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Ernst Piper

Alfred RosenbergHitlers Chefideologe

Karl Blessing Verlag

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1. AuflageCopyright © 2005 by Karl Blessing Verlag GmbH, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbHUmschlaggestaltung: Hauptmann und Kompanie Werbeagentur, München – Zürich unter Verwendung eines FotosCopyright by Bayerische Staatsbibliothek MünchenSatz: Uhl + Massopust, AalenDieses Buch wurde auf holz- und säurefreiem Papier gedruckt,geliefert von Salzer Papier GmbH, St. Pölten.Das Papier wurde aus chlorfrei gebleichtem Zellstoff hergestelltund ist alterungsbeständig.Druck und Einband: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in GermanyISBN-10: 3-89667-148-0ISBN-13: 978-3-89667-148-6

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

I. Herkunft und Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

II. Vom Publizisten zum Ideologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29Die Anfänge der NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Russische Frage und deutsche Balten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55Frühe Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Dietrich Eckart und der Völkische Beobachter . . . . . . . . . . . . . . . . 76Das Krisenjahr 1923 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

III. Verbotszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Vorsitzender einer verbotenen Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97Nationalsozialistisches Programm und

völkische Sammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110Der Weltkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116

IV. Die dürren Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Neugründung und Aufbau der NSDAP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122Nationalsozialismus oder nationaler Sozialismus . . . . . . . . . . . . . . 144Deutsche Außenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152Religion und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167

V. Der Mythos des 20. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

Vom Mythos zum »Mythus« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179Der arische Gestus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

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Die Rassenseele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207Politische Religion oder Religionsersatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

VI. Jahre der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Auf dem Weg zur Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232Der Kampfbund für deutsche Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259Nordische Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275Das Außenpolitische Amt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285

VII. Der bevollmächtigte Dogmatiker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323

Weltanschauungsbeauftragter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323Im Kampf um die Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369Vom Kampfbund zur Kulturgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386Kirchenkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399Die überstaatlichen Mächte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

VIII. Die Einheitlichkeit des Seelenkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . 435

Neuordnung Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435Lebensraum im Osten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 448Baltische Heimkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456

IX. Ideologische Aufrüstung im Schatten des Krieges . . . . . 462

Die Hohe Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462Das Institut zur Erforschung der Judenfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486

X. Die weltanschauliche Überwindung der Sowjetunion . . . 509

Beauftragter für die Fragen des osteuropäischen Raums . . . . . . . . . 509Der Überfall auf die Sowjetunion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518Reichsminister für die besetzten Ostgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531Die Reichskommissariate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566Die Judenvernichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577Die Verteidigung Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597

XI. Finale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612

Dem Ende entgegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 612Nach dem Ende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621

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Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 762Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 765Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 820Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 821

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Einleitung

Wer sich mit der Person Alfred Rosenbergs beschäftigt, stößt auf eigen-tümlich kontrastierende Urteile. In der zeitgenössischen Literatur galt erals ideologischer Kopf der nationalsozialistischen Bewegung, als Pro-grammatiker, als Chefdenker. So hieß es zum Beispiel in dem 1934 imPariser Exil erschienenen Buch »Naziführer sehen Dich an«: »Hitler be-fiehlt, was Rosenberg will.«1 Hitler galt als das Medium, mit dessen HilfeRosenberg die Bewegung dirigierte. Ähnliche Urteile kann man bei sounterschiedlichen Autoren wie Konrad Heiden und Otto Strasser undnoch vielen anderen finden. Ein ganz anders geartetes Bild Alfred Rosen-bergs zeigt sich in der Nachkriegsliteratur. Prägend hat hier, zumindest imdeutschen Sprachraum, Joachim Fest gewirkt, der Rosenberg in seinemfrühen Werk »Das Gesicht des Dritten Reiches« als »vergessenen Ge-folgsmann« porträtierte:

»Die Tragödie Alfred Rosenbergs war, dass er an den Nationalsozialismuswirklich geglaubt hat. Die rechthaberische Gewissheit, mit der er sich alsder Schriftgelehrte einer neuen irdischen Heilsbotschaft empfand, machteihn innerhalb der Führungsspitze der NSDAP zu einem kuriosen und viel-fach belächelten Einzelgänger – zum ›Philosophen‹ einer Bewegung, derenPhilosophie am Ende nahezu immer die Macht war. Rosenberg selbst hatdas freilich nie erkannt oder gar anerkannt und wurde gerade deshalb imVerlauf der Jahre, als der Machtgedanke die ideologischen Drapierungenzusehends überspielte, zum vergessenen Gefolgsmann: kaum noch ernstgenommen, mutwillig übersehen und herumgestoßen, ein Requisit aus derideologisch gestimmten Frühzeit, der Werbephase der Partei.«2

Fest unterschied damals zwischen »Technikern und Praktikern der tota-litären Herrschaft« einerseits, das waren die mächtigen Männer wie Gö-ring, Goebbels, Himmler und Bormann, und dem »Personal der totalitä-ren Herrschaft« andererseits. »Personal« klingt nach Staffage. Tatsächlich

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bildete Fest hier eine höchst ungleichgewichtige Equipe, der so unterschied-liche Leute angehörten wie der unsägliche Papen, der überaus mächtigeSpeer, außerdem Ribbentrop, Heß und von Schirach sowie Typen wie»General von Icks« und »Professor NSDAP« und eben Alfred Rosenberg.

Fests Diktum hatte einen langen Nachhall. Bis heute fehlt eine umfas-sende Biographie Rosenbergs, obwohl andererseits dieser Umstand in derLiteratur immer wieder beklagt worden ist.3 Den Lebensgang dieses »ver-gessenen Gefolgsmannes« nachzuzeichnen, erschien nicht als lohnendesUnterfangen. Und der Ideologe war in der nach den Erfahrungen des Drit-ten Reiches dezidiert antiideologisch gestimmten Bundesrepublik keinThema. Die erste bedeutende Arbeit über Alfred Rosenberg war die Dis-sertation von Reinhard Bollmus (1968, gedruckt 1970). Sie hatte das AmtRosenberg zum Gegenstand, ähnlich wie schon eine amerikanische Dis-sertation einige Jahre zuvor. Doch die Titel der beiden Arbeiten hättenunterschiedlicher nicht sein können. Bollmus’ Arbeit hieß »Das Amt Ro-senberg und seine Gegner. Zum Machtkampf im nationalsozialistischenHerrschaftssystem«, während Rothfeder für die seine den Titel »A Studyof Alfred Rosenberg’s Organization for National Socialist Ideology« ge-wählt hatte. Der eine hob auf die Position Rosenbergs in der nationalso-zialistischen Polykratie ab, auf die bekannten Fragen, inwieweit Rosen-berg sich wann gegen wen in welchem Umfang durchsetzen konnte. Demanderen ging es um die praktische Implementierung der von Rosenbergvertretenen Ideologie. Beide fragten nach der Wirkung, verwendeten da-bei aber höchst unterschiedliche Parameter. Und so sollte es bleiben. Diedeutschen Autoren bewegten sich in den Bahnen der Institutionenge-schichte. Jacobsen (1968), Lutzhöft (1971), Gimmel (1999) und Zellhu-ber (2005) verdanken wir material- und aufschlussreiche Arbeiten zumAußenpolitischen Amt, der Nordischen Gesellschaft, dem Kampfbund fürdeutsche Kultur und dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete,während über andere Arbeitsfelder, wie z.B. den Völkischen Beobachter4

und den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Darstellungen von ver-gleichbarer Qualität immer noch fehlen. Die genannten Arbeiten leistenbedeutende Beiträge zu unserem Wissen über die Zeit des Nationalsozia-lismus, aber wir erfahren nur wenig über das Denken jenes Mannes, derdie untersuchten Institutionen geleitet hat. Dieser Frage haben sich dage-gen Autoren wie Chandler (1968), Cecil (1972), Hutchinson (1977) undWhisker (1982) gewidmet, die sämtlich im angloamerikanischen Sprach-raum beheimatet sind und hierzulande kaum Beachtung gefunden haben.Wenn wir einmal von dem gänzlich unbeachtlichen Beitrag von Molau(1993) absehen, der inzwischen für die NPD tätig ist, haben sich erst

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Bärsch und Kroll (beide 1998) mit Rosenberg unter ideengeschichtlichenVorzeichen auseinander gesetzt.

Zu der These von der angeblichen Bedeutungslosigkeit Rosenbergs trittnoch der Umstand hinzu, dass viele Historiker in den letzten Jahrzehntender Ereignisgeschichte mit großer Reserve gegenüberstanden. Der struk-turalistische Angriff auf einen historiographischen Geschichtsbegriff un-tergrub vielfach das Vertrauen in die Valenz des Narrativen. Biographenhatten deshalb bis in die letzten Jahre hinein einen schweren Stand. SelbstIan Kershaw sah sich veranlasst, seine monumentale Arbeit, deren Nütz-lichkeit nun wirklich über jeden Zweifel erhaben ist, mit dem Hinweis zurechtfertigen, er habe eine nicht auf Hitler zentrierte Biographie Hitlersgeschrieben, der in gewisser Weise ein Mann ohne Eigenschaften gewe-sen sei.5 Sein Wirken erkläre sich durch die Reaktionen und Projektionender Gesellschaft auf ihn. Die Gesellschaft habe Hitlers Erfolg entgegen-gearbeitet. Wenn wir einmal von der Frage absehen, warum unter all denvielen völkischen Agitatoren gerade Adolf Hitler derjenige war, den Mil-lionen Deutsche zum Objekt ihrer Reaktionen und Projektionen machten,warum sie nicht einem anderen Agitator entgegengearbeitet haben, so istdoch jedenfalls bei ihm ein solcher Zugriff möglich. Man denke nur anden Marsch zur Feldherrnhalle, die durch den gescheiterten Putschversuchsprunghaft gesteigerte Popularität der Nationalsozialisten und Hitlersrhetorische Glanznummern beim anschließenden Prozess.

Wollte man ähnlich Alfred Rosenberg in den Blick nehmen, käme mannicht sehr weit. Er ging am 9. November 1923 nur einen Meter hinter Hit-ler, doch niemand nahm es zur Kenntnis; er gehörte auch nicht zu den An-geklagten im folgenden Prozess. Zu beschreiben, wie die deutsche Gesell-schaft auf sein Auftreten reagierte, wäre nicht möglich, denn Rosenberg tratnicht auf. Er wurde in der »Kampfzeit« außerhalb von Parteitagen kaum je als Redner eingesetzt und suchte auch nicht, wie Hitler, in Salons denKontakt zum Münchner Bürgertum. Seine Tribüne war der Schreibtisch. Erschrieb mehr als alle anderen Naziführer zusammen genommen, verfassteParteitagsführer, kommentierte das Programm und war Chefredakteur oderHerausgeber fast aller wichtigen Periodika, vom Völkischen Beobachterüber den Weltkampf bis zu den Nationalsozialistischen Monatsheften.Wenn er als »der bedeutendste Publizist der antijüdischen Bewegung«6 be-zeichnet wurde, empfand er das zweifellos als Anerkennung seiner Leistung.Hitler wäre empört gewesen, hätte man ihn so charakterisiert. Er wolltenicht Publizist, sondern unter allen Umständen Politiker sein, das hatte erschon als junger Mann beschlossen. Rosenberg aber war, soweit er Politikerwar, ein »Ideologe als Politiker«, wie Kroll es treffend formuliert hat.7

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Die Mutation vom Ideologen zum Politiker, vor allem nach 1933, wareine große Herausforderung für Alfred Rosenberg, die er nur teilweiseerfolgreich bestand. Immerhin gelang es ihm, sich bis zum Ende in den in-neren Zirkeln der Macht zu halten, während es in Hitlers Entourage derfrühen Jahre viele gab, die aus jeweils ganz unterschiedlichen Gründengänzlich aus seinem Umfeld verschwanden: Feder, Ludendorff, Drexler,Esser, Heß, Röhm, Hanfstaengl, Gregor Strasser, Scheubner-Richter undin gewisser Weise auch Streicher. Wenige konnten so wie Rosenberg ihrePosition halten; Schwarz, Amann, Ley und Ribbentrop wären zu nennen.Und nur ganz wenige wie Himmler und Goebbels und mit Einschränkun-gen Göring überflügelten ihn deutlich. Diejenigen, die wie Bormann undSpeer erst später in Hitlers Umkreis traten und dann ebenfalls eine großeMachtfülle gewannen, dürfen bei dieser Betrachtung natürlich nicht ver-gessen werden. Wenn man sich aber einmal vom Primat der Organisa-tions- und Institutionengeschichte freimacht, wird man rasch erkennen,dass von den Menschen im Umkreis des großen Diktators nur Goebbelsund Himmler Rosenberg an Wirkungsmacht gleichkamen. Max Wein-reich, ein weiterer hierzulande kaum rezipierter angloamerikanischerAutor, sah in Rosenberg eine Schlüsselfigur für die Implementierung desAntisemitismus in die nationalsozialistische Weltanschauung,8 währendPotthast, auf derselben Linie argumentierend, konstatiert: »Der ›Ver-nunftantisemitismus‹ war maßgeblich sein Werk.«9 Auch Kroll betont denweitreichenden Einfluss, den Rosenberg ausübte:

»Seine Gedankengänge waren nach 1933 in den verschiedensten Bereichendes öffentlichen Lebens präsent. Schulbücher, Lehr- und Unterrichtspläne,parteiinterne Leithefte und Schulungsbriefe der einzelnen nationalsozialis-tischen Organisationen – vor allem der SA und der SS –, aber auch popu-läre literarische Geschichtswerke wie zeitgenössische ›Bestseller‹ von Wer-ner Beumelburg, Gustav Frenssen oder Hans Friedrich Blunck gaben dasvon Rosenberg verfochtene Welt- und Geschichtsbild wieder und wirktenals wichtige Multiplikationsfaktoren seiner Lehren.«10

Ähnlich hatte eine zeitgenössische Darstellung argumentiert:

»Der Einfluß Rosenbergs auf Erziehung und geistige Neuformung reichtbis in die feinsten Kanäle des gesamten kulturellen und politischen Lebensunseres Volkes.«11

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Für die Zeitgenossen war Alfred Rosenberg der »Parteipapst«12, wie es die respektlose Bella Fromm formulierte, oder Hitlers Erzieher13, der »ein-malige(n) philosophische(n) Kopf in der unmittelbaren Gefolgschaft desFührers«14, »nächst dem Führer selbst der wichtigste Träger und Verkün-der der nationalsozialistischen Weltanschauung«15 und in des »Führers«eigenen Worten der »erste(n) geistige(n) Mitgestalter der Partei«16. DieAnkläger in Nürnberg hatten kein anderes Bild. Robert Kempner sprachvon Rosenberg als »Hitlers Weltanschauungschef« und »Präzeptor dernationalsozialistischen Weltanschauung«.17 Robert Jackson nannte ihnden »geistigen Priester der ›Herrenrasse‹, der die Lehre des Hasses schuf,die den Anstoß zur Vernichtung des Judentums gab«.18 Und WalterBrudno stellte fest, dass »Rosenberg eine besonders hervorragende Rollebei der Schaffung und Verbreitung des doktrinären Unterbaus der Ver-schwörung gespielt hat…; er hat dies getan, indem er den Einfluß derKirchen auf das deutsche Volk untergrub, indem er das Programm dermitleidlosen Judenverfolgung betrieb, und indem er das Erziehungssystemumgestaltete mit der Absicht, das deutsche Volk dem Willen der Ver-schwörer gefügig zu machen und das Volk für einen Angriffskrieg psycho-logisch vorzubereiten.«19 Die Nürnberger Richter, die andere Angeklagtezu Zeitstrafen verurteilten und einige sogar freisprachen, befanden AlfredRosenberg in allen vier Anklagepunkten für schuldig und verurteilten ihnzum Tod durch den Strang. Sie wussten warum.

Ernst Nolte blieb es vorbehalten, die Bedeutung der Ideologie für denNationalsozialismus grundsätzlich in Frage zu stellen. So sprach er schonzu Beginn seines großen Werkes »Der Faschismus in seiner Epoche« vomunideologischen Charakter des Faschismus, der in dieser Hinsicht inkom-mensurabel mit dem Marxismus sei.20 Die Absurdität dieser These wirdnoch dadurch gesteigert, dass Nolte sich dabei ausgerechnet auf Rosen-berg berief. Dessen »Mythus des 20. Jahrhunderts«, das »Grundbuch dernationalsozialistischen Weltanschauung«, trage »unverkennbar die Zügeder protestantisch-liberalen Herkunft des Verfassers«.21 Dass der Aber-witz dieser Behauptung damals nicht aufgefallen ist, ist wohl nur mit demErscheinungsjahr 1963 dieser Faschismus-Analyse zu erklären, das in eineHochphase des Kalten Krieges fiel. Über Rosenberg kann man vielessagen, aber eines war er ganz gewiss zu keiner Zeit seines Lebens: libe-ral. Nolte, der von der Idee besessen ist, den Nationalsozialismus zu einerliberalen antikommunistischen Bewegung zu verklären, wiederholte seineThese vom liberalen Rosenberg Jahrzehnte später in »Der europäischeBürgerkrieg«, dem dritten Band seiner »Trilogie«:

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»…Hitler und Alfred Rosenberg und Heinrich Himmler waren nicht ur-sprünglich Ideologen, sondern Künstler, liberale Angehörige freier Berufe,Kleinbürger, die durch ungeheure Ereignisse beunruhigt und verstörtwaren, die nach Antworten suchten und über die Schwäche der Regierun-gen erzürnt waren. Daß sie Deutschland in die Mitte ihres Empfindens undDenkens stellten, gefährdete zwar die nächste historische Aufgabe, wenndiese in der Überwindung der Nationalstaatsidee und in einer europä-ischen Einigung bestand, aber das war in einem Zeitalter nicht verwun-derlich, das immer noch ein Zeitalter des Nationalismus war. Daß sie sichtrotzdem als europäische Bürger betrachteten, war vielleicht nicht konse-quent und blieb keine unangetastete Maxime, doch sie standen damit aufder Seite eines historischen Rechts, das dieser übernationalen Klasse nocheine bedeutende Zukunft vorbehielt. Aber entscheidend war erst, daß sieaus ihrer Urerfahrung und Grundemotion die Forderung ableiteten, ebensokonsequent und unerbittlich zu sein wie der Feind, ja noch konsequenterund unerbittlicher. Erst dadurch wurden sie zu Ideologen, und bloß des-halb griffen sie jene Differenzen als schädlich an, auf denen die GeschichteEuropas bis dahin beruht hatte.«22

Die Groteskheit dieser Darstellung ist offensichtlich. Keiner der Genann-ten war ein Künstler, keiner auch gehörte den artes liberales an, denn Ro-senberg hatte Architektur, Himmler Landwirtschaft und Hitler gar nichtstudiert. Auch europäische Bürger waren sie, vielleicht mit der partiellenAusnahme Rosenbergs, nicht, jedenfalls in keiner sinnvollen Bedeutungdes Wortes. Dass der ideologisch motivierte Vernichtungskrieg gegen dieSowjetunion auf einen bloßen Reflex auf die Bedrohung durch den Sow-jetkommunismus reduziert wird, mit der Vernichtung der europäischenJudenheit als »Nebenprodukt«, so Noltes Kernthese, will ich an dieserStelle nicht diskutieren, wohl aber die Negation des Apriori des Ideologi-schen ausdrücklich bestreiten.

Diesmal, anders als 1963, war der Widerspruch gegen Nolte vehement.Seine Thesen, 1980 weithin unbemerkt erstmals vorgetragen, führten zueiner Debatte, die unter dem Namen »Historikerstreit« in die Historiogra-phie eingegangen ist, wobei Nolte in seinem Widerspruch gegen den vonmir gewählten Untertitel der Dokumentation dieser Debatte seine Positionnoch einmal deutlich gemacht hat.23 Nolte war im Übrigen, meines Erach-tens zu Recht, der Auffassung, dass er dieselben Positionen wie in »Dereuropäische Bürgerkrieg« schon 1963 vertreten habe. Nicht er habe sichverändert. Richtig sei vielmehr, dass er sich »heute in stärkerem Gegensatzzu vorherrschenden Zeitströmungen befinde«.24

Vieles spricht in der Tat dafür, insoweit hat Nolte Recht, dass die Ur-

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sachen für den politischen Erfolg der nationalsozialistischen Bewegung in der Zeit nach 1914 zu suchen sind, dass die ganz anders geartete poli-tische Konstellation in Deutschland und Europa nach dem Ersten Welt-krieg Voraussetzung für die Wirksamkeit der nationalsozialistischen Pro-paganda war. Ebenso viel spricht aber auch dafür, dass die ideologischeFundierung der Bewegung ihre Wurzeln in dem davorliegenden Zeitraumhat. Nolte verkehrt die Prioritäten, wenn er schreibt: »Den Antisemitis-mus der Nationalsozialisten von ihrem Antibolschewismus ablösen zuwollen, ist töricht.«25 Wenn man diesen Satz umdreht, dann gewinnt erSinn: Den Antibolschewismus der Nationalsozialisten von ihrem Antise-mitismus ablösen zu wollen, ist töricht.

Yehuda Bauer, der im Gegensatz zu Nolte nicht die Intention hat, denNationalsozialismus zum Faschismus zu diminuieren, hat in seinem sou-veränen Alterswerk »Die dunkle Seite der Geschichte« eindringlich dar-getan, dass die antisemitische Ideologie eine zentrale Determinante derShoah gewesen ist.26 Die Vernichtung der europäischen Judenheit wareben kein »Nebenprodukt«, dem ein anderes »Prius« (Nolte) vorausging,auch wenn Hitler, Rosenberg und die anderen 1919, als sie bereits dieEntfernung der Juden forderten, dabei noch nicht die Gaskammern vonAuschwitz-Birkenau vor Augen hatten.

Rosenberg hat entscheidend dazu beigetragen, Hitler das Bild vomjüdischen Charakter der russischen Revolution zu vermitteln. In diesemPunkt sind die so unterschiedlichen Biographen Joachim Fest und IanKershaw sich einig, auch wenn Letzterer Rosenbergs Einfluss höher zu be-werten geneigt ist als Ersterer.27 Beide, Hitler und Rosenberg glaubten an ein jüdisch-bolschewistisches Weltherrschaftsstreben, weswegen derKampf gegen die Sowjetunion immer auch Kampf gegen das Weltjuden-tum war. Und beide wollten beweisen, dass sie Recht hatten, jeder aufseine Weise, der eine, indem er die staatlichen Machtmittel eroberte, einvon Diktatoren gerne gewählter Weg zur Durchsetzung ihrer Wahrhei-ten, der andere, indem er danach strebte, ein möglichst lückenloses Dog-mengebäude zu errichten, dessen überwältigende Plausibilität ernsthaf-ten Widerspruch auf die Dauer nicht zuließ; auch dies ein Weg, der vontotalitären Regimen jedweder Couleur regelmäßig beschritten wird undebenso regelmäßig auf Dauer nicht zum Erfolg führt. Wo der Zwang zurZustimmung entfällt, entfällt auch die Zustimmung. Deshalb bedarf dasMeinungsmonopol zu seiner Durchsetzung früher oder später stets desGewaltmonopols.

Die Person Alfred Rosenberg ist, diesseits und jenseits des Interesses anseinem Lebensgang, in hohem Maße geeignet, den ideologischen Charak-

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ter des nationalsozialistischen Regimes paradigmatisch zu zeigen. Wennman unter Ideologie die Gesamtheit der von einer Bewegung hervor-gebrachten Denksysteme, Wertungen und geistigen Grundeinstellungenversteht, war er selbst zweifellos ein Ideologe. Und wenn man sich seineWeltsicht zu Eigen machen und von klangvollen Titeln auf reale Machtschließen wollte, könnte man ihn sogar einen Chefideologen nennen. DerGlaube an die Macht der Ideen war der primäre Antrieb für sein Wirken,ein Wirken, unter dessen Folgen Millionen von Menschen zu leiden hat-ten.

In seiner Rezension von Fests Speer-Biographie hat Hans Mommsen an-gemerkt:

»Bei Hitler hebt man zunehmend hervor, dass er im Grund eine ›Unperson‹war und letztlich nur als Vollstrecker von allgemeinen gesellschaftlichenTriebkräften erklärt werden kann. Dies trifft für seine Satrapen, derenPhysiognomie Fest am Beispiel Speers darstellen möchte, in noch stärke-rem Umfang zu. Hinter deren Unfähigkeit zu positiver Gestaltung, ihremAbsinken in eine Korruption ohnegleichen und ihre in unaufhebbaremWiderspruch zwischen Ideologie und Realität stehende Lebensführunglässt die individuelle Biographie bedeutungslos erscheinen oder gänzlichzurücktreten.«28

Dieser Auffassung kann ich nicht folgen. Die Vorstellung, wir hätten einklareres Bild des nationalsozialistischen Terrorregimes, wenn wir von derPersönlichkeit der Hauptakteure absehen würden, erscheint mir wenighilfreich. Man muss nur Hermann Göring und Alfred Rosenberg betrach-ten, die zufällig beide am 12. Januar 1893 zur Welt kamen, um zu sehen,welches hohe Maß an Individualität auch auf der Ebene der Satrapenmöglich war. Der Lebemann Göring und der »Moralathlet« (Ernst Röhm)Rosenberg sanken in höchst unterschiedlichem Maße in die Korruptionab. Und während der eine die ethischen Maßstäbe eines besonders erfolg-reichen Räuberhauptmanns pflegte, versuchte der andere bis zum letztenAtemzug, Ideologie und Realität in Einklang zu bringen, was seiner poli-tischen Wirksamkeit oft genug eher hinderlich als förderlich war. Als Ein-ziger der in Nürnberg zum Tode Verurteilten verweigerte Rosenberg nochim Angesicht des Schafotts jeden geistlichen Beistand, denn die Kirchehatte er schließlich immer bekämpft. Von Göring, der sich der Hinrich-tung durch Selbstmord entzog, ist der Ausspruch überliefert: »Wenigstenszwölf Jahre gut gelebt.« Rosenberg interessierte das gute Leben nur mä-ßig. Er arbeitete in seiner Gefängniszelle an einem Verfassungsentwurf fürNachkriegsdeutschland, wobei es für seine Illusionsfähigkeit spricht, dass

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er daran glaubte, man werde beim Aufbau dieses Nachkriegsdeutschlandsauf seine Mitarbeit nicht verzichten können.

Für die antisemitische Ausrichtung der nationalsozialistischen Bewe-gung, die programmatische Fundierung des Erlösungsantisemitismus warAlfred Rosenberg der wichtigste Kopf in Hitlers Mannschaft gewesen.Lebensraum im Osten und die Entfernung der Juden, die beiden wichtigs-ten Ziele in Hitlers Weltsicht,29 verbanden sich gerade in den vom Ostmi-nister verwalteten Territorien. Rosenberg war dort zum einen adminis-trativ in die Judenvernichtung involviert, zum anderen verfolgte er seineAufgabe weiter, das deutsche Volk auf das Mordprogramm einzustim-men. Den Aufzeichnungen, die Rosenberg im Nürnberger Gefängnis an-gefertigt hatte und die zu seinen Lebzeiten nicht mehr veröffentlicht wur-den, gab ein treuer Anhänger später den Titel »Großdeutschland. Traumund Tragödie«,30 während zwei kritische Publizisten denselben Text unterdem Titel »Portrait eines Menschheitsverbrechers« veröffentlichten31.Diese Polarität von Innensicht und Außensicht ist emblematisch für dasWirken des Mannes, der mit seinen Ideen einmal Europa beherrschenwollte.

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I. Herkunft und Jugend

Alfred Rosenberg wurde am 12. Januar 1893, nach dem russischen Ka-lender am 31. Dezember 1892, in Reval, dem heutigen Tallinn, geboren.Reval war damals die Hauptstadt des russischen Gouvernements Est-land,1 der nördlichsten der baltischen Provinzen des russischen Reiches,die dem protestantischen Bistum Reval entsprach. Reval, am FinnischenMeerbusen nur 80 Kilometer südlich von Helsinki gelegen, war damalsnach Petersburg und Riga Russlands bedeutendste Hafenstadt an der Ost-see. Die stark befestigte Altstadt hatte sich zugleich mit ihren unregel-mäßigen engen Straßen und den schmalgiebligen Häusern ganz ihrenmittelalterlichen Charakter bewahrt. Der Adel wohnte auf dem sehr vielgroßzügiger bebauten Domberg. Reval hatte zehn evangelische Kirchen,darunter zwei estnische, acht griechisch-orthodoxe und eine katholischeKirche sowie eine Synagoge. Im Zuge der unter Alexander III. massiv in-tensivierten Russifizierung wurde von 1894 bis 1900 auf dem Dombergdie Alexander-Newskij-Kathedrale gebaut, die aber dort bis heute rechtfremdartig wirkt. Um die Jahrhundertwende hatte die Stadt etwa 66 000Einwohner, 53,8 Prozent waren Esten, 25,4 Prozent Deutsche und 17,2Prozent Russen.2 Es gab etwas Industrie. Weit bedeutsamer aber war derHandel, insbesondere der zu See. Tausende von Schiffen wurden jedes Jahrin dem der alten Stadt unmittelbar vorgelagerten Hafen gelöscht. Hierkonnte Reval auf eine lange Tradition zurückblicken; im 14. und 15. Jahr-hundert war es eine der wichtigsten Städte der Hanse gewesen, der es seit1285 angehörte. Die Stadt, seit 1230 mit Lübecker Recht ausgestattet,war eine der ältesten Gründungen an der Ostsee. Ihre Besiedlungsge-schichte reicht etwa 3500 Jahre zurück, schon früh war sie ein bekannterWarenumschlagplatz zwischen Ost und West.3 Im 12. Jahrhundert, schonvor der Gründung des Deutschen Ordens, hatten sich deutsche Kaufleuteund Missionare bis an die baltische Küste vorgearbeitet.4 1230 begann dieUnterwerfung der baltischen Preußen durch den Deutschen Orden. (Die

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Esten sind, sprachwissenschaftlich gesehen, im Gegensatz zu Litauern,Letten und Altpreußen, keine Balten. Sie gehören zur finnisch-ugrischenGruppe. Trotzdem zählt man Estland heute zu den baltischen Staaten.)Die Position des Deutschen Ordens war von Anfang an umkämpft. 1260erlitt er eine vernichtende Niederlage gegen Litauer und Kuren. 1410 be-siegten Litauer und Polen den Orden endgültig in der berühmten Schlachtvon Tannenberg, deren Mythos noch im Ersten Weltkrieg eine be-deutsame Rolle spielte. 1502 besiegte der Orden letztmals ein russisches Heer. 60 Jahre später löste Gotthard Kettler, der letzte Ordensmeister, denDeutschen Orden auf und übergab dessen Insignien den Abgesandten desKönigs von Polen. Es begann die »Polenzeit«, der im Jahrhundert daraufdie »Schwedenzeit« folgte, bevor sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts dierussische Herrschaft etablierte. Auch das dänische Element hatte in derwahrlich bewegten Geschichte des Baltikums immer wieder eine Rolle ge-spielt. 1219 waren die Dänen unter König Woldemar II. an der NordküsteEstlands gelandet und hatten die Siedlung Lindanise erobert, der Revalunmittelbar benachbart war.

Alfred Rosenbergs Vater hieß Woldemar, auch sein früh verstorbenerBruder führte diesen Namen. Der zweite Vorname des Vaters aber warWilhelm, und in der Tat hatte die Familie keinen dänischen, sondern einendeutschen Hintergrund. Die Deutschen waren im Zarenreich ein gewich-tiger Faktor, dessen Bedeutung noch zunahm. In den 15 Jahren vor Aus-bruch des Ersten Weltkriegs stieg ihre Zahl von etwa 1,8 auf annähernd2,5 Millionen, von denen 165 000 in den baltischen Provinzen lebten.5

Vor allem im landbesitzenden Adel spielten sie eine bedeutende Rolle.Nicht nur die baltischen Barone verfügten über einen »legendären Land-besitz«6. Sie herrschten über eine beinahe völlig homogene einheimischeBevölkerung, so dass hier soziale Gegensätze und ethnische Differenzen ineins fielen, weswegen die Russifizierungspolitik gegen Ende des 19. Jahr-hunderts von Letten und Esten zunächst mit Schadenfreude beobachtetwurde. Sie konnten nicht ahnen, dass sie, unter anderen Vorzeichen, einhalbes Jahrhundert Opfer vergleichbarer Anstrengungen werden würden.Der deutsche Landadel fiel durch seine soziale und wirtschaftliche Bedeu-tung ins Gewicht, nicht durch seine Kopfzahl. Die große Mehrheit derDeutschen war in den Städten zu Hause. Von den knapp eine Million Ein-wohnern Estlands der Jahrhundertwende waren 3,5 Prozent Deutscheund 90,6 Prozent Esten, hinzu kamen 4 Prozent Russen und 1,9 ProzentSonstige, darunter 0,4 Prozent Juden.7 In Reval aber stellten die Esten, wiewir gehört haben, nur etwas mehr als die Hälfte der Bewohner, die Deut-schen dagegen ein gutes Viertel. Der Anteil der Deutschen nahm allerdings

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sowohl absolut als auch relativ stetig ab, wobei der stärkste Einbruchnach der Russischen Revolution von 1917 erfolgte, als nicht nur Rosen-berg, sondern auch Tausende andere ihr Heil im Westen suchten. Von1881 bis 1934 schmolz die deutsche Präsenz von 46 779 (5,3 Prozent derGesamtbevölkerung) auf 16 346 (1,5 Prozent) ab.8 Es war deshalb nur diehalbe Wahrheit, wenn Edgar Pinding 1935 in »Roter Sturm über dem Bal-tenland« schrieb, dass »selbst unter dem schweren Zermürbungs- undTrommelfeuer artfremder Macht- und Kulturträger es nicht möglich war,den Balten ihr deutsches Herz aus der Brust zu reißen«9. Ein wirklichesEnde allerdings setzte erst Adolf Hitler der vielhundertjährigen Geschichteder Deutschbalten, indem er im Zuge machtpolitisch-opportunistischerArrondierungsmanöver das Baltikum 1939 der Interessensphäre Stalinszuschlug, wobei die erzwungene Option der Deutschbalten für eine neueHeimat in einer Okkupation eben enteigneter polnischer Heimstätten ihreRealisierung fand. Ein erheblicher Teil der Deutschbalten widersetzte sichallerdings den Verlockungen der »Führergeschenke«, so dass die Hälfteder insgesamt etwa 135 000 Umgesiedelten erst nach dem Einmarsch dersowjetischen Truppen 1940 in den Westen ging10. Auch Rosenbergs ers-ter Schwiegervater, der Fabrikant J.M. Leesmann gehörte zu denen, dieihren Besitz nicht im Stich lassen wollten. Der Kaiserliche Russische Kom-merzienrat geriet 1942 in ein Umsiedlungslager, wobei sich herausstellte,dass von vier Großelternteilen drei estnisch und nur einer deutsch war.Doch es gelang durch gutes Zureden schließlich, den alten Herrn zur Stel-lung eines Einbürgerungsantrages zu bewegen, der ohne großes Aufhe-ben genehmigt wurde, nachdem man erkannt hatte, dass es sich um denSchwiegervater des Reichsministers handelte.11

Alfred Rosenberg hatte väterlicherseits Vorfahren, die aus Livlandstammten. Sein Großvater, der Schuhmachermeister Martin Rosenberg,war 1820 in Dickeln geboren. Er kam als junger Mann nach Reval, wo er1856 heiratete und vier Jahre später in der Poststraße 9 für 3400 Rubelein Haus kaufte. Der Großvater starb 1896, der Vater 1904 und die Groß-mutter 1905. Eigentümer des Hauses waren nun die fünf Geschwister desVaters sowie als dessen Erbe Alfred; sie verkauften das Anwesen 1908 für12 000 Rubel an eine Familie Luther.12 Der Vater Woldemar WilhelmRosenberg war Kaufmann, er starb 1904 im Alter von nur 42 Jahren.Seine beiden Schwestern Cäcilie Rosalie, geboren 1860, und die vier Jahrejüngere Lydia Henriette wurden zu seinen Pflegemüttern, nachdem AlfredRosenbergs Mutter bereits verstorben war, als er noch keine zwei Monatealt war. Der beiden Tanten gedachte Alfred immer mit Dankbarkeit13 undsorgte bis zu seinem eigenen Lebensende durch regelmäßige finanzielle

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Zuwendungen für sie. Seine Chamberlain-Biographie war »meiner Pflege-mutter Frl. Lydia Rosenberg zugeeignet«.

Rosenbergs Mutter Elfriede Caroline Siré stammte wohl ursprünglichaus einer Hugenottenfamilie. Sie wurde 1868 in St. Petersburg geborenund starb schon mit kaum 25 Jahren, kurz nach Alfreds Geburt. Sie warevangelisch wie sein Vater und ist auf dem Friedhof von St. Olai bestattet,jener Kirche, an der Traugott Hahn Pastor war, der Alfred taufte und ihnspäter durch seine tiefe Religiosität so beeindruckte. (Ein Sohn von Trau-gott Hahn war nach dem Zweiten Weltkrieg Kultusminister von Baden-Württemberg.) St. Olai war die größte Kirche in Reval, ihr gewaltigerTurm überragt noch heute die Altstadt. Alfred Rosenbergs Taufpatenkamen sämtlich von der mütterlichen Seite. Es waren der Großvater Fried-rich August Siré, Buchhalter und Eisenbahnbeamter in St. Petersburg, der nach dem Tod der Eltern auch Alfreds Vormund war, sowie zwei derneun Geschwister der Mutter, Ernst Friedrich und Emmy Siré, die spä-ter den deutschen Diplomaten Theophil Eck heiratete, der unter anderemKonsul in Baku war14, wo Emmys Bruder Eugen Vizegouverneur war undihr Vater 1916 starb.

Die gesundheitlichen Verhältnisse waren damals weitaus ungünstiger,als wir sie heute gewohnt sind. Die Ernährung war oft unregelmäßig undbei weitem nicht immer sehr gut, auch gegen relativ harmlose Erkrankun-gen gab es oft keine wirksamen Medikamente. Schwäche war eine häu-fige Todesursache im Kirchenbuch der St. Olai-Gemeinde. Alfreds Mut-ter starb an der Schwindsucht, ebenso ein Onkel und eine Tante. AuchAlfreds einziger Bruder, der Bankkaufmann Eugen Woldemar Rosenberg,schied frühzeitig aus dem Leben. Er hatte erst in Riga studiert, sich dannin Brüssel weitergebildet, in Reval, Frankreich, Berlin und Jugoslawien ge-arbeitet und war 1929, gerade 41 Jahre alt, im TBC-Sanatorium Schöne-berg gestorben. Das Verhältnis der beiden Brüder muss sehr distanziertgewesen sein. Alfred schreibt über Eugen: »Mit ihm haben mich nichtviele Gefühle verbunden.«15 Die Lebensdaten des einzigen Bruders warenRosenberg in Nürnberg nur noch vage erinnerlich. Er sei »etwa 6 Jahreälter als ich« gewesen und 1928 gestorben16, beides Angaben, die jeweilsum ein Jahr neben der Sache liegen.

Mütterlicherseits lassen sich Rosenbergs Vorfahren weit zurückverfol-gen, wobei es eine lettische Urgroßmutter gibt17, auf der väterlichen Seiteist das nicht möglich. Wir kennen noch den Urgroßvater, den SchmiedJohann Rosenberg, der 1781 in Dickeln geboren wurde, und dessen FrauMarie Kamping-Graefenfels, doch dann versiegen die Quellen. Über wei-tere Ahnen Rosenbergs haben wir lediglich den dürren Hinweis:

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»Unter seinen Vorfahren sind Letten aus der Umgebung von Rujen inNordlivland, aber die einschlägigen Archivmaterialien sind in der deut-schen Besatzungszeit vernichtet worden.«18

Wir wissen nicht, ob es sich um einen zufälligen Kriegsverlust handelt. Ichhalte das aber für unwahrscheinlich, da die Überlieferung ansonsten gutist. Eher ist anzunehmen, dass es sich um eine intendierte Aktenvernich-tung handelt. Darauf deuten Gerüchte hin, die Rosenberg auch nach 1933immer wieder zu schaffen machten. Der Journalist Franz Szell verbreitete»in Tausenden von Exemplaren«19 einen offenen Brief an Rosenberg, indem er behauptete, der Großvater Martin Rosenberg sei Lette, die Mut-ter Elfriede Siré Französin, die Großmutter des Großvaters Saly Rosen-berg Jüdin und der Großvater der väterlichen Großmutter H. Sram Mon-gole und Leibeigener. Der Autor dieser Vorwürfe soll sich, je nach Quelle,in Reval20, Kowno21 oder Tilsit22 aufgehalten haben. In einer estnischenZeitung wurde dann der Archivar Otto Liiv zum Urheber dieser Erkennt-nisse, wobei dieser umgehend energisch dementierte.23 Vor allem in kirch-lichen Kreisen wurden die Gerüchte über die undeutsche, womöglich garnichtarische Abkunft des Verfassers des »Mythus des 20. Jahrhunderts«noch eine ganze Zeit lang genüsslich kolportiert, Rosenberg veranlassteauch einige Recherchen, doch die ganze Angelegenheit verlief letztend-lich im Sande.24 Auch jenseits dieses Anlasses war der in deutschen Ohrenjüdisch klingende Name Rosenberg immer wieder Gegenstand von Wit-zen und Spekulationen, die aber haltlos waren. Auch im Deutschen Reichgab es genügend nichtjüdische Rosenbergs,25 und unter den Deutschbal-ten war es ein verbreiteter Name. Unter den Mitgliedern der EstländischenLiterärischen Gesellschaft gab es den Direktor Gustav Rosenberg undHedda Rosenberg.26 Die Fraternitas Baltica hatte einen Max Rosen-berg unter ihren Mitgliedern27, der zwar in Reval zur Schule ging, aberebenfalls mit Alfred nicht verwandt war. Das Deutsch-Baltische Lexikonverzeichnet den Mediziner Alexander Rosenberg, den Vorsitzenden derDeutsch-Baltischen Fortschrittlichen Partei Eduard Rosenberg, den Por-trätmaler Gustav Rosenberg und den Mediziner Emil Rosenberg, der nachseiner Emeritierung nach München übersiedelte. Mit Ausnahme der bei-den Mediziner, die aus demselben livländischen Ort stammen, deutet allesdarauf hin, dass diese Rosenbergs weder untereinander noch mit AlfredRosenberg verwandt waren, der eben einen im deutschbaltischen Mittel-stand vergleichsweise häufigen Namen trug, der ganz sicher nicht jüdi-schen Ursprungs war. Und wenn der Ururgroßvater, der ja schon im 17. Jahrhundert gelebt hat, Leibeigener gewesen sein soll, so ist dazu zu

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Ernst Piper

Alfred RosenbergHitlers Chefideologe

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 832 Seiten, 15,0 x 22,7 cm34 s/w AbbildungenISBN: 978-3-89667-148-6

Blessing

Erscheinungstermin: Oktober 2005

Der Vordenker der NSDAP – die erste umfassende Erforschung einer verhängnisvollen Karriere Die Macht im Staat zu erringen, war Alfred Rosenberg nicht genug. Sein eigentlicher Kampfbegann erst nach der »Machtergreifung«, der Kampf um die Seelen der Menschen. Wer dieideologische Formierung des NS-Staates verstehen will, kommt an Alfred Rosenberg nichtvorbei. Nach bescheidenen Anfängen als völkischer Publizist und Agitator wurde er zumWeltanschauungsbeauftragten eines totalitären Regimes.Ernst Piper, ein ausgewiesener Experte für das Dritte Reich, hat Archive auf der ganzenWelt aufgesucht und den Lebensweg dieser entscheidenden, von der Forschung bislangvernachlässigten NS-Figur umfassend rekonstruiert. Alfred Rosenberg, Hitlers Weggefährte in dessen ersten Jahren in München, gilt gemeinhinals Chefideologe der NSDAP. Er war Herausgeber vieler wichtiger nationalsozialistischerPeriodika wie zum Beispiel dem »Völkischen Beobachter« und befehligte eine Reihe vonOrganisationen, unter anderem den Kampfbund für deutsche Kultur, das Amt Rosenberg,die Nordische Gesellschaft, den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg. 1941, als mit demÜberfall auf die Sowjetunion der Kampf mit dem »jüdischbolschewistischen Weltfeind« begann,wurde er Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. War er bis dahin vor allem Vordenkereines Weltanschauungsstaats gewesen, stand er nun auch als Politiker in vorderster Front.Der Krieg im Osten war von Anfang an ein ideologischer Vernichtungskrieg, zu dessenLegitimation ein Rosenberg gebraucht wurde. Im Rücken der Front vollzog sich der Mordan sechs Millionen Juden. Rosenberg hatte maßgeblichen Anteil an der Entstehung desantisemitischen Weltbilds der Nazis, spielte eine zentrale Rolle bei der öffentlichen Legitimierungder Vernichtungsmaßnahmen und war auch an ihrer Durchführung beteiligt. In Nürnberg wurdeRosenberg vor dem Internationalen Gerichtshof als Hauptkriegsverbrecher angeklagt, in allenPunkten der Anklage schuldig gesprochen und am 16. Oktober 1946 hingerichtet. Eine düstereKarriere in einer düsteren Zeit.