FABULE

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SAMMLUNG TUSCULUM Wissenschaftliche Beratung: Gerhard Fink, Niklas Holzberg, Joachim Latacz, Rainer Nickel

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FABULE

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  • S A M M L U N G T U S C U L U M

    Wissenschaftliche Beratung:

    Gerhard Fink, Niklas Holzberg, Joachim Latacz, Rainer Nickel

  • S O P

    FABELN

    Griechisch-deutsch

    Herausgegeben und bersetzt von Rainer Nickel

    Artemis & Winkler

  • Titelvignette: sop als Professor mit Zuhrern und einem Schreiber.

    Aus der Oktavausgabe des Esopus moralisatus, herausgegeben von Manfredus Bonellis, Venedig 1491

    Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek

    Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

    detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

    2005 Patmos Verlag GmbH & Co. K G Artemis & Winkler Verlag, Dsseldorf/Zrich

    Alle Rechte vorbehalten. Druck und Verarbeitung: Pustet, Regensburg

    ISBN 3-7608-1744-0 www.patmos.de

  • INHALT

    TEXT UND BERSETZUNG 8

    A N H A N G

    Zum Text 229 Anmerkungen 231 Einfuhrung 263 Literaturhinweise 267 Register 269

  • SOP FABELN

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  • FABELN DES SOP 1-231 der Collectio Augustana

    I. D E R A D L E R U N D D E R F U C H S

    Adler und Fuchs schlossen Freundschaft miteinander. Sie entschieden sich, nahe beieinander zu wohnen. Das gemein-same Leben sollte die Vertrautheit festigen. Der Adler flog auf einen sehr hohen Baum und brtete dort seine Jungen aus; der Fuchs kroch in ein darunter liegendes Gebsch und brachte dort seine Kinder zur Welt.

    Aber eines Tages ging der Fuchs auf Nahrungssuche. Da stie der Adler, weil er kein Futter hatte, in das Gebsch hinab, raubte die Jungen und verzehrte sie gemeinsam mit sei-nen eigenen Jungen.

    Als der Fuchs zurckkam und sah, was passiert war, war er ber den Tod seiner Kinder genauso verbittert wie ber seine Hilflosigkeit; denn weil er am Boden lebte, konnte er einen Vogel nicht verfolgen. Deshalb trat er von dem Baum weit zu-rck und verfluchte den Feind, was den Schwachen und Machtlosen als einzige Mglichkeit bleibt.

    Doch es traf sich, dass er auf die Bestrafung fr den Verrat der Freundschaft nicht lange warten musste. Denn als irgend-welche Leute auf dem Feld eine Ziege opferten, stie der Adler herab, nahm vom Altar ein noch glimmendes Stck der Ein-geweide des Opfertieres und trug es zu sich hinauf Als er es in sein Nest geschafft hatte, kam pltzlich ein heftiger Wind auf und entfachte aus dem leichten und drren Reisig eine heile Flamme. Daraufhin verbrannten die Jungen - denn sie waren noch nicht flgge - und fielen auf die Erde. Der Fuchs lief her-bei und verzehrte sie alle vor den Augen des Adlers.

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  • DIE FABELN

    Die Geschichte lehrt, dass diejenigen, die die Freundschaft verraten, auch wenn sie der Bestrafung durch die Geschdig-ten entgehen, weil diese dazu nicht in der Lage sind, der Ra-che der Gtter auf keinen Fall entkommen.

    2. DER ADLER, DIE D O H L E U N D DER HIRTE

    Ein Adler stie von einem hohen Felsen hinab und raubte ein Lamm. Eine Dohle sah ihm dabei zu und wollte es ihm gleichtun. Daraufhin flog sie mit rauschenden Flgeln auf den Rcken eines Widders. Aber ihre Krallen verfingen sich in seinem dichten Fell. Sie kam nicht mehr los und flatterte so lange, bis der Hirte, der sah, was geschah, eilig herkam und die Dohle fing. Dann stutzte er ihr die Flgel, und als der Abend kam, brachte er sie seinen Kindern. Als sie frag-ten, was das fr ein Vogel sei, erwiderte er: Wie ich mit Si-cherheit wei, ist es eine Dohle, wie sie es sich aber wnscht, ein Adler.

    So bringt der Wettstreit mit berlegenen auer der Erfolglo-sigkeit und dem Schaden auch noch Spott ein.

    3- DER ADLER U N D DER MISTKFER

    Ein Adler verfolgte einen Hasen. Er fand aber niemanden, der ihm htte helfen knnen. Da sah er einen Mistkfer, der ihm im rechten Augenblick begegnete, und bat ihn um Hilfe. Der aber sprach ihm Mut zu, als er den Adler heran-fliegen sah; er forderte diesen auf, ihm seinen Schtzling nicht wegzunehmen. Der Adler aber verachtete die Kleinheit des Mistkfers und fra den Hasen vor dessen Augen auf. Der Mistkfer aber verga das erlittene Unrecht nicht und beobachtete fortwhrend den Adlerhorst, und jedes Mal, wenn der Adler Eier legte, kam der Mistkfer nach oben, wlzte die Eier aus dem Nest und lie sie zerbrechen, bis der

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  • DIE FABELN

    Adler, der nirgendwo mehr einen Platz zum Brten fand, bei Zeus Zuflucht suchte - ist er doch der heilige Vogel des Got-tes - und ihn bat, ihm einen Platz fur eine sichere Aufzucht seiner Jungen zu gewhren. Da lie ihn Zeus seine Eier in seinem Scho legen. Der Mistkfer sah dies, machte eine Kugel aus Mist, flog nach oben und dort angekommen legte er sie Zeus in den Scho. Als Zeus aber aufstand, weil er den Mist von sich abschtteln wollte, lie er aus Versehen auch die Eier fallen. Von der Zeit an - so heit es - brten die Ad-ler nicht, solange die Mistkfer fliegen.

    Die Geschichte lehrt: Man soll niemanden unterschtzen und bedenken, dass niemand so machtlos ist, dass er sich nicht rchen kann, wenn er einmal schlecht behandelt wurde.

    4. D I E N A C H T I G A L L U N D D E R H A B I C H T

    Eine Nachtigall sa auf einer hohen Eiche und sang wie ge-whnlich. Ein Habicht erblickte sie, und da er Hunger hatte, stie er hinab und packte sie. In ihrer Todesangst flehte sie ihn an, sie loszulassen: Sie sei doch gar nicht gro genug, um den Magen des Habichts zu fllen. Er msse sich, wenn er Hunger habe, an grere Vgel halten. Der Habicht aber fiel ihr ins Wort und sagte: Aber ich wre verrckt, wenn ich den Happen, den ich fest in meinen Krallen habe, losliee und etwas verfolgte, was ich noch gar nicht sehe.

    Die Geschichte veranschaulicht, dass es auch unter den Men-schen so Unvernnftige gibt, die in der Hoffnung auf Wert-volleres das, was sie schon in ihren Hnden haben, loslassen.

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    5. D E R S C H U L D N E R A U S A T H E N

    In Athen wurde ein Schuldner von seinem Glubiger aufgefor-dert, seine Schulden zu bezahlen. Zuerst bat er seinen Glubi-ger, ihm noch etwas Zeit zu geben, indem er darauf hinwies, dass er kein Geld habe. Als er den Glubiger aber nicht berre-den konnte, holte er eine Sau - das war sein einziger Besitz -und bot sie in Gegenwart des Glubigers zum Verkauf an. Ein Kauflustiger kam und fragte, ob die Sau auch fhichtbar sei. Der Glubiger erwiderte, sie sei nicht nur einfach finchtbar, son-dem noch dazu auf wunderbare Weise: Am Mysterienfest werfe sie nur weibliche, an den Panathenen nur mnnliche Ferkel. Als der Kauflustige ber diese Worte staunte, fugte der Glubiger hinzu: Wundere dich nicht! Denn an den Diony-sien wird sie dir auch junge Ziegen werfen.

    Die Geschichte veranschaulicht, dass viele um des eigenen Vorteils willen nicht zgern, sogar Unmgliches falsch zu be-zeugen.

    6. D E R Z I E G E N H I R T U N D D I E W I L D E N Z I E G E N

    Ein Hirt hatte seine Ziegen auf die Weide getrieben. Als er sah, dass sie sich unter wilde Ziegen gemischt hatten, trieb er, als es Abend wurde, alle zusammen in seine Hhle. Am nchsten Tag kam ein starkes Unwetter auf, und er konnte die Ziegen nicht wie gewhnlich auf die Weide treiben. Also versorgte er sie in der Hhle. Seinen eigenen Ziegen warf er nur so viel Futter vor, dass sie keinen Hunger bekamen. Den fremden aber gab er mehr, um auch sie zutraulich werden zu lassen. Als aber das Unwetter aufgehrt hatte und er alle wie-der auf die Weide trieb, machten sich die wilden Ziegen da-von und liefen zu den Bergen. Der Hirte warf ihnen ihre Un-dankbarkeit vor: Obwohl sie grere Frsorge erhalten htten, verlieen sie ihn. Da drehten sie sich um und sagten:

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    Aber gerade deswegen sind wir besonders vorsichtig. Denn wenn du uns, die wir dir gestern zugelaufen sind, besser ver-sorgst als die anderen, die schon lange bei dir sind, dann ist es klar, dass du, wenn danach wieder andere zu dir kommen, jene uns wiederum vorziehst.

    Die Geschichte zeigt, dass man sich nicht ber die Freund-schaft von Leuten freuen sollte, die uns als neue Freunde ih-ren alten Freunden vorziehen. Denn wir sollten bedenken, dass sie, wenn unsere Freundschaft in die Jahre kommt und sie anderen ihre Zuneigung schenken, auch jene vorziehen.

    7. D I E K A T Z E A L S R Z T I N U N D D I E H H N E R

    Eine Katze hatte gehrt, dass die Hhner auf einem Bauern-hof krank waren. Sie verkleidete sich als rztin, erschien mit den entsprechenden Hilfsmitteln der rztlichen Kunst und stellte sich vor den Eingang zum Hof Sie fragte die Hhner, wie es ihnen gehe. Die Hhner aber erwiderten: Gut, wenn du dich von hier entfernst.

    So bleiben auch unter den Menschen die Bsen den Vorsich-tigen nicht verborgen, auch wenn sie mit allen Mitteln An-stndigkeit vorspiegeln.

    8. A S O P A U F E I N E R S C H I F F S W E R F T

    Der Fabeldichter sop nahm sich einmal die Zeit und be-suchte eine Schiffswerft. Als aber die Schiffbauer ihn ver-spotteten und ihn zu einer Antwort herausforderten, sagte sop: In alter Zeit hat es nur Chaos und Wasser gegeben; Zeus aber wollte auch die Erde in ihrer Substanz sichtbar werden lassen; er forderte sie deshalb auf, dreimal das Meer auszuschlrfen. Als sie damit angefangen hatte, erschienen zuerst die Berge; nach dem zweiten Schlrfen tauchten auch

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    die Ebenen auf. Wenn es ihr passt und sie noch zum dritten Mal das Wasser austrinkt, wird eure Kunst wertlos sein.

    Die Geschichte veranschaulicht, dass diejenigen, die, ohne es zu merken, berlegene verspotten, durch diese ziemlich groen Schaden erleiden.

    9. D E R F U C H S U N D D E R Z I E G E N B O C K I M B R U N N E N

    Ein Fuchs war in einen Brunnen gefallen. Er blieb zwangs-lufig dort unten, weil er nicht hinaufsteigen konnte. Ein durstiger Ziegenbock trat an eben diesen Brunnen heran. Er sah den Fuchs und fragte, ob das Wasser gut sei. Der Fuchs begrte die Gelegenheit und lobte das Wasser sehr. Er sagte, dass es gut sei, und forderte ihn so denn auch auf her-unterzusteigen. Als er aber unbesorgt hinuntersprang, weil er in diesem Augenblick nur von seiner Gier getrieben war, und als er seinen Durst gelscht hatte und zusammen mit dem Fuchs berlegte, wie sie wieder nach oben kmen, sagte der Fuchs, er habe sich etwas ausgedacht, das ihrer beider Ret-tung dienlich sei. Wenn du nmlich deine Vorderbeine an die Wand stemmen und auch deine Hrner nach oben stre-cken willst, dann werde ich ber deinen Rcken hochsteigen und dich herausziehen. Als der Ziegenbock der wiederhol-ten Aufforderung schlielich bereitwillig nachkam, sprang der Fuchs an seinen Beinen hoch, stieg auf seinen Rcken und gelangte von diesem ber die Hrner an die ffnung des Brunnens. Nachdem er herausgestiegen war, wollte er sich davonmachen. Aber der Ziegenbock beschimpfte ihn, weil er die Vereinbarungen nicht einhielt. Da drehte er sich um und sagte: Ach du, wenn du soviel Verstand httest wie Haare in deinem Bart, dann wrst du nicht hinabgestiegen, bevor du nicht an den Aufstieg gedacht httest.

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    So mssen auch unter den Menschen die Vernnftigen die Folgen ihres Handelns bedenken, bevor sie es in Angriff nehmen.

    10. ALS DER F U C H S D E N L W E N SAH

    Ein Fuchs hatte noch nie einen Lwen gesehen. Als er dann einem Lwen zufllig begegnete, bekam er bei seinem An-blick zuerst einen solchen Schrecken, dass er beinahe gestor-ben wre. Als er ihn ein zweites Mal traf, bekam er es zwar wieder mit der Angst zu tun, aber nicht so sehr wie beim er-sten Mal. Als er ihn ein drittes Mal sah, war er so mutig, dass er sogar zu ihm hinging und sich mit ihm unterhielt.

    Die Geschichte veranschaulicht, dass die Gewohnheit auch die Angst vor den Dingen verringert.

    II. DER F I S C H E R MIT DER FLTE

    Ein Fischer, der Flte blasen konnte, nahm seine Flte und seine Netze und ging zum Meer. Er stellte sich auf einen Felsvorsprung und spielte zunchst ein Lied. Denn er glaubte, dass die Fische von selbst aus dem Wasser springen wrden, um den lieblichen Klang zu hren. Aber obwohl er sich sehr anstrengte, hatte er keinen Erfolg. Er warf seine Flte weg, nahm das Netz, schleuderte es in das Wasser hinab und fing viele Fische. Dann warf er sie aus dem Netz heraus auf den Strand, und als er sie zappeln sah, sagte er: Ach, ihr elendesten Geschpfe, als ich Flte blies, wolltet ihr nicht tanzen, jetzt aber, wo ich damit aufgehrt habe, tut ihr es.

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    12. D E R F U C H S U N D D E R L E O P A R D

    Fuchs und Leopard stritten darber, wer der Schnste sei. Als der Leopard bei jeder Gelegenheit den bunten Schmuck seines 05 ins Spiel brachte, erwiderte der Fuchs; Und wie viel schner als du bin ich doch, der ich zwar kein buntes Fell, aber doch einen buntgeschmckten Verstand habe.

    Die Geschichte zeigt, dass der Schmuck der Vernunft wert-voller ist als der Schmuck des Kes.

    13. ALS D I E F I S C H E R D E N S T E I N F I N G E N

    Die Fischer zogen ihr Netz ein. Da es schwer war, freuten sie sich und tanzten vor Glck. Denn sie glaubten, es sei ein groer Fang. Sie zogen das Netz an den Strand, fanden darin aber nur wenige Fische, dafr war das Netz voll mit Steinen und Holz. Sie waren sehr enttuscht, aber weniger, weil es so geschehen war als darber, dass sie mit dem Gegenteil ge-rechnet hatten. Einer von ihnen, ein alter Fischer, sagte: Lasst uns aufhren zu jammern. Freunde. Denn der Kum-mer ist die Schwester der Freude, und es musste so kommen, dass wir, nachdem wir uns vorher so sehr gefreut haben, jetzt eben auch eine Enttuschung hinnehmen mssen.

    Aber auch wir drfen, wenn wir die Unbestndigkeit des Le-bens sehen, nicht erwarten, dass wir uns auf unser Glck ver-lassen knnen, sondern mssen daran denken, dass nach langem Sonnenschein auch wieder Regen kommen muss.

    14. D E R F U C H S U N D D E R A F F E I M S T R E I T B E R I H R E A B S T A M M U N G

    Ein Fuchs und ein Affe gingen auf derselben Strae und strit-ten darber, wer aus einer besseren Familie stamme. Beide

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    redeten ausfuhrlich darber. Als sie aber an einigen Grbern vorbeikamen, schaute der Affe dorthin und sthnte laut auf. Der Fuchs fragte nach dem Grund dafr. Da zeigte der Affe auf die Grabmler und sagte: Soll ich denn nicht weinen, wenn ich die Grabsteine von Freigelassenen und Sklaven mei-ner Vter sehe? Da sagte der Fuchs zum Affen: Lge nur, so viel du willst. Denn keiner von ihnen wird aufstehen und dir widersprechen.

    So prahlen auch unter den Menschen die Lgner dann vor allem, wenn sie niemanden haben, der ihnen widersprechen kann.

    15. D E R F U C H S U N D D I E W E I N T R A U B E N

    Ein Fuchs hatte Hunger. Als er an einem Weinstock Trauben hngen sah, wollte er sie haben und konnte es nicht. Er gab auf und sagte zu sich selbst: Sie sind noch nicht reif

    So ist es auch bei manchen Menschen: Wenn sie aus Unf-higkeit etwas nicht erreichen knnen, machen sie die ue-ren Umstnde dafr verantwortlich.

    16. D E R M A R D E R U N D D E R H A H N

    Ein Marder fing einen Hahn. Er wollte ihn auffressen und hatte dafr eine vernnftige Begrndung: Zuerst warf er ihm vor, dass er den Menschen lstig sei, weil er nachts krhe und sie nicht schlafen lasse. Als der Hahn entgeg-nete, er tue dies zu deren Nutzen, da er sie zu ihrer gewohn-ten Ttigkeit wecke, nannte der Marder einen zweiten Grund: Du versndigst dich auch an der Natur, weil du deine Schwestern und deine Mutter besteigst. Der Hahn sagte darauf, dass er dies auch zum Vorteil seiner Eigent-

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    mer tue; denn er sorge dafr, dass die Hhner viele Eier leg-ten. Der Marder wusste nicht weiter und sagte: Wenn du auch keinen Mangel an Ausreden hast - werde ich dich des-halb etwa nicht fressen?

    Die Geschichte zeigt, dass ein bler Charakter, der eine schlechte Tat begehen will, diese auch ganz offen begeht, wenn er sie nicht unter einem vernnftigen Vorwand begehen kann.

    17. D E R F U C H S O H N E S C H W A N Z

    Ein Fuchs hatte in einer Falle seinen Schwanz verloren. Weil er dies fr eine Schande hielt, glaubte er, sein Leben sei so nicht mehr lebenswert. Er hielt es deshalb fr ntig, auch die anderen Fchse in dieselbe Lage zu bringen, um seinen eige-nen Verlust zu verbergen, wenn alle gemeinsam ihn erlitten. Er rief sie also alle zusammen und forderte sie auf, ihre Schwnze abzuschneiden. Er sagte, der Schwanz sei nicht nur unpassend, sondern hnge auch als ein berflssiges Gewicht an ihnen. Aber einer der Anwesenden rief: Was soll das? Wenn dir dies nicht selbst passiert wre, dann httest du es uns nicht empfohlen.

    Diese Geschichte passt zu solchen Leuten, die ihren Mit-menschen nicht mit guter Absicht, sondern zu ihrem eige-nen Vorteil Ratschlge geben.

    18. D E R F I S C H E R U N D D I E S A R D E L L E

    Ein Fischer lie sein Netz ins Wasser und holte eine Sardelle herauf Sie aber flehte ihn an, sie zum gegenwrtigen Zeit-punkt zu verschonen, da sie doch noch so klein sei, und sie spter, wenn sie erst einmal gro sei, zu grerem Nutzen zu fangen. Da sagte der Fischer: Ich wre doch verrckt, wenn ich das, was ich bekommen und in meinen Hnden

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  • DIE FABELN 29

    habe, losliee und mich einer ungewissen Hoffnung hin-gbe.

    Die Geschichte zeigt, dass der gegenwrtig vorhandene Ge-winn, auch wenn er klein ist, dem erwarteten vorzuziehen ist, auch wenn dieser gro zu sein verspricht.

    19. D E R F U C H S U N D D E R D O R N B U S C H

    Als ein Fuchs, der an einer Mauer hochstieg, herabzustrzen drohte, suchte er Halt in einem Dornbusch. Er verletzte sich dabei an der Fusohle, regte sich furchtbar darber auf und warf dem Dornbusch vor, dass er ihn, obwohl er bei ihm Zu-flucht und Hilfe gesucht habe, bel zugerichtet habe. Da er-griff der Dornbusch das Wort und sagte: Du bist wohl ver-rckt geworden, du seltsamer Vogel, dass du dich an mir festhalten wolltest, der ich selbst mich an allem festzuhalten pflege.

    So gibt es auch unter den Menschen Toren, die bei denen Zuflucht und Hilfe suchen, die eher zum Unrecht tun veran-lagt sind.

    20. D E R F U C H S U N D D A S K R O K O D I L

    Ein Fuchs und ein Krokodil stritten darber, wer von ihnen aus der besseren Familie stamme. Whrend das Krokodil vie-les ber den Ruhm seiner Vorfahren erzhlte und schlielich noch erwhnte, dass seine Vter Leiter von Ringerschulen waren, ergriff der Fuchs das Wort und sagte: Ach, wenn du es auch nicht selbst sagst, an deiner Haut lsst du erkennen, dass du viel Sport getrieben hast.

    So ist es auch bei den Menschen: Die Tatsachen widerlegen diejenigen, die die Unwahrheit sagen.

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  • DIE FABELN 3I

    21. D I E F I S C H E R U N D D E R T H U N F I S C H

    Fischer, die hinausgefahren waren, um etwas zu fangen, und, obwohl sie sich lange Zeit abgemht hatten, nichts fangen konnten, saen mutlos in ihrem Boot. Da sprang ein Thun-fisch, der verfolgt und mit gewaltigem Zischen aus dem Was-ser geschleudert wurde, aus Versehen in den Kahn. Die Fi-scher packten ihn und gingen in die Stadt, um ihn zu verkaufen.

    So schenkt oft das Glck, was die Kunst nicht schafft.

    22. D E R F U C H S U N D D E R H O L Z F L L E R

    Als ein Fuchs auf der Flucht vor Jgern einen Holzfller sah, bat er diesen, ihn zu verstecken. Der Holzfller for-derte ihn auf, in seine Htte zu gehen, um sich dort zu ver-stecken. Kurze Zeit spter kamen die Jger und fragten den Holzfller, ob er gesehen habe, dass ein Fuchs bei ihm vor-beigelaufen sei. Der Holzfller sagte zwar, er habe ihn nicht gesehen, zeigte aber mit der Hand dorthin, wo er sich ver-steckt hatte. Da sie aber seinen Wink nicht beachteten, aber seinen Worten glaubten, sah der Fuchs, dass sie fortgegan-gen waren, kroch aus seinem Versteck heraus und machte sich davon, ohne ein Wort zu sagen. Als ihm der Holzfller vorhielt, dass er zwar von ihm gerettet worden sei, ihm dies aber mit keinem Wort gedankt habe, erwiderte der Fuchs: Ich htte dir meine Dankbarkeit gezeigt, wenn das, was deine Hand tut, deinen Worten entsprche.

    Diese Geschichte knnte man auf solche Menschen anwen-den, die das Gute zwar laut verknden, aber in Wirklichkeit das Bse tun.

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    23. D I E H H N E U N D D A S R E B H U H N

    Ein Mann, der auf seinem Hof Hhne hielt, kam zufllig vorbei, als ein zahmes Rebhuhn verkauft werden sollte. Er erwarb es und nahm es mit nach Hause, um es mit den an-deren Tieren zu futtern. Als die Hhne es angriffen und ver-folgten, war das Rebhuhn sehr unglcklich, weil es glaubte, nur deshalb verachtet zu werden, weil es andersartig war. Als es aber ein wenig spter bemerkte, dass die Hhne auch mit-einander kmpften und nicht damit aufhrten, bis sie sich gegenseitig blutig gehackt hatten, sagte es zu sich selbst: Jetzt leide ich nicht mehr darunter, wenn ich von ihnen an-gegriffen werde. Denn ich sehe, dass sie auch auf ihre Artge-nossen keine Rcksicht nehmen.

    Die Geschichte zeigt, dass vernnftige Menschen die Krn-kungen ihrer Nachbarn leichter ertragen, wenn sie sehen, dass diese auch auf ihre eigenen Angehrigen keine Rck-sicht nehmen.

    24. W I E E I N F U C H S S E I N E N B A U C H B E R -M S S I G G E F L L T H A T T E

    Als ein hungriger Fuchs sah, dass irgendwelche Hirten in ei-ner hohlen Eiche Brot und Fleisch versteckt hatten, kroch er hinein und fra alles auf Als er seinen Bauch bermig ge-fllt hatte und nicht mehr aus der Hhlung herauskommen konnte, jammerte und klagte er. Als er sein Klagen hrte, lief ein anderer Fuchs zu ihm hin und fragte ihn nach dem Grund seines Klagens. Nachdem er alles, was geschehen war, erfahren hatte, sagte er zu ihm: Nun musst du so lange hier bleiben, bis du wieder so bist, wie du warst, als du hinein-gingst, und dann wirst du wieder leicht herauskommen.

    Die Geschichte zeigt, dass die Zeit alle Schwierigkeiten auf-hebt.

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  • DIE FABELN 35

    25. D E R E I S V O G E L

    Ein Eisvogel ist ein Vogel, der die Einsamkeit liebt und des-halb immer am Meer lebt. Es heit, er niste auf Meeresklip-pen, um sich so vor der Verfolgung durch die Menschen zu schtzen. Und als er einmal brten wollte, flog er zu einem Berg, der ins Meer hineinragte, erblickte einen Felsen am Meer und baute dort sein Nest. Als er aber einmal aus-flog, um Futter zu suchen, geschah es, dass das Meer von ei-nem gewaltigen Sturm aufgewhlt wurde und bis zur Hhe des Nestes anstieg. Es bersplte das Nest, und die Jungen kamen um. Als der Eisvogel zurckkam und sah, was ge-schehen war, sagte er: Ach, was fr ein Unglck! Ich mied das Land, weil ich es fiir gefhrlich hielt, und zog mich aufs Meer zurck, das sich als noch unzuverlssiger erwies.

    So geht es auch manchen Menschen, die sich vor ihren Feinden schtzen wollen, aber nicht merken, dass sie sich Freunden ausliefern, die noch viel schlimmer sind als ihre Feinde.

    26. W I E D E R F I S C H E R D A S W A S S E R S C H L U G

    Ein Fischer fischte in irgendeinem Fluss. Und er spannte sein Netz von Ufer zu Ufer. Dann band er einen Stein an einen Strick und schlug damit auf das Wasser, damit die Fische flo-hen und blindlings ins Netz gingen. Einer von den Leuten, die in dieser Gegend wohnten, sah zu, wie er dies tat, und warf ihm vor, dass er den Fluss trbe mache und die Leute daran hindere, reines Wasser zu trinken. Er erwiderte: Aber wenn der Fluss auf diese Weise nicht aufgewhlt wird, werde ich verhungern mssen.

    So erreichen auch in den Stdten die Volksredner dann am meisten, wenn sie dort Streit vom Zaun brechen.

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    27. E I N F U C H S Z U E I N E M B I L D

    Ein Fuchs kam in die Werkstatt eines Bildhauers und sah sich jede der dort befindlichen Statuen genau an. Da stie er auf die Bste eines Tragdiendichters, hob sie hoch und rief: Was fr ein herrlicher Kopf ohne Gehirn!

    Die Geschichte passt auf einen Menschen, der zwar einen groartigen hat, aber ansonsten ohne Vernunft ist.

    28. D E R B E T R G E R

    Ein armer Mann war krank, und es ging ihm sehr schlecht. Da gelobte er, den Gttern ein Opfer von hundert Rindern darzubringen, wenn sie ihn retteten. Die Gtter wollten ihn auf die Probe stellen und lieen ihn ganz schnell wieder ge-sund werden. Und er kam tatschlich wieder auf die Beine. Weil er aber keine echten Rinder besa, formte er hundert Rinder aus Wachs, verbrannte sie auf einem Altar und sagte: Nehmt die Erfllung meines Versprechens an, ihr Gtter! Die Gtter aber wollten ihn dafr auf ihre Weise hereinlegen und schickten ihm einen Traum: Sie rieten ihm, an den Strand zu gehen; denn dort werde er eintausend Drachmen finden. Und er freute sich sehr darber und lief eilig zum Strand. Dort fiel er dann Rubern in die Hnde und wurde fortgebracht. Er wurde von ihnen verkauft und fand auf diese Weise eintausend Drachmen.

    Die Geschichte passt auf einen Betrger.

    29. D E R K H L E R U N D D E R W A L K E R

    Als ein Khler, der in seinem Haus arbeitete, einen Walker sah, der im Nebenhaus wohnte, forderte er ihn auf, mit ihm zusammenzuwohnen, und sagte zu ihm, dass sie sich auf

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    diese Weise nher kommen und billiger leben knnten, wenn sie nur eine Wohnung htten. Der Walker ergriff das Wort und sagte: Fr mich ist das leider ganz unmglich. Denn was ich wei mache, wirst du wieder schwarz machen.

    Die Geschichte zeigt, dass alles, was ungleich ist, nicht ver-bunden werden kann.

    30. D E R S C H I F F B R C H I G E U N D D I E G T T I N A T H E N E

    Ein reicher Athener machte mit anderen Leuten eine Seereise. Da kam ein fiirchtbares Unwetter auf, und das SchifFkenterte. Alle anderen schwammen um ihr Leben. Aber der Athener rief ununterbrochen die Gttin Athene an und gelobte ihr unzh-lige Dinge, wenn er gerettet wrde. Einer der anderen Schiff-brchigen, der neben ihm schwamm, rief ihm zu: Du darfst nicht nur zu Athene beten, du musst auch schwimmen.

    Das gilt aber auch fur uns: Es ist notwendig, dass wir nicht nur die Gtter um Hilfe bitten, sondern auch aus eigener Kraft etwas fr uns tun.

    31. D E R M A N N I N D E N M I T T L E R E N J A H R E N U N D S E I N E B E I D E N F R E U N D I N N E N

    Ein Mann in den mittleren Jahren hatte zwei Geliebte: eine junge und eine alte. Die ltere schmte sich, mit einem jn-geren Mann zusammen zu sein, und wenn er sie besuchte, schnitt sie ihm immer wieder seine schwarzen Haare ab. Die jngere aber litt darunter, einen so alten Liebhaber zu haben, und zupfte ihm allmhlich seine grauen Haare aus. So kam es, dass er von beiden auf ihre Weise seine Haare ausgerupft bekam und schlielich kahl wurde.

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    So ist Ungleichheit berall von Nachteil.

    32. D E R M R D E R

    Jemand, der einen Menschen gettet hatte, wurde von des-sen Angehrigen verfolgt. Als er zum Nil gelangte, kam ihm ein Wolf entgegen. Er bekam einen Schrecken, kletterte auf einen Baum am Ufer des Flusses und versteckte sich dort. Dann sah er aber, wie eine Schlange auf ihn zukroch. Dar-aufhin lie er sich in den Fluss gleiten. Dort packte ihn ein Krokodil und verschlang ihn.

    Die Geschichte zeigt, dass es fur diejenigen, die sich eine Blutschuld aufgeladen haben, keinen sicheren Ort gibt: we-der auf der Erde, noch in der Luft, noch im Wasser.

    33. D E R A N G E B E R

    Ein Fnfkmpfer wurde bei jeder Gelegenheit von seinen Mitbrgern wegen seiner Unfhigkeit beschimpft. Da begab er sich einmal eine Zeit lang ins Ausland. Dann kam er zu-rck und prahlte mit seinem Knnen. Er behauptete, er habe in anderen Stdte viele groe Leistungen vollbracht und sei auf Rhodos so weit gesprungen, wie es kein Olympiasieger jemals geschafft habe. Dafr - so behauptete er - knne er auch beliebig viele Zeugen aufbieten, wenn sie erst einmal hier seien. Einer der Anwesenden ergriff das Wort und sagte zu ihm: Aber mein lieber Freund, wenn dies wahr ist, dann brauchst du doch keine Zeugen. Denn hier ist Rhodos; hier kannst du springen!

    Die Geschichte zeigt Folgendes: Wenn man etwas durch Taten beweisen kann, dann erbrigt sich jedes Wort dar-ber.

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    34. W E R U N M G L I C H E S V E R S P R I C H T

    Ein armer Mann war krank, und es ging ihm sehr schlecht. Als er schon von seinen rzten aufgegeben war, gelobte er, den Gttern ein aufwndiges Opfer darzubringen und Weihge-schenke aufzustellen, wenn er erst einmal wieder gesund wre. Als seine Frau ihn aber fragte (sie stand nmlich gerade an sei-nem Bett): Und womit willst du das bezahlen? antwortete er: Glaubst du denn wirklich, dass ich wieder aufstehen werde, damit die Gtter das auch von mir einfordern knnen?

    Die Geschichte zeigt, dass die Menschen leicht etwas ver-sprechen, wovon sie nicht erwarten, dass sie es jemals einl-sen werden.

    35. D E R M E N S C H U N D D E R S A T Y R

    Ein Mensch soll einmal mit einem Satyr Freundschaft ge-schlossen haben, und als der Winter kam und es kalt wurde, hielt der Mensch seine Hnde vor seinen Mund und hauchte sie an. Als der Satyr ihn fragte, aus welchem Grund er dies tue, erwiderte er, dass er seine Hnde wrme wegen der Klte. Spter aber wurde ihnen ein Tisch hingestellt mit ei-nem sehr heien Essen. Der Mensch nahm es in die Hand, fhrte es in kleinen Hppchen zum Mund und bhes darauf Als dann der Satyr erneut fragte, warum er dies tue, sagte er, er lasse das Essen abkhlen, da es sehr hei sei. Da sagte je-ner zu ihm: Leider kann ich die Freundschaft mit dir nicht weiter aufrechterhalten, mein Lieber, weil du aus demselben Mund das Heie und das Kalte kommen lsst.

    Auch wir mssen die Freundschaft mit denen vermeiden, de-ren Verhalten nicht eindeutig ist.

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    36. D E R H I N T E R L I S T I G E

    Ein hinterlistiger Mann wettete mit jemandem, dass das Ora-kel in Delphi eine falsche Auskunft geben werde. Zum festge-setzten Termin griff er sich einen Hahn, versteckte ihn unter seinem Mantel, ging zum Tempel, stellte sich vor das Bild des Gottes und fragte, ob er etwas in den Hnden halte, was atme oder was nicht atme. Wenn das Orakel sagen sollte was nicht atmet, wollte er den Hahn lebend vorzeigen, wenn es aber sa-gen sollte was atmet, wollte er ihm erst den Hals umdrehen und dann vorzeigen. Der Gott durchschaute die List des Man-nes und sprach: Lieber Freund, lass das! Es liegt bei dir, dass das, was du bei dir hast, entweder tot oder lebendig ist.

    Die Geschichte zeigt, dass das Gttliche nicht zu hinterge-hen ist.

    37. D E R B L I N D E

    Ein Blinder hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jedes Tier, das man ihm in die Hnde legte, zu betasten und dann zu sagen, was es fr ein Tier sei. Einmal gab man ihm einen jungen Wolf Er betastete ihn, war sich aber nicht sicher und sagte: Ich wei es nicht, ob du das Junge eines Wolfes, eines Fuchses oder eines hnlichen Tieres bist. Doch das wei ich genau, dass es nicht gnstig ist, dieses Tier in eine Schaf-herde zu lassen.

    So lsst sich auch das Wesen bser Menschen oft an ihrer u-eren Erscheinung erkennen.

    38. D E R P F L G E R U N D D E R W O L F

    Ein Pflger hatte seine Zugtiere ausgespannt und brachte sie zur Trnke. Da fand aber ein hungriger Wolf auf seiner

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    Suche nach Beute den Pflug. Zuerst leckte er am Geschirr der Stiere. Eine Zeit lang blieb er unbemerkt. Als er aber seinen Hals hineinsteckte und ihn nicht mehr herauszie-hen konnte, schleppte er den Pflug ber den Acker. Als der Pflger zurckkam und ihn sah, sagte er: Du Verbrecher, knntest du doch auf deine Raubzge und deine Unta-ten verzichten und dich statt dessen der Landarbeit zu-wenden!

    So ist es auch mit den belttern unter den Menschen: Auch wenn sie den Eindruck erwecken, tchtig zu sein, kann man ihnen aufgrund ihres Verhaltens nicht vertrauen.

    39. D I E S C H W A L B E U N D D I E A N D E R E N V G E L

    In dem Augenblick, als die Mistel ausschlug, bemerkte die Schwalbe die Gefahr, die den Vgeln drohte. Sie rief alle V-gel zusammen und gab ihnen den Rat, am besten die mistel-tragenden Eichen zu fllen; wenn sie dies aber nicht knn-ten, dann sollten sie bei den Menschen Zuflucht suchen und sie bitten, die Wirkung der Mistel nicht zu nutzen, um sie zu fangen. Die Vgel aber lachten sie aus, als ob sie Unfug re-dete. Sie aber begab sich Schutz suchend zu den Menschen. Die Menschen nahmen sie bei sich auf und heen sie bei sich wohnen. So kam es, dass die brigen Vgel von den Menschen gejagt und verzehrt werden, allein die Schwalbe darf wie ein Flchtling unter dem Schutz des Gastrechts und ohne Furcht an ihren Husern ihre Nester bauen.

    Die Geschichte zeigt, dass diejenigen, die die Zukunft vor-aussehen, natrlich auch die Gefahren beseitigen.

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    40. D E R A S T R O L O G E

    Ein Astrologe ging jeden Abend ins Freie, um die Sterne zu beobachten. Und als er sich einmal in die Gegend vor der Stadt begab und ganz damit beschftigt war, zum Himmel hinauf zu schauen, fiel er aus Versehen in einen Brunnen. Als er dann jammerte und um Hilfe rief, hrte ein Spazier-gnger sein Geschrei. Er ging hin und erfuhr, was passiert war. Darauf sagte er zu ihm: Lieber Mann, versuchst du, die Erscheinungen am Himmel zu durchschauen und siehst die Dinge auf der Erde nicht?

    Diese Geschichte knnte man auf diejenigen Menschen an-wenden, die sich besonders wichtig nehmen, aber nicht in der Lage sind, die alltglichen Aufgaben der Menschen zu er-ledigen.

    41. D E R F U C H S , D E R E I N L A M M S T R E I C H E L T E , U N D D E R H U N D

    Ein Fuchs schlich sich in eine Schafherde ein. Die Schafe waren gerade dabei, ihre Lmmer zu sugen. Da packte sich der Fuchs ein Lamm und tat so, als ob er es streichle. Ein Hund fragte ihn: Was machst du da? Er erwiderte: Ich kmmere mich um das Lamm und spiele mit ihm. Da sagte der Hund: Aber wenn du das Lamm jetzt nicht los-lsst, werde ich das tun, was Hunde gewhnlich mit dir machen.

    Die Geschichte passt auf einen ebenso leichtsinnigen wie dummen Dieb.

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    42. D E R B A U E R U N D S E I N E S H N E

    Ein Bauer lag im Sterben und wollte seine Shne noch ein-mal in die Landwirtschaft einweisen. Er rief sie also zu sich und sagte: Meine Shne, in einem meiner Weinberge liegt ein Schatz vergraben. Nach seinem Tode nahmen sie Hak-ken und Spaten und gruben ihren ganzen Bauernhof um. Aber sie fanden den Schatz nicht. Der Weinberg aber brachte ihnen eine vielfach grere Ernte.

    Die Geschichte zeigt, dass die anstrengende Arbeit ein Schatz fr die Menschen ist.

    43. A L S D I E F R S C H E W A S S E R S U C H T E N

    Zwei Frsche lebten in einem Sumpf Einmal trocknete er aus, und da suchten sie eine andere Bleibe. Als sie an einen Brunnen kamen, riet der eine dazu, einfach hinein zu sprin-gen. Der andere aber sagte: Wenn aber auch hier das Wasser austrocknet, wie werden wir dann wieder herauskommen?

    Die Geschichte lehrt uns, dass man nicht unberlegt han-deln soll.

    44. A L S D I E F R S C H E E I N E N K N I G H A B E N W O L L T E N

    Die Frsche litten darunter, dass sie keinen Herrscher hatten. Also schickten sie Boten zu Zeus und baten ihn darum, ih-nen einen Knig zu geben. Zeus durchschaute aber ihre Dummheit und lie ein Stck Holz in den Sumpf werfen. Die Frsche bekamen zunchst einen gewaltigen Schrecken bei dem Gerusch und tauchten in die Tiefe des Sumpfes. Weil das Stck Holz sich aber nicht weiter bewegte, tauchten

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    sie spter wieder auf und hielten es fr so ungefhrlich, dass sie sogar darauf stiegen und sich dort niederlieen. Aber weil sie es fr unwrdig hielten, einen solchen Knig zu haben, begaben sie sich ein zweites Mal zu Zeus und verlangten von ihm, ihnen einen anderen Knig zu geben. Der erste sei nmlich ein allzu groer Nichtsnutz. Zeus rgerte sich ber sie und schickte ihnen eine Schlange, von der sie verschlun-gen und aufgefressen wurden.

    Die Geschichte zeigt, dass es besser ist, solche Herren zu ha-ben, die sich um nichts kmmern und nichts Bses tun, als solche, die alles durcheinander bringen und Schandtaten be-gehen.

    45. D I E O C H S E N U N D D I E W A G E N A C H S E

    Ochsen zogen einen Wagen. Als die Wagenachse quietschte, drehten sich die Ochsen um und sagten zu ihr: Was willst du denn, wir schleppen die ganze Last, und du schreist?

    So ist es auch bei den Menschen: Manche tun so, als ob sie sich anstrengten, whrend andere die Last tragen.

    46. D E R W I N D U N D D I E S O N N E

    Der Wind und die Sonne stritten darum, wer die grere Macht habe. Sie vereinbarten nun, dass derjenige der Sieger sei, der er schaffe, einen Wanderer auszuziehen. Der Wind machte den Anfang und blies heftig. Als sich der Mensch aber mit seiner Kleidung zu schtzen versuchte, blies er noch heftiger. Der Mensch litt dann noch mehr unter der Klte und zog sich wrmer an, bis der Wind es aufgab und der Sonne das Feld berlie. Von der Sonne ging zuerst eine ganz mavolle Wrme aus. Als der Mensch daraufhin seine berflssigen Kleider ablegte, wurde die Sonne str-

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    ker, bis er die Hitze nicht mehr aushalten konnte, sich ganz auszog und zu seinem Schutz in einen Fluss sprang, um sich abzukhlen.

    Die Geschichte zeigt, dass es oft wirksamer ist zu berzeugen als Gewalt anzuwenden.

    47. ALS D E R J U N G E D I E E I N G E W E I D E E R B R A C H

    Als einige Leute auf dem Land ein Rind schlachten, riefen sie ihre Verwandten. Darunter war auch eine arme Frau. Mit ihr zusammen kam auch ihr Sohn. Whrend des Fest-mahls fllte sich der Junge nach und nach den Bauch mit den Eingeweiden des Opfertieres und trank Wein dazu. Da drehte sich ihm der Magen um, und er untersuchte das Er-brochene und sagte: Mutter, ich erbreche meine Einge-weide. Sie aber antwortete: Es sind nicht deine eigenen Eingeweide, mein Kind, sondern nur die, die du verschlun-gen hast.

    Diese Geschichte passt auf einen Menschen, der Schulden hat und gern Fremdes annimmt. Wenn er es aber zurckzah-len muss, dann regt es sich so darber auf, als ob er aus sei-nem Haus vertrieben wrde.

    48. D I E N A C H T I G A L L U N D D I E F L E D E R M A U S

    Eine Nachtigall sa in ihrem Kfig vor einem Fenster und sang in der Nacht. Eine Fledermaus hrte ihre Stimme, flog zu ihr hin und fragte sie, warum sie tagsber nichts tue, nachts aber singe. Sie sagte, das tue sie nicht ohne Grund. Denn einmal habe sie tagsber gesungen und sei dabei ge-fangen worden. Daraus habe sie eine Lehre gezogen. Da er-

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  • DIE FABELN 57

    widerte die Fledermaus: Aber jetzt brauchst du doch gar nicht mehr aufzupassen, wo es doch ganz nutzlos ist. Da-mals httest du aufpassen mssen, bevor man dich fing.

    Die Geschichte zeigt, dass ein Umdenken sinnlos ist, wenn das Unglck schon geschehen ist.

    49. D E R R I N D E R H I R T , D E R E I N K A L B V E R L O R , U N D D E R L W E

    Ein Rinderhirt hatte beim Weiden seiner Rinderherde ein Kalb verloren. Nachdem er es gesucht, aber nicht gefunden hatte, versprach er Zeus, er werde ihm eine junge Ziege op-fern, wenn er den Rinderdieb gefunden habe. Er gelangte in einen Eichenwald und sah, wie ein Lwe das Kalb fra. Er bekam einen furchtbaren Schrecken, hob seine Hnde zum Himmel und rief: Zeus, Herr, damals versprach ich dir, eine junge Ziege zu opfern, wenn ich den Dieb gefunden htte, jetzt aber werde ich dir einen Stier opfern, wenn ich den Klauen dieses Rubers entkomme.

    Diese Geschichte knnte ber Menschen im Unglck er-zhlt werden, die nach einem Verlust darum beten, das Ver-lorene wiederzufinden, aber versuchen, ihm zu entkommen, wenn sie es gefunden haben.

    50. D A S W I E S E L U N D D I E G T T I N A P H R O D I T E

    Ein Wiesel, das sich in einen schnen jungen Mann verliebt hatte, betete zu Aphrodite, dass sie es in eine Frau ver-wandle. Die Gttin hatte Mitleid mit dem Wiesel und sei-nem Liebeskummer. Sie verwandelte es in ein schnes Md-chen. Und so kam es, dass der junge Mann das Mdchen sah, sich verliebte und es als Frau nach Hause fhrte. Als die beiden nun im Schlafzimmer saen, wollte Aphrodite wis-

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    sen, ob das Wiesel, dessen verwandelt war, auch sein Wesen verndert habe. Sie lie eine Maus in das Zimmer lau-fen. Das Mdchen verga alles, was mit ihm geschehen war, sprang aus dem Bett, verfolgte die Maus und wollte sie fres-sen. Da rgerte sich die Gttin ber das Wiesel und gab ihm seine ursprngliche Gestalt zurck.

    So ist es auch bei den Menschen: Die von Natur aus Schlechten ndern ihr Wesen nicht, auch wenn sie ihre u-ere Erscheinung verndern.

    51. D E R B A U E R U N D D I E S C H L A N G E

    Eine Schlange kroch an den Sohn eines Bauern heran und ttete ihn. Der Bauer wurde von diesem Unglck tief ge-troffen. Er nahm seine Axt, begab sich zum Schlupfloch der Schlange und lauerte ihr auf, um sie, wenn es ihm mg-lich wre, sofort zu erschlagen. Die Schlange aber konnte ausweichen. Als der Bauer seine Axt hatte niederfahren las-sen, verfehlte er zwar die Schlange, spaltete aber einen da-neben liegenden Stein. Daraufhin nahm er sich sehr vor ihr in Acht und schlug ihr vor, sich mit ihm zu vershnen. Sie aber sagte zu ihm: Aber ich kann weder freundlich zu dir sein, wenn ich den gespaltenen Stein sehe, noch du zu mir, wenn du auf das Grab deines Sohnes blickst.

    Die Geschichte zeigt, dass tiefe Feindschaft nicht so ohne weiteres eine Vershnung mglich macht.

    52. D E R B A U E R U N D D I E H U N D E

    Ein Bauer wurde auf seinem Hof vom Winter berrascht. Weil er den Hof nicht mehr verlassen konnte, um sich Nah-rung zu beschaffen, a er zuerst seine Schafe. Der Winter dauerte aber an. Da a er auch noch seine Ziegen. Die Lage

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    nderte sich nicht. Da musste er sich drittens auch noch an seinen Zugtieren vergreifen. Die Hunde sahen, was geschah, und sagten zueinander: Wir mssen fort von hier. Denn wieso sollte der Herr uns schonen, wenn er nicht einmal von seinen Helfern, den Zugtieren, die Hnde lie?

    Die Geschichte zeigt, dass man sich vor allem vor denen in Acht nehmen muss, die nicht einmal davor zurckscheuen, ihren Angehrigen Unrecht zu tun.

    53. DIE S H N E DES BAUERN IM STREIT

    Die Shne eines Bauern hatten stndig Streit miteinander. Obwohl der Bauer sie hufig ermahnte, schaffte er es durch Zureden nicht, dass sie ihr Verhalten nderten. Er erkannte, dass er dies nur durch eine Tat erreichen konnte, und for-derte sie auf, ein Bndel von Stben herbeizubringen. Die Shne taten dieses. Zuerst gab er ihnen alle Stbe gebndelt in die Hand und befahl ihnen, diese zu zerbrechen. Aber trotz grter Anstrengung waren sie dazu nicht imstande. Daraufhin lste er das Bndel auf und gab ihnen die Stbe einzeln. Als sie diese dann ohne weiteres zerbrachen, sagte er zu seinen Shnen: Genauso wird es aber auch euch erge-hen, meine Shne: Wenn ihr euch vertragt, werden euch eure Feinde nicht bezwingen knnen. Wenn ihr euch aber weiter streitet, werdet ihr leicht zu bezwingen sein.

    Die Geschichte veranschaulicht: Je sorgfltiger man den Streit vermeidet, desto strker ist die Eintracht.

    54. DIE S C H N E C K E N

    Der Sohn eines Bauern rstete Schnecken. Als er aber hrte, wie sie jammerten, sagte er: Ihr Gesindel, whrend eure Huser brennen, singt ihr selbst ein Liedchen?

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    Die Geschichte zeigt, dass alles, was man zu unpassender Zeit tut, tadelnswert ist.

    55. D I E F R A U U N D I H R E D I E N E R I N N E N

    Ein fleiige Witwe hatte mehrere Dienerinnen. Sie war es ge-wohnt, sie in der Nacht beim ersten Hahnenschrei zur Ar-beit zu wecken. Da sie sich ununterbrochen fast zu Tode ab-mhten, meinten sie dem Haushahn den Hals umdrehen zu mssen. Denn sie glaubten, er sei die Wurzel des bels, weil er ihre Herrin in der Nacht wecke. Es kam aber dazu, dass ihr Leiden nach dieser Tat noch schlimmer wurde. Denn die Herrin wusste die Stunde der Hhne nicht mehr und weckte ihre Dienerinnen noch frher.

    So ist es auch bei vielen Menschen: Die eigenen Absichten bringen einem selbst Leid und Not.

    56. D I E H E X E

    Eine Hexe bot Zaubersprche und Mittel gegen den Gt-terzorn an. Sie verkaufte viel und verdiente daran nicht we-nig. Man zeigte sie deshalb an, warf ihr Gotteslsterung vor, brachte sie vor Gericht, klagte sie an und verurteilte sie zum Tode. Als aber jemand sah, wie sie aus dem Gericht zum Richtplatz gefhrt wurde, sagte er zu ihr: Ach Frau, du hast doch erklrt, du knntest den Zorn der Gtter ab-wenden. Wieso kannst du dann jetzt nicht die Menschen berzeugen?

    Diese Geschichte knnte man auf eine Betrgerin anwen-den, die besonders groe Versprechungen macht, aber nach-gewiesen bekommt, nicht einmal kleine Dinge zu schaffen.

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    57- D I E AL T E F R A U U N D D E R A R Z T

    Eine alte Frau hatte ein Augenleiden. Sie rief einen Arzt ge-gen ein Honorar zu sich. Er kam zu ihr und jedes Mal, wenn er Salbe auftrug und die Frau die Augen geschlossen hatte, schaffte er nach und nach ihre gesamte Habe fort. Als er aber alles herausgetragen und die Frau geheilt hatte, verlangte er das vereinbarte Honorar. Weil sie aber nicht zahlen wollte, brachte er sie vor Gericht. Sie erklrte, sie habe dem Arzt tat-schlich ein Honorar versprochen, wenn er ihre Augen ge-heilt habe. Jetzt aber sei sie trotz seiner Behandlung in einem noch schlimmeren Zustand als vorher. Damals nmlich sah ich alle meine Mbel im Haus, jetzt aber kann ich gar nichts mehr sehen.

    So ziehen sich die schlechten Menschen aufgrund ihrer Hab-gier unversehens Schimpf und Schande zu.

    58. D I E F R A U U N D D E R V O G E L

    Eine Witwe besa einen Vogel, der jeden Tag ein Ei legte. Sie hielt es aber fr mglich, dass er auch zweimal am Tag Eier legen werde, wenn sie ihm mehr Futter hinstreue. Und als sie dies tat, passierte es, dass der Vogel fett wurde und dann nicht einmal mehr ein einziges Ei legte.

    Die Geschichte zeigt, dass die meisten Menschen aus Hab-sucht mehr wollen und dann verlieren, was sie schon haben.

    59- D A S W I E S E L U N D D I E F E I L E

    Ein Wiesel lief in eine Schmiede und leckte an der dort lie-genden Feile. So kam es, dass das Tier viel Blut vergoss, weil es sich die Zunge abschrfte. Es freute sich aber darber, weil

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    es der Meinung war, dass es dem Eisen etwas wegnhme, bis es seine Zunge vollstndig verloren hatte.

    Die Geschichte bezieht sich auf diejenigen, die sich durch ihren Ehrgeiz selbst schaden.

    60. D E R A L T E M A N N U N D D E R T O D

    Ein alter Mann schlug einmal Holz, nahm es auf den Rcken und machte sich auf einen langen Weg. Weil ihn der Weg mde machte, legte er seine Last ab und rief nach dem Tod. Als der Tod erschien und wissen wollte, weshalb er ihn rufe, sagte der Mann: Damit du meine Last auf deinen Rcken nimmst.

    Die Geschichte zeigt, dass jeder Mensch an seinem Leben hngt, auch wenn es ihm sehr schlecht geht.

    61. D E R B A U E R U N D D I E S C H I C K S A L S G T T I N

    Ein Bauer fand ein Goldstck, whrend er in der Erde grub. Er legte deshalb jeden Tag einen Kranz auf die Erde, als ob sie ihm etwas Gutes getan htte. Da trat die Schicksalsgttin an ihn heran und fragte: Mein lieber Freund, warum tust du so, als ob du der Erde meine Geschenke verdanktest, die ich dir gegeben habe, weil ich dich reich machen wollte? Denn wenn sich die Zeiten ndern und dich wieder in schlimme Armut bringen, dann wirst du nicht die Erde, sondern die Schicksalsgttin tadeln.

    Die Geschichte lehrt uns, dass man seinen Wohltter erken-nen und ihm danken muss.

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    62. D I E D E L P H I N E U N D D E R G R N D L I N G

    Delphine und Wale stritten miteinander. Als der Streit aus-zuarten drohte, tauchte ein Grndling auf und versuchte, die Streitenden auseinander zu bringen. Einer der Delphine er-griff das Wort und sagte zu ihm: Wir wollen uns lieber im Kampf gegenseitig umbringen als dich als Streitschlichter hinnehmen.

    So ergeht es anscheinend auch manchen Menschen, die keine Anerkennung genieen, wenn sie einen Streit schlich-ten wollen.

    63. D E R R H E T O R D E M A D E S

    Der Redner Demades sprach einmal in Athen vor dem Volk. Die Leute hrten ihm aber nicht richtig zu. Da bat er sie darum, ihm zu erlauben, eine sopische Fabel zu erzh-len. Sie waren damit einverstanden, und er fing an zu erzh-len: Demeter, eine Schwalbe und ein Aal hatten denselben Weg. Als sie an einen Fluss kamen, flog die Schwalbe hoch, der Aal tauchte ins Wasser. Dann redete Demades nicht wei-ter. Die Leute fragten ihn: Was ist denn mit Demeter pas-siert? Er antwortete: Sie rgert sich ber euch, weil ihr euch fr die wichtigen Angelegenheiten der Stadt nicht in-teressiert, es aber gern zulasst, dass man euch sopische Fa-beln erzhlt.

    So sind es auch unter den Menschen die Unvernnftigen, die sich um die notwendigen Dinge nicht kmmern, son-dern vorziehen, was ihnen Spa macht.

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    64. D E R M A N N , D E N E I N H U N D G E B I S S E N H A T T E

    Es wurde einmal einer von einem Hund gebissen. Er machte sich auf, um einen Arzt aufzusuchen. Als ihm aber jemand sagte, er msse das Blut mit einem Stck Brot abwischen und dem Hund, der ihn gebissen habe, vorwerfen, erwiderte er: Aber wenn ich das tue, wird das zur Folge haben, dass ich von allen Hunden in der Stadt gebissen werde.

    So wird auch die Schlechtigkeit der Menschen angelockt und angespornt, noch mehr Unrecht zu tun.

    65. D I E W A N D E R E R U N D D E R B R

    Zwei Freunde hatten denselben Weg. Da begegnete ihnen ein Br. Der eine kletterte sofort auf einen Baum und ver-steckte sich dort. Der andere, der von dem Bren gepackt zu werden drohte, warf sich auf den Boden und stellte sich tot. Als ihn der Br mit der Schnauze berhrte und beschnf-felte, hielt er den Atem an. Man sagt nmlich, dass das Tier keinen Toten anrhre. Als sich der Br entfernt hatte, stieg der andere vom Baum und fragte ihn, was der Br ihm ins Ohr gesagt habe. Der Betroffene aber antwortete: Man soll in Zukunft nicht mehr mit solchen Freunden unterwegs sein, die in Gefahren nicht zur Verfugung stehen.

    Die Geschichte zeigt, dass Not die wahren Freunde erkennen lsst.

    66. D I E J U N G E N M N N E R U N D D E R M E T Z G E R

    Zwei junge Mnner wollten gemeinsam ein Stck Fleisch kaufen. Als dann der Metzger einmal abgelenkt wurde, nahm der eine junge Mann ein Stck Fleisch und steckte es

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    dem anderen in die Tasche. Da drehte sich der Metzger wie-der um, suchte nach dem Stck und beschuldigte die bei-den, dass sie es weggenommen htten. Derjenige, der es ge-nommen hatte, schwor, dass er es nicht habe. Derjenige, der es hatte, schwor, dass er es nicht weggenommen habe. Der Metzger bemerkte ihren blen Scherz und sagte: Auch wenn nicht zu beweisen ist, dass ihr einen Meineid schwrt, werdet ihr dies vor den Gttern nicht verheimli-chen knnen.

    Die Geschichte zeigt, dass die Gottlosigkeit des falschen Ei-des offensichtlich ist, auch wenn jemand ihn durch eine List verhllt.

    67. D I E R E I S E N D E N U N D D A S B E I L

    Zwei Leute gingen auf derselben Strae. Als einer von den beiden ein Beil gefunden hatte, sagte der andere: Wir haben es gefunden. Da forderte ihn der eine auf, nicht zu sagen wir haben es gefunden, sondern du hast es gefunden. Nach kurzer Zeit kamen ihnen diejenigen entgegen, die das Beil verloren hatten. Derjenige, der das Beil in der Hand hatte, wurde von ihnen hart bedrngt und sagte zu seinem Begleiter: Wir sind verloren. Daraufhin sagte jener: Nein, sondern du bist verloren! Denn als du das Beil fandest, woll-test du seinen Besitz auch nicht mit mir teilen.

    Die Geschichte zeigt, dass die Menschen, die man am Glck nicht teilhaben lsst, auch im Unglck keine zuverlssigen Freunde sind.

    68. D I E F E I N D E

    Zwei Feinde fuhren mit demselben Schif f Weil sie mglichst weit voneinander entfernt sein wollten, ging der eine zum

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    Bug, der andere zum Heck, und dort blieben sie. Ein mch-tiger Sturm packte das Schiff und he es kentern. Da fragte der Mann am Heck den Steuermann, mit welchem Teil das Schiff zuerst unterzugehen drohe. Der Steuermann erwi-derte ihm: Mit dem Bug. Daraufhin sagte er: Dann tut es mir nicht mehr leid zu sterben, wenn ich mit ansehen kann, wie mein Feind vor mir ertrinkt.

    So nehmen es manche Menschen aus Hass gegen ihre Mit-menschen auf sich, auch selbst groes Leid zu ertragen, nur um jene im Unglck zu sehen.

    69. D I E F R S C H E ALS N A C H B A R N

    Zwei Frsche waren Nachbarn. Der eine bewohnte einen tie-fen Sumpf, der weit entfernt war von der Strae, der andere lebte in einer Pftze auf der Strae. Als nun der Frosch im Sumpf den anderen aufforderte, zu ihm umzuziehen, damit er besser und sicherer lebe, lie sich jener nicht berreden und sagte, er knne sich nicht von dem gewohnte Ort tren-nen. Dann passierte es, dass ein Wagen durch die Pftze fuhr und ihn zerquetschte.

    So kann es auch Menschen ergehen, die sich mit blen Din-gen beschftigen und unversehens daran zugrunde gehen, bevor sie sich dem Besseren zugewandt haben.

    70. D I E E I C H E U N D D A S S C H I L F R O H R

    Eine Eiche und ein Schilfrohr stritten ber ihre Strke. Als aber ein heftiger Wind aufkam, bog sich das Schilfrohr, neigte sich vor dem Wehen des Windes und blieb fest im Bo-den. Die Eiche aber, die sich dem Wind mit ganzer Kraft ent-gegenstemmte, wurde entwurzelt.

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    Die Geschichte zeigt, dass es keinen Zweck hat, mit den Mchtigeren zu streiten oder ihnen Widerstand zu leisten.

    71. D E R A N G S T H A S E , D E R E I N E N G O L D E N E N L W E N F A N D

    Ein geldgieriger Angsthase fand einmal einen goldenen L-wen. Er sagte zu sich selbst: Ich wei nicht, was unter die-sen Umstnden mit mir geschehen wird. Ich bin wahnsinnig vor Angst und wei nicht, was ich tun soll. Meine Habgier und meine Feigheit lassen mich auseinander brechen. Wel-cher Zufall oder welcher Dmon konnte einen goldenen L-wen erzeugen? Meine Seele kmpft mit sich selbst, wenn ich dies sehe. Sie liebt zwar das Gold, furchtet aber das Werk aus Gold. Den Fund zu berhren, treibt mich mein Verlangen, mich zurckzuhalten mein Charakter. Ach, was fr ein Zu-fall, der mir etwas gibt und nicht erlaubt, es anzunehmen! Ach Schatz, der du keine Freude bringst! Ach, du gnaden-lose Gnade eines Gottes! Was soll ich tun? Wie soll ich damit umgehen? Welche Hilfe soll ich nutzen? Ich werde wegge-hen, um meine Angehrigen hierher zu bringen und sie durch Beteiligung am Gewinn zur Hilfe zu verpflichten, und ich selbst werde von weitem zusehen.

    Die Geschichte passt auf einen Reichen, der es nicht wagt seinen Reichtum anzurhren und zu nutzen.

    72. D E R I M K E R

    Es kam jemand zu einem Imker, als dieser nicht zu Hause war, und stahl ihm den Honig und das Wachs. Der Imker kam zurck und sah, dass die Bienenstcke leer waren. Er blieb dort stehen und untersuchte die Bienenstcke. Als die Bienen von ihrer Nahrungssuche zurckkamen und ihn bei den Bienenstcken antrafen, stachen sie ihn mit ihren Sta-

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    cheln und richteten ihn bel zu. Und er sagte zu ihnen: Ihr schrecklichen Tiere, ihr habt den, der euch euer Wachs ge-stohlen hat, ungeschoren gelassen, mich aber, der sich um euch kmmert, stecht ihr?

    So nehmen sich auch manche Menschen aus Unkenntnis nicht vor ihren Feinden in Acht, stoen aber ihre Freunde von sich, als ob sie ihnen bles tun wollten.

    73. D E R D E L P H I N U N D D E R A F F E

    Seeleute nehmen gewhnlich Malteserhndchen und Affen mit an Bord, um auf ihrer Seereise Abwechslung zu haben. So nahm denn auch einer einen Affen mit, als er in See ste-chen wollte. Als sie an das Kap Sunion (das ist das Vorge-birge der Athener) kamen, geschah es, dass ein heftiger Sturm aufkam. Nachdem das Schiff gekentert war und alle um ihr Leben schwammen, schwamm auch der Affe mit. Ein Delphin sah ihn, glaubte, es sei ein Mensch, nahm ihn auf seinen Rcken und schwamm mit ihm zum Fesdand. Als er in die Nhe des Pirus, des Hafens der Athener, kam, fragte er den Affen, ob er ein Athener sei. Als der Affe daraufhin sagte, er habe dort auch berhmte Vorfahren, fragte ihn der Delphin als zweites, ob er den Pirus kenne. Weil er glaubte, er meine einen Menschen, behauptete er, es sei sein vertrau-ter Freund. Da rgerte sich der Delphin ber dessen Lge, tauchte ihn unter und lie ihn ertrinken.

    Die Geschichte passt gut auf einen Lgner.

    74. D E R H I R S C H A N D E R Q U E L L E

    Ein Hirsch hatte Durst und kam zu einer Quelle. Whrend er trank und sein eigenes Spiegelbild im Wasser sah, gefiel ihm sein Geweih besonders gut. Er blickte bewundernd auf

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    seine Gre und Vielfalt. ber seine Beine aber rgerte er sich, weil sie ihm dnn und schwach vorkamen. Als er noch darber nachdachte, tauchte ein Lwe auf und griff ihn an. Der Hirsch wandte sich zur Flucht und gewann einen groen Vorsprung. Solange es sich um eine baumlose Ebene han-delte, konnte der Hirsch laufen und in Sicherheit bleiben. Als er aber in waldiges Gelnde kam, da passierte es, dass er nicht mehr weiter laufen konnte und vom Lwen gepackt wurde, weil sich sein Geweih in den Zweigen verfing. Kurz vor seinem Tode sagte er zu sich selbst: Ich bin wirklich zu bedauern! Denn ich konnte mich mit dem retten, wodurch ich mich verraten fhlte. Umgekommen bin ich aber durch das, worauf ich besonders vertraute.

    So sind oft schon Freunde, denen man nicht besonders ver-traut, zu Rettern geworden, whrend sich diejenigen, denen man sehr vertraute, als Verrter erwiesen.

    75. D E R H I R S C H , D E R A U F E I N E M A U G E B L I N D W A R

    Ein Hirsch war auf dem einen Auge blind. Er kam an einen Strand und weidete dort. Dabei richtete er sein gesundes Auge auf das Land, weil er mit der Ankunft der Jger rechnen musste. Sein blindes Auge war dem Meer zugewandt. Denn er erwartete von dort keine Gefahr. So fuhren denn Leute mit dem Boot an jener Stelle vorbei. Und als sie den Hirsch sahen, erlegten sie ihn. Und als er starb, sagte er noch zu sich selbst: Ich Unglcklicher, habe ich mich doch vor dem Land in Acht genommen, weil ich es fur gefahrlich hielt; viel gefhriicher aber war das Meer fr mich, bei dem ich Zuflucht suchte.

    So erweist sich oft das anscheinend Schlimme gegen unsere Erwartung als ntzlich, whrend das, was einem hilfreich vorkommt, Verderben bringt.

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    76. D E R H I R S C H U N D D E R L W E I N E I N E R H H L E

    Ein Hirsch war vor Jgern auf der Flucht. Er gelangte zu einer Hhle, in der sich ein Lwe befand. Dort ging er hinein, um sich zu verstecken. Als er von dem Lwen gepackt und zer-fleischt wurde, sagte er: Ich Unglcklicher! Whrend ich vor den Menschen die Flucht ergriff, lieferte ich mich einem wilden Tier aus.

    So begeben sich auch manche Menschen aus Angst vor klei-neren Gefahren in greres Unglck.

    77. D E R H I R S C H U N D D E R W E I N S T O C K

    Ein Hirsch wurde von Jgern verfolgt. Er versteckte sich un-ter einem Weinstock. Als die Jger schon weitergegangen wa-ren, fra er die Bltter des Weinstockes. Aber einer der Jger drehte sich um, sah den Hirsch und traf und verwundete ihn mit seinem Speer, den er bei sich hatte. Kurz vor seinem Tod klagte der Hirsch und sagte zu sich selbst: Es geschieht mir recht, weil ich dem Weinstock, der mich rettete, Unrecht tat.

    Diese Geschichte knnte ber Menschen erzhlt werden, die von Gott bestraft werden, weil sie ihren Wohlttern Unrecht tun.

    78. D I E S E E R E I S E N D E N

    Einmal stiegen Leute in ein Boot und fuhren los. Als sie sich auf hoher See befanden, geschah es, dass pltzlich Sturm aufkam und das Schiff beinahe untergegangen wre. Einer der Reisenden war auer sich vor Angst, rief die Gtter sei-ner Heimat an und versprach ihnen unter Wehklagen und Jammern Geschenke darzubringen, sobald die Reisenden ge-

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  • DIE FABELN 85

    rettet seien. Als der Sturm aufgehrt hatte und das Meer wie-der ruhig geworden war, veranstalteten die Menschen ein Festmahl, tanzten und waren ausgelassen, da sie wider Er-warten mit dem Leben davongekommen waren. Da ergriff der Steuermann das Wort und sagte streng zu den Leuten: Freunde, es ist notwendig, dass ihr euch nur so freut, als ob zu jeder Zeit wieder ein Sturm aufkommen knnte.

    Die Geschichte lehrt, dass man sich nicht allzu sehr ber sein Glck freuen und immer daran denken sollte, dass das Schicksal leicht umschlagen kann.

    79. D E R K A T E R U N D D I E M U S E

    In irgendeinem Haus gab es viele Muse. Ein Kater erfuhr da-von und kam dorthin, fing eine nach der anderen und fra sie auf Als die Muse aber zunehmend weniger wurden, zogen sie sich in ihre Lcher zurck, und weil der Kater nicht mehr an sie herankommen konnte, erkannte er, dass er sie nur mit einer List herauslocken knne. Deshalb kletterte er auf eine Holz-stange, lie sich von dort herunterhngen und tat so, als ob er tot sei. Eine der Muse wagte sich hervor, und als sie den Kater sah, sagte sie: Mein Lieber, auch wenn du jetzt ein leerer Sack geworden bist, werde ich nicht zu dir heraus kommen.

    Die Geschichte zeigt, dass sich vernnftige Menschen nicht mehr durch Vortuschung falscher Tatsachen beeindrucken lassen, wenn sie die Bosheit gewisser Leute erfahren haben.

    80. D I E F L I E G E N

    In irgendeiner Vorratskammer war Honig ausgeflossen. Da flogen Fliegen herbei und fraen davon. Da der Honig so s war, lieen sie nicht mehr davon ab, ihn zu ernten. Als dann aber ihre Beine festklebten und sie nicht mehr weg-

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  • DIE FABELN 87

    fliegen konnten, riefen sie sterbend aus: Ach, wir Unseli-gen! Wir gehen fr einen kurzen Lustgewinn zugrunde!

    So wird die Gier fr viele zur Wurzel zahlreicher bel.

    81. D E R A F F E , D E R Z U M K N I G G E W H L T W U R D E , U N D D E R F U C H S

    In einer Versammlung der vernunftlosen Tiere erwarb sich der Affe groes Ansehen und wurde von ihnen zum Knig gewhlt. Der Fuchs aber beneidete ihn darum. Als er in ir-gendeinem Netz ein Stck Fleisch hngen sah, fhrte er den Affen dorthin und sagte, er habe einen Schatz gefunden. Er selbst brauche ihn nicht, habe ihn aber dem Affen als Ehren-gabe fr seine Knigswrde aufgehoben. Er bitte ihn darum, den Schatz anzunehmen. Als der Affe ohne zu zgern an die Falle herantrat, sich in der Falle verfing und dem Fuchs vor-warf, er habe ihn reingelegt, sagte der Fuchs zum Affen: Du Affe, mit einer solchen Einstellung willst du der Knig der vernunftlosen Tiere sein?

    So ziehen sich diejenigen, die sich ohne berlegung auf et-was einlassen, auer dem Unglck auch noch den Spott zu.

    82. E S E L , H A H N U N D L W E

    Auf irgendeinem Hof lebten ein Esel und ein Hahn. Als ein hungriger Lwe den Esel sah, ging er unverzglich hin, um ihn aufzufressen. Beim Lrm des krhenden Hahnes bekam der Lwe aber einen gewaltigen Schrecken - es heit nm-lich, dass die Lwen vor dem Geschrei der Hhne Angst ha-ben - und wandte sich zur Flucht. Der Esel wurde bermtig bei dem Gedanken, dass sich der Lwe vor einem Hahn frchtete, und lief hinaus, um diesen zu verfolgen. Aber als der Lwe weit genug entfernt war, fra er ihn auf

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    So geht es auch manchen Menschen: Sie sehen, dass sich ihre Feinde zurckziehen und fassen deshalb Mut; dann aber werden sie von ihnen unversehens vernichtet.

    83. D E R A F F E U N D D A S K A M E L B E I M T A N Z

    In einer Versammlung der vernunftlosen Tiere stand ein A f f e auf und tanzte. Als er dafr sehr viel Beifall bekam und von allen gelobt wurde, wurde ein Kamel neidisch und wollte dasselbe erreichen. Deshalb stand es auf und ver-suchte ebenfalls zu tanzen. Weil es aber viel U n f u g machte, rgerten sich die Tiere, schlugen es mit Stcken und trieben es fort.

    Die Geschichte passt auf diejenigen, die aus Neid mit Gr-eren in einen Wettstreit treten und dann unterliegen.

    84. Z W E I M I S T K F E R

    Auf einer kleinen Insel weidete ein Stier. Von seinem Mist er-nhrten sich zwei Mistkfer. Als nun aber der Winter kam, sagte der eine zu seinem Freund, er wolle zum Festland ber-setzen, damit fr den anderen, wenn er allein auf der Insel sei, das Futter ausreiche. Er selbst gehe dorthin, um den Winter zu verbringen. Er sagte aber auch, falls er viel Futter finde, werde er es auch ihm mitbringen. Er kam zum Fest-land und fand dort eine Menge saftigen Mist. Er blieb dort und ernhrte sich davon. Als der Winter vorbei war, flog er wieder zur Insel. Als der andere sah, wie feist und wohlge-nhrt er war, warf er ihm vor, dass er ihm trotz seines frhe-ren Versprechens nichts mitgebracht habe. Da sagte er: Mach mir keine Vorwrfe, sondern vielmehr der Beschaf-fenheit des Platzes. Denn man kann sich dort zwar ernhren, aber nichts wegbringen.

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    Die Geschichte knnte auf diejenigen passen, die ihre Freundschaften nur so lange halten, bis sie sie satt sind, dar-ber hinaus aber ihren Freunden nicht mehr helfen.

    85. D A S F E R K E L U N D D I E S C H A F E

    Ein Ferkel war in eine Herde von Schafen geraten und fra mit ihnen gemeinsam das Gras auf der Weide. Dann aber packte es der Schfer, und es quiekte und strampelte. Die Schafe beklagten sich bei ihm ber sein Geschrei und sagten: Packt uns der Schfer nicht stndig, ohne dass wir schreien? Da sagte das Ferkel zu ihnen: Ja, aber wenn er euch packt, ist es etwas anderes, als wenn er mich packt. Denn euch jagt er wegen eurer Wolle oder wegen eurer Milch, mich aber wegen meines Fleisches.

    Die Geschichte zeigt, dass diejenigen mit Recht laut schreien, bei denen es nicht um ihren Besitz geht, sondern um ihr Leben.

    86. D I E D R O S S E L I M M Y R T E N B U S C H

    Eine Drossel lebte ihn einem Myrtenbusch. Weil die Frchte so s waren, konnte sie nie genug kriegen. Aber ein Vogel-steller lauerte ihr auf, stellte ihr eine Falle, whrend sie dort sa, und fing sie. Und als sie sterben sollte, sagte sie: Ach, ich Unglckliche, weil mein Futter so s war, verliere ich mein Leben.

    Die Geschichte passt auf einen Menschen, der unersttlich ist und an seiner Gier zugrunde geht.

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    87. D I E G A N S M I T D E N G O L D E N E N E I E R N

    Als Hermes einmal von jemandem ber alle Maen verehrt wurde, schenkte er seinem Verehrer eine Gans, die goldene Eier legen konnte. Der aber gab sich mit dem Nutzen im 1 nicht zufrieden. Er nahm an, dass alles im Innern der Gans aus Gold war. Ohne zu zgern, schlachtete er sie. So kam es, dass er sich nicht nur in seinen Erwartungen ge-tuscht sehen musste, sondern dass er auch noch die Eier verlor. Denn alles, was er im Innern der Gans fand, war aus Fleisch.

    So geht es oft den Unersttlichen, die aus Gier nach mehr auch das verlieren, was sie in den Hnden haben.

    88. H E R M E S U N D D E R B I L D H A U E R

    Hermes wollte wissen, wie angesehen er bei den Menschen war. Er nahm die Gestalt eines Menschen an und ging in die Werkstatt eines Bildhauers. Dort sah er das Bildnis des Zeus und fragte: Was kostet es? Als der Bildhauer antwortete: Eine Drachme, lachte Hermes und fragte: Wie teuer ist das Bild der Hera? - Es kostet noch mehr, antwortete der Bild-hauer. Dann sah er auch sein eigenes Bildnis und nahm an, da er doch der Gtterbote und ein tchtiger Kaufmann war, dass die Menschen ihn besonders schtzten. Darum fragte Her-mes: Was kostet der? Der Bildhauer erwiderte: Wenn du die beiden anderen kaufst, werde ich dir diesen dazugeben.

    Die Geschichte passt auf einen ruhmschtigen Menschen, der in den Augen der anderen nichts gilt.

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    89. H E R M E S U N D T E I R E S I A S

    Hermes wollte prfen, ob die Kunst des blinden Sehers Tei-resias wirklich auf die Wahrheit ziele. Er stahl ihm die Rinder vom Feld. Dann kam er in der Gestalt eines Menschen zu ihm in die Stadt und lie sich von ihm gasdich aufnehmen. Als dann dem Teiresias berichtet wurde, dass ihm sein Rinder-gespann gestohlen war, ging er mit Hermes zu einem Platz au-erhalb der Stadt, um einen Vogel ber den Diebstahl zu be-fragen. Er bat Hermes, ihm zu sagen, wenn er einen Vogel sehe. Hermes sah zuerst einen Adler von links nach rechts fliegen. Das sagte er Teiresisas. Als Teiresias aber darauf hin-wies, dass der Adler nichts mit ihnen zu tun habe, sah Her-mes beim zweiten Hinschauen eine Krhe auf einem Baum sitzen, die einmal nach oben blickte und einmal sich der Erde zuwandte. Das teilte er Teiresias mit. Der sagte daraufhin: Ja, diese Krhe schwrt beim Himmel und bei der Erde, dass ich, wenn du es willst, meine Rinder wiederbekommen werde.

    Diese Geschichte knnte man auf einen Dieb anwenden.

    90. D I E V I P E R U N D D I E W A S S E R S C H L A N G E

    Eine Viper kroch regelmig zu einer Quelle, um zu trinken. Dort wohnte aber eine Wasserschlange, die sie daran hindern wollte, weil sie sich darber rgerte, dass die Viper sich nicht nur mit ihrem eigenen Revier zufrieden gab, sondern auch noch in ihren Lebensraum eindrang. Als der Streit stndig zunahm, vereinbarten sie, miteinander zu kmpfen. Dem Sieger sollte die Nutzung des Wassers und des Landes geh-ren. Als sie den Zeitpunkt festgesetzt hatten, begaben sich die Frsche, weil sie die Wasserschlange hassten, zu der Vi-per, um ihr Mut zu machen. Sie erklrten ihr auch, sie wr-den auf ihrer Seite kmpfen. Als die Schlacht begonnen hatte, kmpfte die Viper mit der Wasserschlange. Die Fr-sche aber konnten nichts weiter tun und stimmten ein lautes

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    Geschrei an. Die Viper siegte und beschuldigte die Frsche, sie htten ihr zwar versprochen, auf ihrer Seite zu kmpfen, aber ihr im Kampf nicht nur nicht geholfen, sondern nichts weiter getan als zu quaken. Die Frsche sagten zur Viper: Ja, aber du solltest wirklich wissen, dass unser Bndnis nicht auf Taten, sondern auf Geschrei beruht.

    Die Geschichte zeigt, dass dort, wo es ntig ist zuzupacken, bloe Worte keine Hilfe sind.

    91. D E R S P I E L E N D E E S E L U N D S E I N H E R R

    Jemand besa einen Malteserhund und einen Esel, und er spielte dauernd freundlich mit seinem Hund. Immer wenn er nicht zu Hause a, brachte er dem Hund etwas mit und warf es ihm vor, sobald er angerannt kam und mit dem Schwanz wedelte. Der Esel aber wurde neidisch, kam auch angelaufen, sprang freudig hin und her, traf aber seinen Herrn mit seinen Hufen. Das rgerte den Mann, und er be-fahl, den Esel zu verprgeln, ihn fortzuschaffen und an seine Krippe zu binden.

    Die Geschichte zeigt, dass nicht alle fr alles geschaffen sind.

    92. Z W E I H U N D E

    Jemand hatte zwei Hunde. Den einen bildete er zu einem Jagdhund aus, den anderen machte er zu einem Wachhund. Jedes Mal wenn der Jagdhund zur Jagd ging und etwas fing, warf der Herr auch dem anderen Hund ein Stck Fleisch vor. Darber rgerte sich der Jagdhund und beschimpfte den ande-ren, weil er selbst immer auf Jagd gehen und groe Anstren-gungen ertragen msse, der andere aber nichts tue und nur das zu genieen brauche, was er unter groen Mhen beschaffe. Da sagte jener zu ihm: Aber schimpf doch nicht mit mir, son-

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  • DIE FABELN 99

    dem mit dem Herrn, der mir nicht beigebracht hat, selbst zu arbeiten, sondern nur von der Arbeit anderer zu leben.

    In diesem Sinne darf man auch faulen Kindern keine Vor-wrfe machen, wenn ihre Eltern sie nicht anders erziehen.

    93. D I E V I P E R U N D D I E F E I L E

    Eine Viper kroch in die Werkstatt eines Schmiedes und bat die Werkzeuge um eine freundliche Gabe. Von allen bekam sie etwas. Dann aber kam sie zu der Feile und forderte auch sie auf, ihr etwas zu geben. Die Feile aber entgegnete: Ja, du bist wirklich einfaltig, wenn du glaubst, von mir etwas be-kommen zu knnen. Denn ich bin es gewohnt, nicht zu ge-ben, sondern von allen etwas zu nehmen.

    Die Geschichte zeigt, dass man tricht ist, wenn man erwar-tet, von Geizigen etwas zu bekommen.

    94. D E R V A T E R U N D S E I N E T C H T E R

    Ein Vater hatte zwei Tchter. Die eine gab er einem Bauern, die andere einem Tpfer zur Frau. Nach einiger Zeit kam er zu der Frau des Bauern und fragte sie, wie es ihr gehe und wie die Dinge bei ihnen stnden. Sie antwortete, es fehle ihnen an nichts. Sie bitte die Gtter nur darum, dass es Winter werde und zu regnen anfange, damit das Gemse bewssert werde. Nicht viel spter kam er auch zur Frau des Tpfers und fragte sie ebenso, wie es ihr gehe. Auch sie sagte, es fehle ihr eigentlich nichts, sie bete nur darum, dass das Wetter gut bleibe und die Sonne scheine, damit der Ton trocken werde. Da sagte der Bauer zu seiner Tochter: Wenn du um schnes Wetter bittest, deine Schwester aber um Winterregen, mit welcher von euch soll ich dann mitbeten?

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  • DIE FABELN

    So geht es auch denjenigen, die zur selben Zeit Dinge tun, die unvereinbar sind: Sie nehmen natrhch in jedem Fall Schaden.

    95. D E R M A N N U N D S E I N E U N A N G E N E H M E F R A U

    Jemand hatte eine Frau, die in ihrer Art allen unangenehm war. Da wollte er erfahren, ob sie sich auch gegenber den Knechten und Mgden in ihrem Elternhaus genauso ver-hielt. Daher schickte er sie unter einem vernnftigen Vor-wand zu ihrem Vater. Als sie nach wenigen Tagen zurck-kam, fragte er sie, wie die Leute sie aufgenommen htten. Sie antwortete: Die Rinderhirten und die Schafhirten haben mich so seltsam angesehen. Da sagte er zu ihr: Ja, Frau, wenn du schon denen unangenehm warst, die am frhen Morgen ihre Herden hinaustreiben und erst spt wieder zu-rckkommen, was muss man dann bei jenen erwarten, mit denen du den ganzen Tag verbrachtest?

    So erkennt man oft an Kleinigkeiten das Groe und an dem, was sichtbar ist, das Verborgene.

    96. D I E V I P E R U N D D E R F U C H S

    Eine Schlange befuhr auf einem Bndel von stachligen Di-steln einen Fluss. Als ein Fuchs vorbei kam und sie sah, sagte er: Der Kapitn fuhrt das Schiff, das er verdient.

    Fr einen blen Kerl, der in eine schlimme Lage geriet.

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  • DIE FABELN 103

    97. D I E J U N G E Z I E G E U N D D E R W O L F A L S F L T E N S P I E L E R

    Eine junge Ziege blieb hinter ihrer Herde zurck und wurde von einem Wolf verfolgt. Die Ziege drehte sich um und sagte zu dem Wolf: Ich bin davon berzeugt, Wolf, dass ich von dir gefressen werde. Aber damit ich nicht ruhmlos sterbe, blas die Flte, damit ich tanzen kann. Als der Wolf die Flte blies und die junge Ziege tanzte, hrten dies die Hunde und setzten dem Wolf nach. Da drehte sich der Wolf um und sagte zur jungen Ziege: Das geschieht mir recht. Denn ich, der ich doch von Beruf Fleischer bin, htte keinen Flten-spieler nachahmen drfen.

    So geht es auch denjenigen, die etwas zu unpassender Zeit tun und das verspielen, was sie in den Hnden haben.

    98. D I E J U N G E Z I E G E , D I E A U F E I N E M H A U S D A C H S T A N D , U N D D E R W O L F

    Eine junge Ziege stand auf einem Hausdach. Als sie einen vorbeikommenden Wolf beschimpfte, sagte er zu ihr: Nicht du schimpfst mich aus, sondern der Ort, an dem du dich befindest.

    Die Geschichte zeigt, dass die Umstnde Mut vor den ber-legenen erzeugen.

    99. D E R S T A T U E N H N D L E R

    Jemand hatte einen Hermes aus Holz geschaffen, brachte ihn auf den Markt und wollte ihn verkaufen. Als aber kein Kufer kam, wollte er irgendwelche Leute anlocken und rief, er habe einen wohlttigen und Gewinn versprechen-den Gott zum Verkauf Da sagte einer der Vorbergehen-

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  • DIE FABELN 105

    den zu ihm: Ja, mein Freund, warum veri^aufst du denn ei-nen solchen Wohltter, wo es doch nahe lge, dass du selbst seinen Nutzen geniet? Der Verkufer antwortete: Weil ich etwas brauche, was mir einen s