ETHIKTAGUNG 2016 ZfP Südwürttemberg, Standort Zwiefalten · ETHIKTAGUNG 2016 ZfP...
Transcript of ETHIKTAGUNG 2016 ZfP Südwürttemberg, Standort Zwiefalten · ETHIKTAGUNG 2016 ZfP...
ETHIKTAGUNG 2016
ZfP Südwürttemberg,
Standort Zwiefalten
27. Tagung Psychiatrische Ethik
Versorgung psychisch kranker Flüchtlinge
10. Oktober 2016
ZfP Zwiefalten
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 1
Die Situation traumatisierter Menschen in
den Herkunftsländern
-
Flucht, Migration und Integration von
Fremden
Peter Kaiser
Stuttgart
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 2
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 3
Notunterkunft nahe Iranische Grenze
Irak /Kurdistan 2014
VERSORGUNG DER FLÜCHTLINGE IN DEN
HERKUNFTSLÄNDERN
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 4
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 5
Grenze Nordirak-Syrien 2014
10.000 Flüchtlinge
WER MIGRIERT?
WER FLIEHT?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 6
Goma Kongo (former Zaire)
Border to Ruanda 1994
Ethnic conflict Hutu / Tutsi
WER ist Täter?
WER ist Opfer?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 7
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 8
Goma Kongo (former Zaire)
Border to Ruanda 1994
Ethnic conflict Hutu / Tutsi
IMMER Opfer
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 9
Das Beispiel Kurdistan
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 10
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 11
Das Beispiel Syrien
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 12
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 13
Rot: Unter Kontrolle der syrischen Regierung
Grün: Unter Kontrolle der FSA + Verbündete
Gelb: Unter Kontrolle der YPG (Kurden)
Grau: Unter Kontrolle des IS
Weiß: Unter Kontrolle der al-Nursa-Front
شهد أن ال إله إال هللا وأشهد أن محمدا رسول هللا
« ašhadu an lā ilāha illā 'llāh, wa-ašhadu anna muḥammadan rasūlu 'llāh» Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer Gott gibt und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist.
(1. Säule des Islam: Schahada, islamische Glaubensbekenntnis)
• Als Wahhabiten werden die Anhänger einer puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islams bezeichnet, die der hanbalitischen Rechtsschule folgen.
• Die Hanbaliten sind die kleinste Rechtsschule des sunnitischen Islam, der etwa fünf Prozent der Sunniten anhängen. In Saudi-Arabien ist es die staatlich befolgte Rechtsschule.
• Puritanischen Gruppen wie die Wahhabiten lehnen z.B. die Sufis als Ketzer ab. Sie kritisieren z.B. die sufische Heiligenverehrung, weil ihrer Auffassung nach kein Mittler zwischen dem Menschen und Gott stehen darf
• In seinem Herrschaftsgebiet führte der Islamische Staat (IS) einen auf der Scharia und dem Wahhabismus basierenden 16-Punkte-Katalog ein, der das öffentliche und private Leben massiv normiert und einschränkt.
• Auch die Ideologie der Taliban weist Ähnlichkeiten mit dem Wahhabismus auf, allerdings sind die Taliban Anhänger der hanafitischen Rechtsschule.
• Salafismus (auch Salafiyya, von arab. السلفية as-salafiyya) gilt als eine ultrakonservative Strömung innerhalb des sunnitischen Islams, die eine sogenannte geistige Rückbesinnung auf die „Altvorderen“.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 14
Islamische Konfessionen und Rechtsschulen:
Stichwort Willensfreiheit oder Prädestination
Madh-hab, bezeichnet im Bereich des Islam eine Lehrrichtung in der Normenlehre, die sich sowohl durch bestimmte Prinzipien der Normenfindung (Usūl al-fiqh) als auch durch besondere Einzelregelungen (furūʿ) auszeichnet.
Auch mit "Rechtsschule" übersetzt, allerdings: Unterschiede zwischen den Lehrrichtungen äußern sich nicht nur im weltlichen Recht, sondern auch auf ritueller Ebene, so zum Beispiel beim GEBET und den REINHEITSBESTIMMUNGEN.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 15
Das Beispiel Afghanistan
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 16
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 17
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 18
WER IST DER / DIE FREMDE?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 19
Was schafft kulturelle Identität?
• Jeder Mensch hat – seine eigene Geschichte,
– sein eigenes Leben,
– seine eigene Familie
• Über was definiert man sich?
• Nation
• Geographie
• Ethnie
• Familie
• Religion
• Zugehörigkeit zu einer Minderheit
• Politische Einstellung
• Geschlecht
• Alter
• Schichtzugehörigkeit
• Beruf
• Allgemeine ethische und moralische Werte
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 20
Relevante Daten
• Geschlecht, Alter, (Mutter)sprachen
• Geburtsland, ethnische Zugehörigkeit
• Ort der maßgeblichen Sozialisation: rural, städtisch
• Schichtzugehörigkeit, Beruf
• Art und Ausprägung des religiösen Glauben
• Grund für Flucht
• Weltbild, Grundüberzeugungen, Wertesystem und Kausalattribution
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 21
WIE TICKT DER ANDERE ?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 22
Beispiel: „Raumverständnis“
Stichwort „Wohlfühl-Abstand
Stichwort „Berührung“:
Faktoren: • Geschlecht: ♂♀ / ♀♀ / ♂♂
• Alter
• Rahmenbedingungen: bekannt, unbekannt, vertraut, intim, öffentlich, nicht öffentlich
• Frequenz
• Art der Berührung: freundschaftlich, versehentlich, sexuell, verwandtschaftlich, hierarchisch...
• Tabu-Zonen
Beispiel: Sitzen im Kaffeehaus:
Anzahl der Berührungen
während 1 Stunde:
Puerto-Ricaner: 180
Franzosen: 110
Engländer: 0
Amerikaner 2
Harper J 2006. “Men hold key to
their wives’ calm”. The Washington
Times, A10: 297
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 23
Beispiel: „Kausal-Attributionen“ Die Frage nach dem Warum?
Zufall:
• Für Ereignisse oder das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse gibt es eine keine kausale Erklärung.
Karma: (sanskrit करम „Wirken, Tat“):
• Jede physische oder psychische Handlung hat eine Ursache und eine Folge
Schicksal, Los, Kismet:
• ist der Ablauf von Ereignissen im Leben des Menschen, die als von göttlichen Mächten vorherbestimmt (geschickt) oder von Zufällen bewirkt empfunden werden, mithin also der Entscheidungsfreiheit des Menschen entzogen sind
Atheismus versus Höhere Macht (Gott, Götter):
• hat sich nach dem Schöpfungsakt zurückgezogen
und überlässt den Menschen seinem Schicksal
• Greift noch bestimmend ein (Gottes Wille)
• Greift noch unterstützend ein (Gebet)
Eine internale Kausalattribution liegt vor, wenn
eine Person die Ursache eines Ereignisses bei sich
sieht:
– Ich bin hingefallen, weil ich nicht aufgepasst
habe.
Eine externale Kausalattribution liegt vor, wenn
eine Person die Ursache eines Ereignisses bei anderen
Personen, Umwelteinflüssen oder Faktoren sieht:
– Ich bin hingefallen, weil eine Bananenschale
auf dem Boden lag.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 24
Wie interpretiert der „Andere“ Lebensereignisse ?
Positive Ereignisse und
Zustände:
• „Glück“, „Reichtum“,
körperliche und psychische
„Gesundheit“...
Negative Ereignisse und
Zustände:
• Krankheit, Krieg,
Verfolgung, Ablehnung,
Flucht...
Interpretiert als:
• Zufall
• Strafe
• Prüfung
• Karma
Grundsätzliche
Auswirkung auf den
Umgang mit Ereignissen,
Zuständen,
Lebensplanung
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 25
MENTAL HEALTH
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 26
Migration und Mental Health
1. Prä-Migratorisch: Resilienz- und Coping-Faktoren
Belastungen / Traumata
2. Während der Migration: Resilienz- und Coping-Faktoren
Belastungen / Traumata
3. Post-Migratorisch: Resilienz- und Coping-Faktoren
Belastungen / Traumata
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 27
Any anxiety
disorder Any mood disorder Any externalizing disorder Any substance Disorder Any disorder
% (se) % (se) % (se) % (se) % (se)
I. WHO Region: Pan American Health Organization (PAHO)
Colombia 25.3 (1.4) 14.6 (0.7) 9.6 (0.8) 9.6 (0.6) 39.1 (1.3)
Mexico 14.3 (0.9) 9.2 (0.5) 5.7 (0.6)6 7.8 (0.5) 26.1 (1.4)
United States 31.0 (1.0) 21.4 (0.6) 25.0 (1.1) 14.6 (0.6) 47.4 (1.1)
II. WHO Region: African Regional Office (AFRO)
Nigeria 6.5 (0.9) 3.3 (0.3) 0.3 (0.1)7,9 3.7 (0.4) 12.0 (1.0)
South Africa 15.8 (0.8)3,4 9.8 (0.7)
5 -- --
6,7,8,9 13.3 (0.9) 30.3 (1.1)
III. WHO Region: Eastern Mediterranean Regional Office (EMRO)
Lebanon 16.7 (1.6) 12.6 (0.9) 4.4 (0.9)9 2.2 (0.8) 25.8 (1.9)
IV. WHO Region: European Regional Office (EURO)
Belgium 13.1 (1.9) 14.1 (1.0)5 5.2 (1.4)
6 8.3 (0.9)
10 29.1 (2.3)
France 22.3 (1.4) 21.0 (1.1)5 7.6 (1.3)
6 7.1 (0.5)
10 37.9 (1.7)
Germany 14.6 (1.5) 9.9 (0.6)5 3.1 (0.8)
6 6.5 (0.6)
10 25.2 (1.9)
Israel 5.2 (0.3)3,4 10.7 (0.5) -- --
6,7,8,9 5.3 (0.3) 17.6 (0.6)
Italy 11.0 (0.9) 9.9 (0.5)5 1.7 (0.4)
6 1.3 (0.2)
10 18.1 (1.1)
Netherlands 15.9 (1.1) 17.9 (1.0)5 4.7 (1.1)
6 8.9 (0.9)
10 31.7 (2.0)
Spain 9.9 (1.1) 10.6 (0.5)5 2.3 (0.8)
6 3.6 (0.4)
10 19.4 (1.4)
Ukraine 10.9 (0.8)3,4 15.8 (0.8)
5 8.7 (1.1)
7,9 15.0 (1.3) 36.1 (1.5)
V. WHO Region: Western Pacific Regional Office (WPRO)
PRC11
4.8 (0.7) 3.6 (0.4) 4.3 (0.9) 7,9 4.9 (0.7) 13.2 (1.3)
Japan 6.9 (0.6)3 7.6 (0.5) 2.8 (1.0)
7,8,9 4.8 (0.5) 18.0 (1.1)
New Zealand 24.6 (0.7)3 20.4 (0.5) -- --
6,7,8,9 12.4 (0.4) 39.3 (0.9)
The global burden of mental disorders (Kessler et al. 2009)
Lifetime-Prävalenz
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 28
SEQUENTIELLE TRAUMATISIERUNG
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 29
Sequentielle Traumatisierung (Keilson 1979)
Sequenzabfolge bei Flucht und Exil (Becker 2006)
Ausgangsbedingungen
• Kulturelle und soziale Risiko- und Schutzfaktoren
• Individueller psychischer und körperlicher Gesundheitszustand (Prämorbidität)
Vorfluchtphase
• Traumatisierungen durch Krieg und Vertreibung
• Trennungen, Verlusterlebnisse...
Flucht
• Traumatisierung während der Flucht
• Beziehungs-Abbrüche
• Verlust des biografischen Kontinuums...
Exil
• Wohnsituation (Umzüge, Konflikte..)
• Unklarer Aufenthaltsstatus
• Enttäuschung, Irritation / fehlende Orientierung
• Sorge um Familie...
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 30
Beispiel Syrische Flüchtlinge Za’atari Camp in Jordanien
(Gary & Rubin 2014) Syrian Refugees:
Stress, Emotional Distress, and Coping Strategies:
• The most common stressor experienced by Syrians living in refugee camps is worry about the well-being of their relatives who have dispersed to other refugee camps, moved to other countries, or remained in Syria and might have been tortured or killed
• Although refugees residing inside the camps are protected from military violence, inside the camps they are vulnerable to physical violence, torture, sexual
• Many adults and children have been victims of or witnessed multiple acts of violence.
• Major threats, stressors, and realities such as these represent some of the daily life struggles of Syrian refugees.
• Continuous exposure to violent incidents, or their threat, compromises any positive effects resulting from protective factors, such as family and community support.
• Many refugees report experiencing a variety of psychological symptoms in reaction to the stressors.
• Between three and 30 % of Syrian refugees experience clinical depression and 50-57 % experience PTSD.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 31
Beispiel Syrische Flüchtlinge Za’atari Camp in
Jordanien
(Gary & Rubin 2014) Respondents to mental health surveys reported “most or all of the time” to the following statements:
• feeling unable to perform essential activities for daily living and
• feeling severely upset about the Syrian conflict (EMPHNET, 2014).
• Additionally, many reported feeling so hopeless that they did not want to continue living while others reported
• feeling loss of interest in things they used to like and
• feeling so angry that they felt out of control.
The coping strategies of Syrian refugees were also examined (EMPHNET, 2014):
The most reported coping strategy was “Nothing;” (41 % reported they did nothing to cope).
Other coping strategies, in descending order of percentage, include the following:
Socializing: 15%
Praying or reading the Quran: 13%
Fighting and getting angry: 11%
Crying: 6%
Walking or going out: 5%
Sleeping: 5%
Smoking: 3%
These employed coping strategies consist of positive and maladaptive, or unhealthy tactics.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 32
Post-Migratorische Situation
Aktuelle Probleme:
• Aufenthaltsstatus
• Funktionsstatus
• Körperlicher und psychischer Gesundheitsstatus
• Kulturferne Umgebung
• Weiterbestehende Probleme: – Sorgen um Angehörige in Kriegsgebieten
– uneindeutige Verluste (Vermisste)
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 33
Post-Migratorische Belastungen
Umgang mit Unsicherheit?
Abhängigkeit, z.B. Behörden
Abschiebung?
Zukunft im Gastland
Fremde in der westlichen Welt
/ Wertesysteme
Sprachbarriere:
– Eindruck der Einfältigkeit, da
nicht ausreichend
sprachkompetent
Kulturelle, soziale und
individuelle Identität:
Definition über
Selbstwert,
Arbeit,
Familie,
Heimat,
Sprache etc...
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 34
Post-Migratorische Belastungen
Ressourcen und Möglichkeit
von Identitätsstiftenden /-
stabilisierenden Aktivitäten
• Religionsausübung,
• spezifische Ernährung und -regeln
• (hochkalorisch zur
Stressbewältigung...)
• Kleiderregeln...
• Familiäre Aktivitäten…
Sinnhaftigkeit?
Coping:
• Kognitiv
– z.B. Kontrollverlust,
Langeweile
• Situativ emotional
– z.B. Angst, Aggression
• Längerfristig
verhaltensbezogen
– (behavioral) z.B. Trauer,
Rückzug, Aggression
• Sozial: Funktionsverlust
– (Ernährer)
10.10.2016
© Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 35
KULTURELLE IDENTITÄT - KULTURELLE
KOMPETENZ
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 36
Wo hört meine Toleranz auf?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 37
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 38
WAS TUN ?
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 39
PERSPEKTIVE DES LANDES
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 40
Prävalenz von PTSD
Es gibt keine universell gültigen Prävalenzraten für psychische Erkrankungen in Folge traumatischer Erfahrungen bei Flüchtlingen, da diese von den jeweiligen Szenarien in Krisen, Krieg und Flucht abhängen
PTSD entsteht in etwa:
• 50-65% der Fälle nach direkten Kriegserlebnissen mit personlicher Gefährdung;
• 50-55% der Fälle nach Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch;
• 3-11% der Fälle nach Verkehrsunfällen;
• ca. 5% der Fälle nach Natur-, Brand-, Feuerkatastrophen;
• 2-7% der Fälle bei Zeugen von Unfällen und Gewalthandlungen (O Brien 1998)
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 41
Prävalenz von PTSD
• Über internationale Studien gemittelt ergibt sich eine Zahl von ca. 30% (Miller, Rockstroh, Elbert, The Lancet, 2005).
• In einer laufenden Studie am Kompetenzzentrum für Psycho-traumatologie in Konstanz berichten gegenwärtig 55% der Insassen in einer typischen Gemeinschaftsunterkunft anhand des Refugee Health Screener belastet zu sein.
• Gei geringer Belastung: Spontanremission von 80%
• Bei hohen kumulativen Stresserfahrungen: Spontanremission unter 20%
• Bei derzeit über 150.000 Flüchtlingen in Baden-Württemberg: – über 20.000 Unterstützungsbedürftige
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 42
PTSD -
Differenzialdiagnosen und Komorbiditäten
• Reaktionen auf schwere Belastungen, z.B.: – Akute Belastungsreaktion,
– Anpassungsstörungen
• Affektive Störungen, z.B.: – Depressive Störungen
• Angststörungen
• Dissoziative Störungen
• Persönlichkeitsstörungen / Persönlichkeitsänderungen – Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung.
10.10.2016
© Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 43
Clinical Management of Mental, Neurological and Substance Use
Conditions in Humanitarian Emergencies
mhGAP Humanitarian Intervention Guide (mhGAP-HIG) WHO
Module:
1. Acute Stress (ACU)
2. Grief (GRI)
3. Moderate-severe Depressive Disorder (DEP)
4. Post-traumatic Stress Disorder (PTSD)
5. Psychosis (PSY)
6. Epilepsy/Seizures (EPI)
7. Intellectual Disability (ID)
8. Harmful Use of Alcohol and Drugs (SUB)
9. Suicide (SUI)
10. Other Significant Mental Health Complaints (OTH)
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 44
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 45
Mae Ra Ma Luang Thai-burmese-Border 2015
Psychotischer Patient und sein fürsorglicher Vater
MENTAL HEALTH AND PSYCHOSOCIAL
SUPPORT (MHPSS)
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 46
MENTAL HEALTH AND PSYCHOSOCIAL
SUPPORT (MHPSS) bei Flüchtlingen
Klärung Prävalenz / Inzidenz psychischer Störungen bei Flüchtlingen Screening mit vorhandenen Instrumenten bezüglich psychischen
Störungen
Klärung vorhandener Hilfesysteme (innerhalb der Zielpopulation): Hilfe zur Selbsthilfe
Ausbildung von Laienhelfern für Screening
Referral-System
Gestufte Behandlung durch unterschiedlich qualifiziertes Personal.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 47
Empfehlung UNHCR (P. Ventevogel, p.C.)
1) Screening-Instrumente (Fragebogen, Interview etc.) sollten nicht nur PTSD erfassen, sondern auch andere wichtige psychische Störungen
2) Die Validität der Instrumente wird durch kontextuelle und kulturelle Faktoren beeinflußt
3) Die Verwendung von (eigenanamnestischen) Fragebögen ist zu Forschungszwecken möglich, aber eine Einschätzung der Prävalenz schwierig
4) Klinisches Screening ist nur dann sinnvoll, wenn es in einem diagnostischen und therapeutischen Stufensystem eingebetet ist
5) Ein Screening-Instrument solltr nicht nur typische Symptome abfragen, sondern auch das “Funktionieren” (positives Coping) des Betroffenen erfassen.
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 48
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 49
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 50
Notunterkunft Zakho Nord-Irak /Kurdistan 2014
Vorher ....
.... nachher
Mae Ra Ma Luang Thai-burmese-Border 2015
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 51
Mae Ra Ma Luang
Thai-burmese-Border 2015
Training of local Staff
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 52
Prof. Dr. Dr. Peter Kaiser
Ministerium für Arbeit und Sozialordnung,
Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg
Referat 55 Psychiatrie, Sucht
70174 Stuttgart
Tel. 0711-1233805
E-Mail [email protected]
Internet www.sozialministerium-bw.de
Ministerium für Soziales und
Integration
Baden-Württemberg
Haus der Wirtschaft, Stuttgart
Winnenden, Baden-Württemberg,
Zentrum für Psychiatrie,
Klinikum Schloss Winnenden
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
SUPPLEMENT
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 53
Literatur
• American Psychiatric Association (2013). Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders (DSM-5). Arlington: American Psychiatric
Publishing.
• Flatten G, Gast U, Hofmann A, Knaevelsrud Ch, Lampe A et al. (2011). S3
- Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung. Trauma & Gewalt 3: 202-
210.
• National Institute for Clinical Excellence - NICE (2005): Post-traumatic
stress disorder (PTSD). London: NICE (Clinical Guideline 26).
• http://www.who.int/mental_health/publications/mhgap_hig/en/
• http://www.who.int/mental_health/publications/guide_field_workers/en/
10.10.2016
© Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 54
Links
• Active Learning Network for Accountability and Performance in Humanitarian Action (ALNAP) (2003).
Participation of Crisis-Affected Populations in Humanitarian Action: A Handbook for Practitioners.
Assessments, Chapter 3. http://www.odi.org.uk/ALNAP/publications/gs_handbook/gs_handbook.pdf
• Bolton P. (2001). Cross-Cultural Assessment of Trauma-Related Mental Illness (Phase II). CERTI, Johns
Hopkins University, World Vision http://www.certi.org/publications/policy/ugandafinahreport.htm
• Médecins Sans Frontières (2005). Field Assessments. Chapter 1, Part III, Mental Health Guidelines: A
Handbook for Implementing Mental Health Programmes in Areas of Mass Violence.
http://www.msf.org/source/mentalhealth/guidelines/MSF_mentalhealthguidelines.pdf
• Silove D., Manicavasagar V., Baker K., Mausiri M., Soares M., de Carvalho F., Soares A. and Fonseca
Amiral Z. (2004). ‘Indices of social risk among first attenders of an emergency mental health service in
post-conflict East Timor: an exploratory investigation’. Australian and New Zealand Journal of Psychiatry.
38:929-32. http://www.who.int/mental_health/emergencies/mh_key_res/en/index.html
• Sphere Project (2004). Humanitarian Charter and Minimum Standards in Disaster Response. Initial
Assessment, pp.29-33. http://www.sphereproject.org/handbook/
• UNICEF East Asia and Pacific Office and Regional Emergency Psychosocial Support Network (2005).
Handbook of Psychosocial Assessment for Children and Communities in Emergencies.
http://www.crin.org/docs/Handbook%20new%20update.pdf
• World Health Organization (2005). Mental Health Atlas http://www.who.int/mental_health/evidence/atlas/
10.10.2016 © Peter Kaiser Flucht, Migration und
Integration von Fremden 55