Experimentelle Untersuchungen zur Enterokokkeninfektion der Gallenblase

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~8. 5IAI ~926 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 22 989 ebenso die h6here Konzentration in der Gallenblase ffir ein h~imatogenes Angebot an die fetale Leber. Retries Frucht- wasser stand uns zur Untersuchung nicht zur Verffigung: In noeh unver6ffentlichten Untersuchungen fanden wir, dab bet manifester Urobilin~mie Urobitin zwar in alle Trans- und Exsudate fibergeht, nicht abet in Sekrete wie Speichel und Liquor. Noch auf 2 Punkte mSchten wit kurz die Aufmerksamkeit lenken: I. die groBe H~iuiigkeit der Urobilin~imie (ca. 30%) am Ende der normalen Schwangerschait, die bisher noch nit untersucht wurde, und mit dem yon H. ADLER, REIMANN ~) und mir ~) nahegelegten Zusammenhang zwischen Urobilin- ~imie und St6rung des reticuloendotheliaten Abfangverm6gens eine Erkliirung linden k6nnte, a. die Tatsache, daft die Meinen ins Ietale Blur fibertretenden Urobflinmengen (ca. ~/~0 der Konzentration im mfitterlichen Blut) nicht gleich eliminiert werden wie beim Erwachsenen, soadern nachweisbar bleiben. Auch nach der Geburt konnten wit in einigen FSllen bis in die 2. Lebenswoche bet geringer Urobilinurie im Serum deutliche Urobilinreaktion nachweisen, womit such H~RZ~ELI)S An- nahme einer renalen Genese des Urobilins beim Neugeborenen widerlegt ist. Es scheint danach in der ersten Lebenszeit die F~ihigkeit des Erwachsenen, Urobilin wie andere Farb- stoffe rasch aus denl I(reislauf zu e!iminieren, noch nicht roll entwickelt zu seth. Zusammen/assung. I. Der [Darminhalt des Fetus, Ham and Stuhl des Neu- geborenen enthalten regelm~iBig Urobilin. 2. [Dieses Urobilin entstammt dem mfitterlichen Blur nnd geht auf dem Plaeentarweg ant den Fetus fiber. Es wird vonder Leber abgefangen und in die Galle ausgeschieden, wo es regelmXftig nachweisbar ist. [Die fetale Leber besitzt demnach schon im 7. Lunarmonat eine exkretorische Funktion, in einern Zeitpunkt, in dem sie die Nitre normalerweise wohl noch nicht hat. 3- Wenige Stunden nach der Geburt setzt die bakterielle Urobitinbildung im Darm eta. 4. Schwangere der letzten Lunarmonate, besonders abet GebS~rende zeigen h~iufig geringe Urobilin~imie. 5- Kleine in den Kreislaui gelangende Urobilinmengen bleiben in der Fetalzeit und in den ersten Lebenstagen im Serum nachweisbar. 6. Fiir die Annahme einer extraenteralen Nrobilinbildung beim Fetus und Neageborenen besteht kein Anhaltspunkt. Litera~ur: 2) F. Mi3LLER, Zeiischr. f. k~in. Med. ~2, 45. ~887. -- ~) BRUte, Cpt. rend. des sdances de la soc. de biol. I9~I, Nr. ~', S. 84, -- ~) HERZFELD und HX~RLI, Schweiz. med. Wochen- schrift 1925, S. r48. -- ~) GOLnSCI~MIDT und ADLER, Zeitschr. f. Gyn~kol. 1924, S. 1526. -- ~) EscH~ici~, Die Darmbakterien des SXuglings. Stuttgart 1886, zit. nach JASCH~:E, Physiologie des Neugeborenen. -- ~) Mo~o, Jahrb. f. Kinderheilk. i9o5, S. 6i. -- ~) KX~IS~ERER, Wien. ktin. Vr 2922, S. 64o. -- s) REuss, Zeitschr. f. Nfnderheiik. 1922, Nr. 3. -- ~) MAu Zeitschr. f. Kinderheilk. I, 487 . -- ~) Passim1, \u klin. \u 1922, S. 219. -- ~1) L~MAI~, L'urobiline, Th~se de Paris I9o5, zit. nach MEYER-B~TZ, Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk. It. ~9I 3. -- ~) H. ADLER und I~INA~, Zeitschr. f. d. ges. exp. ?,fed. 47, 617- -- ~a) M. ~vVI~T~_~Z, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 47, 634. EXPERIMENTELLE UNTERSUCHUNGEN ZUR ENTEROKOKKENINFEKTION DER GALLENBLASE. Ein Beitrag zum Problem der elektiven Lokalisation yon Krankheitserregern. Von Dr. KURT MEYER und Dr. WALTER L6W~BERC, Direktor d. BakterioL Abteil. 0berarzt d. L Inn. Abteil. (Dir.: Geh.-Rat Prof. L. KUTTNER) des Rudolf Virchow-Krankenhauses in BerIin. [Die Unterschiede in den Symptomenbfldern der einzelnen Infektionskrankheiten, die fiberhaupt erst die Abgrenzung versehiedener Krankheitsformen erm6glichen, sind nich• zum wenigsten dutch eine spezifische A]]init(~t der In/ektionserreger zu bestimmten Organen und Geweben des KSrpers bedingt. Dal3 die einzelnen Bakterienarten sich mit Vorliebe bald in diesem, bald in jenem Organsystem ansiedeln, brauchen wit hier wohl nicht dutch Beispiele zu belegen. Die Lokalisationsspezifit~t kann abet noch welter gehen, indem auch zwisehen einzelnen Sti~mmen dee gleiehen Art Unterschiede erkennbar werden. Schon epidemiologische Beob- achtungen weisen auf solche Unterschiede der Organotropie irmerhalb der gleichen Azt hin, da ja der den einzelnen Epi- demien eigentfimliche Charakter, das Hervortreten bald dieser, bald jener Organsymptome, das Auftreten bestimmter Kom- plikationen, sehr wesentlich yon dem jeweiligen Angriifspunkt der Erreger abh~ingt. Als Beispiel wollen wit nur auf die Grippe hinweisen, bet der bald mehr die Erkrankungen des Respirationsapparates, bald die des Intestinaltraktus oder des Zentralnervensystems den Charakter der Epidemie be- stimmen. Auch die durdn zahlreiche Beobachtungen gestfitzte Lehre yon der Syphilis 5 virus nerveux geh6rt in dieses Gebiet. Experimentelte Untersuchungen zum direkten Nachweis einer solchen Lokalisationsspezifitgt liegen trotz der theo- retischen und praktischen Bedeutung dieser Frage nur in ganz geringer Zahl vor. So haben sich L~VADITi und MARIE 1) bemfiht, den Nachweis yon Unterschieden zwischen ether dermotropen and einer neurotropen Form des Syphiliserregers zu ffihren: IJber ~ihnliche Versuche berichteten such PLAUT und MULZER z). Besonders hat abet der Amerikaner E. C. P~OSENOW= a) in einer Reihe yon Arbeiten, die sich fiber mehr als io Jahre hinziehen, den Nachweis zu erbringen gesucht, dab Strepto- kolckensti~mme, die er bet den verschiedensten pathologischen Zust~nden aus den erkrankten Organen gezfichtet hatte, IKaninchen nnd Hunden intraven6s injiziert, Erkrankungen der gleichen Art hervorriefen, also eine ausgesprochene Organ- spezi/itdt zeigten. Er beschreibt solche spezifischen Strepio- kokkenst~mme als Erreger yon Appendicitis, Ulcus ventriculi und duodeni, Cholecystitis, Myositis, Encephalitis, Neuritis, Chorea usw. Welter gelang es ibm auch, bet diesen Erkranknngen ass den Tonsillen sowie aus infizierten Zahnwurzehl Streptokok!~en- st~imme zu zfichten, die die gleichen organspezifischen Eigen- schaften zeigten. Diese Beobachtungen ]~OSENOWS wnrden eine der wieh- tigsten Grundlagen Ifir die in Amerika sich gegenwiirtig weitester Aaerkennung erfreuenden Lehre yon der /otcalen, d. h. yon Herden in den Tonsillen oder Zghnen ausgeheneen metastatisehen In]ektion. Wir beabsichtigen nicht, hier in eine Kritik der Rosenow- schen Arbeiten, die yon ether Reihe amerikanischer Autoren bestiitigt nnd erweitert wurden, einzutreten. Einen gewissen Skeptizismus rechtfertigt nut der Umstand, dab ROSENOW such bet solchen Erkrankungen, die sieher nicht dutch Strepto- kokkenst~imme verursacht werden, z. B. Poliomyelitis und Encephalitis lethargica, Streptokokkenst~imme gezttchtet haben will, die bet Kaninchen den menschliehen Krankheits- bildern in jeder Beziehung entsprechende Infektionen hervor- riefen. Bedauerlich erseheint es jedenfalls, dab die Rosenow- schen Untersuehnngen in Europa, soweit wir sehen, keine eingehendere Nachprfifung, die allerdings tin groBes Tier- material erfordern wtirde, erfahren haben. Von Versnchen, experimentell eine spezifische Organotropie yon Bakterien zu erzeugen, sind uns nar die yon FORSSZC~R a) bekanntgeworden, dem es gelang, einen pyogenen Strepto- kokkenstamm, der keine besondere Lokalisationstendenz zeigte, dutch l~ngere Fortzfichtung in Nierengewebe so um- zuwandeln, dab er nnter Einbul3e der allgemeinen Virulenz sich ausschliel31ich in den Nieren ansiedelte. Wir selbst sind yon eiaer anderen Seite her dazu gekommen, uns mit der Frage der Lokalisationsspezifit~it zu befassen , und zwar im Zasammenhang mit den seit l~ngerer Zeit in uhSerem Laboratorium durchgeffihrten Untersuchungen fiber, die Eigenschaften nnd Bedeutung des Enterolcokkus. Dieser, zuerst yon ESCHERIC~I 5) ats 1Viikrococcus ovalis, sparer yon TI~IERe~LIN6) als En~cerokokkus, yon den EnglXndern als Streptococcus faecalis beschrieben, ist ~hnlich dem Colibacilhs ella

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~8. 5IAI ~926 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr . 22 989

ebenso die h6here Konzen t r a t ion in der Gallenblase ffir ein h~imatogenes Angebo t an die fetale Leber. Retries F ruch t - wasser s tand uns zur Un te r suchung n ich t zur Verff igung: I n noeh unver6f fen t l i ch ten Un te r suchungen fanden wir, dab bet mani fes te r Urobi l in~mie Urobi t in zwar in alle Trans- und E x s u d a t e fibergeht, n icht abe t in Sekrete wie Speichel und Liquor .

Noch auf 2 P u n k t e mSchten wi t kurz die Aufmerksamke i t lenken: I. die groBe H~iuiigkeit der Urobilin~imie (ca. 30%) am E n d e der normalen Schwangerschai t , die bisher noch n i t un te r such t wurde, und mi t dem yon H. ADLER, REIMANN ~) und mi r ~) nahegelegten Zusammenhang zwischen Urobi l in- ~imie und St6rung des re t iculoendothel ia ten Abfangverm6gens eine Erkl i i rung l inden k6nnte , a. die Tatsache, daft die Meinen ins Ietale Blur f iber t re tenden Urobf l inmengen (ca. ~/~0 der Konzen t ra t ion im mfi t ter l ichen Blut) n icht gleich e l iminier t werden wie be im Erwachsenen, soadern nachweisbar bleiben. Auch nach der Gebur t konnten wi t in einigen FSllen bis in die 2. Lebenswoche bet ger inger Urobi l inur ie im Serum deut l iche Urobi l in reak t ion nachweisen, womi t such H~RZ~ELI)S An- nahme einer renalen Genese des Urobi l ins be im Neugeborenen wider legt ist . Es scheint danach in der ersten Lebenszei t die F~ihigkeit des Erwachsenen, Urobi l in wie andere Farb- stoffe rasch aus denl I(reis lauf zu e!iminieren, noch nicht ro l l en twicke l t zu seth.

Zusammen/assung. I. Der [Darminhalt des Fetus, H a m and Stuhl des Neu-

geborenen en tha l t en regelm~iBig Urobi l in . 2. [Dieses Urobi l in e n t s t a m m t dem mfi t ter l ichen Blur

nnd geht auf dem P laeen ta rweg ant den Fe tus fiber. Es wird v o n d e r Leber abgefangen und in die Galle ausgeschieden, wo es regelmXftig nachweisbar ist. [Die fetale Leber bes i tz t demnach schon im 7. L u n a r m o n a t eine exkretorische Funkt ion , in einern Zei tpunkt , in dem sie die Ni t re normalerweise wohl noch nicht hat .

3- Wenige S tunden nach der Gebur t se tz t die bakter ie l le Urobi t inb i ldung im D a r m eta.

4. Schwangere der le tz ten Lunarmona te , besonders abe t GebS~rende zeigen h~iufig geringe Urobilin~imie.

5- Kleine in den Kreis laui gelangende Urobi l inmengen bleiben in der Fe ta lze i t und in den ersten Lebens tagen im Serum nachweisbar .

6. Fi i r die Annahme einer ex t raen te ra len Nrobi l inbi ldung beim Fe tu s und Neageborenen bes teh t kein Anha l t spunk t .

L i t e r a ~ u r : 2) F. Mi3LLER, Zeiischr. f. k~in. Med. ~2, 45. ~887. -- ~) BRUte, Cpt. rend. des sdances de la soc. de biol. I9~I, Nr. ~', S. 84, -- ~) HERZFELD und H X ~ R L I , Schweiz. med. Wochen- schrift 1925, S. r48. -- ~) GOLnSCI~MIDT und ADLER, Zeitschr. f. Gyn~kol. 1924, S. 1526. -- ~) EscH~ici~, Die Darmbakterien des SXuglings. Stuttgart 1886, zit. nach JASCH~:E, Physiologie des Neugeborenen. -- ~) Mo~o, Jahrb. f. Kinderheilk. i9o5, S. 6i. -- ~) KX~IS~ERER, Wien. ktin. Vr 2922, S. 64o. -- s) REuss, Zeitschr. f. Nfnderheiik. 1922, Nr. 3. -- ~) MAu Zeitschr. f. Kinderheilk. I, 487 . -- ~) Passim1, \u klin. \u 1922, S. 219. -- ~1) L~MAI~, L'urobiline, Th~se de Paris I9o5, zit. nach MEYER-B~TZ, Ergebn. d. inn. Med. u. Kinderheilk. I t . ~9I 3. -- ~) H. ADLER und I ~ I N A ~ , Zeitschr. f. d. ges. exp. ?,fed. 47, 617- -- ~a) M. ~vVI~T~_~Z, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 47, 634.

E X P E R I M E N T E L L E U N T E R S U C H U N G E N Z U R E N T E R O K O K K E N I N F E K T I O N D E R G A L L E N B L A S E .

E i n Beitrag zum Problem der elektiven Lokalisation yon Krankheitserregern.

V o n

Dr. KURT MEYER u n d Dr . WALTER L 6 W ~ B E R C , Direktor d. BakterioL Abteil. 0berarzt d. L Inn. Abteil.

(Dir.: Geh.-Rat Prof. L. KUTTNER) des Rudolf Virchow-Krankenhauses in BerIin.

[Die Unterschiede in den Symptomenbf lde rn der einzelnen Infek t ionskrankhei ten , die f iberhaupt erst die Abgrenzung versehiedener Krankhe i t s fo rmen erm6glichen, sind nich• zum wenigsten du tch eine spezifische A]]init(~t der In/ektionserreger

zu bestimmten Organen und Geweben des KSrpers bedingt . Dal3 die einzelnen Bak te r i ena r t en sich mi t Vorl iebe bald in diesem, bald in j enem Organsys tem ansiedeln, b rauchen wi t hier wohl n ich t du tch Beispiele zu belegen.

Die Lokal isa t ionsspezif i t~t kann abe t noch wel ter gehen, i ndem auch zwisehen einzelnen Sti~mmen dee gleiehen Art Unterschiede erkennbar werden. Schon epidemiologische Beob- ach tungen weisen auf solche Unte rsch iede der Organot ropie i rmerhalb der gleichen Azt hin, da ja der den einzelnen Epi - demien eigentfimliche Charakter , das H e r v o r t r e t e n bald dieser, bald jener Organsymptome, das Auf t re ten be s t immte r Kom- pl ikat ionen, sehr wesent l ich yon dem jeweil igen Angr i i f spunk t der Er reger abh~ingt. Als Beispiel wollen wi t nur auf die Gr ippe hinweisen, bet der bald mehr die E r k r a n k u n g e n des Respi ra t ionsappara tes , bald die des In t e s t ina l t r ak tus oder des Zent ra lnervensys tems den Charak te r der Ep idemie be- s t immen. Auch die durdn zahlreiche Beobach tungen gestf i tzte Lehre yon der Syphilis 5 virus ne rveux geh6r t in dieses Gebiet.

Exper imente l t e Unte r suchungen zum di rek ten Nachweis einer solchen Lokal isa t ionsspezi f i tg t l iegen t r o t z der theo- ret ischen und prakt i schen Bedeu tung d ieser Frage nur in ganz geringer Zahl vor. So haben sich L~VADITi und MARIE 1) bemfiht , den Nachweis yon Untersch ieden zwischen ether dermotropen and einer neurotropen Form des Syphiliserregers zu ffihren: IJber ~ihnliche Versuche ber ich te ten such PLAUT und MULZER z).

Besonders ha t abe t der Amer ikaner E. C. P~OSENOW= a)

in einer Reihe yon Arbei ten, die sich fiber mehr als io Jah re hinziehen, den Nachweis zu erbr ingen gesucht, dab Strepto- kolckensti~mme, die er bet den verschiedensten pathologischen Zust~nden aus den e rkrank ten Organen gezfichtet ha t te , IKaninchen nnd H u n d e n in t raven6s injiziert , E rk r ankungen der gleichen Ar t hervorriefen, also eine ausgesprochene Organ- spezi/itdt zeigten. E r beschreibt solche spezifischen Strepio- kokkens t~mme als Erreger yon Appendici t is , Ulcus vent r icul i und duodeni, Cholecystit is, Myositis, Encephal i t is , Neuri t is , Chorea usw.

Wel te r gelang es ibm auch, bet diesen E rk ranknngen ass den Tonsil len sowie aus infizierten Zahnwurzehl Streptokok!~en- st~imme zu zfichten, die die gleichen organspezif ischen Eigen- schaften zeigten.

Diese Beobach tungen ]~OSENOWS wnrden eine der wieh- t igsten Grundlagen Ifir die in Amer ika sich gegenwiirt ig wei tes ter Aae rkennung erfreuenden Lehre yon der /otcalen, d. h. yon Herden in den Tonsil len oder Zghnen ausgeheneen metas ta t i sehen In]ektion.

Wir beabsicht igen nicht, hier in eine Kr i t ik der Rosenow- schen Arbei ten, die yon ether Re ihe amer ikanischer Autoren best i i t igt nnd erwei te r t wurden, e inzutreten. E inen gewissen Skept iz ismus recht fer t ig t n u t der Umstand , dab ROSENOW such bet solchen Erkrankungen , die sieher n ich t du tch St repto- kokkenst~imme verursach t werden, z. B. Pol iomyel i t i s und Encephal i t i s lethargica, Streptokokkenst~imme gezt tchtet haben will, die bet Kan inchen den menschl iehen Krankhei t s - bi ldern in jeder Bez iehung entsprechende Infek t ionen hervor - riefen. Bedauer l ich erseheint es jedenfalls, dab die Rosenow- schen Unte r suehnngen in Europa , soweit wir sehen, keine eingehendere Nachprfifung, die allerdings t in groBes T ie r - mate r ia l erfordern wtirde, erfahren haben.

Von Versnchen, experimentell eine spezifische Organotropie yon Bakterien zu erzeugen, sind uns n a r die yon FORSSZC~R a) bekanntgeworden , dem es gelang, einen pyogenen St repto- kokkens tamm, der keine besondere Lokal i sa t ions tendenz zeigte, du tch l~ngere For tz f ich tung in Nierengewebe so um- zuwandeln, dab er nn t e r Einbul3e der a l lgemeinen Virulenz sich ausschliel31ich in den Nieren ansiedelte.

Wir selbst sind yon eiaer anderen Seite her dazu gekommen, uns mi t der Frage der Lokalisationsspezifit~it zu befassen , u n d zwar im Z a s a m m e n h a n g mi t den seit l~ngerer Zei t in uhSerem Labora to r ium durchgeff ihr ten Unte r suchungen fiber, die E igenschaf ten nnd Bedeu tung des Enterolcokkus.

Dieser, zuerst yon ESCHERIC~I 5) ats 1Viikrococcus ovalis, sparer yon TI~IERe~LIN 6) als En~cerokokkus, yon den EnglXndern als Streptococcus faecalis beschrieben, ist ~hnlich dem Colibacilhs ella

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regelm~Igiger Bewohner des Darms. W~thrend er in pddiatrischen Arbeiten a11gemein gewfirdigt wird, hat er in der deutsehen bakterio- logisehen Literatur nur wenig Berficksichtigung gefnnden. I)er Grund ist darin zu suchen, dab er im a11gemeinen in die wahrschein- itch sehr hefierogene Gruppe des Streptococcus viridans einbegriffen wird.

Demgegeniiber hat K. MEYER 7) mit Nachdruck betont, daft der Entero~olckus mit gleieher Berechtigung yon. dem Streptococcus viridans abzutrennen ist wie der Pncumokok~us. Als Merkmale, die seine Differenzierung gegenfiber dem Strepto- coccus viridans ermSglichen, hob er hervor seine meist ova le, dem Pneumokokkns ~hnliche Gestalt, seine haufige Anordnung in Diploformen, das homogene Wachstum in Bouillon, die meist vor- handene Fiihigkeit der Mannitverg~rung, endlich seine lange Lebens- dauer und seine Widerstandsfi~higkeit gegen Erhitzen auf 6o ~ In neueren Untersuchungen, fiber die K. MEYER und H. SC~6NrELI) s) an anderer Stelle beriehten, hat sich die Thermoresistenz, die zuerst yon Hocs~o.~ und M'CLoY 9) beschrieben wurde, Ms wertvolles Differentialmerkmal bew~hrt, und als besonders eharakteristisch hat sieh die yon ROeHAIX TM) beobachtete FXhigkeit der ~fsculin- spaltung erwiesen. Diese wird in einfacher Weise geprflft in einem yon H A ~ I s o ~ und V~D~RL~CK ~z) angegebenen N~hrboden, der in IOO ccm Wasser 1, 5 g Pepton, 0, 5 g Natrium taurocholicum, o,I g ~sculin und 0,05 g Ferricitrat enth~lt und yon Enterokokken fast regelmXBig geschwXrzt wird, wXhrend ihn Viridansst~mme nnr ganz ausnahmsweise ver/~ndern.

Wet te r hubert Un te r suchungen yon K. M~Y~R nnd H. L6WE~STEIN ~) ergeben, dab sich der En te rokokkus in vielen F~llen mi t te l s Agglu t ina t ion durch spezifische Sere identi- f izieren und d a m i t auch auf serologisehem Wege yore Strepto- coccus viridans di]/erenzieren l(ifit.

In der Beschri~nkung des Enterokolckus au] den Darmtraktus, die ihr Gegenstt ick in der Ansiedlung des Streptococcus viri- dens in der 1Vfund- und Rachenh6hle hat , darf man ebenfalls den Ausdruck einer Lokalisationsspezi]itgt erblicken. Noch ausgesprochener t r i t t diese hervor , wenn der En te rokokkus zum Krankheitserreger wird, wie dies, ~hnlich wie beim Coli- bacillus, der Fal l ist, sobald er seine gew6hnliche Ansiedlungs- s t~t te verl~Bt und in andere Organe eindringt .

l~ber pathogene Wirkungen des Enterokokkus l iegen schon seit li~ngerer Zeit Angaben, meis t franz6sischer Autoren, vor ; in Deu t sch land h a t besonders SC~MITZ ~) fiber ahnl iehe Beobach tungen ber ichtet , und die Eseherichsehe Sehule h a t ibm eine gewisse Bedeu tung ffir die En t s t ehung der S~ug- l ingsenter i t iden zuschreiben wollen; aber im ganzen muBte m a n aus der L i t e ra tu r den E ind ruck gewinnen, dab es sieh bet diesen Krankhei tsf~l len um recht seltene Vorkommnisse handel te .

E r s t K. MEYE~ ~) h a t darauf hingewiesen, dab der En te ro - kokkns bet allen Ei terungen, die mi t dem D a r m k a n a l in Zu- s a m m e n h a n g stehen, mi t groBer Regelm~i~igkeit anget rof ien wird, dab er ein h~ufiger Er reger yon Cyst i t iden und Pyel i- t iden ist, und dab er vo r a l lem eine wesentliche Rolle bet den. In]dctionen der Gallenwege spielt, bet denen er in 44,5% der F~lle m i t pos i t ivem bakter io logischen Befund nachgewiesen werden, konnte .

Man kann gewissermal3en den Darm m i t seiner En te ro- kokkerfflora als e inen Herd ansehen, yon dem jederzei t Enterokolzkenln[ektionen, besonders der Abdominalorgane , in gleicher Weise ausgehen k6nnen wie Viridansin]ekte yon den Tonsillen.

W e n n Lokal i sa t ionen des En te rokokkus in anderen Or- ganen, z. B. P leura und Meningen, yon einzelnen, besonders franzSsischen Auto ren ebenfalls beschrieben worden sind nnd wenn auch En te rokokkensep t i c~mien gelegentl ich beobach te t werden - - wir selbst sahen in le tz ter Zeit 2 solche F~lle - - , so sind dies doeh immerh in seltene Vorkommnisse , so dab durch sie die vorwiegende Beschr~nkung des En te rokokkus auf E r k r a n k u n g e n der Abdomina lorgane n ich t in Frage ge- s tel l t wird. Auch hier haben w i r e s also m i t einer Lotcalisa- t ion gn bestimmten Organsystemen zu tun, die aber sicher zum Teil auch durch die r~umliche Nachbarschaf t zum D a r m be- d i n g t sein dfirffe.

Jedenfal ls schienen uns diese Beobach tungen Ankntip- fungspunkte zu den Rosenowschen Befunden zu bieten, und

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 5. J A H R G A N G . Nr . 22 2S. -~IAI I926

wir suchten daher exper imente l l festzustellen, ob sich die besondere Beziehung der En te rokokken zur Gallenblase auch beim Versuchst ier nachweisen 1XBt, wodureh wenigstens ffir einen Einzel tal l eine Best~itigung der Rosenowschen Befunde gegeben w~re,

Bezfiglich aller Einzelhei ten unserer Tierversuche mfissen wir auf eine in der Zeitschr. f: d. ges. exp. Med. 51 erschei- nende Arbei t verweisen, die die ausffihrl ichen Protokol le br ingen wird, w~hrend wir uns bier auf eine kurze Wiedergabe der Ergebnisse beschr~nken.

12 Kaninchen erhiet ten in t raven6s mehr fach in j ek t ionen lebender En te rokokken verschiedener Herkunf t . Die Tiere wurden 4 - -28 Tage nach der le tz ten In jek t ion ge t6 te t und ihre Organe auf das Vorhandensein yon En te rokokken unter- sucht. Mit Ausnahme eines Falles, dessen Ergebnis unsicher ist, wurden bet alien Tieren, bet denen f iberhaupt noch Entero- kokken vorhanden waren, diese auch in der Gallenblase nach- gewiesen (8mal): I m B!ut und anderen Organen (Milz, Leber) fanden sie sich sel tener und nu t in der Niere auch 7mal.

E in elekt ives VerhMten der Enterokokken zur Gallenblase t r a t aber in pr~gnanter Weise hervor , als vergleiehende Versuehe mit anderen Streptokokkentypen vorgenommen wurden. Zu dieseu veranlaBte uns eine Mte reArbe i t yon J . KocH14), dem eine exper imente l le Infekt ion der Gallenblase mi t pyogenen S t rep tokokken yon der B lu tbahn aus n icht oder n u t ans- nahmsweise gelungen war. Auch te i l ten uns die Herren KWASNIEWSKI und HENNING mit, dab sie bet Gelegenhei t von Kaninchenversuchen mi t h~moly t i schen St reptokokken, die sie ant der Infekt ionsabte i lung unseres Krankenhauses anste l l ten und fiber die sie in der Zeitschr. f. d. ges. exp. _YIed. ber ich ten werden, niemals S t rep tokokken in der Gallenblase nachweisen konnten, auch wenn das Blur und andere Organe mi t Kokken f iberschwemmt waren.

Wir konnten die Angaben dieser Auto ren in der T a t be- st~figen. Un te r 8 mi t h~molytisehen Streptokokken gespr i tz ten Kan inchen waren bet e inem Tier S t rep tokokken nirgends mehr vorhanden, bet e inem wei teren waren sie nu t in e inem ver- e i te r ten Gelenk enthal ten, bet den fibrigen waren Blur und Or- gane mi t S t rep tokokken fibers~t, w~hrend sie sich in der Gallenblase bet ke inem der Tiere fanden, obwohl diese meis t bedeu tend ktirzere Zeit nach der le tz ten In jek t ion ge- t6 t e t waren als die Enterokokkenf ie re .

Von beson.derem Interesse mufl te nun das Verhal ten des Streptococcus viridans erscheinen. W e n n sich nachweisen lieB, dab auch bet diesem eine Ansiedlung in der Gallenblase n ich t erfolgt, so war dami t eine wesent l iche St~itze ffir die Ansicht K. MEYERS gewonnen, dab die sehr h~ufigen sog. St repto- kokkeninfekt ionen der Gallenblase in Wirk l ichke i t In fek t ionen durch den En te rokokkus stud. W i t behande l ten daher 6 wei tere Kaninchen mi t Vir idanss t~mmen. Bet 2 Tieren wurden die Organe steri l gefunden. Bet e inem Tiere, das berei ts 24 S tunden nach der le tz ten In jek t ion ge t6 te t wn~de, waren sie nu t in der Milz, bet zwei wei teren ebenfalls nach 24 S tunden nur in Milz nnd Leber, bet e inem Tiere in Blur, Leber, Milz und Niere. Niemals dagegen fanden sie sich in der Gallen- blase.

Das Ergebnis unserer Versuche glauben wi t dahin zu- sammenfassen zu dfirfen, dab bet experimenteUer Infektion des Kaninehens yon der Blutbahn aus Enterolcokken sieh h(iufig, hgmolytische und Viridansstreptolcokken dagegen, wenn iiberhaupt, so nur ganz ausnahmswiese in der GalIenblase anzusiedeln ver- mSgen.

Die Sonderstellung der Enterol~oMcen innerhalb der Strepto- Icokkengrupp.e lcommt somit aueh in unseren Tierversuchen wieder zum Ausdruck .

Dfirfen wir m m dieses Verhal ten des En te rokokkus ais eine Elektivit(~t der Lokalisation bezeiehnen ? Vor Bean twor tung dieser Frage mfissen wir uns darfiber Mar werden, dab der Begriff der Elekt iv i tXt einen zweifachen Inha l t haben kann. Von EIek t iv i t~ t kann man spreehen, wenn eine Bak te r i ena r t sfeh nur in bestimmten Organen ansiedeIt, und in diesem Sinne ha t RosENow seinen S t r ep tokokkens t~mmen Lokalisat ions- elektivitXt beigelegt. U m E lek t iv i t~ t hande l t es sich aber auch, wenn yon ve rwand t en Bak te r i ena r t en nur eine bes t immte sich

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28. MAI ~926 1 4 L I N I S C H E \ V O C H E N S C H

in diesem oder jenem Organ lokalisiert, wie es bet den Entero- kokken beziiglich der Gallenblase und vielleicht auch der Niere der Fall ist. Wi t tragen daher kein Bedenken, yon e/,e/~- tiven Beziehungen der Enterolcokke~ zur Gallenblase zu sprechen, auch wenn sie sich in anderen Organen ebenfalls anzusiedeln nnd dort pathogen zu wirken vermSgen.

Eine Erktgrung ffir das verschiedene Verhalten der Entero- kokken einerseits, der anderen Streptokokkentypen anderer- seits dtirfte nicht schwer zu finden sein. Bet der plStzlichen lJberschwemmung des Blutes mit den Kokken, die mehr oder weniger lange Zeit andauern kann, werden wir einen Obertr i t t aus dem Blut in die Gallencapillaren in jedem Tall annehmen mfissen, und in der Tat haben ganz ktirzlich MATtEs und SCttULTZ 15) mitgeteilt, dab beim Gallenfistelhund nach intravenSser Injektion von Streptokokken diese bereits nach 15 Minuten in der Galle ausgeschieden werden. Wenn es nun nut bet den Enterokokken, dagegen nicht bet den Streptokokken zu ether Ansiedlung und Vermehrung in der Galle kommt, so hat dies seinen Grund offenbar darin, daB, wie vor langer Zeit schon E. FRKNKEL und P. KR;ausn xa} festgestellt haben, die Galle fiir die Streptokokken ein sehr ungfinstiges Medium ist, w~ihrend die Enterokokken ihr gegeniiber eine hohe Widerstandsf/~higkeit besitzen, die often- bar eine Anpassung an das Leben im gallehaltigen Darm- inhalt darstellt.

Elef~tivit(~t der JSohalisation kann demnach, wie unsere ]Beobachtungen zeigen, in zwei]acher Weiee bedingt sein. Im allgemeinen stellt man sich wohl vor, dab die Erreger in diesem oder jenem Organe ftir ihre Entwicklung besonders gfinstige Bedingungen, etwa bestimmte N~hrstoffe, linden und sich daher in erster Linie dort ansiedetn; man k6nnte hier yon einer ,,Aviditgtselektiviti~t" sprechen. In unserm Tall aber sehen wir, dab die Elektivit / i t auf einer erhShten Widerstands- ](~higkeit gegenfiber einem sch~digenden Moment beruht, also eine ,,Resistenzelektivitd~t" vorliegt. Wir glauben, dug diese begriffliche Scheidung sich bet weiteren Untersuchungen fiber das Wesen der elektiven Lokalisation von Krankheitserregern als zweckm~il3ig erweisen wird.

Auch in ldiniseher Beziehung scheinen unsere Beobachtun- gen eine gewisse Bedeutung beanspruchen zu dtirfen. Sie geben die Erkl~irung daffir, dab Galleninfektionen mit dem Strepto- coccus hfmaolyiicus und Streptococcus viridans nicht oder nut sehr selten vorkommen.

Nun hat alIerdings, auf Veranlassung SCHOrrMOLLERS, ]~ICHHO~F xv) 2 Fiille chronisch verlaufender Cholangitis beschrieben, bet denen er einmal aus dem Blur, im anderen Falle aus dem Urin und, post mortem, aus der Galle grtin wachsende Streptokokken ztichtete. Da er diese als Viridans- st~imme ansah, so gab er dem Krankheitsbild in Analogie zu der durch den Streptoccus viridans verursachten Endokarditis lenta die Bezeichnung ,;Cholangitis Ienta" und nahm ver- st~indlicherweise eine hS.matogene Entstehung des Gallen- infektes a n . LOEW:ENI-IARDT 18) beobachtete 2 Xhnliche F~lle und deutete das Krankheitsbild im wesentlichen im gleichen Sinne wie ~ICHHOFF.

Demgegelltiber mSchten wir, wie schon frfiher auf Grund nnserer bakteriologischen Untersuchungsergebnisse, so jetzt besonders auch ira Hinblick auf unsere Tierversuche die Ver- mutung aussprechen, dab es sich bet jenen lirankheitsbildern nicht um Viridansinfektionen, sondern urn solche mit dem ]Enterokokkus gehandelt hat. I)enn nach unseren Erfahrungen kann der Enterokokkus auf der Blutplatte grfine Kolonien bilden, die ohne genauere Untersuchung yon denen des Strepto- coccus viridans nicht mit Sicherheit zu unterscheiden sind, nnd auch der Befund von grfin wachsenden Kokken im Blut spricht nicht gegen unsere Auffassnng, da F~lle yon Enterokokkensepsis wiederholt, besonders yon franz6sischen Autoren, beschrieben worden sind. Auch wit sahen innerhalb weniger Monate 2 solcher F~ille, yon denen der eine unter dem tgpisehen Bilde ether Endocarditis lenta verlief, w~hrend der andere sich im Anschlul3 an eine Peritontiis entwickelte.

Die .M6glichkeit einer h#imatogenen Entstehung ist somit auch ffir die Enterokokkeninfektion der Gallenwege zuzugeben,

RIFT. 5. JAHRGANG. Nr. 22 99 I

wie ja auch aus unseren Tierversuchen hervorgeht, bei denen wir absichtlich diesen Infektionsweg zum Nachweis der elek- riven Beziehungen zum Gallensystem wghlten. Durch den Nachweis des Erregers im Blut scheint sie uns aber noch lcei,neswegs bewiesen zu sein, da naturgem~B die Blutinfektion auch eine sekund~re Folge des Galleninfektes sein kann.

Ftir die grol3e ~ehrzahl der Cholecystitiden und Cholangi- t iden liegt jedenfalls die Annahme einer enterogenen fn/ektion dutch ein/aches Au/w~rtswandern der Erreger vom Duodenum aus viel nither als die eines l)bertri t tes der Enterokokken vom Darm aus in die Blutbahn und ether sekundgren Ausscheidung yon dort in die Galle. Ftir die Coliinfektionen der Gallenwege, die ja in jeder Beziehung den Enterokokkeninfektionen analog sind, wird die direkte enterogene En~stehung wohl kaum von jemand bezweifelt. Bis zum Beweis des Gegenteits erscheint uns die gleiche Erki~irung ffir den Enterokokkeninfekt als das ~Vahrscheinlichste.

Ein Aufw~rtswandern der Enterokokken in den Lymphbahnen, wie J. KocH es annahm, der sich anders das Eindringen der yon ihm ffir Streptokokken und somit ii]r galleempfindlich gehaltenen Erreger in die Gallenblase nicht vorzustellen vermochte, erscheint dutch keine positiven Tatsachen gestfitzt.

Eine wesentliche Vorbedingung fiir die enterogenen Gallen- infektionen, und zwar in gleicher Weise for die durch Coli- bacillen wie durch Enterokokken verursachten, dtirfte die yon mehreren Autoren nachgewiesene pathologischo~ An- siedlung yon Bakter~en im Duodenum seth, wie sie W. L0WEN- BgRO 19) neuerdings an dem Krankenmaterial der I. Inneren Abteilung unter 4 ~ F~llen 33real beobachten konnte.

Diese Ansiedlung wiedermn wird verst~ndlich dutch die Feststellung W. L0WENBERGS, dab bet solchen Fgllen sehr h~ufig die bactericide Wit]tung des Duodenalsaftes fehlte, die er unter normalen Verh~tltnissen, offenbar als Ursache der unter physiologischen t3edingungen bestehenden Sterili tat oder Keimarmut des Duodenums, regelm~Big nachzuweisen vermochte.

Zusammen]assung. Bet Kaninchen, die mit intravenSsen Injektionen lebender Nnterokokken behandelt wurden, waren diese bet der naeh verschieden langer Zeit vorgenommenen TStung, wenn fiberhaupt noch Bakterien vorhanden waren, stets auch in der Gallenblase nachweisbar. Bet Kaninchen, die in gleieher Weise mit h~moIytischen und Viridansstreptokolclcen gespritzt wurden, waren diese niemals, selbst 24 Stunden nach der Injektion, in der Gallenblase vorhanden, auch wenn in Blut und Organen noch zahlreiche Streptokokken sich fanden.

Aus diesen Versuchen ist eine besondereBeziehung derEntero- kokken z~.~r Gatlenblase zu folgern, die sich durch ihre hohe Resistenz gegenfiber der sch~digenden Wirkung der Galle erkl~iren l~iI3t.

Im Anschlug an diese Befunde wird das Problem der elektiven Lokalisation yon Krankheitserregern erSrtert. Es wird auf den mehrdeutigen fnhalt dieses Begriffes hingewiesen : Elektivi t~t unter dem Gesichtspunkt der Organauswahl und Elektivit~t ether Bakterienart im Vergleich zu anderen; ferner: Elektivit~it infolge positiver Aviditiit zu einem Organ and Elektivitfit infolge t~esistenz gegeniiber der sch~digenden Wirkung eines Organs.

Ktinisch erseheint die Frage des Vorkommens yon Viridans- infektionen des Gallensystems in Frage gestel l t Die ,,Cholan- girts lenta" SCHOTTMOLL~RS ist wahrscheinlich als Entero- kokkeninfektion anzusehen.

Die M6glichkeit einer hdmatogenen Entstehung aueh des EnterokoMcenin]ektes der Gallenwege darf im Hinblick auI die wiederholten Beobachtungen ether Enterokokkensepsis zuge- geben werden, doeh l~13t eine gauze Reihe yon Tatsachen den enterogenen Weg, ganz wie bet den Coliinfektionen der Galle, als den bet weitem hdiu/igeren erscheinen.

L i t e r a t u r: ~) C. L~VADtTI und A. ~I~aln, Ann. de Finst. Pasteur 33, 74 L 1919. -- "~) F. PLAUa: und P. hiULZER, MUnch. med. Wochenschr. I922, S. 1779. -- a) E. C. ROSENOW, Journ. of, infect, dis. 19I 4-1923; zusammenfassend: Journ. of the Americ. med. assoc, 65, 1687. ~9I 5 und Dtsch. Vierteljahrsschr. f. Zahnheilk. 4o, 35o. i924. --a) G. FORSSNER, Nord. med. Arch. 35, Abt. 2, Nr. i8,

Page 4: Experimentelle Untersuchungen zur Enterokokkeninfektion der Gallenblase

992 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

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R I F T . 5. J A H R G A N G , N r . 22 28. MAI I926

Orig. 47, 39. x926. -- zs) H. SCtllVilTZ, Zentralbl. f. Bakteriol., Para~ sitenk, u. Infektionskrankh. , Abt. I, Orig. 67, 51. 1913 and 96, 277, 1925. -- ~*) J. t(ocH, Zeitschr. f. Hyg. u. Infekt ionskrankh. 60, 335. 19o8. -- ~) M. E. MATZES und E. W. SCnULTZ, l~roc, of the soc. K exp. biol. a. reed. 23, 155. ~925. -- ~) E. FR%NKEL 'and P, KRAUSE, Zeitschr. f. t tyg. u. Infekt ionskrankh. 32, 97. 1899. -- x~) Ft. EICI~- HOFF, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 35, 339. 1922, -- ~s) F. E. B. LOEWENHARD, lt l in. Wochenschr. 1923, S. 192. -- i~) W, LOWENBER~, NUn. Wochenschr. 1926, S. 548; Arch. 5. Verdauungs- krankh. 37, 274- 1926.

K U R Z E W I S S E N S C H A F T

UBER DEN EINFLUSS DER UBERLOFTUNG AUF DEN PEPTIDASENHAUSHALT VON EPILEPTIKERN.

V o n

H, 19FEIFFER, F. STANDENATH und R. WEEBER.

W i t h a b e n frf iher an dieser Stelle (1925, Mr. 23, S. I I22) f iber S t 6 r u n g e n im P e p t i d a s e n h a u s h a l t e des Fa l l s f ich t igen b e r i c h t e t a n d gezeigt, d a b bei dieser E r k r a n k u n g ein gestei- g e t t e r E i n s t r o m eines wahrsehe in l i ch yore D a r m e h e r s t a m - m e n d e n F e r m e n t e s b e s t e h t . Das f f ihr t regelm~iIgig schon vo r E i n t r i t t eines Anfal les zume i s t u n t e r e inem Ans t i eg der Serum- wer t e zu e inem N i e d e r b r e c h e n de r A u s s c h e i d u n g des E n z y m e s d u r c h die Nieren . N a c h d e m Anfal le wi rd das zu r i i ckgehaI t ene F e r m e n t in gr6Bter ?Jenge im H a r n e aus ges chwemmt , was h~uf ig yon e iner d e u t l i c h e n V e r m i n d e r u n g de r Se rum- wer te beg le i te t~ is t (vgl. h ie rzu Zei tschr . f. d. ges. Neurol . u. F s y c h i a t r i e 98, 297. I925).

Das s t e t s bewiesene groge E n t g e g e n k o m m e n de r F i r m a Kal le & Co., B i eb r i ch a. Rhe in , de ren G l y c y l t r y p t o p h a n - 16sung n a c h F i scHeR a n d NEUBAUER wi t z u m Nachweise der P e p t i d a s e b e n u t z t e n , h a t es uns mSgl ich gemach t , unse re Ve r suche wet te r fo r tzuse tzen , woffir a n dieser Stelle au f r i ch t ig gedank~ w e r d e n mSge. Es sehien uns wich t ig zu prt ifen, ob bzw. welche Ver~inderungen der P e p t i d a s e n h a u s h a l t des Fa l l s i i ch t igen er f~hr t , w e n n Anffille kf ins t l ich d u t c h eine l~;berltiftung (Hype rven t i l a t i on ) n a c h O. FOERSTER herbe i - geff ihr t werden . W a r e n a u c h h ie r ahnI iche V e r s c h i e b u n g e n aufzuf inden , so m u g t e das die B e d e u t u n g des E i n t r i t t s de r F e r m e n t s p e r r e d u r c h den H a r n in d iagnos t i scher , v ie l le ich t aueh in u r s~ch l icher B e z i e h u n g befes t ige n. D a sich h ie r Vorg~inge, die bet na t i i r l i ch z u s t a n d e k o m m e n d e n Anf~illen me i s t im Ver taufe m e h r e r e r Tage sich abspie ien , auf wenige S t u n d e n z u s a m m e n d r ~ n g e n , war yon v o r n h e r e i n zu e rwar ten , d a b se lbs t im g i ins t igs ten Fal le n u t wesens~hnl iche Ver~nde- r u n g e n au f t r e t en . W i r h a b e n b i she r den P e p t i d a s e n h a u s h a l t yon 7 E p i l e p t i k e r n in IO, zm n Teile be t ein u n d demse lben P a t i e n t e n zweimal w i e d e r h o l t e n ~ b e r l f i f t u n g s v e r s u c h e n ge- pr i i f t a n d 47 Seren, 95 H a r n e u n d 8 L iquores u n t e r E i n h a l t u n g besondere r , h i e r n o t w e n d i g e r V o r s i c h t s m a g r e g e l n ausgewer t e t u n d d e r a r t i i b e r e i n s t i m m e n d e Ergebn i s se e rha l t en , dab wir da r f ibe r z u s a m m e n f a s s e n d folgendes b e r i c h t e n k 6 n n e n :

I. I s t die ~ b e r l i i f t u n g yon Er fo lg begle i te t , d. h. f f ihr t sie zum Anfal le , so folg~ ihr be t e inem Teile de r K r a n k e n un- mi t t e lba r , be t a n d e r e n e r s t n a c h e inem j~hen, a b e t n u r ganz ku rze Zei t d a u e r n d e n E m p o r s c h n e l l e n der F e r m e n t w e r t e im H a r n e eine se lbs t d u r c h S t u n d e n anha I t ende , of t v611ige H a r n s p e r r e des E n z y m e s . Sie geh t den Anf~l len v o r a n a n d 16st s ieh e rs t n a c h i h r e m v611igen Abkl ingen , maclat abe r s o d a n n se lbs t fiir den jeweils u n t e r s u e h t e n E p i l ep t i ke r u n g e w 6 h n l i e h h o h e n H a r n w e r r e n Pla tz . DaB dieses Vers iegen des Vlarn- enzymes n ieh t ]au f eine V e r m i n d e r u n g des E i n s t r 6m ens , sonde rn auf ein N i e d e r b r e e h e n der A n s s c h e i d u n g zurf ickgeff ihr t Werden maB, somi t eine ~ b e r f l u ~ u n g des K6rpe r s d a m i t zur Fo lge h a t , e rg ib t s ich be t de r erw~ihnten e r s ten G r u p p e nnse re r K r a n k e n aus d e m n a c h w e i s b a r e n V o r a n g e h e n emer 17berlastung, bet de r zwei• wo u n m i t t e l b a r eine H a r n s p e r r e ausgelSst wurde , aus den u n g e w 6 h n l i e h h o h e n H a r n w e r t e n naeh Abk l ingen de r Kr~mpfe .

2. Bet e lnem zweimal vergebens f iber l f i f te ten Fa l l s t i ch t igen I eh l t en diese V e r s c h i e b u n g e n im A b b a u v e r m S g e n seiner Harne .

L I C H E M I T T E I L U N G E N . 3. Grobe Ver~h~derungen im A b b a u v e r m 6 g e n des Se rum~

w u r d e n u n m i t t e l b a r (I 5 Minu ten) n a c h der ~ b e r l f i f t u n g t ro t z b e s t e h e n d e r F e r m e n t s t a u u n g n u r be t e inem K r a n k e n , b ie r a b e t g le ichs innig bet zwei ~ b e r l i i f t u n g s v e r s u c h e n , die yon KrXnlpfen gefolgt waren , b e o b a c h t e t . Bet e i n e m a n d e r e n waren sie zwar f fir, den Gef ib ten e r k e n n b a r , j edoch so schwach , d a b sie ziffernm~igig sich n i c h t ausd r i i cken lieBen. Sie f eh l t en bet den i ibr igen 5 K r a n k e n sowohl a n f a n g s als a u c h hei Seren, die e rs t sp~iter, zur Zei t der K r ~ m p f e g e w o n n e n w o r d e n waren . Dieses, yon den na t t i r l i ch e n t s t e h e n d e n Anf~l len (a l lerdings n i c h t ohne Einschr~inkung) a b w e i c h e n d e V e r h a l t e n l e h r t in A n b e t r a e h t yon i. , d a b / ihnl ich wie bet t ier Ur~imie se lbs t eine betr~icht l iche F e r m e n t f i b e r l a s t u n g des t i 6 r p e r s o h n e n a c h w e i s b a r e S te ige rung des S e r u m t i t e r s m6gl ich ist. W i t e rk l~ren diese U n t e r s c h i e d e m i t d e m r a s e h e n Ablaufe yon Vorg~ngen, die sich bet na t i i r l i chen Anf~l len d u t c h Tage h i n d u r e h vo rbe re i t en , wobei e inerse i ts eine gewisse Ge- w 6 h n u n g , ande re r se i t s eine S t a u u n g vim h 6 h e r e n Grades sich e rgeben muI3.

4. I n zu ve r sch i edenen Ze i ten n a c h der ~tJberIiiftung, aueh u n m i t t e l b a r vo r oder n a e h d e m Anfal le e n t n o m m e n e n Liquores k o n n t e au ch hier , wie frf iher im 6 -S tunden -Ver suehe , P e p t i d a s e n i c h t nachgewiesen werden .

G e n a u e A n g a b e n fiber die yon uns e i n g e h a l t e n e n Versuchs- b e d i n g u n g e n und f iber nnse re Ergebn i s se sol len demnXehs t ausf i ihr l ich in der Zei tschr . f. d. ges. Neurol . u. P s y c h i a t r i e g e b r a c h t sowie die B e d e u t u n g dieser B e o b a c h t u n g e n er- 5 r t e r t werden . (Aus gem Institute ffer allgemelne und experi- mentelle Pathologie [Vorstand: Prof. Dr, Hermann P#i//er] und der steiermdrkisehen Landes-Heil- und P/legeanstalt ]i~r GeistesTcranke, JYeldho/ bei Graz [Vorsta~zd: Dr. O. Has~mann].)

BEITRAGE ZUR LEBERFUNKTIONSPROFUNG:

ISOLIERUNG UND IDENTIFIZIERUNG DER MIT DEM HARN AUSGESCHIEDENEN d-GALAKTOSE*).

Von

J . H A L B E R K A N N u n d H. I ~ . H L E R .

Im Ver lauf k l in i scher Ver suche fiber die d -Oalak tose - to l e ranz yon L e b e r k r a n k e n n a c h a l imen t~ re r B e l a s t u n g leg ten wlr uns die F rage vor , ob die in solchen Fii l len b e o b a c h t e t e Z u n a h m e de r r e d u z i e r e n d e n K r a f t yon B l u r u n d H a r n m i t Sicherhei~ auf u n v e r i i n d e r t e d - G a l a k t o s e zu bez i ehen set. Der Nachweis , dab es sich in der T a t u m Ga lak tose hande le , wurde ve r sch i eden t l i ch zu f i ih ren ve r such t , a m e inwand- f re is ten du reh LANGSTEIN u n d STEINITZ sowie R. BAUER d u r c h O x y d a t i o n des Zuckers u n d B e s f i m m u n g de r en t - s t a n d e n e n Schleims~ure .

Doch ist, worau f E. FISCI~ER u n d R, S. MORELL h in - gewiesen h a b e n , die B i l d u n g yon Schleims~iure ft ir die Her - k u n f t aus d -Ga lak tose oder de ren op t i s chen I s o m e r e n a n d A n h y d r i d e n n i c h t beweisend. Die A u t o r e n fo rde rn ftir den e x a k t e n Nachweis der d -Ga lak tose de ren I so l a t ion bzw. die ih re r e infachen Der iva te . W i r h a b e n n n s dieser A r b e i t u n t e r - zogen.

*) Siehe die Arbeit des einen yon uns: Med. Klinik Jg. I925, S. x295.