Exkursion auf den Brandenstein - hohenburg-lenggries.de · Unsere Gruppe von Stein- und...

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Die Kocheler Gegend ist ein landschaftliches Juwel mit einer facettenreichen Ver- gangenheit 1 . Der Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. widmet sich mit großem Engagement deren Aufarbeitung. Die bisher erschienen Mitteilungen des Vereins decken ein breites Themenspektrum ab. Unsere Gruppe von Stein- und Geschichtsinteressierten aus Tölz, Lenggries und der Jachenau konnte sich daher glücklich schätzen, zusammen mit Jost Knauss, einem hervorragender Kenner dieser Region, den Brandenstein zu erkunden (Abb. 2, 3). Die kurzweilige Führung war reich an anregenden Informationen und wurde abge- rundet durch einen kleinen Abstecher nach Altjoch. Die Teilnehmer danken Jost Knauss herzlich für diese einmalige Führung. Die Exkursion fand in einem Gebiet statt, dessen Bodenschätze über viele Jahr- hunderte ausgebeutet wurden. „Der größte Trost der Geschichte war von jeher, dass die Natur durch allen verlebten Schutt hindurch immer neue Kräfte empor schiebt“, so der Maler Franz Marc, der in Ried bei Benediktbeuern seine letzten Lebensjahre verbrachte, bevor er als Soldat 1916 in der Nähe von Verdun fiel. Dennoch sind die Narben einer intensiven Naturvernutzung auch heute noch im Gelände sichtbar (Abb. 4). 1 Siehe etwa die spätbronzezeitliche Hügelfestung auf der großen Birg in Altjoch/Kochel. Abb. 1. Blick nach Osten auf den Kochelsee mit Prospektionsgebiet (rot markiert). Foto ©axelfr.de Abb. 2. Amtliche Karte ©BayernAtlas Abb. 3. Luftaufnahme ©BayernAtlas Exkursion auf den Brandenstein 30. Mai 2015

Transcript of Exkursion auf den Brandenstein - hohenburg-lenggries.de · Unsere Gruppe von Stein- und...

Die Kocheler Gegend ist ein landschaftliches Juwel mit einer facettenreichen Ver-gangenheit1. Der Verein für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. widmet sich mit großem Engagement deren Aufarbeitung. Die bisher erschienen Mitteilungen des Vereins decken ein breites Themenspektrum ab.

Unsere Gruppe von Stein- und Geschichtsinteressierten aus Tölz, Lenggries und der Jachenau konnte sich daher glücklich schätzen, zusammen mit Jost Knauss, einem hervorragender Kenner dieser Region, den Brandenstein zu erkunden (Abb. 2, 3). Die kurzweilige Führung war reich an anregenden Informationen und wurde abge-rundet durch einen kleinen Abstecher nach Altjoch. Die Teilnehmer danken Jost Knauss herzlich für diese einmalige Führung.

Die Exkursion fand in einem Gebiet statt, dessen Bodenschätze über viele Jahr-hunderte ausgebeutet wurden. „Der größte Trost der Geschichte war von jeher, dass die Natur durch allen verlebten Schutt hindurch immer neue Kräfte empor schiebt“, so der Maler Franz Marc, der in Ried bei Benediktbeuern seine letzten Lebensjahre verbrachte, bevor er als Soldat 1916 in der Nähe von Verdun fiel. Dennoch sind die Narben einer intensiven Naturvernutzung auch heute noch im Gelände sichtbar (Abb. 4).

1 Siehe etwa die spätbronzezeitliche Hügelfestung auf der großen Birg in Altjoch/Kochel.

Abb. 1. Blick nach Osten auf den Kochelsee mit Prospektionsgebiet (rot markiert). Foto ©axelfr.de

Abb. 2. Amtliche Karte ©BayernAtlas Abb. 3. Luftaufnahme ©BayernAtlas

Exkursion auf den Brandenstein

30. Mai 2015

Der Brandenstein liegt in einer besonderen geologischen Zone: Er besteht in Teilbe-reichen aus erzhaltigem Wettersteinkalk, dem erzhaltige Raibler Schichten vorgela-gert sind (Abb. 6). Dort wurde im 18. Jahrhundert nach Knollen aus Eisensulfid (Pyrit) geschürft, die im Verwitterungsbereich zu Brauneisen oxidierten (Abb. 7, 8). Sie sind sowohl als Eisen- als auch Vitriol-Rohstoffe, genutzt worden. In dieser Zeit verwendete die aufkommende chemische Industrie Pyrit, eine Verbindung aus Eisen und Schwefel, als Ausgangsstoff u.a. für Schwefelsäure. Für die Eisenvitriolherzustellung wurde das Erz geröstet, damit sich das Eisen als schwe-felsaures Eisenoxid an das Sulfat bindet. Anschließend wurde es in Kästen mit kal-tem Wasser ausgelaugt. In der Lauge löst sich das schwefelsaure Eisenoxid und setzte sich als gelber Schlamm aus der Mutterlauge auf den Boden ab. Dieser Bo-densatz wurde dann in Pfannen abgedampft. Aus der abgedampften Lauge kristalli-sierte nach ungefähr zwei Wochen Eisenvitriol heraus2.

Jost Knaus hat eine Studie zum Brandenstein-Codex, einer handschriftlichen Urkun-densammlung aus dem 15. und 16. Jahrhundert im historischen Archiv der Gemein-de Kochel, vorgelegt3. Angesichts der intensiven Felsbearbeitung der folgenden Jahrhunderte sind die Abbauspuren aus diesen Jahrhunderten am Brandenstein 2 Eine ausführliche Beschreibung dazu findet sich unter www.mineralienatlas.de Stichwort „Erzlaugung“. Aus vitriolhaltigen Lösungen werden Eisen und Kupfer gewonnen. 3 Siehe Knaus 2013 mit weiterführender Literatur.

Abb. 4. Blick nach Südosten mit Sonnenspitz, Graseck und Jochberg. Mittig das Exkursions-gelände hinter dem Seehotel „Grauer Bär“. Foto ©Seehotel Grauer Bär.

Abb. 5. Blick von der Mittenwalder Straße nach Osten auf den Brandenstein, im Hintergrund links die Sonnenspitz. Foto ©C.Vischer.

Brandenstein

Abb. 6. Ausschnitt Geologische Karte Nr. 8334 ©Bayerisches Geo-logisches Landesamt 1985. Vgl. Knauss 2013, 71 Abb. 7.1; Knauss 2015, 132 Abb. 9.1.

Abb. 7, 8. Gestein mit Brauneisenkrusten vom Brandenstein. Auf diesen hat sich eine Spezies von schwermetallresistenten Flechten, eine Symbiose zwischen Algen und Pilzen, ange-siedelt. Fotos ©C.Vischer.

kaum nachweisbar. Demgegenüber finden sich noch Relikte eines Bergwerks zur Eisensulfidgewinnung (siehe oben) aus dem 18. Jahrhundert, als das Kloster Bene-diktbeuern Hauer am Brandenstein beschäftigte4. Hier liegt der glückliche Umstand vor, dass die Schriftquellen und der archäologischer Befund übereinstimmen. Der Aufstieg zum Brandenstein führte uns über die „große Wand“ (Abb. 9). Die Reste von Brauneisen an der Felswand (Abb. 10) und am abgeschlagenen Gestein auf dem Boden geben den Hinweis, dass auch hier Brauneisen abgebaut wurde, be-vor die Mergelgewinnung aus den Raibler Schichten in den Fokus rückte (Abb. 11).

Auf dem Brandenstein lassen sich mindestens dreihundert Jahre Gesteinsabbau eru-ieren. Nach der Bergbauphase im 18. Jahrhundert, die durch die Halden (Abb. 12) samt schwermetallhaltigem Boden (Abb. 15) und eingefallenen Pingen (Abb. 13) do-kumentiert ist, wurde später sowohl Kalkstein als auch Mergel gewonnen. Seit An-fang des 19. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Kalk und Mergel für die Dün-gung. Die letzte Bearbeitungsphase auf dem Brandenstein fällt in die 1920er/30er Jahre (Abb. 14). Einer der Bände des Standardwerks von F. Honcamps aus dem Jahr 1931 beschäftigt sich ausführlich mit Kalk- und Mergel-Dünger5. Darüber hinaus diente der Kalkstein als Schotter.

4 Dieses Bergwerk wurde von H. Krumm identifiziert, s. Krumm 1997, 132f. Vgl. dazu Knauss 2013, 75 Abb. 7.5; ders. 2015, 124f. 5 F. Honcamps (Hrsg.), Handbuch der Pflanzenernährung und Düngelehre - Bd. Düngemittel und Düngung (1931, Berlin).

Abb. 14. Blick auf die Fels-wand mit anstehendem Mergel der Raibler Schichten. Foto ©C.Vischer

Abb. 12. Blick auf die Halde. Foto ©C.Vischer.

Abb. 13. Eingestürzte Pinge auf dem Brandenstein. Foto ©C.Vischer.

Abb. 15. Schwacher Pflanzenbewuchs auf dem schwermetallhaltigen Haldenboden. Foto ©C.Vischer.

Abb. 9. Blick nach Südosten auf die „große Wand“. Foto ©C.Vischer

Abb. 10, 11. Die anstehenden Raibler Schichten an der „großen Wand“. Fotos ©C.Vischer.

Abgesehen von den Relikten der Felsbearbeitung fanden sich auf dem Brandenstein auch Steinwerkzeuge, z.B. ein Schlägel aus dem 19. Jahrhundert (Abb. 16), mit dem Druck z.B. auf ein Eisen oder Meißel ausgeübt wurde. In zahlreichen Prospektions-gebieten der Autorin im Isarwinkel kamen Steinwerkzeuge zum Vorschein, die man infolge von Ressourcenknappheit anstelle von Metallwerkzeugen einsetzte. Dies be-traf nur bestimmte Werkzeuge. Der Schlägel vom Brandenstein besitzt ein typologi-sches Pendant aus der Jachenau (Abb. 17). Folglich wurden diese Werkzeuge nach Vorgaben angefertigt.

Wir verdanken Jost Knauss den Hinweis, dass in einem Areal in Altjoch Bergbau im anstehenden Wettersteinkalk betrieben wurde und dort auch ein Kalkofen angesie-delt war. Das durch die Hauer abgetragene Nebengestein konnte somit nutzenopti-miert in den Öfen eingesetzt werden. Ein schönes Beispiel eines Kalkofens befindet sich in Lenggries (Abb. 186), der 1958 seinen Dienst einstellte. Die Gründe lagen zum einen in Beton als neuem Werkstoff, zum anderen im Bau des Sylvensteinstau-sees, der einen Nachschub an Kalkstein verhinderte. Abbildung 197 aus dem Jahr 1930 zeigt einen Kalkofen mit dazugehörigem Steinbruch, der in Winzendorf (Öster-reich) stand.

Kalk fand vorwiegend Verwendung als Branntkalk (ungelöschter Kalk) für die Mörtel- und Wandtünchenherstellung. Dagegen setzte man gelöschten Kalk für die Düngung von sauren Ackerböden ein (siehe oben). Weiterhin nutzte man eine wässerige Lö-

6 Abbildungsnachweis: C. Veith, Der Kalkofen von Lenggries: Stiller Zeuge Jahrtausend alter Handwerkskunst (Norderstedt, 2014), 23. 7 Abbildungsnachweis: V. Fadrus, Wanderungen durch Niederösterreich, 2. Auflage, Deut-scher Verlag für Jugend und Volk (Wien/Leipzig, 1930).

Abb. 18. Historischer Kalkofen in Lenggries. Abb. 19. Kalkofen in Winzendorf, 1930.

Abb. 16. Schlägel aus Felsgestein vom Brandenstein. Foto ©C.Vischer.

Abb. 17. Schlägel aus erzhaltigem Sedimentgestein. Fundort: Jachenau. Foto ©C.Vischer.

sung von gelöschtem Kalk, die sog. Kalkmilch, zur Desinfektion des Stallinneren und zur Bekämpfung von Schädlingen an Obstbäumen. Ich habe meinen Exkursionsbericht mit dem Thema „Naturvernutzung“ begon-nen und beende ihn auch damit: Kochel ist seit jeher ein beliebter Touristenort. Hier verbrachte Franz Marc mit seiner Familie den Urlaub, bevor er in dieser Gegend sesshaft wurde. Daher existiert eine stattliche Anzahl an Postkarten, mit denen Menschen im letzten Jahrhundert ihre Liebsten beglückten. Anhand von historischen Postkarten lassen sich nun Ent-wicklungen bei dem vom Menschen geprägten Landschaftsbild ablesen.

Auf der Aufnahme von 1937 ist im Vergleich zum Foto von 1902 (Abb. 20) eine Zu-nahme der Abholzung zu verzeichnen. Zudem ist der Abbau von Mergel der Raibler Schichten deutlich an der großen Wand (Abb. 21 rote Markierung) als kahle weiße Fläche zu erkennen, der bereits auf den Abbildungen 10 und 11 festgehalten wurde. Die Erzsuche und der Kalkgesteinsabbau gehören der Vergangenheit an. Doch schon ist ein weiterer Eingriff geplant: An die Stelle des Abbaus von Rohstoffen tritt jetzt die Nutzung regenerativer Energien mit nicht abzusehenden Folgen für diesen Naturraum.

Abb. 21. Blick nach Südosten auf den Jochberg. Mittig das Exkursionsgelände hinter dem Seehotel „Grauer Bär“. Postkarte 1937 abgestempelt. Foto ©Akpool.de.

Abb. 20. Blick nach Osten auf die Sonnenspitz mit Graseck. Mittig das Exkursionsgelände hinter dem Seehotel „Grauer Bär“. Postkarte 1902 abgestempelt. Foto ©oldthing.de.

Literaturverzeichnis: Knauss, Jost 2015 Vom Walchengau zu den Weilbergen: Annäherungen an die römische Ver-

gangenheit des Zweiseenlands am Herzogstand, Mitteilungen des Vereins für Heimatgeschichte im Zweiseenland Kochel e.V. Nr. 12.

2013 Der Brandenstein – Codex oder das Goldfieber des Veit Jocher von Joch und des Augustin Ruedolff aus München, Mitteilungen des Vereins für Heimatge-schichte im Zweiseenland Kochel e.V. Nr. 8.

Krumm, Hans 1997 Über historische Verbindungen der alten oberbayerischen Klöster zum Mon-

tanwesen, Berichte der Geologischen Bundesanstalt Nr. 41, 129‒134. ©Dr. Claudia Vischer, M.A.