Fachlichkeit Was kennzeichnet die professionelle Expertise ... · Paradigma...

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1 Fachlichkeit im Förderschwerpunkt Lernen – Professionelle Herausforderungen Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose Vortrag im Rahmen der Fachtagung der Schulleitungen der Bezirksregierung Münster zum Förderschwerpunkt „Lernen“ am 19.06.2012 im Stift Tilbeck Leitfragen Was kennzeichnet die professionelle Expertise von Lehrkräften für Sonderpädagogik im Förderschwerpunkt Lernen? Welche spezifischen Maßnahmen in den Bereichen Unterricht, Diagnostik, Förderplanung, Förderung und Kooperation sind für Schülerinnen und Schüler erforderlich, die von Beeinträchtigungen des Lernens betroffen sind? Anregungen für die Selbstvergewisserung: - Wo stehen wir? - Wo wollen wir hin? Gliederung 1. Problemaufriss, Ebenen der Auseinandersetzung mit dem Thema 2. Paradigmen der Sonderpädagogik im Förderschwerpunkt Lernen 3. Rechtliche und politische Bedingungen 4. Organisatorische Modelle und Rahmenbedingungen 5. Pädagogisches Handeln im Förderschwerpunkt Lernen 6. Konsequenzen für die professionelle Entwicklung im Förderschwerpunkt Lernen 1. Problemaufriss: Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen – eine heterogene Gruppe 4 5 Anstieg der Förderquoten von 1999 bis 2010; aus: Dietze 2011 inklusion online 6 * Bis 1998 nur Förderschulen, ab 1999 einschließlich Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an sonstigen allgemeinbildenden Schulen. Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Schulstatistik 2009/10 und frühere Jahre, Sekretariat der KMK (2010): Sonderpädagogische Förderung in Schulen 1997 bis 2008, aus: Dietze, Z. (2011) in Inklusion online

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Fachlichkeit

im Förderschwerpunkt Lernen –

Professionelle Herausforderungen

Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose

Vortrag im Rahmen der Fachtagung der

Schulleitungen der Bezirksregierung Münster

zum Förderschwerpunkt „Lernen“

am 19.06.2012 im Stift Tilbeck

Leitfragen

� Was kennzeichnet die professionelle Expertise von Lehrkräften für Sonderpädagogik im Förderschwerpunkt Lernen?

� Welche spezifischen Maßnahmen in den Bereichen Unterricht, Diagnostik, Förderplanung, Förderung und Kooperation sind für Schülerinnen und Schüler erforderlich, die von Beeinträchtigungen des Lernens betroffen sind?

� Anregungen für die Selbstvergewisserung:

- Wo stehen wir?

- Wo wollen wir hin?

Gliederung

1. Problemaufriss,

Ebenen der Auseinandersetzung mit dem Thema

2. Paradigmen der Sonderpädagogik im Förderschwerpunkt Lernen

3. Rechtliche und politische Bedingungen

4. Organisatorische Modelle und Rahmenbedingungen

5. Pädagogisches Handeln im Förderschwerpunkt Lernen

6. Konsequenzen für die professionelle Entwicklung im Förderschwerpunkt Lernen

1. Problemaufriss: Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen – eine heterogene Gruppe

4

5Anstieg der Förderquoten von 1999 bis 2010; aus: Di etze 2011 inklusion online 6

* Bis 1998 nur Förderschulen, ab 1999 einschließlic h Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an sonstigen allge meinbildenden Schulen.

Quelle: Statistische Ämter des Bundes und der Lände r, Schulstatistik 2009/10 und frühere Jahre, Sekretariat der KMK (2010): Sonderpädagogisc he Förderung in Schulen 1997 bis 2008,

aus: Dietze, Z. (2011) in Inklusion online

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1. Problemaufriss:� Kontinuierliche quantitative Zunahme von

SchülerInnen mit Förderbedarf, leichter Anstieg im Förderschwerpunkt Lernen (KMK-Daten 1999-2010, Dietze 2011)

� Deutliche Überrepräsentation von Jungen: 62,5%

� Überproportional häufiges Schulversagen mehrsprachiger Kinder (Diefenbach 2004, 2011, Kornmann u.a. 2003, 2010; Gomolla 2010; Stanat/Christensen 2006)

� Kinder in Armutslagen und aus sozial benachteiligten Milieus (Funke/Timm 1977; Klein 2001; Koch 2004; Kottmann 2006; Weiß 2007; Heimlich 2008; Müller 2010)

� Unzureichendes Bildungsangebot der Regelschulen als zentrale Erklärungshypothese (Begemann 1996; Belke 2001, Helmke u.a. 2002, Ramm u.a. 2005)

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Relativer Risikoindex: Förderschulbesuch für ausländische SchülerInnen (Dietze 2011, Kemper/Weishaupt 2011)

Zeitpunkt der Überweisung auf eine Förderschule –zunehmend früher

9aus: Dietze 2011 inklusion online

- Verständnis von Lernen und Lern-Behinderungen- Menschenbild und Pädagogische Haltung

- Entwicklungsbegriff - Verständnis von Erziehung und Bildung -Verständnis von besonderer Förderung

Bildungspolitische Entwicklungen: - KMK-Empfehlungen, - Schulgesetze, - Lehrerausbildungsgesetze- Standards

--> politischer Auftrag, Rahmenbedingungen

- Modelle der Förderung: - Förderschule Lernen integrative und inklusive Modelle

-Schulentwicklungsprozesse- Rahmenbedingungen

- Merkmale guten lern- und entwicklungsfördernden Unterrichts

- Diagnostik und Förderplanung- spezifische Fördermaßnahmen- Kooperation und Netzwerkarbeit

Rollen und Aufgaben- fachliche und kommunikative

Kompetenzen - Kooperation und Beratung

Ebenen der Lern- und Entwicklungsförderung (Lütje-Klose 1997, Werning/Lütje-Klose 2006; in Anl ehnung an Fend 2006)

2. Paradigmen der Pädagogik bei Lernbeeinträchtigungen

Philosophische Ebene

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Klassifikation von Lernstörungen nach Lauth, G./Brunstein, J./ Grünke, M. (2004)

Bereichsspezifisch (partiell)

Allgemein (generell)

Vorüber gehend (passager)

Lernrückstände in Einzelfächern

Schulschwierig-keiten, Neurotische Störungen

Überdauernd (persistierend)

Lese-Rechtschreib-SchwächeRechenschwäche

LernschwächeLernbehinderungGeistige Behinderung

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Markante Probleme bei lernbeeinträchtigten Schüler/innen (nach Lauth u.a. 2004, Lohaus 2010):

� Geringe Basisfertigkeiten

� Reduzierte Wissensbasis erschwert Aneignung neuer Kompetenzen

� Geringere Informationsverarbeitungs- und Problemlösekompetenz

� Geringes strategisches Wissen: Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung, Abruf von Infos

� Geringere metakognitive Fertigkeiten

� Geringere Motivation, weniger Vertrauen in die eigene Selbstwirksamkeit

Streuung der Intelligenz-Intervalle bei Schülerinne n und Schülern der Förderschule Lernen (Klein 2001)

IQ-Intervalle

40-59

60-69

70-79

80-84

85-89

90-99

100-119

1997 in %

4,7 15,8 31,1 16,6 14,2 13,1 4,5

1969 in %

2,1 13,0 34,4 20,5 14,0 12,6 2,6

Paradigmen der Sonderpädagogik (nach Bleidick 1986, zit nach Vernooij 2007, 22 und 29)Behinderung ist ... .Bezeichnung Lernbehinderung aufgr und …

1. Ein medizinisch oder psychologisch fassbarer Sachverhalt

Personenorientiertes Paradigma

-Umschriebener Lern-störungen (Betz/Breuninger 1997)

-kognitiver Minderleistungen (Lauth 2004)

2. Eine Zuschreibung von sozialen Erwartungshaltungen

Interaktionistisches Paradigma

-Sozialer Zuschreibungen (Kornmann 1984, 2009)

-Didaktischer Defizite (Kutzer 1973, Klein 2001)

3. Ein Systemerzeugnis schulischer Leistungs-differenzierung

Systemtheoretisches Paradigma

- Allokationsfunktion der Schule ( Fend 2007, Schnell 2011)

4. Durch die Gesellschaft gemacht

5. Sozial konstruiert

Politökonomisches Paradigma

Systemisch-konstruktivistisches Paradigma

-Soziokultureller Benachteiligung (Begemann 1972, Koch 2004)

- fehlender Passung von individ. Lernvoraussetzungen und sozialen Erwartungen(Werning 2012, KMK 1998)

KMK-Empfehlungen zum Förderschwerpunkt Lernen 1998

� „Bei Schülerinnen und Schülern mit Lernbeein-trächtigungen ist die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt dauerhaft bzw. zeitweilig so erschwert,

� dass sie die Ziele und Inhalte der Lehrpläne der allgemeinen Schule nicht oder nur ansatzweise erreichen können“ (KMK 1998 in Drave et al., 300)

� „… dass sie auch mit zusätzlichen Lernhilfen der allgemeinen Schule nicht ihren Möglichkeiten entsprechend gefördert werden können.“ (ebd.)

Lernen und Lern-Behinderungen aus sozial-konstruktivistischer Sicht (Siebert 2004, Werning 2006, Werning/ Lütje-Klose 2 012)

� Menschliches Lernen als aktiver, konstruktiver Prozess, der auf den bereits entwickelten Strukturen aufbaut

� Strukturelle Kopplung durch Interaktionen mit anderen Menschen

� Erinnerung als Rekonstruktion

� Anregung zur Weiterentwicklung durch Perturbationen

� Lernschwierigkeiten als Problem der mangelnden Passung zwischen individuellen und schulischen Strukturen -> Gestörte Beziehungsmuster

� Misserfolgserlebnisse der Schüler und enttäuschte Erwartungen der Lehrkräfte

Verhaltenstheoretischer Erklärungsansatz für Lernbeeinträchtigungen (Lauth et al. 2004, Lauth/ Mackowiak 2006)

� Mangelnde oder ungeeignete Lernaktivität

� Mangelnde Informationsverarbeitung(1) Fehlende Lernvoraussetzungen

(2) Einschleichende Lernstörungen

� Folge sozial-ökologischer Übergänge(1) Unterschiede zwischen schulischen Anforderungen und

individuellen oder familiären Möglichkeiten

(2) Auswirkungen auf Lernvoraussetzungen und Lernprozesse

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Neurowissenschaftlicher Perspektive: Beeinträchtigungen beim Aufbau neuronaler Netzwerke (Braun 2006)

� Auf- und Abbau von neuronalen Netzwerken wird durch Erfahrungen und Lernprozesse gesteuert

� Lernerfolg führt zu Glücksgefühlen durch Ausschüttung körpereigener Glücksdrogen (Noradrenalin, Serotonin, Dopamin)

� Wissen wird im Netzwerk Gehirn selbst hergestellt, wenn das körpereigene Belohnungssystem gut funktioniert

� Emotionale Beteiligung ist essentiell für höhere Lernprozesse

� Frühe Erfahrungen prägen das limbische System

Günstige Bedingungen für erfolgreiche Lern-und Gedächtnisprozesse (Braun 2006)

� Gedächtnisinhalte müssen möglich positiv belegt sein

� Lernen als aktiver, ganzheitlicher Prozess: verschiedene Gehirnregionen sind parallel aktiv

� Handlungsorientierung

� Versprachlichung der Handlungen

� emotionale Beteiligung und innere Sicherheit

− Wertschätzung des Schülers als Person

− Stärkung des Selbstbewusstseins

− Individuelle Bedeutsamkeit der Inhalte

− Begeisterung der Lehrkräfte für ihren Stoff

3. Rechtliche und politische Bedingungen

21Bildungspolitische Ebene

Inklusion als gesetzlicher Auftrag: Umstrukturierung der Fördersysteme

� De-Kategorisierung und De-Institutionalisierung

� Salamanca-Statement UNESCO 1994

� KMK 1994,

� Schulgesetze

� UN-Konvention 2006, 2009

� KMK-Empfehlungen 2010

� Inklusionsplan für NRW (Klemm/ Preuss-Lausitz 2011, Klemm 2012)

� Zielperspektive 2020

� Regional unterschiedliche Entwicklungen

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5. Modelle und Rahmenbedingungen schulischer Lern-und Entwicklungsförderung

23Organisatorische Ebene

Organisatorische Modelle

� Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen

� Gemeinsamer Unterricht / Integrationsklasse

� Integrative Lerngruppen

� Kompetenzzentren für sonderpädagogische Förderung/ Beratungsmodelle

� Sonderpädagogische Grundversorgung /

Zentren unterstützender Pädagogik (ZuP)

� Regionale Beratungs- und Unterstützungszentren (REBUZ)

Organisatorische Ebene

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Ergebnisse der Integrationsforschung(Dumke /Schäfer 1993, 2001; Hildeschmidt/Sander 1996, Schuck/ Wocken/ Hinz 1998, Preuss-Lausitz 2005, Wocken 2007, Bless/ Mohr 2007, Hinz 2007, Huber 2009; Myklebust 2008; Hattie 2009)

� Differenzielle Ergebnisse:

- Schulleistungen

- Soziale Integration

- Persönlichkeitsentwicklung

� Fazit:

- mindestens „Patt“ der Fördererfolge im Vergleich Regel- und Sonderschule

- Keine Nachteile für Schüler/innen ohne besondere Förderbedarf in integrativen Klassen

- Bezugsgruppeneffekte versus Stigmatisierungseffekte

BiLieF: Bielefelder Längsschnitt-Studie zum Lernen i n inklusiven und exklusiven Förderarrangements(Lütje-Klose, Schwinger, Wild 2012)

Das Projekt im Überblick

� BMBF Förderlinie Chancengerechtigkeit und Teilhabe

� Quasi-experimentelle Längsschnittstudie

� Untersuchung der Wirksamkeit der drei Modelle sonderpädagogischer Förderung in NRW im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler/innen

BiLieF: Bielefelder Längsschnitt-Studie zum Lernen i n inklusiven und exklusiven Förderarrangements

Leitfrage:

Welche Form der Beschulung ermöglicht Schülerinnen und Schülern mit einem sonder-pädagogischen Förderbedarf im Förder-schwerpunkt Lernen am ehesten eine positive Persönlichkeitsentwicklung ?

(1)Selbstwertgefühl(2)schulisches Wohlbefinden(3)Lernmotivation(4)Kompetenzentwicklung(5)Schullaufbahn

BiLieF: Bielefelder Längsschnitt-Studie zum Lernen i n inklusiven und exklusiven Förderarrangements

Zentrale Fragestellungen:

1. Lassen sich differentielle Entwicklungsverläufe in Abhängigkeit von den Beschulungsformen finden?

2. Welche personenbezogenen Risiko- und Resilienzfaktoren moderieren etwaige Schulformeffekte?

3. Welche kontextuellen Risiko- und Resilienzfaktoren beeinflussen die Aneignung schulischer Bildungsangebote?

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Sonderpädagogische Förderung als Serviceleistung?(in Anlehnung an Reiser 1998, Lindmeier 2011; Lütje -Klose 2011)

ISOLIERTE SERVICE-LEISTUNG

Förderschule

Entlastung RS

�GeneralistIn

�zuständig für Unterricht, Diagnostik und Förderung

�Unterrichtsinte-grierte Förderung

�Elternarbeit

�Teaminterne Kooperation

PERSONALISIERTE ADDITIVE

SERVICELEISTUNG

Individuelle oder Kleingruppenförde-rung

�ExpertIn für Förderung

�zuständig für eng umgrenzte Förder-Leistungen in der Klasse bzw. in äußerer Differenzierung

� Fördermaßnahmen als additive, zusätzliche Maßnahme

�Aufgabe: individuelle Förderung

INSTITUTIONAILISERTE SYSTEMBEZOGENE SERVICELEISTUNG

Doppelbesetzung im gemeinsamen Unterricht

�ExpertIn für Unterricht und Förderung

�Umsetzung unterrichtsintegrierter Förderung

�SpezialistIn für die Lösung von Lern- und Entwicklungs-problemen im Unterricht

�Aufgabe: kollegiale Kooperation, kooperative Beratung

Sonderpädagogische Ambulanz und Beratung

�Nicht mehr in erster Linie ExpertIn für Unterricht und Förderung,sondern ExpertIn für Interaktionsprozesse

�Aufgabe: Beratung der Schüler/innen und Eltern, (kooperative) Beratung mit anderen Lehrkräften

Pädagogisches Handeln im Förderschwerpunkt Lernen

� Unterricht

� Diagnostik

� Förderplanung

� Förderung

� Kooperation

Reflektiertes Verhältnis von Unterricht und individueller Förderung

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Verhältnis von Unterricht, Förderungund Therapie (Oevermann, Göppel, Kolberg 2007)

� Isolierte Lerntherapie : räumlich, zeitlich und inhaltlich getrennt vom Unterricht (-> Betz/Breuninger)

� Additive Lerntherapie bzw. Förderung : verläuft zeitlich parallel zum Unterricht, hat aber keinen direkten Bezug dazu (z.B. Einzelarbeit während Stillarbeitsphase oder im Nebenraum)

� Integrierte Lernförderung : verläuft räumlich, zeitlich und inhaltlich parallel zum Unterricht, fördernde Maßnahmen werden organisch an Unterrichtsinhalte angeschlossen (z.B. Lernstrategien bei Wochenplan)

� Immanente Lernförderung : der Unterrichtsinhalt selbst ist förderrelevant (z.B. phonematische Differenzierung bei Buchstabeneinführung)

Organisatorische Ebene

Angebots-Nutzungs-Modell (Helmke 2006, 2009)

Lehrperson- Fachkompetenz

- Allg. Didaktische

Kompetenz

- Klassenführungs-

kompetenz

- Diagnostische

Kompetenz

- Subjektive

Theorien

- Pädagogische

Orientierung

-Engagement

-Wissen über

Sprachstörungen

-Einfluss auf

schulisches Lernen

Unterricht

(Angebot)- Klassenführung

- Strukturierung

- Motivierung

- Wirkungs-

orientierung

- Individuelle

Unterstützung

- Lernaktivierung

-Methoden-

-variation

- Kompetenz-

orientierung

- Passung

Mediations-

ProzesseMotivationInteresse

Wahrnehmung und Interpretation

des Angebots

Selbstkonzept

WohlbefindenZielorientierung

Lern-

Aktivitäten

(Nutzung)Aktive Lernzeit

im Unterricht

Außerschulische

Aktivitäten

Wirkungen

(Ertrag)Fachwissen

Lernstrategien

Fertigkeiten

Schlüssel-

Kompetenzen

Handlungs-

kompetenz

Kulturelle und historische Schuleinzugsgebiet Alterskontext Klassenklima

Rahmenbedingungen Klassenzusammensetzung Fachkontext

Familie Strukturelle Merkmale, Erziehung, Sozialisation

Individuelle Voraussetzungen

Sprache, Intelligenz, Lernstrategien, Motivation, Emotionen

Individuelle Unterstützung

Wissen über

Lernbeein-

trächtigungen

Einfluss auf

schulisches Lernen

Ebene des pädagogischen Handelns

Passung

Sonderpädagogische Didaktik

� „ein theoretisches Modell der gemeinsamen, demokratischen, begründeten, kontinuierlich-prozesshaft erfolgenden Bildungsanalyse und -planung

� einer Gruppe Lernender und pädagogischer Partner

� in einem systemischen Handlungsfeld in Hinsicht auf

(1) die (je subjektiven) Voraussetzungen, Bedingungen, Gegebenheiten

(2) die gewählten Entscheidungen (Ziele, Inhalte, Organisation, Lernformen und Medien) sowie

(3) die weiterführenden Entwicklungen und Prozesse“ (Hansen & Stein 1997, 67)

� Individuelle Unterstützung und Gewährung fachkompetenter spezifischer Hilfen

Adaptiver Unterricht aus systemisch-konstruktivistischer Perspektive (Werning/Lütje-Klose 2006/ 2012)

Handlungsorientierter Unterricht

Projektunterricht

Individuelle Förderpläne

Kooperatives Lernen

Wochenplan/Freiarbeit

Entdeckendes Lernen

KOOPERATION

INDIVIDUALISIERUNG

OFFENHEIT

STRUKTURIERUNG

GesprächskreiseKlassenrat

Prinzipien einer systemisch-konstruktivistischen Didaktik im Förderschwerpunkt Lernen

� Den Schülerinnen und Schülern Selbstvertrauen in die eigene konstruktive Erkenntnistätigkeit geben

� Bedeutsame Situation und Förderinhalte

� gemeinsames Handeln ermöglichen.

� Die Beziehungen zwischen Kind und Lehrkraft sowie der Kinder bieten einen sicheren Rahmen

-> „Fehlerrisiken“ eingehen

� förderdiagnostische Beobachtungen als Grundlage

Förderdiagnostisches Modell nach Schuck (ZfH 2004, 356)

I. Bestandsaufnahmeund Entwicklung eines

Förderkonzeptes (Diagnostische Phase I)

II.Der Förderplan- realisierbare pädagogische Maßnahmen

- Ort der Förderung- Zeithorizonte und Vereinbarungen

III. LernprozessbegleitungUnd Evaluation

(Pädagogische Phase und zweite diagnostische Phase)

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Professionelle Kompetenzen für einen lern-und entwicklungsfördernden Unterricht

� Wertschätzende und akzeptierende pädagogische Grundhaltung

� Öffnung des Unterrichts für die Erfahrungen, Lernwege und Unterstützungsbedürfnisse der Einzelnen

� Anknüpfen an Ressourcen und Fähigkeiten statt an Defiziten -> Förderdiagnostik und Förderplanung

� Unterricht als kommunikativer Prozess

Konsequenzen für einen lern - und entwicklungsfördernden Unterricht

(Lütje-Klose 1997, 2005, 2010)

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Anforderungen und Regeln des KontextsSchule

Schüler/innenLehrer/in undSonderpädago-ge/in

Gemeinsamer GegenstandGemeinsame Aufmerksamkeit

Gemeinsames Handeln

Kooperative Beziehung

Strukturierter gemeinsamer Handlungsrahmen

Ebene des pädagogischen Handelns

Analyse aller unter-richtlichen Dimen-sionen bezüglich der individuellen Anforderungen und Lernmöglichkeiten

Peer Modelling, Gelegenheiten zum

kooperativen Lernen

Spezifische Fördermaßnahmen im Förderschwerpunkt Lernen (Pollmeier 2012 i.V.)

� Erste Ergebnisse einer empirischen Studie im Kontext von KsF

� Quantitative Auswertung von individuellen Förderplänen

� Fallstudien: Interviews mit Kind, Lehrkraft, Sonderpädagogin, Eltern

� Arbeitsschwerpunkte der SonderpädagogInnen im KSF:

(1) Förderung der schulischen Basiskompetenzen

(2) Förderung der Leistungsentwicklung

(3) Förderung der Persönlichkeitsentwicklung

(4) Kooperationen in der Schule

(5) Außerschulische Maßnahmen

Förderung der schulischen Basiskompetenzen

SUBKATEGORIEN 1.ORDNUNG:

� Förderung der Sprachentwicklung

� Förderung der motorischen Entwicklung

� Förderung der Wahrnehmung

� Verbesserung des Arbeits- und Lernverhaltens

� Konzentration / Aufmerksamkeit

� Motivation/ Anstrengungsbereitschaft

� Selbstständigkeit

� Sorgfältiges Arbeiten

(Pollmeier 2012 i.V.)

Konzentration/Aufmerksamkeit

Optimierung der Lern- und Unterrichtssituation:

Förderliche Situationsgestaltung

-> Maßnahmen, die die Ablenkbarkeit am Arbeitsplatz minimieren und klare Orientierungsmöglichkeiten anbieten

Ankerbeispiele:

� Besondere Ansprache bei Konzentrationsproblemen,

� Direkte persönliche Ansprache

� Individuelle Platzwahl beim Arbeiten Is1b3, Besonderen Arbeitsplatz ermöglichen, wenn Konzentration in der Gruppe schwer fällt

� Kopfhörer beschaffen

� Klare, eindeutige Lehrerinnensprache

� Auf Genauigkeit achten, damit Flüchtigkeitsfehler verschwinden

� Begleitung im Unterricht durch die Sonderpädagogin

(Pollmeier 2012 i.V.)

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7. Konsequenzen für die Professionelle Entwicklung im Förderschwerpunkt Lernen

Ebene der Personen

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Aufgaben schulischer Lern- und Entwicklungsförderung (Lütje-Klose 1997, Werning/ Lütje-Klose 2006/2012)

Direkte Förderung / Arbeit mit den Schüler/innen:

� Diagnostik und Förderplanung

� Spezifische Unterstützung von Schüler/innen mit Lernbeeinträchtigungen in Unterricht und Schulalltag

� Präventive Förderung von Schüler/innen mit Entwicklungsgefährdungen

Indirekte Förderung / Arbeit für die Schüler/innen:

� Kooperation mit Regelschullehrkräften, außerschulischen Fachkräften und Eltern

� Beratung von Kindern, Regelschullehrkräften und Eltern

Ebene der Person

Besondere Kompetenzen (aus Lütje-Klose et al. 2005, Gruppendiskussion RIK):

� spefizischer Blick – Förderdiagnostik, verstehender Ansatz

� Analyse von Lerngegenständen und Handlungssituationen

� Kooperative Kompetenzen

� Problemlösekompetenz, Flexibilität

„Feuerwehr“

„ Der Blick auf das, was schulisch relevant und verwendbar ist“ (ebd.)

Ebene der Person

„Ich denke schon, dass der Erfolg unserer Arbeit

wesentlich davon abhängt, ob das klappt, ob Lehrkräfte

kooperieren können“.

„Der zweite Blick auf das Kind …“

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Strukturelle Bedingungen für gelingende Lern- und Entwicklungsförderung

� Strukturen guten, lern- und entwicklungsfördernden Unterrichts

� Gelegenheit für spezifische Interventionen

� Geklärte Rollenerwartungen an die beteiligten Berufsgruppen, administrative Unterstützung:

� Z.B. gemeinsame Planungszeiten im Stundenplan

� Strukturierte Formen der Zusammenarbeit

• In den Teams

• In den Kollegien

• Zwischen den beteiligten Schulen

• Zwischen verschiedenen SonderpädagogInnen

Rollenhut

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! [email protected]

www.inklusion.uni-bielefeld.de