ExportManager - GvW2015/05/04  · dem Einbruch 2012 (–1,5%) inzwischen wieder auf 2,4% erholt....

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Ausgabe 4 | 13. Mai 2015 www.exportmanager-online.de Export Manager Ausgewählte Informationen für Exportverantwortliche Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Osteuropa Zahlungsmoral Osteuropa | Attraktive Standorte vor der Haustür | Russland erfordert Durchhaltever- mögen | Vertrauen in der digitalen Welt | Flexible Finanzierung für Serbien | Exportakkreditive | Ende des Iran-Embargos? | TIR-Verfahren in Russland

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Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

www.exportmanager-online.deExportManager

Ausgewählte Informationen für Exportverantwortliche

Schwerpunktthema dieser Ausgabe: Osteuropa

Zahlungsmoral Osteuropa | Attraktive Standorte

vor der Haustür | Russland erfordert Durchhaltever-

mögen | Vertrauen in der digitalen Welt | Flexible

Finanzierung für Serbien | Exportakkreditive |

Ende des Iran-Embargos? | TIR-Verfahren in Russland

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Ausgabe 4 | 13. Mai 20152 | ExportManager

Die deutschen Exporteure leiden

unter den Handelsbeschränkungen

und der Nachfrageschwäche in Russ-

land. Eine Umlenkung der Exporte in

andere Märkte ist ebenso wie die

Beschaffung aus anderen Quellen auf

russischer Seite nur begrenzt möglich.

Die vorliegende Ausgabe des Export­

Managers geht auf die Erfahrungen

deutscher Unternehmen und den aktu-

ellen Stand des TIR-Verfahrens in Russ-

land ein. Ein weiteres Thema ist die Zah-

lungsmoral in den östlichen EU-Staaten

und der Türkei. Wir stellen Marktchan-

cen in Ungarn und in der Tschechischen

Republik sowie Finanzierungsmöglich-

keiten für Exporte nach Serbien vor.

Schließlich blicken wir in die Zukunft

des Iran-Handels, falls die Sanktionen

tatsächlich aufgehoben werden.

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lich in zehn Ausgaben kostenlos online,

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Ihnen für weitere Informationen zur

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Themen

Verkaufen

➤➤ Osteuropa: Geringste Zahlungsmoral in der Türkei 3Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa, Atradius Kreditversicherung

➤➤ Attraktive Standorte vor der Haustür 4Sven Gohlke, Regional Manager Europe, Commerzbank AG Mittelstandsbank International

➤➤ Russland erfordert Durchhaltevermögen 6Sylvia Röhrig, Redakteurin ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH

Vernetzen

➤➤ Russland, China und Vertrauen in der digitalen Welt 9Gunther Schilling, Leitender Redakteur Außenwirtschaft, HR, Recht, FRANKFURT BUSINESS MEDIA GmbH

Finanzieren

➤➤ Flexible Finanzierungen für Exporte nach Serbien 12Dirk Oliver Haller, Vorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG

➤➤ Komplexität reduzieren bei Exportakkreditiven 14Stefan Bauknecht, Produktspezialist Trade Finance, Deutsche Bank AG

Liefern

➤➤ Baldiges Ende des Iran­Embargos? 16PD Dr. Harald Hohmann, Rechtsanwalt, Hohmann Rechtsanwälte

➤➤ TIR­Verfahren bleibt in Russland vorerst anwendbar 19Dr. Lothar Harings, Rechtsanwalt und Partner, Adrian Loets, LL. M., Rechtsanwalt, Graf von Westphalen

Strategische Partner und Impressum 21

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Osteuropa: Geringste Zahlungsmoral in der Türkei

2015 dürfte ein schwieriges Jahr für Osteuropa werden. Die Prognosen für das reale Wachstum der Region – einschließlich Türkei – fallen negativ aus. Dazu tragen u. a. die starken wirtschaftlichen Einbußen in der Ukraine und in Russland bei. Auch die Länder der Euro-Zone weisen voraussichtlich ein nur schwaches Wachstum aus. Das aktuelle Zahlungsmoralbarometer von Atradius zeigt insbesondere in der Türkei ein angespanntes Zahlungsverhalten.

Bei der Betrachtung der Zahlungsmoral in den aktuell für die Studie untersuchten fünf Ländern Ungarn, Polen, Slowakei, Tschechische Republik und Türkei zeigt sich eine sehr geringe Belastung der unga-rischen Unternehmen durch ausstehende Forderungen und eine große Bedeutung des Lieferantenkredits. 76,6% der Verkäufe in das Ausland und 67,3% der Inlandsver-käufe waren mit einem Kredit verbunden. Die Zahlungsverzögerungen im Inland betrafen nur 27,3% der Forderungen, und im Ausland waren es sogar nur 19,4%.

Türkische Firmen in Schwierigkeiten

Anders sieht es in der Türkei aus, wo 50,3% der inländischen und 30,5% der ausländi-schen Verkäufe auf Kredit erfolgten. Dabei wurden 55,2% der inländischen Forderun-gen und 49,8% der Forderungen gegen-über dem Ausland nicht fristgerecht bezahlt – und dies bei einem Zahlungsziel von durchschnittlich 47 Tagen im Inlands-geschäft. Der Anteil der uneinbringlichen Forderungen osteuropäischer Firmen ist 2014 weiter gesunken und lag im Durch-schnitt nur noch bei 1,1% der gesamten

Außenstände. Erneut lag die Türkei mit 2,0% der Forderungen über dem Durch-schnitt, gefolgt von der Tschechischen Republik mit 1,4%. Als Hauptgründe für die Zahlungsausfälle ihrer Kunden nann-ten die meisten Befragten – vor allem in der Slowakischen Republik und in Ungarn – Konkurs oder Schließung (56,6%). In der Türkei waren vergebliche Einzugsversu-che mit 53,8% entscheidend – weit über dem regionalen Durchschnitt von 38,4%. Auch bei den Zahlungszielen liegt die Tür-

kei mit 42 Tagen an der Spitze im Studien-vergleich. Unsere Risikoexperten in Istan-bul bestätigen diese Entwicklung. Seit drei Jahren verlangsamt sich das Wirt-schaftswachstum stetig. Die Türkische Lira hat an Wert verloren. Zudem beobachten unsere Experten eine steigende Nach-frage nach Krediten, sowohl bei den pri-vatwirtschaftlichen Unternehmen als auch bei den privaten Haushalten. Die Gesamtverschuldung steigt. Eine Trend-wende ist derzeit nicht in Sicht.

Lieferungen auf Kredit nehmen ab

In der aktuellen Atradius-Befragung zeigt sich eine zunehmende Zurückhaltung der Unternehmen gegenüber Lieferungen auf Kredit – insbesondere an ausländische Kunden. Im Laufe von zwei Jahren verrin-gerte sich der Anteil der Verkäufe auf Kre-dit am Gesamtumsatz im Inland um 10,5 Prozentpunkte auf 42,9%. Im Auslandsge-schäft fiel der Anteil um 13,4 Prozent-punkte auf 38,4%. Damit liegen die osteu-ropäischen Länder annähernd auf dem Niveau Westeuropas, wo die Unsicherheit bereits seit Jahren die Kreditvergabe hemmt. Lieferungen auf Kredit sind in Ungarn üblicher als in den Nachbarlän-dern. Die Zahlungsziele lagen in der aktu-ellen Befragung im Durchschnitt bei 30 Tagen, allerdings wurde diese Frist bei 41,2% der ausstehenden Forderungs-summe im Inland nicht eingehalten. Die Forderungen gegenüber ausländischen Kunden waren nur zu 34,2% betroffen.

Ausführliche Informationen zur Zahlungs-moral in Osteuropa sind verfügbar auf www.atradius.de.

Lieferungen auf Kredit sind in Ungarn üblicher als in den Nachbarländern.

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Dr. Thomas LangenSenior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa,Atradius Kreditversicherung

[email protected]

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Attraktive Standorte vor der Haustür

Keine Frage: Osteuropa holt wirtschaftlich mehr und mehr auf. Doch allzu schnell geht der Blick in diesem Zusammenhang nur in das benachbarte Polen. Dabei bieten auch Länder wie Ungarn oder die Tschechische Republik deutschen Unternehmen viele Anreize für erfolgreiches Arbeiten – und das hat nicht nur historische Gründe. Der folgende Beitrag macht eine Bestandsaufnahme der Zusammenarbeit mit beiden Ländern.

Das Verhältnis zwischen Ungarn und Deutschland ist schon historisch bedingt ein ganz besonderes. Denn die Ungarn öffneten am 10. September 1989 für Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR ihre Grenzen zu Österreich und haben somit maßgeblichen Anteil am Fall des Eisernen Vorhangs. Deutschland versprach Ungarn damals Hilfe bei der Annäherung an Europa und legte damit den Grundstein einer engen Verbindung beider Länder. 26 Jahre später ist dieses Verhältnis sogar noch enger geworden. Heute gehört Deutschland zu den bedeutendsten Han-delspartnern Ungarns, rund ein Viertel des ungarischen Außenhandels wird mit der Bundesrepublik abgewickelt. Dane-ben ist Deutschland mit einem Anteil von 25% der größte ausländische Direktinves-tor des Landes.

Vorteile für beide Seiten

Die ungarischen Exporte nach Deutsch-land lagen 2014 bei rund 23,3 Mrd EUR und legten im Vorjahresvergleich um 2,3 Mrd EUR zu. Ebenso stiegen die Import-zahlen aus Deutschland: von rund 19,8

Mrd EUR im Jahr 2013 auf knapp 21 Mrd EUR im Jahr 2014. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern florieren also. Das zeigt sich vor allem in der Automobilbranche, die der wichtigste Zweig der ungarischen Wirtschaft ist und 21% des Exportgeschäfts ausmacht. Ob Opel, Audi oder Mercedes – deutsche Unternehmen treffen in Ungarn auf fruchtbaren Boden.

Ungarns Wirtschaft ist in den vergange-nen Jahren kontinuierlich gewachsen. In meinen Gesprächen mit produzierenden Unternehmen vor Ort spürte ich immer wieder eine große Aufbruchstimmung. Diese Aufbruchstimmung manifestiert sich nicht nur in Worten, sondern auch in Zahlen. Die Arbeitslosigkeit hat sich von Karosseriebau in Györ: Audi setzt seit vielen Jahren erfolgreich auf Ungarn.

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Sven GohlkeRegional Manager Europe, Commerzbank AG Mittelstandsbank International

sven.gohlke@ commerzbank.com

„Der Blick in die östlichen Regionen Europas ist für deutsche Unterneh-men sicherlich lohnenswert. Wichtig ist jedoch, sich im Vorfeld ausführ-lich über lokale Besonderheiten zu informieren. “

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10,4% im Jahr 2009 auf aktuell 7,8% verringert. Die Auslandsverschuldung ist im gleichen Zeitraum um ein Drittel gesunken, das Wachstum hat sich nach dem Einbruch 2012 (–1,5%) inzwischen wieder auf 2,4% erholt. Sowohl großen Unter nehmen als auch kleinen und mittel-ständischen Firmen wird eine breite Palette an Investitionsanreizen zur Ver-fügung gestellt.

Großzügige Förderung

So profitieren Investoren von Subventio-nen, von denen einige als Zuschüsse gewährt werden und nicht zurückgezahlt werden müssen. Diese Förderung umfasst die Unterstützung bei der Finanzierung von Gebäuden, aber auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze oder die Ausbildung von Arbeitnehmern. Außerdem zahlt der ungarische Staat 24 Monatslöhne sowie die Sozialabgaben der Angestellten, die in den ersten drei Jahren von ausländischen Unternehmen eingestellt werden.

Weitere finanzielle Anreize, die die ungari-sche Regierung den Unternehmen in Zusammenarbeit mit der EU bietet, sind steuerliche Vorteile und Niedrigzins-darlehen. Besonderen Wert legt sie dabei auf die Förderung von Forschung und Entwicklung. Zum Beispiel gibt es Pro-gramme, in deren Mittelpunkt eine Kooperation von Unternehmen mit Hoch-schulen steht. Als Anreiz dafür werden Firmen bei dem Erwerb und der Finan-zierung von Bauland unterstützt. All das

führt dazu, dass es in Ungarn mittlerweile fast 6.000 ganz oder teilweise mit deut-schem Kapital gegründete Unternehmen gibt, die zusammen über 300.000 Perso-nen Arbeit geben.

Die positive Entwicklung wird durch die andauernde Ukraine-Krise jedoch etwas getrübt. Dieser Konflikt bremst die ungari-sche Wirtschaft, die mit Russland und der Ukraine in engen Handelsbeziehungen steht. Durch die Auseinandersetzungen beider Länder stocken die ungarischen Exporte, da die Nachfrage der östlichen Nachbarn ausbleibt. Umso wichtiger ist es deshalb, das enge Verhältnis zwischen Deutschland und Ungarn aufrechtzuer-halten und sogar noch zu stärken.

Enge historische Verbindung nach Tschechien

Obwohl das Land direkter Nachbar Deutschlands ist, denkt man bei den wich-tigsten Handelspartnern der Bundesrepu-blik nicht sofort an Tschechien. Dabei ran-giert das Land innerhalb Mittel- und Ost-europas an zweiter Stelle. 2013 erreichten die tschechischen Exporte ins westliche Nachbarland einen Wert von 27,7 Mrd EUR, die Importe betrugen sogar gut 38 Mrd EUR. Damit ist Deutschland der wich-tigste Außenhandelspartner für Tsche-chien – die Geschäfte mit deutschen Unternehmen machten fast ein Drittel des gesamten Außenhandels der Tschechi-schen Republik aus.

Ähnlich wie Ungarn ist diese enge Koope-ration auch historisch bedingt. Nach der Wende bildete der „Vertrag über gute Nachbarschaft“, der 1992 unterzeichnet wurde, die Basis der politischen und wirt-schaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Tschechien. Noch heute finden regelmäßig Treffen auf allen politi-schen Ebenen statt, hinzu kommen die ausgezeichnete Zusammenarbeit in der EU und anderen internationalen Organi-sationen sowie gemeinsame Initiativen im gesellschaftlichen Bereich.

Die Krise überwunden

Für eine enge Verbindung sprechen aber nicht nur geographische Nähe und histo-rischer Kontext. Tschechien hat sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwi-ckelt. Von der aktuellen Krise in der Ukra-ine zeigt sich unser östlicher Nachbar rela-tiv unbetroffen. Nach BIP-Rückgängen in den Jahren 2012 und 2013 hat Tschechien im vergangenen Jahr die Rezession über-wunden: Das BIP wuchs um 2,0%. Für 2015 rechnet das tschechische Finanzministe-rium mit einem Anstieg auf 2,7%. 2014 betrug die Inflationsrate 0,4%, in diesem Jahr soll sie ähnlich niedrig bleiben. Auch die Arbeitslosenquote erreichte im Okto-ber 2014 mit 5,6% erstmals wieder das Niveau, auf dem sie vor der Wirtschafts- und Finanzkrise gelegen hatte. Damit diese positive Entwicklung so weitergeht, lockt die Republik ausländische Unter-nehmen mit besonderen Anreizen.

Dabei konzentriert sie sich besonders auf die verarbeitende Industrie, strategische Dienstleistungen und Technologiezent-ren. Ausländischen Investoren wird eine breite Palette von Investitionsanreizen angeboten: Körperschaftsteuernachlässe, Förderung für die Schaffung von Arbeits-plätzen, Förderung von Umschulungen, Bereitstellung des Standortes oder Beschaffung der Grundstücke zu günsti-gen Bedingungen und vieles mehr. Auch die Tatsache, dass es in Tschechien bei einem niedrigen Lohnniveau gut ausge-bildete Arbeitskräfte gibt – der durch-schnittliche Monatsbruttolohn im Jahre 2013 betrug ca. 930 EUR –, trägt sicherlich dazu bei, dass das Land für deutsche Unternehmen ein recht beliebter Markt ist.

Osteuropa im Auge behalten

Ob Tschechische Republik oder Ungarn: Der Blick in die östlichen Regionen Euro-pas ist für deutsche Unternehmen sicher-lich lohnenswert. Wichtig ist jedoch, sich im Vorfeld des Gangs in diese Märkte aus-führlich über lokale Besonderheiten zu informieren. Neben den Auslandshan-delskammern (AHKn) stehen dafür auch Kreditinstitute zur Verfügung. Die Com-merzbank hat deutschsprachige Teams und Country-Manager in beiden Ländern, die das Geschäft verantworten und wei-terentwickeln. So können Unternehmen sicher sein, dass sie auch vor Ort einen kompetenten Finanzpartner an ihrer Seite haben.

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Russland erfordert Durchhaltevermögen

Russland rutscht 2015 in eine tiefe Rezession. Stark gesunkene Ölpreise, ein hohes politisches Risiko, Kapitalflucht, Rubel-Abwertung und internationale Sanktionen beuteln die Wirtschaft. Auch wenn die deutschen Unternehmen mit einem Russland-Engagement sehr unterschiedlich betroffen sind, müssen sie sich anders als in früheren Krisen auf eine lange Durststrecke einstellen. Wer das fros-tige Wirtschaftsklima überdauern will, sollte zudem seine Russland-Strategie grundsätzlich auf den Prüfstand stellen.

Bereits 2014 kühlte sich die russische Kon-junktur spürbar ab. Das Bruttoinlandspro-dukt legte allerdings getrieben durch die robuste Verbrauchernachfrage noch um 0,6% zu. 2015 droht Russland nun eine tiefe Rezession. Der IWF sagt für 2015 einen Rückgang des BIP um 3,8% und für 2016 um 1,1% voraus. Die Analysten des Economic Research von Euler Hermes sind weitaus pessimistischer. Sie erwarten einen Wachstumseinbruch von 5,5% in diesem und von 4,0% im nächsten Jahr.

Starker Importrückgang

Die hohe Inflation und der niedrige Wech-selkurs des Rubel lassen den privaten Ver-brauch einbrechen. Der Staat wird seine Ausgaben wegen der geringeren Ölein-nahmen kürzen. Besonders schmerzhaft ist, dass die Investitionen 2015 voraussicht-lich um 15% und 2016 um 10% schrump-fen werden. Dies dürfte für einen zweistelli-gen Rückgang der russischen Importe sor-gen. Bereits 2014 bekamen deutsche Exporteure einen Einbruch der russischen Nachfrage um 18% auf 29,3 Mrd EUR zu spüren. Für 2015 ist mit einer noch stärke-

ren Schrumpfung der deutschen Exporte nach Russland um 25% zu rechnen, pro-gnostiziert Euler Hermes.

Die Landwirtschaft zählt zu den wenigen Branchen, die derzeit nicht so stark von der Wirtschaftskrise in Russland betroffen sind. „Wir haben 2014 ein relativ gutes Umsatzergebnis erzielt. Für 2015 sind unsere Vertriebspartner in Russland zwar nicht euphorisch, doch durchaus zuver-

sichtlich, was die Absatzaussichten anbe-trifft“, sagt Dirk Hollinderbäumer, Leiter Vertrieb Ausland beim Landtechnikher-steller LEMKEN aus Nordrhein-Westfalen. Der Mittelständler profitiert von den von Russland verhängten Sanktionen auf die Einfuhr bestimmter Lebensmittel, die die Nachfrage nach lokalen Nahrungsmitteln und somit auch deren Preise in die Höhe treiben. „Die Einkommenssituation unse-rer Kunden, der russischen Landwirte, ist

zum Teil recht gut. Die Erzeugerpreise für Milch liegen z.B. deutlich über dem aktu-ellen Niveau in Westeuropa“, sagt Hollin-derbäumer. Hierdurch dürften die Kunden die schlechteren Rahmenbedingungen für Finanzierungen besser kompensieren können.

Maschinenbau besonders betroffen

Besonders stark betroffen vom Nachfra-geeinbruch sind die deutschen Maschi-nen- und Anlagenbauer, für die Russland der sechstgrößte Exportmarkt ist. Kleinen Mittelständlern mit einem starken Stand-bein in Russland fällt es schwer, die Krise zu bewältigen. Im März 2015 musste der Magdeburger Maschinenbauer Vakoma, der maßgeschneiderte Hochdrucksys-teme an Zementwerke und Erdölraffine-rien liefert, Insolvenz anmelden. Auch der deutlich größere ostdeutsche Elektroan-lagenbauer FEAG ist stark unter Druck geraten, weil er 20% seines Umsatzes in Russland macht. Weil diese Strategie nicht mehr tragfähig ist, setzt das Unternehmen nun auf eine Diversifizierung der Absatz-märkte im Nahen Osten und in China.

Langanhaltender Frost kündigt sich in Russland an: Wer überwintern will, braucht einen langen Atem.

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Sylvia RöhrigRedakteurin ExportManager,FRANKFURT BUSINESS MEDIA

sylvia.roehrig@ frankfurt-bm.com

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Kein Grund zum Rückzug

Die deutschen Unternehmen passen ihre Russland-Strategie drastisch an die neuen Gegebenheiten an. Doch der Großteil der über 6.000 Unternehmen mit deutschem Kapitalanteil in Russland scheint dem rus-sischen Markt treu zu bleiben. Großunter-nehmen wie Knauf, Henkel, Rewe und VW haben sich öffentlich zum russischen Markt bekannt. „Die in Russland aktiven deutschen Unternehmen verfolgen eine Art Überwinterungsstrategie. Allerdings treten sie auf die Investitionsbremse“, bestätigt Eckhard Cordes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirt-schaft, diesen Trend.

Für den seit über zwei Jahrzehnten in Russland engagierten Gipskonzern Knauf sind die bereits 2014 verbuchten Verluste kein Grund zum Rückzug. Knauf setzt in der Krise auf Kostenanpassung. Das gelingt zum Beispiel durch Beschäfti-gungsabbau oder eine stärkere Beschaf-fung von Vorprodukten auf dem lokalen Markt. Der Einkauf im Ausland ist durch den Kursverfall des Rubel zu teuer gewor-den. Lokalisierung heißt das Krisenrezept auch, wenn es um Modernisierungsinves-titionen geht. So werden Investitionsgü-ter, die zuvor aus Deutschland bezogen wurden, verstärkt am lokalen Markt beschafft.

Kosten herunterfahren, aber möglichst den Standort halten, dazu rät René Harun, Leiter der AHK-Filiale Nordwest in St.

Petersburg. Russland sei schon immer ein schwieriger Markt gewesen, der wegen seiner einseitigen Rohstofforientierung extremen Konjunkturschwankungen unterworfen sei. Die Erfahrung vergan-gener Jahre habe jedoch gezeigt, dass Unternehmen, die die Krise ausstünden, in der Boomphase durch hervorragende Geschäfte mit hohen Renditen belohnt würden. Deswegen gelte auch jetzt wie-der die Devise, „die Krise als Chance zu nutzen und antizyklisch zu handeln“, sagt Harun.

Auf dieses Prinzip hatte LEMKEN bereits nach der Finanzkrise 2007/2008 gesetzt. „Der Aufbau einer russischen Tochter-gesellschaft mit eigener Gerätemontage vor Ort im Jahr 2010 war genau die rich-tige Entscheidung“, sagt Dirk Hollinder-bäumer. „Gerade in Zeiten von Sanktio-nen, vola tilem Wechselkurs, steigender Bürokratie und stärkeren Kontrollen an den Grenzen ist es von Vorteil, wenn wir unseren Kunden Produkte russischen Ursprungs anbieten und ihnen das auf-wendige Prozedere, das bei der Einfuhr westeuropäischer Technik besteht, erspa-ren können.“

Exitstrategie mit einplanen

Doch Russland-Experte Prof. Dr. Rainer Wedde, Berater der Kanzlei Beiten Burk-hardt in Moskau, warnt: „Diese Krise unter-scheidet sich grundsätzlich von den frü-heren Russland-Krisen, dem Staatsbank-rott 1998 und der weltweiten Finanzkrise 2007/2008. Die wirtschaftlichen Probleme laufen Gefahr, sich in Verbindung mit den Sanktionen und der wechselseitigen Ent-fremdung zwischen Russland und dem Westen zu einer langfristigen und grund-legenden Krise auszuwachsen.“ Die deut-sche Wirtschaft muss sich wohl auf eine lange Durststrecke einstellen. „Lokalisie-rung kann eine Lösung sein, in Einzelfäl-len sollte aber auch eine Exitstrategie nicht von vornherein ausgeschlossen werden“, rät Wedde.

Wettbewerbsnachteile

Die deutschen Mittelständler tragen die internationalen Sanktionen zähneknir-schend. Der bürokratische Aufwand und das gestiegene gegenseitige Misstrauen sind wenig förderlich für den Abschluss neuer Geschäfte. „Wenn ein deutsches Unternehmen aufgrund eines Ableh-nungsbescheids des Bundesamts für Wirt-schaft und Ausfuhrkontrolle seinen Ver-trag nicht erfüllen kann, gibt es Probleme aus der Sicht des russischen Vertragspart-ners wegen unterbleibender Vertragser-füllung“, erläutert Wedde. Unternehmen sollten sich bereits im Kaufvertrag für den Fall einer Nichtgenehmigung der Ausfuhr

„Lokalisierung kann eine Lösung sein, in Einzelfällen sollte aber auch eine Exitstrategie nicht von vornherein ausgeschlossen werden.“

Aufmacher2 Transaction Banking in der Zwickmühle

Niedrigzinsen, Wettbewerb und Regulatorik belasten die Sparte

Cash Management3 Bankgebühren: Standardisierung

kommt voranKontoauszugsformat camt.086 für Bankabrechnung und Bankbestätigung Asset Management

4 Neuer Vorschlag für Geldmarktfonds-RegelnStrengere Regulierung für MMFs / Einschnitte bei CNAVs geplant

Finanzen & Bilanzen6 Top-FinanzierungJenoptik baut langfristige Finanzierung um6 Nächstes Debüt von ZF Friedrichshafen

Automobilzulieferer sammelt 3,5 Milliarden US-Dollar ein

6 Finanzierungsticker

Risiko Management7 Kommunen: Zinsswapstreit geht weiter

Erster kommunaler Swapfall vor dem BGHSoftware

8 Reval startet mit Version 15.0

Neues Cloud-Angebot ergänzt bestehende Lösung

Personen & Positionen9 CFO Waldow führt Sixt Leasing an die

Börse

9 Aktuelle Stellenangebote10 Döttger verlässt SGL Carbon10 SEB: Finnin leitet Transaction Banking Kirsi Maria Wiitala folgt auf Stefan Schneider

Events

11 3. Cash Management Campus in KölnTreasurer berichten aus der Praxis

Sixt Leasing geht an die BörseDie Erstnotierung ist geglückt. CFO Björn Wal-dow plant nun einen unabhängige Finanzierung und mittelfristig ein eigenes Treasury.

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3. Cash Management Campus in KölnTrotz Bahnstreik trafen sich über 100 Treasurer und Cashmanager in Köln. Die Themen reichten von Negativzinsen bis Collections on Behalf.

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Transaction Banking in der ZwickmühleNiedrigzinsen, Wettbewerb und Regulatorik belasten Trans-

aktionsgeschäft / Zweischneidiges Schwert für Treasurer

Margenstark, risikoarm, kundennah – diese drei Gründe würden dazu füh-

ren, dass das Transaction Banking eine Renaissance erlebt, prognostizierte

die Strategieberatung Bain in einer Anfang 2012 erschienen Studie. Die

Beratung sollte recht behalten: Das Transaktionsgeschäft ist für die Banken

derzeit so interessant wie lange nicht mehr. Deutsche Treasurer können

inzwischen aus einer Vielzahl an Cash-Management- und Trade-Finance-

Angeboten auswählen. Doch die drei Vorteile bröckeln dahin: Die Margen

im Cash Management stehen angesichts des hohen Wettbewerbs und des

Niedrigzinsumfeldes kräftig unter Druck.

2

Döttger verlässt SGL CarbonDie langjährige Treasury-Chefin wechselt in das Controlling von Roche. Dort trifft sie mit CFO Alan Hippe einen alten Bekannten.

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Ausgabe 9 | 7. Mai 2015

Inhalt

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absichern, rät er. Dies stelle dann aller-dings auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten aus anderen Ländern dar, die nicht an die Wirtschafts-sanktionen gebunden seien oder die Exportkontrolle nicht so genau nähmen. Dass sich Russland verstärkt nach China und Asien ausrichtet, ist bereits in den Handelszahlen abzulesen.

Schutz vor Volatilität des Rubel

Der Wechselkurs des russischen Rubel hat sich zwar seit Jahresbeginn stabilisiert. Doch Torsten Erdmann, Filialleiter der Commerzbank in St. Petersburg, warnt vor der Rückkehr zum Tagesgeschäft: „Seit Anfang November 2014 haben sich die Spielregeln grundlegend geändert: Die Zentralbank Russlands ist zu einem Sys-tem flexibler Wechselkurse übergegan-gen. Dies hat zur Folge, dass wir viel stär-kere Ausschläge beim Rubelkurs sehen werden, als dies noch zu Zeiten der ,Wech-selkurskorridore‘ üblich war.“ Unterneh-men, die Umsätze direkt oder über Toch-tergesellschaften in Rubel erlösen, sollten diese Rubel-Eingänge über die Fixierung eines Forwardkurses oder den Abschluss von Optionen absichern, rät Erdmann.

Finanzierung knapp

Über ein Drittel der deutschen Firmen hat Probleme mit der Finanzierung von Pro-jekten und Geschäften – dies geht aus der gemeinsamen Geschäftsklima-Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirt-

schaft und der Deutsch-Russischen AHK vom Februar 2015 hervor. In Russland liegt der effektive Jahreszins für private Unternehmen zurzeit bei 25% bis 38%. Noch bieten viele deutsche Banken mit eigenen Tochtergesellschaften in Russ-land Exportfinanzierungen an. Doch die höhere Risikoeinschätzung wird in die Gebühren und Zinskosten eingepreist. Dies gilt auch für private und staatliche Kreditabsicherungen. Im Februar wurde die OECD-Länderklassifizierung für Russ-land von Risikokategorie 3 auf 4 heraufge-stuft, was zu einer höheren Berechnung des Entgelts für Hermesdeckungen führte.

Der private Kreditversicherer Coface Deutschland überprüft derzeit seine Ver-sicherungspolitik hinsichtlich Russland. „Wir haben bereits eine hohe Anzahl an Zahlungsausfällen und Schadensfällen in diesem Jahr und keine Aussicht auf Besse-rung“, sagt Jochen Böhm, Chef der Risiko-prüfung für Nordeuropa und Russland des Kreditversicherers Coface. Weil das politische Risiko kaum noch kalkulierbar sei, überlege man, ob man Unternehmen in der bisherigen Form noch unterstützen könne.

„Unternehmen, die Umsätze direkt oder über Tochtergesellschaften in Rubel erlösen, sollten diese Rubel-Eingänge über die Fixierung eines Forwardkurses oder den Abschluss von Optionen absichern.“

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9 | ExportManager | Vernetzen Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

Russland, China und Vertrauen in der digitalen Welt

Der Rückgang des Russland-Geschäfts und die zunehmenden Krisen in der Welt lassen die deutsche Exportwirtschaft aufhorchen. Der Diskussionsbedarf rund um das Thema Länderrisiken nimmt zu. So war es kein Zufall, dass der Forderungsspezialist Coface zu seinem Kongress Länderrisiken am 7. Mai 2015 mit rund 600 Besuchern erneut eine wachsende Teilnehmerzahl registrieren konnte. Im Fokus standen die Herausforderungen der Digitalisierung und die Bedeutung vertrauensvoller Geschäftsbeziehungen.

Dass man mit dem „Zählbaren“ allein keine erfolgreichen Geschäfte machen kann, dürfte den Teilnehmern in der Coface-Arena in Mainz bereits bekannt gewesen sein. Doch wie sich die Digitali-sierung und die Kommunikation in Echt-zeit auf die Geschäftsmodelle und Strate-gien international aufgestellter Unter-nehmen auswirken, präsentierte Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität Mün-chen, in seiner Keynote auf eine Weise, die manchen Geschäftsführer ins Grübeln gebracht haben dürfte.

Handel schafft Vertrauen

Mit einem Blick in die Geschichte erläu-terte Nassehi die verbindende Kraft des Handels auch mit fremden Ländern. Der Handelsreisende konnte sich immer mit seinem Warenangebot und seinen Preis-vorstellungen im Rahmen der kaufmänni-schen Usancen verständlich machen, auch wenn sein Gegenüber ihm kulturell fremd war. Zu diesen „digitalen“, also zähl-baren Inhalten kamen analoge Themen hinzu, die das Bild des Gegenübers

ergänzten. Durch den Warenhandel lernte man sich kennen und schöpfte aus gelun-genen Geschäften Vertrauen.

In einer Welt der Echtzeitkommunikation mit weit entfernten Geschäftspartnern, die sich in Daten ausdrückt und eine Flut von Informationen erzeugt, müssen Unternehmen stärker in Wechselwirkun-gen denken, da einfache Kausalitäten nicht mehr stimmen. „Wir erleben Gesell-

schaft digital, müssen aber analog in ihr leben“, sagte Nassehi und ergänzte: „Nati-onalismus ist fast immer Ausdruck von Anpassungsproblemen an die Digitalisie-rung. In der Wirtschaft äußert sich dieser Nationalismus in Protektionismus.“

Nassehi empfiehlt Unternehmen, eine digitale Strategie zu entwickeln, die nicht allein elektronische Datenverarbeitung, sondern auch gesellschaftliche Prozesse

berücksichtigt. Dabei sieht er in Big Data in erster Linie eine Datensammlung, doch es komme darauf an, mit Menschen ana-log in Kontakt zu treten. „Wenn wir die digitale Information über den anderen auf den Tisch legen, haben wir das Tren-nende betont und können kein Vertrauen aufbauen“, gab Nassehi zu bedenken. Er hält es für erforderlich, digitale Informa-tionen in analoge Muster zu übersetzen.

Analoge Risiken berücksichtigen

Die zunehmende Digitalisierung der Kommunikation im Internet hat die Ge-sellschaft in weiten Teilen der Welt über-fordert, meinte Nassehi. Terroristen zerstö-ren durch analoge Bilder ihrer Gräueltaten Vertrauen in die Stabilität der Gesellschaft. Auch Russland hat durch seine autoritäre Politik und die Intervention in der Ukraine Vertrauen zerstört. In der anschließenden Diskussion warb Nassehi für Investitionen in die Bildung und die Beschäftigung der jungen Menschen in den Risikoregionen, um Vertrauen in die liberale Demokratie und die ökonomischen Potentiale der Gesellschaft zu schaffen.

Sprechen Sie Russisch? Dann steht vertrauensbildenden Gesprächen nichts mehr im Weg.

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Gunther SchillingLeitender Redakteur ExportManager, FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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10 | ExportManager | Vernetzen Ausgabe 4 | 13. Mai 2015➤

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Besonders im Russland-Geschäft macht sich der Vertrauensverlust bemerkbar. So berichteten die Referenten des Kongres-ses von negativen Reaktionen auf deut-scher und russischer Seite, die durch die Sanktionen oder die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Russland nicht allein zu begründen sind. Dazu trägt auch ein zunehmender Druck der russischen Regierung bei, die ausländische Beteili-gung an russischen Medien zu reduzieren, personenbezogene Daten physisch nur in Russland zu speichern und die Eigentü-mer von Unternehmen mit Auslandsbe-teiligung offenzulegen.

Grenzen des Informations­ austauschs

Auch in China sind dem Informationsaus-tausch mit dem Ausland Grenzen gesetzt, um politische und wirtschaftliche Ein-flüsse fernzuhalten. Kristin Shi-Kupfer, Wis-senschaftlerin am Mercator Institute for China Studies, erläuterte in Mainz die langfristige Digitalisierungsstrategie der chinesischen Regierung. China beschränkt die digitale Vernetzung mit dem Ausland und die Kommunikation über das Internet im Inland. Dadurch entstehen neue Risi-ken, da Unternehmen zur Lokalisierung gezwungen werden. Gleichzeitig soll die Sammlung technischer und personenbe-zogener Daten im Zuge des Aufbaus einer vernetzten Industrie verstärkt werden.

Christoph Haar, Vizepräsident Business Development & Marketing des Mess- und

Verfahrenstechnikers Schenck Process, sieht geringe Risiken für sein Unter-nehmen, da Informationskanäle und Zulieferer diversifiziert sind und das ent-scheidende Know-how bei wenigen ver-lässlichen Mitarbeitern konzentriert ist. Die Umsetzung der vernetzten Industrie wird aus Sicht von Haar durch den beschränkten Zugang zu den Produkti-onsinformationen der Kunden beispiels-weise in Australien erschwert. Hier fehlt zum Teil das Vertrauen, dem Lieferanten Daten zur Überwachung der technischen Prozesse zugänglich zu machen, die zur vorausschauenden Wartung benötigt werden.

Unternehmen müssen ihre digitale Strate-gie also im Spannungsfeld zwischen einer effizienzsteigernden Vernetzung mit ver-trauenswürdigen Partnern und der Absi-cherung sensibler Unternehmens- und Kundendaten entwickeln. Auch chinesi-sche Technologieunternehmen wie Hua-wei, die einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland machen, kritisieren inzwischen offen die Digitalisierungsstrategie Chinas, da ausländische Kunden fürchten, dass Daten nach China fließen, berichtete Shi-Kupfer.

„Nationalismus ist fast immer Aus-druck von Anpassungsproblemen an die Digitalisierung. In der Wirt-schaft äußert sich dieser Nationalis-mus in Protektionismus.“

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Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

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Geschäftsleitung und besuchte die Baustellen. Die Zukunftsperspektiven des Unternehmens ohne Vergangenheit überzeugten

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12 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

Flexible Finanzierungen für Exporte nach Serbien

Serbien ist ein Land mit dynamischer Unternehmenskultur, einem breitgefächerten Mix an ehemaligen Staatsbetrieben und einem vergleichsweise jungen Mittelstand. Nach der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr will das Land wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden. Wer die daraus entstehenden Marktchancen nutzen will, braucht bei der Exportfinanzierung kreative Lösungsansätze.

Nach dem verheerenden Jahrhundert-hochwasser im Frühjahr 2014 befindet sich Serbien wieder auf Erholungskurs. Damals wurden nicht nur Gebäude, Stra-ßen und andere Infrastruktureinrichtun-gen von den Wassermassen teils schwer beschädigt. Insbesondere in landwirt-schaftlichen Betrieben waren die wirt-

schaftlichen Folgeschäden hoch, weil die Überschwemmung von Obstplantagen und Ackerland sowie der Tod von Nutztie-ren durch Ertrinken herbe Produktions-ausfälle nach sich zogen. Dank internatio-naler Hilfe und eigener Bemühungen gelang es jedoch, die Aufräumarbeiten nach der Flut schnell in Gang zu bringen.

Dennoch musste das Land, das nach einer Rezession infolge der 2008 ausgebroche-nen Finanzkrise gerade auf dem Weg zur wirtschaftlichen Erholung war, einen wirt-schaftlichen Rückschlag verkraften.

Dass Serbien nach diesem Dämpfer wie-der auf die Erfolgsspur zurückfindet, gilt in Expertenkreisen als sehr wahrscheinlich. Seit dem Ende der Konflikte mit den ande-ren Staaten des ehemaligen Jugoslawiens bemüht sich die Republik Serbien, ihr Gesetzeswesen auf einen modernen Stan-dard zu bringen und sich an die Europäi-sche Union anzunähern. Seit Anfang März 2012 genießt das Land offiziell den Status eines EU-Beitrittskandidaten.

Beliebtes Zielland für Exporteure

In Osteuropa ist Serbien ein beliebtes Zielland für Investoren und Exporteure. Schritt für Schritt werden der Finanz- und der Energiesektor liberalisiert, so dass sich dort für westliche Unternehmen neue Marktchancen eröffnen. Die serbische Industrie ist breit aufgestellt. Bedeutende Wirtschaftszweige sind unter anderem

die Pharmaindustrie, der Maschinen- und Apparatebau, Textilproduzenten, Auto-mobilzulieferer, Baustoffhersteller sowie die Metall- und Holzverarbeitung. Viele Unternehmen aus dem Industrie- und Dienstleistungssektor sind in der pulsie-renden Metropolregion rund um die Hauptstadt Belgrad sowie in den Städten Novi Sad und Niš angesiedelt. Auch die Landwirtschaft hat eine große Bedeu-tung. Der fruchtbare Ackerboden im Nor-den lässt sich für vielfältige Anbaumög-lichkeiten nutzen, während die hügeligen Regionen Zentralserbiens von Obstplan-tagen und Weinbau geprägt sind.

Traditionell pflegt die serbische Wirtschaft intensive Beziehungen zu den geogra-phisch nahe liegenden EU-Staaten Italien und Österreich. Aber auch deutsche Unternehmen sind in Serbien als Wirt-schaftspartner gefragt: Sowohl in der Import- als auch in der Exportstatistik belegt Deutschland als Außenhandels-partner den zweiten Rang hinter Italien. Jährlich werden Wirtschaftsgüter im Gesamtwert von rund 2,2 Mrd USD von Deutschland nach Serbien exportiert.

Lieferungen für die serbische Landwirtschaft benötigen oftmals finanzielle Brücken.

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Dirk Oliver HallerVorstandsvorsitzender, DFT Deutsche Finetrading AG

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13 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 4 | 13. Mai 2015➤

Aufstrebender Mittelstand

Wer als deutscher Unternehmer Waren nach Serbien exportieren will, sollte sich auf die spezifischen Rahmenbedingun-gen einstellen. Weil Serbien noch kein Mitglied der EU ist, sind zunächst einmal die einschlägigen zoll- und ausfuhrrecht-lichen Bestimmungen zu beachten. Eben-falls sollten die für Ausfuhren in Länder außerhalb der Euro-Zone typischen Wechselkursschwankungen des Serbi-schen Dinar im Verhältnis zum Euro berücksichtigt werden.

Darüber hinaus ist Serbien von einer gewissen Zweiteilung der Wirtschaft geprägt: auf der einen Seite die großen und etablierten Unternehmen, die aus den ehemaligen Staatsbetrieben des frü-heren Jugoslawiens hervorgegangen sind, und auf der anderen Seite aufstre-bende mittelständische Betriebe, die erst vor kurzer Zeit gegründet worden sind und die Dynamik der serbischen Unter-nehmenskultur verkörpern.

Gerade bei Lieferungen an den serbi-schen Mittelstand stellt sich für deutsche Exportunternehmen häufig die Frage nach der adäquaten Finanzierung. Gefragt sind hier flexible und individuell zusam-mengestellte Finanzierungspakete, bei denen je nach Situation unterschiedliche Aspekte in Betracht zu ziehen sind:

➤➤ In Abhängigkeit von der Liquidität des belieferten Unternehmens kann für

Warenlieferungen eine Zwischenfi-nanzierung erforderlich sein, die den Zeitraum zwischen Lieferung und Umsatzerzielung mit den eingekauf-ten Produkten abdeckt.

➤➤ Weil Serbien noch kein EU-Land ist, stellen Banken bei der Exportfinanzie-rung möglicherweise andere Anforde-rungen als bei der Finanzierung von Lieferungen in EU-Staaten.

➤➤ Mittelständische Unternehmen, die noch nicht sehr lange am Markt aktiv sind, verfügen oftmals noch nicht über eine Bonitätshistorie, die eine Waren-kreditversicherung ermöglicht.

Finetrading­Finanzierung von Nutztierexporten

Seit einiger Zeit ist die DFT AG als Finan-zierungsgeber in Serbien aktiv und hat dabei die Erfahrung gemacht, dass ange-sichts der großen Vielfalt an unterneh-merischen Strukturen oftmals kreative Finanzierungslösungen gesucht werden müssen. So galt es bei einem Export-geschäft, den Erwerb von Nutztieren zu finanzieren – allerdings konnte der Importeur noch keine Bonitätseinstu-fung vorweisen, die eine Direktfinan-zierung aus Deutschland ermöglicht hätte. Als Finanzierungspartner konnte ein in Serbien ansässiger Fleischkonzern gewonnen werden, der die Zuchttiere und die Stallausrüstung für seine Partner-betriebe importierte und den Zucht-betrieben eine Inlandsfinanzierung zur Verfügung stellte.

Die Refinanzierung des Exportes erfolgte über ein Finetrading-Geschäft, bei dem die Lieferung vom Finetrading-Anbieter erworben und direkt im Anschluss an den serbischen Fleischkonzern weiterveräu-ßert wurde. Als Finanzierungskompo-nente wurde dabei das unterschiedliche Zahlungsziel für Exporteur und Abneh-mer eingesetzt: Während der in Deutsch-land ansässige Exporteur sofort das Geld erhielt, wurde dem Abnehmer in Serbien ein Lieferantenkredit mit mehreren Mona-ten Laufzeit gewährt, so dass dieser die Kreditvergabe an seine Partnerbetriebe gegenfinanzieren konnte.

Maßgeschneiderte Finanzierung für Maschinenleasing

In einem anderen Fall wollte eine in Ser-bien ansässige Leasinggesellschaft ihr Geschäft weiter ausbauen und aus Deutschland importierte Investitionsgü-ter wie beispielsweise Landmaschinen oder industrielle Produktionsanlagen an serbische Nutzer verleasen. Die Dauer der Leasinggeschäfte sollte je nach Kunden-wunsch und finanziertem Investitionsgut bis zu acht Jahre betragen, wobei sich der Leasinggeber beim Import ein Gesamtpa-ket aus Warenlieferung und Refinanzie-rung wünschte.

Um den bürokratischen Aufwand beim Import und bei der Finanzierung der Warenbestellungen bei verschiedenen Herstellern in Deutschland zu minimieren, bot sich die Einschaltung eines General-

exporteurs an. In dieser Funktion bün-delte die DFT AG den Einkaufsbedarf der Leasinggesellschaft zu einem Gesamtpa-ket inklusive der Vermittlung eines Finan-zierungsvertrags. Gegenüber den deut-

schen Lieferanten des Leasinggebers konnte der Generalexporteur damit als Inlandskunde auftreten, so dass sich die Lieferanten bei der Abwicklung ihrer Ein-zelaufträge nicht mit den Formalitäten des Serbien-Exportes zu beschäftigen brauchten.

Die Beispiele zeigen: Wer bei Exportge-schäften mit Kunden aus Serbien eine passende Finanzierung mit anbieten möchte, stößt mit Standardlösungen schnell an seine Grenzen. Kommen hinge-gen innovative Finanzierungsmodelle zum Einsatz, die an die individuelle Situa-tion angepasst sind, können Exportunter-nehmen ihren Kunden in Serbien nicht nur maßgeschneiderte Importfinanzie-rungen mit anbieten, sondern auch neue Märkte in einem osteuropäischen Land mit dynamischer Unternehmenskultur erschließen.

„Gerade bei Lieferungen an den serbischen Mittelstand stellt sich für deutsche Exportunternehmen häufig die Frage nach der adäquaten Finanzierung. “

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14 | ExportManager | Finanzieren Ausgabe 4 | 13. Mai 2015➤

Komplexität reduzieren bei Exportakkreditiven

In Lörrach im Schwarzwald entstehen bei der Boschert GmbH & Co. KG seit 70 Jahren Blechbearbeitungsmaschinen für Kunden in der ganzen Welt. Die Firma verfügt heute über mehr als 50 eigene Patente, z.B. für Ausklink- und Stanzmaschinen. Das Wachstum des Unternehmens und auch das zunehmende Exportgeschäft erhöhen aber auch den organisatorischen Aufwand. Die Einbindung eines externen Dienstleisters zur Abwicklung des Exportgeschäfts kann entscheidend zur Prozesssicherheit beitragen.

Die Abnehmer der Blechbearbeitungsma-schinen der Firma Boschert kommen aus der ganzen Welt. Die Absicherung gegen Zahlungsausfälle und weitere Risiken bei diesen Exportgeschäften erfolgt dabei unter anderem durch den Einsatz von Exportakkreditiven. Aufgrund des Wachs-tums im Außenhandel beispielsweise nach Algerien nimmt auch das Akkreditiv-geschäft und damit der organisatorische Aufwand bei der Abwicklung zu.

Damit die Firma Boschert den vereinbar-ten Kaufpreis erhält, muss sie die Form- und Terminvorschriften der allgemeinen Richtlinien für Dokumentenakkreditive (ERA) strikt einhalten. Eine weitere Her-ausforderung ist die termingerechte Koordination der Dokumentenerstellung von Dritten wie z.B. Speditionen oder Ver-sicherungen.

Know­how für die Abwicklung

Um das wachsende Exportgeschäft mit dem bestehenden Personal abwickeln zu können, werden alle für ein Exportakkre-ditiv nötigen Dokumente durch eine Bank

erstellt bzw. besorgt. Dabei umfasst der Service auch die Einholung und Prüfung von Dokumenten bei weiteren Handels-partnern, wie Spediteuren, Versicherun-gen oder der IHK. Werden im Zusammen-hang mit dem Exportgeschäft zusätzlich Garantien benötigt, übernimmt die Bank auch die Erstellung von Mustertexten, die

Textprüfung und schließlich die Ausstel-lung der Garantien.

Durch das so genutzte Know-how werden operative Risiken deutlich reduziert, der Zahlungseingang beschleunigt. Boschert profitiert dabei von einem sicheren Zah-lungseingang und vermeidet zusätzliche

Gebühren der Auslandsbanken für mögli-che Unstimmigkeiten.

Global Trade Management

Das Global Trade Management der Deut-schen Bank ist ein unter anderem auf die Dokumentenerstellung für Akkreditive spezialisierter Service mit verschiedenen Bausteinen. So unterstützt die Bank auf Wunsch bereits im Vorfeld eines Export-auftrags durch die Formulierung von Zah-lungsbedingungen, die Ausarbeitung von Mustertexten für Garantien oder durch die Einholung und Erstellung aller für die Bedienung eines Akkreditives notwendi-gen Dokumente. Ein Online-Tracking-Modul bietet zusätzlich zusammenge-fasste Informationen wie Berichte und Benachrichtigungsfunktionen z.B. zur Akkreditivabwicklung.

Für Kunden wie die Boschert GmbH & Co. KG bleibt so mehr Zeit für das Wesentliche – die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb ihrer weltweit gefragten Maschi-nen.

Mehr Zeit für das Wesentliche bei der Boschert GmbH & Co. KG.

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15 | ExportManager

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16 | ExportManager | Liefern Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

Baldiges Ende des Iran-Embargos?

Am 02. April 2015 kam es in Lausanne zu einem Joint Statement des EU-Repräsentanten und Irans, mit dem Eckpunkte eines Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) verkündet wurden. In der Presse ist dies so ausgelegt worden, als ob in Kürze das Ende des Iran-Embargos ansteht. Was wurde vereinbart, und welche Auswirkungen auf die Exportpraxis wird dies haben? Und wie kann man sich davor schützen, von NGOs der USA auf schwarze Listen gesetzt zu werden?

Fall 1

Die Firma D1 in Deutschland möchte gern Ausrüstung für die Exploration und För-derung von Erdöl/Erdgas sowie kerntech-nische Materialien (z.B. bestimmte Falten-balgventile) in den Iran liefern. Nachdem ihr Exportanwalt darauf hingewiesen hat, dass für diese Güter wegen Listung auf Anhang VI bzw. II der VO 267/2012 ein Exportverbot besteht, gibt sie diesen Plan

vorläufig auf. Sie möchte jetzt wissen, wann diese Lieferverbote voraussichtlich aufgehoben werden.

Fall 2

Die Firma D2 in Deutschland möchte nicht gelistete Güter an nicht gelistete Personen in den Iran liefern. D2 hat aber Angst davor, von einer amerikanischen NGO auf eine schwarze Liste gesetzt zu

werden, die weltweit im Internet einseh-bar ist. Was kann sie tun, um sich vor sol-chen Schäden für ihre Reputation zu schützen?

Zum Joint Statement vom April 2015

In Lausanne kamen die Außenminister der E3+3 Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China, Russland, USA), der Hohe Repräsentant der EU und der Außen-minister Irans überein, dass die Eckpunkte des bis zum 30. Juni 2015 zu verhandeln-den JCPOA voraussichtlich folgende sind:

Der Iran hat zugestimmt,

➤➤ seine Urananreicherungszentrifugen um zwei Drittel zu verringern, von 19.000 auf 6.104 (nur IR-1-Zentrifugen der ersten Generation), und keine neuen Anreicherungsanlagen für die nächsten 15 Jahre zu bauen,

➤➤ kein Uran über 3,67% für die nächsten mindestens 15 Jahre anzureichern und die vorhandene Menge von ca. 10.000 kg niedrig angereicherten

Urans auf 300 kg innerhalb der nächs-ten 15 Jahre zu reduzieren,

➤➤ alle nicht mehr benötigten Zentrifu-gen und die Anreicherungsinfrastruk-tur in Lager unter Überwachung der IAEO (Internationale Atomenergie- Organisation) zu stellen,

➤➤ die vom Iran benötigte Zeit für den Erwerb von genügend Spaltstoffen für eine Bombe auf mindestens ein Jahr (von derzeit zwei bis drei Monaten) anzu heben,

➤➤ seine Anlage in Fardow so umzurüs-ten, dass sie während der nächsten 15 Jahre nicht für die Anreicherung von Uran gebraucht werden kann,

➤➤ die einzige Urananreicherung in der Anlage Natanz stattfinden zu lassen, während der nächsten zehn Jahre aber nur mit 5.060 IR-1-Anlagen der ersten Generation, während die vor-handenen Anlagen entweder unter IAEO-Aufsicht gestellt oder für friedli-che Zwecke genutzt werden,

Morgenstimmung in Lausanne – für Euphorie im Iran-Geschäft ist es noch zu früh.

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PD Dr. Harald HohmannRechtsanwalt,Hohmann Rechtsanwälte

info@hohmann- rechtsanwaelte.com

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17 | ExportManager | Liefern Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

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➤➤ die Schwerwasseranlage in Arak so umzurüsten, dass sie kein waffenfähi-ges Plutonium herstellen kann, und keine weiteren Schwerwasserreakto-ren während der nächsten 15 Jahre zu bauen,

➤➤ der IAEO regelmäßigen Zugang zu allen Nuklearanlagen Irans einzuräu-men, einschließlich zur jetzigen bzw. früheren Anreicherungsanlage Natanz bzw. Fardow,

➤➤ den IAEO-Inspektoren für 20 bzw. 25 Jahre im Iran Zugang zu den Uran-minen und Uranfabriken für die Her-stellung gelben Uranoxids, zu Zentri-fugenrotoren und der Zentrifugen-herstellung und der gesamten Lieferkette für Irans Nuklearprogramm einzuräumen, um so Abzweigungen für ein geheimes Programm zu ver-hindern,

➤➤ das IAEO-Zusatzprotokoll umzusetzen, das Zugangsrechte und Informations-pflichten verstärkt, der IAEO Zugang zu verdächtigen Anlagen zu erlauben, die IAEO im Fall des Baues neuer Anla-gen frühzeitig zu unterrichten und die Bedenken der IAEO wegen militäri-scher Implikationen ihres Programms zu berücksichtigen,

➤➤ einen dezidierten „Kaufkanal“ für Irans Nuklearprogramm einzurichten, so dass jeder Verkauf an bzw. jede Liefe-rung in den Iran von Nuklearmateria-

lien und ihren Dual-Use-Gütern von einer Einzelfallprüfung abhängt.

Im Gegenzug haben die EU und die USA zugestimmt,

➤➤ ihre Embargos aufzuheben, falls die IAEO bestätigt, dass der Iran alle seine genannten Verpflichtungen erfüllt, die Embargos aber wieder einzuführen, falls der Iran auch nur eine dieser Ver-pflichtungen nicht erfüllt, wobei die USA ihr Iran-Embargo bzgl. Terroris-mus, Menschenrechtsverletzungen und Raketenprogrammen sowie die EU ihres bzgl. Menschenrechtsverlet-zungen beibehalten werden,

➤➤ über eine neue UN-Sicherheitsratsre-solution das Embargo bzgl. nuklear-relevanter Güter und Technologien aufrechtzuerhalten und den genann-ten „Kaufkanal“ für Irans Nuklear-programm sowie die Umsetzung der Verpflichtungen nach dem JCPOA abzusichern; zusätzlich soll ein Streit-beilegungsverfahren eingerichtet werden, um Unstimmigkeiten über die Erfüllung dieser Pflichten lösen zu können.

Zu erwartende Umsetzung der künftigen Vereinbarung

Allerdings ist nicht zu erwarten, dass im Fall eines endgültigen Vertragsabschlus-ses bis zum 30. Juni 2015 das EU- und das US-Embargo gegen den Iran bereits zum

Juli 2015 aufgehoben werden können. Vielmehr gilt es, noch eine weitere Über-gangszeit abzuwarten, die wie folgt aus-sehen könnte:

➤➤ Wenn es ein Abkommen bis zum 30. Juni 2015 gibt, werden die jetzigen Erleichterungen (vgl. VO 42/2014) um einige Monate verlängert.

➤➤ Der US-Kongress benötigt mindestens ein bis zwei Monate für die Prüfung/Billigung dieses Abkommens.

➤➤ Der Iran braucht Zeit, um das Ganze technisch umzusetzen.

➤➤ Es muss einige Zeit vergehen, damit die IAEO prüfen kann, ob der Iran seine Verpflichtungen umsetzt.

➤➤ Danach ist eine Aufhebung des größ-ten Teils des Embargos evtl. Ende März/April 2016 möglich.

Allerdings werden voraussichtlich die nuklearrelevanten Verbote und Genehmi-gungspflichten (also etwa die jetzigen Anhänge II und III) weiter bestehen blei-ben, ebenso die personenbezogenen Verbote, die wegen Involvierung in den Nuklearhandel ausgesprochen wurden.

Zu Fall 1

Dass am 07. April 2015 eine Änderungs-VO zu Personenlistungen Irans (VO 2015/548) bekanntgegeben wurde, wel-

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18 | ExportManager | Liefern Ausgabe 4 | 13. Mai 2015➤

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che auf jeden Fall bis zum 13. April 2016 gelten wird, zeigt, dass nicht alle Sanktio-nen sofort aufgehoben werden sollen. Sofern es tatsächlich zum Abschluss eines Abkommens bis zum 30. Juni 2015 kommt, könnte eine Abschaffung der Güterver-bote nach Anhang VI frühestens zwischen Januar 2016 und April 2016 eintreten. Auch dies setzt voraus, dass der Iran seine Verpflichtungen unverzüglich erfüllt und die IAEO dies auch bescheinigt. Anders sieht es mit der Lieferung kerntechnischer Materialien (z.B. Faltenbalgventile) nach Anhang II aus. Hier ist eher davon auszu-gehen, dass dieses Verbot bestehen blei-ben wird.

Zu Fall 2

In Japan erfuhr der Autor dieses Beitrags, dass praktisch keine japanische Firma mehr mit dem Iran handelt. Dieser Um-stand fußt weniger auf dem Iran-Embargo, sondern resultiert eher aus der Angst, dass sie von US-NGOs wie UANI (United

Against Nuclear Iran) auf deren schwarzer Liste im Internet aufgeführt werden könn-ten. Es ist in der Tat bedenklich, dass viele führende Hersteller (in Deutschland ca. 100, von Audi bis ZF Friedrichshafen) auf dem „Iran Business Registry“ von UANI stehen. Nach unserer Erfahrung bestehen durchaus Chancen, eine solche Eintra-gung auf einer schwarzen Liste abzuweh-ren. Hierfür ist es wichtig zu wissen, dass solche NGOs gut vernetzt sind bis in die höchsten US-Politiker-Kreise und dass sie für sich in Anspruch nehmen, „politisch korrekt“ zu handeln, was zu einem gewis-sen „Überengagement“ ihres Auftrags führen kann. Hier gilt es, ruhig zu bleiben, zu argumentieren, dass man ebenfalls das Iran-Embargo der EU und der USA einhal-ten will und dass man daher bestimmte Schritte zur Compliance mit diesen Embargos ergriffen hat. Nur wenn man sich hierbei entsprechende Mühe gibt, Überzeugungsarbeit zu leisten, bestehen Chancen, nicht gelistet zu werden oder wieder von einer solchen Liste entfernt zu werden.

Resümee

Da der Grund für das Iran-Embargo allein die nuklearen und militärischen Risiken Irans sind, war es höchste Zeit, nach einem Fast-Total-Embargo, das in der Praxis nur bedingt effektiv sein kann, endlich wieder die Diplomaten sprechen zu lassen. Das Joint Statement lässt den Schluss zu, dass die zu erwartende Vereinbarung ein aus-gewogenes Dokument sein wird, weil es

die Verpflichtungen Irans mit entspre-chenden Überprüfungsmechanismen verbinden wird, durch die Transparenz hergestellt wird, ob Iran seinen Verpflich-tungen nachkommt oder nicht; auch der Streitbeilegungsmechanismus ist hierfür sinnvoll. Und es ist von daher nur konse-quent, dass die EU und die USA bereit sind, ihre Iran-Embargos fast vollständig aufzuheben, falls der Iran tatsächlich sei-nen Verpflichtungen nachkommt.

Sofern es bis zum 30. Juni 2015 wirklich zum Abschluss eines Abkommens kommt und der Iran seine Aufgaben erfüllt, beste-hen Chancen, dass die meisten Embargo-pflichten ca. zum März 2016 aufgehoben werden. Übrig bleiben würde dann nur ein Iran-Embargo, das auf sein nukleares Restrisiko zurechtgestutzt sein wird: Ver-bote/Genehmigungspflichten für den Handel mit Nuklearmaterialien und Perso-nenlistungen wegen illegalen Handels mit Nuklearmaterialien. Es wäre das Beste für die deutsche und die iranische Wirt-schaft, wenn diese Vision ab ca. März/April 2016 tatsächlich Realität würde.

„Ob sich dann auch das Risiko schwarzer Listungen durch US-NGOs erledigt, bleibt abzuwarten; auf jeden Fall bestehen für betroffene Firmen Chancen, sich gegen eine solche Listung zu wehren.“„Sofern es bis zum 30. Juni 2015

wirklich zum Abschluss eines Abkommens kommt und der Iran seine Aufgaben erfüllt, bestehen Chancen, dass die meisten Embargo-pflichten ca. zum März/April 2016 aufgehoben werden; selbst dann würde ein Iran-Embargo v.a. für Nuklear materialien bestehen bleiben.“

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19 | ExportManager | Liefern Ausgabe 4 | 13. Mai 2015

TIR-Verfahren bleibt in Russland vorerst anwendbar

Die Nutzung des TIR-Verfahrens (Transports Internationaux Routiers) in Russland stellt ausländische Transporteure in letzter Zeit vor Herausforderungen. So fordert die russische Zollverwaltung seit September 2013 neben dem Zolldokument Carnet TIR eine zusätzliche Sicherheit. Nun hat Russland die Vereinbarung mit dem nationalen Garantieverband ASMAP wenige Tage vor ihrem Auslaufen verlängert und damit die Anwendbarkeit des TIR-Verfahrens bis Ende Juni 2015 gesichert.

Das 1959 ins Leben gerufene TIR-Verfah-ren ist für die deutsche und europäische Exportwirtschaft von erheblicher prakti-scher Bedeutung. Mit dem internationa-len Versandverfahren können Waren zwi-schen den Vertragsstaaten des TIR-Über-einkommens vom 14. November 1975 zollfrei durchgeführt und unter verein-fachter Zollabfertigung befördert werden.

Bei der Überführung der Ware in das TIR-Verfahren im Abgangsland wird das inter-

nationale Zolldokument Carnet TIR aus-gestellt. Der Fahrer bzw. die Fahrerin des Lastzuges führt die Ware unter Vorlage des Zolldokuments unterwegs an den jeweiligen Eingangs- und Durchgangs-zollstellen vor, wo allerdings nur einge-schränkte Prüfungen, vor allem der Gül-tigkeit des Carnet TIR und der Zollver-schlüsse, stattfinden. Zugleich fungiert das Carnet TIR als Nachweis über die Sicherheitsleistung.

Zu den 68 Vertragsparteien, von denen 58 das Abkommen derzeit anwenden, zählen die Europäische Union (EU), ihre Mit-gliedsstaaten und seit 1982 auch die Rus-sische Föderation.

Die künftige Anwendbarkeit des Ver-sandverfahrens Carnet TIR im Warenver-kehr mit Russland erschien allerdings zuletzt ungewiss, nachdem Ende Februar 2015 die Bürgschaftsvereinbarung mit dem russischen Garantieverband ASMAP auszulaufen drohte. Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b) des TIR-Übereinkommens von 1975 ist eine entsprechende Sicherheit Vorausset-zung für die Anwendbarkeit des Carnet-Verfahrens. Der Bürgschaft kommt eine zentrale Rolle zu, weil der Bürgschaftsver-band gemäß Art. 8 Abs. 1 des TIR-Überein-kommens für eventuelle Zollschulden aufgrund von Unregelmäßigkeiten wäh-rend des Versandverfahrens einsteht. Nur wenige Tage vor Auslaufen der alten Vereinbarung verlängerte der Föderale Zolldienst der Russischen Föderation (FCS RF) schließlich die Garantievereinbarung, wenn auch nur bis zum 30. Juni 2015.

Bereits zuvor hatte die russische Regie-rung mit der Forderung einer zusätzli-chen Sicherheit neben dem Carnet TIR für Aufsehen gesorgt. Nach Angaben des Deutschen Speditions- und Logistikver-bands (DSLV) wird seitdem für Einfuhren an 95% der russischen Zollämter eine zusätzliche Sicherheit verlangt. Einzig bei der Einfuhr über die Zollbezirke Vyborg, Karelien und Murmansk der Zollverwal-tung Nord-West kann das Carnet TIR ohne zusätzliche Sicherheit benutzt werden. Bereits dies weckte Zweifel an der Zukunft des Verfahrens in Russland – schließlich dient das Carnet TIR nicht nur als Zolldo-kument, sondern gerade auch als Beleg über eine ausreichende Sicherheitsleis-tung.©

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Adrian Loets, LL. M.Rechtsanwalt, Graf von Westphalen

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Dr. Lothar HaringsRechtsanwalt und Partner,Graf von Westphalen

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Russland fordert weitere Sicherheiten und setzt auf elektronische TIR-Verfahren.

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Deutliche Kritik am TIR­Verfahren durch Russlands Zollchef

Auf einer Informationsveranstaltung am 24. März 2015 vor Mitgliedsunternehmen des DSLV in den Räumen des russischen Konsulats in Bonn erneuerte der Leiter des FCS RF, Andrey Belyaninov, seine Kritik am gegenwärtigen TIR-System. Durch das in Papierform geführte Carnet TIR sei das System ineffizient, teuer und nicht mehr zeitgemäß. Mittlerweile stünden kosten-günstigere elektronische Systeme zur Ver-fügung, die sich für den Straßengüterver-kehr besser eigneten. Russland strebe deshalb die Einführung eines elektroni-schen Sicherungssystems an und werde dieses auch im Zuge der Neuausschrei-bung für einen geeigneten Garantiever-band berücksich tigen. Solche Systeme verwende man bereits im Straßengüter-verkehr mit den Mitgliedern der von Russ-land initiierten Eurasischen Zollunion. Ähnliche Systeme wolle man in Zukunft auch für den Transport aus anderen Län-dern anwenden.

Die Verlängerung des Garantievertrages in „letzter Minute“ und die harsche Kritik des obersten russischen Zöllners tragen nicht unbedingt zur Vertrauensbildung bei. Allerdings könnte die Diskussion auch

neuen Schwung in die zuletzt äußerst schleppenden Fortschritte bei der Einfüh-rung des elektronischen Carnet-TIR-Ver-fahrens bringen. Bereits im Jahr 2003 hatte die mit der Verwaltung des TIR-Übereinkommens von 1975 betraute Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) ein entspre-chendes Projekt unter dem Namen „eTIR“ ins Leben gerufen. Neben einer Vereinfa-chung des Versands verspricht man sich auch verbesserte Möglichkeiten der Risi-koanalyse und des Vorgehens gegen Zoll-betrügereien. Die Transportwirtschaft dürfte ebenfalls von einer zügigeren und unkomplizierteren Bearbeitung, wie sie im innereuropäischen Verkehr bereits Standard ist, profitieren.

Ein flächendeckendes elektronisches TIR ist weit entfernt

In der Tat hat sich in letzter Zeit wenig beim eTIR bewegt: Im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) findet zwar seit dem 1. Januar 2009 die elektronische Datenübermitt-lung über das New Computerized Transit System (NCTS) statt. Im Verkehr mit Dritt-staaten wie Russland sind die Formalitä-ten an den Durchgangs- bzw. Bestim-mungszollstellen dagegen nach wie vor ausschließlich auf dem Papierdokument vorzunehmen. Bis zur Einführung eines flächendeckenden Systems ist es noch ein weiter Weg. Noch immer wird auf „Arbeits-ebene“ in der dem UNECE-Verwaltungsrat vorgeschalteten Arbeitsgruppe für Zoll-

fragen des Verkehrs („Working Party.30“) an einem „Referenzmodell“ des eTIR gear-beitet. Die aktuellste Version 4.1a wurde nach der jüngsten Sitzung im Februar 2015 in Genf herausgegeben. Erst nach Abschluss dieses Prozesses kann der für die Einführung notwendige Änderungs-prozess des TIR-Übereinkommens durch den UNECE-Verwaltungsrat initiiert wer-den (vgl. Art. 59 TIR-Übereinkommen).

Iranisch­türkisches Pilotprojekt könnte demnächst starten

Fortschritte gibt es dagegen bei der Erprobung einzelner Elemente des eTIR in drei Pilotprojekten zwischen Italien und der Türkei, der Türkei und dem Iran und zwischen Georgien und Kirgistan. Das tür-kisch-italienische Pilotprojekt betrifft etwa den elek tronischen Austausch zwi-schen den Zollbehörden zur Risikoanalyse sowie eine automatische Überprüfung der Bürgschaften durch den türkischen Garantieverband TOBB. Am weitesten wird das iranisch-türkische Projekt gehen, das in einem eng begrenzten Rahmen eine vollkommen papierlose Abwicklung testen soll. Auch dieses Projekt ist noch nicht angelaufen, allerdings haben sich UNECE und die International Road Trans-port Union (IRU) am 24. März 2015 in einem nicht veröffentlichten Memoran-dum of Understanding (MoU) über die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen an diesem Pilotprojekt verständigt. Ein genauer Starttermin steht aber noch nicht fest.

Weitere Verlängerung der russischen Garantievereinbarung wahrscheinlich

Obwohl die Einführung des eTIR noch auf sich warten lassen wird, ist nicht damit zu rechnen, dass Russland seine Beteili-gung am TIR-Verfahren auslaufen lassen wird. Ungeachtet seiner altmodisch anmutenden Form ist das TIR-Verfahren eine Erfolgsgeschichte und bleibt für den internationalen Warenverkehr unverzicht-bar. Mit derzeit 68 Unterzeichner- bzw. 58 aktiven Anwenderstaaten ermöglicht das TIR-Verfahren zollfreie Durchfuhren in einer Vielzahl von Staaten in Europa, Asien, Nordafrika und dem Nahen und Mittleren Osten. Auch Herr Belyaninov beeilte sich, nicht das nahende Ende des Carnet-TIR-Verfahrens in Russland herbei-zubeschwören: In Zukunft werde eine Anwendung des Carnet-TIR-Verfahrens in Russland weiterhin möglich sein. Aller-dings werde es daneben alternative Sicherungssysteme geben, die insbeson-dere beim Versand von höherwertigen Waren angewendet werden sollen. Die Forderung einer zusätzlichen Sicherheit ist bislang nicht offiziell zurückgenom-men worden, wird aber laut DSLV jeden-falls bei Einfuhren nach Russland über Weißrussland oder Kasachstan im Augen-blick nicht mehr verlangt. Es muss bei der Nutzung des TIR-Verfahrens in Russland also weiter mit Komplikationen und Über-raschungen gerechnet werden.

„Die Diskussion könnte neuen Schwung in die zuletzt äußerst schleppenden Fortschritte bei der Einführung des elektronischen Carnet-TIR-Verfahrens bringen. “

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