Facht.-Update Altenpflege [Kompatibilit tsmodus]) · • Nur so ist es möglich, dass sich Kinder...
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Praxisinstitut KlentzanGmbH
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In Kooperation mit dem Zentrum für Psychotraumatologie und Traumatherapie Niedersachsen
Homepage: www.zptn.de
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Wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird: Umgang mit kriegstraumatisierten
alten Menschen im Pflegealltag
• Ein kurzer Blick in die Geschichte
• Die nutzungsabhängige Entwicklung des Gehirns und seine Funktionsweise unter Stress
• Posttraumatische Belastungsstörung als Folge blockierter Informationsverarbeitung
• Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit kriegstraumatisierten alten Menschen
Wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird: Umgang mit kriegstraumatisierten
alten Menschen im Pflegealltag
• Ein kurzer Blick in die Geschichte
1945 Nach zwei Weltkriegen und 100 Millionen Toten innerhalb von 34 Jahren besteht nach wie vor die Hypothese von der
‘unendlichen Belastbarkeit einer erwachsenen gesundenmenschlichen/ männlichen Psyche‘ weiter: Gene, Mutter, Familie, minderwertige Biologie undPersönlichkeitsausstattung sind Ursache für anhaltendeStörungen / Symptome ( prämorbide Persönlichkeit )nicht das Trauma ( hier der Krieg ) !
Geschichte der Psychotraumatologie
1965 - 74 Vietnamkrieg:
• individuelle Grausamkeit , • 600 - 900 000 Kriegsveteranen mit schwersten Symptomen
und Persönlichkeitsveränderungen:
• Panik-, Angststörungen, Flash-backs, Alpträume, Schlafstörungen, • Unruhe, Konzentrationsstörungen, Leistungsversagen, • Kontakt- u. Beziehungsstörungen, Isolation, Depression• Impulssteuerungsstörungen, Gewalttätigkeit, SVV, Suizide, • Dissoziative Wahrnehmungsstörungen (präpsychotische Symptomatiken) • Somatoforme Störungen, sexuelle Störungen, • Suchterkrankungen (Alkohol, Drogen, Medikamente, Nikotin) …
• Protest des Mittelstandes & Versorgungsprobleme…
• 1975 / 78 Moderne Traumaforschung beginnt in den USA
Hinzu kommt: Frauenbewegung und gesellschaftliche Dimension der Traumaforschung
Geschichte der Psychotraumatologie
Wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird: Umgang mit kriegstraumatisierten
alten Menschen im Pflegealltag
• Die nutzungsabhängige Entwicklung des Gehirns und seine Funktionsweise unter
Stress
N e u r o p l a s t i z i t ä tUnser Gehirn – eine Maschine oder Computer mit
stabiler Hardware???
Die veraltete Vorstellung vom menschlichen Gehirn als eine mehr oder wenigergut funktionierende Maschine zeigt sich in mundartlichen Redewendungen über
psychischen Auffälligkeiten und Störungen:
• Du hast wohl …:
• …eine Schraube locker• …nicht alle Tassen im Schrank• …einen Sprung in der Schüssel• …ein Rad ab• …eine Macke• …ein Brett vor dem Kopf• …nicht alle Latten am Zaun• …bist neben der Spur• …bist wohl von der Rolle• …bist auf den Kopf gefallen• …bist nicht ganz dicht• …bist durch geknallt• …bekloppt / behämmert• …hast eine Meise usw.
N e u r o p l a s t i z i t ä t
Die nutzungsabhängige Strukturierung des Gehirnsund der Persönlichkeit
• Die Gehirnentwicklung ist ein sich selbst organisierender, durch Interaktion mit der Außenwelt gelenkter Prozess.
• Keine andere Spezies, nur Menschenkinder, kommen mit einemso wenig genetisch vorstrukturierten Gehirn und instinktmäßigfestgelegten Reaktions- und Verhaltensmustern zur Welt.
• Beispiel: Taxifahrer und Lehrerin aus London
N e u r o p l a s t i z i t ä t
• Ihre Gehirne sind deshalb über den langen Entwicklungszeitraum „Kindheit und Jugend“ extrem lernfähig und formbar
• Nur so ist es möglich, dass sich Kinder in so unterschiedlichen Lebensräumen wie am Nordpol, in Afrika oder in den Industrie-staaten Europas so gut an die jeweiligen Lebensbedingungen angepasst entwickeln
N e u r o p l a s t i z i t ä t
• Die Verschaltung bzw. „Verdrahtung“ von Milliarden von Nervenzellen zu neuronalen Netzen (Funktionseinheiten) geschieht in Abhängigkeit von den Nutzungsbedingungen und Erfahrungen
• Es ist besonders in der Kindheit der sensorische „Input“ , die psycho-sozialen Erfahrungen mit Bindungspersonen und Umwelt, die die Neuronen in unserem Gehirn „verdrahten“ und damit unsere kognitiven, emotionalen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten, unser Wesen, unsere Persönlichkeit nach und nach formen
N e u r o p l a s t i z i t ä t
• Unser Gehirn ist zeitlebens plastisch wieeine Wachstafel
• Es sind die „Ein-drücke“, Erfahrungen, Erlebnisse und unsere emotionalen und körperlich-physiologischen Reaktionendarauf, die unsere Prägungen hervorrufen
N e u r o p l a s t i z i t ä t
Wir bestehen als Persönlichkeit mit unserer/m
• Wahrnehmung• Denken (Sprache, Wissen, Wertvorstellungen, Normen) • Fühlen• Körperlichen Empfindungen und Reaktionen• Handeln / Verhalten
auf dem Nährboden unseres genetischen Potentials,
also aus der Summe unserer
- positiv-förderlichen und - negativ-beeinträchtigenden Erfahrungen und den erprobten
Reaktionen darauf.
N e u r o p l a s t i z i t ä t
Nutzungsabhängige Hirnentwicklung:
Aus ursprünglich schmalen Pfaden (geknüpften neuronalen Verbindungen) werden je nach Häufigkeit, Dauer und emotionaler Intensität der Nutzung dieser vernetzten Funktionseinheiten im Gehirn
• Trampelpfade • Wege• Strassen• Autobahnen
d.h. schließlich feste Strukturen (gebahnte Fähigkeiten,Gewohnheiten, Muster, Introjekte, Repräsentanzen, neuronale Netzwerke„innere Bilder“ / Hüther ), die nun häufig vom Individuum genutzt bzw. „befahren“ werden oder auch wieder „verfallen“.
Neuroplastizitzät
Die Nonnenstudie
Wir glauben, Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns.
(Eugène Ionesco)
Wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird: Umgang mit kriegstraumatisierten
alten Menschen im Pflegealltag
Posttraumatische Belastungsstörung als Folge
blockierter Informationsverarbeitung
„T“-TRAUMATA
• Unfälle (Verkehr, häuslicher Alltag, Feuer)
• Naturkatastrophen
• Krieg, Vertreibung, Flucht
• Physische, psychische und sexualisierte Gewalt
• Vernachlässigung
• Bedrohliche Krankheiten,
• Invasive medizinische Eingriffe (Intensivstation)
• Plötzliche Verluste vertrauter Menschen u. sozialer Sicherheit
„Big-T“- TraumataDiese Ereignisse sind durch Überstimulierung aller Sinne sostressbeladen, dass sie unsere gewöhnlichen Bewältigungsstrategienüberfordern.
Dadurch kommt es zum Erleben vonGefühlen intensiver Angst, extremerHilflosigkeit,Ohnmacht und Kontrollverlust
• > E m o t i o n a l e r S c h o c k <
Verwirrung und massive Erschütterungen der:
• kognitiven Funktionen • Affektsteuerung • Körperregulation
was häufig dauerhafte substantielle, psychische Schäden PTBS / PTSDverursacht.
© ZPTN – Lutz - Ulrich Besser 2005
Furcht -System
Die Traumatische ZangeExistentiell bedrohliche Ereignisse
Angst, Schmerz
Keine Fluchtmöglichkeit
Keine Kampfmöglichkeit
HilflosigkeitOhnmacht
Ausgeliefertsein
T R A U M A
P
E
S
K
RnDissoziation
No Flight No Fight
Freeze
Fragments
B
Unterwerfung
„Submission“
Keine BindungspersonPanik -System
Alarmreaktion des Körpers
Herzrasen, RR,Muskelanspannung,Zittern, Unruhe, motorische Getriebenheit, Übelkeit, Schwindel, Geräusche, Stimmen, Gerüche, Geschmack, Schmerzen usw.
Bedrohliches… … …Gewalt, in Blicken u. Taten BeschädigungZerstörung, Verletzungen, Blut, …Tod…
Angst, Panik, Verzweif- lung, Schmerz, Wut, Hass, Ekel, Neid, Sehnsucht, Misstrauen, Zweifel, Liebe-Idealisierung …
Fluchtimpulse (Weglaufen, Verstecken, Lügen..) Kampfimpulse (Strampeln, Umsichschlagen, Beißen …) Unterwerfungsverhalten, Mitmachen, Hilflosigkeitsverhalten, ResignationAutomatismen, Aufpassen, Misstrauen…, sex. Erregung herstellen (www)
Ich bin schlecht, (selber) schuld, ein Versager, nutzlos, wertlos, böses Kind, hilflos, unfähig, Ich bin in Lebensgefahr, ausge-liefert, ich sterbe usw,
23Die fragmentierte Speicherung traumatischer Erlebnisse in
sensorische, emotionale und kognitive Aspekte
Dissoziation
Symptome traumatisierter Menschen
Symptome die immer wieder eine erzwungene Nähe zum traumatischen Ereignis herstellen
(Intrusion – Intrusive Symptome)
• Flashbacks
• Albträume
• Panikattacken
• Obsessive Erinnerungen
• Depression
Symptome traumatisierter Menschen
Symptome die die Nähe zum traumatischen Ereignis vermeiden
(Constriktive Symptome / Vermeidung von Stimuli)
• Ängstliche Vermeidung von “Trauma-Triggern“• Soziale Isolation• Emotionale Abgestumpftheit• Missbrauch von Alkohol, Drogen und
Medikamenten• Dissoziative Phänomene (beispielsweise
Erinnerungslücken)
Symptome traumatisierter Menschen
Physiologische (psychosomatische) Symptome, inkl. Symptome der Über -Erregung:
• Herzrasen, Atemnot, Beklemmungen• Rastlosigkeit, Schlaflosigkeit• Außerordentliche Wachsamkeit (Vigilanz)• Konzentrationsstörungen• Körperliche Scwäche, Leistungsschwäche• Scmerzen, Taubheit, • Andere körperliche Beschwerden („somatoforme
Störungen“)
Merkmale von dissoziatiovenÜberlebensanteilen
• Verdrängt und leugnet das Trauma
• Wird zum Wächter der seelischen Spaltung
• Vermeidet
• Kontrolliert
• Kompensiert
• Macht sich Illusionen •
• Die Überlebensanteile sind das Spiegelbild der traumatisierten Anteile.
• Je extremer das Trauma desto extremer die Überlebensanteile
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma
• Unruhe kann sowohl die Folge kriegstraumatischer Erinnerungen als auch Ausdruck der inneren Desorientierung bei Demenz sein und sich in Schlaflosigkeit und Bewegungsdrang äußern.
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma• Auch die Verzweiflung ist die Begleiterin
beider Probleme. Die Diagnose „Alzheimer“ bedeutet „unheilbar“, was Verzweiflung hervorrufen kann. In der Kriegs- und Nachkriegszeit haben viele Menschen ebenfalls ausweglose, leidvolle Situationen erlebt, die bei kriegstraumatischen „Flashbacks“ wieder belebt werden können.
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma
• Auch die Scham ist ein häufiger Wegbegleiter: Sie ist bei Menschen mit kriegstraumatischen Erfahrungen ebenso verbreitet wie die Scham bei den demenzkranken Menschen.
• Scham begleitet häufig auch das Wiedererleben von Kriegstraumata. Die Betroffenen schämen sich ihrer Gefühle und der damit verbundenen Hilflosigkeit. Die Scham der Opfer, die Scham der Überlebenden wirkt nach.
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma
• Vereinsamung und sozialer Rückzug können sowohl auf eine Traumatisierung zurückgehen, als auch typischer Ausdruck einer Demenz sein. Viele wollen oder können sich so, wie sie sind, anderen nicht mehr zumuten, ziehen sich zurück und vermeiden den Kontakt. Bei Menschen mit einer Demenzerkrankung entspringt dies der Scham und der Hilflosigkeit, bei Menschen mit kriegstraumatischen Erfahrungen häufig der Angst, andere geliebte Menschen zu überfordern.
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma
Als Trigger können auch ganz schwache Signale wirken :
• ein Datum
• ein Geruch
• eine Geste
• ein Geräusch
• eine Berührung •
• ein Laut
• eine Farbe •
• ein Wort
SymptomverständnisAltenpflege: Demenz / Trauma
• Sehr viele Menschen in Deutschland wurden im Zweiten Weltkrieg durch Verfolgung, Bombardierung, Vertreibung, Vergewaltigung oder Kampfhandlungen traumatisiert. Manche von ihnen entwickelten später eine posttraumatische Belastungsstörung.
• Kriegstraumata können besonders im Alter wieder neue Leiden auslösen. Man spricht dann von einer Trauma-Reaktivierung.
• Mögliche Gründe für eine Trauma-Reaktivierung im Alter: In hohen Jahren hat man nicht mehr so viel Arbeit, die einen von Erinnerungen ablenken würde. Außerdem erlebt man durch Krankheit lebensbedrohliche Situationen, die Ereignisse von damals zurückbringen. Einige Alte wollen zudem noch vor dem Tod ihre schrecklichen Erinnerungen aufarbeiten.
• Eine PTBS verändert das Gehirn: Vor allem gibt es eine verstärkte Aktivität der Amygdala, die für den Alarm im Kopf zuständig ist. Cortex-Bereiche, die bei Gesunden die Furchtreaktion kontrollieren, sind bei PTBS-Patienten weniger aktiv.
Stabilisierung, Stress-Coping, Selfmanagement, Notfallliste, Notfallkoffer
• Überlegungen und Anregungen zum Umgang mit kriegstraumatisierten alten Menschen im Pflegealltag
Anregungen zum Umgang
• Wahrnehmen (beschreiben nicht werten)
• Erkennen• Einordnen (traumaspezifisches Symptomverständnis)
• Erklären (Psychoedukation: was, wie, warum machen wirin d.Th)
• Handeln – begleiten, begrenzen u. führen (Halt geben)
• Üben, trainieren (Selbststeuerung, Selbstwirksamkeit, Selbstfürsorge, Verhaltenstraining)
• „Nahrung“: körperlich, emotional, geistig, spirituell(Werte und Normen)
-1-
Dissoziations-Stop , Reorientierung , Containing
Distanzierungstechniken / Stress-Coping „Notfallmassnahmen“
• Kognitive Reorientierung (Zeit-Ort-Situation-Person) ins „Hier und Jetzt“
• Irritations-/Ablenkungstechnik (gezielte „paradoxe“ Fehlinformationen)
• Imitationstechnik mit „Pacing“ („Rückeroberung der Kontrolle über den Körper bei katatoner oder stuporöser Anfallssymptomatik“)
• Film-Stop-Distanzierungstechnik („Notfall-screening“) zusammen mit :
• Tresor – Technik (verpacken, verschließen, aufbewahren „Containment“)
• Arm-Schulter-Ziehtechnik (Körpertechnik mit Zug-/Halt und Suggestion)
• 10-Finger-Technik
10. SVV – Alternativen - starke sensorische Reizung auf versch. Kanälen:
• Taktil (Temperatur) - eisiges Eis, (Schmerz) – Gummiband, Igelball, „Stein imSchuh“ ,Dusche / Bad – heiß / kalt , Bürstenmassage, …
• Geruch (scharf, beißend-stechend) – Essig, Amoniak, Meerrettich, Kampfer• Geschmack (scharf, sauer, bitter) – Pfeffer, Chili, Senf, Ascorbinsäure, Vitamin-
Brausetablette,• Kinetisch (Muskulatur) starke isotonische / isometrische Anstrengung• Auditiv (Geräusche, Töne, Klänge) dissonant, laut, schrill (geplant !)
-2-Dissoziations-Stop , Reorientierung , Containing
Distanzierungstechniken / Stress-Coping „Notfallmassnahmen“
Gewalt - Trauma - Dissoziation Traumapädagogik
Gewalt-Verzichtsvertrag&
„Gewaltschutzgesetz“
in Einrichtungen der Altenpflege
Naturschutzgebiet für die Seele
Welche Werte / Einstellungen / Haltungen) gehören
durch Regeln klargestellt: Gewalt-Verzichtsvertrag
Welche (Normen) in einen schriftlichen Gewaltverzichtsvertrag?
Gültig für wen : Betreute und Betreuer
1. Abwertende Worte, Beschimpfungen, „Mobbing“
2. Geringschätzige, erniedrigende Gesten (nonverbal)
3. Gewaltandrohungen
4. Gewalt (erniedrigend) in Bildern, Liedern, Spielen
5. Tätlichkeiten
6. Zerstörung von Gegenständen von allen oder anderen
7. Verletzung der körperlichen, intimen, sexuellen Selbstbestimmung
Gewaltverzichtsvertrag / Traumapädagogik