert. Aus diesem Grund wird angenommen, dass ein Verschleiß im

Bereich von bis zu 1 mm, was der Dicke d der nicht verschlissenen Gleitschicht entspricht,

erfasst werden soll. Weiterhin wird die zu erreichende Genauigkeit mit Δd=0,1 mm, d. h. 10

% des Messbereichsendwerts, abgeschätzt.

7.2.2 Identifikation potentieller Messgrößen und Entwicklung von

Messkonzepten zur Erfassung des Verschleißes einer selbstschmierenden

Gleitlagerbuchse

Die Identifikation potentieller Messgrößen geht von der eigentlich zu erfassenden, verschleiß-

bedingt verbleibenden, Dicke d der Gleitschicht aus. Da das Ableiten weiterer potentieller

Messgrößen keinen Selbstzweck darstellt, ist vorab zu prüfen, ob die zu erfassende Dicke d

mit verfügbarer Sensorik anforderungsgemäß erfasst werden kann. Hierzu wird eine allge-

meine Sammlung bestehender Abstandsensoren von HERING & SCHÖNFELDER398 genutzt.

Es wird festgestellt, dass induktive und kapazitive Abstandssensoren bzgl. ihres üblichen Mess-

bereichs und ihrer Genauigkeit prinzipiell zur angestrebten Verschleißerfassung infrage

kommen. Insbesondere aufgrund ihres Bauraums und des vom jeweiligen Sensorhersteller

empfohlen Einsatzgebiets, konnten aber keine kommerziell verfügbaren induktiven oder

kapazitiven Abstandssensoren ermittelt werden, die allen anwendungsspezifischen Anforde-

rungen gerecht geworden wären.399

Aus diesem Grund wird eine Identifikation alternativer potentieller Messgrößen mithilfe des ent-

wickelten Ansatzes, d. h. auf Basis von physikalischen Effektkatalogen, durchgeführt. Die Grund-

lage stellen dabei die Katalogsysteme nach ROTH400 und KOLLER401 dar. Das Ableiten potentiel-

ler Messgrößen wird gemäß des in Unterabschnitt 5.5.3 beschrieben Vorgehens umgesetzt.

Die zu erfassende Dicke d wird hierzu als Gestaltparameter in Form einer Länge l betrachtet.

Es werden gemäß Unterabschnitt 5.4.2 systemspezifische physikalische Effekte gesucht, in

deren Gesetzmäßigkeit der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung über den Gestalt-

parameter der Länge l hergestellt wird. Das prinzipielle Vorgehen sowie ein Überblick über

die Anzahl an identifizierten physikalischen Effekten werden in Abbildung 7.3 visualisiert.

398 Siehe Hering und Schönfelder (2018), S. 127 ff. 399 Vgl. Groß (2020), S. 15. 400 Vgl. Roth (2000), S 114 ff. 401 Vgl. Koller (1998), S. 548 ff.

Page 154: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

139

Ausgangspunkt:

Zu erfassende Dicke d der Gleitschicht der Lagerbuchse

Identifikation geeigneter Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge

YZ = f(Xmess,pot, l , ) mittels physikalischer Effektkataloge

Gestaltparameter der

Länge l

Prüfung der Systemverträglichkeit:

Abgleich der effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen mit den vorliegenden Eigenschaften

des betrachteten Systems unter Einbezug potentiell denkbarer Modifikationen der Systemeigenschaften

Identifikation von 34

potentiell geeigneten physikalischen Effekten

Ergebnis:

4 relevante physikalische Effekte identifiziert,

die prinzipiell zur Bestimmung der verschleißbedingt verbleibenden Dicke d

der Gleitschicht nutzbar sind

Abbildung 7.3: Vorgehen zur Identifikation sowie Überblick über die Anzahl an identifizierten

physikalischen Effekten, die prinzipiell zur Bestimmung der Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind

GROß identifiziert unter Anwendung des entwickelten Ansatzes in Summe 34 allgemeine physi-

kalische Effekte, in denen der Ursache-Wirkung-Zusammenhang vom Gestaltparameter der

Länge l abhängig ist. Die erfassten physikalischen Effekte untersucht GROß anschließend auf

ihre Verträglichkeit mit dem betrachteten System.402 Das konvergente Vorgehen ausgehend

von den 34 erfassten allgemeingültigen physikalischen Effekten, hin zu systemspezifisch rele-

vanten Effekten, geht in Teilen auf einen Arbeitsstand des, in Unterabschnitt 5.4.2 beschrie-

benen, Zugriffsteils des Effektkatalogs zurück. Der Zugriffsteil des Effektkatalogs gemäß des

Unterabschnitts 5.4.2 basiert auf allgemeingültig formulierten notwendigen Eigenschaften

eines technischen Systems und zielt auf einen Abgleich dieser mit den effektspezifischen

Anforderungen und Randbedingungen ab. Dieses Vorgehen wendet GROß prinzipiell ebenfalls

an und bezieht darüber hinaus weitere systemspezifische Eigenschaften und Randbedingun-

gen in den Abgleich mit ein. Durch dieses Vorgehen werden insgesamt vier systemspezifische

relevante physikalische Effekte identifiziert, die prinzipiell zur Bestimmung der verschleißbe-

dingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind. Einen Überblick über die identifi-

zierten Effekte, eine kurze Erläuterung zum angedachten Messprinzip sowie eine jeweilige

Skizze sind in Tabelle 7.2 zusammengefasst.

402 Vgl. Groß (2020), S. 19 ff.

Page 155: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

140

Tabelle 7.2: Überblick über die vier identifizierten Effekte, die prinzipiell zur Bestimmung der

verschleißbedingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind

Physik.

Effekt Erläuterung Skizze403

Hall-

Effekt Wenn die Welle im Gleitlager als elektrischer Leiter

angenommen und von einem Strom durchflossen

wird, bildet sich um die Welle herum ein ringförmiges,

mit zunehmendem Abstand zu Welle abnehmendes

Magnetfeld. Ein in die Tragschicht der Lagerbuchse in-

tegrierter Hall-Sensor kann die magnetische Feld-

stärke des entstehenden Magnetfeldes messen. Mit zu-

nehmendem Verschleiß nähern sich Welle und Hall-

Sensor an. Infolgedessen nimmt die, durch den Hall-

Sensor messbare, magnetische Feldstärke zu.

Elektrische

Kapazität Während der Fertigung des Gleitlagers ist es möglich,

auf die gewickelte Gleitschicht eine Metallfolie aufzu-

legen und diese im Anschluss mit der Tragschicht der

Lagerbuchse zu überwickeln. Die eingelegte Metallfo-

lie kann zusammen mit einer metallischen, elektrisch

leitfähigen Welle als Zylinderkondensator betrachtet

werden. Die Gleitschicht stellt das Dielektrikum des

angenommenen Kondensators dar. Wenn sich die

Welle mit zunehmendem Verschleiß in die Gleit-

schicht der Lagerbuchse eingräbt, nimmt die Dicke des

Dielektrikums ab und infolgedessen die Kapazität des

modellierten Kondensators zu.

Ohm’sches

Gesetz Im konventionellen Zustand besitzt die Gleitschicht

der Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 einen mittleren

elektrischen Widerstand von R = 5,56· 1011 Ω. Durch

eine Verringerung dieses Widerstands bzw. die Erhö-

hung der Leitfähigkeit, ist es prinzipiell möglich, die

Lagerbuchse als elektrischen Leiter zu betrachten. Der

elektrische Widerstand eines Leiters ist abhängig von

seiner Länge. Auf diesen Fall übertragen, ist der elekt-

rische Widerstand prinzipiell von der Dicke d der

Gleitschicht abhängig. Durch eine verschleißbedingte

Abnahme der Dicke d der Gleitschicht nimmt deren

elektrischer Widerstand prinzipiell ab.

Um die benötigte Leitfähigkeit der Lagerbuchse her-

stellen zu können, liegen zwei prinzipielle Ansätze

vor: Zum einen eine Beimischung von Graphenpulver

zum Epoxidharz vor der Wicklung der Gleitschicht

oder zum anderen ein Einlegen eines elektrischen Lei-

ters während des Wickelprozesses der Gleitschicht.

403 Darstellungen von Groß (2020), S. 31 ff. übernommen.

Page 156: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

141

Physik.

Effekt Erläuterung Skizze403

Normal-

/Schub-

span-

nungen

Durch den fortschreitenden Materialverlust an der

Oberfläche der Gleitlagerbuchse gräbt sich die Welle

in die Gleitschicht der Lagerbuchse ein. In Folge des-

sen wächst der Kontaktwinkel zwischen Welle und La-

gerbuchse. Durch die resultierende Vergrößerung der

Kontaktfläche zwischen Welle und Lagerbuchse än-

dern sich die mechanischen Spannungszustände in-

nerhalb der Lagerbuchse. Die Messung von mechani-

schen Spannungen kann z. B. über den Zusammen-

hang zur Dehnung mittels DMS realisiert werden.

Aufbauend auf der Identifikation potentiell nutzbarer physikalischer Effekte und ersten Ansät-

zen zu möglichen Messprinzipien, werden in einem Konkretisierungsschritt Messkonzepte

erarbeitet. Zu diesem Zweck kommen je nach Bedarf überschlägige Berechnungen, erste FE-

Simulationen und Analogiebetrachtungen zum Einsatz.404 Ziel ist es, eine Grundlage für den

Vergleich und eine begründete Bewertung der Messkonzepte zu schaffen. Die Bewertungskri-

terien werden aus den definierten Anforderungen (vgl. Unterabschnitt 7.2.1) abgeleitet und

mittels eines Paarvergleichs wird deren individuelle Gewichtung bestimmt.405 Die drei mit der

höchsten Punktzahl bewerteten Konzepte sind in Tabelle 7.3, ihrer gewichteten Bewertungs-

punktzahl nach, aufgeführt.406

Tabelle 7.3: Übersicht über die drei am besten bewerteten Messkonzepte

gemäß der gewichteten Punktbewertung nach GROß407

Messkonzept Rang

Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator (Effekt der elektrischen Kapazität) 1.

Leitfähige Drähte in die die Gleitschicht einwickeln (Ohm’schen Gesetzes) 2.

Erfassung der Normal-/Schubspannungsänderungen über den Zusammenhang zur

Dehnung mittels eingewickelter DMS 3.

Die Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator, durch das Einwickeln einer Metallfo-

lie zwischen der Gleit- und Tragschicht der Lagerbuchse, ist am besten bewertet. Um das

Potential dieses Messkonzepts in einem Funktionstest nachweisen zu können, wird ein ent-

sprechender Demonstrator aufgebaut. Der schematische Aufbau des Demonstrators ist in

Abbildung 7.4 dargestellt.

404 Vgl. Groß (2020), S. 28 ff. 405 Vgl. Groß (2020), S. 50 ff. 406 Eine detaillierte und vollständige Beschreibung der durchgeführten Bewertung stellt Groß (2020), S. 50

ff. zur Verfügung. 407 Vgl. Groß (2020), S. 52 ff.

Page 157: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

142

Abbildung 7.4: Schematische Aufbau des Demonstrators zum Messkonzept

„Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator“ 408

Abbildung 7.5 zeigt die Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen. Zu sehen ist die

auf den Wickeldorn aufgewickelte Gleitschicht sowie die darauf applizierten Kupfer-Konden-

satorfolien und entsprechenden Kontaktierungen. Im Anschluss wird die Tragschicht aufgewi-

ckelt.

Abbildung 7.5: Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen

Aufbaus aus Abbildung 7.4 – Applizierte Kupfer-Kondensatorfolien auf der Gleitschicht409

Nach dem Aushärten wird die Oberfläche geschliffen und das entstandene Rohr entsprechend

abgelängt. An den Stellen, an denen die Kupferfolie nach außen zum Rand der Lagerbuchsen

verläuft, wird die Tragschicht des Lagers punktuell abgetragen und eine elektrische Kontak-

tierung mittels Kabel angebracht. Eine Aufnahme eines entsprechend gefertigten Demonstra-

tors ist in Abbildung 7.6 dargestellt.

408 Darstellung von Groß (2020), S. 58 übernommen. 409 Das Bild wurde mit freundlicher Genehmigung von der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH zur Verfügung

gestellt (vgl. auch Groß (2020), S. 58).

Page 158: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

143

Abbildung 7.6: Gefertigte Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen

Aufbaus aus Abbildung 7.4410

Erste von GROß durchgeführte Versuche zum Funktionsnachweis einer künstlich, mittels

Abdrehens, verschlissenen Demonstrator-Gleitlagerbuchse, zeigen eine Veränderung der

Kapazität mit zunehmendem Verschleiß. Abweichungen zwischen der prognostizierten Ände-

rung der Kapazität mit dem Verschleiß und der gemessenen Änderung der Kapazität an der

schrittweise abgedrehten Gleitlagerbuchse, sind noch genauer zu untersuchen.411 Es wurde

bereits festgestellt, dass eine Differenzierung der Umlaufbedingungen hinsichtlich einer vor-

liegenden Punkt- oder Umfangslast am Gehäuse bzw. der Gleitlagerbuchse notwendig ist. Die

initial prognostizierte Änderung der Kapazität mit dem Verschleiß der Gleitschicht, basierte

auf der Annahme einer Punktlast an der Gleitlagerbuchse. Dies entspricht bspw. einer klassi-

schen Anwendung der Gleitlagerbuchse in einem ruhenden Gehäuse mit einer rotierenden

Welle. Der im Versuch künstlich, durch ein schrittweises Abdrehen der Gleitschicht, erzeugte

Verschleiß hingegen, entspricht einer Verschleißform, die durch eine Umfangslast am Gehäuse

bzw. der Gleitlagerbuchse hervorgerufen wird.

7.2.3 Initiale Beurteilung der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit /

Brauchbarkeit des entwickelten Katalogsystems anhand des

Kooperationsprojekts

Der im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Ansatz, den Zusammenhang zwischen einer system-

spezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen zur Erfassung dieser mittels eines

physikalischen Katalogsystems herzustellen, wurde im Kooperationsprojekt zwischen der

Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und pmd, zur Konzeptentwicklung eines verschleißerfas-

senden sensorischen Gleitlagers, erstmalig unabhängig vom Entwickler des Ansatzes und

Autor dieser Arbeit angewendet. Auf diese Weise wurde eine direkte Selbstevaluation und

potentielle Einflussnahme des Autors vermieden.

410 Darstellung von Groß (2020) S. 58 übernommen. 411 Weiterführende Informationen zum Messaufbau und Messverfahren, der Abschätzung der zu erwarten-

den Messwerte, der darauf aufbauend durchgeführten Messung und den Schlussfolgerungen, sind Groß

(2020), S. 59 ff. zu entnehmen.

Page 159: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

144

Aufgrund des Entwicklungsstadiums des Katalogsystems, wurden zur initialen Validierung des

Ansatzes die etablierten Kataloge nach ROTH und KOLLER eingesetzt. Da diese Kataloge inhalt-

lich die Grundlage für ein Katalogsystem gemäß Kapitel 5 darstellen und im Hinblick auf die

geometrische Größe der Länge l unter Beachtung der Bedingungen gemäß Kapitel 3.1 prinzi-

piell zur Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen einsetzbar sind, kann das

erzielte Ergebnis als Indikator für die Anwendung eines nach Kapitel 5 aufgebauten Katalog-

systems herangezogen werden.

Die Anwendung des Ansatzes und das Ergebnis betreffend, reflektiert GROß im Projektbericht

zusammenfassend, „dass sich die Vorgehensweise […] durch die Verwendung des Sensorkataloges

im ersten Schritt und der anschließenden Lösungsfindung mittels Effektkatalogen als sehr effektiv

erwiesen hat. Mit Hilfe der Effektkataloge konnten fünf412 […] Messkonzepte inklusive des am

Ende gefertigten Demonstrators entwickelt werden. Mit dem Demonstrator wurde ein funktions-

fähiges Messkonzept für selbstschmierende Gleitlagerbuchsen ausgearbeitet, welches in seiner wei-

teren Entwicklung optimiert werden kann“.413 Weiterhin werden die erzielten Ergebnisse unter-

nehmensseitig von Herrn Kropp (Senior Engineering Manager der Federal-Mogul DEVA

GmbH) positiv bewertet: „In dem Gemeinschaftsprojekt „Entwicklung eines Messkonzeptes für

selbstschmierende Gleitlagerbuchsen“ mit [dem Fachgebiet pmd, Anm. des Autors] der TU

Darmstadt konnten wir beweisen, dass Faserverbundgleitlager mit einem angepassten Material-

aufbau in der Tat in der Lage sind, über ein kapazitives Messprinzip den momentanen Verschleiß

zu messen. Bei bestimmten Voraussetzungen ist dieses Gleitlagerkonzept in der Lage ohne zusätz-

liche externe Sensorköpfe den Verschleiß im Lager zu ermitteln. Für eine serielle Nutzung muss die

Herstellung der Lager geprüft werden und die Art und Weise der Kalibrierung als auch die Ent-

wicklung der nötigen Peripheriegeräte“.414

In einem nachfolgenden Interview415 mit Herrn GROß, wurde die positive Einschätzung bzgl.

der prinzipiellen Funktionsfähigkeit des Ansatzes sowie der Nützlichkeit bzw. Brauchbarkeit

im Rahmen der dargestellten Anwendung bestätigt. Die ersatzweise Verwendung der beiden

Katalogsysteme nach ROTH und KOLLER wurde insbesondere im Rahmen der Einarbeitung in

den Ansatz als „kompliziert“ beschrieben. Durch ein Nachvollziehen der zugrundeliegenden

Logik des entwickelten Ansatzes, wurde das Verständnis für den Ansatz und das Vorgehen

geschaffen. Weiterhin wurden die in Abschnitt 3.2 festgestellten Einschränkungen der beste-

henden Kataloge nach KOLLER und ROTH hinsichtlich des angestrebten Verwendungszwecks

bestätigt.

412 Anmerkung des Autors: In Tabelle 7.2 werden zwei prinzipielle Ansätze vorgestellt, um die benötigte

Leitfähigkeit der Gleitschicht herzustellen. Beide Ansätze werden in dieser Aussage als eigenes Messkon-

zept gewertet. 413 Groß (2020), S. 72. 414 Schriftliche Stellungnahme vom 08.10.2020 von Herrn Kropp als Senior Engineering Manager der

Federal-Mogul DEVA GmbH zu den Ergebnissen des Kooperationsprojekts. 415 Nachbesprechung des Kooperationsprojektes vor dem Hintergrund der initialen Evaluation des verwen-

deten methodischen Ansatzes zwischen Herrn Groß und Herrn Vorwerk-Handing am 16.04.2020.

Page 160: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

145

8 Darstellung und Einordnung der Ergebnisse

Im abschließenden Kapitel dieser Arbeit werden die zentralen Ergebnisse und die daraus

abgeleiteten Erkenntnisse in einem Fazit zusammengefasst und kritisch diskutiert. Im

Anschluss daran wird ein Ausblick hinsichtlich künftiger Forschungsthemen und einer per-

spektivischen Weiterführung der Ergebnisse dieser Arbeit gegeben.

8.1 Fazit

Die Verfügbarkeit zuverlässiger und aussagekräftiger Informationen über technische Systeme

stellt eine wesentliche Grundlage für die gegenwärtig rasch voranschreitende Digitalisierung

technischer Systeme, bspw. im Kontext der Zielvision „Industrie 4.0“, dar. Ein signifikanter

Anteil der momentan eingesetzten technischen Systeme wurde nicht vor diesem Hintergrund

entwickelt. Entsprechend erfüllen diese bestehenden technischen Systeme Anforderungen hin-

sichtlich der Bereitstellung benötigter Zustandsgrößen nicht zufriedenstellend. Die nachträg-

liche Integration von Messfunktionen in bestehende technische Systeme, durch einen Aus-

tausch einzelner Komponenten bzw. eine lokale Weiterentwicklung des bestehenden Systems,

stellt einen vielversprechenden Ansatz dar, um die notwendigen Zustandsgrößen zu erfassen

und daraus zuverlässige und aussagekräftige Informationen über das technische System zu

gewinnen.

In der Literatur wird im Zusammenhang mit Vorgehensmodellen zur Integration von Mess-

funktionen in (bestehende) technische Systeme auf die Bedeutung einer Vermeidung von Vor-

fixierungen bei der Lösungssuche, durch eine lösungsneutrale Diskussion verschiedener

potentieller Messgrößen, hingewiesen. Methodische Ansätze, die einen Zusammenhang zwi-

schen einer zu erfassenden Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, insbesondere unter

Berücksichtigung des bestehenden technischen Systems, herstellen, konnten in der Literatur

bisher hingegen nicht identifiziert werden.

Ein klassischer Ansatz der Produktentwicklungsmethodik stellt die Verwendung von physika-

lischen Katalogsystemen dar. Diese unterstützen den Prozess, ausgehend von einer zu reali-

sierenden Funktion hin zu einem realisierenden Wirkprinzip. Physikalische Katalogsysteme

ermöglichen hierbei die Verknüpfung einer angestrebten Wirkung mit potentiell einsetzbaren

Ursachen über bekannte physikalische Zusammenhänge. Der Grundgedanke den Zusammen-

hang zwischen physikalischen Größen allgemeingültig unter Verwendung physikalischer

Effektsammlungen herzustellen, wird in dieser Arbeit aufgegriffen und in umgekehrter Betrach-

tungsweise zur Identifikation potentieller Messgrößen (Wirkungen), ausgehend von einer zu

bestimmenden Zustandsgröße (Ursache), eingesetzt.

Darauf aufbauend werden zwei Ziele verfolgt, um die Auswahl und Festlegung von (einer)

Messgröße(n) zur Erfassung einer definierten Zustandsgröße in einem bestehenden techni-

schen System zu unterstützen:

(1) Methodische Herstellung eines Zusammenhangs zwischen einer systemspezifischen

Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Sys-

tems, durch eine Modellierung auf der Ebene physikalischer Effekte mithilfe einer Effekt-

matrix und eines zugehörigen Effektkatalogs.

Page 161: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

146

(2) Methodische Prüfung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten und

frühzeitiger Abbruch von Effektketten, die begründet nicht erfolgsversprechend sind.

Umsetzung anhand der Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von

Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsi-

cherheitsbetrachtung.

Zur Erreichung der genannten Ziele wurden die in Abschnitt 4.3 aufgeführten Forschungsfra-

gen dieser Arbeit beantwortet:

(1) Wie kann der Zusammenhang zwischen einer systemspezifischen Zustandsgröße und

potentiellen Messgrößen, unter Berücksichtigung des individuellen Systems, lösungsneutral

durch eine Modellierung mittels physikalischer Effekte, basierend auf einer Effektmatrix

und einem Effektkatalog, hergestellt werden?

a) Warum sind bestehende Effektmatrizen und -kataloge nicht in der Lage, alle nutzba-

ren Zusammenhänge abzubilden?

Zur Beantwortung dieser Frage wurde eine Literaturrecherche hinsichtlich physikalischer

Effektkataloge durchgeführt. Hierbei wurde festgestellt, dass die Katalogsysteme nach KOLLER

und ROTH als etablierte Stellvertreter physikalischer Effektkataloge anzusehen sind. Entspre-

chend wurden die Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH hinsichtlich ihres Aufbaus und ihrer

Inhalte analysiert sowie vor dem Hintergrund der angestrebten Zielsetzung in Kooperations-

projekten mit Unternehmen und ausgewählten Beispielen eingesetzt.

Die betrachteten Effektkataloge wurden entwickelt, um Wirkprinzipien für zu realisierende

Funktionen zu finden. D. h. ursprünglicher Zweck der Kataloge war es, einen Zusammenhang

zwischen einer angestrebten Wirkung und potentiell zu diesem Zweck einsetzbaren Ursachen

herzustellen. Als Folge ergeben sich zwei wesentliche Einschränkungen hinsichtlich der ange-

strebten Identifikation von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen:

• Bestehende Kataloge gehen überwiegend von einer zu realisierenden Wirkung aus.

Aufgrund der Irreversibilität mancher physikalischer Effekte, ist eine rein inverse

Betrachtungsweise der bestehenden Kataloge nicht zulässig.

• Eine Berücksichtigung von Gestaltinformationen ist dem ursprünglichen Anwendungs-

zweck der Effektkataloge nach nicht vorgesehen. In Bezug auf die angestrebte Betrach-

tung bestehender Systeme wird festgestellt, dass der Einbezug der Gestalt des beste-

henden technischen Systems entsprechend nicht ausreichend unterstützt wird.

Da sich die Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH im konkreten Aufbau und Inhalt unter-

scheiden, wurden über die beiden genannten allgemeinen Aspekte hinaus in Abschnitt 5.1

katalogspezifisch detailliertere Einschränkungen herausgearbeitet.

Durch den Vergleich der Katalogsysteme nach KOLLER und ROTH, insbesondere auch im Rah-

men der praktischen Anwendung im angestrebten Zusammenhang, sowie durch eine Abstrak-

tion der identifizierten Einschränkungen, wurden Anforderungen an ein Katalogsystem in

Abschnitt 5.2 definiert.

Page 162: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

147

b) Wie sind eine Effektmatrix und ein zugehöriger Effektkatalog gemäß der definierten

Anforderungen aufzubauen?

Um ein den Anforderungen entsprechendes Katalogsystem aufzubauen, wurde der Grundge-

danke der etablierten Katalogsysteme physikalischer Effekte nach KOLLER und ROTH aufgegrif-

fen und mit den Grundlagen der mehrpolbasierten Modellbildung verknüpft. Es wurde hierbei

gemäß des angestrebten Verwendungszwecks konsequent eine Ursache-Wirkung-Sichtweise

angewendet. Hieraus resultiert ein physikalisch und logisch begründeter Aufbau des entwi-

ckelten Katalogsystems, welcher vor dem Hintergrund der zugrunde gelegten Modellbildung

vollständig ist. In der praktischen Anwendung hat sich gezeigt, dass ein streng logischer Auf-

bau des Katalogsystems gemäß der Theorie der mehrpolbasierten Modellbildung Schwächen

aufweist. Bspw. können in der mehrpolbasierten Modellbildung magnetische Effekte, auf-

grund des physikalisch nicht existenten magnetischen Monopols, nicht unmittelbar abgebildet

werden. Darüber hinaus werden weitere praktisch verbreitete Größen nicht unmittelbar auf-

geführt, sondern müssten über physikalisches Grundlagenwissen auf die verzeichneten Grö-

ßen zurückgeführt werden. Aus diesem Grund wurde das in einem ersten Schritt streng logisch

aufgebaute Katalogsystem, entsprechend des gestellten pragmatischen Anspruchs, in einem

zweiten Schritt erweitert. Effekte, die im Effektkatalog nach KOLLER aufgeführt, bisher aber

nicht berücksichtigt werden konnten sowie erfahrungs- und anwendungsbasierte abgeleitete

physikalische Größen, wurden im Katalogsystem systematisch ergänzt.

Weiterhin wurde eine konsequente Differenzierung zwischen Funktionsgrößen und funktions-

relevanten Gestaltparametern eingeführt und umgesetzt. Der Einbezug und insbesondere die

Gliederung von Gestaltparametern zur Berücksichtigung des bestehenden Systems wurden

systematisch auf Basis einer erweiterten Betrachtung der mehrpolbasierten Modellbildung ent-

wickelt.

Um das divergente Vorgehen im Rahmen der Ableitung potentieller Messgrößen mittels eines

physikalischen Katalogsystems in einem der praktischen Anwendung entsprechend angemes-

senen Umfang zu halten, wurde ein konvergenter Schritt in das Vorgehen integriert. Dieser

sieht den Einbezug der Eigenschaften des bestehenden technischen Systems über einen

Zugriffsteil im Effektkatalog vor.

(2) Wie kann, durch eine Erfassung und Berücksichtigung der Ein- und Auswirkungen von

Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten Effektketten mittels einer Unsi-

cherheitsbetrachtung, die prinzipielle Funktionsfähigkeit entwickelter Effektketten frühzei-

tig geprüft und abgesichert werden?

a) Welche systematischen Ansätze zur Erfassung von Unsicherheit sind zur Identifikation

der Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickel-

ten Effektketten einsetzbar?

Um die Ein- und Auswirkungen von Umgebungs- und Randbedingungen auf die entwickelten

Effektketten erfassen zu können, wurden Ergebnisse des SFB 805 „Beherrschung von Unsi-

cherheit in lasttragenden Systemen des Maschinenbaus“ in Form der von ENGELHARDT entwi-

ckelten UMEA-Methodik aufgegriffen und mit der Manifestation von Unsicherheit im System-

modell nach KREYE ET AL. sowie Grundlagen zur Messunsicherheit nach der GUM verknüpft.

Page 163: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

148

b) Welche Kriterien können zur Beurteilung der identifizierten Unsicherheit im betrach-

teten Kontext angewendet werden?

Die Beurteilung der identifizierten Unsicherheit basiert auf einer Betrachtung ihrer potentiel-

len negativen Auswirkungen in Form einer Abschätzung der prinzipiellen Funktionsfähigkeit

einer Effektkette bzw. eines Messkonzepts. Hierzu wurde als Bewertungskriterium die Bedeu-

tung der Unsicherheit festgelegt, welche das Ausmaß der Wirkung der Modell- und Datenun-

sicherheit auf die betrachtete Effektkette bzw. das betrachtete Messkonzept charakterisiert.

Um die Bedeutung der identifizierten Unsicherheit zu beurteilen, wurde das dimensionslose

Verhältnis U∆y aus der maximalen, aus der identifizierten Unsicherheit resultierenden, Abwei-

chung Δyuns und der maximal zulässige Messabweichung Δy gebildet. Da die Beurteilung der

Bedeutung einer Unsicherheit ein Mindestmaß an Informationen über die ausschlaggebende

Unsicherheit voraussetzt, wurde eine parallele Beurteilung der Schwere der jeweils betrachte-

ten Unsicherheit, auf Basis des erweiterten Unsicherheitsmodells des SFB 805, ermöglicht.

Sowohl die Bedeutung als auch die Schwere der identifizierten Unsicherheit können im Kon-

zeptstadium noch beeinflusst werden. Dieser Umstand wurde durch das Beurteilungskriterium

der Beherrschbarkeit von Modell- und Datenunsicherheit berücksichtigt.

Die Beurteilung der Bedeutung der identifizierten Unsicherheit lässt sich über das Verhältnis

U∆y eindeutig in einen kritischen und einen unkritischen Bereich unterteilen. Ebenso lässt sich

die Schwere der Unsicherheit anhand der beschriebenen Zustände klar einordnen. Die Berück-

sichtigung der Beherrschbarkeit der identifizierten Unsicherheit hingegen, ist anwendungsin-

dividuell und stellt eine Abschätzung von Potentialen dar. Aus diesem Grund ist eine allge-

meingültige trennscharfe Untergliederung nicht möglich, gleichzeitig aber dem beschriebenen

Ziel entsprechend auch nicht notwendig.

c) Welche Ansätze zur Beherrschung der identifizierten Unsicherheit können im betrach-

teten Kontext aus dem Robust Design abgeleitet werden?

Die Beherrschung von Unsicherheit bezieht sich im betrachteten Kontext auf die Vermeidung

negativer Auswirkungen von Unsicherheit. Entsprechend wurden Ansätze zur Reduktion der

Bedeutung und der Schwere von Unsicherheit aus den allgemeinen Robust Design Strategien

– Unsicherheit reduzieren/eliminieren, Einflüsse der Unsicherheit reduzieren/unterdrücken

und Auswirkungen der Unsicherheit reduzieren/verhindern – abgeleitet. Die eingeführte Dif-

ferenzierung von Unsicherheit in Kontext-, Modell- und Datenunsicherheit wurde hierbei auf-

gegriffen.

Die Beantwortung der definierten Forschungsfragen sowie die Erreichung der entsprechenden

Ziele dieser Arbeit wurden in einer logischen, in Teilen am Beispiel eines sensorintegrierenden

Zahnriemens geführten, Verifikation gezeigt. Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen

der Ergebnisse dieser Arbeit hinsichtlich einer methodischen Unterstützung im Zuge der Aus-

wahl und Festlegung von Messgrößen zur Erfassung einer definierten Zustandsgröße in einem

bestehenden technischen System, müssen an der Verbesserung der in der Motivation darge-

stellten Situation gemessen werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine initiale Validierung

der Anwendbarkeit sowie Nützlichkeit/Brauchbarkeit der Ergebnisse durchgeführt. Diese

erfolgte anhand einer exemplarischen Anwendung der Ergebnisse in einem Kooperationspro-

Page 164: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

149

jekt zwischen der Firma Federal-Mogul DEVA GmbH und dem Fachgebiet pmd zur Entwick-

lung eines sensorintegrierenden Gleitlagers. Durch die initiale Anwendung des entwickelten

Ansatzes und unter Einbezug der erzielten Ergebnisse sowie den Einschätzungen des Anwen-

ders und des Projektpartners, lässt sich die Funktionsfähigkeit des Ansatzes nachweisen. Die

prinzipielle Anwendbarkeit wurde ebenfalls bestätigt. Bestehende Einschränkungen der

Anwendbarkeit werden einerseits auf die Verwendung der nur eingeschränkt nutzbaren Kata-

logsysteme nach KOLLER und ROTH sowie die Gegebenheit zurückgeführt, dass der formal und

informationsmäßig sehr umfangreiche Ansatz bisher nur manuell angewendet werden kann.

Ein erster positiver Rückschluss auf die Nützlichkeit/Brauchbarkeit des Ansatzes lässt sich

einerseits aus den Aussagen von Herrn Groß (Anwender) sowie andererseits aus den erzielten

erfolgversprechenden Ergebnissen im Rahmen der Entwicklung der sensorischen Gleitlager-

buchse ableiten.

Resümierend lässt sich feststellen, dass die Ergebnisse dieser Arbeit eine Grundlage bilden,

um die in einem technischen System auftretenden Wandlungen und Umformungen einer zu

erfassenden Zustandsgröße systematisch in die Identifikation potentieller Messgrößen zur

Erfassung dieser Größe einzubeziehen. Eine auf diese Weise identifizierte Effektkette, zwi-

schen der zu erfassenden Zustandsgröße und einer potentiellen Messgröße, kann aufbauend

mittels der eingeführten Unsicherheitsbetrachtung auf ihre prinzipielle messtechnische Funk-

tionsfähigkeit geprüft werden.

8.2 Ausblick

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit, sowie die daraus abgeleiteten Erkenntnisse, zeigen

das Potential von physikalischen Effektkatalogen hinsichtlich der Identifikation von potentiel-

len Messgrößen zur Erfassung einer systemspezifischen Zustandsgröße in bestehenden tech-

nischen Systemen auf. Weiterhin schaffen die Ergebnisse eine konkrete Grundlage, um dieses

Potential nutzbar zu machen. Der logische und systematische Aufbau des entwickelten Ansat-

zes lässt perspektivisch eine rechnerbasierte Implementierung des Ansatzes sowie eines zuge-

hörigen Vorgehens zu (Konzept eines möglichen Programmablaufplans, siehe Abbildung D.1

im Anhang D1). Durch eine rechnerbasierte Umsetzung des entwickelten Ansatzes, könnte die

Anwendbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit signifikant gesteigert werden. Ausgehend von

einer Ermittlung der Anforderungen an eine nutzerzentrierte programmtechnische Umsetzung

des entwickelten Katalogsystems, wird vorgeschlagen, das entwickelte Katalogsystem sowie

ein entsprechendes Vorgehen zur Anwendung, bspw. in Form einer Web-Anwendung als

interaktive Datenbank, umzusetzen. Im Anschluss an eine solche Implementierung des Ansat-

zes, ist eine Validierung anzustreben.

Unsicherheit, u. a. resultierend aus dem Einfluss von Stör- und Nebengrößen, wird im Rahmen

dieser Arbeit primär als Auswahlkriterium für einen konvergenten Schritt genutzt. Es wird

angestrebt, nicht erfolgsversprechende Effektketten bzw. Konzepte frühzeitig begründet abzu-

brechen oder zurückzustellen. Perspektivisch sieht der Autor das Potential, die Identifikation

von Unsicherheit in mechatronischen Systemen, insbesondere hinsichtlich messtechnischer

Funktionen, weiter zu erforschen. Hierzu bieten sich zwei prinzipielle Ansatzpunkte: Einer-

seits ausgehend von physikalischen Größen, die auf das mechatronische System einwirken

Page 165: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

150

(vgl. Unterabschnitt 6.1.1; bspw. in Form einer Störgrößencheckliste) und andererseits aus-

gehend von physikalischen Größen, die potentiell beeinflusst werden könnten (vgl. Unterab-

schnitt 6.1.2; Einsatz von physikalischen Effektkatalogen zur gezielten Identifikation von

Unsicherheit bzw. Störgrößen). Ersteres geht hierbei von einer potentiellen Ursache aus und

zeigt mögliche Wirkungen auf. Letzteres geht umgekehrt von einer möglichen Wirkung aus

und zielt auf einen Abgleich mit potentiell vorliegenden Ursachen ab. Darauf aufbauend ist

weitere Forschung hinsichtlich einer qualitativen Abschätzung der Auswirkungen von Unsi-

cherheit allgemein bzw. Störgrößen im Speziellen auf Basis physikalischer Effektkataloge

denkbar. Auf diese Weise besteht das Potential, eine frühzeitige qualitative physikalische

Modellierung der auftretenden Zusammenhänge zu erreichen, welche insbesondere auch vor

dem Hintergrund maschinellen Lernens an Bedeutung gewinnt.

Page 166: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XVI

Anhang A – Grundlagen und Stand der Forschung

A1 – Effektkataloge – Informationsspeicher physikalischer Effekte

Abbildung A.1: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER416

416 Koller und Kastrup (1998), S. 548.

Page 167: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XVII

Abbildung A.2: Ausschnitt des Prinzipkatalogs nach KOLLER417

417 Koller und Kastrup (1998), S. 556

Page 168: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XVIII

Abbildung A.3: Funktionsgrößenmatrix nach ROTH418

418 Roth (2000), S. 115.

Page 169: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XIX

Abbildung A.4: Ausschnitt der „Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge“

nach ROTH419

419 Roth (2000), S. 118.

Page 170: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XX

Abbildung A.5: “Function Query” in der “Effects Database” der Oxford Creativity Ltd.420

Abbildung A.6: “Parameter Query” in der “Effects Database” der Oxford Creativity Ltd.421

420 Oxford Creativity Ltd. (2020). 421 Oxford Creativity Ltd. (2020).

Page 171: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXI

Abbildung A.7: Ergebnisse der Effektabfrage „Parameter Query“ unter Verwendung

der Funktion „Measure“ hinsichtlich des Parameters „Force“

in der „Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd.422

422 Oxford Creativity Ltd. (2020).

Page 172: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXII

A2 – Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische

Systeme – Festlegung der Messgröße

Tabelle A.1: Ergebnisse der durchgeführten Literaturrecherche hinsichtlich Ansätzen zur

methodischen Integration von Messfunktionen in (bestehende) technische Systeme

Ziel423 Ansatz Ursprung Relevanz424 Quelle425

Sensorauswahl

für Bestandsan-

lagen

Beschreibung eines

Vorgehensmodells

(siehe Abbildung 2.7)

sowie einer Übersicht

potentieller Anforde-

rungen an Sensoren

Entwicklung einer

Methodik zur Sen-

sor-Auswahl

Die Inhalte dieser Arbeit

können in das Vorge-

hensmodell eingeordnet

werden – siehe hierzu

Unterabschnitt 2.4.3

Löpelt et al.

(2019)

Unterstützung

des Anwenden-

den bei der An-

forderungsdefi-

nition, Entwick-

lung und Umset-

zung wirtschaft-

licher Sensorsys-

teme im Kontext

von Industrie

4.0

Unterstützung des

Anwendenden durch

Leitfragen und Werk-

zeugkästen

Leitfaden Sensorik

für Industrie 4.0

des VDMA in Zu-

sammenarbeit mit

dem Institut für

Produktionstech-

nik des Karlsruher

Institut für Tech-

nologie

Die Inhalte dieser Arbeit

können in die Leitfragen

eingeordnet werden,

weiterhin wird der Be-

darf einer lösungsneut-

ralen Diskussion potenti-

eller Messgrößen formu-

liert – siehe hierzu Un-

terabschnitt 2.4.3

Fleischer et

al. (2018)

Verschiedene

Teilaspekte von

„Industrie 4.0“

(u. a. die In-

tegration von

Messfunktionen)

auf bestehende

Maschinen und

Prozesse anwen-

den

Definition des Be-

griffs des „Smart Ret-

rofitting“ als Oberbe-

griff für derartige Be-

strebungen

Effiziente Weiter-

entwicklung eines

bestehenden Ma-

schineparks hin-

sichtlich der An-

forderungen und

Randbedingungen

von Industrie 4.0

Der Grundgedanke des

Retrofitting wird be-

schrieben. Da der vorge-

stellte Begriff des „Smart

Retrofitting“ bisher nicht

über die Grenzen der

Publikationen der Auto-

ren hinaus fest etabliert

und verbreitet ist, ist die

allgemeine Relevanz ge-

ring.

Guerreiro

et al.

(2018)

Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…

423 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen

Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 424 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 425 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an

dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.

Page 173: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXIII

Ziel426 Ansatz Ursprung Relevanz427 Quelle428

Auswahl der zu

messenden Para-

meter und der

dazu eingesetz-

ten Messtechnik

im Rahmen der

Zustandsüber-

wachung

Ablaufplan zur Zustands-

überwachung, insbesondere

Empfehlung einer FMEA

zur Identifikation von zu er-

wartenden Schäden, Symp-

tomen und potentiellen

Messparametern (Auffüh-

rung beispielhafter Fehler

und Parameter zur Zustand-

süberwachung)

DIN ISO 17359

„Zustandsüber-

wachung und -

diagnostik von

Maschinen – All-

gemeine Anlei-

tungen“

Parallelen in der

Auswahl von zu

messenden Parame-

tern – Abgrenzung

über die Differen-

zierung zwischen

Zustandsgröße und

Messgröße

DIN ISO

17359

(2018)

Methodik für ein

Retrofitting von

CNC-Maschinen

im Kontext von

Industrie 4.0, u.

a. in Form eines

Monitoring-Sys-

tems

Entwicklung eines Ansatzes

auf Basis des Axiomatic De-

signs

Effiziente Wei-

terentwicklung

bestehender

CNC-Maschinen

hinsichtlich der

Anforderungen

und Randbedin-

gungen von In-

dustrie 4.0

Gering, da alterna-

tiver Ansatz des

Axiomatic Designs

und kein Fokus auf

der Festlegung ei-

ner Messgröße und

der Auswahl ent-

sprechender Senso-

rik

Lins et al.

(2017)

Identifikation

und Auswahl

von zu überwa-

chenden Para-

metern im Rah-

men der vorbeu-

genden Instand-

haltung

Erfahrungsbasierte Identifi-

kation und Auswahl der zu

überwachenden Parameter;

beispielhafte Übersicht über

häufig genutzte und zweck-

mäßige physikalische Grö-

ßen

Vorbeugenden

Instandhaltung

(allgemein)

Aussage, dass (bis-

her) kein entspre-

chender methodi-

scher Ansatz be-

steht

Gouriveau

et al.

(2016)

Auswahl von

Messgrößen und

die quantitative

Bewertung von

kommerziellen

Sensorsystemen

für die Produkt-

validierung

Vorgehendmodell in Form

eines Ablaufdiagramms so-

wie Aufbau eines Messprin-

zipbaums zur Darstellung

der mathematischen Zu-

sammenhänge, darauf auf-

bauend Lösungsgenerierung

und Priorisierung anhand

des Messprinzipbaums

Entwicklung von

Sensorsystemen

für die Produkt-

validierung (in

diesem Fall von

Power-Tools)

Es bestehen Paralle-

len in den verfolg-

ten Zielen, der ver-

folgte Ansatz lässt

sich aber klar ab-

grenzen – siehe

hierzu Unterab-

schnitt 2.4.3

Matthiesen

et al.

(2016)

bzw.

Anding

(2016)

Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…

426 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen

Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 427 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 428 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an

dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.

Page 174: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXIV

Ziel429 Ansatz Ursprung Relevanz430 Quelle431

Handlungsanwei-

sungen um System-

und Messgrößen

festzulegen und

mittels Sensorik

und Modellbil-

dungsmethoden in

eine Prüfumgebung

zu überführten

Differenzierung von

Fluss- und Potential-

größen und darauf

aufbauend Anwen-

dung bestehender

Modelle (bspw. FEM-

Modell) und Metho-

den (bspw. experi-

mentelle Untersu-

chungen)

Prüf- und Validie-

rungsumgebung

zur Komponenten-

untersuchung

handgehaltener

Geräte in der Pro-

duktentwicklung

(hier anhand des

Beispiels eines

Winkelschleifers)

Es bestehen Paralle-

len in den verfolgten

Zielen und der Diffe-

renzierung von Fluss-

und Potentialgrößen,

der verfolgte Ansatz

lässt sich aber klar

abgrenzen – siehe

hierzu Unterabschnitt

2.4.3

Matthiesen

et al.

(2014)

Systematik zur Aus-

wahl von Sensoren

Entwicklung eines

Vorgehensmodells

zur systematischen

Sensorplanung und -

auswahl

Sensorplanung

und -regelung für

Industrieroboter

Die Inhalte dieser Ar-

beit können in das

Vorgehensmodell ein-

geordnet werden –

siehe hierzu Unterab-

schnitt 2.4.3

Zeller

(1996)

Rechnerunterstüt-

zung bei der Senso-

rauswahl

Beschreibung einer

Arbeitsweise eines

rechnergestützten

Auswahlsystems für

Sensoren

Steigerung der

Flexibilität auto-

matisierter Monta-

gesysteme durch

Sensorintegration

und erweiterte

Steuerungskon-

zepte

Geringe Relevanz, da

von einer bekannten

Messgröße ausgegan-

gen wird und der

Schwerpunkt auf

dem Auswahlsystem

eines nutzbaren Sen-

sors liegt. Allgemein

wird ein Rückgriff

auf Datenbanken

über Sensoren und

deren Klassifizierung

beschrieben.

Classe

(1988)

Fortsetzung von Tabelle A.1 auf der nächsten Seite…

429 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen

Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 430 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 431 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an

dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.

Page 175: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXV

Ziel432 Ansatz Ursprung Relevanz433 Quelle434

Vorgehen zur

Auswahl von

Sensoren für au-

tomatische Mon-

tagesysteme

Entwicklung ei-

nes Vorgehens-

modells zur Be-

stimmung geeig-

neter Sensoren

Überwachung

automatischer

Montagesys-

teme

Geringe Relevanz, da im Rah-

men der Erfassung von Überwa-

chungsparametern keine Diffe-

renzierung hin zu potentiellen

Messgrößen vorgenommen wird

Mok (1986)

Ermittlung eines

geeigneten

Wirkprinzips für

einzusetzende

Sensoren zur

Überwachung

flexibler Hand-

habungsgeräte

in der Montage

Ermittlung eines

geeigneten

Wirkprinzips für

einzusetzende

Sensoren

Auswahl der

richtigen Sen-

soren für die

Überwachung

flexibler Hand-

habungsgeräte

in der Montage

Geringe Relevanz, da im Rah-

men der Betrachtung des Wirk-

prinzips lediglich zwischen „be-

rührend“ und „berührungslos“

unterschieden wird und das Ver-

ständnis eines Wirkprinzips vom

in Unterabschnitt 2.1.2 einge-

führten Verständnis abweicht

Eversheim

und

Hausmann

(1985)

432 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen

Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 433 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 434 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an

dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.

Page 176: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXVI

Tabelle A.2: Ergebnisse der durchgeführten Literaturrecherche hinsichtlich exemplarischer

Projekte zur Integration von Messfunktionen in ausgewählte technische Systeme

Ziel435 Ansatz Ursprung Relevanz436 Quelle437

Prozessüberwa-

chung durch

Sensorintegra-

tion in eine Pro-

duktionsanlage

für Präzisions-

stahlrohre

Kein spezifischer An-

satz beschrieben

Modernisierung

von Bestandsan-

lagen

Keine spezifischen An-

sätze beschrieben, all-

gemein wird aber die

Relevanz und der Be-

darf aufgezeigt

Gräler und

Anell (2018)

Nachrüstung ei-

ner bestehenden

Produktionsan-

lage für Winkel-

rohre mit Senso-

rik

Kein spezifischer An-

satz beschrieben, An-

wendung von allgemei-

nen entwicklungsme-

thodischen Ansätzen

auf Ebene des Entwick-

lungsprozesses (V-Mo-

dell) und der angewen-

deten Methoden (u. a.

FMEA)

Modernisierung

von Bestandsan-

lagen

Entwicklungsmetho-

disch gesehen gering,

da keine spezifischen

Ansätze beschrieben

werden; allgemein

wird aber die Relevanz

und der Bedarf aufge-

zeigt

Harting

(2017)

Finden der opti-

malen Sensor-

/DMS-Position

auf einem me-

chanisch bean-

spruchten Bau-

teil (Z-Schlitten

eines Bearbei-

tungszentrums)

Berechnung der lokal

auftretenden Dehnun-

gen mittels eines Algo-

rithmus (FE-Simula-

tion)

Entwicklung ei-

nes sensorinteg-

rierenden Z-

Schlittens eines

Bearbeitungs-

zentrums

Gering, da aufbauend

auf einer gewählten

Messgröße ein Opti-

mierungsproblem ge-

löst wird

Denkena et

al. (2013)

bzw.

Litwinski

(2011)

Messung von ge-

forderten Be-

triebsgrößen un-

ter definierten

Anforderungen

Kein explizit methodi-

scher Ansatz bei der

Erfassung potentieller

Messgrößen, es wer-

den verschiedene As-

pekte als Begründung

für Entscheidungen an-

geführt (u.a. Kosten)

Entwicklung ei-

nes störungstole-

ranten Sensor-

systems zur Zu-

standsüberwa-

chung rotordy-

namischer Pum-

pen

Gering, da kein metho-

discher Ansatz bei der

Erfassung potentieller

Messgrößen angewen-

det wird

Werner

(2011)

… … … … …

435 Es werden nur auf den Inhalt dieser Arbeit bezogene Ziele beschrieben. Diese können im jeweiligen

Gesamtkontext ein Teilziel darstellen. 436 Auf die Inhalte der vorliegenden Arbeit bezogen. 437 Wenn der jeweilige Ansatz in verschiedenen Quellen des Autors/der Autoren beschrieben wird, wird an

dieser Stelle stellvertretend eine repräsentative Quelle angegeben.

Page 177: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXVII

Anhang B – Zielsetzung und Forschungsdesign

B1 – Zielsetzung

Tabelle B.1: Kriterien und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse

hinsichtlich der ersten (Teil-) Zielsetzung

(1) Kriterien Bewertungsoptionen

Dir

ekte

Erg

ebn

isse

Au

f d

ie Z

iels

etz

un

g u

nd

Hypoth

ese

bezo

gen

:

Wurden die in Abschnitt

5.2 definierten Anforderun-

gen […] erfüllt?

Je Anforderung kann dies anhand der in Abschnitten 5.3 be-

schriebenen Effektmatrix und dem in Abschnitt 5.4 beschriebe-

nen Effektkatalog mit ja/nein/bedingt beantwortet werden. Die

Unterscheidung ja/nein ist binär, im Fall einer bedingten Erfül-

lung kann diese abgestuft, je nach Erfüllungsgrad, bewertet

werden.

Ist es möglich, mithilfe der

entwickelten Effektmatrix

und dem entwickelten Ef-

fektkatalog, Zusammen-

hänge zwischen systemspe-

zifischen Zustandsgröße

und potentiellen Messgrö-

ßen über Effektketten auf-

zubauen und abzubilden,

die bisher nicht aufgebaut

bzw. abgebildet werden

konnten?

Dies kann in einem ersten Schritt auf Basis einer logischen Ar-

gumentation an den beschriebenen Beispielen im Vergleich mit

bestehenden Effektmatrizen und -katalogen mit ja/nein beant-

wortet werden. Die Bewertung der Allgemeingültigkeit kann

weiterhin auf Basis der logischen Argumentation erfolgen.

Überg

eord

nete

n A

usw

irku

ngen

der

Erg

ebn

isse

– A

uf

die

Sit

uati

on

bezo

gen

:

Anwendbarkeit Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse

werden an der Verbesserung der in der Motivation dargestell-

ten Situation gemessen. Entsprechend viele potentielle

Einflussfaktoren sind bei der Bewertung zu berücksichtigen. Im

Rahmen dieser Arbeit wird eine initiale Beurteilung der

übergeordneten Auswirkungen anhand der Anwendung in

einem industriellen Kooperationsprojekt durchgeführt. Nützlichkeit/Brauchbarkeit

der Ergebnisse

Page 178: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXVIII

Tabelle B.2: Kriterien und Bewertungsoptionen zur Beurteilung der Ergebnisse

hinsichtlich der zweiten (Teil-) Zielsetzung

(2) Kriterien Bewertungsoptionen

Dir

ekte

Erg

ebn

isse

Au

f d

ie Z

iels

etz

un

g u

nd

Hypoth

ese

bezo

gen

:

Lässt sich, anhand der ent-

wickelten Kriterien, gemäß

der Hypothese eine begrün-

dete Aussage über die prin-

zipielle Funktionsfähigkeit

der entwickelten Effektket-

ten treffen?

Dies kann auf Basis einer logischen Argumentation an einem

beschriebenen Beispiel mit ja/nein/bedingt beantwortet wer-

den. Die Unterscheidung ja/nein ist binär, im Fall einer beding-

ten Erfüllung kann diese abgestuft, je nach logischen Ein-

schränkungen, bewertete werden.

Werden Ansätzen zur Be-

herrschung der identifizier-

ten Unsicherheit im be-

trachteten Kontext bereit-

gestellt?

Dies kann mit ja/nein beantwortet werden.

Lässt sich durch die Kennt-

nis dieser Ansätze die Be-

herrschbarkeit der identifi-

zierten Unsicherheit bewer-

ten?

Dies kann auf Basis einer logischen Argumentation an einem

beschriebenen Beispiel mit ja/nein/bedingt beantwortet wer-

den.

Überg

eord

nete

n A

usw

irku

ngen

der

Erg

ebn

isse

– A

uf

die

Sit

uati

on

bezo

gen

:

Anwendbarkeit Die übergeordneten (positiven) Auswirkungen der Ergebnisse

werden an der Verbesserung der in der Motivation dargestell-

ten Situation gemessen. Entsprechend viele potentielle

Einflussfaktoren sind bei der Bewertung zu berücksichtigen. Im

Rahmen dieser Arbeit wird eine initiale Beurteilung der

übergeordneten Auswirkungen anhand der Anwendung in

einem industriellen Kooperationsprojekt durchgeführt. Nützlichkeit/Brauchbarkeit

der Ergebnisse

Page 179: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXIX

Anhang C – Effektkataloge – Systematisches Verknüpfen einer

systemspezifischen Zustandsgröße und potentiellen Messgrößen

C1 – Aufbau und Gliederung der Effektmatrix und des zugehörigen

Effektkatalogs

Die Grundlagen des konzipierten Katalogsystems in Form der Gliederung und der Zugriffsop-

tionen wurden im 5. Kapitel begründet geschaffen. Der daraus resultierende logische Aufbau

des Katalogsystems ist auf der nächsten Seite in Abbildung C.1 und Abbildung C.2 dargestellt.

Die in den jeweiligen Hauptteilen aufzuführenden Informationen, sind in einem ersten Schritt

aus den Katalogsystemen nach KOLLER und ROTH zu übernehmen und sollen in einem zweiten

Schritt gezielt ergänzt werden (bspw. auf Basis der Sammlung physikalischer Effekte nach

ARDENNE ET AL.). Die einzupflegenden Informationen liegen in den genannten Quellen vor und

sind, gemäß des Ausblicks dieser Arbeit, in die angestrebte Datenbank einer rechnerbasierten

Anwendung einzupflegen.

Page 180: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

Zeit Zeit Zeit Zeit

Flussgröße(I M) Kra� X Moment Massenstrom Volumenstrom elektrischer Strom magne�scher

FlussEntropiestrom X Stoffmengen-

stromPoten�algröße (Y )

Geschwindigkeit X Winkelge-schwindigkeit

Gravita�ons-feldstärke

Druck elektrische Spannung

X magne�sche Spannung

X Temperatur chemisches Poten�al

Extensum(Ex )

Verschiebung X Drehwinkel - Druckimpuls Induk�onsfluss elektrischer Fluss - -

Primärgröße (X ) Impuls Drehimpuls schwere Masse Volumen elektrische Ladung

X - X Entropie X Stoffmenge

Beschleunigung SpannungDehnungs-geschwindigkeit Dehnung

Winkelbe-schleunigung

Volumenbe-schleunigung

elektrische Feldstärke

elektrische Flussdichte

magne�sche Feldstärke

magne�sche Flussdichte Wellenlänge Intensität Wärmestrom Wärmemenge

Gestaltparameter bezogene Fläche Querkontrak�on Abstand der Massen

Ausbreitungs-geschwindigkeit

Fähigkeit zur el. Polarisierung

Magne�sierbarkeit von Materie

Emissivität Wärme-lei�ähigkeit

stoffliches Merkmal

Material-dämpfung

E-Modul Dichte Querkon-trak�onszahl

Material-dämpfung

Schubmodul Dichte Dichte dynamische Viskosität

Dichte Kompressions-modul

x spezifischer Widerstand

Permeabilitäts-zahl

Permi�vitätszahl el. Suszep�bilität Permeabilitäts-zahl

magn. Suszep-�bilität

Permi�vitätszahl Permeabilitäts-zahl

Emissionsgrad spez. Wärme- kapazität

Dichte Wärme-lei�ähigkeit

geometrische Merkmale

x x x x x x x x x x x x x x x x x

Zeit Frequenz Zeit Kreisfrequenz Zeit Zeit Frequenz Zeit Frequenz Zeit Zeit Frequenz Zeit Zeit

Abgeleitete Gebiete

Flussgröße(I M)

Poten�algröße (Y )

Extensum(Ex )

Primärgröße (X )

Kra�

Geschwindigkeit

Verschiebung

Impuls

Beschleunigung

X Spannung

XDehnungs-geschwindigkeit

X Dehnung

Moment

Winkelge-schwindigkeit

Drehwinkel

Drehimpuls

Winkelbe-schleunigung

Massenstrom

Gravita�ons-feldstärke

-

schwere Masse

Volumenstrom

Druck

Druckimpuls

Volumen

Volumen-beschleunigung

elektrischer Strom

elektrische Spannung

Induk�onsfluss

elektrische Ladung

Xelektrische Feldstärke

Xelektrische Flussdichte

magne�scher Fluss

magne�sche Spannung

elektrischer Fluss

-

X magne�sche Feldstärke

Xmagne�sche Flussdichte

Wellenlänge

Intensität

Entropiestrom

Temperatur

-

Entropie

X Wärmestrom

X Wärmemenge

Stoffmengen-strom

chemisches Poten�al

-

Stoffmenge

Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)

Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)

Ausgang--> Wirkung

Gebiet

Bilanzierungsfähige Größe

Abgeleitete Gebiete

Allgemeine Zustandsgrößen eines technischen Systems

Funk�onsgrößen,nach Roth / Simonek(--> System-ebene)

Intensive Zustandsgröße

Extensive Zustandsgröße

Abgeleitete Größen mit messtechnischer Relevanz

Funk�onsrelevanteGestaltparameter

Zeit

Reluktanzelektrischer Widerstand Induk�vität KapazitätHydraulischer Widerstand Masse elasitsche Kompression

Funk�onsrelevante Gestaltparameter Elektromagne�sche Wellen Zeit spezifisch; flächenbezogen Funk�onsrelevante GestaltparameterFunk�onsrelevante Gestaltparameter

(--> Komponentenebene) Zeitspezifisch,

flächenbezogenFunk�onsrelevante Gestaltparameter

(--> Komponentenebene) Zeit spezifisch; flächenbezogen

-En

trop

ieel

ektr

ische

Ladu

ng-

physikalische Chemie

Impuls - translatorisch Drehimpuls - rotatorisch "Schwere" Masse Volumen elektrische Ladung - - Entropie Stoffmenge

spezifisch, flächenbezogen Zeit Zeit

Funk�onsrelevante Gestaltparameter(--> Komponentenebene)

Mechanik Elektrizität und Magne�smus Thermodynamik

Impu

ls - t

rans

lato

risch

hcsirotator - slupmiherD

spez

ifisc

h, fl

äche

nbez

ogen

Abgeleitete Größen mit

messtechnischer Relevanz

Funk�onsgrößen,nach Roth / Simonek (--> Systemebene)

eimehC ehcsilakisyhp

Stoff

men

ge

Mec

hani

k

"Sch

wer

e" M

asse

Volu

men

kimanydo

mrehTsu

msitengaM dnu tätizirtkelE

Effektmatrix

Eingang--> Ursache

Extensive ZustandsgrößeIntensive Zustandsgröße

Gebiet

Bilanzier-ungsfähige

Größe

Abbildung der Zusammenhänge

Funk�onsrelevante Gestaltparameter

Phasengeschwindigkeit Wärmekapazität

spez

ifisc

h;

fläch

enbe

zoge

n

innere Dämpfung Elas�zität Masse innere Dämpfung Drehfedersteifigkeit Massenträgheitsmoment Masse

spez

ifisc

h,

fläch

enbe

zoge

nsp

ezifi

sch;

flä

chen

bezo

gen

Elek

trom

ag-

ne�s

che

Wel

len

Ex

qT

Y

iT

X

qP

IX

iP

ddt

ddt

ExIX

L:=YIX

R :=XY

C:=ExX

M:=

P = iP · iT

Tempe-ratur T

[ K]

EntropieS

[ J/ K]

Entropie -strom dS[ J/( K·s)] d

dt

el. Fluss ψ [ C]

mag. Spannung U m

[ A]

mag.

Fluss Φ [ Wb]

ddt

Induk -tions�uss Φ

[ Wb]

Spannung U[ V]

el. Ladung Q[ C]

el. Strom I[ A]

ddt

ddt

tätivitkudnI Kapa

zitä

t

Gravitations -

feldstärke g ( r) [ m/ s2]

Schwere Masse m S

[ kg]

Massenstromqm

[ kg/ s] ddt

Druck -impuls p D

[ Pa·s]

Druckp

[ Pa]

VolumenV

[ m3]

Volumen -strom V[ m3/ s]

ddt

ddt

Mas

se

Elas

tisch

e Ko

mpr

essib

ilität

Volumen -beschleuni-

gung V[ m3/ s]

Masse

ddt

˙˙ ˙

chemisches Potential µ

[ -]

Sto�mengen

[ mol]

Sto�mengen-strom I n

[ mol/ s] ddt

Verschiebungs

[ m]

Geschwindig -keit v[ m/ s]

Impuls p[ N·s]

Kraft F[ N]

ddt

ddt

Beschleuni -gung a[ m/ s2]

ddt

etnatsnokredeF

Mas

se

Masse

Drehwinkelφ

[ rad]

Winkelge -schwindigkeit

ω [ rad/ s]

DrehimpulsL

[ Nm·s]

Moment M[ Nm]

ddt

ddt

Winkelbe -schleunigung

α [ rad/ s2]

ddt

etnatsnokredeF

Mas

sent

räg

-he

itsm

omen

t

Massenträg -heitsmoment

Merkmal Ausprägung Merkmal Ausprägung

Gleichung

EffektkatalogNotwendige Eigenschaften (Komponente & System)

Spalte--> Wirkung

Ursachex

Wirkungf(x)

Effekt

Ordnungsziffer

Effekt-nummer

Zeile--> Ursache

Ausprägung(en)System

Skizze Gestalt-parameter

stoffliches Merkmal

kinematische EigenschaftenBeispiel Literaturgeometrische

Merkmalestoffliche Eigenschaft

KomponenteGetroffene Vereinfach-

ungenZeit

Zusammenhang über …

weitere Funktions-

größe

XXX

Abbildung C.1: Au�bau und Gliederung der Effektmatrix

Abbildung C.2: Au�bau und Gliederung des zugehörigen Effektkatalogs

Page 181: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXI

Anhang D – Darstellung und Einordnung der Ergebnisse

D1 – Ausblick

Fortsetzung auf der nächsten Seite...

Page 182: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXII

Abbildung D.1: Ausblick auf eine rechnerbasierte Implementierung des entwickelten Ansatzes

sowie eines zugehörigen Vorgehens in Form eines Programmablaufplans

Page 183: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXIII

Glossar

DATEN

Daten sind objektive Fakten, die ohne Zusammenhang und weitere Hintergründe nicht deut-

bar und als „Rohmaterial“ zu verstehen sind.438

EFFEKTKATALOG (→ Konstruktionskatalog)

Konstruktionskataloge bzw. Objektkataloge, die Informationen über physikalische Effekte

beinhalten, werden als (physikalische) Effektkataloge bezeichnet. Effektkataloge werden je

nach Anzahl der an der Gliederung des Effektkatalogs beteiligten physikalischen Größen wei-

terhin in ein-, zwei- oder dreidimensionalen Katalogen unterschieden.

Im Rahmen dieser Arbeit wird die Bezeichnung „Effektkatalog“ synonym zur Bezeichnung

eines eindimensionalen Effektkatalogs verwendet. Ein zweidimensionaler Effektkatalog wird

synonym als Effektmatrix bezeichnet.

EFFEKTMATRIX (→ Effektkatalog)

Ein zweidimensionaler Effektkatalog wird synonym als Effektmatrix bezeichnet.

EIGENSCHAFT (→ Merkmal)

Eine Eigenschaft ist alles, „was durch Beobachtungen, Messergebnisse, allgemein akzeptierte Aus-

sagen usw. von einem Gegenstand festgestellt werden kann“ 439. Sie entspricht allgemein einem

Charakteristikum des Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von

einem Element eines technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) und setzt

sich formal aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer Ausprägung (z. B. 5 mm) zusam-

men.440

FUNKTION (→ Verhalten)

Als Funktion eines technischen Systems wird die „lösungsneutrale Beschreibung als Operation

des gewollten Zusammenhangs zwischen Ein- und Ausgangsgrößen“ 441 bezeichnet.442

FUNKTIONSGRÖßE (→ Funktion)

Funktionsgrößen (nach ROTH) sind physikalische Größen, die die Funktion eines technischen

Systems charakterisieren.443 Sie sind im Funktionsablauf veränderlich und können vom Ent-

wickelnden nicht unmittelbar festgelegt werden.444

FUNKTIONSRELEVANTE GESTALTPARAMETER (→ Gestaltparameter)

Als funktionsrelevante Gestaltparameter werden Gestaltparameter bezeichnet, die „entweder

einen direkten Zusammenhang mit einer Funktion besitzen oder aber Gestalteigenschaften beein-

flussen, die für die Funktionserfüllung relevant sind“ 445.

438 VDI 5610 (2009), S. 4. 439 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38, vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 5. 440 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 432. 441 Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 53. 442 Vgl. Pahl und Beitz (2007), S. 44, 783; Lindemann (2009), S. 331 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 443 Vgl. Roth (2000), S. 117. 444 Vgl. Simonek (1973), S. 12. 445 Matthiesen (2020), S. 7.

Page 184: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXIV

GESTALT (→ Gestaltparameter)

Die Gestalt eines materiellen Objekts ist die Gesamtheit der Gestaltparameter, die das

materielle Objekt beschreiben und zu seiner Herstellung notwendig sind.446

GESTALTPARAMETER

Der (Ober-) Begriff Gestaltparameter fasst geometrisch und stofflich beschreibbare Merkmale

bzw. Eigenschaften eines materiellen Objekts zusammen.447

INFORMATION (→ Daten)

Informationen sind strukturierte Daten mit Relevanz und Zweck, die in einen Kontext gebracht,

kategorisiert, kalkuliert und korrigiert werden können.448

KONSTRUKTIONSKATALOG

Unter dem Oberbegriff des Konstruktionskatalogs werden Informations- bzw. Wissensspeicher

zusammengefasst, die hinsichtlich ihrer Inhalte, ihrer Zugriffsmöglichkeiten und ihres Aufbaus

auf das methodische Entwickeln von technischen Systemen zugeschnitten sind. Insbesondere

werden sie durch eine jeweils weitgehende Vollständigkeit, eine klare Systematik und Gliede-

rung sowie der Existenz von Zugriffsmerkmalen charakterisiert. Konstruktionskataloge wer-

den weiterhin in drei wesentliche Arten unterschieden: Objektkataloge, Operationskataloge und

Lösungskataloge.449

MERKMAL (→ Eigenschaft)

Ein Merkmal bezeichnet einen beschreibenden Parameter eines (technischen) Systems. Die

Kombination aus einem Merkmal (z. B. Wanddicke) und einer zugehörigen Ausprägung (z. B.

5 mm) beschreibt eine Eigenschaft des Beobachtungsobjekts (bspw. Gegenstand, Produkt oder

Prozess).450

MESSGRÖßE (→ Sensor)

In der vorliegenden Arbeit wird die Messgröße als die Eingangsgröße eines (kommerziell) ver-

fügbaren Sensors definiert.451

Gemäß der DIN 1319-1 (1995) ist eine Messgröße eine „physikalische Größe, der die Messung

gilt“ 452. Formal wird in der Messtechnik weiterhin zwischen einer Größe, deren Quantifizie-

rung das eigentliche Ziel einer Messung darstellt und der/den tatsächlich gemessenen

Größe/n unterschieden (direkte/indirekte Messung).453 Obwohl diese Differenzierung viel-

fach beschrieben wird, existiert keine einheitlich anerkannte Bezeichnung der beiden Größen.

446 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7 sowie Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 908. 447 Vgl. Matthiesen (2020), S. 2 und 7. 448 VDI 5610 (2009), S. 4. 449 Vgl. VDI 2222 (1997), Blatt 2, S. 4 sowie Koller und Kastrup (1998), S. 29 f. 450 Vgl. Ponn und Lindemann (2011), S. 443, vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 7.

Anmerkung: Die VDI-Richtlinie 2221 von 2019 ist hinsichtlich der dargestellten Bedeutung und des Ver-

hältnisses der Bezeichnungen Eigenschaft und Merkmal uneinheitlich. Auf Seite fünf wird abweichend

das Verständnis eines Merkmals als eine Eigenschaft die besonders herausgehoben werden soll von

Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 38 übernommen. Dieses Verständnis wird an dieser Stelle nicht

übernommen. 451 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S. 6 f. 452 DIN 1319-1 (1995), S. 2. 453 Vgl. DIN 1319-1 (1995), S. 2.

Page 185: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXV

Die Abgrenzung zwischen beiden Größen ist darüber hinaus vom Standpunkt der Betrachtung

abhängig (Bsp. DMS-basierter Kraftsensor: Der Anwendende sieht bspw. die Kraft F als Mess-

größe – Der Hersteller sieht bspw. die Dehnung s als Messgröße).

Die Größe deren Quantifizierung das eigentliche Ziel einer Messung darstellt wird im Rahmen

dieser Arbeit allgemein als „zu erfassende (Zustands-) Größe“ bezeichnet.

METHODE

Als Methode wird das planmäßige und regelbasierte Vorgehen in Form einer Abfolge von

Tätigkeiten zum Erreichen eines definierten Ziels (z. B. Lösung eines technischen Problems)

bezeichnet.454

MODELL

Ein Modell ist ein „gegenüber einem Objekt (Original) vereinfachtes, abstrahiertes, gedankliches,

programmtechnisches, immaterielles oder stoffliches Gebilde, das Analogien zu diesem Objekt auf-

weist“ 455. Weiterhin sind Modelle allgemein zweckorientiert, trennen das für die jeweilige

Situation Wesentliche von Unwesentlichem und aus ihrem Verhalten lassen sich Rückschlüsse

auf das Original ziehen.456 STACHOWIAK weist Modellen drei charakterisierende Merkmale zu:

das Abbildungsmerkmal, das Verkürzungsmerkmal und das pragmatische Merkmal.457

PHYSIKALISCHER EFFEKT

Eine physikalische Erscheinung bzw. ein physikalisches Geschehen wird als physikalischer

Effekt und die quantitativ ausformulierte Beziehung zwischen beteiligten physikalischen Grö-

ßen als physikalisches Gesetz bezeichnet wird.458

PROZESS (→ Zustand)

Ein (technischer) Prozess beschreibt eine zweckdienliche Zustandsänderung (Transformation)

eines Objekts (Operanden), von einem Anfangszustand hin zu einem gewünschten (End-)

Zustand, in einem (definierten) Zeitintervall.459

ROBUSTHEIT

Robustheit wird als die Unempfindlichkeit eines Produkts (u. a. hinsichtlich seiner Funktions-

erfüllung) gegenüber potentiell auftretenden Störeinflüssen bzw. allgemein gegenüber Unsi-

cherheit definiert.

ROBUST DESIGN (→ Robustheit)

Der Begriff des Robust Design fasst allgemein Ansätze zur Entwicklung robuster Produkte

zusammen, ist in der Literatur aber nicht strikt definiert.

454 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; Lindemann (2009), S. 333 sowie VDI 2221 (2019),

Blatt 1, S. 7. 455 Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911; vgl. auch VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6 sowie Lindemann

(2009), S. 333. 456 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 911 sowie VDI 2221 (2019), Blatt 1, S. 6. 457 Vgl. Stachowiak (1973), S. 131-133. 458 Vgl. Kirchner (2020b), S. 119; Roth (2000), S. 2 sowie Ponn und Lindemann (2011), S. 447. 459 Vgl. Hubka (1984), S. 17 sowie Heidemann (2001), S. 71.

Page 186: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXVI

SENSOR (→ Messgröße)

Als Sensor wird die erste in sich geschlossene Komponente, die an ihrem Eingang die Mess-

größe aufnimmt und an ihrem Ausgang ein konditioniertes Messsignal liefert, bezeichnet.460

SYSTEM

Ein System setzt sich aus einer endlichen Menge von Elementen, ihren Eigenschaften und der

Verknüpfung dieser Elemente mittels Relationen zusammen.461 Es ist gegenüber der Umge-

bung durch eine Systemgrenze abgegrenzt, wobei Interaktionen zwischen dem System und

der Umgebung stattfinden und mittels Ein- und Ausgangsgrößen (Inputs und Outputs)

beschrieben werden.462

SYSTEMVARIABLEN

Innerhalb einer physikalischen Domäne lassen sich gemäß der mehrpolbasierten Modellbil-

dung vier Systemvariablen (Primärgröße, Potentialgröße, Flussgröße, Extensum) bilden,

anhand derer der Energieaustausch zwischen konzentrierten Netzwerkelementen sowie die

Speicherung von Energie innerhalb eines Netzwerkelements beschrieben werden kann.

TECHNISCHES SYSTEM (→ System)

Ein technisches System ist ein künstlich erzeugtes geometrisch-stoffliches Gebilde, das entwi-

ckelt wird, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Liegt der Fokus der Betrachtung vor-

nehmlich auf dem geometrisch-stofflichen Gebilde und weniger auf dem Prozess wird es auch

als technisches Produkt bezeichnet.463

UNSICHERHEIT

Unsicherheit ist ein Zustand „der sich aus dem gänzlichen oder teilweisen Fehlen von Informatio-

nen, Verständnis oder Wissen über ein Ereignis, seine Auswirkung oder seine Wahrscheinlichkeit

ergibt“ 464.

VERHALTEN (→ Funktion)

Der reale Zusammenhang zwischen den Ein- und Ausgangsgrößen eines realisierten techni-

schen Systems in Form eines technischen Produkts wird als Verhalten bezeichnet.465

WISSEN (→ Information)

Wissen entsteht durch vernetzte Information. Es ermöglicht es, Vergleiche anzustellen, Ver-

knüpfungen herzustellen und Entscheidungen zu treffen.466

460 Vgl. Tränkler und Reindl (2015), S.4. 461 Vgl. Hubka (1984), S.11 ff. 462 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 28. 463 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 35. 464 ISO Guide 73: 2009 (2009), S. 2. 465 Vgl. Birkhofer und Kloberdanz (2014), S. 55. 466 VDI 5610 (2009), S. 4.

Page 187: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXVII

ZUSTAND (→ Eigenschaft)

Der Zustand eines Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von einem

Element eines technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) wird durch die

Summe seiner momentanen Eigenschaften bestimmt und ist definiert als das quantitative Maß

dieser Eigenschaften.467

ZUSTANDSGRÖßE (→ Zustand)

Dem klassischen Verständnis der Regelungstechnik nach, sind Zustandsgrößen physikalsiche

Größen die den Zustand eines (technischen) Systems charakterisieren. Ändert sich der

Zustand eines Systems, ändern sich zwangsläufig bestimmte Zustandsgrößen.468

Dieses Verständnis wird übernommen und auf den Begriff des Zustands bezogen erweitert.

Demnach werden im Rahmen dieser Arbeit physikalsiche Größen die den Zustand eines

Beobachtungsobjekts (bspw. von einem (technischen) System, von einem Element eines

technischen Systems oder vom Operanden eines Prozesses) charakterisieren als

Zustandsgrößen bezeichnet.

467 Vgl. Ehrlenspiel und Meerkamm (2017), S. 515 und 926 ff sowie MacFarlane (1967), S. 13. 468 Vgl. Lunze (2016), S. 79; Löser et al. (2018), S. 24.

Page 188: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1.1: Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 3

Abbildung 2.1: Modell eines (technischen) Systems .............................................................. 4

Abbildung 2.2: Zusammenhang zwischen technischem System und technischem Prozess ...... 5

Abbildung 2.3: Funktionales, strukturales und hierarchisches Konzept zur

Modellierung von Systemen .......................................................................................... 6

Abbildung 2.4: Realisierung einer allgemeinen Funktion in einem technischen System

auf Basis eines physikalischen Effekts ......................................................................... 10

Abbildung 2.5: Allgemeines Modell der Produktentwicklung ............................................... 14

Abbildung 2.6: Das V-Modell als Makrozyklus ..................................................................... 16

Abbildung 2.7: Modell einer methodischen Vorgehensweise zur Sensorauswahl ................. 17

Abbildung 2.8: Produktmodellpyramide nach Ehrlenspiel ................................................... 18

Abbildung 2.9: Grundstruktur eines Regelkreises – a) Blockschaltbild

und b) Signalflussgraph .............................................................................................. 20

Abbildung 2.10: Modellierung des Einmassenschwingers als System

und als Freikörperbild ................................................................................................. 21

Abbildung 2.11: Darstellung der Differenzialgleichung des Einmassenschwingers

als Blockschaltbild ...................................................................................................... 22

Abbildung 2.12: Zustandsraumdarstellung des Einmassenschwingers im Blockschaltbild .... 22

Abbildung 2.13: Grundstruktur eines mechatronischen Systems .......................................... 23

Abbildung 2.14: Modellhierarchie für den Systementwurf mechatronischer Systeme .......... 24

Abbildung 2.15: Paradigmen zur Multidomänenmodellierung mechatronischer Systeme

auf Basis von konzentrierten Netzwerkelementen in Form von Mehrpolen ................. 25

Abbildung 2.16: Übersicht konzentrierter Netzwerkelemente .............................................. 26

Abbildung 2.17: Übersicht über die Systemvariablen sowie deren Verknüpfung mittels

konstituierender Gesetze in allgemeiner Form sowie jeweils an einem Beispiel

aus der Mechanik und aus der Elektrotechnik ............................................................. 29

Abbildung 2.18: Allgemeine Struktur der Messtechnik a) Messkette

und b) Abgrenzung des Sensor-Begriffs ....................................................................... 30

Abbildung 2.19: Entwicklung eines Modells der Auswertung basierend auf einem

Ursache-Wirkung-Zusammenhang .............................................................................. 31

Abbildung 2.20: Manifestation von Unsicherheit im Systemmodell nach KREYE ET AL. .......... 33

Abbildung 2.21: Einordnung von Daten- und Modellunsicherheit in den

PE-Prozess nach Eifler ................................................................................................. 34

Abbildung 2.22: Erweitertes Unsicherheitsmodell des SFB 805 ........................................... 35

Abbildung 2.23: P-Modell nach TAGUCHI ............................................................................... 36

Abbildung 2.24: Zusammenhang Störung/Unsicherheit und Verhalten am Beispiel

eines Lagerbocks ......................................................................................................... 37

Abbildung 2.25:Vorgehen zur Messunsicherheitsbestimmung nach dem

Standard-GUM-Verfahren ........................................................................................... 39

Abbildung 2.26: Allgemeiner Aufbau physikalischer Effektkataloge mit ein-, zwei oder

dreidimensionalem Gliederungsteil ............................................................................. 41

Abbildung 2.27: Katalogsystem physikalischer Effekte nach KOLLER & KASTRUP .................... 43

Page 189: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XXXIX

Abbildung 2.28: Aufbau der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH sowie der zugehörigen

Sammlung physikalischer, funktioneller Zusammenhänge .......................................... 44

Abbildung 2.29: Auswahlmöglichkeiten im Rahmen der „Transform Query“ in der

„Effects Database“ der Oxford Creativity Ltd. ............................................................... 46

Abbildung 2.30: Struktur des Luenbergerbeobachters inkl. Erläuterung .............................. 47

Abbildung 2.31: Aufschlüsselung der mathematischen Gleichungen eines

Wirkzusammenhangs in einem Messprinzipbaum nach MATTHIESEN et. al ................... 51

Abbildung 2.32: Uncertainty Mode and Effects Analysis (UMEA) nach ENGELHARDT ................ 53

Abbildung 2.33: Lösung des Zielkonflikt zwischen Minimierung der Schwankung und

Minimierung der Abweichung des Mittelwerts vom Soll-Wert

– Parameter Design nach TAGUCHI ................................................................................ 54

Abbildung 2.34: Ausnutzung von nichtlinearen und linearen Zusammenhängen

zwischen Stör- und Steuergrößen – Parameter Design nach TAGUCHI ........................... 54

Abbildung 2.35: Robust Design-Strategien des SFB 805 am Beispiel eines Lagerbocks ........ 55

Abbildung 3.1: Differenzierung der Länge als Funktionsgröße und Gestaltparameter .......... 59

Abbildung 3.2: Ausschnitt der Zuordnungsmatrix nach KOLLER ............................................ 59

Abbildung 3.3: Ausschnitt der Funktionsgrößenmatrix nach ROTH

– Funktionsgrößen des translatorischen Impulses aus der Domäne der Mechanik ...... 61

Abbildung 4.1: Forschungsbedarf resultierend aus den Grundlagen und dem

Stand der Forschung ................................................................................................... 63

Abbildung 4.2: Zusammenhang zwischen der Theorie technischer Systeme und

der Theorie der Konstruktionsprozesse ....................................................................... 65

Abbildung 4.3: Problemlösezyklus als Mikrozyklus .............................................................. 68

Abbildung 5.1: Uneindeutigkeit bei der Einordnung eines Volumenstroms 𝑉 in die

Zuordnungsmatrix nach KOLLER .................................................................................. 70

Abbildung 5.2: Darstellung des wirkungsorientierten Aufbaus des Prinzipkatalogs

nach KOLLER ................................................................................................................ 73

Abbildung 5.3: Ausschnitt der Eigenschaftstabelle für mechanische Effekte sowie

elektrische und magnetische Effekte nach KOLLER & KASTRUP ...................................... 74

Abbildung 5.4: Schematischer Aufbau der Effektmatrix ....................................................... 77

Abbildung 5.5: Übersicht über den grundlegenden Ansatz zur Gliederung und

zum Aufbau des Gliederungsteils der Effektmatrix ...................................................... 79

Abbildung 5.6: Knoten- und Maschenregel nach Kirchhoff im elektrischen

Netzwerk (links) sowie Knotenpunktverfahren am freigeschnittenen

mechanischen Fachwerk (rechts) ................................................................................ 81

Abbildung 5.7: Ausschnitt der Gliederung im Gliederungsteil der Effektmatrix

am Beispiel des translatorischen Impulses p und der elektrischen Ladung Q ............... 81

Abbildung 5.8: Ausschnitt der vom Eingang abweichenden Gliederung des Ausgangs

im Gliederungsteil der Effektmatrix ............................................................................ 82

Abbildung 5.9: Coulomb-Gesetz – Kraft F zwischen zwei elektrischen (Punkt-)

Ladungen Q und Q‘ ..................................................................................................... 83

Abbildung 5.10: Pt-100 Temperatursensor (im Aufbau einer Vier-Leiter-Messung) als

Beispiel für die Beeinflussung von Gestaltparametern einer physikalischen

Domäne durch Funktionsgrößen einer anderen physikalischen Domäne ..................... 84

Page 190: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XL

Abbildung 5.11: Betrachtung des Hooke’schen Gesetzes als Beispiel für die Abhängigkeit

des Abstraktionsgrads in der Betrachtung der beschriebenen Zusammenhänge

vom Anwendenden ..................................................................................................... 85

Abbildung 5.12: Ausschnitt der erweiterten Gliederung im Gliederungsteil

der Effektmatrix .......................................................................................................... 86

Abbildung 5.13: Berücksichtigung magnetischer Effekte über eine definierte Ausnahme ..... 87

Abbildung 5.14: Spektrum elektromagnetischer Strahlung .................................................. 88

Abbildung 5.15: Inhalt der Effektmatrix .............................................................................. 89

Abbildung 5.16: Zusammenhang zwischen Effektmatrix und Effektkatalog sowie

schematischer Aufbau des Effektkatalogs .................................................................... 91

Abbildung 5.17: Aufbau des Gliederungsteils des Effektkatalogs am Beispiel der

elastischen Dehnung ................................................................................................... 92

Abbildung 5.18: Aufbau des Hauptteils des Effektkatalogs am Beispiel der

elastischen Dehnung ................................................................................................... 93

Abbildung 5.19: Gliederung des Effektkatalogs über Gestaltparameter bzw. stoffliche

und geometrische Merkmale ....................................................................................... 94

Abbildung 5.20: Gliederung notwendiger Eigenschaften des technischen Systems

resultierend aus effektspezifischen Anforderungen und Randbedingungen im

Zugriffsteil .................................................................................................................. 96

Abbildung 5.21: Aufbau des Zugriffsteils des Effektkatalogs ................................................ 97

Abbildung 5.22: Beispielhafter Aufbau eines Zahnriementriebs bestehend aus Antrieb,

Abtrieb, Spannrolle und dem eigentlichen Zahnriemen .............................................. 98

Abbildung 5.23: Aufbau eines Zahnriementriebs ................................................................. 99

Abbildung 5.24: Exemplarischer Aufbau eines Zahnriemens ................................................ 99

Abbildung 5.25: Darstellung des maximalen Betrachtungsumfangs im Rahmen des

Beispiels in Form eines strukturalen Systemmodells ................................................. 100

Abbildung 5.26: Ansätze zur Ableitung potentieller Messgrößen am Beispiel des

Zahnriementriebs ausgehend von der Dehnung der Zugträger .................................. 101

Abbildung 5.27: Vorgehen zur [Iteration einer (initialen)]

Ursache-Wirkung-Betrachtung .................................................................................. 102

Abbildung 5.28: Ausschnitt der identifizierten potentiellen Messgrößen zur Erfassung

der Dehnung der Zugträger im betrachteten Zahnriemen ......................................... 103

Abbildung 5.29: Effektkette des Messkonzepts des „Intelligenten Zahnriemens“ ................. 104

Abbildung 5.30: Intelligenter Zahnriemen ......................................................................... 104

Abbildung 6.1: Einordnung der Manifestation von Unsicherheit nach KREYE ET AL. in

den Kontext der Sensorintegration in (bestehende) technische Systeme ................... 106

Abbildung 6.2: Ansatz zur Identifikation von Unsicherheit auf Basis einer

Fehlzustandsbaumanalyse ........................................................................................ 107

Abbildung 6.3: Ausschnitt einer Prüfliste zur Identifikation von Kontextunsicherheit

nach VORWERK-HANDING ET AL. .................................................................................... 108

Abbildung 6.4: Direkte und indirekte Überlagerung der beabsichtigten Effekte durch

unbeabsichtigten Effekte ........................................................................................... 110

Abbildung 6.5: Ermittlung möglicher direkter Überlagerungen eines beabsichtigten

Effekts mithilfe der entwickelten Effektmatrix .......................................................... 111

Page 191: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XLI

Abbildung 6.6: Ermittlung möglicher indirekter Überlagerungen eines beabsichtigten

Effekts ausgehend von identifizierten Stör- und Nebengrößen mittels Effektmatrix .. 111

Abbildung 6.7: Betrachtungsumfang der Effektkette des Beispiels Intelligenter

Zahnriemen – Physikalischer Effekt „Saite“ ................................................................ 112

Abbildung 6.8: Linearisierung des Zusammenhangs zwischen Ursache und Wirkung

aus Sicht des physikalischen Effekts (links) und aus Sicht des Modells der

Auswertung (rechts) ................................................................................................. 116

Abbildung 6.9: Zusammenhang zwischen der Fehlergrenze Δy der zu bestimmenden

Zustandsgröße YZ und der maximal zulässigen Messabweichung bzw.

Fehlergrenzen ΔxMess eines Sensors zur Erfassung der potentiellen

Messgröße XMess,pot .................................................................................................... 119

Abbildung 6.10: Erfassung des kritischsten Arbeitspunkts FL0,krit anhand der

qualitativen Betrachtung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs ............................. 122

Abbildung 6.11: Beurteilung der Schwere der identifizierten Unsicherheit gemäß

Tabelle 6.5, dargestellt im erweiterten Unsicherheitsmodell des SFB 805 ................ 126

Abbildung 7.1: Gleitlagerbuchse deva.tex 552 .................................................................... 136

Abbildung 7.2: Verschleiß einer Gleitlagerbuchse Deva.tex 552 a) Kalkulierter Verschleiß

aufgrund tribologischer Beanspruchung durch Festkörperreibung b) Abrasiver

Verschleiß durch Fremdkörpereintrag in das Gleitlager ............................................ 137

Abbildung 7.3: Vorgehen zur Identifikation sowie Überblick über die Anzahl an

identifizierten physikalischen Effekten, die prinzipiell zur Bestimmung der

Dicke d der Gleitschicht nutzbar sind ........................................................................ 139

Abbildung 7.4: Schematische Aufbau des Demonstrators zum Messkonzept

„Modellierung der Gleitlagerbuchse als Kondensator“ .................................................. 142

Abbildung 7.5: Fertigung von drei Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des

schematischen Aufbaus aus Abbildung 7.4 – Applizierte Kupfer-Kondensatorfolien

auf der Gleitschicht ................................................................................................... 142

Abbildung 7.6: Gefertigte Demonstrator-Gleitlagerbuchsen gemäß des schematischen

Aufbaus aus Abbildung 7.4 ....................................................................................... 143

Page 192: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XLII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Übersicht über die allgemeinen Funktionen nach ROTH ...................................... 9

Tabelle 2.2: Zusammenfassung der Systemvariablen im Rahmen der

Mehrpolbasierten Modellbildung................................................................................... 28

Tabelle 2.3: Übersicht über die konstitutiven Gesetze zur Verknüpfung

der Systemvariablen ................................................................................................... 28

Tabelle 4.1: Forschungsvorgehen zur ersten (Haupt-) Forschungsfrage ............................... 66

Tabelle 4.2: Forschungsvorgehen zur zweiten (Haupt-) Forschungsfrage ............................ 67

Tabelle 5.1: Anforderungen an Effektmatrix und -katalog ................................................... 76

Tabelle 6.1: Quellen für Modellunsicherheit im Messkonzept des

Intelligenten Zahnriemens am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ ................... 112

Tabelle 6.2: Quellen für Datenunsicherheit im Messkonzept des

Intelligenten Zahnriemens am Beispiel des physikalischen Effekts „Saite“ ................... 113

Tabelle 6.3: Annahmen zum beispielhaft betrachteten Zahnriemen ................................... 121

Tabelle 6.4: Ergänzende Annahmen zum technischen System des beispielhaft

betrachteten Zahnriemen .......................................................................................... 124

Tabelle 6.5: Zustände und Erläuterungen hinsichtlich der Beurteilung der Schwere

von identifizierter Unsicherheit sowie daraus resultierende Folgen ........................... 125

Tabelle 7.1: Beurteilung des Erfüllungsgrads der definierten Anforderungen durch

den entwickelten Ansatz eines Katalogsystems physikalischer Effekte ....................... 131

Tabelle 7.2: Überblick über die vier identifizierten Effekte, die prinzipiell zur

Bestimmung der verschleißbedingt verbleibenden Dicke d der Gleitschicht

nutzbar sind.............................................................................................................. 140

Tabelle 7.3: Übersicht über die drei am besten bewerteten Messkonzepte gemäß der

gewichteten Punktbewertung nach GROß .................................................................. 141

Page 193: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

XLIII

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Page 201: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

LI

Eigene Veröffentlichungen

2018

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Functions in Existing Systems – Retrofitting as Basis for Digitalization. In Ekströmer, P., Schütte,

S. und Ölvander, J. (Hrsg.): Proceedings of NordDesign 2018. Linköping, Schweden, S. 1-12.

MARTIN, G.; VOGEL, S.; SCHIRRA, T.; VORWERK-HANDING, G. UND KIRCHNER, E. (2018): Methodical

Evaluation of Sensor Positions for Condition Monitoring of Gears. In Ekströmer, P., Schütte, S.

und Ölvander, J. (Hrsg.): Proceedings of NordDesign 2018. Linköping, Schweden, S. 1-12.

2019

VORWERK-HANDING, G.; VOGEL, S. UND KIRCHNER, E. (2019): Integration von Messfunktionen in

bestehende technische Systeme unter Berücksichtigung der Baustruktur. In Bertram, T., Corves, B.,

Gräßler, I. und Janschek, K. (Hrsg.): VDI-Fachtagung Mechatronik. Paderborn, S. 219-224.

VOGEL, S.; VORWERK-HANDING, G. UND KIRCHNER, E. (2019): Analysemodell für die Priorisierung

von Weiterentwicklungsoptionen zur Sensorintegration. In Krause, D.; Paetzold, K. und Wartzack,

S. (Hrsg.): Proceedings of the 30th Symposium Design for X. Hamburg, S. 303-314.

2020

VORWERK-HANDING, G.; SCHORK, S.; GWOSCH, T.; KIRCHNER, E. UND MATTHIESEN, S. (2020):

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Ingenieurwesen, 84. Aufl., S. 21-32.

VORWERK-HANDING, G.; WELZBACHER, P. UND KIRCHNER, E. (2020): Consideration of Uncertainty

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SCHORK, S.; VORWERK-HANDING, G.; VOGEL, S. UND KIRCHNER, E. (2020): Mechatronic Machine

Elements – Approach to Develop Prototypes Based on the Signal Flow. In Horvath, I. und

Keenaghan, G. (Hrsg.): Proceedings of the Tools and Methods of Competitive Engineering (TMCE). Dublin, Irland, S. 583-594.

Page 202: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

LII

Betreute studentische Arbeiten

2018

WELCHES, R. (2018): Entwicklung eines mikroinvasiven Messsystems zur Erfassung von Radkräften

in einem Formula Student Fahrzeug. Master-Thesis, TU Darmstadt, Institut für

Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).

DIETER, D. D.; HAßLER, D.; KÖBSCHALL, K.; POSS, B. UND SCHOLL, P. (2018): Konzeptentwicklung

zur Erfassung von Lastkollektiven in einer Sattelkupplung. Advanced Design Project (ADP), TU

Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).

MÜLLER, M. H. (2018): Konzeptentwicklung für sensorintegrierende Marknägel zur Überwachung der

Knochenheilung. Studienarbeit, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und

Maschinenelemente (pmd).

2019

ASAN, V. (2019): Systematisches Ableiten von Messgrößen ausgehend von individuellen Zielgrößen in

bestehenden technischen Systemen. Bachelor-Thesis, TU Darmstadt, Institut für

Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).

2020

WELZBACHER, P. (2020): Entwicklung eines Ansatzes zur Berücksichtigung von Unsicherheit im

Rahmen der konzeptionellen Integration von Messfunktionen in bestehende Systeme. Master-Thesis, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd).

Weitere studentische Arbeiten mit direkter Relevanz

(nicht direkt vom Autor betreut)

2018

ERZ, C.; DOMMEL, J. J.; KIANPOOR, S.; REGEV, Y. UND RAUSCHENBACH, Y. (2018): Entwicklung von

Messkonzepten für die Zustandsüberwachung von Zahnriemen. Advanced Design Project (ADP),

TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente (pmd) & Institut für

Integrierte Elektronische Systeme (IES).

2020

GROß, H. J. (2020): Entwicklung eines Messkonzeptes für selbstschmierende Gleitlagerbuchsen. Bachelor-Thesis, TU Darmstadt, Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente

(pmd).

Page 203: Erfassung systemspezifischer Zustandsgrößen

LIII

Lebenslauf

Persönliche Daten

Name: Gunnar Thomas Vorwerk-Handing

Geburtsort: Gütersloh

Ausbildung und beruflicher Werdegang

02/2021 Promotionsprüfung zum Doktoringenieur an der Technischen

Universität Darmstadt, Fachbereich Maschinenbau

03/2017 – 02/2021 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität

Darmstadt am Fachgebiet für Produktentwicklung und

Maschinenelemente (pmd)

01/2016 – 03/2016 Forschungspraktikum als Projektstudent bei SINTEF Energy Research

(Trondheim, Norwegen)

07/2015 – 12/2015 Auslandsstudium an der Norwegian University of Science and

Technology (Trondheim, Norwegen)

04/2014 – 11/2016 Masterstudium, Studiengang Mechanical and Process Engineering

an der Technischen Universität Darmstadt, Abschluss M. Sc.

10/2013 – 03/2014 Studentisches Fachpraktikum bei CLAAS Selbstfahrende

Erntemaschinen GmbH (Harsewinkel)

10/2010 – 09/2013 Bachelorstudium, Studiengang Mechanical and Process Engineering

an der Technischen Universität Darmstadt, Abschluss B. Sc.

06/2010 Abitur, Gymnasium Marienschule, Lippstadt