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Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 1 v. 38 Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht I (Griller/Holoubek) Lektion 1 (S.1-30) Die Gewerbeordnung 1994. Was regelt sie und worauf zielt sie ab? Bei der Gewerbeordnung handelt es sich um ein Bundesgesetz, die letzte Novellierung fand im Jahr 2002 statt. Über die Gewerbeordnung wird versucht, die erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten in geordnete Bahnen zu lenken. Ziele der Gewerbeordnung: Sicherung der Qualifikation der Gewerbetreibenden Sicherung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen Sicherung eines geordneten Wettbewerbs Abwehrung der Gefahren für Gewerbetreibende, Kunden, Nachbarn,... Konsumentenschutz und Umweltschutz Die GewO enthält sowohl allgemeine Vorschriften über die Ausübung von gewerblichen Erwerbstätigen als auch detaillierte Vorschriften für einzelne Gewerbe. Für welche Tätigkeiten gilt die GewO? Die GewO gilt für: Alle gewerbsmäßig ausgeübten und Nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten, soweit sie Nicht in den § 2 bis 4 ganz oder teilweise ausgenommen werden Gewerbsmäßigkeit Gewerbsmäßig wird eine Tätigkeit ausgeübt, wenn sie: selbständig, regelmäßig (Tätigkeit wird laufend vorgenommen, es reicht aber schon Wiederholungsabsicht) mit Ertrags-/Gewinnabsicht betrieben wird. (also keine karitativen Einrichtung keine Gewinnabsicht) Die Tätigkeit muss erlaubt sein. Für gesetzlich verbotene Tätigkeiten kann man keine Gewerbeberechtigung erhalten. (z.B. Drogenhandel, Hehlerei, Verleih von Mautvignetten,...) Ausnahmen Ausgenommen von der GewO sind: Land- und Forstwirtschaft Unternehmen mit Sondergewerberecht (Banken, Versicherungen,...) Freie Berufe (Ärzte, Anwälte,...) Welche Gewerbearten gibt es? Reglementierte Gewerbe und freie Gewerbe Je nach dem, ob zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes ein Befähigungsnachweis erforderlich ist oder nicht, unterscheidet die GewO zwischen reglementierten und freien Gewerben. Die reglementierten Gewerbe werden in § 94 GewO in einer eigenen Liste aufgezählt: z.B. Arbeitsvermittlung, Drogisten, Fotografen,... Für diese Gewerbe muss ein Befähigungsnachweis erbracht werden. (z.B. Meisterprüfung)

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Europäisches und öffentliches Wirtschaftsrecht I

(Griller/Holoubek)

Lektion 1 (S.1-30)

Die Gewerbeordnung 1994. Was regelt sie und worauf zielt sie ab?

Bei der Gewerbeordnung handelt es sich um ein Bundesgesetz, die letzte Novellierung fand

im Jahr 2002 statt. Über die Gewerbeordnung wird versucht, die erwerbswirtschaftlichen

Tätigkeiten in geordnete Bahnen zu lenken.

Ziele der Gewerbeordnung:

• Sicherung der Qualifikation der Gewerbetreibenden

• Sicherung der Qualität von Produkten und Dienstleistungen

• Sicherung eines geordneten Wettbewerbs

• Abwehrung der Gefahren für Gewerbetreibende, Kunden, Nachbarn,...

• Konsumentenschutz und Umweltschutz

Die GewO enthält sowohl allgemeine Vorschriften über die Ausübung von gewerblichen

Erwerbstätigen als auch detaillierte Vorschriften für einzelne Gewerbe.

Für welche Tätigkeiten gilt die GewO?

Die GewO gilt für:

• Alle gewerbsmäßig ausgeübten und

• Nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten, soweit sie

• Nicht in den § 2 bis 4 ganz oder teilweise ausgenommen werden

Gewerbsmäßigkeit

Gewerbsmäßig wird eine Tätigkeit ausgeübt, wenn sie:

• selbständig,

• regelmäßig (Tätigkeit wird laufend vorgenommen, es reicht aber schon

Wiederholungsabsicht)

• mit Ertrags-/Gewinnabsicht betrieben wird. (also keine karitativen Einrichtung àkeine

Gewinnabsicht)

Die Tätigkeit muss erlaubt sein.

Für gesetzlich verbotene Tätigkeiten kann man keine Gewerbeberechtigung erhalten. (z.B.

Drogenhandel, Hehlerei, Verleih von Mautvignetten,...)

Ausnahmen

Ausgenommen von der GewO sind:

• Land- und Forstwirtschaft

• Unternehmen mit Sondergewerberecht (Banken, Versicherungen,...)

• Freie Berufe (Ärzte, Anwälte,...)

Welche Gewerbearten gibt es?

Reglementierte Gewerbe und freie Gewerbe

Je nach dem, ob zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes ein Befähigungsnachweis

erforderlich ist oder nicht, unterscheidet die GewO zwischen reglementierten und freien

Gewerben.

Die reglementierten Gewerbe werden in § 94 GewO in einer eigenen Liste aufgezählt: z.B.

Arbeitsvermittlung, Drogisten, Fotografen,... Für diese Gewerbe muss ein

Befähigungsnachweis erbracht werden. (z.B. Meisterprüfung)

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Alle anderen Gewerbe sind freie Gewerbe. (z.B. Handelsgewerbe, Werbeagenturen,...) Bei

ihnen besteht keine Pflicht zur Vorlage eines Befähigungsnachweises. Die GewO enthält

allerdings für einzelne freie Gewerbe spezielle Ausübungsvorschriften. (z.B. Tankstellen)

Anmeldungsgewerbe und „sensible“ Gewerbe

Je nach dem, ob zur Ausübung des Gewerbes die bloße Anmeldung oder aber noch

zusätzlich eine Zuverlässigkeitsprüfung vorgeschrieben ist, unterscheidet man zwischen

bloßen Anmeldungsgewerben und sensiblen Gewerben.

Grundsätzlich werden alle Gewerbe durch Anmeldung bei der Gewerbebehörde begründet.

Bei einigen reglementierten Gewerben ist zusätzlich jedoch noch eine

Zuverlässigkeitsprüfung vorgeschrieben. Es handelt sich dabei um „sensible“ Gewerbe, bei

denen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, des Schutzes von Leben und Gesundheit,

des Konsumentenschutzes,... das Vorliegen, der an sich während der gesamten

Gewerbeausübung erforderlichen, Zuverlässigkeit des Bewerbers bereits vor Gewerbeantritt

von der Behörde anlässlich der Gewerbeanmeldung überprüft wird.

Die sensiblen Gewerbe werden in § 95 GewO aufgelistet. (z.B. Baumeister, Reisebüros,...)

Sind die Voraussetzungen für die Ausübung des angemeldeten „sensiblen“ Gewerbes erfüllt,

so stellt die Gewerbebehörde dies mittels Bescheid fest.

Gewerbebetrieb und Industriebetrieb

Unterscheidungsmerkmal hierfür ist das Kriterium der Betriebsbeschaffenheit. Der

Industriebetrieb (§ 7 GewO) zeichnet sich unter anderem durch hohen kapital- und

Maschineneinsatz, serienmäßige Produktion, größere zahl an ständig beschäftigten

Arbeitnehmern,... aus. Für Gewerbe die in Form eines Industriebetriebes ausgeübt werden,

ist kein Befähigungsnachweis erforderlich.

Unter welchen Voraussetzungen darf ein Gewerbe ausgeübt werden?

Allgemeine Voraussetzungen

• Gewerberechtliche Handlungsfähigkeit (Vollendung des 18. Lebensjahres, keine

Sachwalterschaft, bei juristischen Personen muss ein Geschäftsführer bestellt werden)

• Unbescholtenheit (Konkurs ist kein Ausschlussgrund)

• Österreichische bzw. gleichgestellte Staatsbürgerschaft oder legaler Aufenthalt im Inland

Besondere Voraussetzungen

• Befähigungsnachweis (bei reglementierten Gewerben)

• Zuverlässigkeit (bei sensiblen Gewerben)

• Weitere Bedingungen (z.B. Bedarfsprüfung bei Rauchfangkehrern,

Schleppliftunternehmer müssen eine Haftpflichtversicherung abschließen,...)

Wozu ermächtigt sie eine Gewerbeberechtigung?

Neben der Ausübung des Gewerbes räumt die GewO des Gewerbetreibenden noch

zusätzliche Befugnisse ein:

• Nebenrechte (§ 32 Abs. 1): allgemeines Handelsrecht, Werkverkehr, einfache Tätigkeiten

von reglementierten Gewerben, Teilgewerbe,...

• Postdienstleistungen mit Ausnahme des Geld- und Zahlungsverkehrs

• Integrierter Betrieb

• Verbundene Gewerbe (setzen sich aus zwei oder mehreren Gewerben zusammen und

sind ausdrücklich so in der Liste der reglementierten Gewerbe bezeichnet)

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Kann die Gewerbeberechtigung übertragen werden?

Die erworbene Gewerbeberechtigung kann NICHT übertragen werden. Sie kann allerdings

vom Fortbetriebsberechtigten ausgeübt werden, und es kann (bzw. muss) unter bestimmten

Voraussetzungen ein so genannter gewerberechtlicher Geschäftsführer bestellt werden.

Gewerbeinhaber: verfügt über Gewerbeberechtigung

Gewerbetreibender: übt die Gewerbeberechtigung aus

Der gewerberechtliche Geschäftsführer

• Verantwortung für die Einhaltung gewerberechtlicher Vorschriften (dafür haftbar)

• Hilfsorgan des Gewerbeinhabers (wird als Vertreter im Namen und auf Rechnung des

Gewerbeinhabers tätig)

• Bei einer Gesellschaft muss ein gewerberechtlicher Geschäftsführer bestimmt werden

• Es darf sich nicht um einen „Scheingeschäftsführer“ handeln

• Muss seinen Wohnsitz im Inland haben

Fortbetriebsberechtigung

Der Fortbetriebsberechtigte hat das Recht, einen Gewerbebetrieb auf Grund der

Gewerbeberechtigung einer anderen Person fortzuführen. Fortbetriebsberechtigt sind im

Falle des Todes des Gewerbeinhabers dessen Ehepartner und Kinder, im Falle eines

Konkurses der Masseverwalter.

Für welchen örtlichen Bereich gilt die Gewerbeberechtigung?

Die Gewerbeberechtigung berechtigt zur Ausübung des Gewerbes auch in weiteren

Betriebsstätten. Der andere Standort ist der Behörde jedoch anzuzeigen. (gilt nicht für

Messen) Die Anzeige hat bloßen Mitteilungscharakter. Es gibt jedoch auch Ausnahmen.

8z.b. Rauchfangkehrer müssen für jede Betriebsstätte entsprechenden Bedarf nachweisen)

Für die Gewerbeausübung in einer weiteren Betriebsstätte kann ein Filialgeschäftsführer

bestellt werden.

Wann erlischt die Gewerbeberechtigung?

• Bei natürlichen Personen durch Tod

• Bei Gesellschaften durch Auflösung

• Zurücklegung oder Entziehung der Gewerbeberechtigung durch die Behörde

Welche Behörde vollzieht die GewO?

In Angelegenheiten des Gewerberechts entscheidet in erster Instanz die

Bezirksverwaltungsbehörde (BVB), also der Bezirkshauptmann (BH) und in Städten mit

eigenem Statut der Bürgermeister bzw. der Magistrat.

Zur Erteilung einer Gewerbeberechtigung für Waffengewerbe betreffend militärische Waffen

ist jedoch der Bundesminister für Wirtschaft und arbeit im einvernehmen mit dem

Bundesminister für Inneres zuständig.

Als Berufungsinstanz gilt der Unabhängige Verwaltungssenat der Länder (UVS).

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Lektion 2

Das Betriebsanlagenrecht

Das Betriebsanlagenrecht regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Unternehmer

Betriebsanlagen errichten und betreiben darf und welche rechte betroffenen Personen

zukommen, um sich gegen gefährliche und störende Betriebsanlagen zu wehren. Es ist

dabei notwendig, die Interessen der Wirtschaft und die Interessen der Anrainer und der

Umwelt gegeneinander abzuwägen.

Das Betriebsanlagenrecht ist Bestandteil der Gewerbeordnung. Die einschlägigen Normen

sind: §§ 74 ff, 333ff Gewerbeordnung 1994 und aufgrund dieser Bestimmungen erlassene

Durchführungsverordnungen.

Die gewerbliche Betriebsanlage

Eine Betriebsanlage ist eine örtlich gebundene Einrichtung, die der Entfaltung einer

gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist. (Büros, Fabriken, Gaststätten,

Steinbruch,...)

Folgende drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit man von einer gewerblichen

Betriebsanlage spricht:

• Ortsgebundenheit

• Regelmäßigkeit (gewerbliche Tätigkeit muss regelmäßig entfaltet werden)

• Gewerbliche Tätigkeit (muss entfaltet werden)

Wann ist eine Betriebsanlage genehmigungspflichtig?

Ungefährliche Betriebsanlagen

Grundsätzlich braucht ein Unternehmer keine betriebsanlagenrechtliche Genehmigung für

das erbauen, Errichten oder betreiben einer Betriebsanlage, solange von dieser überhaupt

keine Gefährdung oder Beeinträchtigung für ihn, seine Nachbarn oder die Umwelt ausgeht.

(z.B. reiner Bürobetrieb, kleines Geschäftslokal,...)

Werden in einer Betriebsanlage nur solche Maschinen verwendet, die in einer Verordnung

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten aufgrund § 76 Abs. 1 GewO

aufgelistet wurden, bedarf es ebenfalls keiner Genehmigung.

Die Normalanlage

Ist die Betriebsanlage wegen ihrer Betriebsweise oder wegen verwendeter Maschinen und

Geräte oder sonst geeignet, eine der im Gesetz aufgezählten Schutzinteressen zu berühren,

muss die Errichtung bzw. die Betriebsaufnahme durch die Behörde bewilligt werden. Es

reicht schon die abstrakte Gefahr aus, ob wirklich eine Gefahr von der Betriebsanlage

ausgeht, wird erst im Bewilligungsverfahren geprüft.

Die Kriterien der Bewilligungspflicht sind:

• Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit

• Gefährdung des Eigentums oder sonstiger dinglicher Rechte des Nachbarn

• Belästigung der Nachbarn

• Beeinträchtigung von öffentlichen Interessen (Schulbesuch, Krankenhäuser,...)

• Nachteilige Auswirkungen auf Gewässer

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Die Bagatellanlage

Ist damit zu rechnen, dass von der geplanten Anlage keine konkreten Gefahren ausgehen,

obwohl eine abstrakte Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, findet ein

vereinfachtes Verfahren statt. Der Unterschied zur Normalanlage liegt im Verfahren, nicht in

den Bewilligungskriterien.

Die IPPC-Betriebsanlage

Bei diesen Betriebsanlagen handelt es sich um solche, die eine hohe Belastung und

Gefährdung der Umwelt erwarten lassen, sie werden in Anlage 3 der GewO aufgeführt.

Diese unterliegen erschwerten Bewilligungskriterien, um eine integrierte Vermeidung bzw.

Verminderung der Umweltverschmutzung sicherzustellen.

Die Genehmigung der Betriebsanlage

Wenn eine konkrete Anlage bewilligungspflichtig ist, muss nun die Behörde in einem

Verfahren prüfen, ob von der Betriebsanlage tatsächlich eine Gefährdung des Lebens oder

der Gesundheit bzw. eine Belästigung der Nachbarn oder eine Beeinträchtigung öffentlicher

Interessen ausgeht. Die Anlage kann nur genehmigt werden, wenn nach dem Stand der

Technik und nach den medizinischen und sonst im Betracht kommenden Wissenschaften

sichergestellt ist, dass die Schutzgüter der GewO gewahrt werden.

Die Kriterien der Bewilligung sind:

• Immissionsseitige Kriterien

o Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum

o Belästigung oder Beeinträchtigungen (von Nachbarn, öffentlichen Interessen,...)

• Emissionsseitige Kriterien: diese weichen vom Konzept des Immissionsschutzes ab.

Durch sie versucht der Gesetzgeber den Interessen des Umweltschutzes im Sinne eines

umfassenden Vorsorgedenkens nachzukommen.

o Luftschadstoffe: Emission muss nach dem Stand der Technik eröffneten

Möglichkeiten – durch Auflagen – begrenzt sein.

o Abfall: anfallende Abfälle sind – durch Auflagen – nach dem Stand der Technik

und der in Betracht kommenden Wissenschaften zu vermeiden, zu verwerten

oder ordnungsgemäß zu entsorgen.

• Nahversorgung: muss gesichert sein

• Verordnungen zur Konkretisierung der Bewilligungskriterien

• Besondere Bewilligungskriterien bei IPPC-Anlagen: effiziente Energieverwertung,

Vorkehrungen zur Unfallvermeidung und zur Begrenzung von Unfallfolgen, Vorkehrungen

zur Abwehr für Umweltbelastungen bei Anlagenauflassung,...

Auflagen

Entspricht eine Betriebsanlage nun nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil ein Schutzgut

der

GewO verletzt wird, verweigert die Behörde den Antrag auf Bewilligung nicht gleich. Sie ist

vielmehr dazu verpflichtet, technische Veränderungen vorzuschlagen und vorzuschreiben,

die die Schwachstellen der Anlage beheben und eine Bewilligungsfähigkeit begründen.

Diese technischen Veränderungen und Verbesserungen werden Auflagen genannt.

Auflagen müssen folgende Voraussetzungen erfüllen:

• Auflagen dürfen das Projekt nicht in seinem Wesen verändern (sonst handelt es sich ja

nicht mehr um dasselbe Projekt)

• Bestimmtheit: Auflagen müssen konkrete Ge- bzw. Verbote enthalten

• Geeignetheit: Auflagen müssen zur Erreichung des Ziels geeignet sein.

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• Erforderlichkeit: Auflagen müssen insofern erforderlich sein, als sie zum Schutz der

Gesundheit und des Lebens bzw. zur Reduzierung von Belästigungen oder

Beeinträchtigungen auf das zumutbare Maß dienen. Besteht eine Alternative zwischen

mehreren Auflagen, ist jene von der Behörde vorzuschreiben, die den Unternehmer am

wenigsten belastet.

• Behördliche Erzwingbarkeit: Auflagen müssen so gestaltet sein, dass die Behörde sie

überprüfen und gegebenenfalls zwangsweise durchsetzen kann.

Betreiben der Anlage vor Rechtskraft des Bewilligungsbescheids

Ist der Bewilligungsbescheid noch nicht rechtskräftig, kann mit dem Bau bzw. dem Betrieb

der Anlage trotzdem begonnen werden, wenn die entsprechenden auflagen eingehalten

werden. Der gewerbetreibende trägt aber die Gefahr, dass die Bewilligung von der

Berufungsbehörde abgeändert wird oder gar keine Bewilligung erteilt wird.

Nachträgliche Veränderung von Betriebsanlagen

Es kann notwendig sein, dass bereits bewilligte Betriebsanlagen verändert werden müssen.

Man unterscheidet hierbei zwei Fallgruppen:

• Änderungen der Betriebsanlage durch den Gewerbetreibenden: werden durch die

Veränderungen die Schutzinteressen der GewO berührt, muss die Anlage erneut

bewilligt werden.

• Änderung der Betriebsanlage aufgrund behördlicher Anordnung: ergibt sich erst nach

Abschluss des Verfahrens und trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid

vorgesehenen Auflagen, dass die Schutzgüter der GewO gefährdet sind, hat die Behörde

weitere Auflagen festzulegen.

o Verhältnismäßigkeit neuer Auflagen

o Frist zur Umsetzung neuer Auflagen: ist es dem Inhaber der Anlage wirtschaftlich

nicht zuzumuten die neuen auflagen sofort umzusetzen, kann ihm eine Frist von

bis zu 5 Jahren gesetzt werden

o Sanierungskonzept: auch dafür ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

maßgebend

o Umwelt-Sanierungsverordnungen für Altanlagen

Überwachung von Betriebsanlagen

Durch den Anlagenbetreiber

Der Inhaber der genehmigten Betriebsanlage muss in regelmäßigen Abständen selbst

überprüfen oder überprüfen lassen, ob die Anlage dem Bewilligungsbescheid bzw. den

gewerblichen Regelungen entspricht. Mängel und Maßnahmen zu deren Entfernung müssen

der Behörde mitgeteilt werden.

Durch die Behörde

Die Behörde bzw. von ihr ermächtigte Sachverständige sind berechtigt, die Anlage während

des Betriebs zu betreten, zu besichtigen, zu kontrollieren und Proben zu entnehmen. So wird

die Einhaltung der auflagen bzw. des Bewilligungsbescheids gewährleistet. Den

Unternehmer trifft eine Mitwirkungspflicht.

Die Zuständigkeit im Betriebsanlagenrecht

Laut GewO ist für das betriebsanlagenverfahren in erster Instanz die

Bezirksverwaltungsbehörde, also der Bezirkshauptmann und – in Städten mit eigenem Statut

– der Bürgermeister bzw. der Magistrat, zuständig. Berufungsinstanzen sind die

Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder.

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Das Baurecht

Das Baurecht regelt die Errichtung von Neubauten, umbauten und Zubauten bezüglich der

Sicherheit und einwandfreier Beschaffenheit in technischer, sanitärer und hygienischer

Hinsicht. Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung (Landessache).

Ein Bauwerk ist eine Anlage,

• zu deren Errichtung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind,

• die mit dem Boden in eine Gewisse Verbindung gebracht wird,

• die wegen ihrer Beschaffenheit die öffentlichen Interessen zu berühren geneigt ist.

Die Wiener Bauordnung gliedert Bauvorhaben in solche, die vor Ausführung von der

Baubehörde bewilligt werden müssen. Solche, die bei der Behörde nur angezeigt werden

müssen und solche, für die weder eine Bewilligung noch eine Anzeige erforderlich ist.

Bewilligungspflichtige Gebäude sind geeignet:

• eine Gefahr für das Leben/Gesundheit der Menschen herbeizuführen

• die Nachbarschaft zu belästigen

Gebäude, für die eine Bauanzeige ausreicht:

• alle Bauführungen in Wohnungen oder Betriebseinheiten, die nicht von Einfluss auf die

statischen Verhältnisse der Baulichkeit sind

• keine Änderungen der äußeren Gestaltung der Baulichkeit bewirken

• und nicht die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume,... betreffen.

Bewilligungsfreie Bauvorhaben:

• aufgelistet in § 62a Bauordnung

• z.B. Verkaufsstände, Badehütten, Marktstände, Telefonhütten, öffentliche

Toiletteanlagen,...

Verfahren

Zuständig in Bauangelegenheiten ist der Bürgermeister, in zweiter Instanz der Gemeinderat.

In Wien ist in erster Instanz der Magistrat, in zweiter Instanz die Bauoberbehörde zuständig.

Lektion 3

Das Verwaltungsverfahren

Das Verwaltungsverfahrenrecht regelt jenes Verfahren, das Behörden bei der Vollziehung

von Verwaltungsrecht (Baurecht, Gewerberecht) anzuwenden haben. Ziel ist es

Entscheidungen in Sachfragen zu erlangen. Weiteres legt es in den jeweiligen Verfahren die

Rechtsposition der betroffenen Personen gegenüber der Behörde fest.

Sofern einzelne Materiengesetze keine eigenen Regeln ⇒ Allg. Verwaltungsverfahrengesetz

bei Verwaltungsstrafsachen ⇒ Verwaltungsstrafgesetz (neben Materiengesetz)

bei Verwaltungsvollstreckungsangelegenheiten ⇒ Verwaltungsvollstreckungsgesetz

I. Wer ist Partei im Verfahren?

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Parteienstellung

Beteiligte Personen: nehmen Tätigkeit einer Behörde in Anspruch oder ist Bezugspunkt der

Tätigkeit der Behörde (als Beteiligter)

Partei: Beteiligter, der „Rechtsanspruch“ bzw. „rechtliches Interesse“ am Verfahren hat jene

⇒ jene Person, die von der Tätigkeit der Behörde betroffen ist ⇒ subjektives Rechte

subjektive Rechte: gegeben, wenn man laut Rechtsordnung die Möglichkeit hat ein

bestimmtes Recht gegenüber anderen oder der Behörde durchzusetzen,

am Verfahren teilzunehmen & den Gang zu beeinflussen

Rechte der Parteien: - Parteigehör

- Akteneinsicht

- Ablehnung von Sachverständigen

- Zustellung des Bescheids

- Erhebung von Rechtsmitteln

Partein im Betriebsanlageverfahren

Unternehmer: Derjenige der eine Betriebsanlage errichten & betreiben will ⇒ Partei ⇒ erfüllt

Anlage alle gesetzlichen Vorraussetzungen ⇒ Bewilligung

Nachbarn: jene Personen, die durch die Errichtung, Bestand & Betrieb einer Anlage

gefährdet, belästigt oder deren Eigentum gefährdet werden könnte ⇒ Partei

Subjektives Recht auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit von Belästigung &

Schutz ihres Eigentums.

Nachbarn sind unter anderem auch Inhaber oder Halter von Beherbergungsbetrieben,

Krankenanstalten, Schulen. Behörde ⇒ Vertretung des öffentlichen Interesses

II. Die Zuständigkeit

Entscheidet eine Behörde ohne Zuständigkeit ist die Entscheidung gesetzwidrig ⇒ kann

bekämpft werden ⇒ Zuständigkeit ergibt sich aus Materiengesetz, AVG, EGVG

Zuständigkeit im Betriebsanlagenverfahren

erste Instanz: Bezirksverwaltungsbehörde (Bezirkshauptmann) ⇒ in Städten der

Bürgermeister bzw. der Magistrat

zweite Instanz: Unabhängige Verwaltungssenat

III. Das Verfahren

1.) Einleitung eines Verfahrens

⇒ Verfahren, die eine Partei begünstigen sollen, muss von dieser eingeleitet werden.

⇒ Verfahren zum Schutz des öffentlichen Interesses werden von der Behörde selbst

eingeleitet (amtswegig)

Parteien können sämtliche Wege der modernen Kommunikation nutzen ⇒ Hat die Partei

keinen berufsmäßigen Vertreter im Verfahren werden die nötigen Anleitungen von der

Behörde an die Partei gegeben

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2.) Ermittlungsverfahren

Unparteilichkeit: Das Gesetz garantiert die Unparteilichkeit der Behörde ⇒ Verfahren soll fair

ablaufen ⇒ Behördenvertreter können von Parteien abgelehnt werden

Grundsätze des Verfahrens

Der Entscheidung geht ein Vermittlungsverfahren voraus ⇒ Behörde ermittelt den

maßgeblichen Sachverhalt um eine Entscheidung zu fällen ⇒ Im Verfahren legen alle

Parteien ihren rechtlichen Standpunkt fest

Offizialmaxime & Grundsatz der materiellen Wahrheit

- Behörde muss von amt wegen den wahren Sachverhalt feststellen ⇒ muss sich über

Situation im Klaren sein

Grundsatz der arbiträren Ordnung

- Die Behörde bestimmt den Gang des Verfahrens ⇒ Zu Berücksichtigen ist, dass alle

Parteien das Recht am

haben am Verfahren teilzunehmen (Parteienöffentlichkeit)

Grundsatz der Beweiswürdigung

- Behörde würdigt Beweise nach freier Überzeugung ⇒ Beweismittel sind alles was zur

Feststellung des

maßgeblichen Sachverhaltes geeignet ist (Urkunden etc.)

Recht auf Parteiengehör

- Behörde muss den Parteien die Möglichkeit geben alles einzubringen was deren

Rechtsstandpunkt stützt

Effizienzprinzip

- Das Verfahrens soll zweckmäßig, rasch, einfach & kostengünstig ablaufen ohne Rechte der

Parteien zu kürzen

3.) Die Erledigung des Verfahrens

Bescheide sind auf Grund eines Verfahrens, individuelle & konkrete Regelungen, einer

Verwaltungsbehörde, die sich ihrem Inhalt an die Rechtunterworfenen richten.

Verordnungen einer Behörde, privatrechtliche Verträge und Akte unmittelbarer

verwaltungsbehördlicher Befehls- & Zwangsgewalt gelten nicht als Bescheide.

Wird bei der Erlassung eines Bescheids schwerwiegend gegen die Rechtsvorschriften

verstoßen, wird dieser als nicht gültig erklärt. Um einen Bescheid zu erlassen muss die dafür

verantwortliche Stelle mindestens Behördenqualität aufweisen.

Mindestanforderungen: - Behördenqualität der bescheiderlassenden Stelle

- Bezeichnung der bescheiderlassenden Stelle

- Bezeichnung des Adressaten

- Spruch (Inhalt)

- Unterschrift bzw. Feststellbarkeit des Genehmigenden

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Meistervorschriften: - Begründung der behördlichen Erscheinung

- Belehrung über Möglichkeit zur Erhebung von Rechtsmitteln

- Einhaltung der materiellen Verwaltungsvorschriften

Bei allen anderen Verstößen gegen dir Rechtsordnung wird der Bescheid als gültig erlassen,

kann jedoch aufgrund eines Rechtsmittels abgeändert oder aufgehoben werden

Bescheidsarten: - Leistungsbescheide (z.B.: Strafbescheid)

- Rechtsgestaltungsbescheide (z.B.: Baugenehmigung)

- Feststellungsbescheide (Feststellung: Bagatell- oder Normalanlage)

Erlassung eines Bescheids

Bescheide sind das Ergebnis der Anwendung eines Gesetz oder einer Verordnung auf einen

Sachverhalt durch eine Behörde (Legalitätsprinzip) ⇒ bei Entscheidungsfindung

Ermessensspielraum für die Behörde möglich

Ein Bescheid gilt als erlassen wenn er „mündlich“ verkündet wurde bzw. an die Adressaten

zugestellt wurde.

Rechtskräftigkeit eines Bescheids & Bedeutung

Rechtskraft bedeutet Unabänderlichkeit des Bescheides (ab gewissen Zeitpunkt) ⇒ Formell

ist ein Bescheid rechtskräftig, wenn er nicht mehr mit ordentlichen Rechtmitteln (Berufung)

bekämpft werden kann. Mit der formellen Rechtskraft tritt die materielle Rechtkraft ein.

Formelle Rechtskraft : - Ablauf der Berufungsfrist

- Entscheidung der letzten Berufungsinstanz

- Rechtsmittelverzicht

- Zurückziehung eines eingebrachten ordentlichen Rechtmittels

Materielle Rechtskraft: - Unwiderrufbarkeit

- Unwiederholbarkeit

- Verbindlichkeit

Ablauf des Betriebsanlagenbewilligungsverfahren

Der Unternehmer leitet das Verfahren mit der Einbringung des Ansuchens auf Erteilung zur

Bewilligung zur Errichtung & Betrieb der Anlage bei der zuständigen Behörde ein. Es sind

alle für die Bewertung des Sachverhalts relevanten Unterlagen beizufügen (Pläne, Skizzen

etc.)

Das Ermittlungsverfahren

Die Behörde prüft, ob die gesetzlichen Vorraussetzungen für das der Erteilen der Bewilligung

erfüllt sind und ob die Schutzinteressen der GewO berührt werden.

Augenscheinverfahren

Ist das wichtigstes Mittel zur Feststellung der Wahrheit und wird mündlich am Ort der zu

errichtenden Betriebsanlage vollzogen. Die Behörde soll durch unmittelbare Wahrnehmung

Informationen über tatsächliche Vorgänge oder Gegebenheiten verschaffen. Die Parteien

haben die Gelegenheit Stellung zum Projekt zu nehmen

Parteistellung der Nachbarn

Die Nachbarn erhalten die Möglichkeit Einwendungen gegen die Betriebsanlage anzuzeigen.

Einwendungen müssen prinzipiell rechtzeitig (bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung)

& rechtserheblich (Einwendung muss sich auf subjektives Recht beziehen) sein sonst verliert

der Nachbar seine Stellung als Partei ⇒ keine Akteneinsicht mehr ⇒ kein Rechtmittel

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Vereinfachte Verfahren bei Bagatellanlagen

Wenn keine Gefährdungen & Belästigungen nur gering oder gar nicht auftreten ⇒ Nachbar

hat keine Parteistellung ⇒ Behörde ist zum Schutz des öffentlichen Interesses berufen ⇒

Nachbar hat jedoch Mitspracherecht bei der Entscheidung, ob es sich um eine

Bagatellanlage handelt ⇒ Bewilligungskriterien wie bei einer Normalanlage

Verfahren in Bausachen

Jenes Verfahren verläuft ähnlich wie das Betriebsanlagenverfahren. Es kommt ebenfalls zu

einer Augenscheinverhandlung bei der die Nachbarn Einwendungen einbringen können. Sie

haben subjektives Recht auf Einhaltung der Abstandsregeln etc.

Die Erledigung durch die Behörde

Die Behörde entscheidet & erlässt einen Bescheid der die Anlage entweder bewilligt oder

verbietet. Der Weg der Entscheidung kann als Konsens der Nachbarn, Gewerbetreibenden &

Behörde geschehen (in der Regel)

Auflagen

sind Nebenbestandteil des Bescheides und sind verpflichtend. Werden trotz Einhaltung der

Auflagen die Interessen der GewO verletzt, ist die Behörde verpflichtet zusätzliche bzw.

andere Auflagen vorzuschreiben

Genehmigung von Abweichungen vom Bewilligungsbescheid

Die Errichtung und der Betrieb der Anlage muss nach dem Bewilligungsbescheid erfolgen,

kann jedoch auf Antrag bescheidmäßig Abweichungen enthalten

Besondere Wirkung des Bewilligungsbescheides im Anlageverfahren

Der Bewilligungsbescheid hat dringliche Wirkung. Der Bescheid hängt an der Anlage und

nicht am Unternehmer.

Zustellung & Firsten

Der Bescheid muss allen am Verfahren beteiligten Partei zugestellt werden sonst hat er

keine Rechtskraft. Ab dem Datum der Zustellung beginnt die Firsten zur Erhebung von

Rechtsmittel

IV. Rechtsmittel

Mit Hilfe eines Rechtsmittels besteht die Möglichkeit die Entscheidung einer Behörde von

einer übergeordneten Behörde auf Richtigkeit überprüfen zu lassen. Das Rechtsmittel ist

somit wichtiges Element des Rechtstaates.

Instanzenzug: Reihenfolge der Instanzen im ordentlichen Rechtsmittelverfahren

1.) Ordentliches Rechtsmittel: die Berufung

Jede Partei kann Berufung erheben und somit alle Elemente des Spruchs eines Bescheides

anfechten. Die Berufung ist bei der Behörde einzubringen und hat aufschiebende Wirkung. In

erster Instanz besteht für die Behörde die Möglichkeit den Bescheid selbst zu überprüfen

und gegebenenfalls zu korrigieren (Berufungsvorentscheidung).

Wird keine Vorentscheidung gefällt leitet die Behörde erster Instanz die Berufung weiter ⇒

Berufungsbehörde ⇒ mehrere Möglichkeiten

- Behörde hebt den Bescheid wegen mangelnder Sachverhaltermittlung auf verweist die

Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung & Erlassung eines neuen Bescheides an die

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 12 v. 38

Unterinstanz zurück

- Die Berufungsbehörde entscheidet in der Sache selbst &

a.) bestätigt den Bescheid

b.) der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben & die

Behörde entscheidet selbst

c.) Behörde hebt den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf

Ist der Unabhängige Verwaltungssenat Berufungsbehörde, dann hat dieser in der Sache zu

entscheiden, wenn die Behörde erster Instanz dem nicht widerspricht

2.) Außerordentliche Rechtmittel & Rechtsbehelfe

Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

Partei war durch unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert & deshalb

Frist versäumt bzw. Handlung nicht gesetzt

Antrag auf Wiederaufnahme

Obwohl eine rechtkräftige Entscheidung vorliegt kann aufgrund falscher Zeugnisse,

Urkunden, strafbarer Handlungen oder neuer Tatsachen, Beweismittel die Verhandlung neu

aufgenommen werden.

Devolutionsantrag bzw. Säumnisbeschwerde

Wenn binnen 6 Monaten keine Entscheidung der Behörde getroffen wird, steht der

Devolutionsantrag als Mittel gegen die Untätigkeit der Behörde zu Verfügung. Dieses

Rechtsmittel richtet sich an die Oberbehörde, welche auch die Entscheidung fällt. Kommt die

Oberbehörde bzw. der USV der Säumnisbeschwerde nicht nach ⇒ Beschwerde beim

Verwaltungsgerichthof

Beschwerde beim Verwaltungsgerichthof

Der Verwaltungsgerichthof soll Gesetzwidrigkeiten bei Bescheiden behandeln ⇒ bei

Erschöpfung des Instanzenzugs

Beschwerde beim Verfassungsgerichthof

kann bei einer Verfassungswidrigkeit eines Bescheides eingesetzt werden. Wenn dieser als

verfassungswidrig gilt, wird er aufgehoben

Lektion 4 (S.91-120)

Die Grundrechte der Wirtschaft

Grundrecht sind fundamentale Rechte, die für jeden Einzelnen gelten und im

Verfassungsrecht verankert sind.

Sie sind verankert in:

- Staatsgrundgesetz 1867 über die all. Rechte der Staatsbürgen

- europäischen Menschenrechtskonventionen

Ziel der Grundrechte ist es, Freiheitsraum gegenüber Eingriffen des Staates zu sichern. Sie

sollen zum einen als Abwehrfunktion gegen den Staat dienen und begründen zum anderen

Prinzipien und Wertentscheidungen, von denen sich der Staat bei der Erlassung von

Gesetzen zu leiten lassen hat. Der Staat jedoch auch die Pflicht für den Schutz der

Grundrechte zu sorgen.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 13 v. 38

Grundrechtsarten:

- liberale Grundrechte (Abwehrrechte)

- politische Grundrechte (Wahlrecht)

- soziale Grundrechte (kein Verfassungsrang)

Prinzipiell gelten sind die Grundrechte an die Vollziehung (Gerichte) & den Gesetzgeber

gerichtet.

Bindung der Gesetzgebung

Aufgrund ihres Verfassungsrangs ist die Gesetzgebung an die Grundrechte gebunden.

Jedoch wird sie durch den Gesetzesvorbehalt abgeschwächt. Diese Ermächtigen den

Gesetzgeber die Grundrechte näher auszugestalten und zu beschränken. Diese

Einschränkung sind jedoch nur unter ganz bestimmten Vorraussetzungen möglich. Das

Gesetz, welches in ein Grundrecht eingreift, muss gesetzmäßig sein. (z.B.: im Interesse der

nationalen Sicherheit.

Bindung der Verwaltung & Gerichtsbarkeit

Die verfassungsgesetzlichen Rechte binden die Verwaltungsbehörden & Gerichte an die

Grundrechte. Jeder behördliche Grundrechteingriff muss gesetzlich ermächtigt werden. Der

Staat ist an die Grundrechte gebunden wenn er als Träger von Privatrechten agiert.

Mittelbare Wirkung zwischen Privatpersonen

Die Grundrechte wirken über Gesetze (mittelbar) zwischen Privatpersonen, da diese nicht

aufgrund der Grundrechte unmittelbare Ansprüche gegenüber einer anderen Person haben.

Die Grundrechte schützen natürliche Personen und juristische Personen vor den

unverhältnismäßigen Eingriffen des Staates. Einige Grundrechte gelten für jedermann,

andere nur für Inländer. Aufgrund des Diskriminierungsverbotes durch die EU & die EWR

haben Personen der Mitgliedsstaaten Anspruch auf die für Inländer geltenden Grundrechte.

Der Verfassungsgerichthof überwacht die Einhaltung der Grundrechte. Er überwacht auch,

dass die Gesetze grundrechts- bzw. verfassungskonform sind. Urteile werden vom Obersten

Gerichtshof und EMRK-Rechte vom europäischen Gerichthof für Menschenrechte behandelt.

Die Wirtschaftsgrundrechte

I. Die Erwerbsfreiheit

Wen schützt die Erwerbsfreiheit

Jeder Staatsbürger kann unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben.

Jede inländische natürliche & juristische Person hat Recht auf freie Erwerbstätigkeit. (auch

EWR & EU Bürger). Geschützt ist jede selbstständige oder unselbstständige Tätigkeit, die

auf wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet ist. Der Schutz bezieht sich auf den Antritt und die

Ausübung.

Gesetzesvorbehalt

Die Erwerbsfreiheit steht unter einem so genannten Gesetzesvorbehalt und kann somit vom

Gesetzgeber beschränkt werden. Jedoch muss jede gesetzliche Beschränkung den

Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen und ist nur dann zulässig wenn ein öffentliches

Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, erforderlich & adäquat sind.

Beschränkungstypen

Je nach Eingriffsintensität bei Erwerbsfreiheitsbeschränkungen wird unterschieden zwischen

Objektive Zugangsbeschränkung: Schranken für den Zugang zu einer Erwerbstätigkeit, die

der

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 14 v. 38

Betroffene aus eigener Kraft nicht überwinden kann.

Subjektive Zugangsbeschränkung: Zugangsbeschränkungen, die in der Person des

Betroffenen liegen

und aus eigener Kraft überwindbar sind.

Ausübungsbeschränkung: Ausübungsschranken reglementieren die Ausübung einer

Erwerbszweigs

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

beinhaltet folgende Grundsätze:

- Öffentliches Interesse: Bestehen des öffentlichen Interesses (z.B.: Umweltschutz)

- Geeignetheit: Beschränkung muss zur Erreichung des öffentlichen Interesses geeignet

sein

- Erforderlichkeit: Das Gesetz muss wirklich erforderlich sein

- Adäquanz: zwischen dem öffentlichen Interesse & der durch den Eingriff verkürzten

Grundrechtsposition muss eine angemessene Relation stehen

Bindung der Vollziehung

Auch Bescheide & Urteile können die Erwerbsfreiheit verletzten, wenn sie in das Grundrecht

in wesentlicher Weise eingreifen.

Dies ist der Fall wenn: - wenn der Bescheid ohne gesetzliche Grundlage erlassen wird

- wenn ein verfassungswidriges Gesetz Grundlage für einen

Bescheid ist

- verfassungswidrige Auslegung eines Gesetzes durch Behörde

II. Die Eigentumsfreiheit

Schutzbereich

Die österreichische Verfassung schützt das Eigentum von Wirtschaftstreibenden.

Enteignungen können nur durchgeführt werden, wenn sie durch das Gesetz festgelegt sind.

Auf die Eigentumsfreiheit kann sich jedermann beziehen und schützt alle vermögenswerten

Rechte, die auf eigener Leistung beruhen. Auch öffentlich-rechtliche Ansprüche Können in

den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit fallen. (z.B.: Anspruch auf Notstandshilfe)

Bindung der Gesetzgebung

Auch bei den Eigentumsrechten ist es dem Staat möglich Beschränkungen vorzunehmen.

Unter bestimmten Vorraussetzungen kann der Staat in die Eigentumsfreiheit eingreifen unter

Beachtung der Verhältnismäßigkeit.

Enteignung: wenn dem Eigentümer eine Sache oder ein Recht durch einen hoheitlichen Akt

entzogen wird und auf einen Anderen bzw. dem Staat übertragen wird

Vorraussetzung: - Es muss ein konkreter Bedarf vorliegen zur Deckung des öffentlichen

Interesses

- Das zu enteignende Objekt muss geeignet sein den Bedarf zu decken

- Es muss unmöglich sein den Bedarf anders zu decken

bloße Eigentumsbeschränkung: wenn das Eigentumsrecht nicht entzogen, sondern lediglich

die Ausübung des Eigentumsrechts beschränkt wird

Diese Einschränkungen können jedoch in ihrer Wirkung Enteignungen gleich kommen.

Genau so wie bei den Enteignungen muss die Verhältnismäßigkeitregel beachtet werden.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 15 v. 38

Bindung der Vollziehung

Auch die Vollzugsakte (Bescheide) müssen die Grundrechte beachten, können diese jedoch

auch verletzten.

Entschädigungspflicht & Pflicht zur Rückübereignung

Im Gegensatz zu den bloßen Eigentumsbeschränkungen muss bei Enteignungen eine

angemessene Entschädigung geleistet werden. Wenn die enteignete Sache nicht innerhalb

einer angemessenen Frist dem vorgesehen Zweck zugeführt wird ⇒ Rückenteignung

III. Die Freiheit des Liegenschaftsverkehrs

Jede inländische natürliche oder juristische Person (auch EU & EWR-Mitgliedstaat) kann

Liegenschaften jeder Art erwerben und über diese frei verfügen. Der Staat darf unter

Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in das Grundrecht des

Liegenschaftsverkehrsfreiheit eingreifen.

IV. Der Gleichheitssatz

Der Gleichheitssatz besagt, dass alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind und

Vorrechte der Geburt, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses ausgeschlossen

sind. Der Gleichheitssatz schützt inländische natürliche & juristische Personen und zum Teil

auch ausländische Personen.

Bindung des Gesetzgebung

1.) Verbot, Gleiches unsachlicherweise ungleich zu regeln

Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz besteht darin, aus dem Grund von

Ungleichheiten (siehe oben) Differenzierungen vorzunehmen. Der Gesetzgeber ist

verpflichtet gleiche Sachverhalte rechtlich gleich zu behandeln

2.) Verbot, Ungleiches unsachlicherweise gleich zu regeln

Der Gleichheitssatz verbietet es dem Gesetzgeber aber auch, Ungleiches unsachlicherweise

gleich zu behandeln.

3.) Allgemeines Sachlichkeitsgebot

Allgemeine Sachlichkeitsgebot besagt, dass jeder staatliche Rechtsakt gerechtfertigt sein

muss.

4.) Vertrauensschutz

Der Gesetzgeber darf nicht ohne sachliche Rechtfertigung Gesetze rückwirkend in Kraft

setzen und auch nicht in die wohlerworbene Anwartschaft eingreifen, indem er gebührende

Leistungen von heute auf morgen gravierend kürzt oder streicht.

Somit darf der Gesetzgeber nicht ohne sachliche Rechtfertigung in das schutzwürdige

Vertrauen der Bürger in die Rechtlage überfallsartig oder gar rückwirkend in

schwerwiegender Weise eingreifen.

Der Gleichheitssatz bindet auch Gerichte und Verwaltungsbehörden und verbietet ihnen ein

willkürliches Handeln.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 16 v. 38

Lektion 5 (S.123-161)

Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes

Als Mitglied der Europäischen Union nimmt Österreich am europäischen Binnenmarkt teil.

Dieser umfasst nach Artikel 14 des Vertrages zur Gründung der EG einen Raum ohne

Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital

gewährleistet ist.

Die Grundfreiheiten des Binnenmarkts sind:

• Warenverkehrsfreiheit

• Dienstleistungsfreiheit

• Niederlassungsfreiheit

• Arbeitnehmerfreizügigkeit

• Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit

Aus ökonomischer Sicht dient die Gewährleistung der Grundfreiheiten der optimalen

Allokation von wirtschaftlichen Ressourcen. Die Grundfreiheiten verleihen dem einzelnen

Bürger subjektive Rechte, die er vor den nationalen Behörden durchsetzen kann. Sie

begleiten allerdings Waren, Kapital, Dienstleistungen und Personen nur beim und nach dem

Grenzübertritt von einem Mitgliedsstaat in den anderen. Reine Inlandssachverhalte werden

von den Grundfreiheiten nicht geschützt (kann zur Inländer- bzw.

Inlandsmarktdiskriminierung führen).

Wovor schützen die Grundfreiheiten?

Diskriminierungsverbot

Die Grundfreiheiten begleiten Waren, Personen und Dienstleistungen beim und nach dem

Grenzübertritt von einem Mitgliedsstaat in den anderen und schützen dabei vor

Benachteiligung gegenüber inländischen Personen und Waren. Die Grundfreiheiten

verbieten also Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit (=

Inländergleichbehandlungsgebot).

Eine ausdrückliche Diskriminierung liegt dann vor, wenn eine nationale Regelung schon vom

Wortlaut her zu Lasten von Ausländern geht. Aber auch versteckte Diskriminierungen sind

gesetzlich verboten.

Die Grundfreiheiten verbieten nicht jede Diskriminierung schlechthin. So können

Diskriminierungen zum Beispiel aus gründen öffentlicher Ordnung, Sicherheit oder

Gesundheit erlaubt sein.

Beschränkungsverbot

Der europäische Gerichtshof hat die Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten zu

Beschränkungsverboten weiterentwickelt. Das Beschränkungsverbot fordert, dass sich auch

nicht diskriminierende nationale Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem

gemeinschaftsrecht rechtfertigen lassen müssen. Die Grundfreiheiten verbieten allerdings

Beschränkungen nicht schlechthin. Ausnahmsweise können Beschränkungen aus

zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und damit erlaubt sein. Diese

nationalen Beschränkungen müssen gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, widrigenfalls

verletzen sie die Grundfreiheiten.

Exkurs: Rechtsangleichung („Harmonisierung“)

Die aus zwingenden Gründen des Algemeininteresses gerechtfertigten und

verhältnismäßigen Beschränkungen der Grundfreiheiten können von Mitgliedsstaat zu

Mitgliedsstaat verschieden sein. Solche unterschiedlichen – wenngleich gerechtfertigten und

damit aus sicht der Grundfreiheiten erlaubten – Standards der Mitgliedsstaaten können

ihrerseits den freien Waren- und Personenverkehr innerhalb der EU beeinträchtigen.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 17 v. 38

Das gemeinschaftsrecht räumt daher dem EG-Gesetzgeber die Möglichkeit ein,

Rechtsangleichsmaßnahmen (= Harmonisierungsvorschriften) zu erlassen. Es handelt sich

dabei um Richtlinien oder Verordnungen, die die von Mitgliedsstaat zu Mitgliedsstaat

differierenden Rechtsvorschriften inhaltlich aneinander angleichen, so dass dann im

Ergebnis in jedem Mitgliedsstaat im Wesentlichen die gleiche Rechtslage gilt.

Harmonisierungsvorschriften finden sich z.B. beim Gesundheitsschutz, Konsumentenschutz,

Umweltschutz,...

Warenverkehrsfreiheit

Der Schutzbereich im Überblick

Die Warenverkehrsfreiheit schützt den ungehinderten Grenzübertritt von

Gemeinschaftswaren innerhalb des Binnenmarktes. Waren sind körperliche Gegenstände,

die einen Geldwert haben. Gemeinschaftswaren sind alle Waren die aus Mitgliedsstaaten

kommen sowie diejenigen Waren die aus Nicht-Mitgliedsstaaten kommen, für die die Einfuhr-

Formalitäten bei der Einfuhr in einen Mitgliedsstaat erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle

eingehoben sind.

Der EGV enthält mehrere Bestimmungen, die den freien Warenverkehr im Binnenmarkt

sicherstellen sollen. Ziel dabei ist die Sicherung eines freien Wettbewerbs zwischen den

Gütern der verschiedenen Mitgliedsstaaten, der nicht durch nationale Vorschriften

beeinträchtigt oder verzerrt werden darf. So ist vorgesehen, dass:

• Gemeinschaft eine Zollunion ist

• Mengenmäßige Ein-, aus- und Durchfuhrbeschränkungen grundsätzlich verboten sind

• Staatliche Handelsmonopole so umzuformen sind, dass jede Diskriminierung in den

Versorgungs- und Absatzbedingungen zwischen Angehörigen der Mitgliedsstaaten

ausgeschlossen sind

• Steuerliche Begünstigungen inländischer Waren verboten sind.

Zollunion

Zwischen den EG-Mitgliedsstaaten darf kein Zoll eingehoben werden. Gegenüber Nicht-

Mitgliedsstaaten der EG gibt es einen einheitlichen Außenzoll.

Die Beseitigung mengenmäßiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen

gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten

Verpflichtung der Mitgliedsstaaten

Nach Art 28 und 29 EGV sind mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen zwischen

den Mitgliedstaaten verboten. Verboten sind aber nicht nur mengenmäßige Ein- und

Ausfuhrbeschränkungen, sondern auch Maßnahmen, die die gleiche Wirkung wie

mengenmäßige Beschränkungen haben („Dassonville-Formel“: jede Handelsregelung, die

geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder

potentiell zu behindern, ist eine Maßnahme kontingentgleicher Wirkung)

Eingeschränkt wurde dieses sehr weite Verständnis der Warenverkehrsfreiheit durch das

„Keck“-Urteil. Der EuGH vertrat dabei die Auffassung, dass Regelungen, die bestimmte

Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten keine Maßnahmen kontingentgleicher

Wirkung sind, sofern diese Bestimmungen für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre

Tätigkeit im betreffenden Mitgliedsstaat ausüben, und sofern diese Bestimmungen den

Absatz inländischer Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten

rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. (Ausnahme gilt nur für

produktbezogenen Regelungen, diese können Maßnahmen kontingentgleicher Wirkung sein)

Hervorzuheben ist, dass nach der Rechtssprechung des EuGH vertriebsbezogenen

Regelungen sehr wohl dann Maßnahmen kontingentgleicher Wirkung sind, wenn sie

geeignet sind, den Marktzugang für Erzeugnisse aus einem anderen Mitgliedsstaat zu

versperren oder stärker zu behindern, als sie dies für inländische Erzeugnisse tun.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 18 v. 38

Ausnahmen und Rechtfertigungsansprüche

Die Warenverkehrsfreiheit verbietet Kontingentierungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung

nicht schlechthin. Rechtfertigungsgründe nach Art 30 EGV:

• Öffentliche Sittlichkeit

• Ordnung und Sicherheit

• Gesundheitsschutz

• Kulturgüterschutz

• Gewerblicher Eigentumsschutz

Voraussetzung ist allerdings, dass die betreffende Maßnahme auch stets verhältnismäßig ist.

Entsprechendes gilt auch für auf in- und ausländische Waren unterschiedslos anwendbare

Maßnahmen, die den freien Warenverkehr beeinträchtigen können. Laut EuGH gibt es

sogenannte „Cassis-Schutzgüter“: zwingende Erfordernisse wie z.B. Verbraucherschutz,

Umweltschutz, Schutz der Medienvielfalt,... Es muss ein Zweck verfolgt werden, der im

Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht. Das

Verhältnismäßigkeitgebot muss dabei beachtet werden. (Ausnahme: der betreffende Bereich

wurde bereits abschließend durch Richtlinien oder Verordnungen harmonisiert)

Arbeitnehmerfreizügigkeit

Schutzbereich

Bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit geht es darum, den Staatsangehörigen der EU-Mitglied-

staaten die Wahl ihres Arbeitsplatzes im gesamten Gebiet der EU zu ermöglichen. Gemäß

Art 39 EGV in Verbindung mit der Arbeitnehmerfreizügigkeitsverordnung 1612/68/EWG hat

jeder Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates das Recht, in einem anderen EU-Mitglied-

staat eine unselbständige wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen und auszuüben

(Wanderarbeitnehmer).

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gewährt ein Recht auf:

• Einreise in einem anderen Mitgliedstaat

• Stellensuche

• Aufnahme und Ausübung einer unselbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit

• Wohnungssuche

• Aufenthalt

• Verbleib

Auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit können sich berufen:

• Staatsbürger eines EU-Mitgliedstaates

• Staatsbürger eines EWR-Mitgliedstaates (EU-Raum, Island, Norwegen, Liechtenstein)

• Angehörige des Wanderarbeitnehmers, auch wenn sie nicht EU-/EWR-Bürger sind

• Durch das Assoziationsabkommen wurde auch mit der Türkei Arbeitnehmerfreizügigkeit

vereinbart, mit der Einschränkung, dass die Mitgliedstaaten über die Erstzulassung von

türkischen Staatsangehörigen frei entscheiden können

Ausnahmen vom Schutzbereich

• Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung (z.B. Polizei, Justiz, Armee,...)

Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot

Das Diskriminierungsverbot der Arbeitnehmerfreizügigkeit richtet sich auch an den privaten

Arbeitgeber. Das heißt, dass auch alle Bestimmungen in kollektiv- und

Einzelarbeitsverträgen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Entlohnung und sonstige

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 19 v. 38

Arbeits- und Kündigungsbedingungen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten

diskriminieren, grundsätzlich verboten sind.

Niederlassungsfreiheit

Was für Arbeiter und Angestellte gilt, gilt auch für Selbständige. Auch sie können innerhalb

des Binnenmarktes erwerbstätig sein, wo sie wollen. (Ausnahme: Ausübung öffentlicher

Gewalt)

Die Niederlassungsfreiheit schützt Unionsbürger und EWR-zugehörige Personen, die in

einem anderen Mitgliedstaat unternehmerisch tätig sein wollen. Sie schützt des weiteren vor

Diskriminierungen und Beschränkungen der freien Standortwahl und dadurch auch in

gewissem Maß den Erhalt der bisherigen Rechtsfähigkeit.

Diskriminierungen können aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder

Gesundheit gerechtfertigt sein. Dies gilt auch für nicht diskriminierende Beschränkungen

unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

Dienstleistungsfreiheit

Bei der Dienstleistungsfreiheit geht es um selbständige vorübergehende Tätigkeiten, die

gegen Entgelt erbracht werden und ein grenzüberschreitendes Element aufweisen. Die

Dienstleistungsfreiheit kommt allerdings erst dann zum Tragen, wenn die betreffende

Tätigkeit nicht schon den Vorschriften über die anderen Grundfreiheiten unterliegt. Die

Dienstleistungsfreiheit ist insoweit eine „Auffang“-Grundfreiheit.

Das „grenzüberschreitende Element“ kann auf verschiedene Weise verwirklicht sein. Von

aktiver Dienstleistungsfreiheit wird dann gesprochen, wenn die Dienstleistung in einem

anderen Mitgliedstaat, nämlich in dem, in dem der Dienstleistungsempfänger ansässig ist,

erbracht wird. Unter die so genannte passive Dienstleistungsfreiheit fallen alle jene Fälle, in

denen sich der Leistungsempfänger zur Entgegennahme der Leistung in einen anderen

Mitgliedstaat begibt.

Weiters liegt grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr vor, wenn:

• Sich beide - Dienstleistungserbringer und –empfänger – in einen anderen Mitgliedstaat

begeben

• Nur die Dienstleistung die Grenze überschreitet

Von der Warenverkehrsfreiheit unterscheidet sich die Dienstleistungsfreiheit dadurch, dass

es bei der Warenverkehrsfreiheit um materielle, bei der Dienstleistungsfreiheit um

immaterielle Produkte geht.

Im Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit sind Diskriminierungen des Erbringers

oder Empfängers von Dienstleistungen verboten, es sei denn, sie lassen sich aus Gründen

der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit – unter Berücksichtigung des Ver-

hältnismäßigkeitsgrundsatzes – rechtfertigen. Verboten sind auch alle nicht

diskriminierenden Beschränkungen, die sich nicht aus zwingenden Gründen des

Allgemeininteresses rechtfertigen lassen und/oder nicht verhältnismäßig sind.

Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit

Der EG-Vertrag sieht vor, dass grundsätzlich alle Beschränkungen des Kapital- und des

Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch zwischen den Mitgliedstaaten

und Drittstaaten verboten sind. Es soll dadurch ein europäischer Finanzraum geschaffen

werden, in dem alle Marktteilnehmer zu den gleichen Bedingungen ihre Kapital- und

Zahlungstransaktionen tätigen können.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 20 v. 38

Die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit verbietet Diskriminierungen und Beschränkungen

nicht schlechthin. So darf ein Mitgliedstaat steuerrechtlich zwischen Personen mit

unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort differenzieren oder unerlässliche

Maßnahmen zur Vermeidung finanzrechtlicher Vergehen oder zur Wahrung der öffentlichen

Ordnung und Sicherheit ergreifen. Die betreffenden Maßnahmen müssen allerdings

verhältnismäßig sein.

Lektion 6 (S.163-S.189)

Europäisches Wettbewerbsrecht

Warum gibt es überhaupt Wettbewerbsregeln?

Ziel der EG ist es, einen Gemeinsamen Markt und eine Wirtschafts- und Währungsunion zu

errichten. (Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb)

Die Wettbewerbsbestimmungen des EGV richten sich dementsprechend nicht nur an den

Staat, sondern auch an die privaten Unternehmen. Denn auch sie können den Wettbewerb

innerhalb der EG beschränken. (z.B. Kartellbildung)

Die Wettbewerbsregeln des EGV verfolgen daher folgende Zielsetzungen:

• Der Wettbewerb soll als das grundlegende Ordnungsprinzip der Wirtschaft gegen

Beschränkungen und Verfälschungen geschützt werden.

• Von privater Seite sollen keine Schranken für den Waren- und Dienstleistungsverkehr

innerhalb der EG errichtet werden.

Das Kartellverbot, das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden

Stellung und die Fusionskontrollvorschriften richten sich gegen Beschränkungen des

Wettbewerbsprinzips durch private Unternehmen. Überwacht wird die Einhaltung der

europäischen Wettbewerbsregeln insbesondere durch die europäische Kommission, die in

Österreich von der Bundeswettbewerbsbehörde unterstützt wird.

Die einzelnen Mitgliedstaaten haben auch eigene Kartellrechtsvorschriften. Sind sowohl

nationales und europäisches Wettbewerbsrecht anwendbar, so geht im Falle eines

Widerspruchs das europäische Wettbewerbsrecht vor.

Das Kartellverbot

Was ist ein Kartell und warum ist es verboten?

Kartelle werden von Unternehmen deshalb gebildet, um den Wettbewerb auszuschalten oder

zumindest zu minimieren und damit den Ertrag zu steigern. Der EGV versteht unter einem

Kartell:

• Eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen

• Die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen

und eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt

Nach Art 81 EGV sind Kartelle verboten. Sie beeinträchtigen den freien Wettbewerb im

Binnenmarkt der EG.

Die Kartellmerkmale

Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen

Das Kartellverbot erfasst nicht nur Verträge zwischen Unternehmen, sondern auch

abgestimmte Verhaltensweisen zwischen ihnen.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 21 v. 38

Horizontale Vereinbarungen

Horizontale Vereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen derselben

Wirtschaftsstufe (z.B. Preisabsprachen zwischen Produzenten oder Händlern).

Vertikale Vereinbarungen

Vertikale Absprachen sind Vereinbarungen zwischen Unternehmen unterschiedlicher

Wirtschaftsstufe (z.B. Preisvereinbarungen zwischen dem Produzenten und den Händlern,

die seine Produkte an die Konsumenten verkaufen. Produzent, nicht Händler, setzt Preise

fest.)

Spürbare Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und Bezweckung

oder Bewirkung einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung

Absprachen zwischen Unternehmern sind dann verboten, wenn sie sich spürbar auf den

innergemeinschaftlichen Wirtschaftsverkehr auswirken und eine spürbare Beschränkung

oder Verfälschung des Wettbewerbs am relevanten Markt bewirken. Ab wann das der Fall

ist, hat die Kommission in der so genannten Bagatell-Bekanntmachung näher definiert.

Nicht dem Kartellverbot unterliegen Absprachen innerhalb eines Konzerns (da keine

wirtschaftliche Selbständigkeit der Tochtergesellschaften vorhanden ist).

Kartellvereinbarungen sind ungültig (Art 81 Abs. 2 EGV)

Verbotenen Kartellabsprachen sind nichtig, das heißt ungültig. Sie müssen

dementsprechend nicht erfüllt werden und ihre Einhaltung kann nicht eingeklagt werden.

Ausnahmen von Kartellverboten (Art 81 Abs. 3 EGV)

Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Kommission Absprachen zwischen

Unternehmen vom Kartellverbot freistellen und damit erlauben. Folgende Voraussetzungen

müssen erfüllt sein:

• Verbesserung der Warenerzeugung oder –verteilung oder auch Beitrag zum

wirtschaftlichen oder technischen Fortschritt

• Angemessene Beteiligung der Verbraucher an den daraus resultierenden Vorteilen

• Keine Wettbewerbsbeschränkungen, die über das hinausgehen, was zur Erreichung des

Vertragszwecks erforderlich ist

• Funktionierender Wettbewerb auf dem von der Vereinbarung betroffenen Markt

Eine Freistellung vom Kartellverbot kann entweder durch Einzelfreistellungsentscheidungen

oder durch Gruppenfreistellungsverordnungen (GVO) der Europäischen Kommission

erfolgen.

Das Verfahren zur Abstellung von Kartellen und die Verhängung von Strafen

Die Kommission kann Unternehmen auffordern, Kartelle abzustellen. Sie kann auch

empfindliche Geldstrafen verhängen („Kronzeugenregelung“)

Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

Allgemeines

Unternehmen, die den Markt beherrschen, dürfen ihre marktbeherrschende Stellung nicht

missbräuchlich ausnutzen, da dies den Wettbewerb beeinträchtigt (§ 82 EGV).

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 22 v. 38

Was ist der relevante Markt?

In der „Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des

Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft“ erläutert die Kommission, was unter sachlich und

örtlich relevantem Markt zu verstehen ist. (auch für die Fusionskontrolle von Bedeutung)

Der sachlich relevante Markt (=Produktmarkt)

Bei der Festlegung des sachlich relevanten Markts kommt es auf die Substituierbarkeit

(=Austauschbarkeit) des betreffenden Produkts aus der Sicht der Marktgegenseite

(Abnehmer/Konsument) an. Wichtige Indikatoren sind dabei die Preislage, die Qualität,

technische Merkmale und die Kreuzpreiselastizität.

Der örtlich relevante Markt

Bei der räumlichen Marktabgrenzung geht es um die Bestimmung jeder im Produktmarkt

auftretenden Unternehmen, die nach räumlich/geographischen Gesichtspunkten als

alternative Bezugsquellen der Abnehmer bzw. als Konkurrenten des möglichen

Marktbeherrschers angesehen werden können. Die Kommission definiert den örtlich

relevanten Markt als das Gebiet, in dem die beteiligten Unternehmen die relevanten

Produkte und Dienstleistungen anbieten, in dem die Wettbewerbsbedingungen hinreichend

homogen sind und das sich von den benachbarten Gebieten durch spürbar unterschiedliche

Wettbewerbsbedingungen unterscheidet.

Der örtliche Markt muss – um europarechtlich relevant zu sein – den Gemeinsamen Markt

oder einen wesentlichen Teil davon umfassen. (auch wichtige Flug- und Seehäfen)

Wann liegt eine marktbeherrschende Stellung vor?

Auf dem sachlich oder örtlich relevanten Markt hat ein Unternehmer dann eine

beherrschende Stellung, wenn er in der Lage ist, die Aufrechterhaltung eines wirksamen

Wettbewerbs zu verhindern, indem er sich seinen Wettbewerbern, seinen Abnehmern und

letztlich auch den Verbrauchern gegenüber weitgehend unabhängig verhalten kann. (keinem

nennenswerten Wettbewerb ausgesetzt)

Bei einem Marktanteil von über 80 % am sachlich und örtlich relevanten Markt kann von

Marktbeherrschung ausgegangen werden. (kann aber auch schon bei 40 % vorliegen)

Wann liegt ein Missbrauch vor?

Das Gemeinschaftsrecht verbietet nicht die marktbeherrschende Stellung als solche,

sondern deren missbräuchliche Ausnutzung. Ein solcher Missbrauch liegt dann vor, wenn

das Verhalten des Marktbeherrschers am Markt von den Mitteln eines normalen Produkt-

oder Leistungswettbewerbs abweicht.

Man unterscheidet:

• Behinderungsmissbrauch: marktbeherrschendes Unternehmen richtet seine Marktmacht

direkt gegen die Mitwerber

• Ausbeutungsmissbrauch: marktbeherrschendes Unternehmen nützt die Abhängigkeit

seiner Marktpartner aus, um geschäftliche Vorteile zu erzwingen

Das Verfahren zur Abstellung des Missbrauchs und die Verhängung von Strafen

Die Kommission überwacht die Einhaltung des Verbots des Missbrauchs

marktbeherrschender Stellung. Stellt die Kommission einen Missbrauch der

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 23 v. 38

marktbeherrschenden Stellung fest, so trägt sie dem Marktbeherrscher auf, den Missbrauch

abzustellen. (Geldstrafen)

Fusionskontrolle

Allgemeines

Auch Unternehmenszusammenschlüsse können den freien Wettbewerb beeinträchtigen. Ziel

der Fusionskontrolle ist es zu verhindern, dass durch den Zusammenschluss zweier oder

mehrerer Unternehmen eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt und

dadurch der Wettbewerb beeinträchtigt wird.

Arten von Unternehmenszusammenschlüssen

Ein Unternehmenszusammenschluss liegt in folgenden Fällen vor:

• Verschmelzung

• Kontrollerwerb

• Errichtung eines Gemeinschaftsunternehmens

Gemeinschaftsweite Bedeutung

Damit ein Zusammenschluss der Fusionskontrollverordnung unterliegt, muss er von

gemeinschaftsweiter Bedeutung sein, d.h. eine gewisse Größenordnung aufweisen.

(Umsatzschwellen)

Das Genehmigungsverfahren

Unternehmenszusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung müssen bei der

Kommission angemeldet werden. (Verpflichtungserklärungen)

Öffentliche Unternehmen und Wettbewerbsrecht

Siehe Lektion 7

Verbot staatlicher Beihilfen

Das grundsätzliche Beihilfeverbot (Art 87 Abs. 1 EGV)

Staatliche Beihilfen sind grundsätzlich verboten. Staatliche Beihilfen können nicht nur

finanzielle Zuwendungen sein, sondern auch Erleichterungen oder Befreiungen von staatlich

festgelegten Leistungspflichten (Steuerbefreiung,...) Auch sogenannte Quersubventionen

durch den Staat sind verboten. Werden generell Gelder an alle Wirtschaftstreibenden eines

Landes ausgeschüttet, handelt es sich nicht um eine Beihilfe, sondern um eine allgemeine

wirtschaftspolitische Maßnahme.

Ausnahmen vom Beihilfeverbot (Art 87 Abs. 2 und 3 EGV)

Welche Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, legt der EGV selbst bzw.

durch Genehmigungsermächtigungen an die Kommission fest.

Soziale Beihilfen an einzelne Verbraucher oder Beihilfen für Katastrophenfälle sind mit dem

Gemeinsamen Markt vereinbar. Ferner können von der Kommission folgende Beihilfen als vereinbar

erklärt werden:

• Förderung von wirtschaftlich unterentwickelten Gebieten

• Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 24 v. 38

• Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete

• Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse

• Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes

• Ausbildungsbeihilfen (laut Verordnung der Kommission)

• Deminimis-Beihilfen (weniger als Euro 100.000 in 3 Jahren)

Das Verfahren der Beihilfeaufsicht

1. Melde- und Genehmigungspflicht

Grundsätzlich müssen alle Beihilfen der Kommission gemeldet und von ihr genehmigt

werden.

2. Möglichkeit der Untersagung bestehender Beihilfen

Hinsichtlich bereits bestehender Beihilfen gilt ein anderes Kontrollsystem. Sie sind

solange zulässig, bis sie von der Kommission untersagt werden.

3. Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Kommission

Zuständig ist der Europäische Gerichtshof.

Lektion 7 (S.193-213)

Wie nimmt der Staat am Markt teil?

Der Staat tritt am Markt sowohl als Anbieter (öffentliche Unternehmen) als auch als

Nachfrager (Vergabe öffentlicher Aufträge) von Waren und Dienstleistungen auf.

Warum wird der Staat überhaupt wirtschaftlich tätig?

Ziele staatlicher Wirtschaftstätigkeit:

• Bedarfsdeckung: Der Staat benötigt Dienstleistungen und Güter, um die ihm obliegenden

Aufgaben erfüllen zu können (Bedarfsdeckung). Zu diesem Zweck wird er selbst wirt-

schaftlich tätig bzw. schafft eigene Gesellschaften, oder aber tritt am Markt als

Nachfrager auf.

• Versorgungssicherung: Sicherstellung von gemeinwirtschaftlichen Dienstleistungen die

im Allgemeininteresse liegen; dieses Ziel verfolgt der Staat auch im Elektrizitäts- und

Verkehrsbereich, ferner in den Bereichen Abfallentsorgung, Kultur, Sport und Rundfunk

• Erwerbswirtschaft: der Staat möchte durch die wirtschaftliche Tätigkeit Einnahmen

erzielen; verliert aber immer mehr an Bedeutung durch die „Privatisierungswellen“

Der Staat als Anbieter

Was sind öffentliche Unternehmen?

Öffentlich ist – laut Transparenzrichtlinie der EG – ein Unternehmen dann, wenn der Staat

auf Grund Eigentums, finanzieller Beteiligung oder sonstiger Bestimmungen, die die Tätigkeit

des Unternehmens regeln, unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss auf das

Unternehmen ausüben kann. (liegt vor, wenn Staat alleiniger Eigentümer ist oder über die

Mehrheit der Anteile verfügt)

Von einem Privatunternehmen unterscheiden sich öffentliche Unternehmen also dadurch,

dass der Staat dessen Geschäftsführung steuern kann.

Im Versorgung- und Bedarfsdeckungsbereich behält sich der Staat in der Regel mindestens

51 % der Gesellschaftsanteile und damit den beherrschenden Einfluss vor.

Erscheinungsform von öffentlichen Unternehmen

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 25 v. 38

• Einteilung nach der Rechtsform

Öffentliche Unternehmen können unterschiedlich organisiert sein. Mitunter sind sie als

Eigenunternehmen der Gebietskörperschaften organisiert, die keine eigene

Rechtspersönlichkeit besitzen und als Bundes-, Landes- oder Gemeindebetriebe tätig

sind. (Teil der allg. staatlichen Verwaltung)

Öffentliche Unternehmen können aber auch eigene Rechtsträger sein. Es handelt sich

dann vielfach um juristische Personen des Privatrechts (GmbH, AG,...). Steht eine

Gesellschaft zu 100 % im Eigentum einer Gebietskörperschaft, dann spricht man von

einer Eigengesellschaft.

Außerhalb der staatlichen Verwaltung kommen auch noch juristische Personen

öffentlichen Rechts in Betracht. (Anstalten, Stiftungen, Fonds)

• Einteilung nach Zielen

o Unternehmen der Versorgungswirtschaft: die Verwaltung der anteile des Bundes

an Unternehmen der Erwerbswirtschaft wird durch die Österreichische

Industrieholding AG (ÖIAG) wahrgenommen

o Unternehmen der Erwerbswirtschaft

o Unternehmen mit Regulierungsaufgaben: finden sich besonders in

Wirtschaftsbereichen, in denen der Staat im Rahmen ehemaliger Monopole nicht

nur die Erbringung der jew. Dienstleistung selbst, sondern auch die für die

Erbringung der Leistung unverzichtbaren Infrastruktureinrichtungen betrieben hat

Exkurs: Ausgliederung

Begriff und Ausgliederungsmotive

Von „Ausgliederung“ spricht man, wenn Aufgaben nicht mehr vom Verwaltungsapparat einer

Gebietskörperschaft wahrgenommen werden, sondern auf einen für die Aufgabenerfüllung

eigens geschaffenen, vom Staat kontrollierten Rechtsträger übertragen werden.

Wichtigste Motive für die Ausgliederung:

• Flexibilisierung von Entscheidungsprozessen auf Grund strafferer Führungsorganisation

• Verstärkte Möglichkeit wirtschaftlicher Geschäftsführung

• Entpolitisierung der Aufgabenfelder

• Budgetentlastung,...

Ausgliederungen werden mitunter auch als Privatisierungen bezeichnet. Bei der

Privatisierung geht es einerseits um die Übertragung von öffentlichem Eigentum auf Private,

wodurch sich Staatseinnahmen erzielen und damit Budgetdefizite abbauen lassen.

(Vermögensprivatisierung)

Andererseits geht es bei Privatisierungen um die Verringerung des Leistungsangebotes der

öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Unternehmen (Leistungsprivatisierung).

Innerhalb der Leistungsprivatisierung unterscheidet man zwischen:

• Organisationsprivatisierung (Verantwortung verbleibt grundsätzlich bei der betreffenden

Gebietskörperschaft) und

• Aufgabenprivatisierung (Aufgaben werden fortan von „echten“ Privaten besorgt)

Grenzen der Ausgliederung

Die Gebietskörperschaften dürfen NICHT nach völlig freiem Belieben ausgliedern. Vielmehr

gibt es verfassungsrechtliche Grenzen, die eingehalten werden müssen. So muss die Aus-

gliederung von öffentlichen Aufgaben insbesondere sachlich gerechtfertigt sein und dem

Effizienzgebot entsprechen.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 26 v. 38

Werden Private bzw. ausgegliederte Rechtsträger (z.B. Rundfunk und Telekom

Regulierungs-GmbH) mit hoheitlichen Aufgaben betraut („Beleihung“), dann müssen noch

weitere verfassungsrechtliche Schranken beachtet werden. Die Betrauung von ausge-

gliederten Rechtsträgern mit der Besorgung hoheitlich wahrzunehmender Aufgaben bedarf

einer gesetzlichen Grundlage. Es dürfen nur vereinzelte hoheitliche Aufgaben und keine

Kernbereiche der staatlichen Verwaltung (z.B. Polizei) ausgegliedert werden.

Public-Private-Partnership-Modelle

Der Staat arbeitet bei der Besorgung öffentlicher Aufgaben mitunter auch mit

Privatunternehmen zusammen. Insbesondere im Bereich der daseinsvorsorgenden

Leistungen des Staates haben sich so genannte Public-Private-Partnership-Modelle („PPP“)

entwickelt.

Unterliegen öffentliche Unternehmen dem europäischen Wettbewerbsrecht?

Allgemeines

Öffentliche Unternehmen genießen oft eine begünstigte Stellung. Das europäische Gemein-

schaftsrecht verbietet öffentliche und vom Staat privilegierte Unternehmen nicht. Es enthält

aber spezielle Regelungen im Bezug auf solche Unternehmen, die eingehalten werden

müssen.

Das Verbot nach Art 86 Abs. 1 EGV

Art 86 Abs. 1 EGV verbietet den Mitgliedstaaten, in Bezug auf öffentliche und privilegierte

Unternehmen dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Maßnahmen zu treffen. Damit ist

gemeint, dass die Mitgliedstaaten ihre Einflussnahmemöglichkeiten in Bezug auf öffentliche

und privilegierte Unternehmen nicht dazu missbrauchen dürfen, um den Wettbewerb am

Binnenmarkt zu verfälschen.

Konkret verboten sind alle staatlich veranlassten Verstöße gegen das gemeinschaftsrecht,

insbesondere gegen das verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherr-

schenden Stellung sowie gegen das Verbot staatlicher Beihilfen.

Die Ausnahme (Art 86 Abs. 2 EGV)

Art 86 Abs. 2 EGV sieht vor, dass für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von all-

gemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind oder die dem Staat eine besondere

Einnahmequelle verschaffen sollen, das gemeinschaftsrecht nicht gilt, wenn ansonsten die

Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben gefährdet wäre. Der Staat darf solchen Unternehmen

zum Beispiel Beihilfen gewähren.

Der Staat als Nachfrager

Was sind öffentliche Aufgaben?

Öffentliche Aufträge sind Verträge – z.B. Kaufverträge, Mietverträge, Werkverträge,... –

zwischen öffentlichen Auftraggebern und privaten Unternehmen, in denen sich diese

verpflichten, für den öffentlichen Auftraggeber eine bestimmte Leistung gegen Entgelt zu

erbringen. (Auftraggeber handelt privatwirtschaftlich)

Als öffentliche Auftraggeber kommen die Gebietskörperschaften, durch sie beherrschte

ausgegliederte Rechtsträger, aber auch andere öffentlich-rechtliche Einrichtungen in

Betracht.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 27 v. 38

Warum bedarf die öffentliche Auftragsvergabe einer speziellen rechtlichen Regelung?

Der öffentliche Auftraggeber muss die in Auftrag gegebenen Leistungen natürlich auch

bezahlen. Dies geschieht in der Regel mit Steuergeldern, deshalb muss es ein rechtlich

geregeltes Vergabeverfahren geben.

Dieses dient:

• dem Interesse des Auftraggebers, seine Mittel effizient einzusetzen

• dem Interesse der Marktteilnehmer, dass Aufträge nach sachbezogenen Kriterien

objektiv nachprüfbar vergeben werden und damit

• dem Interesse am Funktionieren eines fairen Wettbewerbs

Das europäische und österreichische Vergaberecht

Natürlich besteht auch auf europäischer Ebene ein Interesse an einem fairen grenzüber-

schreitenden Wettbewerb im Bereich der öffentlichen Aufträge. Schließlich handelt es sich

dabei um einen wichtigen Aspekt zur Verwirklichung des Binnenmarktes.

Neben den Grundfreiheiten bzw. dem Diskriminierungsverbot gibt es zur Realisierung eines

fairen Wettbewerbs mehrere EG-Richtlinien, die bei Aufträgen über bestimmten

Schwellenwerten vom Auftraggeber beachtet werden müssen.

Umgesetzt wird das europäische Vergaberecht in Österreich durch das

Bundesvergabegesetz und Vergabegesetze der Länder. Das österreichische Vergabegesetz

regelt insbesondere, wie eine Auftragsvergabe im Detail abzulaufen hat und wie sich ein

Bieter, der trotz eines besseren Angebotes nicht zum Zug gekommen ist, zur Wehr setzen

kann.

Lektion 8 (S.215 – S.247)

Innerstaatliches Organisationsrecht

Die Staatsgewalt

Unter Staatsgewalt sind jene Einrichtungen und Handlungsformen zu verstehen, die dem

Staat zur Erreichung seiner Aufgaben zur Verfügung stehen. Die Staatsgewalt gliedert sich

in zwei Ebenen: Gesetzgebung und Vollziehung. Da Österreich ein Bundesstaat ist, ist die

gesamte Staatsgewalt auf die Gebietskörperschaften aufgeteilt: Bund – Länder –

Gemeinden. Auf der Ebenen der Gesetzgebung werden der Bund und die Länder, auf Ebene

der Vollziehung Bund, Länder und Gemeinden tätig. Die Gerichtsbarkeit als Teil der

Vollziehung ist Bundesorganen vorbehalten. Besondere Sachgebiete der Vollziehung sind

eigenen Selbstverwaltungskörper übertragen (Universitäten,...).

Die drei Gebietskörperschaften

Eine Gebietskörperschaft ist eine juristische Person des öffentlichen rechts, die alle

Personen erfasst, die in einer örtlichen Beziehung zu einem bestimmten Gebiet stehen.

Diese Körperschaften werden durch Verfassungsgesetz eingerichtet, sie haben hoheitliche

Gewalt und sind ihrerseits träger von Rechten und Pflichten. Die Staatsgewalt in Österreich

ist zwischen den drei Gebietskörperschaften aufgeteilt:

• Bund: ist die größte Gebietskörperschaft, erstreckt sich über ganz Österreich. Die

Gesetzgebungsorgane sind der Nationalrat und der Bundesrat, die Bundesregierung, die

Bundesminister und der Bundespräsident (höchste Verwaltungsorgane). Die

Höchstgerichte (Verfassungs-, Verwaltungs- und Oberster Gerichtshof) sind die obersten

Kontrollinstanzen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 28 v. 38

• Länder: Die Gesetzgebungsorgane der Länder sind die Landtage, die höchsten

Verwaltungsorgane sind die Landesregierungen.

• Gemeinden: ihnen ist nur ein Teil der Verwaltung übertragen. Die Organe sind der

Bürgermeister und der Gemeinderat. (keine Gesetzgebungskompetenz)

Gesetzgebung

Gesetzgebung ist jener Vorgang, bei dem generell abstrakte normen (Gesetze) von den

Gesetzgebungsorganen geschaffen werden. Durch Gesetze werden politische Zielrichtungen

verwirklicht.

1. Die österreichische Bundesverfassung

a. Allgemeines

Das Stammgesetz der österreichischen Bundesverfassung ist das

Bundesverfassungsgesetz. Neben dieser sind noch das Staatsgrundgesetz und die

Europäische Menschenrechtskonvention von besonders wichtiger Bedeutung. Diese

Bestimmungen enthalten die Grundregeln des österreichischen Staates. Um sie zu

beschließen, abzuändern oder aufzuheben bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der

Abgeordneten im NR und im BR, wobei zwei Drittel dieser Anwesenden Abgeordneten

zustimmen müssen. Weiters sind Verfassungsbestimmungen ausdrücklich als solche zu

bezeichnen.

b. Grundprinzipien der österreichischen Bundesverfassung

Aus den einzelnen Verfassungsbestimmungen ergeben sich die sogenannten

Grundprinzipien der Bundesverfassung. Diese Grundprinzipien sind die höchsten Normen

innerhalb der österreichischen Verfassung, alle anderen müssen ihnen entsprechen.

• Demokratisches Prinzip: Volk muss mittelbar an der Gesetzgebung beteiligt sein

• Republikanisches Prinzip: Österreich ist eine Republik, der Bundespräsident wird für 6

Jahre von den Bürgern gewählt

• Bundesstaatliches Prinzip: Kompetenzverteilung nach Art. 10-15 B-VG

• Grundsatz der Gewaltenteilung: die zwei Staatsgewalten Gesetzgebung und Vollziehung

sind formell getrennt, die Vollziehung teilt sich wiederum in Verwaltung und

Gerichtsbarkeit (gegenseitige Kontrolle)

• Rechtstaatliches Prinzip: die Vollziehung ist an die Gesetze gebunden, die Gesetze an

die Verfassung

• Liberales Prinzip: Grundrechte und Menschenrechte

c. Exkurs: Österreich als soziale Marktwirtschaft

Die österreichische Bundesverfassung hat sich ausdrücklich nicht für ein bestimmtes

Wirtschaftssystem entschieden. Aus den Wirtschaftsgrundrechten und einfachgesetzlichen

Regelungen und aus den Grundfreiheiten des EGV ergibt sich allerdings, dass in Österreich

eine soziale Marktwirtschaft herrscht. Manch einer spricht von Österreich auch als einem

ökosozialen Staat (umfassender Umweltschutz soll garantiert werden).

d. Länderverfassungen

Gemäß dem bundesstaatlichen Prinzip haben die Länder das Recht, sich selbst

Verfassungen zu geben. Diese dürfen aber nicht gegen die Bundesverfassung verstoßen.

2. Einfache Gesetze

Diese regeln verschiedenste Sachbereiche, Verfahren oder Organisationen (Straßenverkehr,

Universität, Baurecht, Gewerberecht,...). Um ein Gesetz zu beschließen, bedarf es im

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 29 v. 38

gesetzgebenden Organ einer einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen, mindestens

die Hälfte der Abgeordneten müssen anwesend sein.

3. Exkurs: Stufenbau der Rechtsordnung

Recht entsteht in einem Rechtserzeugenden Prozess, der von obersten, abstrakten Normen

zu konkreten Rechtsnormen führt. Auf jeder einzelnen Stufe wird Recht gesetzt. Eine

niedrigere Rechtsstufe muss mit der höheren in Einklang stehen.

4. Organe der Gesetzgebung

a. Bundesgesetzgebung

In den Bereichen, in denen gemäß Art. 1-15 B-VG der Bund zur Gesetzgebung berufen ist,

übt der Nationalrat gemeinsam mit dem Bundesrat die Gesetzgebung aus.

Gesetzesinitiativen gehen meist von der Bundesregierung als so genannte

Regierungsvorlagen aus, die von den Mitarbeitern der Ministerien nach den politischen

Vorgaben der Minister gestaltet werden. Diese werden dann diskutiert (im NR und BR) und

dann darüber abgestimmt. Wird das Gesetz von der Mehrheit der Abgeordneten

angenommen, muss es vom Bundespräsidenten beurkundet und vom Bundeskanzler

gegengezeichnet werden. Danach wird es im Bundesgesetzblatt verlautbart und tritt somit in

Kraft.

b. Gesetzgebung der Länder

Die Gesetzgebung der Länder erfolgt durch den jeweiligen Landtag. (Mitglieder werden vom

Landesvolk gewählt)

Vollziehung

Der Begriff der Vollziehung umfasst alle Akte, die notwendig sind, die Gesetze in die

Wirklichkeit umzusetzen. Sie teilt sich in zwei Bereiche: Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Die

Vollziehung ist an die Gesetze gebunden. Lässt sich ein Vollzugsakt nicht auf ein Gesetz

Grundprinzipien der

österreichischen Bundesverfassung

Europäisches Gemeinschaftsrecht

(primäres und sekundäres)

Bundesverfassung

Landesverfassung

LandesgesetzBundesgesetz

Verordnung

Urteil, Bescheid, Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 30 v. 38

oder eine Verordnung zurückführen, ist der Akt rechtswidrig und wird aufgrund eines

Rechtsmittels aufgehoben.

Wer handelt, wenn der Staat handelt?

Wenn der Staat handelt, handeln natürliche Personen in Vertretung für den Staat. Man

unterscheidet:

• Organe und Organwalter: vom Gesetz vorgesehene Einrichtungen, die Staatsaufgaben

wahrnehmen (der NR ist ein Organ der Gesetzgebung,...). Die Menschen, die die Organe

besetzen sind Organwalter.

• Behörden: sind Organe, die über „Imperium“ (rechtlich durch Gesetz verliehene

Fähigkeit, einseitig verbindliche Rechtsakte hinsichtlich der Vollziehung von Gesetzen zu

erlassen) verfügen.

• Kollegialorgane (-behörden) – monokratische Organe (Behörden): diese Unterscheidung

ergibt sich daraus, ob innerhalb eines Organs die Willensbildung durch den Vorstand der

Behörde allein erfolgt, oder ob die Willensbildung durch mehrere Organe mittels

Mehrstimmigkeit erfolgte.

Vollziehung: Gerichtsbarkeit und Verwaltung

Gerichtsbarkeit

Über Streitigkeiten zwischen Privatpersonen urteilen gemäß § 1 JN die ordentlichen Gerichte

(Privatrecht). Bei Angelegenheiten, an der Privatpersonen und der hoheitlich handelnde

Staat beteiligt sind, sind die Verwaltungsbehörden zuständig. Um zu ermitteln, welche

Behörden nun für welche Gesetze zuständig sind, ist die Unterscheidung zwischen

Privatrecht und öffentlichem Recht sehr wichtig. Die österreichische Rechtsordnung baut auf

dieser Unterscheidung auf. Unterscheidungsmerkmale:

Privatrecht Öffentliches Recht

Ausgleich von Privatinteressen Vorschrift liegt im öffentlichen Interesse

Die Beteiligten Personen sind

gleichberechtigt

Über-Unterordnungsverhältnis

Erfordernis der Willensübereinstimmung Die Behörde kann einseitig entscheiden

Dispositives (nachgiebiges) Recht Zwingendes Recht

Von den außerordentlichen Gerichten werden gemäß der Bundesverfassung Streitigkeiten

des Zivil- als auch des Strafrechts abgehandelt. Es darf keine Unterordnung der

Gerichtsbarkeit unter die Verwaltung geben.

Das besondere an der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist, dass sie von unabhängigen,

unabsetzbaren und unversetzbaren Richtern ausgeübt wird. Die Richter sind an keinerlei

Weisungen gebunden, sie entscheiden allein aufgrund des Gesetzes. Für die Erledigung der

Angelegenheiten, die nicht unter die Gerichtsbarkeit fallen, sind die Verwaltungsbehörden

zuständig.

Verwaltung

Hoheitsverwaltung

Die Hoheitsverwaltung ist jener Teil der Staatsgewalt, durch die das öffentliche Recht von

weisungsgebundenen Verwaltungsbehörden vollzogen wird. Der Vollzug der GewO ist

klassisches Verwaltungsrecht.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 31 v. 38

Prinzipien der Verwaltung:

• Weisungsgebundenheit

• Legalitätsprinzip (Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung): die gesamte

staatliche Verwaltung darf nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden. Jeder

Verwaltungsakt muss im Gesetz begründet sein.

Einfaches Verwaltungshandeln

Behörden und Organe werden aber auch tätig, ohne hoheitliche Akte zu erlassen (schlichte

Hoheitsverwaltung). Auch dieses Verwaltungshandeln lässt sich auf Gesetze zurückführen.

Unter diese schlichte Hoheitsverwaltung fallen: Vorbereitung von Entscheidungen, Erstellung

von Gesetzesentwürfen, Auskunftserteilung,... Die meisten Staatsangelegenheiten fallen

unter diese schlichte Hoheitsverwaltung.

Bundesverwaltung

Auf höchster Ebene der Bundesverwaltung steht der Bundespräsident und die

Bundesregierung. Diese drei Ebenen sind gleichgeordnet, es besteht kein

Weisungszusammenhang zwischen ihnen. Sie sind allerdings bei bestimmten Akten

voneinander abhängig. Im Bundesministeriengesetz sind die einzelnen Sachgebiete den

Ministern zugeordnet.

• Unmittelbare Bundesverwaltung: bundeseigene Behörden erledigen in den

Unterinstanzen die Verwaltungsagenden

• Mittelbare Bundesverwaltung: zahlreiche Bundesverwaltungsangelegenheiten werden

von Landesbehörden vollzogen (funktionell für den Bund tätig). Es besteht ein

Weisungszusammenhang zwischen Bundes- und Landesbehörden.

Landesverwaltung

Die Landesverwaltung wird von den Landesbehörden besorgt. Jedes Bundesland ist in

politische Bezirke gegliedert, die von Bezirksverwaltungsbehörden verwaltet werden. An der

spitze steht der Bezirkshauptmann. An zweiter und letzter Stelle im Instanzenzug steht die

Landesregierung bzw. deren Mitglieder.

Gemeinden

Alles was in den Wirkungsbereich der Gemeinde fällt, soll auch von ihr besorgt werden. In

Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs besteht kein Weisungsrecht von Bundes-

oder Landesbehörden an Gemeindeorgane. Neben dem eigenen Wirkungsbereich haben die

Gemeinden auch einen übertragenen. In diesen Angelegenheiten werden sie je nachdem,

um welchen Kompetenztatbestand es sich handelt, funktionell für das Land oder den Bund

tätig (zuständiges Organ ist der Bürgermeister).

Andere Selbstverwaltungskörper

Neben den Gemeinden bestehen noch andere Selbstverwaltungskörper: für die gilt ähnliches

wie bei den Gemeinden. Die wichtigsten wären: Kammern, Universitäten, Österreichische

Hochschülerschaft,...

Privatwirtschaftsverwaltung

Der Staat kann aber auch wie eine Privatperson handeln und so z.B Verträge abschließen.

Diese Verträge unterliegen wie Verträge zwischen Privatpersonen der Kontrolle der

ordentlichen Gerichtsbarkeit.

Die Zuständigkeit

Zuständigkeit ist die Ermächtigung eines Staatsorgans zur Vornahme bestimmter Akte. Sie

ergibt sich aus dem anzuwendenden Materiengesetz. Bedeutsam ist die Feststellung der

Zuständigkeit deswegen, da ein Rechtsakt, wenn er von einer unzuständigen Behörde

erlassen wurde, rechtswidrig ist.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 32 v. 38

Die Akte der Vollziehung

Diese sind:

• in der Gerichtsbarkeit das Urteil: individuell konkreter Rechtsakt

• in der Verwaltung die Verordnung, der Bescheid der Akt unmittelbarer Befehls- und

Zwangsgewalt, die Weisung, einfaches Verwaltungshandeln:

o Bescheid ist die Entscheidung in einer konkreten Verwaltungssache

o Verordnung ist eine von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle abstrakte

Norm und dient zur Konkretisierung gesetzlicher Bestimmungen

o Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt sind Handlungen einer Behörde

aufgrund des Gesetzes, die ohne vorhergehendes Verfahren durchgeführt

werden

o Weisungen sind Befehle eines übergeordneten Organs an ein untergeordnetes.

(auch innerhalb einer Behörde möglich)

o Einfaches Verwaltungshandeln geschieht formlos

Rechtsschutz bei der Vollziehung

Für jeden Vollzugsakt, der rechte von Personen berührt, bestehen

Rechtsschutzmöglichkeiten:

• Zivilrechtliche Entscheidungen: Berufung, Rekurs, Revision; höchste Instanz ist der

oberste Gerichtshof

• Verwaltungsangelegenheiten: jeweils übergeordnete Behörde

• Verwaltungsstrafangelegenheiten: unabhängiger Verwaltungssenat (UVS)

Das Wirtschaftsverwaltungsrecht

Einleitung

Der Staat greift vielfach in den Bereich der Wirtschaft ein. Dies geschieht sowohl zum Schutz

des Einzelnen als auch zum Schutz der gesamten Volkswirtschaft.

Gliederung

Um das Wirtschaftsverwaltungsrecht, seine Position innerhalb der Rechtsordnung und seine

Funktion genau darstellen zu können, folgt nun eine Einordnung und mögliche Gliederung

dieses Rechtgebietes. An oberster Stelle steht der Begriff Wirtschaftsrecht (Rechtsnormen,

die für den Ablauf und die Ordnung des Wirtschaftgeschehens von Bedeutung sind). Es

unterteilt sich in Wirtschaftsverfassungsrecht und unterverfassungsrechtliches

Wirtschaftsrecht. Das unterverfassungsrechtliche Wirtschaftsrecht teilt sich in

Wirtschaftsverwaltungsrecht und Wirtschaftsjustizrecht. Unter Wirtschaftsverwaltungsrecht

wird jener teil verstanden, mit dessen Hilfe der Staat das Wirtschaftsgeschehen ordnet,

seinen Ablauf steuert oder selbst an ihm Teil nimmt. Man spricht von

Wirtschaftsordnungsrecht, wirtschaftslenkungsrecht, und vom recht der wirtschaftlichen

Betätigung des Staates. Es wird von Verwaltungsbehörden vollzogen.

Wirtschaftsordnungsrecht

Das Ordnungsrecht legt die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches handeln fest, ohne

dabei direkt die Entscheidungsfreiheit des Unternehmers über Produktion, Austausch oder

Verbrauch von waren und Dienstleistungen zu beschränken. Es umfasst:

• Organisationsrecht

• Das recht des Marktzugangs

• Reglementierung und Leistungserbringung

• Ordnung des Geldwesens

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 33 v. 38

Wirtschaftslenkungsrecht

Unter Wirtschaftslenkungsrecht wird die Gesamtheit der Maßnahmen zur staatlichen

Steuerung des Wirtschaftsgeschehens, insbesondere wirtschaftspolitisch motivierte

Interventionen mit Wirkungsrichtung auf Produktion, Austausch oder Verbrauch

wirtschaftlicher Güter verstanden. Der Gesetzgeber versucht damit die gesamtwirtschaftliche

Entwicklung nach den jeweiligen politischen Zielsetzungen zu beeinflussen. (Ziele:

Vollbeschäftigung, gerechte Vermögensverteilung,...) Das Wirtschaftslenkungsrecht teilt sich

in:

• Recht der direkten Lenkung: Ziel ist die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung

mit wichtigen Gütern in wirtschaftlich schweren Zeiten

• Recht der indirekten Lenkung: Indirekte Lenkung wird sowohl hoheitlich als auch nicht

hoheitlich unternommen. E werden in erster Linie wirtschaftspolitische Ziele verfolgt.

Abgrenzung zwischen Ordnungs- und Lenkungsrecht

• Wirtschaftsordnungsrecht: Schaffung einer Ordnung, innerhalb der der Unternehmer frei

entscheiden kann

• Wirtschaftslenkung: Bewusste staatliche direkte oder indirekte Einflussnahme auf Preis,

Produktion oder Verteilung

Recht der wirtschaftlichen Betätigung des Staates

Siehe Lektion 7

Exkurs: der Begriff „Wirtschaftsaufsichtsrecht“

Dieser Begriff wird oft gewählt um staatliche Einflussnahmen in den Sektoren Geld- und

Kreditwesen, Versicherungs- und Verkehrswesen zusammenzufassen. Dies mit der

Begründung, das in diesen Bereichen oft gleichzeitig gesamtwirtschaftspolitische Ziele und

Gefahrenabwehr verfolgt werden.

Typologie des Wirtschaftsordnungsrechts

Um den Zielen der Wirtschaftsordnung gerecht zu werden, enthalten die einschlägigen

Bestimmungen unterschiedliche Rechtsinstitute. Allgemein kann gesagt werden, dass der

Unternehmer von der Gründung seines Unternehmens bis zum ende seiner Tätigkeit unter

detaillierte Regelungen fällt und on staatlichen Behörden beaufsichtigt wird. Die wichtigsten

Instrumentarien des Ordnungsrechts sind:

• Konzessionssystem oder Anmeldesystem

Die Aufnahme einer Tätigkeit ist von einer behördlichen Bewilligung abhängig, oder die

Aufnahme der Tätigkeit muss einer Behörde zumindest angezeigt werden. Diese hat die

gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen und kann, sofern diese nicht vom Unternehmer

erfüllt werden, die Bewilligung versagen. Die Voraussetzungen werden in zwei

Kategorien getrennt:

o Subjektive Voraussetzungen: spezielle Fähigkeiten, Kenntnisse oder Umstände

(z.B. Befähigungsnachweis,...)

o Objektive Voraussetzungen: liegen nicht in der Einflusssphäre des Unternehmers

(z.B. Bedarfsprüfung)

• Ordnungs- und Verhaltensnormen

Gewisse bereiche, vor allem der bereich der Finanzunternehmen, unterliegen neben der

Konzessionierung auch noch detaillierten Verhaltensregeln.

• Aufsicht und Überwachung

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 34 v. 38

Der Staat überwacht und kontrolliert Unternehmen, ob sie ihren gesetzlichen

Verpflichtungen nachkommen. Dabei kommen den Aufsichtsbehörden umfangreiche

Informationsrechte zu, in manchen Bereichen spricht man auch von einer Totalität der

Aufsicht.

• Sanktionen

Werden Gesetzwidrigkeiten und –verstöße festgestellt, kommt ein abgestuftes

Sanktionssystem zur Anwendung, das von einer Aufforderung, den gesetzeskonformen

Zustand wieder herzustellen, über Verwaltungsstrafen bis zum Entzug der Konzession

reicht.

Lektion 9 (S.251-281)

Was ist die EU?

Die Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGKS, EAG, EG)

Heute ist die EU eine internationale Organisation, die n vielen Bereichen vormals staatliche

aufgaben wahrnimmt und einen sehr weiten Einfluss auf das in den Mitgliedstaaten geltende

Recht nimmt.

Erste Schritte zur EU:

• 1951: Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)

o den Grundstein für diesen Zusammenschluss legten Robert Schumann und Jean

Monnet (1950)

o teilnehmende Staaten: Deutschland, Frankreich, die Benelux-Staaten und Italien

o die EGKS nahm ihre Arbeit 1952 auf

o Vetrag läuft 2002 aus

• 1957: Gründung der europäischen Atomgemeinschaft (EAG, auch EURATOM)

• Die EWG und die EAG wurden durch entsprechende völkerrechtliche Verträge gegründet

(„Römische Verträge“)

• Die EWG wurde mittlerweile in EG umbenannt

• Seit 1967 haben die Gemeinschaften gemeinsame Organe

Die Weiterentwicklung zur europäischen Union

1. Vertrag über die EU 1992, Vertrag von Amsterdam 1997, Vertrag von Nizza 2000

Die EU wurde durch einen völkerrechtlichen Vertrag gegründet, den die damaligen 12 EG-

Staaten in Maastricht abgeschlossen haben. Der Vertrag von Maastricht trat 1993 in Kraft:

• sieht einen europäischen Raum ohne Binnengrenzen

• gemeinsame außen- und Sicherheitspolitik

• Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres

Die EU ersetzt nicht die EG, sondern stellt diese mit den neuen Politiken und Formen der

Zusammenarbeit unter ein gemeinsames Dach. (3 Säulen) Der EUV hat die EWG in EG

umbenannt, eine zugleich vorgenommene wirtschaftliche Änderung waren die Regelungen

über die Errichtung einer Wirtschafts- und Währungsunion.

Weiterentwicklungen der EU:

• Vertrag von Amsterdam: trat am 1. Mai 1999 in Kraft; Regelung über verstärkte

Zusammenarbeit (flexible Integration)

• Vertrag von Nizza: soll die EU vor allem für die Erweiterung um mittel- und

osteuropäische Staaten fit machen (nicht mehr nur 15 Mitgliedstaaten, sondern bis zu 27)

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 35 v. 38

2. Die Ausdehnung der EU

Der Mitgliederstand ist seit der Gründung der Gemeinschaften stark angewachsen. Die

Gründungsmitglieder sind Frankreich, Deutschland, Belgien, Niederlande, Luxemburg und

Italien. 1973 kamen Dänemark, GB und Irland dazu. 1981 trat Griechenland bei, 1986

Portugal und Spanien, 1995 Finnland, Österreich und Schweden. (15 Mitglieder)

Weitere Beitrittsanträge liegen vor. (Türkei, Zypern, Schweiz, Ungarn, Polen, Rumänien, ...)

Wie ist die EU aufgebaut?

Die EU besteht derzeit aus 3 Säulen:

• Die EG (1. Säule): diese Säule bilden die EG (wichtigste Gemeinschaft) und die EAG,

vertieft und erweitert von der WWU. Im Mittelpunkt der EG steht der Binnenmarkt mit

seinen Grundfreiheiten und seiner Wettbewerbsordnung. Gemeinschaftlich

wahrzunehmende Politiken sind z.B. die Agrarpolitik, die Steuerpolitik, die Asylpolitik,...

• Die GASP (2. Säule): die gemeinsame ist laut Maastricht-Vetrag schrittweise zu

entwickeln. Die GASP hat einen eigenen „Hohen Vertreter“, den sogenannten „Mister

GASP“. Grundsatzbeschlüsse, Formulierung gemeinsamer Standpunkte,

Rahmenbeschlüsse,... können nur mit Zustimmung aller gefasst werden

(Einstimmigkeitsprinzip)

• Die PJZS (3. Säule): der Vertrag von Amsterdam hat die dritte Säule etwas umgeändert.

Seither heißt sie „polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen“.

Was ist das besondere an der 1. Säule?

Die erste Säule ist am weitesten entwickelt. Die EG und die EAG sind supranational. Dieser

Begriff bezeichnet solches internationales Recht, welches von einer überstaatlichen

Institution gesetzt wird und die rechtsunterworfenen Staaten auch gegen ihren Willen binden

kann. Man spricht auch von der sogenannten „Durchgriffswirkung“ des EG-Rechts. Das EG-

Recht hat Vorrang vor nationalem Recht. Ferner gibt es in der ersten Säule Organe die von

den Mitgliedstaaten völlig unabhängig sind (z.B. Europäische Kommission). Es gibt auch

einen eigenen Gerichtshof, den EuGH.

Die 2. und 3. Säule sind bloß intergouvernmental.

Welche Institutionen gibt es in der EU?

Die EG hat 5 Hauptorgane: das europäische Parlament, den Rat, die Europäische

Kommission, den Europäischen Gerichtshof und den Europäischen Rechnungshof. Daneben

gibt es noch den Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen, die

Europäische Zentralbank, die Europäische Investitionsbank und den Europäischen

Bürgerbeauftragten.

Der europäische Rat

• Ist das oberste politische Steuerungsgremium der EU

• Setzt sich aus Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten

der Kommission zusammen, diese werden von den Außenministern und einem weiteren

Kommissionsmitglied unterstützt

• Aufgabe: den Aktivitäten der Union die nötigen Impulse zu verleihen, sowie allgemeine

politische Zielrichtungen und Richtlinien festzulegen

• Trifft sich 2 mal jährlich, immer gegen Ende einer Präsidentschaft im Vorsitzland, nach

Bedarf kann das Vorsitzland auch außerordentliche Tagungen einberufen

Der Rat der europäischen Union

• Zentrales Entscheidungs- und eigentliches Gesetzgebungsorgan der EU

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 36 v. 38

• Beschließt alle wesentlichen Rechtsakte und schließt internationale Abkommen ab

• Mitglieder sind die jeweiligen Fachminister der Mitgliedstaaten

• Beschlussfassung erfolgt einstimmig oder mit Mehrheit

Die europäische Kommission

• Übt ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit von den Mitgliedstaaten aus

• Hat alleinige Kompetenz, Initiativen zur Schaffung von Gemeinschaftsrecht zu ergreifen,

und überwacht die Einhaltung der Verträge durch die Mitgliedstaaten

• Ist sozusagen Motor und Hüterin der Verträge

• Besteht aus 20 Mitgliedern

Das Europäische Parlament

• Seit 1979 wählen die Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedsländer ihre Vertretung

direkt ins Europäische Parlament

• Vertritt fast 400 Millionen EU-Bürger

• Derzeit 626 Abgeordnete, jeweils für 5 Jahre gewählt

• Es wirkt an der EG-Rechtsetzung mit durch Anhörung, Zusammenarbeit und

Mitentscheidung mit dem Rat

• Verabschiedet jährlich zusammen mit dem Rat den Gesamthaushaltsplan und kontrolliert

den Vollzug

• Der Vertrag von Nizza sieht vor, dass die Anzahl der EP-Abgeordneten 732 nicht

übersteigen darf (für Österreich deshalb nur mehr 17 statt 21 Sitze vorgesehen)

Der EU-Gerichtshof

• Sitz in Luxemburg

• Höchste rechtliche Instanz der Gemeinschaften

• Besteht aus 15 Richtern, die jeweils auf 6 Jahre ernannt werden

• Aufgabe: Wahrung des Rechts bei der Auslegung und der Anwendung des

Gemeinschaftsrechts

• Dem EuGH ist ein Gericht erster Instanz beigeordnet, das für Entscheidungen über

bestimmte Klagen im ersten Rechtszug zuständig ist und gegen dessen Entscheidung

ein Rechtsmittel beim EuGH erhoben werden kann

Der Europäische Rechnungshof

• Überprüft die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben der Union

• Sorgt für effizientes Finanzmanagement auf europäischer Ebene

Sonstige Organe

• Die Europäische Zentralbank: legt die europäische Geldpolitik fest. Hauptziel ist es, die

Preisstabilität zu gewährleisten

• Die Europäische Investitionsbank: finanziert Investitionsvorhaben, um zu einer

ausgewogenen Entwicklung der Union beizutragen

• Der Wirtschafts- und Sozialausschuss: vertritt gegenüber der Kommission, dem Rat und

dem Europäischen Parlament die Gesichtspunkte und Interessen der verschiedenen

Gruppen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Er besteht aus Vertretern dieser

Gruppen (z.B. Unternehmer, Arbeitnehmer,...).

• Der Ausschuss der Regionen: setzt sich aus Vertretern der regionalen und lokalen

Gebietskörperschaften zusammen. Er sorgt für die Wahrung der lokalen und regionalen

Identitäten. Er muss in Bereichen der Regionalpolitik, des Umweltschutzes und der

Ausbildung gehört werden.

• Der Bürgerbeauftragte: kann von allen in der Union ansässigen Bürgern, Unternehmen

und Einrichtungen befasst werden, wenn diese meinen, dass sie von den

Gemeinschaftsinstitutionen oder –organen nicht korrekt behandelt wurden.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 37 v. 38

Wann darf die EU tätig werden?

Der Zuständigkeit der EU sind Grenzen gesetzt:

• Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung

• Subsidiaritätsprinzip: dieses besagt, dass die EG nur dann handeln soll, wenn die

angestrebten Ziele besser auf gemeinschaftlicher Ebene als auf nationaler Ebene

erreicht werden können

Welche EG-Rechtsvorschriften gibt es und wer vollzieht sie?

Primäres Gemeinschaftsrecht

Das primäre gemeinschaftsrecht stellt das „Verfassungsrecht der Gemeinschaft“ dar. Es

besteht vor allem aus den zwei Gründungsverträgen EG-Vertrag und EAG-Vertrag samt

ihren Änderungen und Ergänzungen. Auch die Beitrittsverträge sind Bestandteil des

Primärrechts. Daneben gibt es auch ungeschriebenes Primärrecht (allgemeine

Rechtgrundsätze und Grundrechte).

Sekundäres Gemeinschaftsrecht

Welche Sekundärrechtsakte gibt es?

• Verordnungen: wirken wie nationale Gesetze. Gelten auch zwischen Privatpersonen.

• Richtlinien: ausschließlich an Mitgliedstaaten gerichtet. Sie müssen von diesen erst

umgesetzt werden. Nur ausnahmsweise können sie unmittelbar anwendbar sein

• Entscheidung: bezieht sich auf Einzelfälle.

Wie entstehen Verordnungen und Richtlinien?

Das sekundäre Gemeinschaftsrecht wird von den Organen der Gemeinschaft – vor allem

vom Rat und vom Europäischen Parlament geschaffen. Prinzipielle erfolgt die Rechtsetzung

in drei Abschnitten:

• Initiative (= Vorschlag): liegt allein bei der Kommission

• Beratung

• Beschlussfassung: liegt beim Rat, erfolgt mit qualifizierter Mehrheit

Damit ein EG-Rechtsakt in Kraft treten kann, muss er im Amtsblatt der EG kundgemacht

werden. Verordnungen und Richtlinien treten, wenn nichts Anderes vorgesehen ist, am 20.

Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft.

Die Vollziehung von Gemeinschaftsrecht

Das Gemeinschaftsrecht wird hauptsächlich von den Behörden der Mitgliedstaaten

vollzogen. Man spricht in diesem Fall vom mitgliedstaatlichen Vollzug des

Gemeinschaftsrechts. Nur in beschränktem Umfang vollziehen die EG-Institutionen selbst

das Gemeinschaftsrecht (so genannter direkter Vollzug).

Wodurch zeichnet sich das Gemeinschaftsrecht aus?

Das Gemeinschaftsrecht gilt „autonom“ und unmittelbar in den Mitgliedstaaten

Die Mitgliedstaaten haben durch die Gründung der Gemeinschaften ihre ausschließliche

Kompetenz zur Gesetzgebung zum Teil aufgegeben und eine eigenständige Rechtsordnung

geschaffen, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt und daher von den Behörden und

Bürgern beachtet werden muss. Die Feststellung der autonomen und unmittelbaren Geltung

des Gemeinschaftsrechts hat der EuGH im Fall „Costa/E.N.E.L.“ im Jahre 1964 getroffen.

Europäisches & Öffentliches Wirtschaftsrecht I Seite 38 v. 38

Durch die autonome Geltung des Gemeinschaftsrechts wird die einheitliche Geltung des

Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt. Kennzeichnend für das

Gemeinschaftsrecht ist weiters, dass es – anders als das bei Völkerrecht der Fall ist – in den

Mitgliedstaaten unmittelbar gilt. Das heißt es muss nicht erst in nationales Recht umgesetzt

werden.

Das Gemeinschaftsrecht ist in den Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbar

Das Gemeinschaftsrecht kann – wie ein nationales Recht – den Bürgern der Mitgliedstaaten

Rechte verleihen, die sie vor nationalen Behörden geltend machen können, und auch

Pflichten auferlegen. Nach Auffassung des EuGH ist eine Vorschrift immer dann unmittelbar

anwendbar, wenn sie so formuliert ist, dass keine Bedingungen daran geknüpft sind und zu

ihrer Wirksamkeit keine weiteren Handlungen der Mitgliedstaaten oder der

Gemeinschaftsorgane mehr erforderlich sind. Unmittelbar anwendbar sind zum Beispiel die

Grundfreiheiten und die EG-Verordnungen. Richtlinien sind demgegenüber nicht unmittelbar

anwendbar, sie müssen in nationales Recht umgesetzt werden.

Das Gemeinschaftsrecht hat Vorrang

Nationales Recht, das unmittelbar anwendbarem Gemeinschaftsrecht widerspricht, darf nicht

angewendet werden. Das haben alle staatlichen Organe zu beachten. Sie müssen bei ihren

Entscheidungen Gemeinschaftsrecht anwenden, auch wenn es nationalem Recht

widerspricht.