Erste Schritte aus dem Elfenbeinturm · 2017-08-25 · Erste Schritte aus dem Elfenbeinturm...

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12 Die Sprachwissenschaftler scheinen in Bewe- gung geraten zu sein. Mehr Praxisnähe in Aus- bildung und Tätigkeit sowie mehr Interesse für die Belange der Öffentlichkeit dies waren zen- trale Forderungen, die auf der 34. Jahresta- gung des Instituts für deutsche Sprache for- muliert wurden. Sie sind untrügliche Anzeichen für eine Diskussion, die zwar noch am Anfang steht, gleichwohl Veränderungen erhoffen lässt. So war der Titel der Tagung »Sprache - Sprach- wissenschaft - Öffentlichkeit« gut gewählt, trug er doch einem innerdisziplinären Trend Rech- nung. Der zaghafte Versuch, den Elfenbeinturm zu verlassen, wird nicht von allen befürwortet. Skeptiker wollen die Festschreibung des Sta- tus quo. Die Forschung möge für sich spre- chen und die Wissenschaftler sollen nicht nach gesellschaftlicher Anerkennung streben, lässt sich ihr Standpunkt umreißen. Ein Vertreter die- ser Position: Werner Welzig. Für den Präsiden- ten der Österreichischen Akademie der Wis- Erste Schritte aus dem Elfenbeinturm Sprachwissenschaftler zeigen sich auf der 34. Jahrestagung des IDS offen für neue Impulse von Katrin Bischl senschaften ist es unhaltbar, »dass wir, statt unsere Arbeit zu tun, uns mit dem Nutzen be- schäftigen.« Sein Vortrag ein Versuch, die Fra- ge nach dem Nutzen der Geisteswissenschaf- ten mittels des Märchens Rotkäppchen zu be- antworten stieß nicht durchweg auf Zustim- mung. Die Aufgaben der Sprachwissenschaft »sind nicht mit Rotkäppchen zu lösen«, so Sieg- fried Grosse (Bochum). Eine »Diskothekisierung« wie Helmut Henne es nannte, also die Hinwendung zu Oberflächli- chem, lehnt das Gros der Sprachwissenschaft- ler ab, dies machten Vorträge und Diskussi- onsbeiträge deutlich. So stieß der Vorschlag des Verlegers Florian Langenscheidt (Mün- chen), öffentlichkeitswirksame »Events« wie Preisverleihungen für Zeitungen oder Redner zu veranstalten, nicht nur auf Begeisterung. Be- fremdlich mutete manchem seine »Hitliste« sprachwissenschaftlicher Themen an, die er als verkaufsfähig pries. Jedoch wurde deutlich, dass Erkenntnisse, die im Fach schon lange bekannt sind, den eigenen Kreis bislang kaum verlassen haben. Ein Überdenken gängiger Publikationsgewohnheiten scheint angebracht. Eine Konzentration auf reine Marketing- gedanken zu Lasten von Forschungsinhalten lehnen viele Sprachwissenschaftler ab. So will Ludwig Jäger (Aachen) wohl eine stärkere Stel- lung der Linguistik in der Öffentlichkeit, verwahr- te sich aber gegen den Trend, nur die »Wer- bung auf dem Markt« zu verbessern. Zu kom- plex seien die Gründe für die Krise der Linguis- tik wie der Wissenschaften überhaupt. Jägers Lösungsideen: Die Linguistik muss sich aus ih- rer kultur- und medienwissenschaftlichen Iso- lation lösen und am interdisziplinären Diskurs über eine »Neubestimmung der Geisteswis- senschaften als Kulturwissenschaften« beteili- gen. Die Linguistik muss ferner neue Themen und Praxisfelder besetzen und die Kommuni- kation mit der Gesellschaft verbessern. Jäger schwebt hierzu eine »Kultur des Wissen- schaftsjournalismus« vor.

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Die Sprachwissenschaftler scheinen in Bewe-gung geraten zu sein. Mehr Praxisnähe in Aus-bildung und Tätigkeit sowie mehr Interesse fürdie Belange der Öffentlichkeit � dies waren zen-trale Forderungen, die auf der 34. Jahresta-gung des Instituts für deutsche Sprache for-muliert wurden. Sie sind untrügliche Anzeichenfür eine Diskussion, die zwar noch am Anfangsteht, gleichwohl Veränderungen erhoffen lässt.So war der Titel der Tagung »Sprache - Sprach-wissenschaft - Öffentlichkeit« gut gewählt, truger doch einem innerdisziplinären Trend Rech-nung.

Der zaghafte Versuch, den Elfenbeinturm zuverlassen, wird nicht von allen befürwortet.Skeptiker wollen die Festschreibung des Sta-tus quo. Die Forschung möge für sich spre-chen und die Wissenschaftler sollen nicht nachgesellschaftlicher Anerkennung streben, lässtsich ihr Standpunkt umreißen. Ein Vertreter die-ser Position: Werner Welzig. Für den Präsiden-ten der Österreichischen Akademie der Wis-

Erste Schritte aus dem ElfenbeinturmSprachwissenschaftler zeigen sich auf der 34. Jahrestagung des IDS offenfür neue Impulse

von Katrin Bischl

senschaften ist es unhaltbar, »dass wir, stattunsere Arbeit zu tun, uns mit dem Nutzen be-schäftigen.« Sein Vortrag � ein Versuch, die Fra-ge nach dem Nutzen der Geisteswissenschaf-ten mittels des Märchens Rotkäppchen zu be-antworten � stieß nicht durchweg auf Zustim-mung. Die Aufgaben der Sprachwissenschaft»sind nicht mit Rotkäppchen zu lösen«, so Sieg-fried Grosse (Bochum).

Eine »Diskothekisierung« wie Helmut Henne esnannte, also die Hinwendung zu Oberflächli-chem, lehnt das Gros der Sprachwissenschaft-ler ab, dies machten Vorträge und Diskussi-onsbeiträge deutlich. So stieß der Vorschlagdes Verlegers Florian Langenscheidt (Mün-chen), öffentlichkeitswirksame »Events« wiePreisverleihungen für Zeitungen oder Rednerzu veranstalten, nicht nur auf Begeisterung. Be-fremdlich mutete manchem seine »Hitliste«sprachwissenschaftlicher Themen an, die er alsverkaufsfähig pries. Jedoch wurde deutlich,dass Erkenntnisse, die im Fach schon lange

bekannt sind, den eigenen Kreis bislang kaumverlassen haben. Ein Überdenken gängigerPublikationsgewohnheiten scheint angebracht.

Eine Konzentration auf reine Marketing-gedanken zu Lasten von Forschungsinhaltenlehnen viele Sprachwissenschaftler ab. So willLudwig Jäger (Aachen) wohl eine stärkere Stel-lung der Linguistik in der Öffentlichkeit, verwahr-te sich aber gegen den Trend, nur die »Wer-bung auf dem Markt« zu verbessern. Zu kom-plex seien die Gründe für die Krise der Linguis-tik wie der Wissenschaften überhaupt. JägersLösungsideen: Die Linguistik muss sich aus ih-rer kultur- und medienwissenschaftlichen Iso-lation lösen und am interdisziplinären Diskursüber eine »Neubestimmung der Geisteswis-senschaften als Kulturwissenschaften« beteili-gen. Die Linguistik muss ferner neue Themenund Praxisfelder besetzen und die Kommuni-kation mit der Gesellschaft verbessern. Jägerschwebt hierzu eine »Kultur des Wissen-schaftsjournalismus« vor.

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Das Verhältnis von Sprache, Sprachwissen-schaft und Öffentlichkeit wurde auf der Tagungaus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet.Über die Einstellung der Deutschen zur Spra-che referierte Gerhard Stickel (IDS) auf der Ba-sis einer Umfrage in Ost und West. Mehr alsdie Hälfte der 2000 Befragten zeigte »sichsprachlich wenig oder gar nicht interessiert«,43 Prozent hatten ein starkes bis mittleres In-teresse. Das Image der deutschen Sprache istschlecht. Nur knapp fünf Prozent äußerten sichüber ihren Zustand positiv, alleanderen negativ. Dialekt hinge-gen ist in: Zwei Drittel der Befrag-ten mögen Sprecher mit regio-nalem Zungenschlag. Erfreulichund nach Stickel »überra-schend«: In Politik und Wirtschaftmag es zwischen Ossis undWessis kriseln, aber sprachlichklappt es prima. Auch dieMehrsprachigkeit im Land ist fürviele kein Problem.

Einen historischen Blickwinkelnahm Helmut Henne (Braun-schweig) ein. Er stellte die großenEpochen und ihre bekanntestenVertreter vor: die reflexiveSprachlehre von Adelung, die his-torische Sprachwissenschaft mitpolitischen Akzenten von Grimmund den Junggrammatiker Paul.Er zog das Fazit, dass dieSprachwissenschaft ihre eigeneGeschichte aufarbeiten müsse,um aus Fehlern der Vergangen-heit zu lernen.

Das aktuelle Verhältnis von Lin-guistik und Öffentlichkeit beleuchtete GerdAntos (Halle-Wittenberg) anhand einer Umfra-ge unter etablierten Wissenschaftlern. Die vie-len emotionalen Kommentare der Befragtenlassen laut Antos den Schluss zu, dass es sichum ein »neuralgisches« Thema handelt. Viele

beklagen, dass sprachwissenschaftliche The-men öffentlich diskutiert werden, aber dieSprachwissenschaftler nicht gehört werden.Diese Klage wurde auch auf der Tagung mehr-fach geäußert, u.a. von Rudolf Hoberg (Darm-stadt) während der Podiumsdiskussion. Ein er-klärtes Ziel der begonnen Diskussion ist des-halb: Die Gesellschaft soll Interesse an denSprachwissenschaftlern und ihrem Wissenüber die Sprache gewinnen.

lichen Entwicklungen oft auf fehlenden Kennt-nissen von Grammatikregeln beruht.

Die in den Medien geführte Diskussion über dieRechtschreibreform zeichnete Werner Eroms(Passau) nach. Seine Analyse von über 2000Berichten, Interviews, Kommentaren und Le-serbriefen machte deutlich, dass die Journalis-ten sich viel neutraler über die Reform geäu-ßert haben als die Leserbriefschreiber. Dortstanden nicht Sachthemen, sondern Glaubens-

bekenntnisse im Vordergrund:die eigene Sprachauffassungund die Verdammung der An-dersdenkenden. Die Analyseveranlasste Eroms, Kritik ander eigenen Zunft zu äußern:Die Linguisten hätten zu sehrpolitisch statt sprachwissen-schaftlich argumentiert, und dieöffentliche Auseinandersetzunghabe dem Image des Fachesgeschadet. Dies unterstrichauch Fritz Kuhn (MdL) in seinerWissenschaftlerschelte wäh-rend der Podiumsdiskussion.

Ein gelungenes Beispiel für denEinfluss der Sprachwissen-schaft auf die Gesellschaft stell-te Gisela Schoenthal (Freiburg)vor. Die feministische Sprach-kritik hat »einen Sprachwandelvon unten ausgelöst« und zuVeränderungen in vielen Berei-chen geführt. Institutionalisiertwurden weibliche Bezeichnun-gen in Vorgaben für dieVerwaltungs- und Gesetzes-sprache. Die feministische

Sprachkritik inspirierte Autoren literarischerWerke - als Beispiel sei Günter Grass� Rättingenannt - und beeinflusste den allgemeinenSprachgebrauch. Je nach Textsorte und Kon-text finden sich heute movierte Formen (v.a. beiBerufsbezeichnungen), das Binnen-I

Dienstag, 10.03.1998

09.00 Eröffnung: Grußworte

09.30 Prof. Dr. Werner Welzig (Präsident derÖsterr. Akademie der Wissenschaften):Was trägst du unter der Schürze? Oder:Vom Nutzen der Geisteswissenschaftenund wie ihn die Öffentlichkeit sieht

11.00 Prof. Dr. Gerhard Stickel (IDS): ZurSprachbefindlichkeit der Deutschen: Er-gebnisse einer Repräsentativerhebung

13.30 Prof. Dr. Rudolf Gerhardt (Mainz):Sprachliche Nabelschau im Journalismus

14.15 Prof. Dr. Cathrine Fabricius-Hansen(Oslo): Welchen besonderen Bedarf hatdie Auslandsgermanistik?

15.30 Dr. Gerhard Voigt-Schneekloth (Berlin):Die strukturbedingte Wissenschaftsfernedes schulischen Sprachunterrichts

16.30 Dr. Florian Langenscheidt (München):Was erwarten die Verlage?

Mittwoch, 11.03.1998

09.15 Prof. Dr. Helmut Henne (Brauschweig):Gesellschaftliche Bezüge im Selbstver-ständnis der neueren Sprachwissen-schaft

10.15 Prof. Dr. Gerd Antos (Halle-Wittenberg):Linguistik in der Öffentlichkeit? Ergebnis-se einer Umfrage zum Forschungs-transfer

11.45 Prof. Dr. Peter Eisenberg (Potsdam): Fürwen schreiben wir Grammatiken?

14.00 Dr. Matthias Jung und Dr. Martin Wengeler(Düsseldorf): Wörter - Argumente - Dis-kurse. Was die Öffentlichkeit bewegt undwas die Linguistik dazu sagen kann

15.00 PD Dr. Michael Becker-Mrotzek und Prof.Dr. Gisela Brünner (Dortmund):Gesprächsforschung für die Praxis: Zie-le, Methoden, Ergebnisse

Donnerstag, 12.03.1998

09.15 Prof. Dr. Werner Eroms (Passau): DieRechtschreibreform in der öffentlichenMeinung

10.15 Dr. Gisela Schoenthal (Freiburg i.Br.): Wir-kungen der feministischen Sprachkritik inder Öffentlichkeit

11.45 Prof. Dr. Ludwig Jäger (Aachen): Linguis-tik und Öffentlichkeit - Aspekte einesschwierigen Verhältnisses

14.00 Podiumsdiskussion: Was nun? Wie kannman das Verhältnis Sprachwissenschaft- Öffentlichkeit verbessern?

Leitung: Prof. Dr. Rainer Wimmer (Trier)

Teilnehmer:

Prof. Dr. Rudolf Hoberg (Darmstadt),Fritz Kuhn (MdL, Stuttgart),Prof. Dr. Eva Neuland (Wuppertal),Achim Struchholz (Düsseldorf),Dr. Annette Trabold (IDS)

Peter Eisenberg (Potsdam) zeigte u.a. amBeispiel sprachkritischer Äußerungen desJournalisten Dieter E. Zimmer, wie grammati-kalische Kenntnisse für den öffentlichen Dis-kurs über Sprache nutzbar gemacht werdenkönnen. Er verdeutlichte, dass Kritik an sprach-

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(StudentInnen), Paarformen (Teilnehmerinnenund Teilnehmer) oder neutralisierende Bezeich-nungen (Studierende).

Die Öffentlichkeit wurde nicht nur thematisiert,sondern kam auf der Tagung auch selbst zuWort; zwar nicht der Mann oder die Frau vonder Straße, wohl aber Vertreter verschiedenerBerufe. Sie äußerten vor allem ihre Wünschean die Sprachwissenschaft.

Für die Berufsgruppe der Journalisten sprachRudolf Gerhardt (Mainz). Der promovierte Ju-rist und frühere FAZ-Mitarbeiter, der in derJournalistenausbildung tätig ist, forderte dieSprachwissenschaftler auf, den Journalistenkritisch auf die Finger zu schauen. Am Beispielvon Euphemismen, falschen Sprachbildernund manipulativen Wortschöpfungen, die manin Zeitung, Rundfunk und Fernsehen täglichantrifft und über die Medien Einlass in denSprachgebrauch finden, machte er diese Not-wendigkeit deutlich.

Cathrine Fabricius-Hansen (Oslo) formuliertedie Anliegen der Auslandsgermanisten, derenTätigkeit vor allem durch die Vermittlungsprachlicher Kenntnisse an Nicht-Mutter-sprachler geprägt ist. Ihre Wünsche: einfacheEinführungen in Grundkenntnisse des Faches,Monographien zu sprachwissenschaftlichenSchwerpunkten, Beschreibungen des Sprach-gebrauchs und eine Übersicht über die Dialek-te inklusive »Kostproben« auf CD. Fernerwünschte sie sich ein stärkeres Interesse andidaktischen Fragen. Mit diesem Wunschschien sie bei vielen offene Türen einzulaufen.Eva Neuland (Wuppertal) unterstrich mehr-fach, dass Linguistik und Didaktik stärker ver-bunden werden sollten. Für sie sind SchülerMultiplikatoren sprachwissenschaftlicher Er-kenntnisse, eine Überzeugung, die sie mit an-deren teilte, z.B. mit Gerhard Voigt-Schneekloth(Berlin).

Er beklagte in seinem Vortrag die fehlendesprachwissenschaftliche Kompetenz seinerKolleginnen und Kollegen im Schuldienst. SeinLösungsvorschlag, um die Linguistik mehr indie Schulen zu bringen: Germanistikstudie-rende müssten stärker für die Sprachwissen-schaft gewonnen werden. Nicht ganz soschwarz wie vom Referenten gezeichnet, sa-hen viele Diskussionsteilnehmer die Situation.Sie unterstrichen, dass die Lehrer jüngerenDatums weit mehr Interesse am Fach zeigtenals ihre Vorgänger.

Beispiele für anwendungsbezogene Tätigkei-ten gibt es bereits: Gisela Brünner (Dortmund)und Michael Becker-Mrotzek (Münster) arbei-ten seit Jahren im Bereich der AngewandtenGesprächsforschung. Als Kommunikations-trainer sind sie für Wirtschaft, Verwaltung, Schu-len und andere Institutionen tätig. Keine reinenAnalysen, sondern wissenschaftlich fundierteEvaluation der Gespräche wünschen die Prak-tiker; ein Anspruch, der nach Überzeugung derReferenten der Sprachwissenschaft neue Im-pulse gibt.

Matthias Jung und Martin Wengeler (Düssel-dorf) berücksichtigen gesellschaftliche Themenin ihrer Forschung. Ihr Ansatz ermöglicht es,»diskursbegleitend« öffentliche Diskussionensprachwissenschaftlich zu analysieren. Dabeiuntersuchen sie nicht isolierte Wörter, sondernLexeme, Metaphern und Argumentations-muster, die in einem Diskurs � etwa über Aus-länder � zentral sind, unter Berücksichtung desKontextes und ihrer Funktionen. Trotz aller Pro-bleme der Disziplin, über die eigenen Grenzenhinaus zu wirken, sehen sie die Entwicklung derSprachwissenschaft positiv: »Und sie bewegtsich doch«, lautet ihre Situationsbeschreibung.

Beispiele für erste Veränderungen nanntenauch Josef Klein (Koblenz), der eine Studie

über die Rezeption von wirtschaftlichen Fach-begriffen jüngst beendet hat, sowie TheoBungarten (Hamburg), der mit dem dortigenArbeitskreis »Unternehmenskommunikation«schon vielfach für die Wirtschaft tätig war. GuteChancen misst Achim Struchholz, PR-Mannaus Düsseldorf, einer Zusammenarbeit zwi-schen Wirtschaft und Linguistik bei.

Das eine machen und das andere nicht las-sen. Dies scheint der gemeinsame Nenner zusein, auf den sich die meisten Tagungsteilneh-merinnen und -teilnehmer einigen zu könnenscheinen. Will heißen: Mehr Öffnung nach au-ßen, mehr verständliche Texte für Laien, abernicht auf Kosten der Inhalte oder grundlegen-der genuin sprachwissenschaftlicher For-schung. In Zeiten leerer Kassen und eines här-teren Verteilungskampfes zwischen den Wis-senschaften scheint eine Außenprofilierungunerlässlich. In diese Richtung wies der Rede-beitrag von Annette Trabold. Die Pressespre-cherin des IDS unterstrich ferner, dass einepolitische Lobby geschaffen werden müsse,»damit Grundlagenforschung weiterhin mög-lich ist«.

Dass das Institut für deutsche Sprache auchweiterhin Diskussionen anregen will, die ausdem Zentrum der eigenen Disziplin hinaus-reichen, macht das Thema der kommendenJahrestagung deutlich. Über »Sprache und(neue) Medien« sollen 1999 Sprachwissen-schaftlerinnen und Sprachwissenschaftler inMannheim diskutieren.

Die Autorin ist Journalistin und promoviert derzeitin Trier über Mitarbeiterzeitungen von Unterneh-men.