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  • Erschlieung und Interpretation dramatischer Texte Oberstufe

    deutsch.digitale-schule-bayern.de Ralf Kastenholz

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    1 Entstehungszusammenhang des Dramas Verfasser: Ralf Kastenholz Betreuung: Eckehart Wei Entstehungszusammenhang und Bedeutung des Dramas Nathan der Weise innerhalb der Aufklrung Schreibe wie Du redest, so schreibst Du schn. Dieser Satz, den vierzehnjhrige Lessing sagt, ist nahezu Sprichwort geworden, populre uerung, beinah Volks-mund, Lessing - Besitz auch derer, die nicht wissen, dass sie da Lessing besitzen. Die Kantigkeit, die Frische, die Lust an der Ungeziertheit sind typische Merkmale: mit einem Satz, mit diesem einen Satz steht da ein deutscher Dichter. Schreibe wie du redest, so schreibst du schn: Daran erkennen wir unseren Lessing, auch wenn die deutsch Philologie dahinter eine Menge Eingetrichtertes aufgesprt hat.(Dieter Hil-debrandt, Lessing, Biographie einer Emanzipation, Mnchen 1979,S.45) Kurzbiografie Als Sohn eines theologisch ehrgeizigen lutherischen Pfarrers wird Lessing am 22.1.1729 in Kamenz geboren und stirbt am 15.2.1781 in Braunschweig. Bereits im Kindesalter wird er durch Privatunterricht auf seine schulische und universitre Lauf-bahn vorbereitet, die sich mit der Theologie beschftigen soll. Von 1741 bis 1746 entstehen whrend seiner Schulzeit auf der Frstenschule St. Afra in Meien, die er aufgrund seiner hervorragenden Leistungen ein Jahr frher als blich verlsst, die ersten schriftstellerischen Versuche. 1748 wird dann in Leipzig, wo er unter anderem Medizin studiert, sein erstes Lustspiel Der junge Gelehrte uraufgefhrt. Seiner ent-deckten Leidenschaft fr das Theater geht er auch whrend seiner darauf folgenden Redakteurs- und bersetzungsttigkeit (u.a. fr die Berlinische Privilegierte Zei-tung) in Berlin nach. Nach seiner Promotion zum Magister der Medizin in Wittenberg 1752, entsteht 1755 innerhalb weniger Wochen in Potsdam Miss Sara Sampson. Ein brgerliches Trauerspiel. 1760 verlsst er Berlin und geht als Regimentssekretr nach Breslau. Dies mag fr diesen Denker der Aufklrung berraschend wirken, zu-mal er 1762 sogar in den Krieg zieht und an der Belagerung von Schweidnitz teil-nimmt, jedoch lassen die Amtsgeschfte ihm endlich genug Zeit fr private Studien bei sicherem Unterhalt. Es entstehen Vorarbeiten zu Laokoon oder ber die Gren-zen der Malerei und Poesie(1766) und Minna von Barnhelm(1767). Letztendlich wird Lessing am 7.Mai 1770 in sein Amt als Bibliothekar der berhmten herzoglichen Bchersammlung in Wolfenbttel eingefhrt. 1772 wird Lessings Trauerspiel Emilia Galotti uraufgefhrt. 1779 erscheint dann knapp zwei Jahre vor seinem Tod Les-sings wohl wichtigstes Werk, das dramatische Gedicht Nathan der Weise. (vgl. Hildebrandt, Lessing, S.465 ff) Lessing als Vertreter der Aufklrung Lessing ist ein Vertreter der Aufklrung, der ganz der Abstraktion Voltaires zustim-men wrde, welcher die Weltgeschichte als eine aus immanentem Entwicklungsge-setz heraus fortschreitende Vervollkommnung der Vernunft (Meyers Band 23, S.149) ansieht. Ziel der Aufklrung ist es, den Menschen zur selbstbestimmten Frei-heit zu fhren, ihn mndig zu machen. Der Mensch ist im Widerspruch zur christli-chen Lehre von Natur aus gut und vernnftig, seine Schlechtigkeit nur Folge gesell-schaftlicher Umstnde und religiser Normen. So wird der Leitsatz sapere aude von Horaz bei Immanuel Kant zum Programm der Aufklrung: Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmndigkeit. Wage es, weise zu sein! besagt in

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    unbertrefflicher Krze, dass man sapiens, klug und weise, nur durch eigenes Han-deln werden kann. Der Forderung der Aufklrung, dass der Mensch den Mut haben soll, seinen Verstand zu gebrauchen, verleiht Lessing in seinem Werk Nathan der Weise Aus-druck, indem er den ueren Zwang der Religion ablehnt und seine Philosophie auf der dem Menschen eigenen Vernunft aufbaut. So schrieb Lessing whrend seiner Zeit in Wolfenbttel dieses Drama zum Teil we-gen eines Theologiestreites mit dem Theologen Johann Melchior Goeze, fr den die Bibel unkritisierbare, geoffenbarte Wahrheit war. Goeze, seit 1755 Hauptpastor an der Katharinenkirche in Hamburg, war ein streitbarer Anhnger der lutherischen Or-thodoxie. Er bekmpfte die Aufklrung und wurde bekannt durch den Streit mit Les-sing ber die von diesem herausgegebenen Fragmente des Reimarus (vgl. Meyers Band 8, S.229). Lessing wollte Goezes Glauben der Kritik der Vernunft unterwerfen. Er glaubte, dass die Vernunft immer auf dem Weg zur Wahrheit, also immer auf der Suche danach sei, nicht aber, dass er selbst die Wahrheit schon kennt. Lessing glaubte auch, dass die praktische Wirkung des gelebten Christentums wichtiger als die Theologie sei. In der berhmten Ringparabel zeigt Lessing, dass das praktische Verhalten der Glubigen wichtiger ist als der Streit darum, welche Religion die hhere Autoritt hat. Die Entscheidung fr eine Religion bedeutet nicht, dass andere Menschen die glei-che Entscheidung treffen mssen. Die rechten Glubigen ben deswegen unterein-ander Toleranz und suchen in den anderen Menschen hinter allem uerlichen das zu finden, was ihnen an Humanitt gemeinsam ist. Er stellte der Intoleranz seiner Gegner das Humanittsideal der von Vorurteilen freien Liebe entgegen. 2 Inhaltsbersicht des Dramas Erster Akt Der erste Akt dient als Exposition innerhalb des Gesamtdramas, also zur Einfhrung in die Vorgnge und Verhltnisse, von denen die Dramenhandlung ausgeht. Nathan, ein reicher Jude aus Jerusalem, kehrt von einer langen Geschftsreise heim. Die streng christliche Die-nerin Daja begrt ihren Herrn herzlich und erzhlt, dass whrend seiner Abwesenheit Feuer im Haus ausgebrochen ist und Nathans Tochter Recha im letzten Moment von einem Tem-pelherrn gerettet wurde. Dieser wurde von Sultan Saladin gefangen genommen, doch wegen seiner groen hnlichkeit mit dessen verstorbenem Bruder begnadigt. Nathan verneint in seinem Disput mit Daja den Wunderglauben. Gleichzeitig ergibt sich aus der Unterhaltung, dass Recha nicht die leibliche Tochter von Nathan ist, aber davon nichts wei. Recha hat den Tempelherren lieb gewonnen, er lehnt aber jeden Dank und jede Einla-dung von ihr ab. Die Ankunft des Derwischs Al Hafi, eines alten Freundes von Nathan, unterbricht das Ge-sprch zwischen Nathan und Daja. Zu seiner Verwunderung hrt Nathan, dass Al Hafi Schatzmeister des Sultans geworden ist. Er erklrt, dass er Al Hafi bei seinem Amt aber nicht helfen will, denn bei Saladins Freigiebigkeit und Grozgigkeit sind die Kassen stets leer. Beim darauf folgenden Gesprch unter den Palmen weist der Tempelherr edelmtig den durch den Klosterbruder berbrachten Auftrag des Patriarchen zurck, nmlich die berbrin-gung eines wichtigen Briefes an Knig Philipp August, welcher einen Anschlag auf Saladin zur Folge htte. Die im ersten Akt hauptschlich vorgestellten Personen sind der Jude Nathan, die Christen Daja und der Tempelherr, aber es werden auch schon andeutungsweise oder indirekt der resolute Patriarch, der Klosterbruder und der dem Islam angehrige Sultan beschrieben. Zu dem weiteren Verhalten der Hauptcharaktere des ersten Aktes bleiben verschiedene Fragen offen: Es ist unklar ob Nathans Erziehung seiner Tochter Recha, die auf rationalem Denken

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    basiert, Wirkung hat, ob die standhafte Edelmtigkeit des Tempelherrn, der sich dem Mord-plan seiner Obrigkeit, des Patriarchen, am Sultan widersetzt, erhalten bleibt und auf welche Weise die christliche Dienerin Daja, die an das Wunder glaubt, in einer Konfliktsituation rea-gieren wrde. Der Handlungsort des Dramas ist Jerusalem. Je nach der Religionszugehrigkeit der in den einzelnen Szenen vorkommenden Personen ndern sich die Schaupltze. Vor dem Kloster agieren jeweils die Vertreter des machtbesessenen Christentums, in und vor Nathans Haus die des aufgeklrten Judentums und im Palast des Sultans die des fortschrittlichen Islams. Der Platz unter den Palmen dient als Disputationsort. Die Zeitstruktur ist chronologisch, wo-bei das Gesamtdrama im Zeitraum von einem Tag, also ungefhr 24 Stunden abluft. Les-sing richtet sich also hierbei nach der klassischen Vorgabe von Aristoteles, der zum zeitli-chen Umfang des Dramas bemerkt: die Tragdie versucht, sich nach Mglichkeit innerhalb eines einzigen Sonnenumlaufs zu halten oder nur wenig darber hinauszugehen, um die Geschichte realistisch erscheinen zu lassen. (Killy, Literaturlexikon, Stichwort: Dramentheo-rie, S.24026) Der erste Akt lenkt den Leser auf die zwei Grundfragen von Nathan der Weise, nmlich ob das Vernunftdenken Nathans ausreicht, um die Konflikte des Dramas zu lsen, und ob die drei Weltreligionen miteinander auskommen knnen. Zweiter Akt Im zweiten Akt kommt es zur steigenden Handlung. Saladin bringt seine Probleme und Sor-gen in Bezug auf die Politik, die Erbfolge seiner Herrschaft, die Konflikte mit den Christen und seine angespannte Finanzlage whrend eines Schachspiels mit seiner Schwester Sittah zur Sprache. Zur Lsung seiner Geldprobleme entwickelt er zusammen mit ihr eine Intrige, um sich des Vermgens von Nathan zu bemchtigen. Whrenddessen bleibt Nathan hand-lungsbestimmend und sein Tun treibt das Geschehen voran. Der Jude bringt den Tempel-herrn dazu, sich seiner philosophischen Einstellung zu nhern und wird dessen Freund. Nach der Nennung seines Namens, angeblich Curd von Stauffen, fllt Nathan die hnlichkeit des Tempelherrn mit seinem Freund Wolf von Filnek auf. Letztlich wird Nathan zum Sultan geladen, jedoch warnt ihn dessen Derwisch Al-Hafi vor einer mglichen Tcke des verschul-deten Herrschers. Dritter Akt Der dritte Akt beginnt mit dem Versuch Dajas, Recha fr die Schwrmerei und den christli-chen Glauben zu gewinnen. Recha erweist sich im Disput jedoch als wrdige, ra