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1 Jürgen Oelkers Expertise Struktur und Entwicklung der ersten Phase der Lehrerbildung im Freistaat Sachsen November 2018 Verfasser: Prof. em. Dr. Jürgen Oelkers Universität Zürich Institut für Erziehungswissenschaft Freie Strasse 36 CH-8032 Zürich [email protected]

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Jürgen Oelkers

Expertise

Struktur und Entwicklung der ersten

Phase der Lehrerbildung im

Freistaat Sachsen

November 2018

Verfasser: Prof. em. Dr. Jürgen Oelkers Universität Zürich

Institut für Erziehungswissenschaft Freie Strasse 36 CH-8032

Zürich

[email protected]

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Seite

Gliederung

Gesamteinschätzung 3

Auftrag und Vorgehen 6

I. Fragestellungen 9

II. Situationsanalysen 12-82

1. Zum Stand der Lehrerbildung in Deutschland 12

2. Lehrerbildung in Sachsen 18-44

2.1. Geschichte 18

2.2. Struktur der Ausbildung im Vergleich mit anderen Bundesländern 24

2.3. Daten und Entwicklungen (2003-2018) 32

2.4. Effekte des Bildungspaketes Sachsen 2020 40

3. Standorte und Zentren der Lehrerbildung 45-66

3.1. Universität Leipzig 45

3.2. TU Dresden 54

3.3. TU Chemnitz 59

3.4. Musikhochschulen 64

4. Hospitationen und Gespräche 67-82

4.1. Lehrveranstaltungen 67

4.2. Gespräche mit Fachschaften 69

4.3. Gespräche mit Vertretern der zweiten Phase 79

III. Bundesweite Entwicklungstrends 83-98

1. Qualitätsoffensive Lehrerbildung 83

2. Seiteneinsteiger 87

3. Zentren für Lehrerbildung 92

IV. Entwicklungsstrategien 97-120

1. Stärkung der universitären Lehrerbildung 97

2. Digitalisierung für Schule und Lehrerbildung 103

3. Qualitätssicherung 111

4. Kommunikation und Kooperation 115

V. Empfehlungen 121-128

VI. Dokumente und Literatur 129-136

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Gesamteinschätzung

Während des Untersuchungszeitraums dominierten zwei Themen die

bildungspolitische Diskussion in Deutschland, zum einen die Digitalisierung und zum anderen der Lehrermangel. Das erste Thema ist Teil eines Modernisierungsprozesses, der bislang stark auf die Schulen bezogen wird und doch unmittelbare Konsequenzen für die Lehrerbildung hat. Das zweite Thema ist besonders in Sachsen heftig diskutiert worden und hat bereits vor Jahren zu einer zusätzlichen Mittelbereitstellung in Form des Bildungspaketes Sachsen 2020 für die Lehrerbildung geführt.

„Es gibt keinen ‚Silver Bullet‘, um dem Lehrmangel zu begegnen“ (Klemm/Zorn 2018,

S. 28), also kein Patentrezept, mit dem sich komplexe Zusammenhänge reduzieren ließen und das auf einen Schlag alle Probleme lösen könnte. Das gilt nicht nur für den Mangel an Lehrkräften, sondern generell für die Entwicklung der anspruchsvollen Lehrerbildungssysteme in Deutschland. Die Systeme sind historisch gewachsen und haben sich trotz der gemeinsamen Strukturmerkmale ihre Individualität bewahrt. Daher können sie sich auch nur selbst entwickeln.

Zwischen 2003 und 2018 ist die Sächsische Lehrerbildung mit erheblichem Aufwand

weiterentwickelt worden und hat trotz eines zweimaligen Wechsels in der Grundstruktur zunehmend eigenes Profil gewinnen können. Dabei lässt sich eine zunehmende Verankerung der Lehrerbildung in den Universitäten und Hochschulen feststellen. Mit dem Bildungspaket Sachsen 2020 ist dann auch in bestimmten Bereichen ein personeller Ausbau erreicht worden.

Die Universitätsleitung der Technischen Universität Dresden (TU Dresden bzw. TUD)

fasste am 2. Dezember 2003 den Grundsatzbeschluss zur Gründung eines „Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung“, das dann zwei Jahre später unter Einbezug der Beruflichen Bildung als „Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung“ (ZLSB) gegründet wurde.

Für die Entwicklung in Dresden war das „Konzept einer integrierten

Lehrerausbildung“ maßgebend. Der „Grundgedanke der Integration“ diente als „Leitbild“ und wurde 2005 so formuliert: „Ziel ist die Integration bislang hermetisch getrennter Ausbildungsphasen … von Forschung und Lehre, Theorie und Praxis, verschiedener Lehrämter für spezielle Schulformen im Sinne einer Polyvalenz der Absolventen, aber auch im Sinne einer professionellen Ausbildung von Schülern unterschiedlicher Herkunft, Nationalität und unterschiedlichen Geschlechts an den Schulen“ (Melzer 2015, S. 34).1

Dreizehn Jahre später lässt sich festhalten: Die Polyvalenz der Absolventen ist durch

die Lehramtsprüfungsordnung I – LAPO I vom 29. August 2012 zugunsten von Staatsexamen 1 Das Zitat ist Wolfgang Melzers Rede zum 10jährigen Jubiläum des ZLSB am 29. Oktober 2015 entnommen. Ich danke Wolfgang Melzer für ein Gespräch am 20. Juli 2017 und das Überlassen des Redemanuskripts.

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für Lehrämter zurückgenommen worden, was aber nicht einfach als Rückschritt gewertet werden kann. Das Thema Integration/Inklusion und im weiteren Heterogenität ist dominant geworden, die Trennung zwischen den Ausbildungsteilen der ersten Phase wurde durch Zusammenarbeit und Austausch bearbeitet, was ohne den Ausbau der Zentren für Lehrerbildung nicht möglich gewesen wäre. Forschung hat in der Lehrerbildung einen höheren Stellenwert als je zuvor und die Modularisierung der Ausbildung (ebd.) ist erhalten geblieben.

Vor allem aber ist die Stellung und die Bedeutung der Lehrerbildung in den

Universitäten gestärkt worden. Noch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung des Bundes ging 2014 davon aus, dass die Lehrerbildung in den Universitäten nur das „fünfte Rad am Wagen“ sei,2 aber davon kann heute in Sachsen so keine Rede mehr sein.

Es ist früh erkannt worden, dass wissenschaftliche Reputation „in erster Linie über Ausgewiesenheit in der Forschung transportiert“ wird (ebd., S. 4), ebenso dass der Austausch der verschiedenen Akteure organisiert und verstetigt werden muss, etwa im Dresdner Arbeitskreis Fachdidaktik, der schon vor Gründung des ZLSB bestanden hat.

Klug war es auch, die Zenten als zentrale Einrichtungen zu führen und sie direkt dem

Rektorat zu unterstellen. Die Lehrerbildung hat damit einen inneruniversitären Ort und eine Stimme. In der Universität einen Ort aufzubauen, der mit Kompetenzen und genügend Ressourcen für die Lehrerbildung ausgestattet wird, war seinerzeit das zentrale Argument für den Aufbau der Zentren (Merkens 2005, S. 16).

Die Umstellung der sächsischen Lehrerbildung auf zwei aufeinanderfolgende

Staatsexamen hat die Steuerungsmöglichkeiten des Staates verstärkt, ohne gleichzeitig die Regelungsdichte unnötig zu erhöhen. Es gibt bislang keine Hinweise, dass konsekutive Studiengänge per se zu besseren Resultaten führen.

Wer sich für ein Lehramtsstudium einschreibt, ist gut motiviert und hat deutlich ein

Berufsziel vor Augen. Die Wahl des Studiums ist überwiegend von pädagogischen Vorstellungen geprägt und erfolgt in der Regel nicht zufällig. In diesem Sinne kann eine Studentenschaft vorausgesetzt werden, die Lehrer bzw. Lehrerin werden will.

Die von mir besuchten Lehrveranstaltungen zeigten hohes Engagement seitens der

Lehrenden und sind Teil einer strukturierten Ordnung. Bewährt haben sich die Abordnungen von Lehrerinnen und Lehrern in den Hochschuldienst und die daran gekoppelte Mentorenausbildung. Die Nachfrage nach Studienplätzen steigt, so dass auch das Gewicht der Lehrerbildung in den Universitäten zunimmt.

Kritische Stimmen seitens der Studierenden betreffen vor allem das aus ihrer Sicht zu

geringe Ansehen der Lehrerbildung in der Universität, damit zusammenhängend Erfahrungen der Diskriminierung in bestimmten Lehrveranstaltungen, weiter den unklaren Status der Ausbildung zwischen Wissenschaft und Praxis, die fehlende Kohärenz des Studiums, die zeitliche Abstimmung der Lehrveranstaltungen sowie die Prüfungspraxis. Dabei muss zugleich erwähnt werden, dass an der Universität Leipzig (UL) das sogenannten 2 https://www.qualitaetsoffensive-lehrerbildung.de/de/profilierung-der-lehrerbildung-an-den-hochschulen-1748.html

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„Zeitfenstermodell“ in der Lehrerbildung fest verankert ist. Es ermöglicht mittels computertechnischer Unterstützung ein weitgehend überschneidungsfreies Studium im Lehramt.

Dozierende der Bildungswissenschaften und Dekane kritisieren die starken

Belastungen mit Prüfungen und den hohen Ressourceneinsatz für die Lehrerbildung. Vertreter des Vorbereitungsdienstes fordern eine verbesserte curriculare Abstimmung mit der ersten Phase und plädieren für konkrete Anschlüsse. Auch verbindliche Querschnittsthemen, die für das Berufsfeld geeignet sind, werden vermisst.

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Auftrag und Vorgehen Die Sächsische Staatsregierung hat eine Evaluation der Strukturen der

Lehrerausbildung an den sächsischen Hochschulen in Auftrag gegeben. Anlass des Auftrages sind die in den Jahren 2012/2013 wieder eingeführten Staatsexamensstudiengänge. Diese sollen grundsätzlich in ihrer jetzigen Struktur erhalten bleiben, aber im Hinblick auf ausgewählte Evaluationsschwerpunkte auf den Prüfstand gestellt werden. Das Ziel ist, in der gegebenen Struktur Entwicklungspotentiale für die Zukunft zu erschließen.

Gegenstand des Auftrages sind folgende thematische Schwerpunkte:

Studienorganisation

Studieninhalte

Qualität der Lehre

Personalausstattung

Schulpraktische Studien während des Studiums

Studienerfolg

Strukturen an den Hochschulen/Zentren für Lehrerbildung

Forschungsevaluation

Kooperation der Technischen Universität Dresden mit der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden (HfM) sowie der Universität Leipzig mit der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig (HMT)

Diese Schwerpunkte sind nicht gewichtet. Sie können ergänzt oder auch reduziert werden. Daneben sollen auch die Mediendidaktik sowie die digitale Bildung in die Evaluation einbezogen werden.

Das Vorhaben soll dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst

ermöglichen, Impulse für die weitere Entwicklung der ersten Phase der Lehrerbildung zu setzen. Das gilt unberührt von der Autonomie der Hochschulen, die im Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz vom 15. Januar 2013 geregelt ist.

Von Oktober 2014 bis Dezember 2016 förderte das Sächsische Staatsministerium für

Wissenschaft und Kunst (SMWK) das Projekt „Kompetenznetzwerk Qualitätssicherung in der Lehrerbildung (QSL) Sachsen“. Die aus dem QSL-Projekt gewonnenen Daten sollen dem Evaluationsprojekt zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt werden.

Das Ergebnis der Evaluation wird in einem Bericht dargelegt, der

die Strukturen der Lehrerbildung an den sächsischen Hochschulen analysiert und bewertet,

andernorts existierende Möglichkeiten vergleichend mit heranzieht sowie

Entwicklungspotenziale aufzeigt.

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Der Bericht soll sowohl innerhalb des sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst als auch der lehrerbildenden Hochschulen sowie im Rahmen der Staatlichen Kommission Lehrerbildung präsentiert werden.

Der Auftrag ist mit Schreiben des Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst vom

26. Januar 2017 vergeben worden. Der Zeitrahmen ist in der Offerte näher beschrieben und danach der Entwicklung angepasst worden. Der Untersuchungszeitraum einschließlich der Abfassung des Berichts erstreckte sich vom 1. Februar 2017 bis zum 8. Februar 2018. Nach kritischen Rückmeldungen der Universitäten wurde der überarbeitete Bericht am 18. April 2018 dem SMWK übermittelt.

Das Vorgehen war wie folgt: 1. Entwicklung von Fragestellungen 2. Einarbeitung in die Geschichte der Lehrerbildung in Sachsen 3. Vergleich der Lehrerbildungsstrukturen in ausgesuchten deutschen

Bundesländern 4. Aufarbeitung der einschlägigen Forschungen und der relevanten statistischen

Daten 5. Analyse der Dokumente zur Steuerung der Lehrerbildung von 2003 bis 2018

einschließlich der bildungspolitischen Prozesse 6. Besuche der drei Zentren für Lehrerbildung 7. Gespräche mit ausgesuchten Akteuren sowie Besuch von Lehrveranstaltungen 8. Besuch von Tagungen und Gespräche mit Experten außerhalb Sachsens 9. Abfassung des Berichts

Die Hospitationen und Besuche galten folgen Personen, Einrichtungen und

Lehrveranstaltungen:

10. Mai 2017: Besuch des Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung der Universität Leipzig

11. Mai 2017: Besuch des Zentrums für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung der Technischen Universität Dresden

12. Mai 2017: Besuch des Zentrums für Lehrerbildung der Technischen Universität Chemnitz (TU Chemnitz bzw. TUC)

20. Juli 2017: Gespräch mit Wolfgang Melzer in Dresden

Schulpraktische Studien im Vergleich mit anderen Hochschulen

16. August 2017: Besuch des Institut für Musikpädagogik der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig.

16. August 2017: Besuch des Studienbüros Erziehungswissenschaft der Universität Leipzig.

16. August 2017: Gespräch mit der Dekanin der Fakultät Erziehungswissenschaften der Universität Leipzig.

17. August 2017: Besuch der Fachrichtung Lehramt an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden

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17. August 2017: Gespräch mit dem Dekan der Fakultät Erziehungswissenschaften der TU Dresden

30. August 2017: Gespräch mit den Fachschaften Lehrerbildung der TU Dresden

11./12. Oktober 2011: Teilnahme an der Netzwerktagung „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ in Bonn

19. Oktober 2017: Besuch von Lehrveranstaltungen der Universität Leipzig

6. November 2017: Gespräch mit dem Fachschaftsrat Erziehungswissenschaft der Universität Leipzig

8./9. November 2017: Besuch von Lehrveranstaltungen der TU Dresden

15. Dezember 2017: Besuch bei der Sächsischen Bildungsagentur in Dresden

15. Dezember 2017: Gespräch mit Ralf Vollbrecht (TU Dresden) über neue Medien.

Angesichts der Komplexität des Gegenstandes und der Vielfalt der beteiligten Fächer

und Institutionen musste eine Auswahl getroffen werden. Die Konzentration auf die Erziehungswissenschaft begründet sich mit der Stellung im Curriculum. Alle Studierenden müssen die einschlägigen Lehrveranstaltungen besuchen, was in der Forschung mit Blick auf Erwartungshaltung und Akzeptanz bei den Studierenden als ein zentrales Problem der Ausbildung beschrieben wird (Cramer 2012, König 2014).

Die Auswahl der Experten erklärt sich mit der Geschichte der Lehrerbildung nach der

Wende sowie dem zentralen Thema Digitalisierung. Die Zentren der Lehrerbildung sind der zentrale Ort für die Lehrerbildung in der Universität und die jeweiligen Fachrichtungen Lehramt an den beiden sächsischen Musikhochschulen waren Ansprechpartner. für die Ausbildung der Musiklehrerinnen und Musiklehrer. Die Fachschaften sind gewählte Vertreter der Studentenschaft, angesichts der Vielzahl von Fachschaften wurden auch hier die pädagogischen ausgewählt. Und mit Vertretern des Vorbereitungsdienstes ist das Gespräch gesucht worden, weil sie die Abnehmer der wissenschaftlichen Ausbildung sind.

Der Bericht folgt einem bildungspolitischen Auftrag. Er konzentriert sich auf die Struktur und Steuerung der sächsischen Lehrerbildung. Er zieht dabei Vergleiche mit anderen Bundesländern heran und konzentriert sich am Ende auf Entwicklungsstrategien. Die operative Ebene der einzelnen Universitäten wird nur von den Zentren für Lehrerbildung her beschrieben.

Bei dem Bericht handelt es sich um die begründete Meinung eines unabhängigen

Gutachters, nicht um eine empirische Studie. Das Format des Berichtes orientiert sich an einschlägigen Vorbildern, zuletzt etwa der Hamburger Kommission von 2016 oder des Berichtes über das Wiener Zentrum für Lehrerbildung ebenfalls von 2016. Die Kernfrage ist die Stärkung der universitären Lehrerbildung angesichts klar erkannter Problemlagen und Entwicklungschancen.

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I. Fragestellungen

1. Leitbilder der Universitäten und Hochschulen

Wie wird die Lehrerbildung in den Leitbildern berücksichtigt?

Sind eigene Leitbilder Lehrerbildung sinnvoll?

Wie sollen sie zustande kommen?

2. Ziele für die Lehrerbildung

Gibt es dezidierte Ziele, die die Lehrerbildung erreichen soll?

Sind die Ziele kompetenzorientiert und phasenübergreifend angelegt?

Wie werden die Ziele überprüft?

3. Rolle und Funktionen der Zentren für Lehrerbildung

Welche Kompetenzen haben die Zentren?

Wie sind sie organisiert?

Welche Entwicklungsziele haben sie?

4. Stand und Organisation der Fachwissenschaften/Fachdidaktiken sowie der Bildungswissenschaften

Wie sind Fachwissenschaften und Fachdidaktiken zugeordnet?

Wie ist die Zusammenarbeit beschaffen?

Bestehen Kooperationen mit den Bildungswissenschaften?

5. Entwicklung der Forschung

Welches Forschungsaufkommen und welche Forschungsschwerpunkte bestehen in den Fachdidaktiken?

Gibt es ein Forschungsaufkommen zu Problemen der Lehrerbildung?

Besteht eine gemeinsame Forschungsorganisation?

6. Entwicklung der akademischen Lehre/Hochschuldidaktik

Teilnahme am Qualitätspakt Lehre?

Werden Besonderheiten der Lehre für die Lehrerbildung berücksichtigt?

Ist die Lehre zielgesteuert und wenn ja, wie?

7. Praxisbezug: Organisation und Ausrichtung der Praktika

Wie sind die Praktika aufgebaut?

Sind sie verzahnt?

Gibt es Anschlüsse zur zweiten Phase?

8. Mentorenausbildung und Kooperationsschulen

Wer ist für die Ausbildung der Mentoren in den Schulen zuständig und wie ist sie organisiert?

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Wie arbeitet die Universität mit den Kooperationsschulen zusammen?

Werden die Erfahrungen der Mentoren bei der Beurteilung der Praktikanten genutzt?

9. Seiteneinsteiger

Wie werden die Seiteneinsteiger auf den Beginn ihrer Tätigkeit vorbereitet?

Wie ist die Ausbildung im Vergleich mit den Vollstudenten?

Welche Qualität kann auf diesem Wege erreicht werden und wie wird das überprüft?

10. Inklusion

Bestehen inklusive Lehrangebote für alle Lehrämter?

Wie wird die Sonderpädagogik eingesetzt?

Sind inklusive Themen in den Lehramtsprüfungen präsent?

11. Digitalisierung

Wie weit ist die Digitalisierung der Lehre ein Thema der Hochschuldidaktik?

Reagiert die Lehrerbildung auf die digitale Entwicklung des Berufsfeldes?

Sind Themen der Digitalisierung in den Lehramtsprüfungen präsent?

12. Angebote der Universitäten für die Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen

In welchen Formaten werden Forschungsergebnisse universitärer Projekte für die Fortbildung nutzbar gemacht?

Gibt es Forschungstage speziell für amtierende Lehrpersonen?

Welche schnell nutzbaren Internetangebote (etwa Videos) gibt es?

13. Entwicklung des Prüfungswesens in der Lehrerbildung

Was sind die hauptsächlichen Prüfungsformen?

Orientieren sich die Prüfungen an den KMK-Standards?

Beziehen sich die Prüfungen auf den Aufbau professioneller Kompetenzen?

14. Partizipation der Studierenden

Wir werden die Studierenden auf die Anforderungen der Lehramtsstudiengänge vorbereitet?

Wie werden sie für die Gremienarbeit interessiert?

Wie lernt die Lehrerbildung von den Erfahrungen der Studierenden?

15. Eignungsabklärung

Gibt es Angebote zur Abklärung der Eignung vor dem Studium?

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Welche Formen der Beratung stehen im Studium zur Verfügung?

Gibt es phasenübergreifende Kriterien für die Anforderungen des Lehrberufs?

16. Qualitätssicherung

Wie ist die Qualitätssicherung organsiert?

Wie werden Lehrevaluationen durchgeführt?

Welche Folgen haben Daten?

17. Zusammenarbeit mit den Studienseminaren und der Berufseingangsphase

Wie ist die Zusammenarbeit organisiert?

Gibt es Vergleichen mit anderen Bundesländern?

Bestehen gemeinsame Ziele?

18. Drittmittel

Wie werden die eingeworbenen Bundesmittel eingesetzt?

Wo werden Drittmittel eingeworben?

Gibt es Vorgaben oder Entwicklungsziele?

19. Akkreditierung der Studiengänge

Werden Lehramtsstudiengänge akkreditiert und wenn ja, von wem?

Gäbe es Kriterien für eine solche Praxis?

Ist es eher eine Entwicklungsperspektive?

Diese Fragestellungen sind vor Beginn der Recherche auf der Basis von vorliegenden Expertisen und Studien zur Entwicklung der Lehrerbildung formuliert worden. Sie waren reflexionsleitend, sind aber auch mit zunehmender Einsicht in das Feld angepasst worden. Einige Fragen erwiesen sich als zu komplex, andere erledigten sich von selbst. Zu der ersten Gruppe zählen die Fragen von Fachwissenschaft und Fachdidaktik, zur zweiten die nach dem Leitbild oder die nach der Akkreditierung. Hierzu waren insbesondere die Besuche in den Zentren für Lehrerbildung aufschlussreich. In Bezug auf die Qualitätssicherung liegen die Ergebnisse des zukunftweisenden QSL vor, die Frage zur Inklusion ist auf Heterogenität erweitert worden, allgemeine Ziele für die Lehrerbildung sind mit dem Leitbild gegeben.

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II. Situationsanalysen

1. Zum Stand der Lehrerbildung in Deutschland

Seit den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts stand die deutsche

Lehrerbildung in der Kritik und war Gegenstand von mehr oder weniger heftigen Auseinandersetzungen, die zunächst vor allem von Organisations- und Statusfragen geprägt waren. Vom akademischen Aufstieg versprach man sich eine signifikante Verbesserung der Qualität der damaligen Volksschullehrerausbildung.3 Die Qualität selbst war zunächst gar kein Thema.

Die bildungspolitischen Maßnahmen betrafen daher die Integration der

Pädagogischen Hochschulen in die Universitäten, damit verbunden eine Status- und Gehaltsanhebung für die damaligen Volksschullehrer, die Einführung neuer Lehrämter wie das an Grundschulen,4 eine zweite Ausbildungsphase für alle Studiengänge und in den Anfangsjahren auch die Ausweitung des Personals der Ausbildung.

Das trifft allerdings auf die DDR nur bedingt zu. Zwar sorgte auch hier das Stichwort

„Verwissenschaftlichung“ für eine allmähliche Aufwertung der Unterstufenlehrer, zudem gab es eine Verlängerung der Ausbildungsdauer für die Lehrämter, aber nie eine zweite Phase und auch keine komplette Integration der Lehrerbildung in die Universitäten mit allen Folgen der Abstimmung zwischen sehr heterogenen Ausbildungsteilen.

Die Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen war einphasig und kannte im

letzten Studienjahr das „große Schulpraktikum“. Bis heute gilt die Lehrerbildung der DDR im Vergleich mit dem System der Bundesrepublik als strukturierter und „stärker praxisorientiert“.5 Das trifft im Wesentlichen auch zu, aber nur wenn man allein das heutige Universitätsstudium betrachtet und die zweite Ausbildungsphase außer Acht lässt (Kemnitz 2004, Coriand 2012).

Die Transformationsprozesse nach der Wende im Schulsystem standen vor allem

„unter dem Vorzeichen der Kontinuitätssicherung“ (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 233). Die in der DDR aufgebauten berufsbiographischen Orientierungen wurden fortgeschrieben und mit den neuen Möglichkeiten auch erweitert, aber so gut wie nie komplett aufgegeben. Es gab wohl unterschiedliche Wege zur Anpassung der 3 Der Weg zur universitären Lehrerbildung war schon im 19. Jahrhundert ein Thema und schien historisch vorgezeichnet zu sein (Schreiber 1978). 4 Das setzte eine eigenständige Schulform voraus, die erst ab 1964 konzipiert wurde. Zuvor waren die ersten vier Schuljahre Teil der Volksschule, für die einheitlich ausgebildet wurde. 5 So äußerte sich Sachsens ehemalige Kultusministerin Brunhild Kurth am 12.10.2013 in der FAZ: „Die Lehrerausbildung war stärker praxisorientiert. Eine zentrale Rolle spielte der experimentalgestützte Unterricht. Die Lehrerausbildung war klar strukturiert. Wenn heute zwei oder drei Fächer studiert werden, ist das für die Studenten durchaus ein Kunststück, die Studienpläne aufeinander abzustimmen.“ http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/sachsens-kultusministerin-brunhild-kurth-ausbildung-der-lehrer-in-der-ddr-war-strukturierter-12615081.html

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Professionalität, aber weder eine zweite Ausbildung noch einen Austausch der Überzeugungen oder des professionellen Habitus (Fabel-Lamla 2005). Erst in den letzten Jahren vollzieht sich der Generationenwechsel, der aber nicht gleichbedeutend mit einem Wandel der sächsischen Schulkulturen sein muss.

Heute stellen sich in der Lehrerbildung primär Qualitätsfragen. Nach der Auflösung

der Pädagogischen Hochschulen in fast allen Bundesländern ausgenommen in Baden-Württemberg6 und der Einführung des westlichen Modells der Mehrphasigkeit in den neuen Bundesländern ist die Struktur der Lehrerbildung weitgehend stabil geblieben. Neuere Forderungen nach einem grundsätzlichen Systemwechsel etwa in Richtung einphasige Ausbildung, die es in so gut wie allen europäischen Ländern gibt, sind in Deutschland Randstimmen, die vermutlich auf längere Zeit ohne Realisierungschance bleiben.7

Die Struktur der Ausbildung wird bestimmt durch drei aufeinanderfolgende,

unterschiedliche Phasen und im Studium durch die Grundachse des Curriculums, die zwischen Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken sowie schulpraktischen Studien (Praktika/Praxissemester) gebildet wird. In verschiedenen Hochschulen gibt es zusätzlich noch kleinere Ergänzungsstudien mit übergreifenden Angeboten.

In der konkreten Ausgestaltung der weitgehend identischen Struktur sind starke

Unterschiede festzustellen, die sowohl die gesetzlichen Voraussetzungen als auch die organisatorische Ausgestaltung der Lehrerbildung in den einzelnen Bundesländern betreffen. Nicht alle Bundesländer haben überhaupt eigene Lehrerbildungsgesetze. Im Freistaat Sachsen regelt die Lehramtsprüfungsordnung (LAPO I) die Vorgaben der universitären Ausbildung.

Die föderale Ausrichtung mit ihren großen Unterschieden spiegelt sich in der Studie

„Sachstand in der Lehrerbildung“, die von der Kultusministerkonferenz (KMK) im März 2017 veröffentlicht wurde. Sie wird fortlaufend ergänzt. Das Dokument ist unentbehrlich zum Verstehen des hohen Komplexitätsgrades und der differenzierten Lösungen grundlegender Probleme in der deutschen Lehrerbildung.

Aus den Daten dieser Studie kann zunächst vor allem ein Schluss gezogen werden,

nämlich dass es eine einheitliche Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern in Deutschland nicht gibt. Die Bundesländer treffen zum Teil hochgradig verschiedene und bisweilen auch gegensätzliche Entscheidungen, wie die Lehrerbildung konkret organisiert, durchgeführt und evaluiert werden soll.

Allein die Frage nach dem Fortbestand, der Auflösung oder der Wiedereinführung

von Staatsexamen ist ganz unterschiedlich beantwortet worden. Dabei geht es im Kern um die Entscheidung, wie vor dem Hintergrund der Autonomie der Hochschulen der Einfluss des 6 Die sechs Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg verfügen über die akademischen Rechte und führen neben der Lehrerbildung auch andere Studiengänge, sind also mit den früheren deutschen Pädagogischen Hochschulen nicht vergleichbar. Diesem Modell folgen die neuen Pädagogischen Hochschulen in der Schweiz oder in Österreich. Beide Hochschultypen haben keine akademischen Rechte, anders als Pädagogische Hochschulen in der DDR. 7 Moegling (2017), kritisch dazu Conrad (2017).

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Staates auf die erste Phase der Ausbildung beschaffen ist und wie weit er reichen soll. Damit verbunden ist auch die Frage, wie sich die erste auf die zweite Ausbildungsphase bezieht und wie die Phase des Berufseingangs gestaltet wird.

In Baden-Württemberg sind zum Wintersemester 2015/2016 Bachelor/Master-

Studiengänge eingeführt worden, während die Staatsexamenslehrgänge auslaufen; in Bayern oder in Hessen gelten unverändert Staatsexamensstudiengänge; in Hamburg gibt es seit dem Wintersemester 2010/2011 Bachelor/Master-Studiengänge mit einheitlicher Länge für alle Schulstufen; Nordrhein-Westfalen ist diesem Beispiel gefolgt; in Sachsen sind im Jahr 2006 Bachelor/Master-Studiengänge zuerst eingeführt und dann im Jahr 2012 zugunsten von Staatsexamenslehrgängen wieder abgeschafft worden (Kultusministerkonferenz 2017, S. 5-23).

Einheitlich dagegen ist die Modularisierung des Studiums, die im Zuge der Bologna-

Reform überall eingeführt und nirgendwo wieder zurückgenommen worden ist. Das gilt auch für die Lehrerbildung an den sächsischen Hochschulen, in denen nunmehr modularisierte Staatsexamenslehrgänge geführt werden. Die Konsekution zwischen Bachelor- und Master-Studiengängen nach einem ersten Abschluss wurde damit überflüssig.

Das erste Staatsexamen ist der erste Abschluss und er ist nicht polyvalent. Wer sich

für ein Lehramtsstudium einschreibt, strebt auf einen Abschluss zu, der nicht auch anders verwendet werden kann. Polyvalenz gibt es nicht medizinischen Studiengängen und in juristischen nur in dem Sinne, dass statt des Ersten Staatsexamens auch Bachelor- und Masterabschlüsse erreicht werden können, die jedoch nicht für Zulassungen zu den klassischen juristischen Professionen berechtigen. Sie setzen nach wie vor beide Staatsexamen voraus.

Die Grundeinheit der akademischen Lehre ist das Modul, in dem sich die

traditionellen Lehrformen der Universität (Vorlesung, Seminar, Übung) wiederfinden, nicht immer so, dass die verschiedenen Formen aufeinander abgestimmt sind. Die schulpraktischen Studien bilden eigene Module, die in aller Regel nichts mit den anderen Lehrangeboten zu tun haben. Die Praktika werden vor- und nachbereitet, aber stehen für sich, auch wenn sie in Vorlesungen vorbereitet werden.

Weiterhin ist auffällig, dass die Bundesländer jeweils eigene Reformkommissionen

einsetzen oder Experten beauftragen, die Vorschläge über die weitere Entwicklung der Lehrerbildung erarbeiten sollen. Die KMK ist keine Steuerungsinstanz, sondern gibt nur gemeinsam getragene Rahmenbedingungen vor, die möglichst wenig regeln sollen und die Umsetzung den Ländern überlassen.

Anders als etwa in der Medizinerausbildung oder bei den Juristen besteht kein

bundesweit verpflichtendes Curriculum, das in der Universitätsausbildung der Juristen derzeit 70% des Ausbildungsangebotes umfasst. Die restlichen 30% beziehen sich auf Schwerpunktsetzungen der Universitäten. In der Medizin sorgt die gesetzliche Approbationsordnung8 für die möglichst weitgehende Kohärenz des Studiums. Die Ordnung 8 http://www.gesetze-im-internet.de/_appro_2002/BJNR240500002.html

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legt die Pflichtveranstaltungen für alle medizinischen Fakultäten fest. Die an der Ausbildung beteiligten Fächer können nicht einfach anbieten, was sie wollen.9

In der Lehrerbildung ist kein einzelnes Ministerium, sondern sind aufgrund der

föderalen Verfassung die sechzehn deutschen Bundesländer zuständig. Auch gemeinsame Prüfungsstandards sind nicht vorhanden und selbst eine Zielorientierung ist nicht überall gegeben oder entwickelt sich je nach den gesetzlichen Vorgaben unterschiedlich. Ähnliches gilt auch für die konkrete Ausgestaltung der Qualitätssicherung bis hin zu den Verfahren der Akkreditierung.

Zu den inhaltlichen Themen der Lehrerbildung liegen Standards vor, die von der KMK

verabschiedet worden sind, nämlich am 16.12.2004 Standards für die Bildungswissenschaften und am 16.10.2008 für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken (Lehrerbildung in Deutschland 2008). Die Standards für die Bildungswissenschaften sind 2014 „überarbeitet und mit Blick auf die Erfordernisse inklusiven Unterrichts aktualisiert“ worden.10 Eine Überarbeitung in Richtung Digitalisierung steht aus und ist inzwischen aber zu einer Dringlichkeit geworden.

Aus dem stark entwickelten Föderalismus und seinen oft eigensinnigen Lösungen

kann nicht geschlossen werden, dass Reformen der Lehrerbildung an den Grenzen der Länder enden. Problemdefinitionen, Reformstrategien oder auch Entwicklungsinstrumente unterscheiden sich häufig nicht oder nähern sich an, wie sich etwa an den Verfahren der Evaluation von Lehrveranstaltungen zeigen lässt. Sie sind weitgehend identisch. Systeme für ein Qualitätsmanagement speziell für die Lehrerbildung liegen erst in Anfängen vor.

Schon im Jahr 2000 hat eine KMK-Kommission „Perspektiven der Lehrerbildung in

Deutschland“ vorgelegt, die einen Rahmen für die Weiterentwicklung der Lehrerbildung definiert hat (Terhart 2000). Vor allem zwei Aspekte waren dabei maßgebend, Professionalität durch Ausbildung und Weiterentwicklung der Lehrpersonen „innerhalb der Berufsbiografie“ (ebd., S. 63).

Im Jahr 2002 definierte die Kultusministerkonferenz sieben zentrale Handlungsfelder,

mit denen die Qualität des deutschen Bildungssystems verbessert werden soll. Anlass waren die Ergebnisse die PISA-Studie des Jahres 2000. Eines der Handlungsfelder war die Lehrerbildung. Sie sollte über ihre Phasen hinweg als „Einheit“ verstanden werden und ihre Reform sollte erreicht werden durch „eine intensivere Praxisorientierung“ sowie „die Stärkung des Berufsbezuges“ (PISA 2002, S. 13/14).

Diese drei Postulate ziehen sich durch die Diskussionen und Reformanstrengungen

der vergangenen fünfzehn Jahre. Dabei ist auffällig, wie wenig der Vergleich mit dem Ausland eine Rolle gespielt hat und wie stark die deutsche Lehrerbildung auf sich selbst 9 „Der Unterricht im Studium soll fächerübergreifendes Denken fördern und soweit zweckmäßig problemorientiert am Lehrgegenstand ausgerichtet sein. Die Universitäten haben im erforderlichen Umfang fächerübergreifenden Unterricht und Unterricht in Querschnittsbereichen anzubieten. Die Vermittlung der naturwissenschaftlichen und theoretischen Grundlagen ist auf die medizinisch relevanten Ausbildungsinhalte zu konzentrieren. Die Vermittlung des theoretischen und klinischen Wissens soll während der gesamten Ausbildung so weitgehend wie möglich miteinander verknüpft werden“ (§2/Satz 2 der Approbationsordnung). 10 https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/inklusion-kmk-aktualisiert-standards-fuer-die-lehrerbildung.html

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fixiert ist. Das ist in gewisser Weise auch konsequent, weil es ein vergleichbares Ausbildungssystem mit drei aufeinanderfolgenden Phasen und getrennten Zuständigkeiten in anderen Ländern so nicht gibt.

Bei der Schulentwicklung spielt der Hinweis auf bessere Lösungen im Ausland seit

jeher eine wichtige Rolle, bezogen auf die Lehrerbildung ist das nicht oder nur ganz marginal der Fall. Das kann an der Digitalisierung der Schulen gezeigt werden, die allen entwickelten Ländern als die entscheidende Zukunftsaufgabe angesehen wird.11

In der deutschen Lehrerbildung ist darauf bislang nur sehr zögerlich reagiert worden,

obwohl bereits die Perspektiven-Kommission der KMK auf die Dringlichkeit des Themas hingewiesen und dabei auch den Wandel des „Aufgabenspektrums“ der Lehrerinnen und Lehrer angemerkt hat. In Zukunft solle es um die Begleitung, Steuerung und Unterstützung des Lernens der Schülerinnen und Schüler in medialen Lernumgebungen gehen (Terhart 2000, S. 74). „Das diesbezüglich hohe Maß an Innovationsbereitschaft und Innovationsfähigkeit bei gleichzeitiger Reflexion auf die Voraussetzungen und Folgen der Neuen Medien muss in allen Phasen der Lehrerbildung gefördert und unterstützt werden“ (ebd., S. 75).

Passiert ist nicht viel, die Lehrerbildung hat das Thema marginalisiert, aber das

bedeutet nicht, die Frage der Digitalisierung länger aufschieben zu können. Die Europäische Union fasst digitale Kompetenzen in Schule und Ausbildung als Schlüsselaufgabe für das 21. Jahrhundert.12 Und in der amerikanischen Lehrerbildung wird die Notwendigkeit einer „tech infusion“ vor dem Hintergrund einer stark steigenden Nachfrage seitens der Schulen diskutiert.13 Das lässt sich zunehmend auch für die Schweiz sagen.

Im föderalen Deutschland bestimmt die jeweilige Gesetzgebung der Bundesländer

die Entwicklungen, eine bundeseinheitliche Strategie zur Reform der Lehrerbildung existiert nicht. Das war in der Vergangenheit nie der Fall und ist auch für die nähere Zukunft kaum zu erwarten. Die historische Ausnahme war die zentral gesteuerte Lehrerbildung in der DDR. In Westdeutschland gab es bei zunehmendem Druck zur inhaltlichen wie formalen Abstimmung in der KMK immer auch getrennte Wege.

Auf der anderen Seite unterscheiden sich, wie gesagt, die Problemlagen nicht sehr

weit, so dass sich die Reformthemen weitgehend angenähert haben. Kein Bundesland hat bisher einen komplett eigenen Weg beschritten und überall ist die Weiterentwicklung der Lehrerbildung unter Wahrung der grundlegenden Struktur angesagt. Die konkrete Ausgestaltung jedoch ist zwischen den Ländern verschieden.

Zuletzt hat eine „Expertenkommission Lehrerbildung“ in Hamburg in ihren

Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildung verschiedene Reforminitiativen der letzten Jahre diskutiert, um die Ausgangslage für die weitere Entwicklung näher bestimmen zu können. Die Empfehlungen sind im Dezember 2016 verabschiedet worden und liefern ein zutreffendes Bild der Reformlandschaft Lehrerbildung in Deutschland.

11 Etwa die OECD-Studie: Students, Computers, and Learning (2015). 12 https://www.schooleducationgateway.eu/en/pub/resources/tutorials/digital-competence-the-vital-.htm 13 ISTE-Konferenz 2016. http://edscoop.com/rethinking-teacher-training-in-the-digital-age

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Bei der Bestimmung der Ausgangslage geht es um die folgenden Themen, Initiativen und Schwerpunktsetzungen zur Weiterentwicklung der Lehrerbildungssysteme:

Stärkere Ausrichtung der Ausbildung in beiden Phasen an den Erfordernissen des späteren Berufsfeldes

Schaffung von organisatorischen Querstrukturen in den Universitäten, um die über viele Fächer verstreuten Belange der Lehrerbildung besser koordinieren zu können, aber auch, um Verbindungen zur zweiten Phase und zu den Schulen generell zu schaffen.

Stärkere Strukturierung der Studienverläufe in der Universität mit dem Ziel einer Erhöhung der Verbindlichkeit für Studierende wie Lehrende (Modularisierung).

Ausbau der Fachdidaktiken in Richtung auf forschungsfähige Einheiten innerhalb der universitären Lehrerbildung.

Ermöglichung von individuellen Spezialisierungen, Profilbildungen und Zusatzqualifikationen für Lehramtsstudierende und erfahrene Lehrerinnen und Lehrer.

Erweiterung des Anteils an schulpraktischen Studien innerhalb der universitären Lehrerbildung bei gleichzeitigem Ausbau der Begleitung durch die Universität und zum Teil - etwa in Hamburg - durch Institutionen der zweiten Phase (zum Beispiel im Praxissemester).

Stärkere curriculare und personelle Verknüpfungen zwischen der universitären Phase und der zweiten Phase der Lehrerbildung.

Erarbeitung von Standards und gemeinsamer Regelungen auf Bundesebene für die curriculare Gestaltung der fachlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Elemente der universitären Lehrerbildung wie auch des Referendariats.

Etablierung von institutionellen Beratungs- und Reflexionsmöglichkeiten im Studium zum Zweck der Überprüfung der eigenen Eignung für den Lehrerberuf.

Qualifizierungsangebote für Seiteneinsteiger in Mangelfächern.

Erarbeitung von Möglichkeiten des eher kompetenzorientierten Prüfens und Evaluierens des je individuellen Entwicklungsstandes der beruflichen Fähigkeiten. (Expertenkommission Hamburg 2016, S. 6/7)

Ausgehend von dieser Themenliste lässt sich von „Entwicklungsaufgaben“ der Lehrerbildung sprechen, die sich so oder ähnlich in allen Bundesländern stellen und die sich auf das System der Lehrerbildung beziehen. Die Gewichtung der Aufgaben ist zwischen den Ländern verschieden und ebenso die Priorisierung, also das, was als vorrangig angesehen und was nachgeordnet wird.14 In Sachsen ist die Qualifizierung der Seiteneinsteiger eine bildungspolitische Priorität, während ein Praxissemester oder die Erweiterung der Praxisanteile derzeit kein vorrangiges Thema ist.

Von „Digitalisierung der Lehrerbildung“ ist in der Hamburger Liste noch keine Rede.

Sie wird nicht einmal als Querschnittsaufgabe wahrgenommen und schien so nicht 14 Vgl. für die sehr heterogenen Praxisphasen im Studium die Übersicht von Weyland (2012).

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besonders dringlich oder nicht besonders einschlägig zu sein. Aber das hat sich inzwischen grundlegend geändert, befördert durch die Konzentration auf das Thema in den öffentlichen Medien und speziell auch durch die Projekte der Qualitätsoffensive Lehrerbildung.

Die Dringlichkeit des Themas gilt für alle Bundesländer, unabhängig davon, ob sie am

Staatsexamen festhalten oder nicht. Der öffentliche Druck ist deutlich spürbar, auch nachdem das Bundesministerium für Bildung und Forschung 2016 eine „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ vorgelegt hat. Inzwischen werden von deutschen Universitäten Kongresse angeboten, auf denen „digitial leadership“ in der Lehrerbildung diskutiert wird.15

Kritische Stimmen verweisen auf den unverzichtbaren humanen Faktor im Unterricht

und auf die Gefahren der Digitalisierung, etwa wenn Big Data die Schulen erreichen, oder der ständige Gebrauch von Smartphones die sozialen Beziehungen dominiert. Gleichwohl wird die Digitalisierung die Schulen und in der Folge auch die Lehrerbildung erreichen. Es wird darauf ankommen, was beide Seiten aus dieser Herausforderung machen, aber sie wird sich nicht umgehen lassen. Bei aller Kritik sollten die Chancen gesehen werden.

2. Lehrerbildung in Sachsen

2.1. Geschichte

Wer die Geschichte der Lehrerbildung in Sachsen vor Augen hat, erkennt immer wieder den Mut zu großen Lösungen, aber auch Probleme, die sich wiederholen wie etwa ein unvorhergesehenes Wachstum oder die Abstimmung zwischen den theoretischen und den praktischen Ausbildungsanteilen. Die Lösungen sind bis heute interessant und zeigen den langen historischen Weg zur Universität für alle Lehrämter.

In den deutschen Ländern waren bis zum Ende des Ersten Weltkriegs die Lehrerseminare für die Ausbildung der Volksschullehrer zuständig. Das gilt auch für Sachsen Das erste dauerhafte Seminar wurde Ostern 1787 in Dresden-Friedrichstadt eröffnet (Moderow 2007, S. 372), nachdem zuvor schon an der Universität Wittenberg ein Schullehrerseminar gegründet worden war, das aber wohl nur für die Lateinschulen gedacht war (ebd., S. 368).

Die Lehrerseminare wurden wohl ausgebaut, aber nie in ihrem Status verändert. Nur wenige deutsche Universitäten kannten spezialisierte Professuren für Pädagogik und dies vornehmlich dort, wo die wissenschaftliche Pädagogik Herbarts akademisch Fuss gefasst hatte, die aber bis 1919 nichts mit der Ausbildung der Volksschullehrer zu tun hatte, auch nicht in Leipzig, einem Zentrum des Herbartianismus.

15 http://zfl.uni-koeln.de/leadership-2018.html Die Tagung fand am 22. und 23. März 2018 in der Universität zu Köln statt. Hauptrednerin war Sabine Remdisch von der Leuphana-Universität Lüneburg, die zuletzt auch am H-STAR-Institute der Universität Stanford tätig war. Der Titel der Tagung lautet „Beyond limits – offene Grenzen in Schule und LehrerInnenbildung“. Mitfinanziert wird die Tagung durch die Robert-Bosch-Stiftung.

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Sachsen setzte an einer ganz anderen Stelle früh auf die universitäre Form der Lehrerausbildung, die sonst nur den künftigen Gymnasiallehrern offenstand. In Dresden wurde 1871 das Königlich Sächsische Polytechnikum als Hochschule anerkannt, einer der Gründe war, dass zahlreiche Studenten des Polytechnikums in Karlsruhe aus Sachsen stammten, hier aber nicht studieren konnten (Pommerin 2003, S. 52).

Schon 1862 war an der Vorläuferorganisation, der Königlich Polytechnischen Schule, eine vierte Abteilung für Lehrer der Mathematik, Naturwissenschaften und Technik eingerichtet, „als erste ihrer Art in Deutschland“ (ebd., S. 49). Ab dem Wintersemester 1864/65 wurde dort ein dreijähriger Kurs für Lehramtskandidaten aufgebaut, mit dem Lehrer für Gymnasien, Realschulen, technische Anstalten, Handels- oder Fachschulen ausgebildet wurden (Frotscher 2001, S. 44).

1873 wurde am Polytechnikum die „Allgemeinwissenschaftliche Abteilung“ gegründet, die im Jahr 1900 das Promotionsrecht erhielt. Dort wurde 1890 auch das Pädagogische Seminar gegründet, das der 1876 berufene Philosoph Carl August Friedrich Schultze leitete. In dieser Abteilung mussten auch Prüfungen abgelegt werden. Aber erst nachdem die Abschlusszeugnisse der Abteilung mit denen der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig gleichgestellt wurden, erhöhten sich die Anstellungschancen der Absolventen in Deutschland. Im Anschluss daran stiegen die Studentenzahlen (ebd., S. 44/45).

In Leipzig, an der Landesuniversität, bestand seit 1919 das von Eduard Spranger begründete „Institut für Erziehung, Unterricht und Jugendkunde“. Eine Professur für Pädagogik und Didaktik ist bereits 1862 eingerichtet worden. Berufen wurde gegen den Willen der Philosophischen Fakultät der Dresdner Reallehrer Hermann Masius, der die Professur bis 1893 innehatte. Danach wurde sie in eine ordentliche Professur für Philosophie umgewidmet und mit Johannes Volkelt neu besetzt.

Neben Volkelt wurde der Experimentalpsychologie Ernst Meumann auf eine ordentliche Professur für Pädagogik berufen, der aber nur ein Jahr blieb; der Grund seines schnellen Weggangs war die Überlastung mit Staatsexamen. Spranger wechselte 1910 nach Berlin, sein Nachfolger wurde Theodor Litt, der das Institut ausbaute. Das Institut hatte 1930 sieben Professuren und drei Abteilungen, darunter das Praktisch-Pädagogische Seminar.

In Dresden hatte Theodor Elsenhans 1913 das „Praktisch-Pädagogische Seminar“ gegründet, das der „Anwendung der wissenschaftlichen Bildung auf praktische Lehrtätigkeit an der höhere Schule“ dienen sollte (ebd., S. 45). Im Mittelpunkt standen Hospitationen „an allen in Dresden anzutreffenden Schularten“ sowie „studentische Unterrichtsversuche an Dresdner Realschulen bzw. Realgymnasien mit Arbeitsschulklassen“ (ebd.). Nach den Lehrproben und der Abschlussprüfung begann der Probedienst (ebd., S. 46).

1923 wurde in Sachsen die Ausbildung der Volksschullehrer akademisiert, maßgeblich beeinflusst von dem Dresdner Lehrerbildner Richard Seyfert, der 1923 Direktor des neu gegründeten Pädagogischen Seminars der nunmehrigen Technischen Hochschule Dresden wurde. Anders als die Universität Leipzig hatte sich die Hochschule schon im Dezember 1919 bereit erklärt, „an der neuen Volksschullehrerausbildung mitzuwirken und die hochschulmässige Ausbildung zu übernehmen“ (ebd., S. 47/48).

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Der wissenschaftliche Teil konnte also an den Hochschulen in Dresden und später auch in Leipzig studiert werden, der praktische Teil erfolgte in den Pädagogischen Instituten. In Dresden wurde das Institut in die Hochschule integriert, in Leipzig blieb es staatlich. Allerdings wurde dort für den Leiter des Instituts, Johannes Richter, eine Honorarprofessur für die Didaktik der Volksschule eingerichtet. Vergleichbares gab es vorher außerhalb Sachsens nicht (Henze 2001, S. 17/18).

In Sachsen wählte man einen von drei Wegen der Neukonzeption der Lehrerbildung in Deutschland, nämlich die Anbindung der Pädagogischen Institute an die Universitäten und die Öffnung der Lehrveranstaltungen für die angehenden Volksschullehrer. Nur in Hamburg, Jena und Braunschweig gab es in den zwanziger Jahren eine Universitätslösung, während in Preussen die Pädagogischen Akademien gegründet wurden, die nach einem Ausdruck von Eduard Spranger „Bildnerhochschulen“ genannt wurden (Frotscher 2001, S. 48/49).

Sie verfügten über keine akademischen Rechte und warfen die Lehrerbildung auf ihrem Weg zur Universität um Jahrzehnte zurück. Wie disparat die Entwicklung war, zeigt der Tatbestand, das 1958 in Bayern das letzte Lehrerseminar geschlossen wurde. In Dresden konnte man als angehender Volkschullehrer Pädagogik, Psychologie oder früh auch Soziologie (ebd., S. 51) an der Hochschule studieren und wurde parallel dazu praktisch ausgebildet.

Die praktische Ausbildung kannte einige Besonderheiten, die mit dem traditionellen Seminarunterricht brechen sollten. Zum einen führte das Pädagogische Institut eine Institutsschule, die „den Anwärtern auf das Lehramt an Volksschulen als Beobachtungs- und Erfahrungsfeld“ dienen sollte (ebd., S. 53). Die Schule war eine „reguläre Bezirksschule“ und nicht, wie etwa in Jena, eine Universitätsschule. Eine weitere Besonderheit waren die „Experimentell-Didaktischen Übungen“, in denen „die Lehrtätigkeit vor einzelnen Schülern der Internatsschule simuliert“ wurde (ebd.). Schließlich wurde eine zweispurige Unterrichtslehre eingeführt, jeweils im Wechsel eines Semesters ist nach dem „Fach- oder dem Schulstufenprinzip“ unterrichtet worden (ebd., S. 52).

Hinter diesen Entwicklungen stand mit zahlreichen Unterstützungsmaßnahmen der Sächsische Lehrerverein (ebd., S. 53/54). Dabei spielten nicht nur standespolitische Gründe eine Rolle, sondern auch Fortschrittsüberzeugungen, die mit der Beteiligung der Lehrkräfte zu tun hatten. Am Pädagogischen Institut waren überwiegend Lehrkräfte, die aus dem Seminar- oder dem Volksschuldienst kamen. Sie waren für die theoretischen Lehrveranstaltungen des Instituts tätig und konnten dann an der Institutsschule die Praxis zeigen. Die Unterrichtspraxis der Institutslehrer, anders gesagt, wurde „zum Kernstück der Volksschullehrerausbildung am Pädagogischen Institut“ (ebd., S. 53).

Aber die Ausbildung kannte keine akademischen Freiheiten, war stark auf die Arbeitsschulbewegung der deutsche Reformpädagogik fixiert und realisierte einen engmaschigen Studienplanplan, der von bestimmten Lehrpersonen durchgeführt wurde, zwischen denen die Studierenden nicht wählen konnten und von deren Urteil sie abhängig waren. Zudem hiess „Theorie“ in der Ausbildung vor allem Methode und Erfahrungswissen, nicht Forschung oder kritische Reflexion (Frotscher 2001a, S. 193).

Dank der Volksschullehrerausbildung studierten über 500 Personen an der Allgemeinen Abteilung, die 1925 in „Kulturwissenschaftliche Abteilung“ umbenannt wurde.

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Ab 1928 konnten Volksschullehrerstudenten dort promovieren. Und seit 1924 wurde am Pädagogischen Institut ein zusätzlicher Studiengang für Berufsschullehrer aufgebaut (ebd., S. 54).

Die Nationalsozialisten, seit 1930 zweitstärkste Fraktion im Sächsischen Landtag, beendeten die universitäre Lehrerbildung in Leipzig und in Dresden, nachdem am 4. April 1933 der Sächsische Landtag durch den Reichskommissar Manfred von Killinger gleichgeschaltet worden war. Sächsischer Volksbildungsminister wurde der Oberreallehrer und Dresdner Stadtschulrat Wilhelm Hartnacke (ebd., S. 56), der ein strikter Gegner der akademischen Lehrerbildung war.16

Am 5. August 1936 erfolgte die Auflösung des Pädagogischen Instituts und zeitgleich die Gründung der Hochschule für Lehrerbildung, die bis zum 29. März 1943 bestanden hat. Aus der Institutsschule wurde die „Übungsschule“ der NS-Lehrerausbildung. Weibliche Bewerber wurden für den Hauptlehrgang nicht mehr angenommen, sie konnten sich lediglich zur Fachlehrerin für Haushaltung, Kochen, Nadelarbeit und Turnen ausbilden lassen (ebd., S. 59).

In Leipzig hatte die akademische Volksschullehrerbildung einen anderen Beginn und nahm auch einen anderen Verlauf. Nach Etablierung der Ausbildung wuchsen die Studierendenzahlen rasch an. Die vorhandenen Professuren wurden in die neue Aufgabe einbezogen, besonders belastet war der stark nachgefragte Bereich der Kinderpsychologie, für den in Leipzig eine neue außerordentliche Professur geschaffen wurde. Auch für die Studenten des Höheren Lehramts wurde eine Verbindung der fachwissenschaftlichen und der berufspraktischen Ausbildung angestrebt. Ab 1925 mussten sie an zwei aufeinanderfolgenden Studienhalbjahren die Übungen des Pädagogisch-praktischen Seminars als Pflichtveranstaltungen besuchen (Henze 2001, S. 18/19).

Wachstum war auch seinerzeit schon krisenanfällig. Die Verbindung mit der berufspraktischen Ausbildung führte zu einer strukturellen Erweiterung des Pädagogisch-praktischen Seminars um die Didaktik der Unterrichtsfächer. Das Seminar hatte im Winterhalbjahr 1920/21 drei Abteilungen, zehn Jahre später siebzehn, „in denen sechsundzwanzig Lehrkräfte achtzehn Fächer vertraten, inklusive eines Kurses für Stimmgebrauch und Sprechkunst“ (ebd., S. 19). Dieser Kurs wird bis heute angeboten.

Im Sommersemester 1930 nahmen 490 Studierende des Höheren Lehramts an den Kursen des Pädagogisch-praktischen Seminars teil (ebd.), die sich so auf ihr Berufsfeld vorbereiten sollten. Die Professoren mit Theodor Litt an der Spitze beantragten, das Pädagogisch-praktische Seminar aus dem bestehenden Institut herauszulösen und in eigenes „Institut für praktische Pädagogik an Höheren Schulen“ zu überführen. Der Grund war Überlastung mit Aufgaben außerhalb des eigentlichen Lehrauftrages.

Das zuständige Ministerium für Volksbildung folgte dem Antrag erst, als die Philosophische Fakultät versicherte, die praktische Ausbildung der Gymnasiallehrer und so das neue Institut nicht aus der Universität auslagern zu wollen (ebd., S. 20). 1924 hatte sich 16 Wilhelm Hartnacke (1978-1952) leitete vom 12. Mai 1933 das Sächsische Volksbildungsministerium und wurde im März 1935 entlassen. Er vertrat auf erbbiologischer Grundlage „Naturgrenzen geistiger Bildung“.

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die Fakultät noch so geäußert, dass die Einführung in die Praxis für angehende Lehrkräfte außerhalb ihres Bereichs und ihrer Kompetenz liege (ebd.).

Auch in Leipzig beendeten die Nationalsozialisten die akademische Ausbildung der Volksschullehrer, die 1936 an die Hochschule für Lehrerbildung verlagert wurde. Dadurch verlor die Universität auf einen Schlag die Masse der Studierenden im Bereich der Pädagogik, der in der Folge stark beschränkt wurde. Hinzu kam, dass mit Wirkung vom 1. Oktober 1937 die Ausbildung für das Höhere Lehramt reichsweit vereinheitlicht wurde. Vor Aufnahme des Fachstudiums mussten die Bewerber zwei Semester an einer Hochschule für Lehrerbildung studieren (ebd., S. 75).

Die westdeutschen Lehrämter mit der entsprechenden Umstrukturierung der Lehrerbildung sind nach der Wende sukzessiv eingeführt worden. Die Pädagogische Hochschule „Karl Friedrich Wander“ in Dresden bestand von 1967 bis 1992, sie wurde danach in die TU Dresden integriert. Die Hochschule verfügte seit Gründung über das Promotionsrecht. Die Pädagogische Hochschule „Clara Zetkin“ in Leipzig hatte ebenfalls das Promotionsrecht und bestand von 1972 bis 1992.

Untersuchungen nach der Wende zeigen, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die in der DDR studiert haben, trotz der Kritik am ideologischen Zuschnitt vom „praktischen Wert“ der alten Ausbildung überzeugt waren und blieben. Schon DDR-interne Befragungen in den siebziger und achtziger Jahren ergaben für die Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen eine „hohe Wertschätzung der fachwissenschaftlichen und schulpraktischen Ausbildung“ (Döbert 1997, S. 340).

Die neun Pädagogischen Hochschulen der DDR, die zwischen 1951 und 1989 entstanden sind und aus früheren Instituten hervorgingen, wurden mit dem akademischen Grad eines Diplomlehrers für zwei Fächer (Klassenstufe 5 bis 12) abgeschlossen. Sie besaßen einen hohen Grad an Spezialisierung. In der Regel boten sie zwischen zwei und zehn Fächerkombinationen mit entweder vorwiegend mathematisch-naturwissenschaftlichem Ausbildungsprofil oder gesellschaftswissenschaftlich-historischen, philologischen und künstlerischen Schwerpunkten an.

Die Ausbildung der Lehrkräfte für die berufliche Bildung ist ein Spezifikum. So verblieb die Ausbildung der Gewerbelehrer für technische Richtungen an der pädagogischen Fakultät der Technischen Hochschule Dresden. Sie wurde 1954 umbenannt in „Fakultät für Berufspädagogik und Kulturwissenschaften“.

An den Hochschulen gab es durchschnittlich 1500 Studierende und 360 Lehrkräfte. „Die günstige Betreuungsrelation zwischen Lehrkräften und Studenten, die Überschaubarkeit der Einrichtungen und der hohe Anteil ehemaliger Lehrer in der fachmethodischen Ausbildung“, so Hans Döbert (1997, S. 339) in einer Studie unmittelbar nach der Wende, „begünstigte die betont berufsvorbereitend und –praktisch angelegte Ausbildung.“

In der Ausbildung wurden unter anderem folgende Praktika absolviert:

Schulpraktische Übungen (SPÜ) im Rahmen der fachmethodischen Ausbildung

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Das zunächst als Hospitationspraktikum konzipierte pädagogisch-

psychologische Praktikum, das ab 1982 in schulpraktische Übungen für

Pädagogik und Psychologie umgewandelt wurde.

Das Praktikum in der Sommerferiengestaltung nach dem ersten Studienjahr.

Das Große Schulpraktikum mit einer Dauer von 18 Wochen bis 1986, danach 27 Wochen im fünften Studienjahr.

Das Große Schulpraktikum wurde vorbereitet durch die schulpraktischen Übungen.

„In der praktischen Lehrertätigkeit sollten die Studenten als unmittelbare Vorbereitung auf ihren Beruf die selbständige Unterrichtsplanung und -gestaltung sowie die Klassenlehreraufgaben erfahren.“

Döbert hielt seinerzeit fest, dass einerseits das Lehrerstudium in der DDR politisch-ideologisch stark überfachtet war, einen „hohen Reglementierungs- und Verschulungsgrad“ kannte und im Vergleich mit der westlichen Lehrerbildung verschiedene Ausbildungselemente wie die Allgemeine Pädagogik gar nicht führte. Andererseits bot die Ausbildung „eine spezifische Berufsvorbereitung durch Praktika, das enge Zusammenwirken von Fachwissenschaft, Fachwissenschaft und Umsetzung in der Praxis sowie pädagogisch und entwicklungspsychologisch hilfreiche Ausbildungselemente“ etwa im Bereich von Handlungswissen und Verfahrenskenntnissen (ebd., S. 339/340).

Im Schuljahr 2012/2013 unterrichteten in Sachsen insgesamt 28.076 Lehrerinnen und

Lehrer an allen allgemeinbildenden Schulen einschließlich der Förderschule und den Freien Waldorfschulen. Von diesen verfügten 20.225 über DDR-Abschlüsse und 6.696 über Abschlüsse in den neuen Lehrämtern. 1.155 Lehrkräfte waren in den Schulen ohne diese beiden Abschlüsse tätig (Awiszus/Klemm 2013, S. 9). Die weitaus meisten Lehrerinnen und Lehrer sind also zu diesem Zeitpunkt nicht an den sächsischen Universitäten nach der Wende ausgebildet worden.

Die DDR-Schulen wurden in Sachsen bis zum Sommer 1992 weitergeführt. Das

Schulgesetz für den Freistaat ist am 20. Juni 1991 verabschiedet worden. Ab dem Schuljahr 1992/1993 wurde die neue Schulstruktur geführt. Das Schulgesetz war als einziges in den neuen Ländern nicht vorläufig oder ist auch nicht als „Vorschaltgesetz“ verabschiedet worden.

Im Vorfeld des Gesetzes war über Gesamtschulen diskutiert worden, aber die

vorhandenen Strukturen waren wichtiger als inhaltliche Fragen zur Neugestaltung des Schulwesens. Das Schulgesetz verzichtete auch auf eine dritte Sekundarschulart (Hauptschulen) und so auf die Dreigliedrigkeit der damaligen westlichen Bundesländer. Das Gesetz sah vor nach der vierjährigen Grundschule die sechsjährige Mittelschule (5. bis 10. Klasse) und das achtjährige Gymnasium (5. bis 12. Klasse).17

Die Mittelschule hat eine zweijährige Orientierungsphase und verfügt danach über

zwei Abschlüsse, den der Hauptschule nach der neunten und den der Realschule nach der zehnten Klasse. Ab der siebten Klasse wird mit Blick auf die Abschlüsse leistungsdifferenziert 17 Gestaltet dieser autonome Weg der Neugestaltung maßgeblich von Wolfgang Nowak, der von 1990 bis 1994 als Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Kultus tätig war.

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unterrichtet. Sowohl die Gymnasien als auch die Mittelschulen können besondere Profile führen (sprachlich, mathematisch-naturwissenschaftlich und musisch) (Kann 2017, S. 41/42).

Das 13. Schuljahr an Gymnasien ist in Sachsen nie eingeführt worden, ebenso wenig

wie in Thüringen, so dass es auch nie, wie in den westlichen Bundesländern, erregte öffentliche Debatten über das „Turboabitur“ gab. In dieser Hinsicht wahrte man die Kontinuität. In der DDR machte man nach 12 Schuljahren Abitur und dabei sollte es bleiben. Erst mit der Einführung von beruflichen Gymnasien, die über die Oberschule besucht werden können, war ein Abschluss auch nach 13. Jahren möglich.

Neu waren nach der Wende die Einführung der Mittelschule und so die

Zweigliedrigkeit der Sekundarstufe I bis zur zehnten Klasse. Die Mittelschule hat mit zwei Schulabschlüssen statt nur einem Vorteile gegenüber dem Gymnasium. Zudem gibt es auch von dort aus Wege zum Studium. Nach dem Realschulabschluss kann eine Fachoberschule oder ein Fachgymnasium besucht und von dort aus eine Berechtigung zum Studium erworben werden.

Dennoch besteht gerade hier ein erheblicher Mangel an Lehrpersonen. Ein Grund ist

die steigende Nachfrage nach den Gymnasien, ein weiterer die Bezahlung und schließlich auch das Lehramt. Gymnasiallehrer können an Mittelschulen arbeiten, umgekehrt ist das nicht möglich.

2.2. Die Struktur der heutigen Ausbildung im Vergleich mit anderen Bundesländern

Auch die Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen umfasst drei unterschiedliche

Phasen, das wissenschaftliche Studium, den Vorbereitungsdienst (Referendariat) und den Begleiteten Berufseinstieg. Die letzte Phase besteht aus einem Angebot zur Unterstützung der Berufsanfänger, das auf Nachfrage hin und freiwillig genutzt werden kann, also nicht Teil der verbindlichen Ausbildung ist.

Die erste Phase ist ein Hochschulstudium mit schulartspezifischen

Lehramtsstudiengängen. Diese Studiengänge sind unterschiedlich lang und können an fünf Orten studiert werden.

Universität Leipzig

Technische Universität Dresden

Technische Universität Chemnitz

Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelsson Bartholdy“ Leipzig

Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden

Die Lehramtsstudiengänge werden sämtlich mit der ersten Staatsprüfung abgeschlossen. Die genauen Modalitäten regelt die gemeinsame Prüfungsordnung, sie gilt für alle fünf Hochschulen. Ein Lehrerbildungsgesetz wie in den meisten anderen

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Bundesländern existiert nicht, ist aber in der bildungspolitischen Diskussion, nachdem die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 10. Mai 2017 einen Entwurf vorgelegt hat, der die Rückwendung zum BA/MA-Studium vorsieht und die gesamte Aus- und Weiterbildung umfasst.18

Das Referendariat dient der pädagogisch-praktischen Ausbildung und somit der

unmittelbaren Vorbereitung auf den Beruf. Der Vorbereitungsdienst findet in den Lehrerausbildungsstätten der Sächsischen Bildungsagentur (neu: Landesamt für Schule und Bildung) und den damit verbundenen Ausbildungsschulen im ganzen Freistaat statt.

Der Vorbereitungsdienst dauert regulär achtzehn Monate, nachdem er kurzzeitig auf

zwölf Monate reduziert worden war. Er endet ebenfalls mit einer Staatsprüfung. Die neue Regelung trat am 1. Februar 2017 in Kraft, ursprünglich umfasste der Vorbereitungsdienst eine Dauer von 24 Monaten. Die Einstellung nach Abschluss des Studiums erfolgt halbjährig.19

Die Absolventinnen und Absolventen von Lehramtsstudiengängen anderer

Bundesländer haben einen gleichberechtigten Zugang zum Vorbereitungsdienst in Sachsen, entsprechend dem Lehramtstyp, den sie im Studium abgeschlossen haben. Das Gleiche gilt auch für den Berufszugang nach dem Vorbereitungsdienst. Auch die Absolventinnen und Absolventen sächsischer Hochschulen können so in andere Bundesländer wechseln.

Die Dauer der wissenschaftlichen Ausbildung für die einzelnen Lehrämter im Sinne

der Regelstudienzeit ist wie folgt festgelegt worden:

Lehramt an Grundschulen: 8 Semester

Lehramt an Mittelschulen: 9 Semester

Höheres Lehramt an Gymnasien: 10 Semester

Höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen: 10 Semester (12 Semester, wenn der Studiengang mit einer beruflichen Ausbildung verbunden ist)

Lehramt Sonderpädagogik: 10 Semester (LAPO I, §5)

Das Lehramt Sonderpädagogik kann nur an der Universität Leipzig studiert werden

und das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen nur an der TU Dresden. Die Ausbildung an den Musikhochschulen bezieht sich auf die Fachwissenschaft, Fachdidaktik sowie die künstlerische Ausbildung, die Anteile in den Bildungswissenschaften sowie zusätzliche Schulfächer werden an den Universitäten Leipzig bzw. Dresden studiert. Die Technische Universität Chemnitz führt nur das Lehramt Grundschulen.

Am 29. August 2012 sind die Rahmenbedingungen für die Studiengänge mit der

Lehramtsprüfungsordnung (LAPO I) neu geregelt worden. Die Prüfungsordnung schreibt am Ende des Studiums eine Staatsprüfung vor, für die ein eigenes Prüfungssemester vorgesehen ist. Das Bestehen der Prüfung ist die Voraussetzung für die Zulassung zum Referendariat. Andere Bundesländer haben die erste Staatsprüfung reformiert und mit universitären 18 http://www.gruene-fraktion-sachsen.de/fileadmin/user_upload/Gesetzentwuerfe/6_Drs_9508_0_1_1_.pdf 19 http://www.lehrerbildung.sachsen.de/14764.htm

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Prüfungen im Bologna-System verknüpft. Studium und Prüfungen folgen aber auch hier staatlichen Vorgaben, die Universitäten sind also in dieser Hinsicht nicht frei.

Sachsen hält wie Bayern oder Hessen am System der Staatsprüfung fest. Allerdings

sind die Regelungen verschieden. Ein eigenes Prüfungssemester gibt es in den beiden anderen Bundesländern nicht. In Hessen werden auch nicht alle Lehrämter mit dem Ersten Staatsexamen abgeschlossen, die Ausnahme ist das Höhere Lehramt für Berufsschulen, das mit einem Masterabschluss endet, der dem Staatsexamen gleichgestellt ist. Der Vorbereitungsdienst für alle Lehrämter dauert in Hessen 21 Monate, in Bayern dagegen 24 Monate.

In Bayern hat die Erste Lehramtsprüfung zwei Teile, sie besteht aus der Ersten

Staatsprüfung sowie einer universitären Prüfung, die die Prüfungsleistungen der Modulprüfungen beinhaltet. Das Gesamtergebnis der Ersten Lehramtsprüfung wird zu mindestens 60 von Hundert durch das Ergebnis der Ersten Staatsprüfung bestimmt (BayLBG Artikel 6, Satz 2 und 3).

Ein ähnliches Anrechnungsverhältnis (70:30) gibt es auch in Sachsen (LAPO I, § 16),

wenngleich unterschieden nach den Lehrämtern. Anders als früher werden die Studienleistungen und so die Modulprüfungen mit der Abschlussprüfung verrechnet. Die Ergebnisse der nach den Prüfungsordnungen der Hochschulen erforderlichen Modulprüfungen müssen bei der Anmeldung zur Ersten Staatsprüfung vorgelegt werden (LAPO I, §8).

Eine solche in sich geschlossene Ausbildung für einzelne Schularten war vor der

Bologna-Reform in allen deutschen Bundesländern üblich. Zwar sind auch in Sachsen die Hochschulen autonom, aber den Zugang zu den Lehrberufen regelt der Staat mit einer detaillierten Prüfungsordnung, die zwei Teile hat, neben der Ordnung für die Prüfungen am Ende des wissenschaftlichen Studiums (LAPO I) auch die Ordnung für die Prüfungen am Ende des Vorbereitungsdienstes (LAPO II).

Die Prüfungsordnung für das wissenschaftliche Studium enthält einen

Zweckparagraphen, der wie folgt formuliert wird: „Mit der Ersten Staatsprüfung wird ein Lehramtsstudium an einer Universität, an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden oder an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig (Hochschulen) abgeschlossen. In der Ersten Staatsprüfung soll nachgewiesen werden, dass die bildungswissenschaftliche, fachwissenschaftliche, fachdidaktische und, soweit erforderlich, künstlerische Eignung für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst für das angestrebte Lehramt erworben wurde“ (LAPO I, §1).

Das erste Staatsexamen ist also die Voraussetzung für die Zulassung zum Vorbereitungsdienst. Das Studium wird auf dieses Examen hin organisiert. Es geht um verschiedene Dimensionen der Eignung für die Übernahme in den Vorbereitungsdienst, die im Studium erworben und mit den bestandenen Prüfungen bescheinigt wird. Eine Eignungsabklärung vor oder im Studium ist in der Prüfungsordnung nicht vorgesehen.

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Sämtliche Angelegenheiten der Ersten ebenso wie der Zweiten Staatsprüfung für die

Sächsischen Lehrämter regelt das Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB).20 Das Amt ist in dieser Hinsicht für alle Hochschulen zuständig. Die Prüfer für das erste Staatsexamen werden vom LaSuB mit dem Entwurf von Prüfungsaufgaben, der Begutachtung und Bewertung der wissenschaftlichen Arbeiten, der schriftlichen Prüfungen sowie der Abnahme und Bewertung der mündlichen Prüfungen beauftragt (LAPO I, §3). Den Vorsitz der Kommissionen für die mündlichen Prüfungen übernimmt ein Lehrer an öffentlichen Schulen oder ein Vertreter der Schulaufsichtsbehörden (LAPO I, §4).

Das Landesamt für Schule und Bildung nimmt folgende zentrale Aufgaben wahr:

Beratung und Unterstützung aller an Schule Beteiligten

Sicherung der Einhaltung geltender Gesetze, Verordnungen und Vorschriften im Rahmen der Schulaufsicht

Angelegenheiten des Lehrerpersonals

Lehreraus- und Weiterbildung

Organisation der regionalen Lehrerfortbildung

Sitz des Landesamtes für Schule und Bildung ist Chemnitz. Hinzu kommen Regionalstellen in Bautzen, Dresden, Leipzig und Zwickau. Die Behörde untergliedert sich in verschiedene Abteilungen, die jeweils den Regionalstellen zugeordnet sind. Die einzelnen Schultypen werden von Referaten betreut, denen Leitende vorstehen.21

Das Landesamt für Schule und Bildung ist für beide Lehramtsprüfungen zuständig,

behandelt diese aber getrennt. Zwar bezieht der Zweckparagraph in der LAPO II die Phasen aufeinander, aber im Sinne eines Nacheinanders und nicht einer koordinierten Abfolge von Inhalten oder eines kontrollierten Aufbaus von Kompetenzen.

Die Lehramtsanwärter „sollen die pädagogischen und fachdidaktischen Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten, die sie während des Studiums an der Hochschule erworben haben, in engem Bezug zur Schulpraxis so erweitern und vertiefen, dass sie verantwortlich und erfolgreich den Erziehungs- und Bildungsauftrag als Lehrkraft wahrnehmen können“ (LAPO II, §1). Prüfer für die erste Staatsprüfung sind Hochschullehrer in den von ihnen vertretenem

Fach, der Fachrichtung oder dem Förderschwerpunkt qua Amt. Das Landesamt für Schule und Bildung kann darüber hinaus hauptamtlich tätige Lehrer der jeweiligen Schularten und Bedienstete der Schulaufsichtsbehörden, weiterhin Mitglieder und Angehörige der Hochschule, die zur selbständigen Lehre berechtigt sind, sowie Privatdozenten, soweit diese Personen fachlich geeignet sind als Prüfer bestellen.

20 Bis Ende 2017 war die Sächsische Bildungsagentur zuständig. Aufgrund einer Umstrukturierung im Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Kultur werden die Aufgaben der bisherigen Sächsischen Bildungsagentur und des Sächsischen Bildungsinstituts ab dem 1. Januar 2018 vom Landesamt für Schule und Bildung (LaSuB) wahrgenommen. 21 https://www.lasub.smk.sachsen.de

28

Die Lehramtsprüfungsordnung für die erste Phase regelt auch den Studienumfang und die Verteilung der Leistungspunkte. Gemeint sind Leistungspunkte nach dem European Credit Transfer System (ECTS). Die Punkte verteilen sich auf die Lehrämter unterschiedlich, da sich ja die Studiendauer unterscheidet.

Im Einzelnen wird Folgendes geregelt: 1) Lehramt an Grundschulen: 215 ECTS-Punkte

Deutsch, Mathematik oder Sorbisch mindestens 50

Grundschuldidaktik mindestens 90

Bildungswissenschaftlicher Bereich mindestens 4022

2) Lehramt an Mittelschulen: 240 ECTS-Punkte

2 Fächer mindestens je 65

2 Fachdidaktiken mindestens je 15

Bildungswissenschaftlicher Bereich mindestens 35

Musik mindestens 75

3) Höheres Lehramt an Gymnasien: 270 ECTS-Punkte

2 Fächer mindestens je 80

2 Fachdidaktiken mindestens je 15

Bildungswissenschaftlicher Bereich mindestens 35

Musik mindestens 90

4) Höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen: 270 ECTS-Punkte

Erste Fachrichtung mindestens 90

Zweite Fachrichtung oder Fach mindestens 75

Berufliche Didaktik oder Fachdidaktik mindestens 15

Bildungswissenschaftlicher Bereich mindestens 35

5) Lehramt Sonderpädagogik: 270 ECTS-Punkte

Zwei Förderschwerpunkte mindestens je 50

Fach mindestens 65

Fachdidaktik des Faches mindestens 15

Bildungswissenschaftlicher Bereich mindestens 55, davon mindestens 20 bezogen auf allgemeine sonderpädagogische Inhalte (LAPO I, §6).

Für die schulpraktischen Studien wird ein Arbeitsaufwand von mindestens 25 ECTS-Punkten berechnet, für die Sprecherziehung jeweils ein Arbeitsaufwand von mindestens 2 ECTS-Punkten. Der Arbeitsaufwand für die wissenschaftliche Arbeit im Rahmen der Ersten Staatsprüfung entspricht im Lehramt an Grundschulen einer Wertigkeit von 15, in den 22 Wird ein Fach nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 studiert, entfallen auf das Fach mindestens 50, auf die Fachdidaktik mindestens 15, auf die Grundschuldidaktik mindestens 75 und auf den bildungswissenschaftlichen Bereich mindestens 40 Leistungspunkte.

29

anderen Lehrämtern einer Wertigkeit von 20 ECTS-Punkten. Für die übrigen Prüfungsbestandteile werden insgesamt 10 ECTS-Punkte in Rechnung gestellt (LAPO I, § 6).

Die Verteilung der Leistungspunkte mit Blick auf die Lehrämter entspricht

weitgehend der bayerischen Lehramtsprüfungsordnung vom 13. März 2008.23 Der Unterschied besteht in der etwas niedrigen Dotierung des Lehramts für Grundschulen und Mittelschulen24 (210 statt 215 ECTS-Punkte) und der erheblich niedrigen Dotierung des Lehramtes für Realschulen verglichen mit den sächsischen Mittelschulen (210 statt 240 ECTS-Punkte). Die übrigen Lehrämter sind mit 270 Leistungspunkten gleich wie in Sachsen dotiert.

Der Einsatz der Punkte in den verschiedenen Studienbereichen variiert im Vergleich

mit Sachsen. Der Gesamtumfang der Leistungspunkte pro Lehramt ist als Mindestgröße zu verstehen, die nicht unterschritten, wohl aber bis zu 5 Punkten überschritten werden kann.25 So sieht die Universität München für die Lehrämter an Grundschulen, Mittelschulen und Realschulen einen Umfang von 213 ECTS-Punkten vor.26

Interessant ist, dass die bayerische Prüfungsordnung auch Mindeststudienzeiten

vorsieht: „Bis zum Beginn der Ersten Staatsprüfung muss ein für das angestrebte Lehramt geeignetes Studium von mindestens sechs Semestern, im Falle der Ersten Staatsprüfung für die Lehrämter an Gymnasien, beruflichen Schulen und für Sonderpädagogik von mindestens acht Semestern an einer staatlichen Hochschule der Bundesrepublik Deutschland in anderen als Fachhochschulstudiengängen nachgewiesen werden“ (LPO I, §22).

Die Mindeststudienzeit kann sogar bis zu zwei Semestern unterschritten werden,

wenn die zur Zulassung für die Prüfung notwendigen Studienleistungen bereits erbracht worden sind. Das betrifft auch die erfolgreiche Teilnahme an den Praktika sowie gesonderte Zulassungsvoraussetzungen (LPO I, §22).

In Bayern wird wie in Sachsen oder Thüringen das Studium der Lehrämter mit einem

Staatsexamen abgeschlossen, das wie gesagt die Voraussetzung ist für die Zulassung zur zweiten Ausbildungsphase. Der Zugang zum Beruf an öffentlichen Schulen ist erst durch das zweite Examen gegeben. Leistungen der ersten Phase werden nicht in die zweite transferiert, sondern sind mit dem Ersten Staatsexamen abgegolten. Die Eignung für den Vorbereitungsdienst wird mit Noten festgestellt.

In Bundesländern mit Staatsexamen werden die Lehrämter von der Dauer der

Studien her ungleich behandelt. Das entspricht den Regelungen vor der Bologna-Reform. Auch die Dauer des Vorbereitungsdienstes ist im Ländervergleich zwischen den Bundesländern wiederum unterschiedlich. In den „Ländergemeinsamen Anforderungen“ für 23 Lehramtsprüfungsordnung I, §22. 24 Ein Lehramt für Mittelschulen (ehemals Volksschulen) gibt es in Sachsen nicht. 25 LPO I, §22. 26 http://www.mzl.uni-muenchen.de/lehramtsstudium/erstes_staatsexamen/stex_zulassung/index.html

30

den Vorbereitungsdienst, die die KMK am 6. 12. 2012 beschlossen hat, wird die Dauer nicht geregelt. Sie ist Landessache.

Mit der Bologna-Reform hat sich in einigen Bundesländern die Regelung der Studiendauer für die erste Phase der Ausbildung geändert. Das gilt etwa wie bereits erwähnt für Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Hamburg oder Bremen. Diese Länder führen konsekutive Studiengänge und sehen gleich lange Studienzeiten für alle Lehrämter vor. Auch die Dauer des Vorbereitungsdienstes von 18 Monaten ist gleich.

Die Autonomie der Universitäten war der Anlass, die Prüfung und Bescheinigung der

wissenschaftlichen Ausbildung den Universitäten zu überlassen. Im Lehrerbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (Fassung vom 14. Juni 2016) wird festgelegt: „Das Studium liegt in der Verantwortung der Hochschulen“. Die Kontrolle durch den Staat ist dadurch aber nicht aufgelöst, sondern nimmt eine andere Gestalt an.

„Das Land regelt diese Phase der Ausbildung durch die Festlegung von Zugangsbedingungen für den Vorbereitungsdienst, durch Vorgaben für die Akkreditierung von Studiengängen und durch Hochschulverträge“ (LABG §1). Die Verträge mit den Hochschulen müssen zwischen den zuständigen Ministerien

abgestimmt werden. „Die Qualität der Ausbildung wird von der Landesregierung kontinuierlich und in Abstimmung mit der Schulentwicklung evaluiert und weiterentwickelt“. Über den Stand der Entwicklung und die erreichte Qualität berichtet die Landesregierung dem Landtag im Abstand von fünf Jahren und erstmalig im Jahr 2020 (LABG §1).27

Die Zulassung zum Vorbereitungsdienst ist in Nordrhein-Westfalen von zwei

konsekutiven Hochschulabschlüssen abhängig, dem Abschluss einen Bachelorstudiums mit sechs Semestern Regelstudienzeit und dem Abschluss zum „Master of Education“ mit vier Semestern Regelstudienzeit. „Das lehramtsrelevante Profil des Studiums einschließlich der Praxiselemente wird in einem Diplomzusatz (Diploma Supplement) dokumentiert“ (LABG §10).

Erst am Ende des Vorbereitungsdienstes steht ein staatliches Examen. Zuvor sind die

Prüfungen Zuständigkeit der Hochschulen. Hinsichtlich der Studienorganisation und das thematische Angebot müssen staatliche Auflagen erfüllt werden. Wie das geschieht, ist Sache der Hochschulen. Zu den Vorgaben gehören auch die schulpraktischen Studien, die drei Bereiche umfassen:

Ein Eignungs-und Orientierungspraktikum von mindestens 25 Praktikumstagen während eines Schulhalbjahres, die möglichst innerhalb von fünf Wochen geleistet werden sollen.

Ein mindestens vierwöchiges, in der Regel außerschulisches Berufsfeldpraktikum.

Ein Praxissemester von mindestens fünf Monaten Dauer, das neben den Lehrveranstaltungen mindestens zur Hälfte des Arbeitszeitvolumens an Schulen geleistet wird.

27 2013 lag bereits ein solcher Bericht vor, inzwischen ist das Gesetz geändert worden.

31

(LABG §12)

Alle Praxiselemente sollen auch zu einer kontinuierlichen Eignungsreflexion beitragen. Sie werden in einem Portfolio dokumentiert (LABG §12). Es genügt also nicht die bloße Teilnahmebescheinigung oder die Unterschrift der Schulleiter nach Absolvierung der Praktika.

Die beiden ersten Praxiselemente sind Teil des Bachelorstudiums, das zweite,

größere Element wird im Masterstudium absolviert. Das Eignungs- und Orientierungspraktikum dient „der kritisch-analytischen Auseinandersetzung mit der Schulpraxis, der Reflexion der Eignung für den Lehrberuf und der Entwicklung einer professionsorientierten Perspektive für das weitere Studium“. Es wird in der Regel im ersten Studienjahr absolviert.

Das Bachelorstudium umfasst auch das Berufsfeldpraktikum, das in der Regel

außerschulisch absolviert wird. Es dient dazu, den Studierenden „konkrete berufliche Perspektiven außerhalb des Schuldienstes“ zu eröffnen oder Einblicke zu gewähren „in die für den Lehrberuf relevanten außerschulischen Tätigkeitsfelder“.

Das Praxissemester im Masterstudium bezieht sich auf die Studienfächer. Es wird

bildungswissenschaftlich und fachdidaktisch vorbereitet, also nicht fachwissenschaftlich; die Fachwissenschaften sind mit dem Bachelorabschluss abgeschlossen. Das Praxissemester ist als Regelfall „in einer dem angestrebten Lehramt entsprechenden Schulform zu absolvieren“. Ausnahmen sind zwischen der oberen Schulaufsichtsbehörde und der Hochschule abzustimmen. Das Praxissemester soll im zweiten oder spätestens dritten Semester absolviert werden.

Auch hier hat der Gesetzgeber klare Erwartungen. Das Praxissemester „schafft

berufsfeldbezogene Grundlagen für die nachfolgenden Studienanteile und den Vorbereitungsdienst. Es wird von den Hochschulen verantwortet und ist in Kooperation mit den Schulen sowie den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung durchzuführen. Die Hochschulen schließen das Praxissemester mit einer geeigneten Prüfung und mit einem Bilanz- und Perspektivgespräch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern ab“ (LABG §12).

Die „Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung“ sind die regionalen Institute des

Vorbereitungsdienstes, also die früheren Haupt- und Fachseminare.28 Die zweite Phase ist damit an der schulpraktischen Ausbildung im Studium direkt beteiligt, ganz anders als etwa in Sachsen.

Die verschiedenen Lehrämter, die an nordrhein-westfälischen Hochschulen studiert

werden können, sind im Bologna-System alle mit insgesamt 300 ECTS-Punkten dotiert, sie unterscheiden sich also in dieser Hinsicht nicht mehr. Das Lehramt an Gymnasien wird auch auf Gesamtschulen bezogen, sofern diese eine gymnasiale Oberstufe führen. Die Gleichstellung der Ausbildungsdauer gilt auch für das Lehramt an Berufskollegs, das es so nur in Nordrhein-Westfalen gibt.

28 http://www.zfsl.nrw.de/index.html

32

Verglichen damit sind die Ordnungen in Sachsen oder Bayern strikte staatliche Regelungen, die wie in Sachsen den Hochschulen über die Prüfungsordnung nach Abstimmung mit den Fächern auch die Inhalte vorgeben. Gemeint sind Themen, aber nicht Kompetenzen. Die Themen sind sehr abstrakt formuliert und beziehen sich auf Wissensgebiete, die im Studium behandelt werden müssen und so dann auch geprüft werden können. An der Formulierung der Themen waren die Hochschuldisziplinen beteiligt.

Die Unterschiedlichkeit der Systeme, Staatsexamen auf der einen, Bachelor- und

Masterabschlüsse auf der anderen Seite, basiert auf politischen Entscheidungen. Verlässliche Daten über die professionellen Qualitäten, die beide Systeme erzeugen oder nicht erzeugen, liegen bislang nicht vor. Das würde einen längeren Vergleich voraussetzen.

Generell verweisen die vorliegenden Daten darauf, dass nicht einfach die

Vermehrung der Praxisanteile für eine bessere pädagogisch-didaktische Qualität sorgt, sondern dass dafür „die Unterstützung durch Mentoren und die Reflexion des eigenen Unterrichts entscheidend sind“ (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 631). Die Vorstellung, einfach mehr Praxis führe zu einem erfolgreichen, weil berufsfeldbezogenen Abschuss, ist Teil der Erwartungen sowohl auf Seiten der Studierenden als auch der Praxis. Auch die Bildungspolitik ist davon beeinflusst.

Die Frage ist, wie weit sich die Ausbildung auf diese Erwartungen ihrer Wirksamkeit

einlassen kann und darf, ohne sich selbst preiszugeben. Sie muss einen Mehrwert bieten, der über das hinausgeht, was zu Beginn des Studiums an Wissen, Können und Überzeugungen schon vorhanden ist. Und das verlangt auch eine Klärung des Verhältnisses von Studium und Beruf. Beide Seiten können nur dann zu ihrem Recht kommen, wenn sie nicht immer gegeneinander ausgespielt werden. Letztlich muss die Ausbildung für einen nachvollziehbaren Aufbau professioneller Kompetenzen sorgen, das wäre der Mehrwert.

2.3. Daten und Erfahrungen (2003-2018)

Die Sächsische Lehrerbildung hat nach der Wende eine Entwicklung erlebt, die von verschiedenen Wechseln geprägt war. Erst wurden die schulartbezogenen Lehrämter mit Abschluss Staatsexamen eingeführt. Dann wurden im Zuge des Bologna-Prozesses die lehrerbildenden Hochschulen aufgefordert, alle Studienangebote bis 2010 in gestufte Studiengänge zu überführen. Und danach mussten die Studiengänge für die neuen Staatsexamen erneut umgestellt werden. Verbunden damit war ein hoher Gremien- und Regelungsaufwand.

Die Vereinbarung über die Entwicklung der gestuften Struktur zwischen den

staatlichen Hochschulen und der Sächsischen Staatsregierung datiert auf den 10. Juli 2003. Die entsprechenden Studiengänge wurden an der Universität Leipzig zuerst für den Immatrikulationsjahrgang 2006/2007 angeboten. Ein Jahr später folgte die TU Dresden. In der Vereinbarung vom Juli 2003 wurde festgelegt, die Ausbildung von Grund- und Mittelschullehrern spätestens ab 2005 in der Universität Leipzig zu konzentrieren. Die Studierenden konnten zwar den lehramtsspezifischen Bachelor-Studiengang an der TU

33

Dresden absolvieren, mussten für den Master-Studiengang aber an eine andere Hochschule wechseln, was in der Regel die Universität Leipzig war.

Im Oktober 2010 informierte das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und

Kunst, dass zum Wintersemester 2011/2012 eine neue Reform der Lehrerbildung erfolgen würde. Die gestuften Studiengänge nach dem Bologna-Modell sollten abgeschafft werden und die universitäre Lehrerbildung künftig in Form modularisierter grundständiger Studiengänge mit staatlicher Abschlussprüfung stattfinden.

Als Begründung wurde angegeben, dass vor dem Hintergrund eines antizipierten

Lehrermangels „die Notwendigkeit einer im Hinblick auf die Einstellungsbedarfe in den einzelnen Schulformen zielgenauen Ausbildung“ bestehe. Zuvor bestand ein polyvalenter Bachelor-Studiengang, der zwar ein berufsfeldspezifisches Profil für das Lehramt aufwies, prinzipiell aber auch Voraussetzungen für ein Studium in einem fachwissenschaftlichen Master-Studiengang schaffen sollte. Die Ausrichtung auf eine spezifische Schulform wurde erst in den Master-Studiengängen umgesetzt, wie dies in verschiedenen anderen Bundesländern der Fall ist.

Die Reform der Reform umfasste neben der Wiedereinführung des ersten

Staatsexamens folgende zentrale Punkte:

Keine Polyvalenz, stattdessen schulformspezifisches Studium von Beginn an,

Differenzierung der Regelstudienzeit je nach Lehramt,

Beibehaltung der Modularisierung,

stärkere inhaltliche Ausdifferenzierung je nach angestrebter Schulform,

mehr Schulpraxis im Sinne von Erhalt und qualitativer Weiterentwicklung der Schulpraktischen Studien

Einrichtung von Studiengängen für die Ausbildung der Lehrämter an Allgemeinbildenden Schulen an mindestens zwei Hochschulstandorten Ausgenommen wurden hiervon Studiengänge für das Lehramt an Förderschulen (Schroeter, 2014, S. 86/87).

Damit war der Beschluss der Hochschulentwicklungsvereinbarung vom 10. Juli 2003

aufgehoben, wonach die Ausbildung von Grund- und Mittelschullehren in Leipzig zu konzentrieren sei (ebd., S. 87).

Der Koalitionsausschuss der Sächsischen Staatsregierung beschloss am 20. Dezember

2011 das „Bildungspaket Sachsen 2020: Exzellente Lehrerbildung für ein erstklassiges Schulsystem“. Zur Koalition gehörten seinerzeit die CDU und die FDP. Begründet wurde das Bildungspaket allgemein mit dem „dauerhaften Ausbau“ des Spitzenplatzes des Freistaates Sachsen im deutschen Bildungsmonitoring. 29

Dem Koalitionsausschuss gehörten an die Fraktionsvorsitzenden der

Landtagsfraktionen von CDU und FDP, den Beschluss haben mitgetragen der damalige Kultusminister Roland Wöller und der Finanzminister Georg Unland, beide Mitglieder der 29 www.medienservice.sachsen.de/medien/assets/download/92166

34

CDU. Die damalige Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, die parteilose Juristin und Gründungsdirektorin des Zentrums für Internationale Studien der TU Dresden, Prof. Dr. Dr. Sabine Irene Freifrau von Schorlemer, war nicht beteiligt.

Das Bildungspaket umfasst bis 2020 ein Gesamtvolumen von 200 Millionen Euro. In

der Erläuterung des Programms spielte der absehbare Lehrermangel die entscheidende Rolle.

„Sachsen ist Bildungsland Nummer 1 in Deutschland. Dies ist vor allem auch ein Verdienst der motivierten Lehrer im Freistaat. Beim Lehrpersonal zeichnete sich nun aber ein dramatisches Nachwuchsproblem ab. Denn gerade einmal 11 Prozent der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen sind jünger als 40 Jahre. Laut Prognosen des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus scheiden bis 2020 mindestens rund 7.800 Lehrer aus, bis 2025 weitere rund 6.700 und bis 2030 nochmalig etwa 7.300.“30

Die Sächsische Staatsregierung legt dem Landtag jeweils mit dem Entwurf des

Haushaltsplanes einen Bericht über den Stellenabbau vor. In dem Bericht werden die reale Stellenentwicklung, die Veränderungen im Haushalt sowie die mittelfristige Stellenplanung erläutert. Mit dem Haushalt 2013/2014 wird der Bericht zum Stellenabbau erstmals als „Stellenentwicklungsbericht“ bezeichnet. Die Darstellung unterscheidet dann zwischen Stellentwicklung ohne Bildungsbereich und Stellenentwicklung im Bildungsbereich.

Die Stellenentwicklung ohne den Bildungsbereich soll sich am Durchschnitt der

westdeutschen Flächenländer (gemessen an Vollzeitäquivalenten pro 1000 Einwohner) ausrichten. 2011 lag Sachsen über diesem Wert (12,11 gegenüber 9,38), entsprechend wurden weiter Stellen abgebaut, von 45.157 Stellen im Jahr 2012 auf 40.798 Stellen bis 2020 als Richtwert.

Davon ausgenommen war der Bildungsbereich. Mit dem Haushalt 2013/2014 wurde

das „Bildungspaket Sachsen 2020“ mit insgesamt 1.747 neuen Stellen beschlossen, 1.363 im Haushalt 2013 und 375 im nächsten Jahr. Damit sinkt die Stellenausstattung im gesamten Bildungsbereich nicht, sondern steigt, von 40.385 im Jahr 2012 auf 41.293 im Jahr 2015. (Angaben nach Jahrbuch 2013, S. 194).

Die vorgesehenen Mittel sind zum Ausbau der Lehrerbildung verwendet worden. Im

Beschluss des Koalitionsausschusses wird zugesagt, die Plätze der Studienanfänger im Lehramt „dauerhaft“ von seinerzeit 1.000 auf „mindestens“ 1.700 zu erhöhen. Zudem wurden die Stellen im Vorbereitungsdienst erhöht.

Im Jahr 2011 gab es in Sachsen nur die genannten 1.000 Studienplätze für alle

Lehrämter, konzentriert auf die Universität Leipzig, wo die Lehrämter für Grundschule, Mittelschule, Gymnasien und Sonderpädagogik studiert werden konnten. An der TU Dresden wurden in geringerem Umfang die Lehrämter für Gymnasien und berufsbildende Schulen angeboten. 2010 waren dort für die Lehrämter für Grundschulen und Mittelschulen keine Studierenden mehr aufgenommen worden. An der TU Chemnitz ist 1997 das gesamte Lehramtsstudium eingestellt worden. Grund war der fehlende Bedarf. 30 https://www.cdu-fraktion-sachsen.de/aktuell/pressemitteilungen/meldung/bildungspaket-sachsen-2020-exzellente-lehrerausbildung-fuer-ein-erstklassiges-schulsystem.html

35

Der Koalitionsausschuss vereinbarte, dass zwischen 2012 und 2014/15 die Zahl der

Referendarstellen mehr als verdoppelt werden soll. Im gleichen Zeitraum soll es in vier Stufen 2.200 Neueinstellungen für Lehrer geben. Erstmals sollen jährlich 100 „leistungsabhängige individuelle Einstellungszusagen“ bereits im Referendariat ermöglicht werden, „um in Fächern mit besonderem Bedarf den Lehrernachwuchs zu sichern“. 31

Mit dem Schuljahr 2013/2014 ist in Sachsen flächendeckend die Oberschule eingeführt worden, die als Weiterentwicklung der bisherigen Mittelschule verstanden wurde. Das Lehramt wurde aber als „Lehramt an Mittelschulen“ weitergeführt, wie es die Lehramtsprüfungsordnung vorsieht (LAPO I, §5).

Im Koalitionsausschuss wurde auch über die qualitative Zukunft der Lehrerbildung

befunden. Im Papier heißt es: „Sachsen beteiligt sich mit einer eigenen Lehrerexzellenzinitiative an der Verbesserung der Ausbildungsqualität. Dafür entsteht ein Konzept unter der Führung der Universität Leipzig mit dem Ziel eines Bildungs-Campus Sachsen. Dieser neue Ansatz kann durch die dezentrale Ausbildung bei gleichzeitiger Vernetzung der Angebote neue Möglichkeiten eröffnen. Grundschullehrer werden zukünftig in Chemnitz, Dresden und Leipzig ausgebildet.“32

Die strategische Richtung der Investition war der absehbare Lehrerbedarf und die

Bildungsversorgung vor allem im ländlichen Raum. „Bereichert wird die Ausbildung durch mehr Praktika und die systematische Integration der Studenten in den Schulbetrieb, nicht zuletzt vor allem im ländlichen Raum, um frühzeitig auf die dort vorhandenen Karrieremöglichkeiten hinzuweisen“.33

Tatsächlich ist an der TU Chemnitz nach dem kompletten Abbau der Lehrerbildung

die Ausbildung für das Lehramt an Grundschulen wieder aufgebaut worden. Die Studienplätze der anderen lehrerbildenden Hochschulen wurden erhöht. Insgesamt haben die Investitionen die Lehrerbildung neu ausgerichtet, in den Universitäten stärker verankert und auch den gezielten Ausbau der Zentren für Lehrerbildung ermöglicht. Was es vorher so nicht oder nur ansatzweise gab: Sie sind innerhalb der Universitäten zu den akzeptierten Orten der Lehrerbildung geworden.

Mit der sächsischen Lehrerexzellenzinitiative,34 die bundesweit kein Pendant hatte,

ist im Übrigen zwei Jahre vor Ausschreibung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung begonnen worden. Anders als in der kompetitiven Exzellenzinitiative des Bundes für die besten Universitäten ging es in der Lehrerexzellenzinitiative um Leistungsvereinbarungen mit den lehrerbildenden Hochschulen des Landes und so um die Förderung der Lehrerbildung.

31 www.medienservice.sachsen.de/medien/assets/download/92166 32 Ebd. 33 Ebd. 34 Der Begriff „eine Exzellenzinitiative für den Lehrerberuf“ wird zuerst wohl 2009 in einem Policy-Brief der Berliner Stiftung Neue Verantwortung erwähnt (Die besten Köpfe 2009). Dort ging es vor allem um die Entwicklung der Heterogenität der Lehrerschaft, um Bestenauslese und den Wechsel zwischen Schulberuf und Privatwirtschaft, nicht um die Exzellenz der Ausbildungsorte.

36

Die erhöhte die Nachfrage nach Lehrerpersonal ist Anlass für den Ausbau der Lehrerbildung im Freistaat Sachsen. Im Jahr 2016 betrug die Zahl der Studienanfänger für die Lehrämter landesweit 1.413 Personen, die Zahl der Studenten im ersten Fachsemester betrug 2.100 (Statistisches Landesamt 2017a, S. 9). Zum Wintersemester 2008/09 waren an allen sächsischen Hochschulen nur 1.133 Lehramtsstudierende eingeschrieben, im Wintersemester 2016/2017 waren es 9.253 an allen lehrerbildenden Hochschulen (ebd., S. 37). Auch der Anstieg der Prüfungen ist ein Indikator: Im Jahr 2000 haben 595 Personen an der ersten Staatsprüfung für die Lehrämter teilgenommen, 2016 waren es 1.122. Die Zahl der Absolventen mit einem bestandenen Zweiten Staatsexamen betrug im Jahr 2000 308, 2016 waren es 848.35

Zuvor ist mit der Begründung des scharfen demografischen Wandels wesentlich nur

abgebaut worden. Das gilt für alle Bundesländer, aber für die neuen Länder war damit eine besondere Dramatik verbunden. Caroline Kann (2017, S. 17) hat in ihrer Berliner Dissertation ausgerechnet, dass in Ostdeutschland seit 1992 von etwa 12.000 allgemeinbildenden Schulen rund 5.000 geschlossen wurden. Grund waren einbrechende Geburtenzahlen und Wanderungsbewegungen. In der Forschung ist von einem „zweiten Transformationsprozess“ der deutschen Bildung die Rede (ebd.).36

Nach der Wende sank die Einwohnerzahl auch in Sachsen drastisch, entsprechend

sank auch die Zahl der Geburten. Anfang 1990 lebten 4,9 Millionen Einwohner in Sachsen, 2015 waren es 4.08 Millionen. Die Einwohnerzahl steigt erstmals seit 2014 wieder. Nach den Ergebnissen der Bevölkerungsvorausberechnung

„wird Sachsen im Jahr 2030 zwischen 3,9 (Variante 2 – niedrigere Wanderungsannahmen) und 4,0 Millionen Einwohner (Variante 1 – höhere Wanderungsannahmen) haben. Das bedeutet, 2030 leben voraussichtlich zwischen 58 000 (V 1) und 204 000 (V 2) bzw. 1,4 bis 5,0 Prozent weniger Menschen im Freistaat als Ende 2014.“37

Die Geburtenzahlen halbierten sich zwischen 1990 und 1994, 1990 kamen in Sachsen

noch 49.774 Kinder auf die Welt, ein Jahr später sinkt diese Zahl um rund 18.000. Nach 1994 aber stieg der Zahl der Lebendgeborenen wieder an und erreichte im Jahr 2015 einen neuen Höchstwert. Der Anstieg war zunächst nur leicht, dann aber kontinuierlich. 1990 lag die Zahl der Geburten pro Frau im Alter zwischen 15 und unter 45 Jahren bei 1,50, im Jahr 2015 betrug die Zahl 1,59. Im Vergleich der Bundesländer wies Sachsen mit dieser Zahl „die höchste zusammengefasste Geburtenziffer auf.“ 38

Das sogenannte „Bestandserhaltungsniveau“ liegt bei 2.1 Geburten. Nur mit dieser

Zahl kann ein „natürlicher Erhalt der Bevölkerung“ erreicht werden, vorausgesetzt die Kindergeneration erreicht den gleichen Wert.39 Weil damit nicht zu rechnen ist, sind die Folgen absehbar: Verlängerung des Durchschnittsalters der sächsischen Bevölkerung von 35 https://www.statistik.sachsen.de/html/645.htm 36 Vgl. die Beiträge in Döbert/Fuchs/Weishaupt (2002). 37 http://www.demografie.sachsen.de/entwicklungstrends-4049.html#a-5253 38 http://www.demografie.sachsen.de/Geburten.pdf 39 Ebd.

37

39,4 Jahre im Jahr 1990 auf 46,6 Jahre im Jahr 2015. „Auch bis 2030 wird die Bevölkerung weiter altern. Das Durchschnittsalter wird dann 47,6 bzw. 48,1 Jahre betragen.“40

Der Anteil der Bevölkerung unter 20 Jahren an der Gesamtbevölkerung sank im

Zeitraum 1990 bis 2015 von 24 Prozent auf 16 Prozent. Ende 2015 lebten rund 630.000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren in Sachsen. Der Anteil der Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren stieg im gleichen Zeitraum von 16 Prozent auf 25 Prozent. Diese Altersgruppe wird bis 2030 weiter zunehmen und dann 31 Prozent der Gesamteinwohnerzahl betragen. „Die Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis unter 65 Jahre) wird bis zum Ende 2030 zahlenmäßig deutlich stärker zurückgehen und altern. In dieser Altersgruppe werden dann bis zu 392 000 Personen weniger in Sachsen leben als im Jahr 2014.“41

Was das für die Entwicklung der Bildungssysteme bedeutet, ist kaum abzusehen,

etwa ob die Erstausbildung nicht nur durch lebenslanges Lernen, sondern auch durch eine gezielte Altersbildung ergänzt werden muss. Der gesellschaftliche Wert der Erstausbildung dürfte nicht gefährdet sein.

Lineare Anpassungen im Gleichschritt mit der Demografie sind schwer möglich und

auch nicht ratsam. Das Schließen von Schulen gefährdet ganze Standorte und fördert Schulen in freier Trägerschaft (Kann 2017, S. 23), der massive Abbau von Lehrerstellen ist mit einem hohen Risiko verbunden, weil die Nachfrage wieder steigen kann, und zu große Klassengrößen gefährden den Ausbildungserfolg. Notmaßnahmen tragen generell zur Verunsicherung der Lehrer wie der Eltern bei.

Lange aber war Abbau die Maxime. Die Zahl der hauptberuflich voll-, bzw.

teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer im Freistaat Sachsen betrug im Schuljahr 2012/2013 28.076 Personen, das waren 19.2% weniger als im Schuljahr 2003/2004 (Awiszus/Klemm 2013, S. 8). Schon in den zehn Jahren vorher ist der Bestand massiv abgebaut worden. Die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen betrug im Sommer 1994 40.44142 und sank danach stetig.

Im Zeitraum vom Schuljahr 2000/2001 bis zum Schuljahr 2016/2017 sank die Zahl der

allgemeinbildenden Schulen in öffentlicher und privater Trägerschaft von 2000 auf 1.497.43 Die Zahl der fest- bzw. teilzeitangestellten Lehrpersonen sank im gleichen Zeitraum von 36.662 auf 29.399. Die Schülerzahlen im gesamten Freistaat betrugen im Schuljahr 2011/2012 318.950 und stiegen im Schuljahr 2016/2017 an auf 360.559. Die Verteilung im Land ist unterschiedlich, aber die Zahlen sinken praktisch nirgendwo.44

Die Zahl der Gymnasien stieg von landesweit 152 Einheiten im Schuljahr 2011/2012

auf 160 im Schuljahr 2016/2017, davon 24 in der Stadt Dresden und 22 in der Stadt Leipzig. Die Zahl der Mittel-/Oberschulen stieg im gleichen Zeitraum von landesweit 335 auf 347 Einheiten. Diese Schulart besuchten 2011/2012 89.968 Schülerinnen und Schüler, im 40 http://www.demografie.sachsen.de/entwicklungstrends-4049.html#a-5253 41 Ebd. 42 Zahl nach Deckow/Gross (2017). 43 Die Zahl betrug 1507 mit den Schulen des zweiten Bildungsweges. 44 https://www.statistik.sachsen.de/html/15313.htm

38

Schuljahr 2016/2017 waren es 106.975. Zum Vergleich: Gymnasien besuchten im Schuljahr 2011/2012 85.585 Schülerinnen und Schüler, im Schuljahr 2016/2017 waren es 96.227.

Die Zahl der Grundschulen im Freistaat ging von 831 (Schuljahr 2011/2012) auf 829

(Schuljahr 2016/2017) leicht zurück, ist aber im Längsschnitt weitgehend stabil. Die Gesamtschülerzahl steigt auch hier, sie betrug 123.033 im Schuljahr 2011/2012 und 136.790 im Schuljahr 2016/2017.

Im Bereich der beruflichen Bildung sinkt die Zahl der Schulen wie der Schüler. Gab es

im Schuljahr 1995/1996 landesweit noch 290 Schulen, so betrug die Zahl im Schuljahr 2016/2017 nur noch 253. Die Zahl der Schüler sank im gleichen Zeitraum von 147.103 auf 101.022. Die Zahl der voll- bzw. teilzeitbeschäftigten Lehrpersonen dagegen stieg von 5.182 auf 5.861.45

Die derzeitige bildungsstatistische Prognose geht davon aus, dass die

Gesamtschülerschaft (allgemeinbildende Schulen, Schulen des zweiten Bildungswegs sowie Berufsschulen) von 353.900 im Schuljahr 2015/2016 auf 394.200 (Schuljahr 2020/21) sowie auf 414.100 (Schuljahr 2025/26) ansteigt und danach bis zum Schuljahr 2030/31 auf diesem Niveau stabil bleibt.46 In den nächsten 20 Jahren sinkt die Gesamtzahl der Schüler insgesamt also nicht. Für die Planung und Sicherung der Lehrerbildung ist das eine entscheidende Erkenntnis.

Bundesweit nehmen die Schülerzahlen zu, Gründe sind steigende Geburtenzahlen

und höhere Zuwanderung. In der Folge dieser Entwicklung steigt auch der Lehrermangel. Es gibt keine „demographische Rendite“, also bei sinkenden Schülerzahlen und gleichbleibender Personalausstattung eine Verbesserung der Betreuungszahlen sowie der Unterrichtsqualität. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung (Klemm/Zorn 2017), die die letzte KMK-Prognose von 2013 korrigiert. Dort waren bis 2025 7,2 Millionen Schüler erwartet worden, die Bertelsmann-Studie geht von etwa 8,3 Millionen aus.

Im März 2017 hat das Statistische Bundesamt den ersten (leichten) Anstieg der

Schülerzahlen seit dem Jahr 2000 vermeldet. Im Schuljahr 2015/2016 stieg die Zahl um 0,3% gegenüber dem Vorjahr. Die Schätzung der Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass die Zahl bis 2025 um 4% steigt und bis 2030 sogar bis zu 8%. Wenn die Klassengrößen erhalten bleiben, würden 2025 gegenüber heute in der Grundschule rund 24.000 Vollzeit-Lehrkräfte fehlen.47 Die Sekundarschulen würden sich dann zeitversetzt ebenfalls starken Schülerjahrgängen gegenübersehen, für die bis 2030 etwa 27.000 zusätzliche Lehrer benötigt würden.

Für die östlichen Flächenstaaten wird bis 2030 und gegenüber 2015 ein leichter

Rückgang der Schülerzahlen für die Grundschule erwartet, während zuvor die Zahlen bis Mitte der 2020er Jahre ansteigen. Die Schülerzahlen für die beiden Sekundarstufen liegen 45 https://www.statistik.sachsen.de/html/462.htm 46 https://www.statistik.sachsen.de/html/461.htm 47 Die Zahlen für die Grundschule sind in einer Nachfolgestudie nach oben korrigiert worden. Demnach müssten bei jährlich maximal 7.000 Absolventen für das Lehramt an Grundschulen bis zum Schuljahr 2020/21 fast 9.800 Personen eingestellt werden, danach bis zum Schuljahr 2025/26 knapp 11.200, davon 9.100 für den Erhalt des Unterricht. Käme es in der neuen Legislaturperiode zu einer verpflichtenden Ganztagbetreuung an den Grundschulen, würde sich der Bedarf bundesweit nochmals erhöhen (Klemm/Zorn 2018).

39

bis 2030 deutlich über den Zahlen von 2015 (ebd., S. 17). Entsprechend steigt der Bedarf an Lehrkräften, bis 2025 in der Grundschule und bis 2030 in beiden Sekundarstufen (ebd., S. 25). Auch das spricht für eine Politikwende, mit der in Sachsen 2012 begonnen wurde.

In einem zehnjährigen sächsischen Längsschnitt zwischen den Schuljahren 2003/2004

und 2012/2013 verlieren die Grundschulen 15,6% ihres Personals, die Mittelschulen 31,2% und die Gymnasien 10,4 %. Die fünf Freien Waldorfschulen im Freistaat Sachsen dagegen erhöhten ihr (kleines) Personal um 23,5% (Awiszus/Klemm 2013, S. 10). Die Zahl der Schulanfänger im genannten Zeitraum stieg „erheblich um 14 Prozent“ (ebd., S. 3). Bis 2016/2017 wurden 343.000 Schülerinnen und Schüler erwartet (ebd.), tatsächlich waren es erheblich mehr.

Zwischen 2012 und 2016 sind für alle fünf Lehrämter insgesamt 2.679 sächsische

Lehramtsabsolventen unbefristet eingestellt worden, die meisten in der Grundschule (816), gefolgt vom Gymnasium (799) und der Oberschule (513). Noch 2012 betrug die Zahl der Neueinstellungen insgesamt nur 251 Personen, 86 für die Grundschule, 76 für die Oberschule, 33 für das Gymnasium und je 28 für die beiden anderen Lehrämter. Erst danach steigen die Zahlen wieder an, mit deutlichen Schwankungen in der Oberschule. Die Bestehensquote für die Zweite Staatsprüfung lag zwischen 2009 und 2016 bei 99%. In diesem Zweitraum haben nur zwölf Personen die Prüfung endgültig nicht bestanden.48

Der Bildungspakt ist mit dem Wintersemester 2012/2013 umgesetzt worden. Der

Kultusminister Roland Wöller war seit 2008 im Amt, mit ihm wurde der strikte Sparkurs im Bereich Schule und Lehrbildung gelockert. Eine erste Maßnahme waren Übernahmegarantien für Absolventen des Vorbereitungsdienstes und speziell für Lehrer an den damaligen Mittelschulen.

Nach den Landtagswahlen 2009 trat die FDP in die Regierungskoalition ein. Im

Dezember 2011 wurde das Bildungspaket Sachsen 2020 verkündet, am 20. März 2012 trat der Kultusminister zurück, weil das Paket vornehmlich auch durch Umverteilungen in seinem Hause finanziert werden sollte. Ministerpräsident Tillich hatte Staatsminister Wöller das Ressort Sport entzogen, das vor Sparmaßnahmen geschützt werden sollte. Gleichzeitig wurde Wöllers Staatssekretär entlassen.

In einer Presserklärung zum Rücktritt hieß es, die Landesregierung plane eine

„Kürzung im Einzelplan des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus von über 100 Millionen Euro.“ Diese solle „ausschließlich bei den Lehrerstellen erfolgen“ und führe im Ergebnis zu einem Lehrerstellenabbau. Sachsen dürfe die Priorität für die Bildung nicht aufgeben, als Kultusminister sei er „Anwalt für Schüler, Lehrer und Eltern“. Die angestrebte Kürzung sei „mit seinem Amtsverständnis nicht vereinbar“.49

Der reale Mittelzufluss seit 2012 ist beträchtlich und kam tatsächlich allen

lehrerbildenden Hochschulen zugute. 48 Antwort der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Claudia Maicher, die am 30. September 2016 eingereicht wurde. Die Antwort datiert auf den 4. November 2016. http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=6653&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1 49 Spiegel online vom 20. März 2012. http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/finanzstreit-saechsischer-kultusminister-roland-woeller-tritt-zurueck-a-822605.html

40

Allein die Universität Leipzig erhielt nach der Unterzeichnung der Zielvereinbarung

am 12. Juni 2012 für den Ausbau der Lehrerbildung bis 2016 insgesamt 29 Millionen Euro zusätzlich. Zur Erhöhung der Zahl der Lehramtsstudierenden stellte der Freistaat seinerzeit 114 neue Stellen zur Verfügung. Die Mittel sollten eingesetzt werden für die Aufstockung der Studienplätze für das Lehramt an Mittelschulen, Grundschulen und für Sonderpädagogik. Auch studienbegleitende Tutorien, das Zentrum für Lehrerbildung sowie die Gestaltung des Übergangs von Bachelor/Mastersystem zum Staatsexamen sollten berücksichtigt werden.50 Auch TU Dresden und TU Chemnitz erhielten entsprechend Mittel, die TU Dresden u. a. für den Wiederaufbau des Lehramtsstudiengangs Lehramt an Grundschulen.

2.4. Effekte des Bildungspaketes Sachsen 2020

Am 29. Oktober 2015 beging das Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und

Berufsbildungsforschung“ der TU Dresden sein zehnjähriges Jubiläum. Der Direktor des Instituts äußerte sich in einem Gespräch mit der Sächsischen Zeitung über die Effekte des Bildungspaktes und der damit verbundenen Lehrer-Werbekampagne des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus. Aus dem Artikel geht hervor, dass es zum Wintersemester 2014/2015 ca. 2000 Bewerbungen für ca. 100 Erstsemesterstudienplätze gegeben hat, die im Lehramt am Grundschulen der TU Dresden zur Verfügung stehen.51

Erwähnt werden auch die Zielvereinbarungen zur Entwicklung der Lehrerbildung, die

der Freistaat im Jahr 2012 mit den lehrerbildenden Hochschulen des Landes geschlossen hat. Die Vereinbarung sieht vor, wie viele Studierende sich für die einzelnen Schularten jährlich mindestens immatrikulieren müssen und wie hoch die Studienerfolgsquote sein muss. An der TU Dresden sind etwa 100 Einschreibungen für das Lehramt Grundschule, je 175 für das Lehramt an Mittelschulen/Oberschulen und für das Höhere Lehramt an Gymnasien sowie 204 Plätze für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen vorgesehen. Die Studienerfolgsquote wurde mit 85% festgeschrieben, aber das sei „sozialistische Planung“ und werde nicht funktionieren.52

Ab dem Wintersemester 2016/17 gelten neue Zahlen, nachdem sich die Sächsischen

Staatsministerien für Kultus und für Wissenschaft und Kunst auf neue Eckwerte betreffend Lehrerbildung für den Hochschulentwicklungsplan bis 2025 verständigt hatten. Der Plan ist am 22. November 2016 von der Staatsregierung beschlossen worden. Die Zahl der Studienplätze für die Lehrämter wird von 1.700 auf 2.000 erhöht, gemeint sind dabei die Zahlen der jährlichen Studienanfänger.

Im Einzelnen geht es um folgende Verteilungen: TU Dresden

Lehramt an Grundschulen: 150 Studierende (+50) 50 Universität Leipzig Pressemitteilung 179/2012 vom 12. Juni 2012. 51 http://www.sz-online.de/sachsen/das-ist-sozialistische-planung-3236796.html 52 Ebd.

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Lehramt an Oberschulen: 250 Studierende (+75)

Lehramt an Gymnasien: 175 Studierende

Lehramt berufsbildenden Schulen: 210 Studierende (+6) Universität Leipzig

Lehramt an Grundschulen: 280 Studierende

Lehramt an Oberschulen: 250 Studierende

Lehramt an Gymnasien: 250 Studierende

Lehramt für Sonderpädagogik: 220 Studierende TU Chemnitz

Lehramt an Grundschulen: 120 Studierende (+20) Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden

Lehramt an Gymnasien und Oberschulen: 29 Studierende

Lehramt an Grundschulen: 35 Studierende (+10) Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig

Lehramt an Gymnasien und Oberschulen: 38 Studierende

Lehramt an Grundschulen: 38 Studierende

Die Studienplätze sind also vor allem in Dresden sowie in den Lehrämtern Grund- und Oberschule verstärkt worden. Neu aufgenommen in die Zielvereinbarungen sind Plätze für das Studium von Deutsch als Zweitsprache als Lehramtserweiterungsfach. Hier erhält die Universität Leipzig 40 Plätze, während den beiden anderen Universitäten je 20 Plätze zugesprochen werden.53

Am 24.3.2016 wurde die bestehende Zielvereinbarung zwischen dem SMWK und der UL ergänzt. Zusätzlich wurde die Immatrikulationszahlen zum Wintersemester (WS) 2017/18 um 300 Studierende auf insgesamt jährlich 1.300 Neuimmatrikulationen erhöht: Lehramt Mittelschule um 65 Studierenden (insgesamt 315) und Lehramt Gymnasien um 235 Studierende (insgesamt 485).

Die Bewerbungen für die Lehramtsstudiengänge übersteigen die Platzzahlen zum Teil bei weitem. Für das Wintersemester 2016/17 liegen Zahlen vor, sie betreffen nur die Bewerbungen aus Sachsen und beziehen sich auf das erste Fachsemester.54 Demnach haben sich für das Staatsexamen Höhere Lehramt an Gymnasien an der Universität Leipzig 451 Personen beworben, 322 wurden aus Kapazitätsgründen abgelehnt oder aus andern Gründen nicht immatrikuliert. An der TU Dresden gab es 797 Bewerber, von denen 486 abgelehnt wurden. An der HMT Leipzig haben sich 30 beworben und 21 wurden abgelehnt. Ähnliche Zahlen gelten auch für die anderen Lehrämter.55

Zum Beginn des Schuljahres 2017/18 hat Sachsen 1.400 Lehrerstellen besetzt, ein Volumen, das es vorher nie gab. Zum 1. Februar 2018 konnten weitere 600 Lehrerstellen besetzt werden. Für diese Stellen sind 2.000 Bewerbungen eingegangen, von denen 323 über eine grundständige Lehrerausbildung verfügen. Eine gewisse Zahl von Bewerberinnen 53 https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2016/07/07/mehr-lehrer-fuer-sachsen-neue-vereinbarungen-mit-den-universitaeten-zum-lehramtsstudium/ 54 http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=6653&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=1 55 Staatsexamen Lehramt an Mittelschulen: UL (143:56), TUD (681:253) HMT (6:6). Staatsexamen Lehramt an Grundschulen UL (411:306), TUD (1.139:716), HMT (6:5). Staatsexamen Höheres Lehramt Sonderpädagogik UL (201:115), HMT (3:2). Staatsexamen Höheres Lehramt an Berufsbildenden Schule TUD (355:169).

42

und Bewerbern kommt auch aus anderen Bundesländern. Ein Grund für die Bewerberlage kann die in Teilen positive Berichterstattung in den Medien sein.56

Wegen der Verlängerung des Vorbereitungsdienstes standen zum Stichtag 1. Februar 2018 nur 14 Absolventen zur Verfügung. Zum Sommer 2018 rechnet das Sächsische Staatsministerium für Kultus mit 600 Absolventen, die eingestellt werden könnten.

Für 150 der derzeit offenen Stellen stehen sogenannte „schulscharfe“ Stellenausschreibungen zur Verfügung stehen, alle übrigen Stellen können auch mit Seiteneinsteigern besetzt werden. Problematisch ist weniger die Bewerberlage als die Fächerkombination.57

Bereits zum 1. Mai 2018 sollen rund 400 Seiteneinsteiger in den sächsischen Schuldienst eingestellt und qualifiziert werden. „Erstmalig werden damit Seiteneinsteiger rechtzeitig zum Start des neuen Schuljahres 2018/2019 die Einstiegsqualifizierung abschließen und für den Unterricht zur Verfügung stehen.“58 Tatsächlich wurden schon vor dem 1. Mai 2018 Seiteneinsteiger_innen an der UL (Pilotprojekt) qualifiziert und traten schon zuvor Seiteneinsteiger_innen in den sächsischen Schuldienst ein. Seit Sommersemester 2017 läuft die sogenannte wissenschaftliche Ausbildung von Lehrkräften im Schuldienst (inklusive Seiteneinsteigern) an der UL mit insgesamt ca. 300 Studierenden, die ab Wintersemester 2018/2019 auf planmäßig 550 Studienplätze erhöht wird.

Für die Ausbildung folgt daraus, auf längere Zeit mit einer Parallelorganisation arbeiten zu müssen. Einerseits geht es darum, die grundständige Ausbildung in ihrer bisherigen Qualität zu bewahren und auszubauen, andererseits ist die Nachqualifizierung der Seiteneinsteiger zu besorgen. Da stellt sich schnell die Frage der Ressourcenkontinuität, die auch schon die Landespolitik beschäftigt hat.59

Eine kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Claudia Maicher von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag vom 18. Februar 2016 betraf das Bildungspaket Sachsen 2020 und speziell die „Auswirkungen auf die Lehramtsausbildung ab Wintersemester 2016/2017“. Die Anfrage ging von folgender „Vorbemerkung“ aus: „Gemäß den Vorgaben des Doppelhaushaltes 2015/2016 sind die mit dem Bildungspaket 2020 finanzierten Stellen ab 2020 in Abgang zu stellen. Das dann noch auf diesen Stellen beschäftigte Personal muss in den Stellenplan der Hochschulen übernommen werden.“60

Danach wird in der Anfrage ausgeführt, dass aufgrund der Regelstudienzeit Lehramtsstudiengänge, die im Wintersemester 2016/2017 begonnen werden, nicht bis Ende 2020 abgeschlossen sein können, ausgenommen vielleicht die Studierenden für das Lehramt Grundschule, die ihr Studium im Herbst 2020 beenden könnten, sofern sie die 56 „Profis ohne Staatsexamen“ (Tageszeitung vom 18. November 2017). 57 http://www.sz-online.de/sachsen/mehr-lehrer-bewerber-als-erwartet-3852627.html?ShowAllComments=true 58 https://www.bildung.sachsen.de/blog/ 59 Außerordentlicher Landesparteitag des SPD-Landesverbandes Sachsen am 21. Oktober 2017 in Neukieritzsch. 60 http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=4273&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=0

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Regelstudienzeit von acht Semestern einhalten. Aber dann dürften sie weder ein Urlaubssemester nehmen noch sich an der Gremienarbeit beteiligen.61

Das Antwortschreiben der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst datiert auf den 16. März 2016. Gefragt wurde, welcher Anteil des Lehrpersonals, das an sächsischen Hochschulen in der Lehrerbildung tätig ist, auf Stellen beschäftigt wird, die aus dem Bildungspaket Sachsen 2020 finanziert werden. Die Beschäftigung soll prozentual erfasst und nach den Hochschulen aufgeschlüsselt werden. In der Antwort wird mitgeteilt:

TU Dresden: 17%

Uni Leipzig: 50%

TU Chemnitz: 77%

Hochschule für Musik Dresden: 44%

Hochschule für Musik Leipzig: 34%

Das ist bei allen Unterschieden insgesamt erheblich. Zugleich muss beachtet werden, dass die Anzahl der Stellen nicht identisch ist mit der Anzahl der Beschäftigten, weil Stellen aufgeteilt werden können.

Die Anzahl der Beschäftigten mit einer Vertragslaufzeit über 2020 hinaus betrug insgesamt 24, davon 14 an der Universität Leipzig je vier an den Technischen Universitäten und je eine an den Musikhochschulen. Die konkrete Ausgestaltung der Überführung des Personals, das auf Stellen des Bildungspaketes Sachsen 2020 beschäftigt ist, sollte 2016 nicht mehr entschieden werden. Klar war, dass die lehramtsausbildenden Hochschulen „Mittel aus dem Bildungspaket bis einschließlich 2020 erhalten“.62

Der Rektor der TU Chemnitz hat am 4. November 2017 anlässlich der Graduierung des ersten Jahrgangs von Absolventen für das Lehramt an Grundschulen festgehalten, dass „alles, was die TU Chemnitz zusätzlich zur Lehramtsausbildung braucht, auch zusätzlich vom Freistaat Sachsen finanziert werden“ müsse. Eine „Verstetigung und Erweiterung des Lehramtes in Chemnitz“ dürfe „nicht zu Lasten bestehender Bereiche der Universität gehen“. Das gelte auch in Bezug auf eine mögliche Ausdehnung der Lehramtsausbildung in Chemnitz.63

Die aktuellen Zahlen sehen nach Angaben der TU Chemnitz so aus:

„Über das Bildungspaket Sachsen 2020 werden an der TU Chemnitz 37,5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (davon 11 aus Stellen sowie 26,5 über Beschäftigungsverhältnisse; Stand: 31.12.2020) für den Studiengang „Lehramt an Grundschulen“ vom Freistaat Sachsen finanziert. Bei einer Verstetigung dieses Lehramtsstudiums an der TU Chemnitz auf dem aktuellen Niveau mit 120 Studienanfängern bzw. -anfängerinnen pro Jahr müssten mindestens diese Ressourcen auf Dauer in den Haushalt eingestellt werden - idealerweise durch die dauerhafte Zuführung von 37,5 Haushaltsstellen. Hinzu kämen ab 2021 1,5

61 Ebd. 62 https://kleineanfragen.de/sachsen/6/4273-bildungspaket-2020-auswirkungen-auf-die-lehramtsausbildung-ab-wintersemester-2016-2017 63 TUCdialog 2, Jahrgang, 4. Quartal 2017, S., 1.

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Mitarbeiterstellen, die notwendig sind, da ab 2021 erstmalig und dann auch in den Folgejahren in allen Jahrgangskohorten 120 Studierende zu betreuen sind.“64

Zu beachten sei auch, dass die TU Chemnitz bereits heute Personalressourcen von rund einer Million Euro jährlich für die Lehramtsausbildung zur Verfügung stelle. Gemessen an der Größe der Universität bewege man sich damit „auf einem sehr hohen Niveau“. Mit weiteren Eigenmitteln könne der Beitrag „nicht gesteigert werden“.65 In einer ähnlichen Situation hat der Senat der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg trotz Lehrermangels beschlossen, die Zahl der Studienplätze für Lehramtsanwärter, die kurzfristig erhöht worden waren, wieder zu reduzieren. Anders sei keine Planungssicherheit zu erreichen.66

In der Hochschulentwicklungsplanung 2025 des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst wird von sinkenden Bundeseinnahmen und dem Auslaufen der EU-Gelder ausgegangen sowie in der Folge von sinkenden Studentenzahlen. Die im Bund-Länder-Hochschulpakt 2020 eingestellten Mittel betragen für den Zeitraum von 2017 bis 2023 etwa 364 Millionen Euro. Nach Ende des Hochschulpaktes werden diese Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen. Die aktuelle Förderperiode Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds endet 2020, danach sei „aufgrund der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen“ „keine wesentliche Partizipationsmöglichkeit“ mehr zu erwarten (Hochschulentwicklungsplanung 2016), S. 13).

Der Bund allerdings kann sich „auch über die Laufzeit des Hochschulpaktes an der Finanzierung der Hochschulen“ beteiligen (ebd.). Sicher ist das nicht. Daher heißt es unmissverständlich: „Die staatliche Hochschulentwicklungsplanung 2025 und die Hochschulen bei deren Umsetzung können … zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht auf die Verfügbarkeit von Mitteln des Bundes nach Ende der laufenden bzw. beschlossenen Programme setzen“. Daher müssen die Hochschulen ihre internen Planungen darauf ausrichten, dass „alle vereinbarten Ziele und damit verbunden Bedarfe mit den in der entsprechenden Zuschussvereinbarung festgelegten Budgets und den im Wettbewerb eingeworbenen Drittmitteln erreicht werden“ (ebd., S. 14).

Die Hochschulen in Sachsen haben im Jahr 2013 rund 530 Millionen an Drittmitteln eingeworben, davon mehr als die Hälfte vom Bund und der Deutschen Forschungsgemeinschaft sowie mehr als 17% von der Gewerblichen Wirtschaft (Hochschulentwicklungsplanung 2025, S. 22). Die Drittmitteleinnahmen lagen um 36% höher als im Jahr 2005 (ebd.) und die Tendenz ist steigend. Auf der anderen Seite bleibt die Lehrerbildung eine staatliche Aufgabe, die sich nicht allein oder primär über Drittmittel finanzieren lässt. Forschung und Entwicklung sind inzwischen zu einer wichtigen Aufgabe der Lehrerbildung geworden, dafür konnten auch Mittel eingeworben werden, aber die Grundausstattung ist damit nicht zu finanzieren.

Für die Lehrerbildung wird in der Hochschulentwicklungsplanung festgehalten: „Die Universitäten und Musikhochschulen in Chemnitz, Dresden und Leipzig erfüllen die Vorgaben des Bildungspaketes Lehramtsausbildung durch zeitlich befristet ausgebaute Kapazitäten. Mit Blick auf zusätzliche Bedarfe aufgrund steigender Schülerzahlen, den 64 Ebd. 65 Ebd. 66 Volksstimme vom 9. Mai 2017.

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Notwendigkeiten der Integration von Schülern mit Migrationshintergrund sowie der Inklusion von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird die Kapazität ab 2017 auf mindestens 2000 Studienanfängern in den Lehramtsstudiengängen erhöht“ (ebd., S. 27).

Über eine Verlängerung des „aktuell bis 2020 laufenden Bildungspaketes“ wird nichts gesagt. Festgehalten wird, dass mit den Mitteln aus dem Paket seit 2012 die Kapazitäten der Lehrerbildung an den Universitäten und Hochschulen in Leipzig und Dresden „ausgebaut“ und an der TU Chemnitz ein Lehramtsstudiengang für Grundschulen „neu eingerichtet“ wurde (ebd., S. 42). Das trifft zu und die Zahlen sind sogar noch gesteigert worden. Die Frage der Anschlussfinanzierung dagegen ist offen.

In den Schlussbestimmungen wird aber eine „Revisionsklausel“ formuliert: „Die Hochschulentwicklungsplanung 2025 kann aus wichtigem Grund geändert oder angepasst werden“. Ein solcher Grund liegt vor bei „schwerwiegenden Veränderungen“ der finanziellen Rahmenbedingungen sowie bei einer „sonstigen wesentlichen Veränderung“ der Annahmen, die der Hochschulentwicklungsplanung zugrunde liegen. Dazu zählen etwa die Entwicklung der Studierendenzahlen, gravierende Veränderungen der Bund-Länder-Finanzierung und „Auflagen eines Nachfolgeprogramms des Hochschulpaktes 2020“ (ebd., S. 56). „Das SMWK legt dem Kabinett spätestens im ersten Quartal des Jahres 2020 einen Bericht zur Entwicklung der Rahmenbedingungen und Grundannahmen der Hochschulentwicklung vor“. Ob es dann einen wichtigen Grund gibt, entscheidet die Staatsregierung (ebd.).

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3. Standorte und Zentren der Lehrerbildung

Die Besuche in den drei Zentren der Lehrerbildung sind von mir angefragt und von

den Zentren vorbereitet worden. Maßgeblich von meiner Seite waren die zuvor entwickelten allgemeinen Fragestellungen. Es waren die ersten Gespräche von meiner Seite, die für die weitere Verfolgung der Fragestellungen grundlegend waren. Vieles klärte sich mit diesen Gesprächen.

3.1. Universität Leipzig An der Universität Leipzig waren zum WS 2016/2017 29.459 Studierende

eingeschrieben. 18,2% davon waren Lehramtsstudierende, nämlich 5.363 Männer und Frauen (Universität Leipzig 2016, S. 46). Im Jahr zuvor waren 5.098 Studierende für die verschiedenen Lehramtsstudiengänge eingeschrieben. 3.503 davon waren weiblich (Universität Leipzig 2015, S. 40). Die Zahl der Lehramtsstudierenden betrug im WS 2012/2013 3.999 Personen und steigt seitdem.67

An der Universität Leipzig können mit Ausnahme des Höheren Lehramts für

Berufliche Bildung sämtliche Lehrämter, inkl. Sonderpädagogik, studiert werden. Dafür stehen neben den einschlägigen Fachwissenschaften folgende Fachdidaktiken zur Verfügung:

Fachdidaktik Biologie

Fachdidaktik Chemie

Fachdidaktik Deutsch

Fachdidaktik Englisch

Fachdidaktik Evangelische Religion

Fachdidaktik Romanische Sprachen (Französisch/Italienisch/Spanisch)

Fachdidaktik Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/Wirtschaft

Fachdidaktik Geschichte

Fachdidaktik Griechisch und Latein

Grundschuldidaktik

Fachdidaktik Informatik

Fachdidaktik Kunst

Fachdidaktik Mathematik

Fachdidaktik Physik

Didaktik der politischen Bildung

Fachdidaktik Slavische Sprachen (Polnisch/Russisch/Tschechisch)

Fachdidaktik Sorbisch

Fachdidaktik Sport 67 https://www.uni-leipzig.de/fileadmin/user_upload/Service/PDF/Publikationen/150820_UniLE_Flyer_Jahresbericht_web.pdf

47

Fachdidaktiken der Sonderpädagogik68 Damit können so gut wie alle Schulfächer versorgt werden. Ausstattung, Ausrichtung

und Stellenbesetzung der Fachdidaktiken sind je nach den Zahlen der Studierenden und der Besetzungspolitik unterschiedlich.

Dabei bestehen einschlägige Traditionen. Am Institut für Didaktik der Chemie wurde

am 30. September 2016 das Julius-Wagner-Schülerlabor eröffnet. Julius Wagner war der erste Professor für Chemiedidaktik an einer deutschen Universität und zwar ab 1901 an der Universität Leipzig.69 Das Lehr-Lern-Labor dient „einerseits der praktischen Ausbildung von Lehramtsstudierenden des Faches Chemie, die so in intensiven Kontakt mit Schülerinnen und Schülern kommen“ und andererseits steht es „als außerschulischer Lernort für Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien, Mittelschulen und perspektivisch auch Grundschulen und Förderschulen“ zur Verfügung.70

Die Partizipation der Studierenden in den Gremien ist gesichert. Im Studierendenrat

(StuRa) der Universität Leipzig wird das Referat für Lehramt geführt, das sich, so der letzte Rechenschaftsbericht, als „eines der Kernreferate des StuRa“ etabliert hat. Dabei spielt die Mitarbeit im Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung eine wichtige Rolle. Die Tätigkeit des StuRa-Vertreters und weiterer studentischer Vertreter_innen umfasste dort folgende Bereiche: umfasste dort folgende Bereiche:

Beratendes Vorstandmitglied (nur StuRa-Vertreter)

Mitglieder der Mitgliederversammlung

Mitglieder des Zentrumsrates

Mitglied des Ausschusses „Forschung“ (nur StuRa-Vertreter)

Mitglieder des Ausschusses „Schulpraktische Studien“

Mitglieder der Studien- und Prüfungskommission für die Profil- und Ergänzungsstudien

Diese Tätigkeiten werden im Rechenschaftsbericht so zusammengefasst: Im Rahmen

der genannten Mitgliedschaften „konnte der Lehramtsreferent sowohl das Konzept des Lehrangebotes kommentieren und zum Wohle der Studierenden verändern und auch sicherstellen, dass die Schulpraktischen Studien für die Lehramtsstudierenden ordnungsgemäß geplant wurden“ (Rechenschaftsbericht Lehramt 2017, S. 1).

Das curriculare Angebot ist durchgehend modularisiert. In den

Bildungswissenschaften der Universität Leipzig werden für die Lehramtsstudiengänge acht Module angeboten, die sich auf die ersten sechs Studiensemester verteilen.71 In einem idealisierten Studienverlaufsplan werden die Bildungswissenschaften nach dem sechsten Studiensemester abgeschlossen, im Lehramt Grundschule nach dem siebten Semester. Tatsächlich weichen die realen Studienverläufe von diesem Ideal ab. Die 68 http://www.zls.uni-leipzig.de/315.html 69 Julius Eugen Wagner (1857-1924) habilitierte sich 1898 für Chemie an der Universität Leipzig und wurde 1901 planmäßiger außerordentlicher Professor für Chemie mit einem Lehrauftrag für Didaktik der Chemie (Boeck 2006). 70 https://didaktik.chemie.uni-leipzig.de/schuelerlabor/ 71 https://www.erzwiss.uni-leipzig.de/images/studium/Studienb%C3%BCro/Poster_BiWi-Module_170425.pdf

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Bildungswissenschaften werden im Staatsexamen geprüft. Das Modul 8 (Grundschulpädagogik) ist auf das Lehramt Grundschule zugeschnitten.

Modul 1: Einführung in die Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik (1 Vorlesung, 2 Seminare, 10 Leistungspunkte; Prüfung: Klausur).

Modul 2: Praxis und Studienfeld Schule (1 Seminar und vierwöchiges Schulpraktikum, 5 Leistungspunkte; Prüfung: unbenotetes Portfolio).

Modul 3: Entwicklungspsychologie (1 Vorlesung, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Portfolio).

Modul 4: Lernen und Instruktion (1 Vorlesung, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Portfolio).

Modul 5: Bildung und Erziehung in historischer, systematischer und international vergleichender Perspektive (1 Vorlesung zu zwei Teilen, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Klausur).

Modul 6: Diagnostik, Förderung, Beratung (1 Vorlesung, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Projektarbeit).

Modul 7: Schule als Lern- und Lebensraum (1 Vorlesung, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Hausarbeit).

Modul 8: Spezielle Aspekte der Grundschulpädagogik (1 Vorlesung, 1 Seminar, 5 Leistungspunkte; Prüfung: Mündliche Prüfung à 15 Minuten).

Das Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung der Universität Leipzig (ZLS)

besteht seit 2004 in seiner Form als Zentrale Einrichtung der Universität Leipzig. Die aktuelle inneruniversitäre Ordnung des Zentrums datiert auf den 19. September 2016. Das Zentrum ist eine zentrale Einrichtung der Universität Leipzig, die alle an der Lehrerbildung beteiligten Fakultäten und weitere Einrichtungen koordiniert und zentrale Aufgaben in den lehrerbildenden Studiengängen wahrnimmt (Ordnung des Zentrums §1).

Die Aufgaben beziehen sich vor allem auf die Gestaltung der schulpraktischen Studien

(SPS), die Mentorenausbildung sowie die Ergänzungsstudien in den Curricula der Lehrämter. In der Ordnung des Zentrums werden die Aufgaben wie folgt gefasst:

In der Lehre:

Organisatorische Entwicklung und Absicherung der SPS

Qualifizierung von Mentor/innen für die Begleitung und Betreuung der SPS und des staatlichen Vorbereitungsdienstes,

Konzeption, Durchführung und Evaluation von Lehrveranstaltungen im Rahmen von Ergänzungsstudien in den lehrerbildenden Studiengängen.

In der Forschung:

Entwicklung und Durchführung der Evaluation von Lehre und Studium in den lehrerbildenden Studiengängen (sog. Begleitforschung),

Qualifizierung der an das ZLS abgeordneten Lehrkräfte,

Förderung schul- und unterrichtsbezogener Forschung (ebd., §2)

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Weitere Aufgaben des Zentrums liegen in der Administration der ersten Phase der Lehrerbildung sowie in der Studienberatung. Das ZLS bietet Studienberatung für die Ergänzungsstudien und im Rahmen der Psychologischen Beratungsstelle für Lehramtsstudierende an. Die allgemeine Studienberatung zum Lehramt findet in der Zentralen Studienberatung der UL statt, die eine eigene Sprechstunde für das Lehramt bereithält. Daneben finden sich Beratungsangebote zu den Lehrangeboten in den jeweiligen Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften. Mit Blick auf die Administration geht es um die Koordinierung mit außeruniversitären Partnern der Lehrerbildung, Beratung bei der Ausgestaltung der Lehrerprüfungsordnungen und Studiendokumente, Verantwortung für die Evaluation der lehrerbildenden Studiengänge sowie die Implementierung von Maßnahmen der phasenübergreifenden Kooperation in der Lehrerbildung (ebd.).

Das ZLS fungiert u.a. als säulenverbindendes Element an der Universität Leipzig. Dies zeigt sich in der Gremienarbeit von Mitgliederversammlung und Zentrumsrat, in denen alle Säulen paritätisch vertreten sind. Das ZLS ist in besonderem Maß um zentrale Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit und der Kommunikationskultur nach innen und außen bemüht. Das zeigt sich daran, dass die Website des ZLS zu den am häufigsten aufgerufenen Seiten der Universität Leipzig zählt. Darüber hinaus wird vom ZLS eine hochfrequentierte Facebook-Seite betrieben, die nicht nur aktuelle Informationen zum Lehramtsstudium beinhaltet, sondern auch Hinweise auf Veranstaltungen und Projekte seiner Partner. Zudem werden bildungspolitische Informationen geteilt und gepostet. Auf konventionellen Weg veröffentlicht das ZLS regelmäßig in der Neuen Sächsischen Lehrerzeitung und berichtet hier über Belange des Lehramtsstudiums, Entwicklungen und Projekte. In engere Kooperation steht das ZLS auch mit dem LaSuB-Leipzig, für das jedes Semester Informationsveranstaltungen an der UL organisiert und kommuniziert werden. Im Rahmen dieser Kooperation findet auch die gemeinsame feierliche Verabschiedung der Absolvent_innen mit Zeugnisübergabe statt.

Das Zentrum beschreibt seine Zielsetzung wie folgt: „Zentrales Ziel des ZLS ist es, die neuen Lehramtsstudiengänge zu evaluieren, den Theorie-Praxis-Dialog innerhalb der Lehreraus-, Lehrerfort-, und Lehrerweiterbildung zu initiieren, zu fördern sowie die Einbindung von gewonnenen Forschungsergebnissen aus dem Bereich der Schulforschung in die Schulpraxis zu verbessern.“ 72

Das Zentrum verfügt über folgende Einheiten bzw. Spezialisierungen:

Geschäftsstelle mit Sekretariat

Abgeordnete Lehrkräfte

Lehre in den Ergänzungsstudien

Sprechstudio/Sprecherziehung im Rahmen der Ergänzungsstudien

Büro für schulpraktische Studien

Veranstaltungsmanagement

Öffentlichkeitsarbeit

Psychologische Beratungsstelle 72 http://www.zls.uni-leipzig.de/zentrum.html

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Forschung

Projekte

Die Bezeichnung „Lehrkräfte“ bezieht sich auf abgeordnete Lehrkräfte aus Schulen in Sachsen. Regelmäßig werden Lehrkräfte im Umfang von 15 Vollzeitäquivalenten (VZÄ), seit 1.2.2018 im Umfang von 17 VZÄ, befristet an das ZLS abgeordnet. Der Zweck ist einerseits die wissenschaftliche Weiterqualifizierung, die in aller Regel durch eine Promotion erfolgt. Die abgeordneten Lehrkräfte bilden zudem die Mentoren aus, die die Praktikanten und Referendare in den schulpraktischen Ausbildungsphasen betreuen. Am ZLS sind aber auch festangestellte Lehrkräfte tätig, die die Ergänzungsstudien in den Lehramtsstudiengängen betreuen. Ein Beispiel ist die für alle Lehramtsstudierenden verpflichtende Sprecherziehung.

Die Forschung im ZLS wird wie folgt beschrieben: Es gibt zahlreichere kleinere und

größere Forschungsprojekte. „Die Evaluation und Weiterentwicklung der komplexen Lehramtsstudiengänge ist dabei eine Daueraufgabe. Die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sorgen insbesondere für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis.“73 Derzeit laufen am ZLS die folgenden Projekte: Zu nennen sind hier der Lehramtskompass (seit 1/2017), der ein onlinebasiertes Instrument zur studienbegleitenden Selbstreflexion und Kompetenzentwicklung im Lehramt entwickelt, sowie das ESF-Projekt Teaching (for) You – Kompetenzkolleg für Studienanfänger_innen in den lehrerbildenden Studiengängen (seit 4/2018). Beide Projekte zielen auf eine Erhöhung des Studienerfolgs in Hinblick auf Quantität und Qualität. Seit Frühjahr 2018 führt das ZLS in enger Kooperation mit dem LaSuB-Leipzig das Projekt StartTraining weiter. Die Projektinitiative hilft Kindern in den Klassenstufen 1 und 5, indem es deren Unterstützungsbedarf ermittelt, um den Übergang Kita – Grundschule bzw. Grundschule – weiterführende Schule bestmöglich zu meistern. Weiterhin war das ZLS in enger Verbindung mit dem Prorektorat für Bildung und Internationales stark in die Überarbeitung der LAPO I, insbesondere der ersten Staatsprüfung eingebunden.

Der Besuch des ZLS am 4. Mai 2017 brachte einen Einblick in die Praxis des Instituts. Dazu dienten verschiedene Gespräche mit dem Geschäftsführer, dem geschäftsführenden Direktor (fachwissenschaftlicher Vertreter im Vorstand) sowie dem Vorstandsmitglied für die Bildungswissenschaften und die Fachdidaktiken. Zudem stand ein Besuch des Pflichtmoduls „Körper-Stimme-Kommunikation“ auf der Tagesordnung.

In der allgemeinen Situationsbeschreibung wurde darüber informiert, dass das

Referendariat seit dem 1. Februar 2017 auf 18 Monate verlängert wurde, nachdem es wenige Jahre zuvor auf 12 Monate gekürzt worden war. Die Kooperation zwischen der ersten und der zweiten Phase erfolgt pragmatisch und wird nicht als spannungsreich angesehen. Die Beziehung zur sächsischen Bildungsagentur (jetzt: Landesamt für Schule und Bildung) gestaltet sich professionell. Für die Seiteneinsteiger, ein zentrales Problem für die Erfüllung des Ersatzbedarfs in Sachsen, besteht ein eigenes Curriculum.

Insgesamt wird seit 2012 mit einem modularisierten Staatsexamen in allen

Studiengängen gearbeitet. Für die Zulassung zum Studium ist ein logopädisches Gutachten erforderlich. Ein Numerus Clausus besteht in den meisten Fächern. Die in der 73 http://www.zls.uni-leipzig.de/zentrum.html

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Lehramtsprüfungsordnung vorgesehene wissenschaftliche Arbeit kann auch in den Bildungswissenschaften geschrieben werden.74 Mit Blick auf das Curriculum macht das ZLS im Bereich der Ergänzungsstudien auch eigene Lehrangebote, die sich auf lehramtsspezifische Themen beziehen.

Das obligatorische Prüfungssemester in allen Studiengängen reduziert de facto die

Studiendauer. Hier wird ein gravierendes Problem gesehen. Auch das Dekanat sowie die Fachschaften bestätigen diesen Punkt.

Ein zentrales Problem der gesamten Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen ist der

gravierende Lehrermangel, insbesondere in den ländlichen Regionen außerhalb der drei Zentren Leipzig, Dresden und Chemnitz. Für zusätzliche Ressourcen zur Bewältigung des Problems ist das Bildungspaket Sachsen 2020 eingerichtet worden.

Ein Fünftel der Studierenden für die Lehrämtersind nicht an der Universität Leipzig

immatrikuliert. Die Zahl der Studierenden insgesamt hat sich seit 2011/2012 verdoppelt. Der Zuwachs hat zur Erhöhung der Ressourcen geführt, die aber immer noch ausgesprochen knapp sind.

Die schulpraktischen Studien werden im Praktikumsbüro koordiniert. Es gibt pro

Studium fünf verschiedene Praktika. Für die Betreuung der Praktika wurde das Fortbildungsprogramm „Mentorenqualifizierung“ als ein Gemeinschaftsprojekt zwischen den lehrerbildenden sächsischen Hochschulen, dem SMK sowie den Landesämtern für Schule und Bildung entwickelt. Die Mentorenqualifizierung wurde ursprünglich für die Betreuung der Schulpraktika der Studierenden konzipiert und ist schulart- und fächerübergreifend ausgelegt. Inzwischen nutzen auch Mentor_innen für Referendar_innen und Seiteneinsteiger_innen das Programm. Für das Jahr 2019 ist eine Reform des Programms projektiert, an der sich alle genannten Stakeholder beteiligen.

In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Schule und Bildung werden Mentoren für

die erste und zweite Phase der Lehrerbildung ausgebildet. Die Mentorenvergütung geschieht in Form von bezahlten Überstunden. An den Praktika sind auch Schulen in freier Trägerschaft beteiligt.

Die Ausstattung des ZLS wird wie folgt beschrieben: Derzeit sind für 16 Stellen

Vollzeitäquivalente vorhanden, von denen fünf unbefristet sind. Angestellt sind 20 hauptamtlich Tätige. Zur Jahresfrist 2018 wird mit einem Anstieg der beschäftigen Personen auf ca. 90 Mitarbeiterinnen (inkl. der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte) gerechnet. Dazu zählen auch 15 bzw. 17 VZÄ Lehrkräfte im Hochschuldienst, die in das ZLS abgeordnet sind. Sie gehören zum Mittelbau der Universität. Die Ausschreibung der Stellen erfolgt jeweils im Ministerialblatt des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus.

Die Tätigkeit der Lehrer im Hochschuldienst ist auf fünf Jahre befristet und kann im

begründeten Ausnahmefall um ein Jahr verlängert werden. Nach den ersten drei Jahren muss die Tätigkeit dokumentiert werden. Erst danach folgt die zweijährige 74 Die wissenschaftliche Arbeit muss in vier Monaten angefertigt werden und soll „ein fachwissenschaftliches, fachdidaktisches, berufsdidaktisches oder bildungswissenschaftliches Thema mit wissenschaftlichen Methoden und Hilfsmitteln sachgerecht bearbeiten“ (LAPO I, §11, 1,4).

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Weiterbeschäftigung. Mit dieser Personengruppe gibt es individuelle Zielvereinbarungen. Allgemein geregelt ist, dass 12 von 24 Stunden Lehre in der Hochschule absolviert werden müssen, die restliche Zeit steht für die Forschungsprojekte zur Verfügung. Die abgeordneten Lehrkräfte werden mindestens einmal jährlich vom ZLS zu einer sogenannten Klausurtagung eingeladen, die dem Austausch über wissenschaftliche und organisatorische Belange dient. Die Lehrkräfte haben hier die Möglichkeit ihre Forschungsprojekte und deren Entwicklung vorzustellen und zu diskutieren. Des Weiteren sind die Überzahl der abgeordneten Lehrkräfte in die Forschungskolloquien ihrer jeweiligen Fachdidaktik bzw. bildungswissenschaftlichen Lehrstühle eingebunden.

Die Fachdidaktiken bestehen als eigenständige Fachbereiche an den Fakultäten, freilich

an gemeinsamen Instituten mit den Fachwissenschaften. Die Grundschuldidaktiken und die Sonderpädagogik sind an die Erziehungswissenschaftliche Fakultät angegliedert.

Die Fachdidaktiken vernetzen sich im Arbeitskreis Fachdidaktik, der regelmäßig tagt. Bezüglich der Anforderung der Digitalisierung ist das fachdidaktische Projekt EDUdigitaLe

hervorzuheben, das maßgeblich von der Fachdidaktik Geschichte befördert wurde und an dem sich auch die Fachdidaktik Mathematik beteiligt. Im Zuge des Projekts werden u.a. OERs (open educational ressources) gemeinsam mit Studierenden hergestellt und online zur Verfügung gestellt. Erwähnung finden sollte das Schülerforschungszentrum almaLab mit Forschungsstützpunkt jugend forscht an der UL, das von unserer engagierten abgeordneten Lehrkraft in der Fachdidaktik Physik 2016 ins Leben gerufen wurde und eine von jugend forscht geförderte Erfolgsgeschichte darstellt.

Das ZLS engagiert sich als Patenunternehmen von Jugend forscht – Regionalwettbewerb Nordwestsachsen. Das ZLS der Universität Leipzig richtet jedes Jahr im Frühjahr den Wettbewerbstag aus, zu dem Schülerinnen und Schüler aus dem Einzugsbereich ihre Forschungsprojekte vorstellen und in Wettbewerb treten. Der Wettbewerb weckt ein enormes öffentliches Interesse.

Die Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften haben sich darüber hinaus in einem am ZLS etablierten Projekt zur Videographie vernetzt. Das Projekt Inklusion Gemeinsam Gestalten: Professioneller Austausch über videographierte Lernsituationen endete zum 31.12.2017.

In der Regel betrifft das eine W2-Professur für Fachdidaktik. Es gibt ein steigendes

Forschungsaufkommen in der Fachdidaktik, darunter DFG-Projekte. Das Drittmittelaufkommen ist auch in der Grundschuldidaktik steigend. Allerdings ist in der Qualitätsoffensive des Bundes ein Antrag des ZLS abgelehnt worden. Insgesamt wird der Forschungsbereich des ZLS als „ausbaufähig“ bezeichnet, was auch damit zusammenhängt, dass das ZLS über keine eigenen Professuren verfügt.

Die Praktika sollen aufeinander aufbauen. Es gibt gemäß Studienordnung

Pflichtpraktika in allen Lehramtsstudiengängen:

Bildungswissenschaftliches Blockpraktikum SPS I

1. Schulpraktische Übung SPS II (SPÜ)

1. Fachdidaktisches Blockpraktikum SPS IV

2. Schulpraktische Übung SPS III (SPÜ)

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2. Fachdidaktisches Blockpraktikum SPS V75

Das erste Praktikum hat einen Umfang von vier Wochen und ist zusammenhängend. Im Vordergrund steht die Hospitation, das Praktikum ist nicht schulform- und fachgebunden. Die erste schulpraktische Übung wird semesterbegleitend absolviert.76 Die Studenten sind in Gruppen einen Tag an einer Schule.

Das erste fachdidaktische Blockpraktikum umfasst vier Wochen und ist gebunden an

das studierte Lehramt und Unterrichtsfach. Die zweite schulpraktische Übung erfolgt wiederum semesterbegleitend. Erneut sind die Studenten einen Tag pro Woche an einer Schule tätig. Das zweite fachdidaktische Blockpraktikum ist organisiert wie das erste und bezieht sich auf das zweite Unterrichtsfach im Lehramtsstudium.

Das ZLS führt Evaluationen der Lehrveranstaltungen durch. Die Studierenden können

die Lehrveranstaltungen bewerten. Im Ergebnis werden die Fachdidaktiken als gut bewertet, während die pädagogischen Anteile eher mäßige Noten erhalten. Speziell die Bildungswissenschaften sind in einer schwierigen Situation. Die erziehungswissenschaftliche Fakultät verfügt über drei kleine Masterstudiengänge, während die meisten Ressourcen für die Lehrerbildung eingesetzt werden.

Für das Praktikumsbüro des ZLS bestehen komplexe Aufgaben in der Logistik und

Verwaltung der verschiedenen Praktika. Dafür steht ein sachsenweites Praktikumsportal zur Verfügung, in dem auch Studierende ihre Wünsche nach Praktikumsplätzen in den Schulen eingeben können. Eine Sonderrolle spielt die Wirtschaftspädagogik, die nur zwei Praktika verlangt und nicht mit einem Staatsexamen abschließt.

Insgesamt dauern die fünf verschiedenen Praktika 16 Wochen, 40 Stunden müssen

für den eigenen Unterricht reserviert werden. Die Regel wird so beschrieben: „Für die Zulassung zur Ersten Staatsprüfung ist der Nachweis von 40 selbst gehaltenen Unterrichtsstunden notwendig. Zur Dokumentation dient das 40-Stunden-Nachweisheft. Es ist von allen Studierenden des Lehramts mit dem Abschluss Erste Staatsprüfung während des Studiums zu führen.“ 77

Die Praktikumsplätze verteilen sich zwischen städtischen und ländlichen Regionen,

sachsenweit ist man gut mit Praktikumsplätzen versorgt. Bei steigenden Studierendenzahlen seien aber Kapazitätsgrenzen in Sicht. Zudem gebe es bereits heute einige unterversorgte Fächer, wie etwa romanische Sprachen, alte Sprachen oder auch das Fach Gemeinschaftskunde.78

75 http://www.zls.uni-leipzig.de/schulpraktische-studien.html 76 Die Prüfungsordnung unterscheidet zwischen Blockpraktika in der vorlesungsfreien Zeit und semesterbegleitenden Praktika (LAPO I, §7). 77 http://www.zls.uni-leipzig.de/schulpraktische-studien.html 78 Teil des Problems ist auch der Tatbestand, dass es bis vor einigen Jahren nur wenige Neueinstellungen im Schuldienst gab. Nunmehr steht ein Generationswechsel an, der das Problem des Lehrermangels verschärft. Im Vergleich mit anderen Bundesländern gibt es bei der Anstellung von Lehrpersonen erhebliche Nachteile in den Anreizen. Die Bezahlung ist schlechter und Lehrpersonen werden nicht verbeamtet. Die einzigen Ausnahmen sind die Schulleiter.

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Die besondere Situation der Erziehungswissenschaften ergibt sich aus dem Tatbestand, dass ein eigener Masterabschluss für das Fach nicht mehr vorhanden ist. Der wissenschaftliche Nachwuchs kommt von anderen Universitäten. Seit dem WS 2017/2018 kann ein in der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der neue Masterstudiengang Professionalisierung frühkindlicher Bildung studiert werden, der aber in der Forschung stark psychologisch ausgerichtet ist. Ein weiterer Masterstudiengang bezieht sich auf Begabungsforschung und Kompetenzentwicklung, der dritte Studiengang ist ein Master of Science in Early Childhood Research.79

Zur Erziehungswissenschaftlichen Fakultät gehören neben dem Institut für

Bildungswissenschaften auch das Institut für Pädagogik und Didaktik im Elementar- und Primarbereich sowie das Institut für Förderpädagogik. Daneben besteht als wissenschaftliche Einrichtung das Leipziger Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung. Die Institute haben alle in der Lehrerbildung ihren Schwerpunkt. Ein eigener Master Bildungswissenschaften wäre für die Heranbildung von Hauptfachstudenten unerlässlich.

Ein Problem ist auch die Vielzahl von Studierenden mit unterschiedlichen

Studienrichtungen, die alle gemeinsamen Pflichtmodule besuchen. Das betrifft etwa 1000 Studierende pro Semester. In den großen Vorlesungen sind 400-500 Studierende eingeschrieben, die am Ende eine Modulprüfung absolvieren müssen. Die Größe der Seminare in den Modulen wird mit 35-40 Studierenden angegeben. Die Prüfungsformate in den Modulen sind unterschiedlich, aber es gibt keine größeren schriftlichen Arbeiten, ausgenommen Projektberichte.

Das Staatsexamen nimmt wie gesagt ein Semester in Anspruch und besteht aus drei

verschiedenen Elementen, neben der wissenschaftlichen Arbeit zwei mündliche „Komplexprüfungen“ in Fachwissenschaft und Fachdidaktik (Fachrichtungen und berufliche Didaktik; Förderschwerpunkte; Grundschuldidaktik).

Dabei „sollen Grundzüge des im Studium erworbenen Wissens geprüft werden“.80 Die

mündlichen Prüfungen sollen für das Lehramt an Grundschulen 45 Minuten, im Übrigen 60 Minuten dauern und zu zwei Dritteln fachwissenschaftliche Bereiche zum Inhalt haben. Faktisch heißt das, die Kandidaten müssen sich auf zwei getrennte Prüfungen einstellen.

Das dritte Element ist eine dreistündige Klausur, die von zwei Prüfern bewertet wird.

Dafür erhalten „alle Teilnehmer eines Prüfungstermins derselben Hochschule … im jeweiligen Lehramt dieselben Aufgaben“ (LAPO I, §§ 10-13). Wo die Klausuren geschrieben werden, ist der Prüfungsordnung nicht zu entnehmen.

Die Prüfungsthemen werden zum Teil mit den Lehrenden vereinbart. Zur

Vorbereitung werden auch digitale Ordner bereitgestellt, in denen die Prüfungsliteratur zugänglich ist.

79 https://www.erzwiss.uni-leipzig.de/studium 80 In universitären Prüfungsordnungen ist für die mündlichen Prüfungen von „Zusammenhängen des Prüfungsgebietes“ und Grundlagenwissen“ die Rede (Prüfungsordnung Lehramt Grundschule Leipzig, §8).

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Für die Dokumentation der schulpraktischen Studien wird das 40-Stunden-Nachweisheft geführt. Alle fünf Praktika müssen unterschriftlich dokumentiert werden. Die Studierenden müssen Themen der Unterrichtsstunden, das Datum sowie Fach und Klasse eintragen, die Mentoren müssen diesen Eintrag gegenzeichnen und am Schluss muss die Schulleitung die absolvierten Stunden handschriftlich bestätigen. Bei Bedarf können auch Ergänzungen bzw. weitere Schulpraktika dokumentiert werden. Die Studierenden führen also ein eigenes Nachweisheft, bevor sie ihre schulpraktischen Studien abschließen können. Ob und wenn ja, wie weit diese Angaben kontrolliert werden, war nicht in Erfahrung zu bringen.

Im Curriculum der sächsischen Lehrerbildung sind Ergänzungsstudien vorgesehen, die

in den verschiedenen Lehrämtern mit unterschiedlichen Ressourcen ausgestattet sind. Der Umfang bis zum Abschluss der Ersten Staatsprüfung wird wie folgt bestimmt:

Lehramt an Grundschulen 10 ETCS

Lehramt an Mittelschulen 20 ECTS

Höheres Lehramt an Gymnasien 20 ECTS

Lehramt Sonderpädagogik 10 ECTS

Verbindlich für alle Lehramtsstudiengänge im Rahmen der Ergänzungsstudien ist das Modul „Körper-Stimme-Kommunikation“ (KSK). Dieses Modul müssen alle Studierenden besuchen. Ein vergleichbares Obligatorium gibt es in den Studienordnungen für Lehrämter an außersächsischen Universitäten nicht.

Die anderen Leistungspunkte können sich auf Profilstudien sowie Wahlmodule der

Fakultäten und des Sprachenzentrums beziehen. Anstelle der Wahlmodule des ZLS können auch Module der Fächer sowie Sprachmodule, etwa in Latein oder in modernen Fremdsprachen, besucht werden. Abweichende Regelungen gelten für die Fächer Musik und Biologie.

Der Rechenschaftsbericht des ZLS für das Geschäftsjahr 2016 enthält einige Angaben

über den Betrieb des Zentrums. Allgemein wird über die personale Zusammensetzung des ZLS Folgendes gesagt:

„Zum 1. Dezember 2016 waren am ZLS insgesamt 42 Personen im Umfang von 31,0 VZÄ beschäftigt (2015: 28,25 VZÄ). Darunter 18 Lehrkräfte im Hochschuldienst mit insgesamt 15,0 VZÄ, die aus dem Geschäftsbereich des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) abgeordnet werden. Hinzu kommen studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte. Bei den Mitarbeitenden der Universität sind sechs Personen im Umfang von 4,5 VZÄ unbefristet beschäftigt (2015: 2,0 VZÄ). Dank der engen Zusammenarbeit mit dem Prorektor für Bildung und Internationales konnte der Wechsel von der ersten in die zweite Laufzeit des Bildungspaketes Sachsen 2020 im ZLS langfristig und günstig gestaltet werden. Erstmals kommen Zuführungen im Rahmen des Überlastpaketes im Umfang von 1,5 VZÄ Stellen der stark ausgelasteten Lehre in den Ergänzungsstudien Lehramt zu Gute. Die Lehrkräfte im Hochschuldienst erfahren besondere Maßnahmen der Förderung und Begleitung“ (Rechenschaftsbericht 2017, S. 1).

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Bezogen auf die Lehrkräfte im Hochschuldienst wird festgehalten, dass im Februar

2016 eine interne Klausurtagung und im März 2016 eine Fortbildungsklausur aller Lehrkräfte im Hochschuldienst in Sachsen stattgefunden haben. Die Fortbildungsklausur ist seinerzeit zusammen mit dem sächsischen Bildungsinstitut und der sächsischen Bildungsagentur organisiert worden und diente der Weiterentwicklung der Mentorenqualifizierung.

Über die Ergänzungsstudiengänge und deren Auslastung gibt der

Rechenschaftsbericht folgende Auskunft: „Das Lehrangebot des ZLS in den Ergänzungsstudien umfasste im Sommersemester (SoSe) 2016 neun Module mit insg. 1055 Plätzen für Lehramtsstudierende, die insgesamt zu 91% ausgelastet waren (SoSe 2015: 903 Modulplätze mit 89% Auslastung). Im Wintersemester (WiSe) 2016/17 wurden sieben Module mit insgesamt 960 Plätzen zu 83% Auslastung angeboten. Für die Entwicklung der Ergänzungsstudien am ZLS kann in qualitativer wie quantitativer Hinsicht eine äußerst positive Bilanz gezogen werden, wie die summative Evaluation (SoSe 2013 bis WiSe 2015/16) unterstreicht“ (ebd.).

Ein Gespräch mit zwei abgeordneten Lehrerkräften bei ZLS gab Einblick in die Praxis

der Abordnungen. Die eine Lehrperson ist von einem Gymnasium in Leipzig abgeordnet und hat sieben Jahre Schuldienst hinter sich. Die Person ist seit drei Jahren am ZLS tätig. Die andere Lehrperson kommt aus dem gymnasialen Zweig der Berufsbildung, war ebenfalls sieben Jahre im Schuldienst und ist seit sechs Jahren am ZLS.

Beide Personen haben Dissertationsprojekte durchgeführt, das eine ist bereits

abgeschlossen, das andere steht vor der Fertigstellung. Im ersten Fall geht es um das Thema „bewegte Schule“, das sportwissenschaftlich sowie bildungswissenschaftlich ausgerichtet ist. Es handelt sich um ein Thema aus der Bewegungspädagogik und konkret um ein Videotraining mit Studierenden.

Das zweite Projekt ist in der Fachdidaktik Anglistik angesiedelt. Es geht um das Thema

„Mehrsprachigkeit im Unterricht“ und konkret um einen Kompetenztest. Die Dissertation ist inzwischen fertiggestellt. Die Forschungstätigkeit war weitgehend selbst organisiert, bei der Erarbeitung der Forschungsmethoden gab es keine organisierte Hilfe, die Forschende selbst war für die Qualitätssicherung zuständig.

Bei der Frage, ob und wenn ja, wie die Forschungsergebnisse rückübersetzt werden

können in die Praxis, gibt es eher ernüchternde Antworten. Die Forschenden geben an, sie müssten sich selbst die entsprechenden Möglichkeiten schaffen, Unterstützung seitens des Landesamtes für Schule und Bildung gebe es bislang nicht. Für die abgeordneten Lehrkräfte stehe auch kein einheitliches Kolloquium am ZLS zur Verfügung. Dagegen gebe es eine persönliche Betreuung durch den Geschäftsführer des ZLS.

Eine institutionelle Rückübersetzung der Forschung sei nicht vorhanden, das heißt,

die Ergebnisse der verschiedenen Projekte würden nicht systematisch an die Praxis weitervermittelt. Es gebe erhebliche Hindernisse, die beseitigt werden können, wenn das Landesamt für Schule und Bildung dafür Anreize und institutionelle Möglichkeiten

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bereitstellen würde. Gesagt wird auch, dass die Bezahlung von Fortbildnern zu gering sei und Forschungsergebnisse zu den Profilbildungen der Schulen passen müssen, wenn sie nachgefragt werden wollen.

3.2. Technische Universität Dresden

An der Technischen Universität Dresden (TU Dresden) studieren seit dem

Wintersemester 2016/2017 34.838 Männer und Frauen darin eingeschlossen die Studiengänge in Medizin (TU Dresden Statistischer Jahresbericht 2017, S. 8).81 3.376 von ihnen sind für die verschiedenen Lehramtsstudiengänge eingeschrieben, das sind 9,7% der Gesamtzahl (ebd., S. 9). 660 Studierende waren im ersten Semester, 76 Personen waren höher als im 12. Semester eingeschrieben (ebd., S. 10). Am Studium der Lehrämter sind sechs Fakultäten direkt beteiligt (indirekt über Lehrexport alle Fakultäten inklusive Medizin).

Die TU Dresden hat als einzige Sächsische Universität einen Studiengang für das

Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen. Insgesamt studieren etwa 500 bis 550 Studierende dieses Lehramt, bei 120 Anfängern pro Jahr. Der Studiengang wird von den Fakultäten Erziehungswissenschaften, Sprach-, Literatur-, Kulturwissenschaften, Informatik, Mathematik und Naturwissenschaften sowie der Philosophischen Fakultät gemeinsam getragen und durch eine fakultätsübergreifende Studienkommission (mit Vertretern der Lehrenden und der Studierenden) am ZLSB gesteuert. Aufgrund der hohen Nachfrage führen die personenorientierten Fachrichtungen einen Numerus clausus (NC) (WS 17/18: 30 Plätze bei Gesundheit und Pflege; LEH: einmalig frei; 35 Plätze bei Sozialpädagogik).

Ein nicht unerheblicher, wenngleich durchaus üblicher Prozentsatz der Studierenden

scheidet vorzeitig aus dem Lehramtsstudium aus bzw. wechselt den Studiengang, das Fach oder den Studienort. Die Zahlen unterscheiden sich je nach Lehramt, Fach oder beruflicher Fachrichtung. Sie sind im Studiengang Lehramt an Grundschulen am niedrigsten; im Studiengang Lehramt an Mittelschulen sowie in einzelnen Fächern und beruflichen Fachrichtungen der Studiengänge Höheres Lehramt an Gymnasien sowie Höheres Lehramt an berufsbildenden Schulen sind sie am höchsten.

Im Sommersemester 2017 hat die Fakultät Erziehungswissenschaft der TU Dresden in

den Lehrämtern an allgemeinbildenden Schulen (Grundschule, Mittelschule, Gymnasium) keine Großvorlesungen angeboten. Das Vorlesungsverzeichnis bestand primär aus größeren und kleineren Seminaren, dazu eine Vorlesung. Die meisten Vorlesungen liegen im Wintersemester. Die Modulstruktur in den Bildungswissenschaften der einzelnen Studiengänge ist vergleichbar aufgebaut, wobei die Lehrveranstaltungen in den Modulen die jeweilige Lehramtsspezifik aufgreifen. Die Module werden so bezeichnet:

EW-SEGS/MS/GY-BW1 (Orientierungswissen Erziehungswissenschaft)82

EW-SEGS/MS/GY-BW2 (Unterrichts-und Professionsforschung, Allgemeine Didaktik)

81 TU Dresden Statistischer Jahresbericht (2017) S. 8. Die Zahl der Studierenden betrug im WS 2015/2016 35.961. 82 EW – Erziehungswissenschaften; SEGS - ???; MS – Mittelschule; GY – Gymnasium, BW - Bildungswissenschaft

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EW-SEGS/MS/GY-BW3 (Schulpraktische Studien: Blockpraktikum A)

EW-SEGS/MS/GY-BW4 (Grundlagen der Lehr-, Lern-, Entwicklungspsychologie)

EW-SEGS-BW5 (Bildungswissenschaftliche Anwendungsfelder)

EW-SEMS/GY-BW5 (Anwendungsfelder Psychologie)

EW-SEMS/GY-BW6 (Handlungsfelder der Erziehungswissenschaft)

Das Angebot für die Lehrämter Mittelschule und Gymnasium ist weitgehend deckungsgleich. Von acht bildungswissenschaftlichen Modulen im Studiengang Lehramt Grundschule (LA GS) sind drei grundschulspezifisch gefasst: „Aktuelle Entwicklungen und Perspektiven in Grundschule und Grundschulunterricht“, „Diagnostik und Übergänge in der Grundschule“, „Umgang mit Heterogenität in der Grundschule“. Darüber hinaus werden im Bereich der Bildungswissenschaften auch hier Lehrveranstaltungen angeboten, die überall zum Einsatz kommen. Eine klare Differenzierung zwischen den Lehrämtern besteht nicht und soll auch nicht bestehen.

Die Veranstaltungen haben Teilnehmerzahlen zwischen 15 und 100 Personen. Die

größte Veranstaltung ist eine Vorlesung, die für die Lehrämter Mittelschulen und Gymnasium angeboten wird. Thematisch wird ein breites Spektrum abgedeckt, das überwiegend von den Spezialisierungen und Interesselagen der Dozierenden ausgeht. Einige Lehrveranstaltungen sind dem Thema Inklusion gewidmet, auch das Thema Medien ist vertreten, eine Übung befasst sich mit dem Thema „Webtechnologien in pädagogischen Kontexten“. Ein anderes Seminar behandelt Konzepte der Medienkompetenz und auch eine Ringvorlesung ist in diesem Bereich angeboten worden.

Die Fachdidaktik an der TU Dresden ist ausgebaut und kontinuierlich

weiterentwickelt worden. Es gibt derzeit neun reine Fachdidaktikprofessuren sowie 22 Professuren mit fachdidaktischen Anteilen in einer Fachwissenschaft. Vakanzen gibt es im Bereich der W1-Professuren. Angestrebt wird eine Vernetzung von Fachdidaktik und Bildungswissenschaft zur Stärkung des wissenschaftlichen Habitus in der Lehrerbildung.

Die Fachdidaktik umfasst neben den klassischen Unterrichtsfächern Mathematik,

Sprachen und Naturwissenschaften auch die Didaktik der Berufsbildung, die Kunstdidaktik, weiter die Grundschuldidaktik, Didaktik der Philosophie und für Ethik, Didaktik der politischen Bildung, Sozialpädagogik einschließlich ihrer Didaktik, das Forschungsfeld „Fachdidaktik der Ingenieurswissenschaften“ oder auch eine stark berufsbezogene Religionspädagogik.

Das Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung (ZLSB) der

Technischen Universität Dresden ist im Jahr 2005 als zentrale interdisziplinäre Einrichtung der TU Dresden gegründet worden. Treibende Kraft hinter dieser Entwicklung war der Schulpädagoge Wolfgang Melzer. Nach der Gründung ist das ZLSB kontinuierlich weiterentwickelt und ausgeweitet worden. Seit 2012 ist der Lehrerbildungsforscher Axel Gehrmann Geschäftsführender Direktor des ZLSB. Unter seiner Leitung vollzogen sich am ZLSB weitreichende strukturelle Veränderungen, verbunden mit einem starken Aufwuchs an Aufgaben und Personal.

Das ZLSB koordiniert die Lehramtsstudiengänge, betreut die Lehramtsstudierenden, beteiligt sich an der Lehrerweiterbildung und initiiert Forschungs- und Entwicklungsprojekte.

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Wesentliche Schwerpunkte der aktuellen Arbeit bestehen in der Koordinierung und Leitung des BMBF-Projektes der TU Dresden innerhalb der Qualitätsoffensive Lehrerbildung sowie in der Entwicklung eines Programms für den Seiteneinstieg.

In seiner eigenen Forschung widmet sich das ZLSB vor allem studiengangsbezogenen

Forschungsfragen, in der …

…Lehrerbildungsforschung (empirische Studien zur Studienwahl, Studierverhalten, Studienabbruch, Kompetenzentwicklung im Studium, Quer- und Seiteneinstieg in den Lehrerberuf),

…Qualitätssicherung in den Lehramtsstudiengängen,

…Entwicklung und Pilotierung von Studien- und Weiterbildungsangeboten, v. a. für Quereinsteigende und Seiteneinsteigende in den Lehrerberuf.

Das ZLSB ist direkt dem Rektorat unterstellt. Zum Zeitpunkt des Gesprächs hatte das ZLSB 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Bis zum Ende des Jahres 2017 stieg die Zahl noch einmal auf insgesamt 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Davon sind fünf Vollzeit-Stellen dauerhafte Haushaltsstellen. Aus dem Bildungspaket Sachsen 2020 werden 4,5 bislang noch befristete Stellen finanziert (Prüfungsamt, Praktikumskoordination, Controlling).

Eine wichtige Rolle des ZLSB besteht im Controlling der Finanzmittel für viele

unterschiedliche Projekte. Dazu gehören insbesondere die Qualitätsoffensive Lehrerbildung und das Programm für Seiteneinsteiger. Für die Organisation der Ausbildung der Seiteneinsteiger stehen 10 Millionen Euro zur Verfügung, die vom ZLSB eingesetzt und verwaltet werden.

Das Organigramm des ZLSB umfasst drei verschiedene Aufgabenfelder, nämlich das

Team Service mit dem Studienbüro Lehramt, die Leitung und Geschäftsstelle sowie das Team Forschung, Lehre und Entwicklung:

Quelle: Jahresbilanz 2016/17 des ZLSB, https://tu-

dresden.de/zlsb/ressourcen/dateien/publikationen/ZLSB_Jahresbilanz-2016-17.pdf?lang=de

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Leitung und Geschäftsstelle ZLSB sind wie folgt organisiert: Das Zentrum hat einen Vorstand, ein Kuratorium sowie einen Wissenschaftlichen Rat. Die Zusammensetzung und die jeweiligen Aufgaben der Gremien werden in der Ordnung des ZLSB ausgeführt.83 Der Geschäftsführende Direktor ist Teil des vierköpfigen Vorstandes und leitet die Geschäfte des Zentrums. Ihm zugeordnet sind die Geschäftsführerin sowie ein eigenes Sekretariat und das Controlling. Zudem ist der Geschäftsführende Direktor auch Dienstvorgesetzter der Studienbüroleitung sowie der Mitarbeiter im Team Forschung, Lehre, Entwicklung. Neben der Gremienbetreuung, der Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen und der Kommunikation nach innen und außen besteht ein Arbeitsschwerpunkt der Geschäftsstelle darin, die Internationalisierung der Lehrerbildung voranzubringen.

Das Studienbüro Lehramt hat einen eigenen Leiter. Die zentralen Aufgaben sind

Studienberatung, Praktikumskoordination, die Betreuung des Ergänzungsbereichs sowie das Prüfungsamt. Die Praktikumskoordination nutzt für die Vermittlung von Praktikumsplätzen das Praktikumsportal Sachsen, an das alle lehrerbildenden Hochschulen im Freistaat Sachsen angeschlossen sind.

Das Team Forschung, Lehre und Entwicklung koordiniert die verschiedenen Forschungsprojekte, darunter vor allem das TUD-Sylber-Projekt aus der Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Zudem ist hier der Seiteneinstieg für das Lehramt angesiedelt, weiterhin ein Graduiertenforum, Maßnahmen zur Inklusion sowie weitere Forschungs- und Entwicklungsprojekte, unter anderem das Kompetenznetzwerk QSL sowie ein neues ESF-Projekt zur Förderung des Mentorings, Tutorings und Coachings im Lehramts seit Ende 2017. Schließlich sind die in den Hochschuldienst abgeordneten Lehrerinnen und Lehrer dieser Abteilung des ZLSB zugeordnet.

Eine zentrale Aufgabe bei der Entwicklung der Lehrerbildung ist das Verhältnis von

Fachdidaktik und Fachwissenschaft. Die Basisphilosophie an der TU-Dresden wie auch der Universität Leipzig ist die Zuordnung der Fachdidaktiken zu den Fachwissenschaften. Die Abstimmung des Studienangebots erfolgt in den entsprechenden Fakultäten. Das ZLSB übernimmt dagegen Aufgaben im Ergänzungsbereich der Lehramtsstudiengänge.

Die 15 abgeordneten Lehrerinnen und Lehrer im Hochschuldienst haben alle einen

Arbeitsplatz am ZLSB. Sie promovieren in der Regel in den Professuren, denen sie zugeordnet sind und werden dabei durch das Graduiertenforum im ZLSB v. a. forschungsmethodisch unterstützt. Sie sind ähnlich wie in Leipzig gut zur Hälfte in der Lehre, insbesondere der Betreuung der Schulpraktischen Studien, tätig und werden auch in der Mentorenqualifizierung eingesetzt. Diese Gruppe trifft sich regelmäßig alle vier Wochen bei einem Jour fixe. Für die Weiterentwicklung des Lehrangebotes an der Schnittstelle von Theorie und Praxis spielen die abgeordneten Lehrkräfte aus Sicht des ZLSB eine wichtige Rolle.

Die Studierenden sind im Wissenschaftlichen Rat sowie in den Studienkommissionen

und in den Arbeitskreisen des ZLSB vertreten. Die Studierendenvertretung trifft sich zudem regelmäßig mit der Geschäftsführerin des ZLSB. Die Lehrveranstaltungsevaluation obliegt an der TU Dresden dem Zentrum für Qualitätsanalyse (ZQA). Unter Projektleitung des ZQA wurde in einem Kooperationsprojekt zwischen TU Dresden, Universität Leipzig und TU 83 Vgl. https://tu-dresden.de/zlsb/ressourcen/dateien/zlsb/Ordnung-des-ZLSB_geaendert-am-06-01-2018.pdf?lang=de

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Chemnitz ein Evaluationskonzept für die Lehramtsstudiengänge ausgearbeitet (Kompetenznetzwerk QSL). Ein Schwerpunkt des Projektes lag in der Leitbild-Entwicklung.

Mit der Einrichtung des Graduiertenforums für wissenschaftliche Mitarbeitende in

Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften, abgeordnete Lehrkräfte sowie Lehramtsstudierende in höheren Fachsemestern reagierte das ZLSB auf Defizite in der Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses. Das Graduiertenforum eröffnet einem großen Kreis von Adressaten forschungsmethodische Lehr- und Unterstützungsangebote. Einige regelmäßige Formate haben sich 2017 bereits bewährt: In der Forschungswerkstatt erhalten die Promovierenden in gemeinsamen Datensitzungen einen Einblick in verschiedene Analyseverfahren der qualitativen Sozialforschung. Konkrete Problemstellungen und erste Ergebnisse werden im fächerübergreifenden Forschungskolloquium diskutiert. Bedarfsorientiert werden zudem Workshops zu bestimmten Forschungsmethoden angeboten. Neben der Funktion der forschungsmethodischen Unterstützung etabliert sich das Graduiertenforum auch zunehmend als ein Ort des fächerübergreifenden wissenschaftlichen Austauschs unter Promovierenden mit Lehramtsbezug. Anders als ursprünglich geplant, soll das Graduiertenforum unter Beibehaltung des bewährten Forumsformats bedarfsorientiert weiterentwickelt werden. Die Einrichtung eines Graduiertenkollegs wird zunächst nicht prioritär weiterverfolgt.

Das Projekt für die berufsbegleitende Qualifizierung von Seiteneinsteigern und

Lehrkräften ist terminiert bis zum Jahre 2023. Bereits vorher gab es an der TU Dresden den Modellversuch QUER (Qualifikationsprogramm für Akademiker zum Einstieg in den Lehrerberuf). Das Projekt wird in Kooperation mit der Dresden International University (DIU) durchgeführt.84 Auftraggeber ist das Sächsische Staatsministerium für Kultus auf der Basis der Lehrer-Qualifizierungsverordnung (QualiVO Lehrer). Geplant sind über 900 Plätze für Seiteneinsteiger im gesamten Freistaat Sachsen. Gemäß den Vorgaben der KMK muss die Vergleichbarkeit mit grundständigen Ausbildungen gegeben sein.

Offiziell geht die Landesregierung von folgenden Zahlen aus: „Bis zum Jahre 2025 scheiden jährlich ca. 1300 Lehrkräfte altersbedingt aus dem sächsischen Schuldienst aus. Im gleichen Zeitraum ist ein Anstieg der Schülerzahlen um 10 - 15 Prozent prognostiziert. Deshalb ist der Einstellungsbedarf für Lehrerinnen und Lehrer gegenwärtig sachsenweit sehr hoch. Diese Tendenz wird noch mindestens für die nächsten 8 Jahre anhalten“.85 Eingestellt in den Schuldienst werden durch den Freistaat Personen, die über einen

adäquaten Universitätsabschluss verfügen, also Master, Magister oder Diplom. Die Qualifizierung für die Lehrämter erfolgt berufsbegleitend. Die Bewerber erhalten vor der Teilnahme am Programm ein Einstellungsangebot und können nach Annahme des Angebots und einer Einstiegsfortbildung bereits unterrichten. „Ziel der Qualifizierungsmaßnahmen ist es, mittelfristig ein Ausbildungsniveau zu erreichen, dass dem von grundständig ausgebildeten Lehrkräften gleichwertig ist“.86

84 Die DIU ist die staatlich anerkannte Weiterbildungsuniversität der TU Dresden. 85 http://www.lehrerbildung.sachsen.de/15474.htm 86 http://www.lehrerbildung.sachsen.de/15764.htm

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Für die Tätigkeit an Grundschulen müssen die Seiteneinsteiger 24 Monate lang die Universitätsangebote wahrnehmen, d.h. sie sind zwei Tage in der Woche mit Studien beschäftigt und unterrichten die anderen drei Tage. Grund für diese Lösung ist die angespannte Lage im Lande, also der zunehmende Lehrermangel, insbesondere, wie gesagt, in den ländlichen Regionen.

Entsprechende Programme für die beiden Sekundarstufen laufen an, dabei

kooperieren die Universitäten Dresden, Leipzig und Chemnitz. Allein im Jahr 2016 sind in Sachsen mehr als 200 Personen als Seiteneinsteiger an den Grundschulen eingestellt worden.

Ziel der Initiativen des Maßnahmenpaketes „Synergetische Lehrerbildung im

exzellenten Rahmen“ (TUD-Sylber) ist es, die vielfältigen Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung innerhalb der TU Dresden sowie in ihrem Umfeld besser zu vernetzen und ihr Handeln so aufeinander abzustimmen, dass nachhaltige Fortschritte in der Ausbildung angehender Lehrkräfte erzielt werden.

Das Maßnahmenpaket TUD-Sylber vereint Akteurinnen und Akteure aus acht

Fakultäten sowie dem Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung und nimmt sowohl die institutionellen Strukturen der Lehrerbildung an der TU Dresden, als auch die Inhalte und Lehrformen des Studiums in den Blick.

Der Ansatz der TU Dresden im Rahmen der Qualitätsoffensive Lehrerbildung besteht

darin, möglichst viele Akteure mit ihren Themen und Anliegen in die Weiterentwicklung der Lehrerbildung einzubinden. Über die gemeinsame Projektarbeit an Vorhaben zur Verbesserung der Lehramtsstudiengänge werden dauerhaft effektive Kooperationsstrukturen in der universitären Lehrerbildung etabliert, die langfristig dazu beitragen, die Kohärenz der Lehrerausbildung an der TUD zu erhöhen.

Die Vorhaben von TUD-Sylber widmen sich zum einen der Entwicklung effektiver

Strukturen für die Steuerung und Kooperation in der Lehrerbildung an der TUD (Schwerpunkt Organisationsentwicklung). Zugleich wird mit einer breiten Agenda an der Verbesserung der Qualität der Lehramtsstudiengänge gearbeitet. (Schwerpunkt Qualitätsverbesserung). Dabei geht es sowohl um den Einsatz innovativer Lehr- und Lernmethoden als auch um die Integration neuer Inhalte (z. B. Inklusion, digitale Medien). Obwohl der Fokus von TUD-Sylber zunächst auf der ersten Phase der Lehrerbildung und damit auf den Aktivitäten innerhalb der Hochschule liegt, sollen im Schwerpunkt Regionale Vernetzung Potentiale außeruniversitärer Partner in der Region für die Lehrerbildung erschlossen werden. Dazu wird mit Schulen ebenso zusammengearbeitet wie mit außerschulischen Lernorten wie Museen und Bibliotheken.

Die Ziele der Einzelvorhaben berühren einen Großteil der Handlungsfelder der QLB:

es geht um die Profilierung der Lehrerbildung an der TU Dresden, die Verbesserung des Praxisbezugs im Lehramtsstudium, die Integration von Heterogenität und Inklusion sowie Digitalisierung als Themen der Lehrerbildung sowie eine Stärkung der Zusammenarbeit von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften. Die Einzelvorhaben wurden aus den aktuellen Fachdiskursen der unterschiedlichen an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen heraus entwickelt.

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Durch den intensiven interdisziplinären Austausch im Projekt rückt jedoch neben der

spezifischen disziplinären Perspektive die Entwicklung der Lehrerbildung als Ganzes in den Fokus.

Die Organisation der Praktika an der TU Dresden folgt der Logik einer Progression der

Qualifikationsziele im Sinne eines aufsteigenden Curriculums.87 Das Curriculum orientiert sich an den KMK-Standards für die Lehrerbildung. Die Praktikumserfahrungen werden in Form von individuellen Berichten bzw. Portfolios und in praktikumsnachbereitenden Veranstaltungen ausgewertet. Der eigene Unterricht der Praktikantinnen und Praktikanten wird an den Schulen oder in begleitenden universitären Veranstaltungen bzw. in Einzelsitzungen vor- und nachbereitet. Die Betreuung der Praktika übernehmen vielfach die abgeordneten Lehrpersonen sowie die dafür ausgebildeten Mentoren in den Schulen.

Im Grundpraktikum (30 Stunden erstes Semester) wird auch eine Eignungsberatung

angeboten. Das entsprechende Modul im Curriculum umfasst eine Vorlesung, Seminare sowie die Praktika.

Zum Thema „Eignungsabklärung“ entwickeln das ZLS der Universität Leipzig und das

ZLSB der TU Dresden im Projekt «Lehramtskompass» gemeinsam ein kompetenzorientiertes Instrument, welches angehende Lehrpersonen über alle Phasen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung kontinuierlich und nachhaltig begleiten soll. Im Fokus steht die Passung von Berufsvorstellungen und der Studien- und Berufseignung mit den beruflichen Anforderungen im Lehrberuf. Mithilfe eines onlinebasierten Instruments erhalten angehende Lehrpersonen von der Studienorientierung über die Studienwahl, das Studium und den Vorbereitungsdienst bis in den Berufseinstieg hinein individuelle Rückmeldungen zu ihrem Entwicklungsstand. Darüber hinaus ist bei Bedarf eine Lenkung in vorhandene Beratungs- und Unterstützungsangebote vorgesehen.

Der «Lehramtskompass» soll mithilfe vielfältiger Informationsangebote Transparenz über Studien- und Berufsanforderungen sowie Beschäftigungsaussichten im Lehrberuf schaffen und eine größtmögliche Bewusstheit der eigenen Motivation, Fähigkeiten und Kompetenzentwicklung ermöglichen. Mit Hilfe des Online-Instrumentes ist damit letztlich auch eine Erhöhung des Lehramts-Ausbildungserfolgs beabsichtigt.

Ein weiterer Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus betrifft das Thema

Inklusion in den Lehramtsstudiengängen. Ein vom Prorektor für Bildung und Internationales beauftragtes „Kernteam Inklusion“ hat ein entsprechendes Konzept erarbeitet. In ihm wird die Bedeutung integrierter Lehrkonzepte hervorgehoben, die gewährleisten sollen, dass die besonderen Probleme und Aufgaben inklusiven Unterrichts in allen Lehramtsstudiengängen studiert werden können.

Das Studienbüro Lehramt besteht seit November 2016 und ist ein Einzelvorhaben des

Teilprojekts Organisationsentwicklung im Projekt TUD-Sylber der Qualitätsoffensive.88 Aufgaben des Büros sind die Organisation der Lehramtsprüfungen, der Praktika sowie die 87 Vgl. https://tu-dresden.de/zlsb/ressourcen/dateien/studium/20150930_-Praktikumskonzeption_Neues_StEx.pdf?lang=de 88 https://tu-dresden.de/zlsb/die-einrichtung/studienbuero-lehramt

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Betreuung des Ergänzungsbereichs und das sogenannte Front Desk, das für Anfragen von Studierenden zur Verfügung steht. Im Rahmen von TUD-Sylber wird darüber hinaus an einem Konzept gearbeitet, das die Überschneidungen von Lehrveranstaltungen reduzieren soll.

Das Prüfungsamt betreut mit vier Sachbearbeiterinnen und einer Sekretärin 3.500

Studierende in 8 Studiengängen (BA-/MA-Studiengänge89: 100 Teilstudiengänge, Studiengänge mit Staatsprüfung: 69 Teilstudiengänge). Die Ersten Staatsprüfungen organisiert das Landesamt für Schule und Bildung. Die Ergebnisse der Modulprüfungen werden zu Bereichsnoten (Fachwissenschaft, Fachdidaktik je Fach/Fachrichtung, Bildungswissenschaften) zusammengefasst. Diese Bereichsnoten fließen gem. LAPO I (2012) im Verhältnis 70:30 in die Endnote der Ersten Staatsprüfung ein.

Überschneidungen in den Lehrveranstaltungen sind ein besonders gravierendes

Problem für die Lehramtsstudierenden, die in verschiedenen Fächern Lehrveranstaltungen besuchen müssen. Deswegen ist auch die Schaffung größtmöglicher Überschneidungsfreiheit ein zentrales Anliegen für das Studienbüro Lehramt. Ein Zeitfenstermodell wie in Hamburg wird als Entwicklungsziel genannt.

Der Ergänzungsbereich umfasst die Sprecherziehung und die Ergänzungsstudien. Im Lehramt an Grundschulen umfasst er derzeit 6 von 240 ECTS-Punkten, im Lehramt an Mittelschulen und Gymnasien 20 von insgesamt 270 bzw. 300 ECTS-Punkten. Teil der Ergänzungsstudien sind Themen der Bildungswissenschaften, der Fachwissenschaften und Fachdidaktiken, ein Studium Generale, Sprachausbildung, fachübergreifende Themen sowie Service-Learning. Sonderregelungen gibt es für das Fach Musik.

Im Rahmen des Besuchs am ZLSB am 11.05.2017 fanden Begegnungen bzw.

Gespräche mit insgesamt 29 Personen statt. Es gab Gespräche mit folgenden Funktionsträgern bzw. Personengruppen:

• Prorektor für Bildung und Internationales, • Geschäftsführender Direktor, Geschäftsführerin, Leiter Studienbüro Lehramt,

Projektkoordinator TUD-Sylber, • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Teams Forschung, Lehre, Entwicklung,

einschließlich zweier abgeordneter Lehrkräfte im Hochschuldienst, • Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Studienbüros Lehramt, • zwei Vorstandsmitglieder, die gleichzeitig als Studiendekan/in fungieren, • vier studentische Vertreter bzw. Vertreterinnen aus dem Fachschaftsrat

Allgemeinbildende Schulen und dem Fachschaftsrat Berufspädagogik, • Vorsitzende des Wissenschaftlichen Rates, • Leiter und Leiterin des Arbeitskreises Fachdidaktik und Schulpraktische Studien, • Sprecher des Kuratoriums, gleichzeitig Schulleiter. Im Gespräch mit den Studiendekanen und Professoren im Vorstand des ZLSB wird

nochmals deutlich, dass die Kernphilosophie der Ausbildung durch ein enges Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik geprägt ist. Das gilt auch für die Fachrichtungen im berufsbildenden Lehramt, die nur in Dresden studiert werden können. Gesagt wird auch, 89 BA-/MA-Studiengänge – Bachelor-

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dass ein Generationswandel in der Fachdidaktik bevorsteht, wobei das Zentrum an den anstehenden Berufungen nicht beteiligt ist.

Die anwesenden Vertreterinnen der Fachdidaktiken berichten von den Arbeitskreisen

Fachdidaktik, Schulpraktische Studien und Berufliche Bildung sowie von eigenen Forschungsprojekten, z. B. im Rahmen von TUD-Sylber. Eines bezieht sich auf didaktische Überzeugungen bei Hochschullehrern. Hier kann Aufschluss gewonnen werden, wie der Zugang der Lehramtsstudierenden verbessert werden kann. Berichtet wird auch über eine Zusammenarbeit mit der zweiten Phase und Aufteilungen im Fach Anglistik zwischen der Universität und dem Referendariat. Der Zweck ist die Vermeidung von Redundanzen. Als Rahmen gelten die Bildungsstandards der KMK.

Auch bei den schulpraktischen Studien wird eine stärkere Abstimmung mit der

zweiten Phase angestrebt. Bei regelmäßigen Treffen im Arbeitskreis Schulpraktische Studien werden die Curricula gegenseitig vorgestellt und es wird nach einer einheitlichen Begrifflichkeit gesucht. Auch der Austausch von Skripten und Grafiken wird erwähnt. Die Arbeitskreise sind ein Ort für die Abstimmung der curricularen Angebote.

Das Kuratorium des ZLSB dient zur Unterstützung der Lehrerbildung durch die Praxis,

also durch die Abnehmer bzw. die Zulieferer. In einem Gespräch mit einem Kuratoriumsmitglied wird deutlich, dass die Weiterentwicklung einer grundständigen Lehrerbildung als notwendig angesehen wird. Die Lehrerbildung in diesem Sinne muss ein strategisches Element der gesamten Entwicklung der TU Dresden sein.

Die Wiedereinführung des Staatsexamens wird als „Wertschätzung“ der

Lehrerbildung bezeichnet, die fehlende Verbeamtung der Lehrer dagegen als „Standortnachteil“. Die Unterscheidung der Lehrämter wird begrüßt und Tendenzen zu einer einheitlichen Lehrerausbildung werden kritisch gesehen.

3.3. Technische Universität Chemnitz

Die Lehrerbildung an der Technischen Universität Chemnitz ist nach 1997 aufgelöst

worden. Nach der Wende ist die Lehrerbildung aufgebaut worden, maßgebend war die Integration der Pädagogischen Hochschule Zwickau, die zum 1. Oktober 1992 erfolgte. Die Philosophische Fakultät wurde am 24. Januar 1994 gegründet. Im September 1997 wurde die Ausbildung für das Lehramt an Grundschulen beendet und die anderen Lehramtsstudiengänge wurden verlagert.

Der Grund für das Ende der Lehrerbildung in der Region war rückläufiger Bedarf.

Auch die staatlichen Seminare wurden geschlossen. Ab dem WS 2013/2014, also sechzehn Jahre nach der Schließung, wurde die Ausbildung für das Lehramt an Grundschulen an der TU Chemnitz neu eröffnet.

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An der Technischen Universität Chemnitz waren im WS 2016/2017 11.406 Studierende eingeschrieben, davon 337 im Zentrum für Lehrerbildung.90 Im WS 2017/2018 waren es 11.135 Studierende, davon 422 für das Lehramt. Die Zahl der Lehramtsstudierenden ist also im Verhältnis zur Gesamtzahl der Studierenden viel kleiner als an den Universitäten Leipzig und Dresden, weil nur das Lehramt für Grundschulen angeboten wird.

Das Zentrum für Lehrerbildung (ZLB) ist 2013 als zentrale Einrichtung der Technischen

Universität Chemnitz gegründet worden. In der Selbstbeschreibung übernimmt das Zentrum folgende Aufgaben: „Es koordiniert alle Belange des Lehramtsstudium an der TU Chemnitz und fungiert als Schnittstelle zwischen Lehramtsausbildung, Fort- und Weiterbildung und Forschung. Im Mittelpunkt steht dabei die Zusammenarbeit mit Grundschulen in der Region, welche einen wichtigen Bezugspunkt für die effektive Vermittlung von Theorie und Praxis darstellt.“91

Das Zentrum für Lehrerbildung ist direkt dem Rektorat der TU Chemnitz unterstellt.

Für das Zentrum steht ein eigener Beirat zur Verfügung. Das Zentrum wird geführt durch einen Direktor, den Vorstand sowie den erweiterten Vorstand. Dem Zentrum zugeordnet sind eine Geschäftsstelle sowie das Praktikumsbüro. Der Prüfungsausschuss und die Studienkommission sind als Gremien an den Studiengang Lehramt an Grundschulen gebunden.

Eine Besonderheit der Lehrerbildung an der TU Chemnitz ist auch, dass die

Professuren für Fachdidaktik dem Zentrum für Lehrerbildung zugeordnet sind, also nicht wie an den Universitäten Leipzig und Dresden, den Fachwissenschaften. Ausgenommen den Sachunterricht werden aber alle Grundschulfächer auch fachwissenschaftlich studiert.

Im Grundschulbereich gibt es keine Fachlehrer wie an den weiterführenden Schulen.

Jeder Grundschullehrer muss gleichermaßen Unterricht in den drei zentralen Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht geben können. Sie bilden als so genannte „Grundschuldidaktiken“ den Kern des Studiums für das Lehramt an Grundschulen. Das gilt für alle Ausbildungsgänge, also nicht nur für TU Chemnitz.

Daneben treten so genannte „Studierte Fächer“, das sind Spezialisierungen, die eine

vertiefende Ausbildung für ein bestimmtes Fach oder einen Fachverbund ermöglichen. Es gibt verschiedene Kombinationsmöglichkeiten. Wer etwa die Grundschuldidaktiken Deutsch oder Mathematik als Studiertes Fach wählt, kann eine weitere Grundschuldidaktik belegen, gemeint sind Kunst, Sport oder Werken. Das Lehramtsstudium für die Grundschulen besteht damit aus fünf zentralen Feldern: Den Bildungswissenschaften, dem studierten Fach, den Grundschuldidaktiken, den schulpraktischen Studien sowie den Ergänzungsstudien.

Das Zentrum für Lehrerbildung ist für die Organisation des Lehramtsstudiums

zuständig, soweit nicht die Fakultäten betroffen sind. Zur Philosophischen Fakultät gehört auch das Institut für Pädagogik mit fünf Professuren, aus dem die Professur Allgemeine Erziehungswissenschaft (Koring) als Geschäftsführung für das Zentrum fungiert.92 Das 90 https://www.tu-chemnitz.de/tu/fakten.php 91 https://www.tu-chemnitz.de/zlb/ 92 https://www.tu-chemnitz.de/phil/ipp/professuren.php

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Institut für Pädagogik exportiert neben anderen Instituten der Philosophischen Fakultät Lehre in den Bildungswissenschaften an das ZLB. Partner ist die Fakultät.

Das Institut für Pädagogik ist gemäß der Selbstbeschreibung seit 2005 die zentrale

Einrichtung für Forschung und Lehre im Bereich von Erziehung und Bildung an der TU Chemnitz. Es bietet sowohl einen „Bachelorstudiengang Pädagogik“ als auch einen „Masterstudiengang Pädagogik mit Schwerpunkt Lernkulturen“ an.93

Das Institut für Pädagogik kooperiert mit dem Zentrum, hat aber seine Kernaufgabe

vornehmlich in der Organisation und Durchführung des BA- und des MA-Studiengangs. Dort studieren mehr als 700 Personen, so dass das Lehrpersonal mit diesen Aufgaben stark belastet ist. Das Staatsexamen bezieht sich nur auf das Lehramt Grundschule.

Die Professuren des Zentrums sind wie folgt denominiert:

Professur Grundschuldidaktik Deutsch

Professur Grundschuldidaktik Sachunterricht

Professur Schulpädagogik der Primarstufe

Professur Grundschuldidaktik Mathematik

Professur Grundschuldidaktik Wirtschaft-Technik-Haushalt und Soziales

Hinzu kommen noch vier Juniorprofessuren:

Juniorprofessur Grundschuldidaktik Englisch

Juniorprofessur Grundschuldidaktik Philosophieren mit Kindern

Juniorprofessur Grundschuldidaktik Kunst

Juniorprofessur Grundschuldidaktik Sport und Bewegungserziehung

Von diesen neun Professuren ist nur eine nicht besetzt. Die anderen sind mit einer Ausnahme befristet besetzt. Die Ausnahme betrifft die Professur Schulpädagogik der Primarstufe (Dühlmeier), die auf Lebenszeit besetzt ist. Die Stundendeputation der Professuren W2/W3 beträgt acht Semesterwochenstunden, die der Juniorprofessoren sechs Semesterwochenstunden.

Im Gespräch mit der Leitung des Zentrums wird auf diese besondere Situation

hingewiesen.94 Die nicht gesicherte Finanzierung von Dauerstellen seitens der Universität mache die Professuren „extrem unattraktiv“. Dieser Eindruck bestätigt sich in Gesprächen mit einzelnen Fachvertretern, die befristete Stellen besetzen und sich deswegen frühzeitig nach Alternativen umsehen müssen.

Ein weiteres spezielles Problem sind die bereits erwähnten Seiteneinsteiger im

Bereich der Grundschule. Das Ausbildungsprogramm gibt es seit dem Wintersemester 2016/2017, der Studiengang hat am 3. April 2017 begonnen. 60 Studienplätze im Jahr sind eingerichtet worden, der Bedarf liegt bei etwa 100 Plätzen. Es handele sich um ein „komplettes Parallelsystem“ zum normalen Lehramtsstudium.

93 https://www.tu-chemnitz.de/phil/ipp/zentral/kontakt.php 94 Gespräch vom 12. Mai 2017.

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Das Programm sieht vor, dass die bereits angestellten Lehrpersonen zwei Tage pro Woche und insgesamt zehn Semesterwochenstunden für die Lehrtätigkeit in der Grundschule qualifiziert werden. Das Programm ist zusammen mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und der Bildungsagentur entwickelt worden.

Die Seiteneinsteiger werden nach einem dreimonatigen Vorbereitungskurs direkt in

den Schulen angestellt, getrieben durch den steigenden Bedarf nach Lehrkräften. 10 Prozent der Plätze werden an Privatschulen abgegeben. Zum Vergleich: Im Masterstudiengang Bildungswissenschaften werden Seiteneinsteiger über Jahre nachqualifiziert.

Die Kooperation zwischen den Fachdidaktiken ist mit hohen Synergien verbunden,

weil die Stellen ja dem Zentrum zugeordnet sind. Die Fachwissenschaften sind externen Instituten zugeordnet. Berichtet wird, dass eine gute Kooperation etwa mit der Fachwissenschaft Mathematik vorhanden ist, die für die Studierenden des Lehramtes gesonderte Veranstaltungen anbietet.

Den Zugang zum Studium für das Lehramt an Grundschulen regelt ein Numerus

clausus. Im vergangenen Wintersemester 2016/17 gab es über 1000 Bewerber bei nur 120 Plätzen. Die meisten sind Studierende aus der Region. Bei pädagogischen Vorbildungen erhalten die Bewerber einen Bonus. 60% werden mit der Eignungsnote 2.0 zugelassen.

Mit Blick auf die Qualitätssicherung werden Studentenbefragungen am Ende des

ersten und am Ende des siebten Semesters durchgeführt. 80% der Rückmeldungen sind zufriedenstellend, Mängel werden vor allem in der Kommunikation des Studienprogramms oder auch der Prüfungsanforderungen gesehen. Die bisherige externe Finanzierung der Qualitätssicherung ist ausgelaufen.

Die Forschung im Zentrum richtet sich nach den Spezialisierungen der Professuren.

Gemeinsame Projekte sind derzeit nicht erkennbar. Der Antrag des Zentrums in der Qualitätsoffensive Lehrerbildung ist nicht berücksichtigt worden. Das Thema lautete „Schülerarbeitsphasen im Unterricht“ und sollte die Fachdidaktik mit der zweiten Phase verbinden.

Ein weiterer Antrag zum digitalisierten Lernen bei der deutschen Telekom ist

ebenfalls abgelehnt worden. Es sollte um Tablets im Unterricht der Kooperationsschulen gehen. Die Ablehnung erfolgte beide Male aufgrund der unsicheren Finanzierungslage des ZLB, nicht aufgrund von Qualitätsmängeln der Anträge.

Inklusion ist derzeit kein Forschungsthema, aber es wurde eine Tagung zum digitalen

Lernen angeboten. Verschiedentlich wird auch von Querschnittsthemen in den Fachdidaktiken gesprochen. Zur Kommunikation der verschiedenen Dissertationsprojekte gibt es ein so genanntes „Promotionscafé“, in dem derzeit acht bis neun Doktoranden in den Fachdidaktiken eine Gelegenheit zum Austausch erhalten.

Als Ausbauwunsch mit Blick auf das Studienangebot werden der Aufbau und die

Etablierung eines Studiengangs reformierte Mittelschule genannt. Damit könnten Synergien zum Studiengang an Grundschulen erreicht werden.

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Die Mentorenausbildung bezieht sich auf die Lehrpersonen, die in den rund 20 Partnerschulen die Praktika betreuen. Diese Tätigkeit wird vergütet. Die Praktika werden an Schulen durchgeführt, die das Landesamt für Schule und Bildung zugewiesen hat. Die Mentoren an den Schulen werden jeweils an Nachmittagen ausgebildet.

Das Curriculum für die Ausbildung der Grundschullehrerinnen und Grundschullehrer

in Sachsen sieht schulpraktische Studien (SPS) vor, die mit fünf Praktika in Grundschulen sowie einem Praktikum im KITA-Bereich absolviert werden.95

Derzeit sind drei abgeordnete Lehrkräfte im Zentrum tätig. Ihnen obliegt die

Betreuung der Praktika seitens der Hochschule, zu der auch Besuche in Schulen gehören. Weiterhin ist die Aufgabe der abgeordneten Lehrkräfte die Erteilung von Lehre in den Fachdidaktiken. Die Bewerberzahl für Anordnungen ist auch deswegen gering, weil die nicht-schulartspezifische Ausschreibung der Stellen offenbar Bewerbungen aus dem Grundschulbereich abschreckt. Zudem sind viele Lehrpersonen für Ausbildungsaufgaben in der zweiten Phase abgeordnet.

Angebote in der Hochschuldidaktik werden in Kooperation mit der Universität Leipzig

durchgeführt. Nachwuchskräfte können ein Zusatzzertifikat in Hochschuldidaktik erwerben, für die entsprechenden Angebote steht ein landesweiter Pool zur Verfügung. Zudem werden regelmäßige Workshops für Nachwuchswissenschaftler angeboten.

Für das E-Learning steht eine gute Ausrüstung bereit, über die Nutzung liegen

allerdings keine Zahlen vor. Grundlage des Curriculums insgesamt ist wie überall die Lehramtsprüfungsordnung.

Das Zentrum führt verschiedene Einrichtungen wie die Lernwerkstatt für Aufgaben

des Unterrichts im Grundschulbereich, das Praktikumsbüro zur Organisation der Praktikumsplätze sowie der schulpraktischen Studien. Die Praktikumskoordination erfolgt landesweit über ein gemeinsames Portal.

Für die Zulassung zur ersten Staatsprüfung ist der Nachweis von 40 selbstgehaltenen

Unterrichtsstunden notwendig. Für den Nachweis gibt es in Chemnitz wie an allen Standorten eine Dokumentation in Heftform.

Das Zentrum bietet auch Fortbildungen für Lehrer an. Einige der Angebote erfolgen in

Kooperation mit anderen Professuren der Technischen Universität Chemnitz. Andere Angebote kooperieren mit dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus.

3.4. Musikhochschulen

Die beiden Musikhochschulen habe ich besucht und zwei Gespräche mit Vertretern der Fachdidaktik Musik geführt. Diese Gespräche sind mir vorbereitet worden. Die Fragestellungen betrafen folgende Bereiche: 95 https://www.tu-chemnitz.de/zlb/einrichtung/praktikumsbuero.php#sps

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Geschichte und Struktur der Lehramtsstudiengänge (neues Staatsexamen)

Nachfrage des Musiklehrerstudiums

Zustandekommen des Curriculums

Akzeptanz der Lehramtsstudierenden

Kooperation mit der Universität und den anderen an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen

Die Rolle der Fachdidaktik Musik

Das Gespräch im Institut für Musikpädagogik der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig fand am 16. August 2017 statt.

Die Musiklehrerausbildung in der DDR war der Universität Leipzig zugeteilt. Erst 1999

wurde die Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ mit der Ausbildung für das Höhere Lehramt für Gymnasien beauftragt. 2002 folgen die anderen Lehrämter. Der Grund für die Hochschulleitung war vor allem die Sicherung des Studentenaufkommens. Im Jahr 2006 folgte wie überall die Umstellung auf die BA-/MA-Struktur, 2012 wurde das Staatsexamen in Modulform eingeführt.

An der Hochschule in Leipzig kann Musik als Kernfach und als Wahlfach für die

Lehrämter studiert werden. Für bestimmte Kombinationen ist auch die Einschreibung für ein Doppelfach möglich.96 In der polyvalenten Bachelor-Ausbildung gab es vor allem Probleme mit der Ausbildung von Grundschullehrern, die an den Anforderungen für Mathematik scheiterten. Etwa 20 Studenten pro Jahr beginnen mit dem Studium. Sie erhalten Einzelunterricht.

Das Studium umfasst als Fachwissenschaft die verschiedenen künstlerischen Fächer.

Hinzu kommt die Fachdidaktik Musik sowie die entsprechenden bildungswissenschaftlichen Anteile. Mit dem Staatsexamen sind größere Vernetzungen möglich geworden. Die Doppelfachlösung wird nur von wenigen Studierenden gewählt.

Im BA-/MA-System wurde eine Akkreditierung durchlaufen, die nunmehr entfällt. Das

Staatsexamen ermöglicht strukturierte Studiengänge, die sehr stark auf die fachwissenschaftlichen Musikangebote konzentriert sind. Hingewiesen wird, dass die Musikdidaktik bundesweit organisiert ist.

Die Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig wird als sehr gut bezeichnet. Die

Musikdidaktik ist im ZLS sowie im Arbeitskreis Fachdidaktik der UK vertreten. Zudem gibt es eine regelmässige fachdidaktische Veranstaltung in Kooperation mit dem Institut für Kunstpädagogik. 96 Im Doppelfachstudium wird statt des zweiten Lehramtsfachs das Fach Musik künstlerisch vertieft

und damit parallel neben dem Lehramtsabschluss eine künstlerische Qualifikation erworben. In

Leipzig lässt sich Schulmusik mit Jazz/Popularmusik, Kirchenmusik und Klavier kombinieren.

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Die Stellung des wissenschaftlichen Nachwuchses in der Fachdidaktik wird so beschrieben: Vorhanden sind zwei befristete Mitarbeiterstellen (je 50%), die mit Nachwuchskräften besetzt sind. Es handelt sich nicht um Abordnungen aus dem Schuldienst. Die Stellen werden je mit 8 Stunden Lehre geführt und lassen daneben Zeit für die Arbeit an der Dissertation.

Die Studierendenzahlen haben sich rasant entwickelt. 350 der Studierenden an der

Musikhochschule studieren derzeit für die verschiedenen Lehrämter, das sind zwei Drittel der Gesamtstudierendenzahl. Die Stellung der Musikpädagogik in der Hochschule wird als sehr gut bezeichnet. Es gibt keine Abwertung durch andere Fächer und die Musikpädagogik ist auch bei den Studierenden anerkannt. Der Grund ist der unmittelbare Praxisbezug.

Zwischen der Musikwissenschaft der HMT und dem Institut für Musikwissenschaft

der UL besteht eine enge Kooperation, die sich auch auf die Stellenbesetzungsfragen erstreckt. Außerdem stehen verschiedene Lehrveranstaltungen der Universität für die Studierenden der Musikhochschule offen.

Eine Besonderheit ist die Aufnahmeprüfung, die einen didaktischen und einen

künstlerischen Teil hat. Die Aufnahmeprüfung ist zugleich eine Eignungsfeststellung, was in anderen Lehramtsstudiengängen ausgeschlossen ist. Für das Wahlfach Musik findet keine Eignungsprüfung statt, sondern es wird ein Aufnahmegespräch geführt.

Die Prüfungen ergeben eine Rangliste der Bewerber, die benotet wird. Die

Bewerberlage wird als gut bezeichnet. Die Studienabbrecherquote ist gering, was offenbar auch mit der guten Betreuung zu tun hat. Lehraufträge werden für amtierende Lehrer ausgeschrieben. Die schulpraktischen Übungen (Praktika) sind betreut.

Zur zweiten Phase und der Fachausbildung besteht kaum Kontakt. Die Prüfungen am

Ende des Hochschulstudiums bestehen aus einer Hausarbeit sowie einer mündlichen Prüfung, die Themen folgen den Vorgaben der Landesprüfungsordnung. Diese Vorgaben sind mit der Hochschule vor dem Erlass der Ordnung abgestimmt worden.

Das Gespräch mit Vertretern der Fachrichtung Lehramt an der Hochschule für Musik

Carl Maria von Weber Dresden fand am 17. August 2017 statt. An der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden kann Musik als Kernfach im Lehramt an Gymnasien, Mittelschulen und Grundschule studiert werden. Im Lehramt an Grundschulen besteht die Möglichkeit, Musik als sog. Wahlfach zu belegen. Auch an der Musikhochschule in Dresden kann im Rahmen einer Bachelor-/Masterstruktur das Doppelfach Musik mit dem Berufsziel „Lehramt an Gymnasien“ studiert werden.97 Die Ausbildung im Fach Musik setzt sich aus künstlerischen Inhalten, der Fachdidaktik Musik, den Schulpraktischen Studien und musikwissenschaftlichen Inhalten zusammen.

Im Gespräch wird zunächst darauf hingewiesen, dass die beiden Prüfungsordnungen

für die Staatsexamen kaum Spielraum für eigene Entwicklungen lassen. Aber grundsätzlich sind andere Studiengänge entwickelt worden als in der BA-/MA-Struktur. Seinerzeit ist eine Akkreditierung durch unabhängige Agenturen erfolgt. 97 An der Dresdner Musikhochschule kann im Doppelfachstudien das Schulfach Musik mit den Bereich Instrumental- und Gesangspädagogik, Kirchenmusik und Vertiefung Lehramt

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Die Prüfungsbelastungen für einzelne Lehrende werden insb. bei den künstlerischen

Prüfungen als sehr hoch bezeichnet, da die Studierenden vor allem in den künstlerischen Fächern viele Prüfungen absolvieren müssen. Im Bereich der Musikdidaktik ist die Belastung der Prüfungen geringer. Die Prüfungen erfolgen im Semester.

Die Hochschule für Musik hat insgesamt 620 Studierende, davon sind 134

Lehramtsstudierende ohne Wahlfach und 24 mit Wahlfach. Hinzu kommen 19 Doppelfachstudierenden.98

Auch hier wird gesagt, dass die Akzeptanz der Lehrerausbildung im Kollegium

gegeben sei. Unter den Studierenden gebe es eine „gefühlte Wertigkeit“, dass man nur für Lehrämter eingeschrieben sei.

Berichtet wird auch von Wechseln von Studierenden aus künstlerischen Fächern in

das Lehramt, weil Lehrämter berufliche Sicherheit versprechen. Die Wechsel erfolgen meistens nach Abschluss des Erststudiums. Seiteneinsteiger im Fach Musik gibt es so gut wie nicht.

Die Kooperation mit der TU-Dresden wird als „pragmatisch“ und „gut“ bezeichnet. Es

gibt an der Musikhochschule 16 Semesterwochen, also mehr als an der TU, was zu Problemen der Abstimmungen der Prüfungen führt. Auch „Reibungspunkte“ werden

genannt. Insbesondere geht es um einen Kooperationsvertrag zwischen der HfM Dresden und der TU Dresden. Der Abschluss eines Kooperationsvertrags zwischen beiden Institutionen ist nach längeren Verhandlungen geplant.

Die Bildungswissenschaften sind nach Auskunft der Lehrenden der HfM Dresden bei

den Studierenden der Musik, die ein klares Berufsziel haben, eher unbeliebt. Berichtet wird über erhebliche Klagen, die vor allen Dingen die Theorielastigkeit und Praxisferne der Lehrveranstaltungen betreffen. Die Identität der Studierenden liegt eindeutig bei der Musik. Die Fachdidaktik Musik ist der zentrale Bezugspunkt für die Lehramtsstudierenden.

Kontakte zu den universitären Fachdidaktiken sind ganz unterschiedlich und auch hier

nicht systematisch. Auch an dieser Musikhochschule gibt es kaum Studienabbrecher. Bei den schulpraktischen Studien wird darauf hingewiesen, dass die Schulen häufig überlastet seien.

Es besteht eine Professur für Fachdidaktik, der eine Qualifikationsstelle zugeordnet

ist. Es gibt wenig Promovierende und keine ausreichende Forschungsinfrastruktur. Promotionsstellen müssen über Drittmittel geschaffen werden. Ein geeigneter wissenschaftlicher Nachwuchs fehlt derzeit.

98 Studierendenzahlen des Sommersemesters 2017.

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4. Hospitationen und Gespräche

4.1. Lehrveranstaltungen

Der Besuch der Lehrveranstaltungen sollte einen Eindruck vermitteln, wie die akademische Lehre organisiert ist und wie sie praktisch abläuft. Die Hospitationen hatten vier leitende Fragestellungen:

Verhältnis von Vorlesungen und Seminaren in Modulen

Praxisbezüge

Bewältigung von großen Zahlen

Mediennutzung Hochschuldidaktisch ist bekannt, dass die Bezüge zwischen Vorlesungen und

Seminaren häufig eher locker sind und eine Frage war, ob sich das im System eines modularisierten Staatsexames mit Prüfungen nach jedem Modul geändert hat. Eine zentrale Kritik der ersten Phase der Lehrerbildung betrifft den Praxisbezug der Lehrveranstaltungen. An der Universität Leipzig müssen Lehrveranstaltungen mit großen Zahlen von Studierenden bewältigt werden. In allen Lehrveranstaltungen sollte auch der Stand der Mediennutzung beobachtet werden.

Es war aufgrund des gegebenen Zeitrahmens nicht möglich, mehr und andere

Veranstaltungen zu besuchen. Die Konzentration auf die Erziehungswissenschaft erfolgte wie gesagt aufgrund der Stellung im Curriculum, kann aber auch exemplarisch verstanden werden. Die Frage, wie sich das Verhältnis von Vorlesung und Seminar gestaltet, stellt sich überall in modularisierten Studiengängen, die mit verschiedenen didaktischen Formaten arbeiten.

Die Lehre in der Erziehungswissenschaft ist auch deswegen interessant, weil die

Seminare nicht einfach Anwendungen von Theorien darstellen, die in Vorlesungen entwickelt werden. Vorlesungen leisten Überblicke und in den Seminaren geht es um einsichtige Bezüge von Themen zur Praxis, die vielfältig sein können.

Die Leiterinnen und Leiter der Veranstaltungen sind von mir vorher angefragt worden

und haben sämtlich einer Hospitation zugestimmt. Besucht habe ich insgesamt sieben Lehrveranstaltungen, drei in der Universität Leipzig und vier in der TU Dresden. Der vorgesehene Besuch einer Veranstaltung in Medienpädagogik wurde kurzfristig aus Krankheitsgründen abgesagt. Mit dem Leiter, Prof. Vollbrecht, habe ich später ein Gespräch als Experte führen können.

Die Lehrveranstaltungen an der Technischen Universität Dresden umfassten zwei

Vorlesungen und zwei Seminare. Die erste Vorlesung war eine Überblicksveranstaltung, die auf das Grundpraktikum und die Praxisreflexion zugeschnitten war. Die Sitzungen waren

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unterschieden nach historischen Epochen und heutigen Problemstellungen. Die Studierenden sollten sich kritisch problematisierend mit Erfahrungen im Praktikum auseinandersetzen. Die Vorlesung selbst hatte ein fortlaufendes Skript. Die Darstellung benutzte dazu passende Folien und pro Vorlesung wurden auch Zusatztexte angeboten.

Das Seminar griff einen während der Vorlesung behandelten Problembereich auf und

vertiefte ihn. Das Thema war „Wissen und Ungewissheit“. Pro Sitzung wurden Essays gelesen, die von einzelnen Seminarteilnehmern vorbereitet wurden. Von jeder Sitzung wurde ein Protokoll angefertigt. Die Studierenden wurden angewiesen, die Texte zu lesen und ausgedruckt zur Sitzung mitzubringen. Das Gleiche galt für die Protokolle der Sitzung. Die von mir besuchte Veranstaltung begann mit einem Rückblick auf die letzte Sitzung und widmete sich dann der Diskussion eines Essays. Die Diskussion war lebendig und führte zu einer Reihe von interessanten Fragen. Am Schluss wurde ein Ausblick auf die nächste Woche gegeben.

Die zweite Vorlesung im Bereich Allgemeine Didaktik war vergleichbar strukturiert.

Die gezeigten Folien waren auf der OPAL-Plattform zugänglich. Das Thema war „konstruktivistische Didaktik“, die deutlich von den Schlussfolgerungen für den Unterricht her vorgestellt und vermittelt wurde.

Auch das von mir besuchte Seminar zur kulturellen Heterogenität war klar

praxisbezogen. Zum Seminar gab es einen Reader zu Texten der interkulturellen Pädagogik. Grundlegende Texte wurden im Seminar nach Vorbereitung besprochen. In der Sitzung, in der ich hospitieren konnte, wurden Berichte aus Praxiskontakten vorgestellt. Die Studierenden hatten einzelne Migrantengruppen besucht und stellten ihre Erfahrungen dar. Diese Erfahrungen wurden nachfolgend mit Texten bearbeitet. Es ging dabei um die These, Heterogenität sei als Normalfall der Verschulung anzusehen, was mit den Erfahrungen der Studierenden verglichen wurde.

Die Lehrveranstaltung an der Universität Leipzig umfasste eine Vorlesung und zwei

zugeordnete Seminare. Die Vorlesung fand im Auditorium Maximum der Universität statt und wurde von etwa 500 Studierenden überwiegend in den ersten beiden Semestern besucht. Die Folien waren online zugänglich, die Studierenden wurden aktiviert und Fragen wurden aus dem Plenum beantwortet.

Die Vorlesung bot einen Überblick über zentrale Themen der Schulpädagogik. Die

Seminare hatten eigenständige Themen, die aber auch im Laufe der Vorlesung angesprochen wurden. Beide Seminare suchten Verbindungen zu praktischen Problemen, ohne dabei einem Unmittelbarkeitsideal zu folgen. Sichtbar wurde insbesondere, dass von den Studierenden Transferleistungen abverlangt werden.

Die Vorlesungen und Seminare im bildungswissenschaftlichen Teil des Curriculums

Lehrerbildung der Universität Leipzig sind wie gezeigt in verschiedene Module zusammengefasst, die jeweils Schwerpunkte bilden. Unterschieden wird nicht nach Schulformen oder Schulstufen, vielmehr sind alle Module für alle Lehramtsstudierenden

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offen. Als Grund wird genannt, die Philosophie hinter dem Curriculum richte sich auf die „Gemeinsamkeit des Lehrerseins“ und die müsse der Maßstab sein.99

Die Module haben eine gemeinsame Orientierung, sie sollen abbilden, was jeder

künftige Lehrer bzw. jede künftige Lehrerin wissen muss. Die Lehrveranstaltungen werden evaluiert. Das Angebot in jedem Semester ist gleich, auch wenn die Schwerpunkte variieren können. Aber es geht im Kern darum, mit Vorlesungen und Seminaren ein Grundwissen Bildungswissenschaft zur Verfügung zu stellen.

Im Gespräch mit der Dekanin und den Fachvertretern wird die enorme

Prüfungsdichte hervorgehoben, die mit der Modulorganisation verbunden ist, etwa wenn von 300 mündlichen Prüfungen in den Grundschuldidaktiken die Rede ist, für die zwei Berechtigte zur Verfügung stehen. Zusätzlich zu den Modulprüfungen kommen noch Prüfungen im Staatsexamen, die bis zu 120 einzelne Prüfungen pro Hochschullehrer umfassen können. Hier wird ein systematisches Problem gesehen, weil die Prüfungen im abschließenden Prüfungssemester sich thematisch kaum von den Modulprüfungen unterscheiden.

Die Vorschläge zur Verbesserung betreffen vor allem das Prüfungssemester. Man

könnte dieses Semester für das Studium nutzen und von den Modulprüfungen ausgehen. Für die schriftliche Arbeit gibt es viel zu wenig Zeit. Wenn die schriftliche Arbeit parallel zu den mündlichen Prüfungen erstellt wird, sinkt das Niveau. Von Nachteil sei auch, dass im Studium der Bildungswissenschaften für die Lehrämter keine methodische Ausbildung vorgesehen ist.

4.2. Gespräche mit Fachschaften

Das Gespräch mit den Vertreter/innen der beiden Fachschaften Berufspädagogik und allgemeinbildende Schulen der TU Dresden fand am 30. August 2017 im Institut für Erziehungswissenschaft der TU Dresden statt100.

Zentrale Fragen von meiner Seite bezogen sich auf:

Studienanforderungen und Studienorganisation

Schulpraktische Ausbildung/Praktika

Wahrnehmung des Lehramtsstudiums und Stellung in der Universität

Qualitätssicherung

Prüfungen

Kompetenzorientierung

Digitalisierung

99Gespräch mit der Dekanin der Fakultät Erziehungswissenschaften der Universität Leipzig sowie verschiedenen

Fachvertretern am 16. August 2017. 100 Das Gespräch wurde von mir protokolliert, im Anschluss von den Teilnehmenden gegengelesen und freigegeben.

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Im ersten Teil des Gesprächs ging es um die Wahrnehmung der Studienanforderungen. Die Studierenden für das Lehramt in Grundschulen erfahren einen stärkeren Praxisbezug durch den verstärkten Fokus auf die Didaktiken. Die angehenden Gymnasiallehrer studieren zwei Fächer fachwissenschaftlich, mit den entsprechenden Didaktiken und neben den Bildungswissenschaften. Gleichermaßen verhält es sich mit den Berufspädagogen, bei denen (mindestens) das Erstfach die berufliche Fachrichtung, mit der entsprechenden beruflichen Didaktik, darstellt.

Die Studienorganisation werde weitgehend hingenommen wie sie ist, allerdings

werden sich eigene Veranstaltungen für die Lehramtsstudierenden gewünscht. Das gelte insbesondere für die Fachwissenschaften, die die Lehramtsstudierenden zusammen mit den Hauptfachstudenten besuchen müssen. Hier fehle eine thematische Spezialisierung auf die Belange der Lehrerbildung, die eigene Seminare oder Tutorien verlangen würde. Das werde bisher nur in ausgewählten Veranstaltungen realisiert.

Die schulpraktische Ausbildung während des Studiums werde eigentlich durch die

anschließende zweite Phase in Frage gestellt, weil es zwischen beiden Teilen keine Verknüpfung gebe. Die Studierenden wünschen sich eine Erweiterung der Praxiserfahrung im ersten Teil, was auch dadurch blockiert werde, dass eine zu geringe Verknüpfung zum zweiten Teil, dem Vorbereitungsdienst, bestehe. Das Problem stelle die vermeintliche inhaltliche Losgelöstheit beider Phasen dar.

Das Studium gleiche daher einem Spagat, eigentlich werde man für die Schulen

ausgebildet, während das Studium doch wissenschaftlich sein soll. Module zum wissenschaftlichen Arbeiten seien wohl vorhanden, jedoch werde eine Differenzierung zwischen den Schularten vorgenommen, sodass die Ausgestaltung nicht gleichermaßen gewährleistet werden könne. Weiterhin werde die (inhaltliche) Ausgestaltung dieser Veranstaltungen den Fachwissenschaften überlassen, womit ein praktischer Bezug zu den Bildungswissenschaften nur selten erkennbar sei.

Lediglich innerhalb der Berufspädagogik sei hierfür ein Modul vorgesehen, bestehend

aus einer Vorlesung mit begleitendem Seminar, in welchem die erziehungswissenschaftlichen Methoden vorgestellt und in Auszügen von den Studierenden auch praktisch erprobt werden können.

Der wissenschaftliche Habitus, etwa der Beobachtung oder des Experiments, werde

in den schriftlichen Aufgaben oder überhaupt in den Prüfungen am Ende eines Moduls nicht abverlangt, bzw. werde der Fokus auf die Anwendung der Forschungsmethodiken nicht explizit für die Studierenden herausgestellt.

Das Studium werde als ambivalent wahrgenommen, es sei weder wirklich

wissenschaftlich noch dezidiert schulpraktisch. Das wissenschaftliche Arbeiten werde der Vorbereitung auf den Schuldienst deutlich nachgeordnet, während man sich tatsächlich auf den Schuldienst gar nicht vorbereitet fühle.

Das Ansehen der Lehramtsstudierenden innerhalb der Universität sei im Alltag an

vielen Stellen gering, was auch damit zu tun habe, dass der Anspruch der Lehramtsstudiengänge gegenüber den Dozierenden schwer zu vermitteln sei, zumal der

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Vorbereitungsdienst ja dem Studium nachfolgt und nicht zur universitären Ausbildung zähle. Die besondere Ausrichtung des Staatsexamens also mache in der Kommunikation mit den Studierenden anderer Studienrichtungen Mühe.

Berichtet wird, dass die Studierenden sich eine klare Positionierung des Rektors der

TU Dresden zu allen Lehramtsstudiengängen wünschen, um damit auch eine Aufwertung der Stellung des Lehramtsstudiums an der TU Dresden zu erfahren. Das gelänge unter anderem mit dem Projekt einer Universitätsschule, die an der TU Dresden eingerichtet werden soll und von der Stadt getragen wird. Die Universitätsschule soll für 2018 eingerichtet werden.101 Sie wird als Schule neuer Art konzipiert. Die Schule wäre so ein Forschungsfeld, hinter dem die Universität steht, mit dem Ziel, es in die bestehende Lehrerausbildung einzubinden.

Zur Qualitätssicherung sagten die Fachschaftsvertreter: Es gäbe an der TU Dresden

keine flächendeckenden Evaluationen aller Lehrveranstaltungen in jedem Semester. Die Durchführung von Evaluationen sei von der Bereitschaft und dem Engagement der Dozierenden abhängig. Beide Fachschaftsräte seien jedes Semester dazu aufgefordert Lehrveranstaltungen vorzuschlagen, die evaluiert werden sollen.

Spezielle Evaluationen für die Belange der Lehrerbildung gäbe es nicht. Um die

Qualität der Lehre zu verbessern, biete das Hochschuldidaktische Zentrum Sachsen Weiterbildungsmöglichkeiten an, die aber offenbar nur wenig nachgefragt seien. Eine Pflicht zur hochschuldidaktischen Qualifikation bestehe nicht.

Mit Blick auf die tatsächlich durchgeführten Evaluationen berichten die Studierenden

von einigen für sie widersprüchlichen Vorgehensweisen. So würden die Dozenten Fragebögen austeilen und sie selbst wieder einsammeln, ohne dass eine unabhängige Stelle daran beteiligt wäre. Die Studierenden erleben keine Rückkopplung oder wenn, dann eine solche in der letzten Veranstaltung des Semesters oder im nachfolgenden Semester und dies durch den Dozenten selbst.

Online-Evaluationen werden zum Teil angeboten, aber sie hätten noch geringere

Quoten als die Evaluationen in den Lehrveranstaltungen. Die Präsentation von Evaluationsdaten in den Lehrveranstaltungen erfolge häufig ungeordnet und erscheine zufällig. Jeder Dozent sei frei, mit den Ergebnissen anzufangen, was er oder sie für angemessen und richtig halte. Über die universitätsinternen Konsequenzen der Ergebnisse dieser Evaluationen würden die Studierenden oder Studierendenvertreter keine Informationen erhalten.

Die TU Dresden veröffentlicht Lehrberichte. Dort werden Zahlen zu dem Einsatz von

Fragebögen in den Lehrveranstaltungen mitgeteilt (Lehrbericht zum Studienjahr 2014/2015, S. 73/74). Hier wird auch deutlich, dass die Studienkommissionen auf der Grundlage der Evaluationsordnung der TU Dresden über die Auswahl der Lehrveranstaltungen entscheiden.102 101 Aufgrund organisatorischer Schwierigkeiten ist vom Projektstart im Schuljahr 2018/2019 mittlerweile Abstand genommen worden. 102 https://tu-dresden.de/tu-dresden/qualitaetsmanagement/ressourcen/dateien/qm_studium_lehre/lehrberichte/lehrberichte-tud/LB-1415_gesamt.pdf?lang=de

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Die Fachschaftsvertreter fragen auch nach der hochschuldidaktischen Ausbildung

ihrer Dozierenden. Viele Studierende, wird berichtet, reagierten auf schlechte Lehrveranstaltungen vor allem durch Fernbleiben. Eine Anwesenheitspflicht gibt es nicht und Anwesenheitslisten sind nur auf freiwilliger Basis zulässig.103

Beide Fachschaftsräte berichten, dass sie aufgefordert wurden, ihren Kommilitonen

zu kommunizieren, welche Konsequenzen mit dem Fernbleiben von Lehrveranstaltungen verbunden sind. Auf der anderen Seite wird deutlich gemacht, dass gute Lehrveranstaltungen in jedem Fall Nachfrage erzielen. Die Qualität der Dozierenden sei Teil der Kommunikation unter den Studenten und gehaltvolle Lehrveranstaltungen, die mit hohen Lerneffekten verbunden sind, würden sich herumsprechen.

Die Vertreter der Fachschaftsräte verweisen noch auf folgenden Zusammenhang:

Falls es in Vorlesungen und Seminaren offene Diskussionen der Evaluationsergebnisse geben würde, sei die Wahrscheinlichkeit groß, mit der eigenen konstruktiv-kritischen Meinung zurückzuhalten. Der Grund sei die (Noten-)Abhängigkeit. Bei Kritik würde man schlechtere Noten befürchten. Deswegen wären offene Gesprächssituationen nur mit externen Moderatoren sinnvoll.

Die Studierenden wissen nicht, wie genau die inhaltliche aber auch strukturelle

Planung des Lehrangebots zustande komme. Sie kennen zwar die Modulbeschreibungen, aber die seien so abstrakt, dass alle möglichen Spezialisierungen Platz hätten.

Die Themenverteilung bei den Prüfungen zum Staatsexamen werde offenbar

unterschiedlich gehandhabt. Schriftliche Prüfungen würden von den Dozierenden gestellt, was an Themen konkret geplant sei, könne informell angefragt werden. Die Themen stammten häufig aus den Modulen, die von den Studierenden belegt wurden. Bei den mündlichen Prüfungen gebe es eine Absprache mit den Dozierenden. Die Anmeldung umfasse drei Themen, zu denen eine Literaturliste vorgelegt werden könne.

Mit Blick auf die allgemeinen Prüfungen gebe es große Unterschiede zwischen den

Fächern. Die Themen seien abhängig von den Prüfenden, zwischen denen es starke Belastungsunterschiede gäbe. Die Studierenden verfügten informell über klare Beliebtheitslisten und wählten nach Möglichkeit Prüfende, die auf diesen Listen ganz oben stehen.

Auch bei den Benotungen würde es starke Unterschiede zwischen den Prüfenden

geben. Insbesondere seien Notenabrundungen ein Problem, weil das Verfahren nirgendwo geregelt sei. Wissenschaftliche Arbeiten würden von zwei Prüfern begutachtet. Falls sie zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, müsse nach internen Absprachen der Prüfenden auf- oder abgerundet werden. Die Modulprüfungen dagegen würden zumeist von einem Prüfer begutachtet.

Eine besondere Rolle nimmt die Sozialpädagogik innerhalb der Berufspädagogik ein.

Die Fachorientierung bezieht sich auf die sozialpädagogischen Berufsfelder.104 An der 103 https://hochschulgruppedresden.wordpress.com/2011/01/27/rechtslage-von-anwesenheitslisten/ 104 LAPO I, §111.

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übrigen Lehrerbildung ist die Sozialpädagogik nicht beteiligt. Die Veranstaltungen zielen auf eine eigene Fachausbildung, die mit dem Staatsexamen für die Lehrämter nichts zu tun hat. In der Berufsbildung werden aber sozialpädagogische Lehrveranstaltungen „eingekauft“, was in den Lehrämtern für die allgemein bildenden Schulen nicht der Fall ist.

Diskriminierungserfahrungen im Lehramtsstudium werden benannt, aber zugleich

wird darauf hingewiesen, dass sie sehr stark fachabhängig seien. In Fächern wie Deutsch, Ethik/Philosophie oder Gemeinschaftskunde seien Diskriminierungen kaum spürbar, weil es unter den Studierenden einen starken Anteil mit dem Ziel Lehramt gebe. In anderen Fächern gebe es Erfahrungen der Abwertung sowohl durch die Dozierenden als auch durch die Hauptfachstudenten.

Die Studierenden berichten, dass sie die Begriffe „Kompetenz“ oder „professionelle

Kompetenz“ in ihrem Lehramtsstudium bezogen auf ihre spätere Rolle als Lehrperson noch nie gehört hätten oder wenigstens noch nie mit ihnen konfrontiert worden seien. Themen aus den KMK-Standards kämen wohl im Studium vor, aber dass diese zum Aufbau professioneller Kompetenz mit Blick auf das Lehramt führen sollen, sei weitgehend unbekannt.

Gefragt nach den Zielen der Ausbildung antworten die Studierenden, die Ziele

„stehen in der Studienordnung“. Aus den Modulbeschreibungen gehe auch nicht hervor, wie die Ziele erreicht werden und was geschehen soll, wenn sie nicht erreicht würden. Mit Blick auf die Erfahrung mit den Praktika wird gesagt, dass sie nicht persönlichkeitsbildend angelegt seien. Sie bilden auch untereinander keinen Zusammenhang und werden einfach nacheinander absolviert. Berichtet wird zudem, dass zur Vorbereitung der Praktika Seminare für die Anfertigung von Tafelbildern besucht werden können. Auf der anderen Seite wäre es wünschenswert, wenn das Angebot an praktischen Seminaren ausgebaut werden würde.

Das gelte auch für die obligatorische Veranstaltung in Sprecherziehung. Aus der Sicht

der Studierenden sei Sprecherziehung sehr sinnvoll, habe aber in der jetzigen Form kaum Einfluss auf die Herausbildung von Lehrerpersönlichkeiten und die Besonderheiten der Anforderungen an eine Lehrerstimme, sollte aber eigentlich intensiviert werden. Gewünscht werden auch mehr fachliche Inhalte zu Fragen der Persönlichkeitsentwicklung.

Auch die Erfahrung mit neuen Medien und der Digitalisierung der Lehre wird als

dozentenabhängig bezeichnet. Mit Blick auf die allgemeinbildenden Schulen gäbe es wohl einzelne Seminarangebote zur Medienerziehung, aber die Möglichkeiten und Folgen der Digitalisierung seien nicht Teil der allgemeinen Studienerfahrung.

In der Berufsbildung sei das anders. Hier seien zwei Vorlesungen und zwei Seminare

im Fach Bildungstechnologie Teil der Studienordnung. Allerdings wird gesagt, dass der Besuch der Veranstaltung nicht benotet werde und deswegen wenig Einfluss habe. Man habe von neuen Formaten der Lehre wie den MOOCs wohl in Vorlesungen erfahren, aber damit bislang keinen praktischen Umgang gehabt. Es gebe einzelne Praktika, die mit Videosequenzen arbeiten, aber das sei bisher keine allgemeine Erfahrung gewesen.

Die Praktika würden gestaffelt nacheinander absolviert. Zu den einzelnen Praktika

würden jeweils Praktikumsberichte abgefasst, die auch mit Gesprächen zur Motivation für

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den späteren Beruf verbunden sein können. Das Orientierungspraktikum zu Beginn des Studiums des Lehramts an allgemeinbildenden Schulen lasse sich leicht umgehen, weil zahlreiche vorgängige pädagogische Erfahrungen als Äquivalent angeboten werden können.

Es gebe keinen systematischen Austausch zwischen den Mentoren der Universität

und den Praxislehrkräften. Auch hier sei der Kontakt dozentenabhängig und zufällig. Über das Buchungssystem wird gesagt, dass man es nur für Praktikumsplätze innerhalb von Sachsen benutzen könne. Praktika außerhalb des Freistaates müssten selbst organisiert werden. Diese Praktika haben durchaus Wert, weil man ein anderes Schulsystem kennenlerne, aber dazu müsse man selber aktiv werden.

Keiner der Fachschaftsvertreter habe eine formale Eignungsabklärung vor oder zu

Beginn des Studiums erlebt, weder mit Blick auf das Studium noch auf das spätere Lehramt. Das Zentrum für Lehrerbildung biete Beratung an, zudem werde im ZLSB zusammen mit der Universität Leipzig ein „Lehramtskompass“ entwickelt,105 der für Anfänger und fortgeschrittene Studenten zur Verfügung stehen werde. Die zahlreichen Studienfachberater hätten dagegen andere Aufgaben, die sich auf die jeweiligen Einzelwissenschaften und Institute beziehen.

Massiven Ärger in der Studierendenschaft bereiteten zeitgleiche

Lehrveranstaltungen, die nicht in jedem Semester besucht werden können. Berichtet wird von Veranstaltungen, die im gleichen Institut angeboten würden, ohne dass es gelungen wäre, die Zeiten miteinander abzustimmen. Hier gebe es deutliche Klagen, weil zeitliche Überschneidungen zu einer unerwünschten Verlängerung des Studiums führen können, die auch Folgen für die Stipendien oder den Abschluss des Studiums innerhalb der Regelstudienzeit haben. Erhebliche Klagen bestünden auch mit Blick auf die Bildungswissenschaften, die als zu theorielastig gelten würden und mit den schulpraktischen Studien so gut wie nichts zu tun hätten.

Sogenannte „Seminarfahrpläne“, also Übersichten über die Lehrveranstaltungen für

das laufende Semester, werden individuell durch den Dozenten erstellt, seien aber kein Standard. Es gebe einzelne Lehrveranstaltungen mit konkreten Listen und sogar mit Rastern, die am Ende des Semesters den Studienerfolg bescheinigen. Die Studierenden können dann mit der Formel „ich kann ...“ festhalten, was sie gelernt haben. Das sei für Modulprüfungen außerordentlich relevant, aber berichtet wird auch nur von einer Lehrveranstaltung, die ein solches Bewertungsraster anbietet.

Ein Portfolio über sämtliche Studienleistungen, die im Rahmen der Lehrerausbildung

zu erbringen sind, werde nicht geführt. Es gebe aber ein Notenverbuchungssystem für die Studierenden, in dem allerdings nicht festgehalten wird, mit welchen Themen und Fragestellungen sie sich beschäftigt haben.

Für die Betreuung von Abschlussarbeiten in Seminaren würden zu wenige Ressourcen

zur Verfügung stehen. In Lehrveranstaltungen werde gelegentlich auch ein Dozentenwechsel während des Semesters erlebt und lange Berufungsverfahren führten zu erheblichen Vakanzen. Ein Problem sei auch die unterschiedliche Verpflichtung der Dozierenden mit Lehrveranstaltungen. Die Kapazitätsberechnung habe zur Konsequenz, dass insbesondere 105 https://tu-dresden.de/zlsb/forschung-und-projekte/lehramtskompass

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die Veranstaltungen zur Grundschule und einzelne Veranstaltungen der Berufspädagogik überlastet seien.

Nach dem Gespräch mit dem Fachschaftsrat hat mich ein Mail des Fachschaftsrates

Allgemeinbildende Schulen der TU Dresden erreicht. Dort wird von Klagen berichtet, dass Studierende nicht an den Pflichtveranstaltungen, die laut Studienablaufplan vorgeschrieben sind, teilnehmen können, weil nicht ausreichend Plätze zur Verfügung stehen. Als Beispiele werden genannt:

„Besonders in Erstsemesterveranstaltungen sind die Kapazitäten wohl nicht ausreichend. Ein Beispiel ist die Vorlesung „Einführung in die germanistische Sprachwissenschaft“ (Modul EW-SEGY-DEU-B3), in welcher es größere Probleme gab. Insgesamt besteht eine Kapazität von 170 Personen, allerdings müsste eigentlich Platz für 250-300 Menschen sein, damit der Bedarf gedeckt ist. Alle Studierenden, die keinen Platz erhalten haben, wurden vom Dozenten aus der Vorlesung verwiesen. Auch im Bereich des Grundschullehramts konnten nicht genügend Seminare in den Modulen „Inhalte und Konzeptionen des Sachunterrichts“ (EW-SEGS-D-SU-1) und „Fachwissenschaftliche und fachdidaktische Grundlagen des Deutschunterrichts“ (EW-SEGS-D-D-1) bereitgestellt werden.“

Der Fachschaftsrat kommentiert diesen Befund dahingehend, dass die genannten

Beispiele nicht als Einzelfälle angesehen werden können. Vielmehr seien damit „generelle, strukturelle Probleme“ verbunden. Für die Studierenden käme es dadurch zu Einschränkungen, „die den Studienerfolg maßgeblich beeinträchtigen“. Vermutet wird, dass die zu geringen Kapazitäten darauf zurückzuführen sind, dass „für die Lehrerbildenden Institutionen an der TUD nicht ausreichend Budget zur Verfügung gestellt wird“. Man sehe das auch an dem Phänomen, dass bis kurz vor Beginn des aktuellen Semesters einige Lehrveranstaltungen nur „unter Finanzierungsvorbehalt“ angeboten werden.106

Das Gespräch mit dem Fachschaftsrat Erziehungswissenschaften der Universität Leipzig fand am 6. November 2017 im Fachschaftsraum statt. Der Fachschaftsrat Erziehungswissenschaften vertritt die Institute Förderpädagogik, Grundschulpädagogik, Bildungswissenschaften sowie Begabungsforschung und Kompetenzentwicklung. Die Studierenden für die Gymnasial- und Mittelschullehrämter werden durch die Fachschaft des Erstfaches vertreten.107

Die Vertreter des Fachschaftsrates Erziehungswissenschaften haben im Vorfeld des

Gesprächs Themenwünsche geäussert, die behandelt werden sollen. Genannt wurden die folgenden Punkte108:

Inklusion sollte in allen Lehramtsbereichen vertreten sein

Zwang das Referendariat an Sonderschulen zu absolvieren

Praktika in Sachsen (Mentor*innen, Kosten, Diagnostik, SBA Koop.) 106 Mail Fachschaftsrat Allgemeinbildende Schulen vom 29. Oktober 2017. 107 Auch dieses Gespräch ist von mir protokolliert, gegengelesen und dann freigegeben worden. 108 Das Gespräch ist entlang dieser verschiedenen Punkte geführt worden, von meiner Seite sind dann auch die

oben angegebenen eigenen Fragestellungen angeschnitten worden.

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Staatsprüfung (Belastung Studierende/Doppelprüfung)

Belastung in der Lehre (Überbuchung der Uni's, unbesetzte Professuren, Überbelastung Mittelbau, Raumsituation, Korrektur STEX)

Seiteneinsteiger*innen109

Das erste Thema betraf die Frage der Inklusion. Im Gespräch wurde deutlich, dass

dieses Thema nicht in allen Lehrämtern angemessen vertreten sei. Nur im Modul 1 der Bildungswissenschaften komme Inklusion als Thema vor, ein verpflichtendes Querschnittsthema sei nicht erkennbar. Die Ausnahme sei die allgemeine Sonderpädagogik, wo zwei Module zum Thema Inklusion angeboten werden, allerdings nur für die Studierenden der Sonderpädagogik. Eine Öffnung für alle Studierenden sei sinnvoll, aber offenbar derzeit schwer machbar.

Die Studierenden berichten, dass das Referendariat für das Lehramt Sonderpädagogik

allein an den herkömmlichen Förderschulen durchgeführt werden könne, also nicht an inklusiven Schulen im allgemeinbildenden Bereich. Gewünscht werde die Öffnung des Referendariats auch an inklusiven Regelschulen.

Ein spezielles Problem sei die Organisation der Praktika in Sachsen. Es sei schwierig,

Praktikumsschulen zu finden, insbesondere im Bereich der Sonderschulen, deshalb bestehe häufig ein Zwang, Praktikumsplätze außerhalb des Freistaates zu suchen. Hierfür werde aber keine Vergütung zur Verfügung gestellt, die Studierenden erhalten weder Fahrkarten zum Praktikumsort noch eine Entschädigung für die entstandenen Unkosten. Fahrausweise für längere Strecken müssten selbst bezahlt werden. Diese Praxis befinde sich „am Rande der Studierbarkeit“.

Im Blockpraktikum für Förderschulen gäbe es 44 Plätze pro Jahr in Sachsen, um die

sich zuletzt 138 Studenten beworben hätten. Mit dem Wintersemester sind die Studierendenzahlen in den Lehrämtern der Universität Leipzig weiter gestiegen. Es komme offenbar zu Überbuchungen und die Studierenden müssen sich dann notgedrungen Plätze außerhalb Sachsens suchen. Sie stünden vor der Wahl, entweder diese Praktika selbst zu finanzieren oder eine Studienzeitverlängerung in Kauf zu nehmen.

Die Sächsische Bildungsagentur (SBA) (neu: das Landesamt für Schule und Bildung) sei

nicht mehr in der Pflicht, zuständig für die Zuteilung von Praktikumsplätzen sei nunmehr die Universität nach Verhandlungen mit der damaligen SBA.

Die erste Staatsprüfung im Lehramt sei unter den Studierenden ein „großes Thema“.

Auch in diesem Gespräch wird darauf hingewiesen, dass bereits geprüfte Inhalte im Prüfungssemester häufig nochmal geprüft werden. Probleme scheint es auch mit dem Vorsitz der jeweiligen Prüfungsausschüsse zu geben. Den Vorsitz muss ein Vertreter der Schule übernehmen, häufig scheint das aufgrund von zeitlichen Problemen nicht möglich zu sein und bei Ausfall gebe es keine Reserven.

Die wissenschaftliche Hausarbeit im Prüfungssemester liege mit Blick auf Fach oder

Richtung in der freien Wahl der Studierenden. Die bildungswissenschaftliche Klausur könne 109 Fachschaftsrat Erziehungswissenschaften, Mail vom 2. November 2017.

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Inhalte des gesamten Studiums umfassen. Mündliche Prüfungen seine in jedem Fach oder in jeder Richtung zu absolvieren.

Die Studierenden bringen die Idee ins Spiel, dass dort, wo die wissenschaftliche

Arbeit geschrieben wird, keine mündlichen Prüfungen mehr erfolgen sollten. Bislang stiess diese Idee aber auf keine Gegenliebe seitens der Bildungsagentur bzw. des Landesamtes für Schule und Bildung. Die Wiederholung von bereits absolvierten Themen werde dort nicht als nachteilig angesehen.

Das komplexe Anforderungsprofil im Prüfungssemester habe hohe Belastungsfolgen

für die Studierenden. Der Fachschaftsrat habe sich in einem Mail an den Fakultätsrat dahingehend geäußert, dass unter den gegebenen Bedingungen eine erfolgreiche Arbeit im Prüfungssemester nicht leistbar sei. Als Gründe seien genannt worden:

Klausurthemen würden zu spät bekannt gegeben,

es fehle an Transparenz, wie die Themen zustande kommen,

es gebe einen zu engen Zeitraum der Abfolge der Prüfungen

und es sei unklar, wer als Prüfer bestellt wird, wenn bestimmte Professorenstellen nicht besetzt sind.

Der enge Zeitrahmen habe zur Folge, dass häufiger kein Anschluss an das

Referendariat gefunden werden könne. Ende September müsse die Anmeldung für das Referendariat erfolgen, die letzten Prüfungen aber liegen ebenfalls Ende September. Aus diesem Grunde greifen Studierende zu einer Notlösung, indem sie an Schulen Unterricht auf der Basis von Stundenbezahlung erteilen, bevor sie mit dem Referendariat beginnen. Andere Bundesländer bieten hier offensichtlich bessere Lösungen an, so dass auch aus diesem Grund Abwanderungen erfolgen können.

Berichtet wird, dass durch den Prüfungsaufschub auch ein Kohortenstau entstehe,

der das Studium unnötig verlängert. Erwartet wird, dass Prüfungsreformen diese unbefriedigende Situation verbessern können. Dazu zähle auch die zeitliche Streckung der Prüfungsfristen über das starre Prüfungssemester hinaus. Die Prüfungsordnung sieht vor, dass alle Prüfungen in einem Semester zu erfolgen haben, die Studierenden sprechen von einer Qualitätsminderung durch das Prüfungssemester, weil der Rahmen keine flexiblen Lösungen zulasse.

Zudem sei die Prüfungspraxis uneinheitlich. Bestimmte Lehrstühle würden Themen

vor dem Prüfungssemester bekannt geben, andere tun das nicht. Hingewiesen wird auch auf die Belastungsfolgen, die dadurch entstehen, dass jahrelang Professorenstellen nicht besetzt seien, weil sich die Berufungsverhandlungen hinziehen oder zu keinem Erfolg führen, so dass mit kurzfristigen Vertretungen gearbeitet werde, die bei einer Berufung jederzeit die Universität verlassen können. Für die Studierenden sei das ein erheblicher Unsicherheitsfaktor.

Zum Thema Quereinsteiger wird darauf hingewiesen, dass derzeit allein an der

Universität Leipzig 200 Quereinsteiger ausgebildet werden. Für sie stünden eigene Module bereit, die parallel zu den normalen Lehrerveranstaltungen angeboten werden. Die Ressourcen stelle die Universität zur Verfügung, beauftragt mit den Modulen seien die

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Zentren für Lehrerbildung. Bei den anderen Studierenden führe diese besondere Form der Lehrerausbildung zu einem, wie es heißt „wahren Frust“.

Die Ungleichbehandlung werde also deutlich wahrgenommen und habe zu Fragen

geführt, warum Einstellungen vorgenommen werden können, wenn die Ausbildung der Seiteneinsteiger stark reduziert sei und gerade im pädagogisch-didaktischen Bereich nicht den vollen Umfang umfasse.

Mit Blick auf das Ansehen der Lehrerbildung in der Universität werden folgende

Erfahrungen mitgeteilt: In Fächern wie Deutsch sei keine Benachteiligung spürbar und oft werde auch gar nicht klar, wer Lehrämter studiert und wer nicht. Allerdings gäbe es bei manchen Dozierenden in anderen Fächern Äußerungen über die Zweitklassigkeit der Lehramtsstudierenden.

Auch unter den Lehrämtern herrsche eine deutliche Hierarchie. Studierende für das

Gymnasiallehramt definierten sich in der Hierarchie ganz oben, berichtet wird auch, dass gerade diese Studierenden mit dem Thema Inklusion wenig bis nichts anfangen können. Zwischen den Lehrämtern gebe es kaum Berührungspunkte, da keine gemeinsamen Praktika absolviert werden.

Kontakte zu anderen Universitäten und so zu Studierenden der Lehrämter gebe es so

gut wie nicht. Eine Strategie zur Kooperation mit anderen Universitäten sei nicht erkennbar. Allerdings habe das strittige Thema des Prüfungssemesters und so des ersten Staatsexamens zu einer gemeinsamen Aktion der Vertreter der Lehramtsstudierenden mit der TU Dresden geführt.

Bezogen auf die akademische Lehre wird zunächst darauf hingewiesen, dass eine

Anwesenheitspflicht in den Lehrveranstaltungen nicht bestehe, gelegentlich seitens der Lehrenden aber versucht werde, eine solche Pflicht einzuführen. Der Schwerpunkt des Studiums liege auf den Fächern bzw. den Lernbereichen der Sonderpädagogik. Fachdidaktik werde eher „sparsam erfahren“.

Die Evaluationen, also die Bewertungen der Lehrveranstaltungen seitens der

Studierenden, würden ganz unterschiedlich gehandhabt. Zwar habe die Universität Evaluationen von Lehrveranstaltungen wieder eingeführt und verpflichtend gemacht, aber häufig erfolgten die Rückmeldungen zu den Auswertungen erst im nächsten Semester, also nach dem Ende des Moduls, das besucht und beurteilt wurde.

Auch in diesem Gespräch wird darauf hingewiesen, dass theoretische Inhalte im

Studium, besonders in Didaktik und Methodik, nicht kompatibel seien mit dem, was in den Praktika erfahren wird. Die Vor- und Nachbereitung der Praktika werde begrüßt, aber in diesem Sinne auch als defizitär angesehen.

Auf die Frage, ob es Ziele des Studiums gebe, die verbindlich sind für die gesamte

Ausbildung in der ersten Phase, reagieren die Studierenden mit Erstaunen. Von Zielen erfahren sie nur bezogen auf die Module, ansonsten sei eine Zielsteuerung nicht erkennbar, auch nicht mit Blick auf die nachfolgende Ausbildung im Referendariat.

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4.3. Gespräch mit Vertretern der zweiten Phase

Das Gespräch mit Dr. Frieder Glanz, Leiter der Abteilung Lehrerbildung der

Außenstelle Dresden der damaligen Sächsischen Bildungsagentur sowie mit Mitarbeitenden und Referendaren im Vorbereitungsdienst für das Höhere Lehramt an Gymnasien fand am 15. Dezember 2017 in Dresden statt110. Fragebereiche von meiner Seite waren:

Verhältnis der beiden Ausbildungsphasen

Konkrete Formen der Zusammenarbeit

Beurteilung der Absolventen der ersten Phase

Einschätzungen der Ausbildung der ersten Phasen

Problembereiche des Vorbereitungsdienstes Das Verhältnis zwischen der ersten und der zweiten Ausbildungsphase sei derzeit ein

Arbeitsverhältnis ohne große Berührungspunkte. Allerdings sei aus der Sicht des Vorbereitungsdienstes die Kommunikation durch den Aufbau der Zentren für Lehrerbildung signifikant verbessert worden. Größere Abstimmungen zwischen den Ausbildungsprogrammen seien derzeit aber nicht geplant.

Zum Übergang zwischen Studium und dem Vorbereitungsdienst wird Folgendes

gesagt: Die Verantwortlichen stellen fest, dass die Anzahl derer steige, welche den Anforderungen an Belastungen (insbesondere bezogen auf den Unterricht an den Schulen) nicht voll gerecht werden. Anzeichen dafür seien auch Langzeiterkrankungen von Referendaren. Die Ursachen seien sicher vielfältig, fehlende Strukturierung, Anpassung an die Schulkultur o. ä. können Ursachen dafür sein.

Auch die Organisation der Prüfungen sei mit Schwierigkeiten verbunden. Für die

Durchführung der Prüfungen gebe es zu wenig Personal und es bereite Probleme, jeweils geeignete Termine zu finden. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl der Studierenden und fehlender Ressourcen an den Hochschulen werde eine Novellierung der Lehramtsprüfungsordnung I angestrebt. Damit sollen beide Seiten Entlastung erfahren.

Im Gespräch mit den Mitarbeitern des Vorbereitungsdienstes Sekundarstufe II in

Dresden wird eingangs darauf hingewiesen, dass die Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Lehrerbildung als sehr positiv gesehen werde. Die abgeordneten Lehrkräfte fühlten sich angenommen und mit den richtigen Aufgaben betraut.

Die Qualität der Referendare wird wie folgt beurteilt. Festzustellen sei eine starke

Heterogenität, die auch dadurch erklärt wird, dass sich Studierende anderer Universitäten zunehmend für den Vorbereitungsdienst in Sachsen anmelden. Bei vielen Studierenden fehle das Verständnis für die Steuerung im schulischen Bereich und speziell im Unterricht, also die Arbeit mit Lehrplänen und Lehrmitteln. Auch hier wird die fehlende Belastbarkeit 110 Das Gespräch ist von mir protokolliert worden, danach wurde es gegengelesen und dann freigegeben.

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herausgestellt, generell falle es den Studierenden offenbar sehr schwer, sich auf die neue Rolle als Referendar einzustellen.

Die Unterschiede in der Qualität würden sich aus den Angeboten der Fachdidaktik

der Universitäten erklären. Je nachdem, wie die Fachdidaktikprofessuren besetzt seien und was sie anbieten, gestalte sich die Vorbereitung auf den Schuldienst besser oder schlechter. Auch sei von unbetreuten Praktika die Rede, die am Heimatort der Studierenden absolviert würden.

Die Schule erscheine vielen Referendaren als „plötzliche Last“. Die konkreten

Planungsprozesse dauerten zu lange und oft sei das für den Unterricht gefragte Fachwissen zu gering.

Ein Problem im Studium sei auch die Erwartungshaltung der Studierenden. Wenn sie

sich für Praktika oder schulpraktische Übungen einschreiben, dann werden oft Orte in der Umgebung von Dresden nicht gewählt. Auch Veranstaltungszeiten früh am Morgen oder nahe am Wochenende seien extrem unpopulär. Hier seien stärkere Vorgaben nötig.

Im Referendariat gebe es zu Beginn eine Zielvereinbarung, die für das Studium so

nicht angedacht sei. Entsprechend größer und intensiver sei die persönliche Zielsteuerung, die im Studium so gut wie keine Rolle spiele.

Die Lehrenden an der Universität würden danach eingeschätzt, mit welchem

Bildungshintergrund und mit welchen Lehrerfahrungen sie arbeiten. Die Glaubwürdigkeit erhöhe sich, wenn die Professoren über Schulerfahrungen verfügen, was insbesondere für die Fachdidaktiken gelte.

Die Ausbildung der Universität werde eher kritisch gesehen. Insbesondere fehle die

Vernetzung zwischen den Modulen. Auch Anregungen für eigene Unterrichtsveranstaltungen seitens der Studierenden würden zu kurz kommen. Die Komplexität des schulischen Unterrichts werde häufig unterschätzt und es komme auch nicht zu einer Routinebildung in den verschiedenen Praktika. Die Studierenden würden im Referendariat faktisch nochmal neu beginnen, die Schulrealität kennenzulernen.

Gegenläufige Entwicklungen werden vor allem über die Zentren für Lehrerbildung

organisiert. In Dresden bestehe ein Arbeitskreis Fachdidaktik, in dem Bildungswissenschaften, Fachdidaktiken und Angehörige der zweiten Phase vernetzt würden. Es handle sich um ein Gesprächsforum, das regelmäßig zusammentreffe. Ähnliche Arbeitskreise zwischen der ersten und der zweiten Phase bestünden für die berufliche Bildung und die Grundschule. Ausdrücklich wird noch darauf hingewiesen, dass die Mentoren bei den Studierenden über eine hohe Akzeptanz verfügen würden.

Im Zentrum des Vorbereitungsdienstes stehen die unterrichtlichen Kompetenzen,

genauer: welche Kompetenzen notwendig sind, um das Studienfach im Unterricht wirkungsvoll vertreten zu können. Der Stellenwert der Lehrerausbildung in der Universität wäre eine zentrale Voraussetzung für die Erzeugung von Qualität. Je nachdem, ob die Aufgaben in der Lehrerbildung als zentral oder peripher angesehen werden, würde das Lehrangebot an Profil gewinnen und den beruflichen Zielen der Ausbildung entsprechen

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oder eben nicht. Nochmals wird darauf hingewiesen, dass entscheidend sei, wie die Besetzung der Professuren für Fachdidaktik erfolgt.

Auch die Prüfungspraxis sei Thema. Kritisiert wird, dass weitgehend nur

spezialisiertes Wissen abgeprüft werde, das keinen Bezug zur späteren Berufspraxis habe und auch von der Art der Prüfung her wenig nachhaltig sein könne. Eine Alternative wäre, „komplexe Situationen“ des Lehrens und Lernens als Vorgabe zu formulieren, anhand der dann Analyse, Reflexion und Handlungsplanung geprüft werden können. Die Fachstudien könnten auch mit Blick auf fachliche Kategorienbildung geprüft werden, also nicht nur auf relativ zufällige Ausbildungsthemen hin.

Ein weiteres Anliegen seien Querschnittsthemen wie Heterogenität oder

demokratische Bildung. Die Demokratieerziehung spiele in der derzeitigen Ausbildung so gut wie keine Rolle, deswegen wird vorgeschlagen, dafür ein eigenes Modul einzurichten.

Ein Problem seien auch die Abordnungen von Lehrern. Oft seien diese Lehrer die

Besten in ihrer Schule. Sie würden dann herausgezogen und mit Aufgaben in der Universität beauftragt, so dass die Betreuung der Referendare in der Schule vor Ort darunter leide. Das gelte nicht zuletzt für die Quereinsteiger, für die nur eine Abordnungsstunde zur Verfügung stehe.

Die politische Wertschätzung der Lehrerbildung im Freistaat Sachsen werde als nicht

sehr hoch angesehen. Der Vorbereitungsdienst insgesamt sei völlig abgekoppelt von Investitionen und insbesondere von zusätzlichen Stellen.

Die Verwaltungsaufgaben im Vorbereitungsdienst steigen mit der Anzahl der

Bewerber und der Anzahl der Seiteneinsteiger. Bisher sei (im Vergleich zum Bildungspaket Sachsen 2020) keine Ressource erhöht worden. Eine immer wieder eingeforderte Kundenorientierung der Behörde aber würde eine entsprechend ausgestattete Verwaltung erfordern.

Ein Grund für die fehlende Abstimmung zwischen den Phasen sei der

Ausbildungsdruck und der Vorrang praktischer Probleme im Vorbereitungsdienst. Die grundständige Ausbildung im Vorbereitungsdienst sei im letzten Jahrzehnt relativ häufig umgestellt worden. Das Referendariat dauerte ursprünglich 24 Monate, dann 12 und seit Februar 2017 18 Monate. Diese Umstellungen hätten für eine erhebliche Organisationsunruhe gesorgt.

Bei der Umstellung auf die 12-monatige Ausbildung sei ein neuer Ansatz gewählt

worden. Augenfällige Redundanzen konnten abgebaut und Schnittmengen zwischen den Bildungswissenschaften und den Fachdidaktiken, bei Themen wie Lehren und Lernen, konnten aufgebaut werden. Der Nachteil sei, dass die Arbeitsweise der Fächer zu kurz komme.

Die Verlängerung der Ausbildung auf 18 Monate habe dazu geführt, dass

Seiteneinsteiger und grundständig Auszubildende die beiden ersten Semester gemeinsam studieren. Das alte, auf 12 Monate hin ausgelegte Curriculum bleibe erhalten, das neue dritte Semester diene der Vertiefung. Dieses dritte Halbjahr werde nur von den grundständig

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auszubildenden Lehramtsanwärtern und Referendaren belegt. Im Mittelpunkt stehen dabei allgemeine Herausforderungen der Schule wie Heterogenität oder Digitalisierung im Bereich schulischer Medien. Auch ein Zusatzangebot Bildungssprache für Migranten nach DaZ-Klassen gehöre zum Angebot.

Auch zwei Referendare für das Höhere Lehramt Gymnasium stellten sich für ein

Gespräch zur Verfügung. Der erste Referendar, der noch nach dem alten Staatsexamen studiert hat, beschreibt seine Ausbildung als „reines Fachstudium“. Erst im Referendariat würde man das praktische Handwerkszeug lernen. Das heutige Fachstudium sei für die Anforderungen der Lehrämter immer noch „viel zu aufgebläht“. Die Fachwissenschaften hätten durchweg kein Interesse an den Aufgaben der Lehrerbildung.

Der zweite Referendar hat mit einem BA-/MA-Studium begonnen und bereits das

neue Staatsexamen abgeschlossen. Er berichtet von extrem hohen Anforderungen in seinen Fächern (Mathematik und Chemie) und zu wenig Ausbildung in Fachdidaktik. Die Ausnahme sei eine bestimmte Fachdidaktik, die gut auf die Schule vorbereitet habe. Die Ausbildung in den Naturwissenschaften sei „viel zu vollgepackt“. Auch deswegen gebe es keine Nachwuchslehrer in diesen Fächern, die Abbruchquoten seien viel zu hoch.

Im Gespräch mit den beiden Referendaren ging es auch um die Seiteneinsteiger. Die

dreimonatige Ausbildung vor dem Unterrichtseinsatz werde als absolutes Minimum bezeichnet. Die Kandidatinnen und Kandidaten hätten keine Vorstellung von Schule und würden ohne Grundkenntnisse im Schulbetrieb untergehen.

Zudem seien sie auf bestimmte Aufgaben wie Klassenleitertätigkeiten nicht

vorbereitet. Auch das Alter der Seiteneinsteiger wird thematisiert, manche Bewerber seien über 50 Jahre alt und müssten an die neuen Aufgaben herangeführt werden. Die berufliche Erfahrung spräche für sie, während sie das pädagogisch-didaktische Wissen nachträglich aneignen müssen.

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III Bundesweite Entwicklungstrends

1. Qualitätsoffensive Lehrerbildung

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat am 14. Juli 2014 die

Qualitätsoffensive Lehrerbildung ausgeschrieben,111 an ihr können sich alle deutschen Hochschulen beteiligen, die mit Aufgaben in der Lehrerbildung befasst sind. Die Offensive wird vom Bundesministerium in einem Umfang von bis zu 500 Millionen Euro finanziert. Die Summe wird in zwei Förderphasen verteilt auf acht Jahre (2014-2018, 2019-2023). Die Vergabe der Mittel bezieht sich auf Anträge und Projekte, die vor ihrer Bewilligung eine Begutachtung durchlaufen haben. Gefördert werden in der ersten Phase 49 Projekte an 59 Hochschulen (Neue Wege in der Lehrerbildung, S. 6).

Die Ziele des Programms sind in den Förderrichtlinien vom 10. Juli 2014 beschrieben

worden. Sie beziehen sich auf Aufgaben in sechs verschiedenen Handlungsfeldern:

Profilierung und Optimierung der Strukturen der Lehrerbildung an den Hochschulen,

Qualitätsverbesserung des Praxisbezuges in der Lehrerbildung,

Verbesserung der professionsbezogenen Beratung und Begleitung der Studierenden in der Lehrerbildung,

Fortentwicklung der Lehrerbildung in Bezug auf die Anforderungen der Heterogenität und Inklusion,

Fortentwicklung der Fachlichkeit, Didaktik und Bildungswissenschaften und

Vergleichbarkeit sowie gegenseitige Anerkennung von lehramtsbezogenen Studienleistungen und Lehramtsabschlüssen sowie der gleichberechtigte Zugang bzw. die gleichberechtigte Einstellung in Vorbereitungs- und Schuldienst zur Verbesserung der Mobilität von Lehramts-Studierenden und Lehrerinnen und Lehrern.112

In der Broschüre Neue Wege in der Lehrerbildung, die das Bundesministerium im

August 2016 herausgegeben hat, werden zwei weitere Themenfelder genannt, nämlich der Einsatz digitaler Medien in der akademischen Lehre sowie die Sicherung des Lehrnachwuchses in gewerblich-technischen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Hinzukommt die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Fachwissenschaften, den Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften.

Ein solches Programm, das die deutsche Lehrerbildung durch konkrete Projekte der

Forschung und Entwicklung verbessern und voranbringen will, ist historisch ohne Beispiel. Nie sind Anstrengungen in diesen Größendimensionen unternommen worden und nie wurde 111 Grundlage ist die Bund-Länder-Vereinbarung über ein gemeinsames Programm „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ vom 12. April 2013. 112 https://www.bmbf.de/foerderungen/bekanntmachung.php?B=951

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die Entwicklung zwischen den einzelnen Universitäten in diesem Ausmaß koordiniert und ausgetauscht.

Wie die KMK so versteht auch die Qualitätsoffensive die Lehrerbildung als Einheit. Die

verschiedenen Phasen folgen nicht einfach aufeinander, sondern sollen miteinander verknüpft sein. Es geht um nachhaltige Effekte der Verbesserung für den gesamten Prozess vom Studium über den Vorbereitungsdienst und die Eingangsphase bis in die berufliche Fort- und Weiterbildung. Die Hochschulen werden unterstützt, sich enger mit Schulen, Studienseminaren und Zentren für die schulpraktische Lehrerausbildung zu vernetzen.

Die Erwartung geht dahin, das Lehramtsstudium besser an den Herausforderungen

des Schulalltags und des Lehrerberufes auszurichten. Schulen und Lehrkräften wird relevantes wissenschaftliches Know-how vermittelt und sie können auch mit den Hochschulen gemeinsame Forschungsprojekte durchführen. Die Hochschulen würden so auch für die dritte Phase der Lehrerausbildung Angebote machen sowie in die Lehrerfortbildung hineinwirken.

Das Tableau der Projekte in der Qualitätsoffensive zeigt, dass Umsetzungen nicht

einfach Ableitungen aus Grundsätzen sind und sein können. Eher lässt sich von Laboratorien sprechen, in denen neue Formen der Kooperation und Steuerung ausprobiert werden. Das betrifft die Platzierung von Querschnittsthemen im Curriculum ebenso wie Beratungsangebote, Aufbau professioneller Kompetenzen, Programme für die Mentorenausbildung, Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung oder auch die bessere Nutzung der Praktika.

Die Digitalisierung der Lehrerbildung ist dabei zunehmend zu einer Kernforderung

geworden. In der Broschüre Neue Wege in der Lehrerbildung werden Lernplattformen, elektronische Tagebücher für die Reflexion von Praxisphasen sowie der Einsatz und Austausch von digitalen Videoangeboten erwähnt, die mit den Projekten der Qualitätsoffensive weiterentwickelt und zur Serienreife gebracht werden sollen (ebd., S. 32-34).

Drei der bislang bewilligten Projekte der Qualitätsoffensive befassen sich primär mit

Frage, wie die Ausbildung digitalisiert werden kann und welche Chancen damit verbunden sind, etwa für die bessere Vernetzung der Phasen der Lehrerbildung oder die bessere Vorbereitung der Praktika. Allerdings verwenden viele Projekte digitale Instrumente und nutzen die neuen Medien. Im Alltag der Hochschulpraxis dominieren noch weitgehend die traditionellen Lehrformen Vorlesung und Seminar, die Lernmaterialen werden häufig elektronisch zur Verfügung gestellt und neue Wege der Kommunikation etwa mit Blogs werden ausprobiert (Miller 2015).

Die Qualitätsoffensive geht davon aus, dass in der Lehrerbildung ein

zusammenhängendes Studienkonzept geschaffen wird, zu diesem Zweck müssen Ressourcen gebündelt und Studienpläne besser abgestimmt werden. Ein wichtiges Anliegen ist dabei die engere Verzahnung der fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen sowie der schulpraktischen Anteile des Lehrerstudiums.

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Diese vier Bereiche werden in allen Studiengängen angeboten, wenngleich in unterschiedlicher Dotierung und Ausrichtung. Es handelt sich um Säulen im Curriculum, die de facto immer noch eher wenig miteinander gemein haben. Die Gefahr ist daher groß, die Bereiche nur nebeneinander zu studieren, zumal unter Bologna-Voraussetzungen, also in modularisierter Form und so in geschlossenen Einheiten. Die Abstimmung oder Anwendung des Gelernten bleibt den Studierenden überlassen.

Gefragt sind also bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Sicherung der

professionellen Ziele. Ein Schwerpunkt der Qualitätsoffensive ist daher, die Lehramtsstudierenden nach ihrem Kompetenzzuwachs im Studium zu befragen und so den Studienerfolg mit Blick auf die Ziele der Ausbildung besser abschätzen zu können. Das setzt erreichbare Ziele voraus. Letztlich wird ein Qualitätsmanagement verlangt, das der komplexen Struktur der Lehrerbildung gerecht wird.

Eine wichtige Frage wäre, wie die Lehrerbildung insgesamt von den Ergebnissen der

Offensive profitieren kann und wie der Transfer organisiert werden soll. Für den Austausch werden bereits heute Workshops angeboten, die allen Universitäten offen stehen. Universitäten ohne Projekte könnten dann leicht den Anschluss verlieren. Anzustreben wäre eine dauerhafte Konferenz Lehrerbildung, die es bereits heute auf regionaler Ebene gibt113 und die auf die Umsetzung der Forschung hin ausgerichtet oder erweitert werden müsste.

Die Verteilung der Projekte in der Qualitätsoffensive zwischen deutschen

Bundesländern ist sehr unterschiedlich. Nur sechs Vorhaben sind an Universitäten der neuen Bundesländer angesiedelt, eines davon an der Technischen Universität Dresden. Vorhaben können Einzelvorhaben sein, aber auch Projekte, an denen sich verschiedene Hochschulen beteiligen.114

Inhaltlich ergeben die Projekte ein differenziertes Bild, wobei vergleichsweise häufig

Schnittstellenprobleme bearbeitet werden. Ein bevorzugtes Thema ist „Heterogenität“ in verschiedenen begrifflichen Varianten, was von der Ausschreibung her auch nicht anders zu erwarten war. Auffällig ist auch, dass die Projektmittel zum Aufbau von regionalen oder lokalen Schools of Education genutzt werden.

Einige Projekte seien genannt. Die Verbindung zwischen den Ausbildungsphasen ist

ein Thema an verschiedenen Universitäten. Ein auffälliges Beispiel ist das Projekt zur Stärkung der Lehrerbildung in den MINT-Fächern der Technischen Universität München. Ein Ziel dabei ist die Erschließung neuer Zielgruppen für Mangelfächer, so etwa in dem integrierten Studiengang „Berufliches Lehramt Elektro- und Informationstechnik/Metalltechnik“. Dieser Studiengang stimmt die Masterphase verbindlich mit dem Referendariat ab (Qualitätsoffensive 2015, S. 13).115 113 Etwa „Niedersächsischer Verbund zur Lehrerbildung“. http://www.lehrerbildungsverbund-niedersachsen.de/ 114 Die Verteilung zwischen den Lehrämtern ist vergleichsweise ausgewogen, wobei die meisten Projekte den Lehramtstypus 4 (Sek II: allgemeinbildende Fächer oder Gymnasium) betreffen. Häufig werden die Projekte allerdings auf verschiedene Lehrämter oder gar auf alle bezogen, einschließlich der Lehrämter für Berufsschulen und Sonderpädagogik. 115 „Die Ausbildungsinhalte der drei Jahre, die bisher klar einer universitären und postuniversitären Phase zugeordnet waren, werden in diesem Konzept eng aufeinander abgestimmt und häufig lernortübergreifend

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Das Projekt „Know-how to Teach“ der Freien Universität Berlin bezieht sich auf die

gezielte Vorbereitung der Studierenden für die Praxisphasen des Studiums. Entwickelt werden Lerngelegenheiten und Materialien für die Entwicklung von Kompetenzen (Diagnose, professionelle Wahrnehmung von Unterricht) sowie Lehr-/Lern-Labore zur Erprobung von Handlungsstrategien unter unterschiedlichen Bedingungen aber in derselben Rahmensituation (Qualitätsoffensive 2015, S. 17).

In dem Projekt wird Unterricht mit realen Schülern in einer Laborsituation

durchgeführt, also nicht im Praktikum und doch in einer Realsituation. 116 Die Schüler erscheinen zu einem bestimmten Zeitpunkt und erleben eine Lehr-Lern-Sequenz. Das Projekt wird von der Qualitätsoffensive Lehrerbildung finanziert und bezieht sich auf die KMK-Standards für die Lehrerbildung.

In drei Teilprojekten, darunter eines in Englischdidaktik, 117 werden

Lerngelegenheiten entwickelt, „die Studierende im Erwerb von Entscheidungswissen, in der Entwicklung von Kompetenzen der Wahrnehmung und Verarbeitung von Unterrichtssituationen sowie in der Entwicklung, Einübung und Reflexion von Handlungsskripts unterstützen.“118

Lernen in Laborsituationen könnte Folgen für die Organisation der Praktika in der

Lehrerbildung haben. Aufgaben des Lehrverhaltens können standardisiert und ausgetauscht werden, das „Know How“ des Unterrichts ließe sich besser verständlich machen und erst dann in schulischen Kontexten anwenden. Die Studenten würden mit einem Basisrepertoire anfangen, wären so weit besser vorbereitet und könnten unabhängiger von den Praxislehrpersonen agieren. Sie wären eher Begleiter und Experte als Rollenvorbild, dem man mehr traut als der Ausbildung.

Das Projekt an der Professional School of Education der Humboldt-Universität zu

Berlin zielt „auf eine Vernetzung und Weiterentwicklung vorhandener hochschuldidaktischer Kompetenzen in den Bereichen Rehabilitationswissenschaft, allgemeine Didaktik, Fachdidaktik und Sprachbildung.“119 Lehrveranstaltungen werden auf der Grundlage didaktischer sowie heterogenitätssensibler Modelle entwickelt und in Tandems erprobt. Zu diesem Zweck sind neue Arbeitseinheiten in den Grundschuldidaktiken, den Fachdidaktiken und den Rehabilitationswissenschaften eingerichtet worden. Das Ziel ist „fachdidaktische Qualitätsmerkmale inklusiven Unterrichts in der Qualifikation zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer“ zu verankern. 120 angeboten – auch von beiden Bildungspartnern gemeinsam.“ (https://www.edu.tum.de/qualitaetsoffensive/master-berufliche-bildung-integriert/projekt-master-berufliche-bildung-integriert/ ) 116 www.fu-berlin.de/sites/k2teach/team/peq/index.html 117 http://www.deutschlandfunk.de/praxis-im-lehramtsstudium-das-simulierte-klassenzimmer.680.de.html?dram:article_id=360678 118 http://www.fu-berlin.de/sites/k2teach/im-ueberblick/index.html 119 In eine ähnliche Richtung geht das Projekt der Universität Potsdam, das aber auf die schulpraktische Ausbildung abzielt (Qualitätsoffensive 2015, S. 20). 120 https://www.hu-berlin.de/de/einrichtungen-organisation/wissenschaftliche-einrichtungen/zentralinstitute/pse/forschung-und-lehre/qualitaetsoffensive-lehrerbildung-fdqi-hu

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Die Universität Frankfurt verwirklicht das Projekt „Lehrerbildung vernetzt entwickeln“ (LEVEL). Das Projekt zielt auf eine fächer- und phasenübergreifende Optimierung der Lehrerbildung. Grundlegend ist die Vernetzung von lehrerbildenden Akteuren beider Phasen und verschiedener Fächer in universitär verankerten Fachverbünden (FVB).

Dazu dient der Auf- und Ausbau einer webfähigen, videobasierten Lehr-/Lernplattform, die sowohl zum selbstgesteuerten Kompetenzerwerb als auch in Blended Learning-Szenarien für Lernende aller Phasen der Lehrerbildung (Studierende, Lehrkräfte im Vorbereitungs- und perspektivisch im Schuldienst) eingesetzt wird. Die Plattform soll von den verschiedenen Akteuren einschließlich der Prüfenden auch zu Diagnosezwecken genutzt werden. Außerdem sind auf der Plattform Forschungsdaten zugänglich.

Methodisches Bindeglied aller Projekte ist die Anwendung und Evaluation videobasierter Unterrichtsformen und Forschungsparadigmen. Zur Umsetzung dieser Vorhaben wird den am Projekt Beteiligten von verschiedenen Einrichtungen der Goethe-Universität eine Begleitstruktur (Interdisziplinäres Kolleg Hochschuldidaktik (IKH), GRADE Education Center, eLearning-Einrichtung studiumdigitale) zur Seite gestellt. 121

Das Dresdner Projekt TUD-Sylber ist ein Maßnahmenpaket, in dem Vertreter aus sechs Fakultäten mit dem Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung zusammenarbeiten. Dabei kommen „sowohl die institutionellen Strukturen der Lehrerbildung an der TU Dresden, als auch die Inhalte und Lehrformen des Studiums in den Blick.“ Das Ziel ist Kooperation, Abstimmung und Vernetzung verschiedener Akteursgruppen.

Mit der Kooperation sollen „nachhaltige Weiterentwicklungen sowohl bei der

Studierendenbetreuung und Studienorganisation als auch bei der Stärkung des Berufs- und Forschungsbezuges innerhalb der universitären Lehre erreicht werden“. Das Projekt hat drei mit einander verschränkte Schwerpunkte, nämlich Organisationsentwicklung, Qualitätsverbesserung und regionale Vernetzung.122

3.2. Seiteneinsteiger

In aller Regel wird die Lehrerbildung von den Ausbildungsinstitutionen her gedacht

und das erscheint auch ganz natürlich, weil die Berufsausübung ja erst nach dem Studium möglich ist. Das Studium wird mit staatlichen Berechtigungen abgeschlossen, erst sie ermöglichen den Zugang zum Berufsfeld und die Besetzung von Stellen. Deswegen muss vorher gelernt werden, was später angewendet werden soll. Diese Logik der Ausbildung macht verständlich, warum das Theorie-Praxis-Problem in der Lehrerbildung so reflexionsmächtig ist und auch, wieso Seiteneinsteiger der Ausbildungslogik eigentlich widersprechen.

Die Studierenden erwarten eine anspruchsvolle Ausbildung, die sich nicht verkürzen

lässt und die in allen ihren Teilen überzeugend sein sollte. Wo das nicht erfahren wird, ist nicht Verkürzung das Thema, sondern Qualitätssicherung. Bei keinem meiner Gespräche war 121 http://www.psychologie.uni-frankfurt.de/59814486/09_LEVEL-_-Lehrerbildung-vernetzt-entwickeln 122 https://tu-dresden.de/zlsb/forschung-und-projekte/tud-sylber

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zu hören, dass es - wie im Ausland - auch kürzer gehen könnte. Es gibt auch keine hochschulpolitischen Forderungen nach einer Absenkung der Ausbildungsdauer, im Gegenteil sollten die Zeiten angeglichen und so für bestimmte Lehrämter angehoben werden.

Aber es könnte von der Organisation her auch anders gehen, nicht einfach fixiert auf

die Erstausbildung, sondern flexibler und offener gegenüber dem Arbeitsmarkt außerhalb der Schulen. Anders wird sich der absehbare Ersatzbedarf in bestimmten Fächern oder Schulstufen kaum bewältigen lassen. Im jetzigen System ist man wesentlich auf die Studienwahlen von Abiturienten angewiesen und so auf die Bildung der Interessen im Gymnasium. Die Berufsbildung jedoch ist heute schon eine Ausnahme.

Eine Anomalie sind die Seiteneinsteiger nicht. Nicht nur gab es in der Geschichte der

Einstellungspraxis für die Lehrämter immer Phasen des Mangels, in denen die Stellenbesetzung gegenüber der Ausbildung Vorrang hatte und man sich mit Nachqualifizierungen geholfen hat. Auch handelt es sich nicht um ein Sonderproblem, das allein die Lehrerbildung betreffen würde.

Viele Berufe kennen die Auflösung festgefügter Zeiten und Abläufe, eine klare

Aufeinanderfolge von Ausbildung und Berufsausübung besteht häufig nicht mehr und überall steigt die Zahl der „Seiteneinsteiger“ (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 435). Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass Berufe verschwinden oder sich ihre Anforderungsprofile grundlegend verändern. Unterbrechungen der Berufstätigkeit nehmen auch in den Lehr- und Erziehungsberufen zu, ebenso Wechsel in andere Tätigkeitsfelder.

Dennoch ist der Hauptweg in den Beruf der Lehrämter in Deutschland der über die

Erstausbildung. Die Bedingungen für den Seiteneinstieg im Falle von Lehrermangel hat die KMK mit einem Beschluss vom 5. 12. 2013 festgelegt. Seiteneinsteiger sind „landesspezifische Sondermaßnahmen“, die vom Regelweg universitäres Studium, Vorbereitungsdienst und Zugang zum Beruf durch das Staatsexamen unterschieden werden. (Kultusministerkonferenz 2013, S. 2). Die Sondermaßnahmen sind zulässig, wenn „unabweisbare lehramts- und fächerspezifische Bedarfe bestehen“ und die Unterrichtsversorgung anders nicht gewährleistet werden kann (ebd.).

Der Weg der Seitensteiger kennt grundsätzlich zwei Gabelungen, die Qualifikation

über einen Vorbereitungsdienst oder eine vergleichbare Ausbildung (Masterabschlüsse in zwei Unterrichtsfächern plus Vorbereitungsdienst) und die Qualifikation über zusätzliche Studien und den Vorbereitungsdienst oder eine vergleichbare Ausbildung (Masterabschluss in einem Unterrichtsfach, Nachstudium in einem zweiten sowie Vorbereitungsdienst).

Den Ländern steht es darüber hinaus frei, weitere landesspezifische Sondermaßnahmen zu ergreifen (ebd., S. 2/3). Damit ist es grundsätzlich möglich, je nach Lage auch noch zu weiteren Lösungen zu gelangen. Vorrang hat immer die Unterrichtsversorgung, wie sich an zahlreichen Beispielen aus der Schulgeschichte belegen ließe.123

123 Für die deutsche Schweiz: Hodel (2005).

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In Sachsen besteht angesichts der Mangelsituation ein hoher Bedarf an Lehrkräften. Aus diesem Grunde ist die Qualifikation von Seiteneinsteigern ein zentrales bildungspolitisches Problem, das die Öffentlichkeit nachhaltig beschäftigt und mit Nachdruck Lösungen verlangt. Dabei arbeitet das Sächsische Staatsministerium für Kultus eng mit den Universitäten zusammen, sofern die Universitäten für die Nachqualifizierungen zuständig sind.

Die Seiteneinsteiger sind keine vorübergehende Erscheinung, vielmehr sind damit historische Zyklen verbunden, die schwer zu steuern sind. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in allen vier deutschen Besatzungszonen eingesetzt, vor allem aber in der sowjetischen Besatzungszone. Die Qualifizierung von rund 40.000 Junglehren, die die entlassenen nationalsozialistischen Volksschullehrer ersetzen sollten, geschah nach Vorbereitungskursen weitgehend on-the-job (Gruner/Messmer 1996; Gruner 1997

In Nordrhein-Westfalen etwa begannen im Jahr 1963 1910 Frauen und 434 Männer nach dem Abitur und einer kurzen Einführung mit ihrem Einsatz in Grundschulen. Sie unterrichteten als „Aushilfslehrer“ ab Januar 1964, anderthalb Jahre später waren rund 4.000 dieser überwiegend weiblichen Lehrkräfte im Einsatz (Hamm-Brücher 1965, S. 58).

Um in den Schuldienst übernommen zu werden, musste ein verkürztes Lehramtsstudium absolviert werden. Die Ausbildung an den Pädagogischen Hochschulen erfolgte parallel zum Unterricht, also berufsbegleitend. Auch ausgebildete Kindergärtnerinnen wurden in das Programm aufgenommen, sofern eine Kommission positiv über ihre Eignung entschied.

Das Ganze war eine kurzfristige Maßnahme. Der verantwortliche Minister, Paul Mikat,124 sagte Jahrzehnte später einem Interview, dass er seinerzeit die Zahl der Lehramtsstudenten nicht von sich aus vergrößern konnte und selbst wenn es mehr Studenten gegeben hätte, so wäre das „erst in Jahren wirksam geworden“ (Stützle 1995, S. 116). Zwei Dekaden später, Mitte der achtziger Jahre, gab es bei sinkenden Schülerzahlen einen starken Überhang an Bewerbern (Baske 1990, S. 41).

Der heutige Bedarf und die Voraussetzungen für den Seiteneinstieg sind damit nicht vergleichbar, das Beispiel zeigt aber, dass in Deutschland immer dann, wenn es darauf ankam, flexible Lösungen gefunden wurden, ohne deswegen das System in Frage zu stellen. Im Gegenteil ist der Lehrermangel in den sechziger Jahren in Westdeutschland gerade mit dem akademischen Aufstieg der Volkschullehrerausbildung verbunden gewesen, also einer politischen und gesellschaftlichen Systemverbesserung.

In der zweiten Bertelsmann-Studie zum Lehrermangel wird festgehalten: Die Politik sollte „alles daran setzen, Seiten- oder Quereinsteiger von einem Stigma als ‚Lehrkräfte zweiter Klasse‘ zu befreien und ihre Akzeptanz in Lehrerkollegien auf Dauer sicherzustellen. Dazu gehören vordringlich bundesweit einheitlich implementierte Standards für die vorbereitende und berufsbegleitende Qualifizierung“ (Klemm/Zorn 2018, S. 29).

Gemeint sind nicht die KMK-Regeln für die „landesspezifischen Sondermaßnahmen“, sondern die inhaltlichen Standards für die Lehrerbildung sowie weitere Standards, die 124 Paul Mikat (1924-2011) war von 1962 bis 1966 Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen.

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regeln, „in welchem zeitlichen Korridor und welcher Arbeitsteilung die zuständigen Institutionen (Landesinstitute, lehrerbildende Hochschulen, Studienseminare, Schulen) diese Qualifizierung erfolgt“ (ebd.). In den Schulen ist für die Seiteneinsteiger „intensives Mentoring“ erforderlich, also Möglichkeiten zu Team-Teaching oder zur kollegialen Unterrichtshospitation. Für die Mentoren muss es deshalb Anrechnungsstunden geben (ebd.).

Generell wird ein Blick auf die Chancen empfohlen, statt immer nur die Risiken und Defizite zu betonen. Zu den Chancen zählen etwa „Maßnahmen zur Stärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ vor dem Hintergrund, dass an deutschen Grundschulen gut 40% der Lehrkräfte in Teilzeit beschäftigt sind, dann weiter „die Stärkung des universitären Engagements bei Weiterbildungsangeboten für Lehrkräfte“ oder auch „die Beförderung einer Team- und Kooperationskultur“ an den Schulen (ebd.).

Das Problem entsteht auch durch die eklatante Ungleichverteilung der Studienabschlüsse zwischen den Lehrämtern und vor allem zwischen den Fächern. Die Zahl der bestandenen Staatsprüfungen im Freistaat Sachsen insgesamt lag 2016 bei 848, die Zahl ist nach 2008 stark angestiegen und seit 2013 weitgehend konstant (Statistisches Landesamt 2017, S. 7). Von dem Gesamt der Abschlüsse fielen 428 auf das Höhere Lehramt an Gymnasien und nur 67 auf das Lehramt an Mittelschulen (ebd., S. 8).

Die Zahl der bestandenen Prüfungen für das Lehramt an Grundschulen liegt seit 2013

bei etwa 200, ähnlich konstant ist das Lehramt an Förderschulen (zwischen 60 und 70 Abschlüsse pro Jahr), während die Abschlüsse für das Höhere Lehramt an Berufsschulen steigen, 2016 waren es 100, so viel wie noch nie seit 2000 (ebd., S. 9). Die Studierenden sind hier beträchtlich älter als in den anderen Lehramtsstudiengängen (ebd., S. 12).

Auffällig ist auch die Unterscheidung nach Studienfächern in den beiden Lehrämtern

für die Sekundarstufe. Die meisten Abschlüsse für das Höhere Lehramt an Gymnasien verzeichnen die Fächer Deutsch (117) und Geschichte (104); zusammen mit Englisch (81) sind das fast zwei Drittel aller Abschlüsse. Die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften (Physik und Chemie)) machen etwas mehr als ein Viertel der Abschlüsse aus und liegen nur höher, wenn man die Biologie (12,9%) mit berücksichtigt (ebd., S. 14).

Besonders dramatisch, wenn man die digitale Bildung vor Augen hat, ist die geringe

Zahl von vier jährlichen Abschlüssen im Gymnasialfach Informatik (ebd.). Für das Lehramt an Mittelschulen ist eine ähnliche Verteilung festzustellen, die MINT-Fächer liegen mit einem Drittel der Abschlüsse etwas höher als im Gymnasialbereich, aber die absoluten Zahlen sind viel niedriger. 10 Abschlüsse gab es 2016 im Fach Mathematik und 2 im Fach Informatik (ebd., S. 13).

Auch in der Ausbildung für das Höhere Lehramt an berufsbildenden Schulen gibt es

eine auffällige Ungleichverteilung in den Abschlüssen. Von den 100 bestandenen Staatsprüfungen im Jahr 2016 entfielen ein Drittel (33) auf die Fachrichtung Gesundheit und Pflege. Zieht man die Abschlüsse in Lebensmittel-, Ernährungs- und Hauswirtschaft (13) sowie Sozialpädagogik (23) hinzu, dann entfallen fast 70% aller Abschlüsse auf diese

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Richtungen. Bautechnik, Metall- und Maschinentechnik und Elektrotechnik kommen auf insgesamt 19 Abschlüsse.

Die formalen Voraussetzungen für den Seiteneinstieg in das sächsische Schulsystem orientieren sich an den Vorgaben der Kultusministerkonferenz. Notwendige Voraussetzung ist ein mit einem Master, Magister oder Diplom abgeschlossenes Hochschulstudium an einer Universität, Kunst- oder Fachhochschule. Bewerben kann man sich auch mit einem Bachelor-Abschluss, wenn hinreichende Studienleistungen in einem Unterrichtsfach der gewünschten Schulart nachgewiesen werden können.

Die Qualifizierung für ein Unterrichtsfach wird im Rahmen des Einstellungsverfahrens

geprüft. Danach erfolgt eine Weiterqualifizierung nach Anstellung. Berufsbegleitend werden eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Universität und daran anschließend eine schulpraktische Ausbildung absolviert. Eine weitere Möglichkeit ist ein Seiteneinstieg nur über den Vorbereitungsdienst. Voraussetzung ist ein erfolgreich abgeschlossenes Universitätsstudium in zwei Fächern, denen auch Schulfächer korrespondieren. Eine ähnliche Lösung gilt für die berufsbildenden Schulen oder für die Förderschwerpunkte der Förderschulen.

Bundesweit werden besonders gute Chancen Mathematikern, Ingenieuren oder IT-

Fachleuten eingeräumt. In bestimmten Regionen haben auch Dolmetscher oder Sozialpädagogen mit Berufserfahrung Chancen auf einen Einstieg in den Schuldienst.

Die wissenschaftliche Ausbildung für den Seiteneinstieg wird auch an der TU Dresden

im Rahmen der Weiterbildung angeboten. In dieser vom Staatsministerium für Kultus beauftragten Ausbildung sollen die Bewerber die für den Lehrerberuf erforderlichen pädagogischen, didaktischen und unterrichtsmethodischen Kompetenzen erwerben. Auf diese Weise sollen Akademiker, die sich bislang nicht in Richtung Lehramt orientiert haben, in der Universität für den Schuldienst qualifiziert werden.

Das Angebot reagiert auf die entstandene Situation. Die Kandidaten für einen

Seiteneinstieg verfügen alle über einen Hochschulabschluss, jedoch nicht über eine pädagogisch didaktische Ausbildung. Wenn das erste Fach die Fachanerkennung erhalten hat, folgen zwölf Monate Ausbildung und Vorbereitungsdienst. Bei dem zweiten Fach ist eine viersemestrige Universitätsausbildung vorgesehen, die für viele Kandidaten eine starke Belastung darstellt.

Der Seiteneinstieg wird in vielen Bundesländern als neuer Weg in die Lehrämter

verstanden, ohne als Notlösung angesehen zu werden. Aber es darf keine Situation entstehen, in der auf Dauer gilt: Stellenbesetzung geht vor Ausbildung. Der Seiteneinstieg darf die Qualitätsanforderungen nicht unterlaufen, aber stellt ein Experimentierfeld dar,125 wie sich verschieden Ausbildungsgänge anders als bislang kombinieren lassen.

125 Auch für die Forschung bietet sich „die Chance eines natürlichen Experiments“ (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 435).

98

3.3. Zentren für Lehrerbildung

An so gut wie allen Hochschulen, die mit der Ausbildung von Lehrpersonen

beauftragt sind, existieren inzwischen Zentren für Lehrerbildung. Ausnahmen sind vor allem Kunst- und Musikhochschulen. Die Zentren sind zusammen mit den neu entstehenden Schools of Education die treibende Kraft hinter der Entwicklung der Curricula, der Organisation und Kooperation sowie der Forschung in diesem Bereich.

Das Kompetenznetzwerk QSL in Sachsen geht von folgenden Annahmen aus: „Die Zentren für Lehrerbildung haben als ‚Querstrukturen‘ ein komplexes Aufgabenprofil. Dazu zählen in erster Linie die Sicherung der Qualität der Lehrer/innenbildung sowie die fakultätsübergreifende Koordination der Ausbildung in Zusammenarbeit mit SMK und SMWK sowie nachgeordneten Einrichtungen wie SBI und SBA. Des Weiteren fallen darunter Aufgaben in der Lehrer/innenfort- und Weiterbildung sowie die Koordination der schulpraktischen Ausbildung. Hinzu kommt die Initiierung von Aktivitäten in den Bereichen Lehrer/innen-, Schul- und Bildungsforschung“ (Kompetenznetzwerk 2017, S. 14/15). „Die Lehre rückt an den Hochschulen angesichts schrumpfender Haushalts-

zugunsten von Drittmittelfinanzierung gegenüber der Forschung immer weiter in den Hintergrund … Gleichzeitig stiegen - durch den Bologna-Prozess noch weiter beschleunigt -die Studierendenzahlen in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich, die Studierendenschaft wird immer heterogener, die Prüfungslast steigt für Studierende wie für Lehrende“ (ebd., S. 27).

Die gesetzlichen Grundlagen für die Zentren der Lehrerbildung sind zwischen den Bundesländern sehr unterschiedlich und damit sind auch die Vorgaben für die Kompetenzen dieser Zentren unterschiedlich. Man kann also nicht von einer einheitlichen Organisationsform ausgehen, nicht einmal die Bezeichnungen sind deckungsgleich.

Die Vorgaben des Gesetzgebers sind in Thüringen, im Saarland oder in Rheinland-

Pfalz sehr detailliert, in Bayern genügt ein Satz, in Hamburg werden Zentren für Lehrerbildung im Hochschulgesetz gar nicht erwähnt, während in Berlin das Lehrkräftebildungsgesetz für die wiederum sehr detaillierten Regelungen zuständig ist.

Im Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz wird folgendes geregelt: „Zentrale Einrichtungen können zur fakultätsübergreifenden Kooperation in Lehre und Forschung errichtet werden. In diesem Fall sind ihnen im Benehmen mit dem Senat die benötigten Zuständigkeiten … zu übertragen … Ihre Arbeitsfähigkeit ist durch die Zuordnung eigener Ressourcen abzusichern. Mehrere Hochschulen können gemeinsam Zentrale Einrichtungen errichten und diese einer Hochschule zuordnen. Eine Universität, die Lehramtsstudiengänge anbietet, bildet zu deren Koordinierung eine Zentrale Einrichtung“126

126 Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz vom 15. Januar 2013, § 92, 1..

99

Dort, wo detaillierte Regelungen in das Gesetz aufgenommen wurden, geht es um

sehr ähnliche Kompetenzen, die den Zentren übertragen werden. Ein Beispiel ist das Hochschulgesetz von Rheinland-Pfalz. Dort werden die Aufgaben der Zentren näher beschrieben. Sie bestehen „insbesondere“ darin:

1. Vorschläge zur Studienstruktur, zur Studienreform und deren Umsetzung zu

erarbeiten, 2. bei Studienplänen und Prüfungsordnungen mitzuwirken, 3. bei der Abstimmung der Studienangebote aus den Fachbereichen,

insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Curricularen Standards, sowie bei der Organisation des Lehrbetriebs mitzuwirken,

4. an der Studienberatung zu den lehramtsbezogenen Studiengängen mitzuwirken,

5. an der Entwicklung von Angeboten der wissenschaftlichen Weiterbildung für Lehrkräfte mitzuwirken,

6. schul- und lehramtsbezogene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zu initiieren, zu beraten, zu unterstützen oder durchzuführen,

7. Inhalte und Organisation der lehramtsbezogenen Studiengänge mit der schulpraktischen Ausbildung abzustimmen,

8. an der Besetzung lehramtsbezogener Professuren durch die Abgabe von Stellungnahmen mitzuwirken, wenn die Funktionsbeschreibung der Professur die Wahrnehmung erziehungswissenschaftlicher, bildungswissenschaftlicher oder fachdidaktischer Aufgaben vorsieht.127

Das lässt sich mit den einschlägigen Bestimmungen im Thüringer Hochschulgesetz

vergleichen. Dort heißt es über die Aufgaben der Zentren für Lehrerbildung und

Bildungsforschung:

1. Steuerung und Koordinierung der strukturellen, curricularen, fachbezogenen, fachdidaktischen und erziehungswissenschaftlichen Entwicklung und Umsetzung der Lehrerbildung einschließlich des weiterbildenden Studiums in diesem Bereich sowie deren Verbindung mit der berufspraktischen Ausbildung;

2. Sicherstellung der engen Kooperation von Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik und den an der Lehrerausbildung beteiligten Fächern; 3. Förderung der Verbindung des Lehrangebots der Hochschule im Bereich der

Lehrerbildung mit den anderen Phasen der Lehrerbildung; 4. Evaluation des Lehrangebots der Hochschule im Bereich der Lehrerbildung; 5. Beratung der Studierenden im Bereich der Lehrerbildung; 6. Planung und Koordinierung der schulpraktischen Studien; 7. Beteiligung an Berufungsverfahren zur Besetzung von Hochschullehrerstellen

mit Aufgaben im Bereich der Lehrerbildung; die Einbeziehung von Mitgliedern des Zentrums für Lehrerbildung in die jeweiligen Berufungskommissionen regelt die Berufungsordnung;

127 HochSchG §92.

100

8. Förderung der Forschung über Lehren und Lernen, insbesondere der Schul-, Unterrichts- und Lehrerbildungsforschung sowie Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses in diesen Bereichen in Zusammenarbeit mit den Selbstverwaltungseinheiten.128

Schließlich können noch die Regelungen im Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen angeführt werden:

„Die an der akademischen Phase der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung beteiligten Hochschulen gewährleisten diese Ausbildungsphase in eigener Verantwortung. Die lehrerinnen- und lehrerbildenden Universitäten richten hierzu Zentren für Lehrerbildung als eigenständige Organisationseinheiten mit Entscheidungs-, Steuerungs- und Ressourcenkompetenz ein, die diese in enger Abstimmung mit den in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung tätigen Fachbereichen wahrnehmen. Das Zentrum erfüllt unbeschadet der Gesamtverantwortlichkeit der Hochschule und der Zuständigkeiten der zentralen Hochschulorgane und Gremien für sein Gebiet die Aufgaben der Hochschule. Es trägt dazu bei, die Qualität der Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu sichern. Es initiiert, koordiniert und fördert die Lehrerinnen- und Lehrerbildungsforschung sowie die schul- und unterrichtsbezogene Forschung und betreut insoweit den wissenschaftlichen Nachwuchs. Es nimmt darüber hinaus koordinierende und beratende Funktionen wahr. Es arbeitet eng mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung zusammen.“

Das Nähere zu dieser Organisationseinheit, insbesondere zur Mitgliedschaft, zur

Abstimmung mit den Fachbereichen und zur Zusammenarbeit mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung, regelt die Hochschule durch eine eigene Ordnung. Sie kann auch ein Stimmrecht von Vertreterinnen oder Vertretern der Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung in den Gremien des Zentrums für Lehrerbildung vorsehen.

Die Zusammenarbeit mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung regeln

Hochschule und Zentren durch einen Kooperationsvertrag. Soweit die Hochschule in der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung mit anderen Hochschulen zusammen arbeitet, koordiniert das Zentrum fachlich diese Zusammenarbeit.129

Im Vergleich der gesetzlichen Regelungen der Bundesländer ergeben sich

verschiedene Aspekte, die für den Entwicklung und den Einfluss der Zentren grundlegend sind.

Definition als Organisationseinheit

Berufungen

Praktische Studien

Koordination und Kooperation

Forschung

Phasenübergreifende Aktivitäten

Weiterbildung

Qualitätssicherung und Evaluation 128 ThürHG §37a. 129 NRW HG §30, Absatz 1.

101

Zunächst geht es um den universitären Rang der Zentren, ob sie als eigenständige

Einheiten mit eigener Leitung und Auftrag geführt werden oder nicht. In diesem Zusammenhang ist auch die direkte Zuordnung zur Hochschulleitung und nicht zu Fakultäten oder Fachbereichen von Bedeutung.

Ein zweiter kritischer Punkt ist die Beteiligung an Berufungen soweit die Belange der

Lehrerbildung betroffen sind. Die drei Zentren an den sächsischen Universitäten sind davon praktisch noch ausgenommen, auch wenn dieser Punkt in der Ordnung des ZLSB der TU Dresden bereits im Aufgabenspektrum aufgeführt ist. In anderen Bundesländern hat diese Beteiligung sogar Gesetzesrang und es ist an manchen Orten eine Beteiligung mit Sitz und Stimme, also nicht nur im Sinne einer Beratung oder Stellungnahme.130

Ein dritter Aspekt die Organisation und Leitung der Praktika/schulpraktischen

Studien. In Nordrhein-Westfalen sind die Zuständigkeiten getrennt, weil eigene Zentren für die schulpraktische Ausbildung bestehen, in Sachsen wie in Thüringen ist diese Aufgabe den Zentren für Lehrerbildung zugeordnet. In Thüringen besteht ein Praxissemester. Andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz sprechen in den Gesetzen von der Abstimmung mit der schulpraktischen Ausbildung.

Viertens fragt sich, wie die „Koordination“ und „Kooperation“ zwischen den

verschieden Instanzen umgesetzt wird, die in der ersten Phase am Programm der Lehrerbildung beteiligt sind. Konkret geht es um die Rolle der Zentren beim Zustandekommen des Lehrangebots und der Weiterentwicklung des Curriculums. An der TU Dresden sind die fakultätsübergreifenden Studienkommissionen und Studiendekane dem ZLSB zugeordnet, seit 2011 auch die Studiengangsbetreuung und -entwicklung. Die Erstellung und Weiterentwicklung der Studienordnungen wird über das Zentrum betreut, begleitet und koordiniert.

Ein fünfter Punkt ist die Forschung. An sich ist der Forschungsauftrag der Zentren für

Lehrerbildung unstrittig, die Frage ist, wie weit er gehen soll und was er umfassen kann. Hier sind jeweils Abgrenzungen von den einschlägigen Instituten der Universität notwendig, das heißt, die Zentren müssen eigene Forschungsprofile ausbilden. Dazu gehört neben der Qualifizierung von abgeordneten Lehrkräften auch die Einwerbung von Drittmitteln. In dieser Hinsicht haben von der Qualitätsoffensive Lehrerbildung bundesweit vor allem die Zentren für Lehrerbildung profitiert.

Sechstens geht es um die Verknüpfung der Ausbildungsphasen. Manche

Hochschulgesetze wie das in Thüringen sehen hier eine explizite Aufgabe der Zentren für Lehrerbildung, andere Gesetze oder Verordnungen lassen das offen und sehen darin eher eine Entwicklungsaufgabe, für die die Zentren selbst zuständig sind. Aber ohne Organisation kommen nur zufällige und stark personenabhängige Verknüpfungen zwischen den Phasen zustande. An der TU Dresden gibt es zu diesem Zweck Arbeitskreise und ein Kuratorium. So sind z. B. im Arbeitskreis Fachdidaktik auch Vertreter der Zweiten Phase beteiligt.

Weiterhin ist eine Frage, ob die Zentren wie in Rheinland-Pfalz der Weiterbildung

amtierender Lehrpersonen mitwirken sollen oder nicht. Einen solchen Doppelauftrag in 130 Berufungsordnung der Friedrich-Schiller-Universität Jena, §3, 7.

102

Ausbildung und Weiterbildung kennen etwa auch die Pädagogischen Hochschulen in der Schweiz. In Sachsen besteht ein solcher Auftrag nicht und auch im Bundesvergleich ist das nicht die Regel. Allerdings wirken die an die Zentren abgeordneten Lehrkräfteexplizit auch an der Mentorenqualifizierung mit. Dies dient der Weiterbildung von amtierenden Lehrpersonen. Darüber hinaus wir ein Programm zur berufsbegleitenden Qualifizierung von Lehrkräften und Seiteneinsteigern über das ZLSB angeboten.

Schließlich die Qualitätssicherung: In Thüringen ist die Aufgabe so weit gefasst, dass

das gesamte Lehrangebot einer Hochschule im Bereich der Lehrerbildung von den Zentren evaluiert werden soll. In diese Richtung geht auch das gemeinsame Konzept zum Qualitätsmanagement der Lehrerbildung in Sachsen.

Zur Qualitätssicherung gehören auch verschiede Formate der Beratung für die

Studierenden, die faktisch alle Zentren für Lehrerbildung anbieten. Aber „Beratung“ kann Verschiedenes heißen, die Aufgabe wird unterschiedlich gelöst und eine Frage ist, ob dabei auch die freiwillige Abklärung der Eignung Teil des Angebots ist. Auf der anderen Seite kann mit Beratung auch eine Begleitung durch das Studium gemeint sein, die zur Abklärung der Kompetenzentwicklung genutzt werden könnte.

Für Sachsen liegt ein politischer Vorschlag vor. Die Angeordnete Claudia Maicher

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN anlässlich der Beratungen zum Entwurfs eines Lehrerbildungsgesetzes am 13. Dezember 2017 im Sächsischen Landtag für ihre Fraktion aus:

„Bei den Zentren für Lehrerbildung haben wir die entscheidende Stellung der Zentren bei der Studienplanung noch einmal geschärft und klarer herausgearbeitet, dass sie außerdem für die Bildungsforschung und die Qualitätssicherung zuständig sind“. Das entspricht dem jetzigen Zustand. „Wenn die Zentren zur zentralen

Koordinierungsstelle der Lehramtsausbildung werden sollen“, sei außerdem wichtig, dass sie auch in den Gremien vertreten sind. Dort würden Entscheidungen über Studiendokumente und Professorenberufungen gefällt oder zumindest beraten. Deshalb sieht der Entwurf vor, dass die Zentren in den akademischen Senaten und Fakultätsräten „einen beratenden Sitz erhalten“.131

Das sehen Gesetze anderer Bundesländern vor und lässt sich mit der Frage

verbinden, ob die Zentren nur in den Gremien oder auch in den einschlägigen Berufungskommissionen vertreten sein sollten.

131 http://www.claudia-maicher.de/lehramtsausbildung-%E2%88%92-dieser-gesetzesentwurf-bringt-lehramtsstudium-auf-die-hoehe-der-zeit/

103

IV. Entwicklungsstrategien

1. Stärkung der universitären Lehrerbildung

Oft wurde die Geschichte der deutschen Lehrerbildung mit nostalgischen Augen betrachtet, vor allem dann, wenn es Wechsel der Organisation gegeben hat und so auch Lehrkräfte, die unterschiedlich ausgebildet wurden. Aber es gibt keinen Weg zurück zu einer Ausbildung, die früher angeblich „besser“ gewesen ist, weil sie über mehr „Praxisnähe“ verfügt hat. Wenn, dann ist die Geschichte wie ein Ideenreservoir zu betrachten, das unter je neuen Umständen neuen Gehalt finden kann.

Klar ist eigentlich auch seit langem, genauer: seit John Deweys (1904) Aufsatz über das Verhältnis von „Theorie“ und „Praxis“, dass eine einfache Ausweitung von Praxisanteilen nicht zwingend zu einer Verbesserung des professionellen Wissens und Könnens bei den Studierenden führen wird.

In der bildungspolitischen Diskussion spielt der Ruf nach „mehr Praxis“ im Studium bis heute eine bedeutende Rolle, wobei fast immer übersehen wird, dass die deutsche Lehrerbildung mit den heutigen schulpraktischen Studien und dem anschließenden Referendariat über mehr praktische Ausbildungsanteile verfügt als jemals zuvor in ihrer Geschichte.

Das Problem ist eher, die im internationalen Vergleich „einzigartige“ Struktur und Philosophie der Ausbildung (Herzmann/König 2016, S. 164) nach innen wie nach außen verständlich zu machen und angemessen zu kommunizieren. Gegenüber den früheren Formen ist die Ausbildung vielfältig und komplex, aber das wird selten als Gewinn verstanden. Ein Grund sind auch falsche oder übertriebene Erwartungen an die Ausbildung, besonders in den Bildungswissenschaften, von denen verlangt wird, was sie nicht leisten können (Cramer 2012, S. 524).

Im Urteil von angehenden Lehrkräften sowie im Rückblick von berufstätigen Lehrkräften findet sich nicht selten die Kritik, „dass die theoriebeladene Erstausbildung an Universitäten bzw. Pädagogischen Hochschulen nur wenig mit der Praxis zu tun habe und somit nicht sinnvoll auf den Lehrerberuf vorbereite“ (Herzmann/König 2016, S. 156).

Häufig wird auch von einem „Bruch“ zwischen akademischer Lehre und

schulpraktischen Erfahrungen berichtet. Lehramtsstudierenden fällt es offenbar schwer, „ihr im Rahmen von universitären Veranstaltungen erworbenes Wissen mit den schulpraktischen Erfahrungen zu verknüpfen“ (ebd., S. 156/157).

Möglicherweise deutet die vieldiskutierte Kluft zwischen Studium und Lehrerberuf

aber auch auf eine „Überschätzung der universitären Lehrerbildung hin“. Versteht man Lehrerbildung als längerfristiges berufsbiografisches Entwicklungserfordernis, dann „kann sicherlich nicht davon ausgegangen werden, dass bereits im Studium und damit bereits zu

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Beginn umfassende berufsbezogene Handlungskompetenzen erworben werden können“ (ebd. S. 157).

Soweit ich sehe, wird in der Ausbildung aber bislang kaum zum Thema gemacht, was

sie leisten kann und was nicht. Die Überzeugungen der Studierenden bilden sich unabhängig davon und werden eher hingenommen als bearbeitet. Dabei wäre die entscheidende Frage, wie sich die Studierenden darauf einstellen, was sie mit Blick auf ihr Studienziel lernen können und was nicht.

In einer Leipziger Interviewstudie zur Lehrerausbildung noch im alten Modell der Bologna-Organisation hat Romy Schroeter (2014) Studierende befragt, was in Bezug auf ihre Ausbildung zentrale Überzeugungen sind. Die Überzeugungen wurden in fünf verschiedenen Bereichen näher untersucht:

Überzeugungen der Studierenden zum idealen Studium

Das Begriffsverständnis von „Theorie“ und „Praxis“

Überzeugungen zur „guten Lehrkraft“

Überzeugungen zu Entwicklungswegen hin zur „guten“ Lehrkraft

Aufgaben und Herausforderungen im Lehrerberuf

Befragt wurden drei verschiedene Gruppen, nämlich Studierende zu Beginn des Studiums, Studierende im höheren Semester des polyvalenten Bachelor-Studiengangs sowie Studierende in einem schulspezifischen Masterstudiengang.

Dass Überzeugungen eine zentrale Rolle spielen für die Erwartungen an ein

Lehramtsstudium, ist seit längerem bekannt. Schroeters Studie untersucht den Differenzierungsgrad dieser Überzeugungen, etwa mit Blick auf das Begriffsverständnis von „Theorie“ und „Praxis“. Auf die „Theorie-Praxis-Lücke“ ist in der einschlägigen Literatur immer wieder hingewiesen worden und sie bestimmt offenbar auch die Kommunikation unter den Studierenden. Was genau diese „Lücke“ ausmacht und wie die Konzepte verwendet werden, ist dagegen kaum untersucht worden (ebd., S. 193).

Tatsächlich verwenden die Studierenden den Ausdruck „Theorie“ vielfältig und in

Abhängigkeit davon, was sie in den Lehrveranstaltungen erleben. Die Interviewten bezeichnen reines Wissen als „Theorie“, aber Theorie ist auch das, was am Ende für die Prüfung gelernt wird. „Wissen“ ist schließlich das, was man bewusst gelehrt bekommt.132

Unterschieden wird Wissen mit und ohne Berufsfeldbezug. Ein Wissen ohne

Berufsfeldbezug wird immer als „Theorie“ bezeichnet, Wissen mit Berufsfeldbezug bezeichnet Wissensinhalte, die Schule, Unterricht oder den Umgang mit Schülern thematisieren (ebd., S. 198). Diese Art Wissen wird weder eindeutig als Theorie noch eindeutig als Praxis verstanden. „Das bedeutet, dass gerade an einer entscheidenden 132 Unterschiede ergeben sich zwischen den einzelnen Gruppen. Studierende in den Master-Studiengängen benennen auch Funktionen von Wissen. „Sie sehen Wissen als Orientierung, Fundament oder Grundstein für die Praxis. Dabei muss das Wissen vor dem Handeln in der Praxis vorhanden sein.“ Aus der Sicht dieser Studierenden kann man „nicht einfach drauf los Lehrer sein“. Andere Studierende dieser Gruppe sehen Theorie weniger als Grundlage für ihr Handeln, sondern vielmehr als eine Beschreibungsform (Schroeter 2014, S. 196).

105

Schnittstelle von Theorie und Praxis und der dazu gehörigen Diskussion die Einschätzung dessen, in wieweit Praxisbezug im Studium hergestellt wird, maßgeblich vom individuellen Begriffsverständnis der Befragten abhängig ist (ebd., S. 198/199).

In dieser Hinsicht besteht zwischen den Studienanfängern und den Master-

Studierenden kaum ein Unterschied. Für die Anfänger ist die Anwendung von Fällen oder die Analyse von Beispielen aus der Schule eine praxisnahe Studienerfahrung, „die wirkliche Praxis wäre für sie aber die Anwendung“. Die Master-Studierenden verstehen fachdidaktische oder bildungswissenschaftliche Theorien als Beschreibung der Praxis, wobei auch für sie für die Praxis besonders wichtig ist, was aus der Praxis kommt (ebd., S. 199).

„Praxis“ ist in der Vorstellung der Studierenden ein feststehender Ort oder, wie es in

der Studie heißt, eine „Existenzvermutung“ (ebd., S. 23). Das Gleiche gilt für die Konstruktion „Theorie“. Es gibt außerhalb des Studiums so etwas wie Praxis und die hat die Macht, etwa die Entwicklung oder Optimierung bestimmter berufsrelevanter Fähigkeiten zu fördern. Theorie dagegen stellt vorrangig Wissen bereit (ebd., S. 212).

Angebote und Erfahrungen in der Lehrerbildung „werden vor allem dann als Theorie

bezeichnet, wenn sie durch Dritte vermitteltes Wissen repräsentieren, das in irgendeiner Weise aufgenommen, aber nicht handelnd umgesetzt werden muss bzw. kann und wenn dieses Wissen einen hohen Allgemeinheitsgrad besitzt“. Praxis dagegen ist aktives Handeln im Berufsfeld und das heißt „in der konkreten Auseinandersetzung mit Schülerinnen und Schülern“ (ebd., S. 213).

Die Anwendbarkeit des Wissens ist ein wichtiges Kriterium innerhalb des

wissenschaftlichen Diskurses um den Wert von Inhalten der Lehrerbildung. Für die Studierenden scheint dieser Wert davon abhängig zu sein, „in wieweit das Erleben konkreter Situationen für die Ermöglichung eines Wissenstransfers als unabdinglich bewertet wird oder ob die abstrahierte Situation aussagekräftig genug ist, solange sie sich nur auf Schule bezieht“. Aus solchen Befunden lässt sich schließen, dass die Studierenden ein „zwiespältiges, ambigues Verhältnis zu den Lehrangeboten im Studium“ haben (ebd., S. 214).

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei den Überzeugungen, was aus

Sicht der Studierenden eine „gute Lehrkraft“ ausmacht, in keiner der Äusserungen der Befragten „eine akzentuierte Schülerorientierung“ gefunden werden konnte (ebd., S. 229). Dominant ist die Vorstellung von Lehrerinnen und Lehrern als den Hauptverantwortlichen für das Lernen der Schülerinnen und Schülern, wobei diese Einstellung zum Teil von einem Wunsch nach mehr selbstorganisiertem Lernen begleitet wird (ebd.). Bei den Beschreibungen der Eigenschaften „guter Lehrkräfte“ finden sich Ansprüche an den Selbstwert ebenso wie Charakter- und Persönlichkeitseigenschaften.

Die meisten der genannten Eigenschaften dienen dazu, „das Verhalten und das

Verhältnis gegenüber Schülerinnen und Schülern positiv zu gestalten“ (ebd., S. 249). Daneben werden auch Eigenschaften betont, die sich auf die Behauptung im Beruf beziehen und auf die Vermittlung von Wissen im Unterricht. Allerdings scheint es auch so zu sein, dass „der ‚richtige’ Umgang mit Kindern und Jugendlichen durchaus ein eigenständiges Ziel darstellt“ (ebd.).

106

Die Überzeugungen der Studierenden dienen der Interpretation von Studienerfahrungen, aber weder bestimmen sie das Curriculum noch den vorgesehenen Aufbau von Wissen im Studium. Die „Theorie-Praxis-Lücke“ ist also ein Phänomen der Wahrnehmung und wird motiviert durch die Diskrepanz zwischen den Erwartungen an das Studium und den tatsächlichen Erfahrungen. Über den Wissenstransfer im Studium sagt die Lücke aber nichts aus.

Das wird deutlich in der LEK-Studie,133 die den Erwerb pädagogischen

Professionswissens im Lehramtsstudium in einem Längsschnitt untersucht hat. Die Studie befragte Studierende an vier deutschen Universitäten, der Universität zu Köln, der Universität Paderborn, der Universität Erfurt und der Universität Passau.

Zielgruppe der Untersuchung waren sämtliche Studierende, die an einer der

Universitäten im Wintersemester 2008/2009 ein Lehramtsstudium begonnen haben. Im Rahmen der Studie wurden zwei Befragungen bzw. Testungen an dieser Zielgruppe durchgeführt. Der erste Zeitpunkt war datiert auf den Zeitraum zwischen Dezember 2008 und Januar 2009. Der zweite Zeitpunkt fand am Ende der Vorlesungszeit des Sommersemesters 2010 im Zeitraum zwischen Juni und Juli 2010 statt (König/Seifert 2012, S. 17).

Das zentrale Ergebnis der Studie geht dahin, dass in vier inhaltsbezogenen Skalen, die

an beruflichen Herausforderungen ausgerichtet sind, deutliche, aber auch unterschiedliche Zuwächse des Wissens zu verzeichnen sind.134 Im Bereich des Umgangs mit Heterogenität und der Strukturierung von Unterricht, als den Skalen der allgemeinen Didaktik, „liegt der jeweilige Mittelwert der Kohorte im 4. Semester deutlich über dem 75. Perzentil der Kohorte im 1. Semester“. Im Bereich der Leistungsbeurteilung als eine der beiden Subskalen der Pädagogischen Psychologie ist das knapp der Fall, während im Bereich Klassenführung und Motivierung „der Mittelwert der Viertsemester-Kohorte unterhalb des 75. Perzentils der Erstsemester-Kohorte liegt“ (ebd., S. 170).

In den Teilbereichen pädagogischen Unterrichtswissens können zwar überall, jedoch

„unterschiedlich starke Wissensentwicklungen vermutet werden“ (ebd., S. 171). Dabei müssen aber Unterschiede im Ausbildungsangebot in Rechnung gestellt werden. Bestimmte Ausbildungsangebote sind im Lehrangebot der einen Universität stärker präsent und werden umfangreicher studiert als an einem anderen Standort (ebd., S. 253). Von größerer Bedeutung jedoch erscheint die Frage, „welche Qualität mit dem jeweiligen Lehrangebot an den einzelnen Standorten einhergeht“.

Umgang mit Heterogenität etwa kann an dem einen Standort „unter weitgehend

anderen Gesichtspunkten gelehrt und studiert werden als an einem anderen“ (ebd., S. 253/254). Unterschiedlich ist auch die Orientierung an den bildungswissenschaftlichen Standards der KMK. Die erziehungswissenschaftlichen Angebote an der Universität Paderborn orientierten sich zum Erhebungszeitpunkt am stärksten an diesen Standards (ebd., S. 255).

133 Längsschnittliche Erhebung pädagogischer Kompetenzen von Lehramtsstudierenden (LEK). 134 Siehe auch König (2014).

107

Von Interesse sind auch die Beurteilungen der Praktika, die im Studium zu absolvieren sind. Vier von fünf der Befragten hatten ihr erziehungswissenschaftlich begleitetes Schulpraktikum bereits absolviert. Bezogen auf die Standorte zeigen sich jedoch große Unterschiede. Hinsichtlich der unterrichtsbezogenen Tätigkeiten gehört das Hospitieren im Unterricht standortübergreifend zu den Kernaufgaben der Studierenden. Die Standorte unterscheiden sich darin, ob die Studierenden auch eigenen Unterricht hielten. „Paderborn und Passau sind hier führend, da praktisch alle Studierenden dieser beiden Universitäten in ihrem Praktikum auch eigene Unterrichtsversuche durchführten“ (ebd., S. 114).

Die von den Studierenden berichteten Tätigkeiten im Praktikum „legen die Annahme

nahe, dass die Studierenden eher unter- als überfordert sind“. „Anspruchsvolle Aufgaben werden ihnen also nur selten übertragen“ und gegebenenfalls „müssen sie sich diese sogar selbst stellen“, „möglicherweise weil sie die konkreten Anregungen und Unterstützungsleistungen von den Beteiligten aus der Praxis, nicht aber aus der Universität erhalten“.

Positiv zu bewerten ist dagegen, „dass ein beträchtlicher Teil der Studierenden in

ihrem erziehungswissenschaftlich begleiteten Praktikum auch eigenen Unterricht hält, was sich - sofern vorgesehen - auch in einer deutlichen Anerkennung in Form der Beurteilung durch die Studierenden niederschlägt … Vor diesem Hintergrund wäre zu fragen, ob das hier fokussierte Schulpraktikum möglicherweise eher die Funktion übernimmt, die angehenden Lehrkräfte beruflich zu sozialisieren als dass es dazu beinträgt, den Erwartungen an eine wissenschaftliche Lehrerausbildung angemessen nachzukommen“ (ebd., S. 116/117).

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Bach (2013, S. 208): Kompetenzentwicklung

in schulpraktischen Studien findet statt, allerdings müssen von der Ausbildung her gesehen auch „unerwünschte und nicht einfach zu vermeidende Lernwirkungen“ in Rechnung gestellt werden, etwa „die kaum theoriebezogene Auseinandersetzung mit den Praxiserfahrungen und die unreflektierte Adaption unerwünschter Handlungsmuster“.

Das sind Befunde, die vermutlich nicht der Struktur der Ausbildung geschuldet sind,

sondern der Qualität der Lerngelegenheiten. Die Qualität der schulpraktischen Studien an den sächsischen Hochschulen wird durch abgeordnete Lehrkräften gewährleistet, durch Vor- und Nachbereitung, einen engen Verbund mit den Ausbildungsmodulen und durch verbindliche Praktikumsberichte.

Die schulpraktischen Studien sind für den weiteren Weg in der Lehrerbildung zentrale

Erfahrungen, die nicht ersetzbar sind. Die Forschung zeigt klar, „wie stark die pädagogischen Orientierungen und Unterrichtsskripts mit der Berufsbiographie und der gesamten Lebensgeschichte von Lehrkräften verwoben ist“ (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 235; siehe auch Herfter 2014).

Aber die zentrale Stärke der wissenschaftlichen Lehrerbildung ist das Fachstudium. Aus der vergleichenden Lehrerbildungsforschung ist bekannt, dass für qualitativ hochstehenden Unterricht ein Professionswissen ausschlaggebend ist, das sich neben den pädagogischen Anteilen vor allem aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik zusammensetzt. Verlangt wird dafür eine akademische Ausbildung. Deshalb kann es auch in Deutschland nur

108

darum gehen, die universitäre Lehrerbildung zu stärken und nicht zu Lösungen zu greifen, die den Vorteil längerer und anspruchsvoller Studien aufs Spiel setzen.

Wer in der deutschen Lehrerausbildung Mathematik als Unterrichtsfach studiert, kann nach den Daten der TEDS-M-Studie135 im internationalen Vergleich „sehr gut“ mithalten. Das gilt für Grundschullehrkräfte ebenso wie für die Lehrkräfte in der Sekundarstufe I und besonders für angehende Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer. Wer dagegen das schulische Fach unterrichtet, ohne das wissenschaftliche Fach studiert zu haben, liegt deutlich unter dem internationalen Mittelwert (Blömeke 2011, S. 16/17).136

Im Ländervergleich werden mit Blick auf die Qualität der Ausbildung Spitzenreiter (overachiever) und Schlusslichter (underachiever) sichtbar. Zu den Spitzenreitern gehören Russland, Taiwan und Thailand, zu den Schlusslichtern Norwegen, die USA und Chile (ebd., S. 19). Die Unterschiede verweisen deutlich auf Merkmale des Ausbildungssystems, die sich danach klassifizieren lassen, ob sie sich bezogen auf den Erwerb von unterrichtlichen Kompetenzen als hinderlich oder förderlich erweisen (ebd., S. 27).

In den drei Ländern, die zur Gruppe der Underachiever gehören, ist der Umfang der Fachausbildung begrenzt und die Gesamtdauer des Studiums erheblich kürzer als in den Ländern der Spitzengruppe. In Norwegen und Chile werden bis in die Sekundarstufe I hinein Klassenlehrkräfte ausgebildet, also nicht primär Fachlehrer. In Norwegen wird den Studierenden in einer stark praxisorientierten Ausbildung auch überlassen, in welchem Fach sie sich spezialisieren wollen. Im dritten und vierten Studienjahr müssen die angehenden Lehrkräfte in zwei Fächern Schwerpunkte setzen, darunter auch Mathematik, „wofür sich allerdings nur eine Minderheit entschied“ (ebd., S. 24). In der Schule müssen sie das Fach aber unterrichten können.

In den USA genügt in der Regel ein Minor in Mathematik, um eine Lizenz für den Mathematikunterricht in der Sekundarstufe I zu erhalten. Es gibt aber auch Bundesstaaten, vor allem im Süden, in denen noch nicht einmal diese Anforderung besteht (ebd., S. 28). Daher ist nicht erstaunlich, dass in amerikanischen Reformdiskussionen immer die Forderung nach Lehrern, Schulleitern und Superintendenten auftaucht, die sich über ihre Profession und so ihre Ausbildung definieren, nicht einfach gemäss ihrer Anstellung (Ravitch 2014, S. 274-277).

Weniger entscheidend für die Qualität der Ausbildung scheint dagegen zu sein, ob die Ausbildung an einer Pädagogischen Hochschule oder Universität stattfindet oder ob sie grundständig oder konsekutiv angeboten wird, solange damit keine Unterschiede in den gebotenen Lerngelegenheiten verbunden sind. „Nur wenn sich Unterschiede in diesen zeigen, wie dies in manchen Ländern der Fall ist, wenn ein professionsspezifischer Master auf einem fachbezogenen Ein-Fach-Bachelor aufbaut, sind auch Unterschiede in der professionellen Kompetenz festzustellen“.

„Was also zentral ist, ist der Umfang an gebotenen Lerngelegenheiten“. Die

gebotenen Lerngelegenheiten in fachlicher Hinsicht stellen „einen bedeutsamen Kern des Wirkungszusammenhang“ der Lehrerbildung dar (ebd., S. 29/30), was sicher nicht nur für die 135 Teacher Education and Development Study in Mathematics. 136 Ausführlich auch Blömeke (2014).

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Ausbildung von Mathematiklehrkräfte gilt. Und die Befunde des internationalen Vergleichs hätten Konsequenzen für bestimmte Merkmale der Lehrbildung in Deutschland:

unterschiedliche Längen der verschiedenen Sekundarstufen-I-Ausbildungen für die verschiedenen Schulformen,

die Zwei-Fach-Sekundarstufenausbildung generell

oder eine Grundschullehrerausbildung, die nur für eine Minderheit an angehenden Lehrkräften eine vertiefte Fachausbildung in schulischen Kernfächern verpflichtend sichert (ebd., S. 30).

Alle drei Overachiever und so die besten Lehrerbildungssysteme bilden für die beiden

Sekundarstufen Ein-Fach-Lehrer aus.137 Dabei handelt es sich um keine Notlösungen, sondern um eine Strategie der Qualitätssicherung. Zwei- oder Mehrfachausbildungen in der Sekundarstufe sind unbekannt oder sollen in Zukunft abgebaut werden.

In Deutschland dominiert die Zweifach-Ausbildung, in der Schweiz werden für die

Sekundarstufe I sogar vier Fächer verlangt, während an den Gymnasien auch Ein-Fach-Lehrer ausgebildet und beschäftigt werden können. Die Bedingung für die dauerhafte Anstellung ist ein Masterabschluss und ein Lehrdiplom, das - auch berufsbegleitend - 138 an Universitäten (Zürich) oder Pädagogischen Hochschulen (Bern) erworben werden kann.

Natürlich sind die Ausbildungssysteme in Taiwan oder in Russland schon aus Gründen

der kulturellen Unterschiede mit Blick auf die Grundüberzeugungen von Erziehung und Bildung nur begrenzt vergleichbar mit Ländern im deutschen Sprachraum.

Der Vergleich zeigt aber den Vorrang der Fachlichkeit in der Lehrerbildung, die

Notwendigkeit der Systemsteuerung, hohe Standards und die Verankerung der wissenschaftlichen Lehrerbildung im Berufsfeld. Offenbar sind das Erfolgsfaktoren, die sich entwickeln lassen, aber denen nicht zu folgen, die Qualität gefährden würde.

2. Digitalisierung für Schule und Lehrerbildung

Das Thema Digitalisierung der Bildung hat erst in den letzten beiden Jahren an

Dringlichkeit gewonnen und scheint mittlerweile zu einer unbestreitbaren bildungspolitischen Priorität geworden zu sein. Die deutsche Kanzlerin sagte am 24. Januar 2018 auf dem WEF in Davos, dass die Aufgabe für die nächste deutsche Regierung auch und 137 In Taiwan werden für die Primarstufe (Klasse 1 bis 6) Generalisten ausbildet, danach (Klasse 7 bis 12) Lehrer für nur ein Fach (Blömeke 2011, S. 22). In der thailändischen Lehrerbildung gibt es keine Unterscheidung nach Stufen. Alle Lehrkräfte werden „auf einen Einsatz in den Klassen 1 bis 12 vorbereitet“. Für Mathematik werden nur noch Ein-Fach-Lehrer ausgebildet, „was mittelfristig auch das Ziel für die übrigen Fächer darstellt“ (ebd., S. 23). In Russland werden für die Primarschulen (1. bis 4. Klasse) Klassenlehrkräfte ausgebildet, für die Sekundarstufen dagegen Ein-Fach-Lehrer (ebd., S. 23/24). In der Primarlehrerausbildung hat die Mathematik „traditionell eine relativ starke Stellung“ (ebd., S. 23). 138 Lehrpersonen können auch ohne Diplom beschäftigt werden, erhalten aber keine unbefristete Anstellung.

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primär darin bestehe, „Digitalisierung in unser Bildungssystem zu bringen.139 Sie sagte nicht, was das genau heißen soll, sondern verwies, wie viele, die heute aufgefordert sind, „Digitalisierung der Bildung“ näher zu beschreiben, auf das Beispiel Estland.

Schon zuvor hat sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung in dem

Positionspapier Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft (Oktober 2016) wie folgt geäussert:

„Das Lehren und Lernen mit digitalen Medien unterscheidet sich erheblich von traditionellen Lernformen: Digital gestützte Bildungsangebote bieten die Chance, flexibel zeit- und ortsunabhängig zu lernen. Die Möglichkeiten der Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden, aber auch der Lernenden untereinander (kollaboratives Lernen) sind viel größer. Die Inhalte digitaler Medien können - digitale Kompetenz der Lehrenden und entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen vorausgesetzt - laufend an die individuellen Bedürfnisse der Lernenden angepasst werden. Individualisierte, digital gestützte Lernformen und -strategien ermöglichen schnelles Feedback und gezielte individuelle Förderung bei gemeinsamen Lernzielen. Sie tragen damit auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit bei“ (Bildungsoffensive 2016, S. 10). In den Medien ist inzwischen von einem „Verzwergungsprogramm der alten

Pädagogik“ die Rede,140 weil die Möglichkeiten der neuen Lerntechnologien nicht gesehen oder nicht ernst genommen werden. Ein kommender Technologiesprung wird dem System der „Blockchains“ gegeben sein , also einer virtuellen Infrastruktur zum Selbstmanagement, die von alternativen Währungen und Zahlungssystemen über intelligente Verträge, Buchführung, persönliche Dokumentation bis hin zum E-Voting und der Prognose der Finanzen reicht.141

Blockchains, die mit der Alternativwährung Bitcoins entwickelt wurden, werden

inzwischen vom World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen zur Erleichterung des Zahlungsverkehrs eingesetzt und werden auch für den Bildungsbereich zunehmend propagiert. Was man lernt, wird auf einem Konto festgehalten und in „edublocks“ dokumentiert,142 wobei „Lernen“ formell wie informell erfolgen kann. Mit dem Konto ist man überall kreditwürdig, wo Lernen angeboten wird, man kann selbst wählen und Schulen wären dann ein Anbieter unter vielen.

Doch einfach nur Big Data zu folgen, ist gesellschaftlich gesehen auch gefährlich, wie

die amerikanische Mathematikerin Cathy O’Neil (2016) gezeigt hat. Sie weist nach, dass die Steuerung durch Algorithmen auf mathematischen Modellen basiert, die undurchsichtig, unreguliert und doch unanfechtbar sind, auch dann, wenn sie sich als falsch herausstellen. Ihre Entscheidungen können in den Worten von O‘Neil auch „weapons of math destruction“ sein. Sie bewerten in den Vereinigten Staaten Leistungen von Lehrern und Schülern, 139 https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2018/01/2018-01-24-rede-merkel-davos.html 140 Neue Zürcher Zeitung Nr. 228 vom 2. Oktober 2017, S. 8. 141 Ebd. 142 http://hackeducation.com/2016/04/07/blockchain-education-guide

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gewähren oder verweigern Darlehen, evaluieren die Arbeit, überwachen die Gesundheit, beeinflussen die Bewährung von Straftätern und - nicht zuletzt - beeinflussen Wähler.143

Ein ähnliches, aber anders gewichtetes Bild zeichnet der englische Pädagoge Ben

Williamson (2017) von der University of Sterling. Gesellschaftliche Bildung, so die These des Buches, steht heute an einer Schlüsselstelle ihrer weiteren Entwicklung. Big data und algorithmische Verfahren der systematischen Auswertung von großen Datenmengen (data mining) haben stark zugenommen und gewinnen an Glaubwürdigkeit im Feld.

Williamson stellt dar, dass und wie Datenanalysen verwendet werden, um die

Bildungspolitik zu verändern, einhergehend mit dem schnellen Wachstum einer Bildungsdatenwissenschaft. Weiter wird gezeigt, dass und wie psychologische Lernsoftware die Emotionen der Lernenden lenken. Zudem entstehen gehirnbasierte Neurotechnologien, die in der Bildung angewendet werden sollen. Schließlich werden die Studierenden selber zu Experten und lernen, wie mit Datenanalysen umzugehen ist.144

In der deutschen Schule kann es nur darum gehen, wie die neuen Technologien

nutzbar gemacht werden können, ohne den staatlichen Bildungsauftrag zu gefährden. Auf dieser Linie argumentiert auch das Gutachten des bayerischen Aktionsrates Bildung (2018), das für eine „digitale Souveränität“ der Bildung plädiert.

Für die Sicherung der Qualität des Unterrichts haben immer die Schulen selbst

gesorgt, wenn man an die beiden zentralen Probleme denkt, die sie fortlaufend bearbeiten müssen, nämlich Versorgung in der Breite bei Erhalt der Fachlichkeit und die Sicherung eines möglichst hohen Minimums für alle. Die neuen Medien müssen sich dabei als nützlich erweisen.

Es bleibt abzuwarten, wie weit das zu „mehr Bildungsgerechtigkeit“ führen kann.

Vorteile oder Nachteile der Herkunft verschwinden nicht einfach dadurch, dass das Klassenzimmer digitalisiert wird. Auch die estländische „e-school and studium“ sorgt nur für bessere Zusammenarbeit und effektivere Organisation des Lehrens und Lernens sowie für angemessenen Datenaustausch.145

Es gibt auch viel radikalere Ideen und Projekte, nämlich den Aufbau von „global

learning communities“ in digitalen und individuell gesteuerten Lernumgebungen, die die festen Standorte in Frage stellen und gleichzeitig mit höheren Ansprüchen sowie unmittelbar wirksamen Lernkontrollen verbunden sind. „Technology will make education better, but not easier“ (Carey 2016, S. 248).

Die Bundesregierung beabsichtigt, ab dem Jahr 2018 die Bundesländer mit fünf

Milliarden Euro beim Ausbau der digitalen Bildung in den Schulen zu unterstützen.146 Die Finanzierung des „Digitalpaktes“ für die Jahre 2018 bis 2022 ist Teil der Vereinbarungen der 143 Hirsch (2015). 144 Siehe auch seinen Vortrag „Imagineries and Materalities of Education Data Science“ (Alborg University, March 23rd 2017). https://codeactsineducation.wordpress.com/2017/03/27/imaginaries-and-materialities-of-education-data-science/ 145 https://e-estonia.com/solutions/education/e-school/ 146 https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2016/11/2016-11-15-it-gipfel-saarbruecken.html

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Großen Koalition und war schon während der Sondierungsgespräche zu der Jamaika-Koalition nicht strittig.

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD wird für die allgemeinbildenden

Schulen von einem gemeinsamen „Digitalpakt Schule“ gesprochen, der dafür sorgen soll, „dass die Schüler in allen Fächern und Lernbereichen eine digitale Lernumgebung nutzen können, um die notwendigen Kompetenzen in der digitalen Welt tu erwerben“ (Ein neuer Aufbruch 2018, S. 28). Bund, Länder und Schulträger werden „gemeinsam die erforderliche Infrastruktur und die für digitales Lernen erforderlichen Technologien aufbauen“ (ebd., S. 28/29).

Ausgangspunkte für die Realisierung des Digitalpaktes sind die digitalen

Bildungsstrategien von Bund und Ländern sowie „der bereits vorliegende Eckpunkteentwurf einer Bund-Länder-Vereinbarung“. Gesagt wird weiterhin, dass in diesem Zusammenhang „auch eine gemeinsame Cloud-Lösung für Schulen“ geschaffen werden soll. Für diese Aufgaben stellt der Bund „fünf Milliarden Euro in fünf Jahren zur Verfügung, davon 3,5 Milliarden für diese Legislaturperiode, die die Länder- und Kommunalinvestitionen ergänzen, nicht ersetzen“ (ebd., S. 29).

Es geht um die Ausrüstung aller deutschen Schulen mit schnellem Internet und einer

zeitgemässen IT-Ausstattung.147 Die Industrie geht davon aus, dass mit den Cloud-Lösungen eine Lernumgebung geboten wird, „die stets auf dem aktuellsten inhaltlichen Stand ist. Niemand ist mehr gezwungen, Software zu installieren; sämtliche Programme für die Lernenden werden über das Internet zur Verfügung gestellt. Private Nutzer/ -innen und Bildungseinrichtungen brauchen nur noch einfache Anzeige- und Eingabegeräte (z. B. Monitor, Smartphone, Tablet, Tastatur) sowie eine breitbandige Internetverbindung“ (Nationaler IT-Gipfel 2016, S. 6).

Auf dieser Linie forderte die neue Bundesministerin für Forschung und Bildung, Anja

Karliczek, einen veritablen Umbau der allgemeinbildenden Schulen und den digitalen Wandel des Unterrichts, also eine weitergehende Veränderung des bisherigen Berufsfeldes einhergehend mit einer Individualisierung des Lernens, einer „bundesweiten Schulcloud“ und dem Ende des isolierten Fachunterrichts (Die Zeit Nr. 14 vom 28. März 2018, S. 73).

Die Finanzierung aus dem „Digitalpakt“ bezieht sich auf die Schulen, aber es ist

deutlich auch von der Lehrerbildung die Rede. Wieweit die Mittel aus dem Digitalpakt dorthin wirklich fließen werden, ist nicht klar, wird aber mit dem folgenden Absatz nahegelegt:

„Die Vergabe der Bundesmittel wird an einvernehmlich mit den Ländern vereinbarte Bedingungen gebunden, insbesondere werden die Länder die erforderliche Qualifikation der Lehrkräfte sicherstellen, die Bildungs- und Lehrpläne aller Bildungsgänge im Sinne des Kompetenzrahmens der Kultusministerkonferenz (einschließlich Medienkompetenz) überprüfen und weiterentwickeln sowie dafür Sorge tragen, dass Betrieb, Wartung und Interoperabilität der Infrastrukturen durch die Antragsteller sichergestellt werden“ (Ein neuer Aufbruch 2018, S. 29).

147 Neue Zürcher Zeitung Nr. 28 vom 3. Februar 2018, S. 3.

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Mit der Digitalisierung ist nicht nur ein politischer Wille verbunden, dahinter stehen auch Interessengruppen wie etwa der „Digitale Bildungspakt“.148 IT-Firmen entwickeln Angebote für die Schulen und sichern sich dadurch Marktanteile. Die Entwicklung ist bereits in vollem Gange. Das Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme unterhält eine eigene Bildungsinitiative, die „Roberta“ genannt wird. Dort sind bislang über1.500 Lehrer und rund 400.000 Schüler ausgebildet worden, die in Kursen lernen, wie man einen komplizierten Lego-Technic-Roboter aufbauen und ihn mit einer Open-Space-Software programmieren kann.149

„Coding for tomorrow“ heißt ein „Hub für digitale Bildung“, der von der Vodafone-

Stiftung 2017 in Düsseldorf eingerichtet wurde. Vorher hat die Stiftung bereits Sommerkurse gefördert. In dem Hub werden kostenlose Kurse und Projekttage für Schülerinnen und Schüler sowie für Familien und Lehrerfortbildungen angeboten und dort finden auch Workshops statt.

Kooperationspartner ist der gemeinnützige Projektträger „Junge Tüftler“, der auch

das Bundesministerium für Bildung und Forschung berät. Der Bedarf für den Hub geht auf eine Studie der Vodofone-Stiftung zurück, in der hohe Erwartungen an die allgemeinbildenden Schulen festgestellt und gleichzeitig massive Skepsis geäussert wird, ob Schulen auf den digitalen Wandel überhaupt ausreichend vorbereitet sind.150 Das reicht aus für eine private Bildungsinitiative.

Ein weiteres Beispiel ist das Projekt „Bildungscloud“, das vom Hasso-Plattner-Institut

in Potsdam entwickelt und derzeit in 26 Schulen getestet wird.151 Damit sollen bundesweit IT-Dienste aller Art über ein Netzwerk zur Verfügung gestellt und gewartet werden. Kooperationspartner ist das Excellence-Schulwerk MINT-EC, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Das Schulwerk zeichnet Schulen aus, die besondere Fortschritte in der Digitalisierung gemacht haben.152

Ein regionales Netzwerk „Logineo“ ist mit dem Schuljahr 2017/2018 in Nordrhein-

Westfalen in Betrieb genommen worden, auch andere Bundesländer planen die Einrichtung von Clouds in ihren Schulen. Damit würde sich die Schulwirklichkeit vom Unterricht bis hin zur Dokumentation der Leistungsentwicklung und der Transparenz aller Daten rasant verändern.153

Am 27. März 2018 stellte Tim Cook, der Firmenchef von Apple, an der Lane Tech

College Prep High School in Chicago das verbesserte und verbilligte Modell des Apple IPad-Tablets vor, das speziell für Schulen adaptiert wurde.154 Dabei können Schulbücher und Lernspiele mit erweiterter Realität verwendet werden. Das Gerät lässt sich mit dem Apple-Pencil nutzen und kostet für die Schulen 299 Dollar pro Einheit. Grund für die Initiative ist die 148 http://digitaler-bildungspakt.de/ 149 Die Zeit Nr. 49 vom 30. November 2017, S. 80. 150 https://www.vodafone-stiftung.de/uploads/tx_newsjson/PM_Vodafone_Stiftung_CodingCharakter.pdf 151 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 194 vom 22. August 2017, S. 15. 152 https://www.mint-ec.de/ 153 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 14 vom 17. Januar 2018, S. N4. 154 https://www.cnbc.com/2018/03/27/apple-education-event-in-chicago-tim-cooks-speech.html

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Marktsituation. Das Chromebook-Notebook mit dem Google-Betriebssystem Crome OS155 hält auf dem amerikanischen Bildungsmarkt einen Anteil von fast 60 Prozent.

Die Entwicklung vor dem Einsatz von Tablets in digitalen Lernumgebungen hat den

Unterricht nur in bestimmter Hinsicht verändert. Das Internet wurde für Rechercheaufgaben genutzt. Die Arbeit mit Computern ergänzte das Lernen im Klassenverband und nach wie vor war der Lehrer bzw. die Lehrerin mit der Lenkung der Lernprozesse beauftragt. Das wird sich mit der Nutzung von Tablets und Bildungclouds grundlegend ändern. Internationale Forschungen verweisen auf große Potentiale, die mit der Nutzung sozialer Medien im Unterricht verbunden sein sollen.

Die Vorteile werden in einer dänischen Metastudie aus dem Jahr 2013 wie folgt

zusammengefasst: Es geht um Potentiale für die bessere Gestaltung der Lernprozesse. Die Schülerinnen und Schüler erhalten mehr Möglichkeiten, sich auszudrücken, miteinander zu kommunizieren, zu reflektieren und zu kooperieren. Auch die Möglichkeiten der Lehrer werden signifikant verbessert, wenn neue Formen des Feedbacks des geteilten Wissens studentischer Arbeit, Differenzierung im Klassenzimmer, Wissensspeicherung und Prozessbeschreibungen expandiert werden (Paulsen/Taekke 2013).

Eine schottische Literaturstudie aus dem Jahre 2015 ist etwas vorsichtiger und auch

praxisnäher. Der erfolgreiche Einsatz von neuen Lerntechnologien ist stark davon abhängig, ob die Lehrer kompetent sind und wissen, wie sich damit das Lernen verbessern lässt. Ein anderer Faktor ist die Nutzung durch die Schüler, also ob sie Lerntechnologie nur in der Schule oder auch zuhause nutzen. Die Verringerung von Ungleichheit und die Förderung von Inklusion profitieren von neuen Lerntechnologien, aber das ist abhängig von der Qualität des schulischen Angebots.

Das gleiche gilt für den Übergang in die Arbeitswelt oder das Engagement der Eltern.

Nicht die blosse Nutzung ist entscheidend, sondern die erfahrene Qualität, nur dann entwickelt sich auf die professionelle Kompetenz der Lehrkräfte und die Effektivität der Schule. Beides ist ausbildungsabhängig. Amtierende Lehrpersonen müssen überzeugt werden, den Vorteil sehen und ihre Befürchtungen verlieren. Studierende müssen verschiedene Verfahren kennenlernen und von Anfang an mit den neuen Lernumgebungen konfrontiert werden (Literature Review 2015; siehe auch Spector et al. 2016; Döbeli Honegger 2016).156

Vor dem Hintergrund solcher Befunde ist zu fragen, wie die Ausbildung von

Lehrkräften auf diese Entwicklungen reagiert und was getan werden kann, die Digitalisierung zum festen Bestandteil der Ausbildungserfahrungen zu machen, ohne die besonderen Bedingungen und Ziele der Lehrerbildung zu vernachlässigen.

155 http://www.zdnet.com/article/how-to-pick-the-best-chromebook-for-school/ 156 Kritische Studien verweisen auf unerwartete Effekte. So konnte nachgewiesen werden, dass die Nutzung von Laptops im akademischen Unterricht keineswegs immer effektiver ist. Handschriftliche Notizen haben mit Blick auf die Begriffsbildung in Vorlesungen die besseren Effekte, weil Laptop-Nutzer die Vorlesungen häufig einfach nur mitschreiben und sie nicht eigenen Worten und handschriftlich nachvollziehen. Laptop-Nutzer arbeiten nicht durch, was sie hören, sondern schreiben nur auf und auf und hinterlegen die Mitschrift in einem Ordner (Mueller/Oppenheimer 2014).

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Die öffentliche Diskussion ist geprägt von der Unaufhaltsamkeit der Digitalisierung von Schule und Bildung, während die Lehrerbildung noch kaum auf entsprechende Projekte verweisen kann. Damit aber hat sie Entwicklungsspielraum und kann auch auf Erfahrungen in anderen Ländern zurückgreifen. Das wird inzwischen aufgegriffen. So war auf der 2. TUD-Sylber-Konferenz am 11. November 2017 die „digitale Vernetzung in der Lehrerbildung“ Thema eines Workshops.157

Die zentrale Frage ist, wie sich das Praxisfeld verändern wird und wie die Ausbildung

darauf vorbereiten kann, also wie sie sich auch selbst verändern muss. Das gilt auch für die kritische Auseinandersetzung, etwa mit dem Saarbrücker Manifest zur Digitalisierung, in dem der „Mut zu einheitlichen Architekturen“ des Bildungssystems gefordert wird, hinter der sich die weitgehende Anpassung der Lerninhalte verbirgt.158

Die Digitalisierung kann den Kindern nicht nur beim Lernen helfen, der Unterricht

lässt sich durch technische Hilfsmittel auch in bestimmten Hinsichten effizienter gestalten. Seit 2002 nutzen fast alle Schulen in Estland das digitale Klassenbuch „ekool“. Die Lehrer tragen dort ein, was sie in einer Unterrichtsstunde behandelt haben, welche Hausaufgaben es gibt, wer gefehlt hat. Die Eltern können die Daten ihrer Kinder einsehen und dem Lehrer Nachrichten schicken oder Entschuldigungen hochladen.

Das gibt es auch in verschiedenen Schweizer Schulen, die ähnlich die Vorzüge der

neuen Technologie nutzen, ohne die Vorzüge der Schule preiszugeben. Ein Beispiel ist die Sekundarschule Andelfingen im Kanton Zürich, die den Unterrichtenden als „Lerncoach“ bezeichnet, der über hohe Medienkompetenz verfügen muss.159 Ein ausführlicher ICT-Guide160 zu den langjährigen Strategien der Digitalisierung ist auf der Homepage der Primarschule Regensdorf ebenfalls im Kanton Zürich zugänglich (Bass/Nyfeler 2015).

Für Sachsen liegt seit Oktober 2017 ein Konzept des Sächsischen Staatsministeriums

für Kultus vor, zu dessen Handlungsfeldern auch Aus- sowie die Fort- und Weiterbildung gehören. Zur Ausgangslage heißt es: „Die fachdidaktisch orientierten Zugänge zur Medienbildung und die entsprechende universitäre Lehrerbildung in Sachsen sind sehr unterschiedlich weit entwickelt“ (ebd., S. 26). Es gibt, anders gesagt, massiven Entwicklungsbedarf.

Der Stand der Digitalisierung der akademischen Lehre ist unterschiedlich, wenn man

verschiedene Fächer und ihre Lernkulturen vor Augen hat. Die 2017 veröffentlichte Studie der TU Dresden zur Vermittlung von „Nachrichtenkompetenz“ im schulischen Unterricht sieht mediale Defizite in den staatlichen Lehrplänen und mit einer Befragung von Lehramtsstudenten kurz vor Abschluss ihres Studium auch in der Lehrerbildung, wobei fachdidaktische Konzepte noch am besten bewertet wurden (Hagen/Renatus/Obermüller 2017, S. 141-146).

157 https://tu-dresden.de/zlsb/die-einrichtung/news/2-tud-slyber-konferenz-regionale-vernetzung-in-der-lehrerbildung-am-11-november-2017 158 https://www.scheer-group.com/Scheer/uploads/2016/11/Scheer_Saarbr%C3%BCcker-Manifest.pdf 159 https://www.sek-andelfingen.ch/ Auf der Seite findet sich ein Video über den Unterricht. 160 ICT entspricht der Abkürzung IuK (Informations- und Kommunikationstechnik) in Deutschland

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Innerhalb der Lehrerbildung wird es vor allem darauf ankommen, wie die Fachdidaktiken auf die Herausforderungen der neuen Lernwelten reagieren. Die Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht etwa zeigt völlig neue Möglichkeiten, die sich auch in der Hochschullehre nutzen lassen, weil dort gerade nicht die Mediennutzung heutiger Studentinnen und Studenten im Mittelpunkt steht (Buchberger/Kühberger/Stuhlberger 2015, S. 33/34). Jede Ausbildung hat gegenüber den sozialen Medien einen Ernsthaftigkeitsvorteil.

Beispiele aus der sächsischen Fachdidaktik sind zwei Projekte im Forschungsfeld

„Fachdidaktik der Ingenieurswissenschaften“ der TU Dresden. In dem einen Projekt geht es um „lernzielorientierte Förderung in MINT-Studiengängen“, mit der der durch gezielte Rückmeldungen der Studienerfolg gefördert und die Abbrecherquote gesenkt werden soll. In dem zweiten Projekt ist ein „E-Learning Management System in der ingenieurswissenschaftlichen Grundlagenausbildung“ entwickelt worden.

Das System ist 2014 mit dem Sächsischen Lehrpreis ausgezeichnet worden. Kern des

Systems ist „einerseits die rechnergestützte Erstellung von Vorlesungsvorlagen sowie darauf abgestimmten Übungsunterlagen und andererseits die Erzeugung von personalisierten Online-Testaufgaben mit anschließender automatisierter Auswertung“. 161

Ein weiterer Punkt ist die Lernarchitektur, also die Entwicklung der universitären Lernräume, also die Räume für Vorlesungen, Seminare oder auch Bibliotheken. Hier werden integrierte Lernlandschaften entstehen, die mit Vernetzungen arbeiten und Mediennutzung sowie Feedback-Formen voraussetzen. Solche neuen „Häuser des Lernens“ für verschieden Fächer entstehen derzeit an diversen deutschen Universitäten (Arnold/Lermen/Günther 2016, S. 277-351).

An der Universität Leipzig wird, in Verbindung mit der TU Dresden,

Entwicklungsarbeit auch für die Lehrerbildung geleistet. Die Universität Leipzig hat 2017 aus der Förderinitiative des Arbeitskreises E-Learning162 insgesamt 223.280 Euro durch bewilligte Projekte gewonnen.163 Dabei geht es um offene digitale Lernwelten, „advanced learning and examination spaces” oder auch um neuartige Lehrkooperationen.

Diese Entwicklungsarbeit gilt es zu vertiefen und für die verschiedenen Phasen der

Lehrerbildung zu nutzen. Die Lehrerbildung in der ersten Phase ist immer noch stark an den klassischen Lehrformen und damit zusammenhängend den klassischen Prüfungsformaten ausgerichtet. An der Universität Basel etwa sind im Projekt ITSI164 für ein E-Assessment verschiedene Pilotszenarien durchgeführt worden, „um eine passende E-Prüfungsumgebung“ für die Universität aufzubauen (Ebd., S. 136).

161 https://tu-dresden.de/bu/bauingenieurwesen/imf/forschung/Fachdidaktik 162 Der Arbeitskreis ist am 5. Februar 2007 von der damaligen Landeshochschulkonferenz Sachsen gegründet worden. Das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst in Verbindung mit der Landesrektorenkonferenz und dem Bildungsportal Sachsen fördert entsprechende Projekte, im Jahr 2017/2018 in der Höhe von bis zu 1,5 Millionen Euro https://bildungsportal.sachsen.de/foerderprojekte/projekte_2017_2018/informationen/index_ger.html 163 Mail von Heinz-Werner Wollersheim vom 17. August 2017. 164 IT-Service Integration in Studium und Lehre.

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Elektronische Lehr-Lernformen im Studium von Fächern außerhalb der Lehrerbildung finden zunehmend Verbreitung. Auch für die Veranstaltungen innerhalb der Lehrerbildung und speziell für die Erziehungswissenschaft gibt es inzwischen überzeugende Beispiele. Dazu zählt das Blended Learning-Modell e:t:p:M® Das Modell ist seit dem Wintersemester 2012/2013 an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe in Gebrauch und basiert auf videografierten Vorlesungen (Hoyer/Mundt 2017).165

Im Bereich der Lehre wird es Wettbewerb geben. Standardwissen in didaktisierter

Form kann von den Hochschulen auch eingekauft werden. Statt Vorlesungen zu hören, bearbeiten die Studierenden Aufgaben nach online-Lektionen, deren Lösungen jeweils Zugang zu den nächsten Lektionen verschaffen.

3. Qualitätssicherung

Das Sächsische Hochschulfreiheitsgesetz verpflichtet die Hochschulen, die Qualität

der Lehre in regelmässigen Zeitabständen zu überprüfen und Studiengänge zu evaluieren. Es heißt dort: „Die Qualität der Lehre ist in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen, dabei sind auch die Studiengänge zu evaluieren. Das Verfahren ist mit dem Studentenrat abzustimmen.“ Das Verfahren selbst ist im Gesetz nicht geregelt, nur die Verwendung der Daten in einem regelmäßigen Lehrbericht der Fakultäten sowie die Mitwirkung der Studenten werden festgeschrieben. 166

Für die Hochschulen erwächst daraus die Aufgabe, Qualitätsmanagementsysteme

(QMS) zu erarbeiten, zu implementieren und bereits akkreditierte Verfahren weiterzuentwickeln. Dabei kommt auch die Arbeit im Verbund in den Blick, wie sie auch in den Kooperationsprojekten des Qualitätspaktes angestrebt wird. Eine Kernfrage ist dabei, wie QMS speziell für die Belange der Lehrerbildung entwickelt werden können.

In den Sonderzielvereinbarungen zur Fortführung des „Bildungspaketes Sachsen

2020“, die die Hochschulen mit dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus und dem Sächsischen Staatsministerium der Finanzen getroffen haben und die für den Zeitraum von 2012-2016 Geltung fanden, „wurde die Einbindung der Lehramtsstudiengänge in die QMS der Hochschulen sowie deren Abstimmung auf Sachsenebene festgehalten. Gemeinsam beschlossenes Ziel ist, langfristig die Qualität der Lehrer/innen zu sichern und die Erfolgsquote zu steigern“ (Kompetenznetzwerk Qualitätssicherung 2017, S. 1).

Die Struktur der Studiengänge und die Vielzahl der beteiligten Akteurinnen und

Akteure, die in der Lehrer/innenbildung in Sachsen tätig sind, stellen „ganz besondere Anforderungen an ein solches systematisches QM“. Die Entwicklung und Implementierung dieses Systems ist die zentrale Aufgabe des aus den Mitteln des Initiativbudgets des SMWK geförderten und 2014 eingerichteten „Kompetenznetzwerks Qualitätssicherung in der 165 Aus dem Ausland liegen vergleichbare Beispiele über die Transformation der akademischen Lehre in Kontexten der Lehrerbildung vor. Auch hier geht es um „increasing their pedagogical content knowledge” (Archambault et al. 2010, S. 4). 166 Sächsisches Hochschulfreiheitsgesetz vom 15. Januar 2013, §9,2.

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Lehrerbildung (QSL) im Freistaat Sachsen“, zu dem die Hochschulen in Chemnitz, Dresden und Leipzig gehören. Die Hochschulen für Musik an den Standorten Dresden und Leipzig sollen entsprechend eingebunden werden.

Die erste Förderphase war terminiert vom 1.10.2014 bis 31.12.2016. Die beiden

zentralen Zielsetzungen dieser Phase waren die Folgenden:

Aufbau eines Netzwerks und Kompetenzteams aus Vertreter/innen der sächsischen Lehrer/innenbildenden Hochschulen sowie die Bildung hochschulinterner und universitätsübergreifender Kommunikationsstrukturen zum QM in der Lehrer/innenbildung

Entwicklung, Test und Implementierung eines Konzepts für die Qualitätssicherung in der Lehrer/innenbildung in Sachsen unter Berücksichtigung der hochschulspezifischen Strukturen bestehender oder zu entwickelnder QM-Systeme (ebd. S. 2).

Die zwischen den Hochschulen abgestimmte Qualitätspolitik und die Qualitätsziele

der Lehrer/innenbildung unterliegen landesweiten Festlegungen wie der Lehramtsprüfungsordnung I. Diese regelt die Struktur, die Umfänge, die Inhalte und die Prüfungsschwerpunkte von staatlicher Seite. Es spricht daher einiges dafür, das Konzept eines QMS für die Sächsische Lehrer/innenbildung hochschulübergreifend anzulegen. Eine Bündelung von bestehenden Instrumenten zur Qualitätssicherung und eine Anknüpfung an bestehende Strukturen scheinen daher geboten und sinnvoll.

Das gilt auch unter der Voraussetzung, dass die hochschulspezifischen Verfahren an

den drei Standorten sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Das in der Förderphase erarbeitete Konzept soll „langfristig eine regelmässige Evaluation der Lehramtsstudiengänge sowie eine kontinuierliche, evidenzbasierte Lehramtsberichtserstattung für Sachsen ermöglichen“ (ebd.).

Als gemeinsamer Rahmen wird die „Qualitätskultur“ in der Lehrerinnen- und

Lehrerbildung bezeichnet. Das Qualitätsmanagement ist für die Hochschulen kein neuer Bereich. Inzwischen sprechen einige Autoren von einem „Paradigmenwechsel“. So lässt sich eine Gewichtsverlagerung „weg von einer einseitigen Fokussierung auf Kontrolle, Qualitätssicherung und Einhaltung von Standards“ beobachten, die hinführt zu einer Qualitätsentwicklung in lernenden Organisationen.

Qualität besteht nicht einfach, sondern muss gewonnen und abgestimmt werden, es

geht also um ein „freies Innovieren unterschiedlicher Struktureinheiten“ und damit um die Ausbildung „einer auf breiter organisationaler Basis getragenen, partizipativ ausgerichteten und dicht kommunizierenden Qualitätskultur“ (ebd. S. 4). Genauer: „Qualität ist, was als Qualität aufgefasst wird. Damit ist keine individuelle Beliebigkeit gemeint, wonach jede Person das als Qualität auffasst, was ihr beliebt. Vielmehr wird von kollektiven Definitionsprozessen ausgegangen, die einerseits hochschulübergreifend und andererseits hochschulintern verlaufen.“

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Hochschulübergreifend „materialisiert sich dieser Definitionsprozess in den zentralen Dokumenten zur Qualitätssicherung in der Lehre. Im Unterschied zu dem hohen Dokumentationsgrad dieser Ebene zeichnet sich die hochschulinterne Ebene durch ein weitgehend implizites Qualitätsverständnis aus, das erst sichtbar und offengelegt werden muss.“

Durch dieses Verfahren wird es möglich, „die Besonderheiten der jeweiligen

Universität und ihrer Fächerkulturen in diesen Bestimmungsprozess von Qualität einzubeziehen. Unerlässlich ist hierfür eine breite Beteiligung aller relevanten Gruppen, also der Studierenden und Lehrenden sowie der Hochschulleitung und der - für die Durchführung der Lehre relevanten Teile der - Verwaltung. Ein besonderer Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass sich in diesem internen Qualitätsdiskurs die Konturen der Qualitätskultur zeigen, wodurch sich von Anfang an ein enger Zusammenhang von Qualitätsmanagement und Qualitätskultur ergibt“ (ebd., S. 87).

Die erste Förderphase ist abgeschlossen. Als Ergebnis liegt vor der Entwurf eines

Qualitätsmanagementsystems für die Lehramtsstudiengänge in Sachsen. Dieser Entwurf datiert auf den 11. April 2017 und er wurde gemeinsam von Vertretern aller drei Universitäten entwickelt. Kern des Entwurfs ist ein Qualitätsregelkreis für die QSL Sachsen (S. 7-10), der Entwurf eines Leitbildes für die Lehrerinnen- und Lehrerbildung, weiter Qualitätsziele sowie Evaluationsbausteine. Weiterhin gehören dazu Instrumente der Qualitätssicherung sowie Regeln für den Datenaustausch und Datenschutz.

Ein zentrales Element ist das Leitbild. Der Entwurf dieses Leitbildes hält

„hochschulübergreifende Ziele fest und macht ein Set abgestimmter Wertepräferenzen zwischen den Standorten sichtbar. In ihm kommen Interessen interner sowie externer Akteurinnen und Akteure zum Ausdruck. Als Bestandteil der Qualitätsplanung markiert es einen zentralen Ausgangspunkt der Prozesse innerhalb des entworfenen Qualitätsregelkreises“ (ebd. S. 11).

Der Leitbildentwurf vom 21. September 2016 umfasst neun Leitsätze:

1. Funktionen und Ziele eines Leitbildes für die sächsische Lehrer/innenbildung: Orientierungsrahmen und Visionen

2. Aktuell, forschungs- und anwendungsorientiert: sächsische Lehrer/innenbildung vermittelt Wissen auf der Höhe der Zeit

3. Mehr als Vermittlung von Wissen: Lehren und Lernen ist Teil der Persönlichkeitsentwicklung in einem Arbeitsbündnis aus Lehrer/innen und Schüler/innen

4. Sachsens Lehrer/innenbildung setzt auf Dialogfähigkeit, Offenheit, Flexibilität und Neugier: Studieren und Lehren als reflektierte Praxis von Beginn an

5. Wissensgesellschaft Sachsen: Lehrer/innen werden medienkompetent ausgebildet und stärken Schüler/innen im verantwortungsbewussten, kritischen und kreativen Umgang im Wissenserwerb mit Medien

6. Plurales Sachsen – Diversität lehren und lernen: sächsische Lehrer/innenbildung fördert Vielfalt und Chancengleichheit

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7. Dynamische Gesellschaft: Sachsens Lehrer/innenbildung entwickelt sich flexibel und kontinuierlich im Kreislauf zwischen Theorie, Forschung und Praxis fort

8. Bedürfnisse, Anforderungen und Möglichkeiten gesund und selbstbestimmt balancieren: Gesundheitsförderung in der Hochschullehre und Schulpraxis Qualitätsentwicklung in der sächsischen Lehrer/innenbildung: Qualitätskultur in gemeinsamer Verantwortung (ebd. S. 12/13; ausführliche Diskussion im Anhang).

Ein weiteres Element der Qualitätssicherung ist der „Lehramtskompass“, der vom ZLS

an der Universität Leipzig und dem ZLSB an der entwickelt wird. Die Projektlaufzeit beträgt zwei Jahre (2016-2018). Es handelt sich um ein „kompetenzorientiertes Begleitinstrument“, das online angeboten wird und angehende Lehrpersonen über alle Phasen der Ausbildung hinweg begleiten soll und das sie eigenständig nutzen können.

Mithilfe des Instruments erhalten angehende Lehrkräfte von der Studienorientierung

über die Studienwahl, das Studium und den Vorbereitungsdienst bis in den Berufseinstieg hinein individuelle Rückmeldungen zu ihrem Entwicklungsstand „auf dem Weg zur kompetenten und zufriedenen Lehrperson“. Idealerweise werden die Testergebnisse und Rückmeldungen in Lehrveranstaltungen aufgegriffen und thematisiert. Darüber hinaus ist bei Bedarf auch eine Lenkung in vorhandene Beratungs- und Unterstützungsangebote vorgesehen.167

Ab 2019 wird der Lehramtskompass „allen Studieninteressierten und Lehramtsstudierenden in Sachsen zur Verfügung stehen“. Ziel der weiteren Entwicklung ist die „Optimierung und Verstetigung als studienbegleitendes und phasenübergreifendes Instrument“. Ab 2019 ist eine weitere zweijährige Projektlaufzeit geplant, in der die Ausweitung des Lehramtspasses auf die zweite Ausbildungsphase (Vorbereitungsdienst) geplant ist.168

Zur Qualitätssicherung gehört die Organisation der Prüfungen. Die Umstellung auf

das System der beiden Staatsexamen und dabei die Einführung eines eigenen Prüfungssemesters hat in einem engen Zeitrahmen zu erheblichen Mehrbelastungen geführt, die im Untersuchungszeitraum von verschiedenen Seiten immer wieder angesprochen wurden.

Im Sommersemester 2017 fanden auf Initiative der Sächsischen Staatsministerin für

Wissenschaft und Kunst , Frau Dr. Eva-Maria Stange, Gespräche mit den Hochschulen zu möglichen Änderungen der Lehramtsprüfungsordnung I (LAPO I) statt. Grund dafür waren die enormen personellen Belastungen durch die Abnahme der Staatsprüfungen in den Lehramtsstudiengängen.

Zur Vorbereitung dieses Gesprächs an der Universität Leipzig hat der zuständige Referent für Lehramt des Studentenrates studentische Feedbacks zu den Staatsprüfungen eingefordert und die Studierenden gebeten, bestehende Missstände zu melden. Daraufhin kamen von Studierenden über 200 Rückmeldungen, die ausgewertet und auch der Zentralverwaltung der UL zugänglich gemacht wurden, „um zum entsprechenden Termin solide damit arbeiten zu können.“ 167 http://www.zls.uni-leipzig.de/891.html 168 Ebd.

121

Der Befund ergab, „dass die Staatsprüfungen in ihrer derzeitigen Form nicht nur

personelle Probleme hinsichtlich der Betreuung mit sich brachten, sondern dass die strukturellen Probleme“ im Vergleich „mit den Prüfungen im Bologna-System sogar „noch überwiegen“. Das deckt sich weitgehend mit dem, was in den Gesprächen mit den Akteursgruppen vor Ort zu erfahren war und stellt ein Kernproblem der Qualitätssicherung dar.

Die studentischen Mitglieder der AG Staatsprüfungen positionierten sich mit einem

Vorschlag, der „eine wissenschaftliche Arbeit als einzige Prüfungsform forderte. Diesem Vorschlag konnte seitens der ministerialen Vertretung nicht entsprochen werden, obwohl er auch von der Universitätsleitung getragen wurde“. Deswegen wurde ein „Kompromissvorschlag“ ins Spiel gebracht (Rechenschaftsbericht Lehramt 2017, S. 2).

4. Kommunikation und Kooperation

Die Vertreter der Studierenden in Sachsen haben zu Recht darauf hingewiesen, dass

der besondere „Anspruch der Lehramtsstudiengänge“ herausgestellt und vermittelt werden muss. Das gilt nach innen wie nach außen und hier besteht Handlungsbedarf, etwa im Aufbau von kommunizierenden Netzwerken, die Anspruch und Erfahrung der Lehrerbildungsstudiengänge darlegen und auch Kontroversen anregen können. Ein Weg ist zum Beispiel der „Lehramtsnewsletter“ der Universität Leipzig.169

Die Forschung macht deutlich, dass viele Studierenden sich bewusst für die

Lehrämter entscheiden. Sie wollen Lehrer bzw. Lehrerin werden und wählen sich die Lehrämter, mit denen sich ihre pädagogischen Überzeugungen verbinden. Die Wahlen sind überwiegend also keine „Notlösungen“, die getroffen werden, weil andere Optionen nicht ergriffen werden konnten. Berufswahlmotive sind inzwischen gut untersucht und entgegen anderen Zuschreibungen ist die Motivationsstruktur für alle Gruppen von Lehramtsstudierenden „relativ ähnlich“ (Eulenberger/ Piske/ Thiele 2015, S. 86).

Hinsichtlich der Leistungsmerkmale lässt sich, anders als in anderen Ländern,

„pauschal von einer Negativselektion der angehenden Lehrkräfte“ nicht sprechen (Terhart/Bennewitz/Rothland 2014, S. 343).170 Häufig wird das aber in der Öffentlichkeit angenommen, was auf die Notwendigkeit besserer Kommunikation verweist. Hinzu kommen spezielle Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit oder Offenheit (ebd.), die ebenfalls nicht auf eine Zweitklassigkeit verweisen. Die Offenheit für neue Erfahrungen ist eher ein Grund für eine geringe Berufszufriedenheit und emotionale Erschöpfung im Verlaufe des Ausbildungsdienstes (ebd.).

Die expandierende Forschung bezieht sich auf die Lehrerbildung selbst, aber auch die

Herausbildung der Professionalität in den Phasen der Ausbildung und im Berufsfeld, die Belastungen des Berufs und damit auch die Risikofaktoren. Dabei ist, auch bestärkt durch die 169 http://stura.uni-lepizig.de/lehramt-newsletter 170 Das zeigt ausführlich auch die Leipziger VEBOLAS-Studie (Eulenberger/Piske/Thiele 2015).

122

Qualitätsoffensive, die Frage der Kooperation der Ausbildungsteile zunehmend in den Vordergrund gerückt. Aber „Kooperation“ ist kein Selbstzweck und muss zu einer Verbesserung der Ausbildungssituation führen.

Tina Hascher (2014, S. 560) hat gefragt, in welchem Ausmaß die „Wirksamkeit der

Lehrerbildung“ davon abhängt, ob und wenn ja, wie es ihr gelingt,

die Fachwissenschaft für die Lehrerbildung zu interessieren,

den Mangel an fachdidaktischer Forschung zu beheben,

Kerncurricula zu formulieren,

die Praxisferne zu überwinden,

Desintegrationsprozesse der ersten Phase zu vermeiden,

Die Ausbildnerinnen und Ausbildner der zweiten und dritten Phase systematisch zu qualifizieren,

die verschiedenen Phasen der Lehrerbildung besser miteinander zu verknüpfen und Standards zu etablieren,

die Eignung bzw. Passung von Studierenden zum Lehrberuf vor bzw. im Verlauf des Studium zu diagnostizieren.

Das erste kann dann gelingen, wenn es genügend Möglichkeiten zum Austausch und

zur Abstimmung gibt. Und tatsächlich müssen die Aufgaben im Lehramt „interessant“ sein, was für Lehre und Forschung gleichermaßen gilt. Die fachdidaktische und die schulpädagogische Forschung sind an den sächsischen Universitäten stark gewachsen und davon ist auch die Lehre tangiert, die zwischen Forschung und Schulfeld vermittelt.

„Praxisferne“ kann nicht das sein, was in der Öffentlichkeit darunter verstanden wird,

vielmehr soll das Studium Aufschluss geben, auf welche Weise man sich der Praxis nähern kann und wie professionelle Kompetenzen erworben werden können, ohne dabei nur die einfache Aufschichtung von unverbundenen Studienleistungen vor Augen zu haben. Kohärenz oder Vermeidung von Desintegration lässt sich nur durch Abstimmung erreichen. Dazu können die KMK-Standards dienen, die auch verstärkt genutzt werden.

Dagegen ist zutreffend, dass die Prozesse des Lernens während der Ausbildung

besser verstanden werden müssen,171 auch wodurch sie beeinflusst werden, und dass ein „kontinuierliches fokussiertes Feedback“ zu den Erfolgsfaktoren der Lehrerbildung gehört (ebd.). Das betrifft die Studierende wie das Lehrpersonal gleichermaßen.

Auf der anderen Seite muss klar kommuniziert werden, was die Ausbildung leisten

kann und was nicht. Auch das Gemeinsame sollte stärker betont werden, nämlich die Ausbildung für ein demokratisches Schul- und Gemeinwesen, das auf hochqualifizierte Lehrpersonen angewiesen ist. Studierende haben oft keine Vorstellung, dass sie in ihrem späteren Beruf ein öffentliches Amt ausüben und welche Haltungen oder Verpflichtungen damit verbunden sind.

Die Eingangserwartungen der Studierenden kann keine Ausbildung erfüllen, wenn der

Kern der Erwartungen sich auf den am Ende des Studiums „fertigen“ Lehrer richtet, der 171 Dazu die Schweizer Studien von Ruffo (2010) und Hild (2017).

123

weiß, was „richtig“ ist. Die Frage wird von den Studierenden oft gestellt und irgendwie scheint sie auch nahezuliegen.

Eine Mittelbauvertreterin der Universität Leipzig verweist auf den Wandel des

Lehrangebots durch die Modularisierung und beschreibt ein Kernproblem der Lehre wie folgt:

„Früher gab es zwischen Vorlesungen und Seminaren nur einen offenen und wenig regulierten Zusammenhang. Jetzt seien die Seminare sehr viel enger mit der Vorlesung verbunden. Für die Seminare werden Reader angeboten, die aus Texten bestehen, mit denen die Vorlesungsthemen vertieft werden. Grundsätzlich wird die Vorlesung danach unterschieden, dass Forschungszugänge geöffnet werden, während das Seminar für Vertiefung sorgen soll. Weil jedes Modul geprüft wird, besteht ein erheblicher Prüfungsdruck. Auf der anderen Seite fragen die Studierenden häufig: „Wann lernen wir, was richtig ist?“ 172 Die Lehrerbildung soll und kann auf den Beruf vorbereiten und für

Handlungsfähigkeit bei Berufsbeginn sorgen. Die Stärkung des Könnensbewusstseins oder der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen ist eine zentrale Aufgabe der Ausbildung. Auch das Handwerk der Berufsausübung muss gelernt werden, zumal unter der Voraussetzung von digitalisierten Lernumwelten.

Aber die Erwartung des „Richtigen“ führt in die Irre und deckt sich gerade nicht mit

den Anforderungen eines Berufsfeldes, das sich rasch wandeln kann und in dem immer neue Situationen zu bewältigen sind, das also kreative Reflexivität verlangt. Der „reflektierende Praktiker“ weiß gerade nicht vorher, was „richtig“ ist, sondern erkennt die Probleme und stellt passende Lösungen her.

Nach meinem Eindruck wird diese reflexive Anforderung der Praxis zu wenig

thematisiert. Im Studium fehlt meistens ein „teaching to reflect“ (Roters 2012, S. 279), das organisiert werden muss und nicht mit Appellen realisiert werden kann. Das spricht dafür, die Überzeugungen der Studierenden regelmässig zum Thema zu machen und Wege anzubieten, wie sie bearbeitet werden können (König 2012, S. 10f.).

Hier muss deutlich für bessere Kommunikation gesorgt und der Wert der besonderen Struktur der Ausbildung herausgestellt werden. Das wissenschaftliche Studium und die praktische Ausbildung sind keine Gegensätze, sondern gehören zusammen, was sich in der Erfahrungswelt der Studierenden auch wiederfinden muss.

Für die besonderen Herausforderungen der Lehrerbildung muss innerhalb wie

außerhalb der Hochschulen ein besseres Verständnis entwickelt werden. Vorgeschlagen werden eine konsistente Informationspolitik seitens der Hochschulen, gezielte Beratungen am Studienbeginn, Schulung der Mentoren und einheitliche Darstellung der Lehrerbildung in den Modulen.

Auch an einen regelmässigen Newsletter zur Entwicklung und Innovation der

Lehrerbildung in Sachsen lässt sich denken. In diesen Zusammenhang gehört auch die 172 Gespräch mit Ariane Hinneburg am 6. November 2017 in Leipzig.

124

geplante Universitätsschule in Dresden-Johannstadt, 173 die zur Verbesserung des Ansehens beitragen kann.

Jede neue Generation von Lehrkräften muss von der Ausbildung überzeugt werden,

„Wirksamkeit“ ist immer auch persönliche Wirksamkeit, im Zentrum der Erwartungen steht trotz aller medialer Entwicklungen der Unterricht, die Wissenschaft muss sich Fragen des Nutzens stellen, aber über allem darf nicht einfach das „Theorie-Praxis-Problem“ stehen, das dazu verleiten kann, jede Art von wissenschaftlicher Distanz abwerten zu können und allein auf die eigene Evidenz zu vertrauen.

Das Ziel eines Lehramtsstudiums in Deutschland ist nicht, künftige Forscherinnen und

Forscher auszubilden, sondern handlungsfähige Lehrkräfte, die mit Theorien und Forschungsergebnissen konfrontiert werden und dazu eine reflexive Einstellung ausbilden sollen. Die evidenzbasierte Forschung und ihre Möglichkeiten in der Lehrerbildung sollten mit Blick auf ihren Nutzen für die Praxis deutlicher als bisher kommuniziert werden.

Die Orientierung an den bildungswissenschaftlichen, fachwissenschaftlichen und

fachdidaktischen Kompetenzen der KMK ist in der wissenschaftlichen Ausbildung an den sächsischen Universitäten nur an bestimmten Stellen (etwa Fachdidaktik Englisch TU Dresden) sichtbar und bildet noch keine gemeinsame Grundlage der Ausbildung.

Der Vorbereitungsdienst orientiert sich nach eigenem Bekunden an diesen

Standards.174 Die Frage ist dann, wie der Vorbereitungsdienst an die im Studium erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten anknüpfen kann, wenn dort nicht auf professionelle Kompetenzen hin gelernt wird. Eine Abklärung in den Hochschulen über den Stellenwert der KMK-Standards und die Orientierung an professionellen Kompetenzen ist also dringend erforderlich.

Eine Form der Kooperation zwischen den Ausbildungsphasen oder den Fächern der

Hochschule wäre die bereits erwähnte Einrichtung von Praxissemestern im Studium, die von der Universität in eigenen Modulen und zusammen mit schulischen Mentoren betreut werden. Diese Entwicklung ist wiederum nicht einheitlich, in Nordrhein-Westfalen etwa kooperieren die Universitäten, die verantwortlich sind, mit den Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung sowie mit den Ausbildungsschulen.175

Ein anderes Beispiel ist die Universität Jena. Dort wird das Praxissemester seitens der

Hochschule durch vier Module begleitet:

Jeweils ein Modul der beiden Fachdidaktiken, angeboten durch die Institute,

weiter das Modul „Innovieren-Evaluieren-Beurteilen-Beraten“ angeboten durch das Institut für Erziehungswissenschaft

sowie das Modul „Einführung in die Schulwirklichkeit“ angeboten durch das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung.

173 Dresdner Zeitung vom 18. Januar 2018, S. 23. 174 http://www.lehrerbildung.sachsen.de/14764.htm 175https://www.schulministerium.nrw.de/docs/LehrkraftNRW/Lehramtsstudium/Praxiselemente/Praxissemester/index.html

125

Die vier Module sind orientiert an den bildungswissenschaftlichen Lehrerbildungsstandards der KMK von 2004: Unterrichten, Erziehen, Bewerten, Innovieren und ergänzt durch das Thema „Berufsethik: Entwicklung einer Berufsrolle“.176 Das Praxissemester wird zweimal im Jahr an etwa 200 Praktikumsschulen angeboten. Die Ergebnisse sind laut einer Evaluationsstudie insbesondere deswegen positiv, weil in größeren Zusammenhängen gelernt und reflektiert werden kann (Kleinespel 2014).

Die Pädagogische Hochschule Weingarten unternahm einen Modellversuch zur

Verlängerung der schulpraktischen Studien in der ersten Phase der Ausbildung auf ein Jahr. Der fünfjährige Modellversuch KOPRA177 wurde in Kooperation mit zwei Schulen und einem staatlichen Seminar realisiert.178 Hochschulbezogene und seminaristische Ausbildungsanteile wurden dabei verknüpft. Neben der Praxisjahr-Gruppe von Studierenden wurde jeweils auch eine Kontrollgruppe untersucht, die das normale Programm der Praktika absolviert hat.

Im Ergebnis lässt sich festhalten: Kompetenzentwicklungen in den schulpraktischen

Studien finden statt, wenngleich in verschiedenen Kompetenzbereichen unterschiedlich (Müller 2009, S. 194), aber nicht als kausale Folge längerer Praxisphasen. Kompetenzsteigernde Effekte im Vergleich mit der Kontrollgruppe konnten in dem Modellversuch Biberach nicht nachgewiesen werden (Dieck et.al. 2009). Von einer Überlegenheit gegenüber den herkömmlichen Praktika, die ins Studium integriert sind, lässt sich nach diesen Erfahrungen also nicht sprechen (Bach 2013, S. 208; siehe auch Bach 2014).

Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen haben für den Vorbereitungsdienst eine

ausgebaute Stellenstruktur zur Verfügung, die es in Sachsen so nicht gibt. Abgesehen von den Leitungsstellen wird die Ausbildung mit Abordnungen realisiert, was für sich genommen mit vielen Vorteilen verbunden ist. Ein Praxissemester wie in NRW ließe sich damit aber nicht organisieren.

Das Curriculum des Vorbereitungsdienstes in Sachsen würde genügend

Möglichkeiten zur inhaltlichen Anknüpfung der Angebote der Universitäten bieten, aber noch besser wären Formen des direkte Austausches zwischen den Ausbildungsphasen, die es in den Zentren für Lehrerbildung bereits gibt und die ausgebaut werden sollten. Andere Hochschulen gehen ähnliche Wege.

Im Großraum Stuttgart gibt es zur Koordination des Angebotes einen Verbund von

Fachgruppen, an dem sich verschiedene Universitäten beteiligen. Die an dem Projekt „Lehrerbildung PLUS“ beteiligten Universitäten und Hochschulen179 öffnen ihre Lehrveranstaltungen für Studierende der jeweils anderen Hochschulen. Die Öffnung erfolgt nach klaren Kriterien. Für die curricularen Inhalte ist eine Steuerungsgruppe zuständig. Es gibt also ein gemeinsames Studienangebot und eine eigene Geschäftsstelle für die 176 http://www.zlb.uni-jena.de/Lehrerbildung/Praxissemester.html 177 Kompetenzentwicklung im Praxisjahr. http://grundschulzentrum.phweingarten.de/sachunterricht/forschung/kopra/?L=0 178 Lehramtsstudierende verbringen in der Mitte ihres Studiums ein ganzes Schuljahr an einer Schule. Sie werden dabei betreut von Dozierenden der Pädagogischen Hochschule Weingarten, von Lehrenden des Vorbereitungsdienstes des Seminars für Lehrerbildung und Didaktik Laupheim sowie von Lehrkräften der Mali-Hauptschule und der Birkendorf-Grundschule in Biberach. 179 Universität Stuttgart, Universität Hohenheim, Pädagogische Hochschule Ludwigsburg, Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart.

126

„Professional School of Education“, die die Lehrerbildung im Großraum Stuttgart koordiniert.180

V. Empfehlungen 1. Planungssicherheit durch Verstetigung der Ressourcen

Das derzeitige Schlüsselproblem der Lehrerbildung im Freistaat Sachsen ist die

Ressourcensicherung. Das Bildungspaket Sachsen 2020 hat für einen Entwicklungsschub gesorgt und die Qualität des Angebots auch deutlich verbessert. Kriterien dafür sind der Auf- und Ausbau einer forschungsbasierten Fachdidaktik, die Stärkung der Zentren für Lehrerbildung, die Entwicklung von lehramtsspezifischen Instrumenten der Qualitätsentwicklung, die breite Diskussion eines eigenen Leitbildes Lehrerbildung und nicht zuletzt die Unterstützung der weiteren Entwicklungen durch die Hochschulleitungen. An der TU Dresden werden die genannten Schwerpunkte nicht nur durch das Bildungspaket Sachsen 2020 gefördert. Auch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung hat entscheidend dazu beigetragen, die genannten Punkte voranzubringen. Zudem sind die bisherigen Entwicklungen ressourcenbedingt teilweise noch als eingeschränkt zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf den Ausbau einzelner Fachdidaktiken.

Läuft das Bildungspaket Sachsen Ende 2020 aus und wird nicht ersetzt, dann kann die

erreichte Qualität nicht gehalten werden und es droht ein erneuter Rückbau der universitären Lehrerbildung. Anders als in den Jahren nach der Wende sinken die Schülerzahlen nicht und besteht bis 2030 ein steigender Bedarf an grundständig ausgebildeten Lehrkräften. Die Ausbildung von Seiteneinsteigern ist keine Dauerlösung und darf nicht zulasten der grundständig Ausgebildeten gehen.

2. Struktur und gesetzlicher Rahmen

Grundsätzlich kann es bei unterschiedlichen Strukturen eine gleich gute Qualität von Lehrerbildung geben. Ausschlaggebend sind Faktoren wie die Lerngelegenheiten, die Leistungsstandards, die Abstimmung der Curricula, der Aufbau professioneller Kompetenzen oder auch die Betreuungsverhältnisse. Daher kann man nicht einfach Staatsexamen gegen konsekutive Studiengänge ausspielen, wenngleich mit Blick auf die Steuerung erhebliche Unterschiede bestehen.

Die heutige Steuerung mit zwei Prüfungsordnungen ist schlank und mittlerweile auch

etabliert. Ein eigenes Lehrerbildungsgesetz hätte gewisse Vorteile, etwa in der gesetzlichen Verankerung der Zentren für Lehrerbildung oder der Ressourcensicherung. Aber das ließe sich auch durch eine entsprechende Änderung des Hochschulgesetzes erreichen.

Eine Rückkehr zum BA/MA-System in Sachsen wäre mit einem hohen Aufwand und

erheblicher Unruhe verbunden, ohne Vorteile zu garantieren. Das gleiche gilt für längere 180 https://www.pse-stuttgart-ludwigsburg.de/

127

Praxisphasen, mindestens bleibt hier die Entwicklung in anderen Bundesländern abzuwarten. Die heutigen schulpraktischen Studien in Sachsen geben von verschiedenen Perspektiven her einen Einblick in die Praxis. Die Frage ist eher, wie sich diese Erfahrungen mit denen der zweiten Phase verbinden lassen.

Mit den Abschlüssen sind Ansprüche verbunden. Abschlüsse mit gleichlanger

Studiendauer für alle Lehrämter führen über kurz oder lang auch zu gleichen Lohnansprüchen. Entsprechende Gutachten liegen vor, etwa für Nordrhein-Westfalen und seine Ausbildungsstruktur.181 Löhne aber sollten immer auch als Anreize verstanden werden, nicht nur als Kostenfaktor.

Allerdings sind die Lohnfolgen kein hinreichender Grund für kürzere oder längere

Ausbildungszeiten, wie sie die Unterscheidung von „Lehrämtern“ und „Höheren Lehrämtern“ nahelegt. Diese Unterscheidung ist historisch zu erklären, aber sie ist mit Blick auf die professionellen Aufgaben und Anforderungen in den Lehrämtern nicht mehr zeitgemäß.

Deshalb ist mittelfristig eine Angleichung der Studiendauer für die verschiedenen

Lehrämter zu empfehlen, wie sie in bestimmten Bundesländern bereits heute Standard ist.

3. Regionale Versorgung

Die neu aufgebaute Ausbildung für das Lehramt an Grundschulen der TU Chemnitz ist

nicht zuletzt aus Gründen der regionalen Versorgung mit Lehrpersonen eingerichtet worden. Der Studiengang wird stark aus den Mitteln des Bildungspaketes Sachsen 2020 finanziert. Im Falle seiner erneuten Einstellung würden sich die Probleme der regionalen Bildungsversorgung weiter verschärfen. Daher sollte der Studiengang erhalten bleiben.

Aus den gleichen Gründen der regionalen Bildungsversorgung kann auch über den

Aufbau weiterer Lehrämter an der TU Chemnitz nachgedacht werden, etwa eines Höheren Lehramtes für berufsbildende Schulen, sofern das finanzierbar ist und mit dem Angebot der TU Dresden abgestimmt werden kann. Die Immatrikulationszahlen gerade für die gewerblich-technischen Fachrichtungen im LA BBS werden an der TU Dresden allerdings nicht ausgeschöpft. Ein weiterer Lehramtsstudiengang LA BBS an der TU Chemnitz würde daher eher zu einer „Kannibalisierung“ unter den Standorten führen. Vielversprechender sind aus Sicht der TU Dresden eher die Kooperationen mit Fachhochschulen, die derzeit erprobt werden, da sie neue Interessenten-Gruppen binden. Ein Reformstudiengang Mittelschulen ist vom Zentrum für Lehrerbildung der TU Chemnitz ins Spiel gebracht worden. Die Verteilung der Studierendenzahlen wäre dann zu überdenken.

4. Sächsisches Netzwerk Lehrerbildung

Die Lehrerbildung in Sachsen hat gute Gründe und noch bessere Möglichkeiten als vernetzte Einheit aufzutreten. Sie umfasst alle Lehrämter, nicht an allen Standorten, aber als 181 Brinktrine (2015). Das Gutachten bezieht sich auf Beamtinnen und Beamte im Schuldienst.

128

Gesamtangebot und so auch als Profil für den Freistaat Sachsen. Die entsprechenden Entwicklungen sollten vorangetrieben werden.

Das Netzwerk wahrt die Lern- und Ausbildungskulturen der einzelnen Standorte, aber

bündelt die Interessen, tauscht Erfahrungen aus und entwickelt, wie in der Qualitätssicherung oder in der Forschung, gemeinsame Projekte. Auch eine gemeinsame Weiterbildungsakademie oder Agentur für Forschungsvermittlung könnte so entstehen.

5. Entwicklung der Lehrämter

Die im Vergleich leistungsstärksten Lehrerbildungssysteme bilden für die beiden

Sekundarstufen Lehrer nur für ein Fach aus. Auch europäische Länder, wie die Schweiz für das Gymnasium, machen damit gute Erfahrungen. In Österreich wird darüber diskutiert, etwa für die politische Bildung.182 Im europäischen Vergleich gibt es weitere Beispiele. In Deutschland dagegen werden für die Sekundarstufen Zweifachlehrer und für die Grundschule Mehrfachlehrer ausgebildet.

In bestimmten Fällen sollte es möglich sein, davon Abstand zu nehmen. Das gilt etwa

für Seiteneinsteiger, die in ihrem Studienfach hervorragend ausgebildet sind und im Fach über praktische Erfahrungen verfügen, etwa Informatikspezialisten. Sie werden heute als Seiteneinsteiger pädagogisch-didaktisch nachqualifiziert, aber müssen dann noch ein zweites Fach studieren, was oft als zu große Hürde angesehen wird und mit der Lebenspraxis kaum vereinbar ist.

Auch bei stark spezialisierten Personen aus der Forschung, die sich für den

Schuldienst entscheiden, ohne eine Lehramt studiert zu heben, könnte die Einfachlehrerin bzw. der Einfachlehrer eine Option sein.183 Einfachlehrer für Musik werden in Österreich ausgebildet.184 In Deutschland werden Einfachlehrer für Musik im Rahmen der Doppelfachstudiengänge ausgebildet, so auch an den beiden sächsischen Musikhochschulen185.

Man kann wie in der Schweiz auch einfach zur Wahl stellen, ob ein oder zwei Fächer

studiert werden. Nur die Anstellung muss gewährleistet sein. Zweifachlehrer bieten in den Schulen allerdings mehr Einsatzmöglichkeiten.

Lehrämter in Deutschland sind nicht für Stufen, sondern für Schulformen konzipiert.

Aber dann muss bei Entwicklung der Lehrämter die Entwicklung der Schulen maßgeblich sein. Die Besonderheit von Ganztagsschulen wird so nicht erfasst und auch nicht neue Formen der Kooperation an ländlichen Standorten. In Bayern gibt es eigenverantwortliche Schulverbünde auf der Sekundarstufe I, mit denen kleine Hauptschulen (neu Mittelschulen) erhalten bleiben sollen.186

182 Helms/Wineroither 2017, S. 522ff. 183 Süddeutsche Zeitung Nr. 81 vom 9. April 2018, S. 14. 184 http://www.quereinstieg-musik.at/infos 185 Darüber hinaus werden Doppelfachstudiengänge an den bayerischen Musikhochschulen, an der HfM Weimar und an der HfM Lübeck angeboten. 186 http://msbul.de/neuerungen_hs_schulverbuende.pdf

129

Sollte sich diese Form breit durchsetzen, wäre über kooperative Lehrämter nachzudenken. So könnten etwa das Lehramt für Grundschulen und das Lehramt an Mittelschulen in Teilen gemeinsam studiert werden.

6. Seiteneinsteiger

Die Nachqualifizierung von Seiteneinsteigern ist politisch umstritten und fordert immer wieder Kritik heraus. Die getroffenen Maßnahmen sollten besser kommuniziert werden, auch in dem Sinne, dass Sachsen keine Anomalie darstellt und Seiteneinsteiger auch als eine Bereicherung für die Schulen dargestellt werden können.

Die mit der besonderen Ausbildung erreichte Qualität wäre zu evaluieren. Mit Daten

lässt sich verbreiteten Missverständnissen besser begegnen und damit können auch die Seiteneinsteiger im Beruf geschützt werden. Hier wäre auch Medienarbeit angesagt. Und Mangelsituationen lassen sich vorbeugend steuern, etwa durch gezielte Werbemaßnahmen in den Schulen.

Das universitäre Begleitstudium sollte auch durch Online-Kurse absolviert werden

können. Damit ließen sich flexiblere Zeiten verbinden, die man individuell abstimmen könnte. Das hätte auch Auswirkungen auf die Dauer der Nachqualifizierung.

7. Digitalisierung

Die Digitalisierung der Bildung wird verstärkt Teil des Regierungshandelns und erreicht in den nächsten Jahren auch die Lehrerbildung. Das Thema sollte verbindlich im Curriculum aller Lehrämter verankert werden. Die Studierenden müssen wissen, was in dieser Hinsicht auf sie zukommt. Es geht um Chancen und Risiken im Wandel des Berufsfeldes und damit zusammenhängend auch der Ausbildung.

Der Wandel wird sich nicht aufhalten lassen, aber er muss so gesteuert werden, dass

die Besonderheit demokratischer Bildungskulturen erhalten bleibt. Auf der anderen Seite: Wenn die Lehrerbildung hier nicht schnell und umfassend in der Entwicklungsarbeit tätig wird, werden private Anbieter die Lücke füllen.187

Die Nutzung und der Umgang mit den neuen Medien wird aber auch zunehmend die

akademische Lehre bestimmen. Heute ist das erst in Ansätzen zu erkennen und zwischen den an der Lehrerbildung beteiligten Disziplinen bestehen erhebliche Unterschiede, die sich aus den verschiedenen Lehr-Lern-Kulturen ergeben. Der Aktionsrat Bildung (2018, S. 26) schlägt in seinem Gutachten zur Digitalisierung „neue Studiengänge zu fächerübergreifenden, die Digitalisierung betreffenden Inhalten“ vor sowie „eine Erprobung digital unterstützter Lehrangebote“ (ebd., S. 27).

187 Wie etwa www.canon.education.eu oder andere interessierte Firmen.

130

Die Empfehlung bezieht sich auf strategische Leitlinien der sächsischen Universitäten für die Digitalisierung der Lehrerbildung sowie eine Steuerungsgruppe zur Koordination der Entwicklungsarbeit in den Zentren für Lehrerbildung. Hier sind mit großer Wahrscheinlichkeit erhebliche Investitionen zu erwarten.

Ein besonderes Entwicklungsfeld sind die schulpraktischen Studien. Hier kann mit

Simulationen, Videofeedback und spontanen Formen des Austausches in den neuen Medien gearbeitet werden. Mittelfristig sollten Datenbänke entstehen, auf denen kategorisierte Schlüsselszenen des Unterrichts abgerufen werden können. Zudem müsste dort die relevante Forschungsliteratur zugänglich sein. Diese Datenbänke können auch von der Schulpraxis genutzt werden, ähnlich wie das in der Medizin der Fall ist.

8. Querschnittsthemen

Das Curriculum der Lehrerbildung ist nach Fächern geordnet, die Lehr-Lern-Form ist

das Modul. Querschnittsthemen, die für alle Lehrämter und so jeden Studenten verbindlich sind, sollten das bestehende Ausbildungsangebot ergänzen, wie dies etwa die Hamburger Kommission vorgeschlagen hat.

Dafür gibt es zwei Möglichkeiten, Verankerung im Curriculum und Aufbau eines

eigenen Moduls. Mindestens ein übergreifendes Thema sollte eine Verbindlichkeit als Modul oder Modulteil erhalten, nämlich Heterogenität und darin eingeschlossen Inklusion. Vorarbeiten liegen vor.

Diese Priorität findet sich auch in anderen Vorschlägen zur Reform der Lehrerbildung

und in der Sächsischen Hochschulentwicklungsplanung 2025 heißt es: „Der Umgang mit Vielfalt ist Querschnittsaufgabe für alle Hochschulen“ (Hochschulentwicklungsplanung 2016, S. 25).

Dabei würde auch die Öffnung der Sonderpädagogik für andere Lehrämter und damit

auch für Studierende anderer Hochschulen eine wichtige Rolle spielen. Die Sonderpädagogik wäre federführend und würde mit anderen Fächern wie die Schulpädagogik kooperieren. Die Angebote müssten auch von Studierenden der anderen Hochschulen besucht werden können.

Ein anderes zentrales Thema ist das Verhältnis von Demokratie und Schule. Es sollte

sichergestellt werden, dass Lehrveranstaltungen diesem Thema ausreichend Platz einräumen. Es muss gewährleistet sein, dass jeder Student und jede Studentin sich damit auseinandersetzt und eigene Überzeugungen entwickelt. Hier sollten auch Kooperationen zwischen Fachwissenschaften wie Philosophie und Politologie, den Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften angestrebt werden.

9. Neue Professuren

Die Sozialpädagogik an der TU Dresden ist derzeit an der Lehrerbildung kaum beteiligt und verfügt über einen eigenen Masterstudiengang. Angesichts von Problemen in den Schulen, die sich wesentlich nur mit sozialpädagogischen Mitteln bearbeiten lassen,

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sollte diese Situation überprüft werden. Eine eigene Professur für schulische Sozialarbeit bietet sich als Maßnahme an.

Die Professur „Medienpädagogik“ an der TU Dresden sollte wiederbesetzt und mit

dem Schwerpunkt Bildungsinformatik neu ausgeschrieben werden. Der Schwerpunkt der Professur würde in den Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Schulfeld liegen. Zu prüfen wäre die Einführung einer solchen Professur auch an den anderen beiden Universitäten.

Die Fachdidaktiken sollten mittelfristig jeweils mit einschlägigen Professuren

ausgestattet werden. Für die Besetzung der Juniorprofessuren empfehle ich eine Anstellungsperspektive.

10. Prüfungen

Die zu hohe Belastung mit Prüfungen ist nicht strittig, aber der Befund sollte zum

Anlass genommen werden, grundsätzlicher über das System und die Formate der Prüfungen nachzudenken.

Prüfungen sind zentrale Studienleistungen, stehen jedoch zwischen den

Ausbildungsteilen in keinem Zusammenhang ausgenommen für die Prüflinge selbst. Es gibt keinen gemeinsamen Referenzrahmen, aber den können die KMK-Standards darstellen. Die Prüfungsformen sollten um E-Formate und darin eingeschlossen Videoarbeit erweitert werden.

Die Prüfungsthemen sollen klar zwischen den Modulprüfungen und dem

Staatsexamen unterschieden werden. Themenrepliken verzerren den Wettbewerb und müssen ausgeschlossen werden. Aufbauende Themen oder Vertiefungen dagegen sollten gerade angestrebt werden. Das müsste ausgehend von den Modulthemen auch leicht möglich sein. Die Studierenden haben die Idee ins Spiel gebracht, dass dort, wo die wissenschaftliche Arbeit geschrieben wird, keine mündlichen Prüfungen mehr erfolgen sollten.

Das Prüfungssemester ist eine starre Zeiteinheit am Ende des Studiums, die gelockert

werden sollte. Auch die Abstimmung der Prüfungstermine mit denen der Einstellung in den Vorbereitungsdienst sollte bearbeitet werden. Schließlich wären Lernphasen vor den Prüfungen zu empfehlen, wie dies etwa an der Musikhochschule in Leipzig der Fall ist. Dort gibt es eigene Veranstaltungen für das Prüfungssemester, es wird also nicht wiederholt, was in den Modulprüfungen bereits abgeprüft wurde.

In der beruflichen Bildung gibt es eine spezielle Abschlussprüfung, die zeigt, dass auf

die Vorgaben der Prüfungsordnung auch anders reagiert werden kann. Die mündliche Prüfung bezieht sich auf einen Fall, die Prüfung wird protokolliert (wie bei allen Staatsprüfungen) und kann so mit der zweiten Phase verbunden werden.

Eine weitere Alternative wäre, „komplexe Situationen“ des Lehrens und Lernens als

Vorgabe zu formulieren, anhand der dann Analyse, Reflexion und Handlungsplanung geprüft

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werden können. Die Fachstudien könnten auch mit Blick auf fachliche Kategorienbildung geprüft werden, also nicht nur auf relativ zufällige Ausbildungsthemen hin.

Von den Studierenden ist vorgeschlagen worden, am Ende des Studiums die

wissenschaftliche Hausarbeit zu stärken und die mündlichen Prüfungen zu reduzieren. Auch die Universitätsseite hat sich so geäußert. Diese Option wäre zu prüfen, weil die Qualität des Studiums maßgeblich von der Verschriftlichung abhängt.

11. Steuerung der Studienwahlen/Eignung für den Beruf Die Studienwahl ist in der Lehrerbildung gleichbedeutend mit der Berufswahl. Lehrämter bieten Fachstudiengänge, die ungleich nachgefragt und gewählt werden. In bestimmten Bereichen, vor allem in den MINT-Fächern und Teilen der Berufsbildung sowie der Grundschule gibt es jährlich zu wenige Abschlüsse an den sächsischen Universitäten. In anderen Bereichen gibt es Überschüsse.

Steuern lässt sich diese Situation während des Studiums nur sehr bedingt. Die Zahlen der Studienabbrecher zeigen aber, dass oft Wahlen getroffen werden, die sich als falsch herausstellen. Wenn die Studienwahlen beeinflusst werden sollten, für die Gymnasiasten ebenso wie für die Quereinsteiger, dann müssen geeignete Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die Universitäten sollen in jedem Gymnasium des Freistaates zu Beginn der 12. Klasse mit Informationsveranstaltungen vertreten sein.

Für die Wahl eines Lehramtsstudiums sind häufig vorgängige pädagogische Erfahrungen ausschlaggebend, also nicht einfach die eigenen Schulerfahrungen. Hier bietet sich eine Kooperation der Zentren für Lehrerbildung mit sozialen Einrichtungen und Vereinen an. Auch sollte der Tatbestand, dass mit dem Abitur verschiedene Lehrämter studiert werden können, stärker in den Gymnasien vermittelt werden.

Eine formale Überprüfung der Eignung für die verschiedenen Lehrämter und damit

für den Beruf gibt es an keiner deutschen Universität. Wer ein Lehramtsstudium erfolgreich abschließt und nach dem Vorbereitungsdienst das Staatsexamen erhält, ist für den Beruf geeignet.

Viele Universitäten haben inzwischen Beratungsdienste aufgebaut, in denen

Studienerfahrungen reflektiert werden und im kritischen Falle auch auf die Möglichkeit des Wechsels in andere Studiengänge verwiesen wird. Auch online-Beratungen vor Aufnahme des Studiums sind inzwischen etabliert. Die Empfehlung geht dahin, diese Beratungsdienste auszubauen.

12. Weitere Empfehlungen

Im Gutachten sind an verschiedenen Stellen Hinweise für Empfehlungen gegeben worden, die abschließend aufgegriffen und zusammengestellt werden:

133

Qualitätssicherung: Landesweite Implementation des Qualitätsmanagementsystems QSL ,Verabschiedung des Leitbildes Lehrerbildung, Nutzung des Lehramtskompasses für beide Ausbildungsphasen

KMK-Standards: Einhaltung der bildungswissenschaftlichen, fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Standards in der ersten Phase der Lehrerbildung.

Zentren für Lehrerbildung: Einsitz in den Gremien und Beteiligung an lehramtsrelevanten Berufungskommissionen mit beratender Stimme

Doktoratsprogramme Lehrerbildung/Fachdidaktik: Koordination und Austausch in den Zentren wie bislang, eventuell Aufbau von Graduiertenschulen

Kooperation erste und zweite Phase: Ausbau der bestehenden Formate für Austausch und curriculare Abstimmung

Praktika: Keine Einführung eines Praxissemesters

Praktika: Prüfung der Option, sonderpädagogische Praktika an inklusiven Regelschule zu absolvieren

Kritik der Studierenden: Auftrag für eine Evaluation von Diskriminierungserfahrungen

Kommunikation: Besonderheit von Lehramtsstudiengängen an der Universität darstellen und vermitteln

Forschungsvermittlung: Ausbau der universitären Fortbildung der Lehrpersonen und bessere Nutzung der Forschungsergebnisse (einschlägige Dissertationen/Projekte) für die Schulentwicklung mit geeigneten Angeboten

Lehre: Aufbau von Orten und Gelegenheiten online wie offline für die Reflexion der Erfahrungen in einem Lehramtsstudium

134

VI. Dokumente und Literatur

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