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Eulenspiegel 2011-008 Abb. 1 – Werdenfels Deckel einer Dose der Fa. Feurich-Keks, München gestaltet von Paul Neu, etwa 1925-1935 (Maße ca. 17 x 11 x 8 cm) „Fahr ma auf Minga mit 'm Floß“ … und noch ein bisserl darüber hinaus … Irene Dütsch „Auf geht’s zur zünftigen Floßfahrt auf der Isar“. Dem Aufruf zu einem Isar-Floß-Event, einer feuchtfröhlichen Fahrt von Wolfratshausen zur Zentrallände in München/Thalkirchen, folgen alljährlich in den Sommermonaten ganze Heerscharen. Und schwärmen danach: „Unschlagbar … – sensationeller Tag – Landschaft, Rutschen, Stimmung und Catering waren großartig. Perfekte Organisation - Service der Extraklasse, umwerfend gute Musi an Bord, starke Jungs an den Rudern … - suuuper ...“. Was heut’ „a echte Gaudi“ ist, war einst anders … Eine alte Blechdose (Abb. 1), deren Deckel eine leuchtend-bunte Floßfahrt aus dem „Werdenfels“ zeigt, war für uns der Auslöser, dem Phänomen „Floßfahrt“ einmal nachzuspüren. Bei unserer kleinen Zeitreise in die Vergangenheit haben wir schnell herausgefunden, daß man früher auf Isar und Loisach, die in ihrem Oberlauf das Werdenfelser Land durchziehen, noch nicht einfach nur so zum Vergnügen gefahren ist. Seite 1 von 25

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Eulenspiegel 2011-008

Abb. 1 – WerdenfelsDeckel einer Dose der Fa. Feurich-Keks, München

gestaltet von Paul Neu, etwa 1925-1935(Maße ca. 17 x 11 x 8 cm)

„Fahr ma auf Minga mit 'm Floß“ … und noch ein bisserl darüber hinaus …

Irene Dütsch

„Auf geht’s zur zünftigen Floßfahrt auf der Isar“. Dem Aufruf zu einem Isar-Floß-Event, einer feuchtfröhlichen Fahrt von Wolfratshausen zur Zentrallände in München/Thalkirchen, folgen alljährlich in den Sommermonaten ganze Heerscharen. Und schwärmen danach: „Unschlagbar … – sensationeller Tag – Landschaft, Rutschen, Stimmung und Catering waren großartig. Perfekte Organisation - Service der Extraklasse, umwerfend gute Musi an Bord, starke Jungs an den Rudern … - suuuper ...“. Was heut’ „a echte Gaudi“ ist, war einst anders …

Eine alte Blechdose (Abb. 1), deren Deckel eine leuchtend-bunte Floßfahrt aus dem „Werdenfels“ zeigt, war für uns der Auslöser, dem Phänomen „Floßfahrt“ einmal nachzuspüren. Bei unserer kleinen Zeitreise in die Vergangenheit haben wir schnell herausgefunden, daß man früher auf Isar und Loisach, die in ihrem Oberlauf das Werdenfelser Land durchziehen, noch nicht einfach nur so zum Vergnügen gefahren ist.

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Das Thema „Flößerei“ ist ein sehr weites Feld - unser Überblick kann deshalb nur ganz grob sein: wir berichten über Ware, die auf dem Floß transportiert wurde, über Personen, die im 16., 17. und 18. Jahrhundert mit dem Floß gereist sind und stellen einige besondere Kunstwerke vor, die das Thema Flößerei zum Inhalt haben.

Wer tiefer in einzelne Gebiete einsteigen möchte, dem sei ein Blick in die umfangreiche Flößer-Bibliographie der Deutschen Flößerei-Vereinigung e.V. empfohlen. (sh. Hinweis am Ende des Beitrages)

An Isar und Loisach

Mittenwald im Werdenfelser Land war zu Beginn des 15. Jahrhunderts ein wichtiger Umschlagplatz für Waren aus dem Süden, so daß man schon 1407 – da die Handelsstraßen in zunehmendem Maße überlastet waren (das gab es damals schon!) - eine „Rottfuhr auf dem Wasser der Isar“ einrichtete. 1450 gab es einen Floßhafen – ein Vorteil für den weiter zunehmenden Handel, insbesondere, seit 1487 der Venediger Markt für fast 200 Jahre von Bozen nach Mittenwald verlegt wurde. Täglich fuhren Flöße nach Tölz und weiter nach München; beladen waren sie mit in Mittenwald geschlagenem Scheiderholz, mit Südfrüchten, Gewürzen, Seide, Baumwolle, Öl und Wein, aber auch mit Heu, Pech, Kohlen, Instrumenten und v.m.

Große Bedeutung muß einst auch die Flößerei auf der Jachen (einem kleinen, der Isar zuströmenden Abfluß des Walchensees) besessen haben, denn die Jachenauer Floßmeister waren so vermögend, daß sie „Waldungen von 60 – 100 Tagwerk Größe“ kaufen und schlagen lassen konnten. Bis zum Bau des Walchenseekraftwerkes waren auf dem kleinen Fluß noch zahlreiche kleinere Flöße und „geschwemmte Holzstämme“ unterwegs nach München, wie Felix von Lipowsky (1764-1842) um 1825 und Franz Joseph Bronner (1860-1919) gegen Ende des 19. Jahrhunderts schilderten.

Lebhafter Floßverkehr in Form der Treibflößerei herrschte noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Walchensee: 150 bis 200 Baumstämme, in schwerer und gefährlicher Handarbeit zu einem einzigen Riesenfloß zusammengefaßt, trieben über den See bis Urfeld, von wo aus sie zur Bahn nach Kochel oder in naheliegende Zellulosefabriken transportiert wurden.

Von Lenggries – dem Hauptort des Isarwinkels - flößten die Bewohner, „auch Weiber und Mädchen“, um 1825 Holz und Kalk auf der Isar, bzw. ab Deggendorf auf der Donau, bis nach Wien. Nachdem sie dort ihre Ware verkauft hatten, kehrten sie in „forcirten Märschen“ in ihre „friedlichen Täler“ zurück, wie Lipowsky bemerkte. „Heimat der regsten Flößerei“ waren Lenggries und seine Umgebung noch einige Jahrzehnte später, als „Hunderte von Flößen mit Holz aus den Bergwäldern des Isarwinkels alljährlich nach München und weiter hinaus isarabwärts“ wanderten.

„Mindestens vom XII. Jahrhundert an“ fand auf der Isar „mittels Floßfuhr aus Tirol“ ein „äußerst flotter“ Handel mit Wein und Kaufmannsgütern“ statt; davon berichtet, unter Anführung von mehreren Beispielen, Georg Westermayer in seiner erstmals 1871 erschienen „Chronik von Tölz“. Später ging infolge diverser Umstände der Weinkonsum zurück, der Bierkonsum hingegen

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nahm zu – das Tölzer Bier war so gut und berühmt, daß es von Mitte des 18. bis ins 19. Jahrhundert hinein in der bayerischen Residenzstadt das beliebteste Getränk war. Davon zeugt die im Jahr 1782 nach München transportierte Menge von 109 Flößen mit 8730 Eimern. Für den Transport sorgten um 1800 in Tölz 24 Floßmeister mit 90 bis 100 Knechten.

Im weiteren berichtet Westermayer für das 15. Jahrhundert von Kalkfuhren (1404), dem Transport von „schwerem Geschütz“ (1414), dem Transport von Floßholz aus Tölz nach Wien und von der bedeutendsten Lieferung von Holz aus den Tölzer Bergen nach München für den Bau der Frauenkirche: 140 Flöße seien es gewesen, jedes zu 15 bis 16 Bäume, was mehr als 2.100 Bäume für ein einziges Bauwerk ausmacht. Da München wuchs und bauwütig war, müssen die Mengen an Bau- und Brennholz aus dem waldreichen Oberland wahrhaft immens gewesen sein – ein Beispiel für frühen Raubbau an der Natur. Zum Verschwinden des Waldes trug darüber hinaus die im Großen betriebene Erzeugung von gebranntem Kalk bei. Schon im 15. Jahrhundert war die linke Isarseite von Tölz stark abgeholzt durch 15 Kalköfen, deren gebrannter Kalk auf den Flößen nach München geliefert wurde. Auf der rechten Isarseite sah es nicht besser aus (dort war „die Entholzung schon sehr viel früher durchgeführt worden“), und auch nördlich des altes Salzsaumweges (Tölz → Reichersbeuern → Irschenberg) „war schon längst alles gerodet“. Diese Feststellungen traf Hofrat Höfler 1903 in der Zeitschrift „Das Bayerland“ unter dem Titel „Der Karberg. Ein Beitrag zur Geschichte der Rodung des bayerischen Oberlandes.“

In Tölz konnte man lt. Westermayer auf der Isar in „neuerer Zeit“ (Jahreszahl ist nicht genannt) jährlich 6.000 Flöße mit Brennholz, Brettern, Kalk, Kohle und Gips beobachten.

Einen Eindruck der Flößer-Arbeit vermittelt uns die folgende, in den 1870er Jahren entstandene Zeichnung von Hermann Ziebland.

Abb. 2 „Die Flößerei auf der Isar.“ - Flosslände in Tölz Original-Zeichnung von Hermann Ziebland (1853-1896)

vor 1879

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Auch auf der Loisach fuhr man schon seit Jahrhunderten mit dem Floß. Flößer besorgten den Transport von Holz, Holzkohle, Holzschindeln, Wetzsteinen und vor allem Gips. Gerade mit Gips ließen sich gute Geschäfte machen, insbesondere seit man Häuser weniger aus Holz baute und Gips zudem in verstärktem Maße zur Düngung der Wiesen verwendete. So verzeichnet beispielsweise die 1765-1797 geführte Chronik der Familie Daisenberger aus dem heutigen Oberau für das Jahr 1786: „Die Anzahl der Gipsflese belief sich auf 47“. Oder: „Der Gipsverschleiß nach München war groß, so daß wir diesen Sommer [1780] 46 Gipsflese und 4 Holzflese nach München fihrten.“

Aufschlußreiches über die Flöße, die loisach- und isarabwärts nach München oder Freising fuhren, hat auch Johann Georg Prändel (Knecht auf dem Daisenberger Hof von 1773 bis 1777) festgehalten: „Ihre Länge [Länge der Flöße] beträgt aber nur 45 bis 55 Schuh, … so sind sie aus sehr schönen Bäumen mit großer Festigkeit gemacht. … Es kann aber kein Floß breiter sein als 18 Schuh, weil sie alle die langweilige Umfahrt durch den Kochelsee vermeiden und sich durch den Kanal bey Benediktbeuern bequemen müssen, welcher gerade die eben genannte Breite hat.“ Für die Benützung des Kanals war jedes Floß mit „einer geringen Taxe von 6 Kreuzern belegt.“ Der Floßkanal (ein Projekt von Kurfürst Max Emanuel, der es eilig hatte, seine Münchner Baumaßnahmen fertig zu stellen) beschleunigte die Fahrt erheblich – denn durch den Kochelsee dauerte sie „langweilige“ zwei Stunden, es konnte aber auch vorkommen, daß man „oft anderthalb Tage lang sich herumarbeiten mußte.“

Nachzulesen ist dies in der von Heinz Schelle verfaßten „Chronik eines Bauernlebens vor zweihundert Jahren“. Darin erfahren wir auch, wie sehr im 18. Jahrhundert die Floßfahrten das Leben einer Familie prägten. Der Flößerei ist dabei sogar ein eigenes, sehr informatives Kapitel gewidmet. Betitelt ist es mit einer Zeile des Loisachtalliedes „Fahr ma auf Minga mit 'm Floß“.

Die Flößer, das ein ganz eigener Menschenschlag, geprägt von verantwortungsvoller Arbeit – sie waren kraftstrotzend, weltoffen, selbstbewußt. Flößer zu sein war aber gar nicht so einfach: sie mußten umsichtig handeln, brauchten körperliche Kraft für die anstrengende Arbeit, die manchmal lebensgefährlich und für die Gesundheit nicht unbedingt förderlich war: etwa 15 Stunden war man unterwegs auf dem Floß; Saison war vom März bis in den Spätherbst hinein – ständig war man den Gefahren von Wind und Wetter ausgesetzt, hatte mit den Unbilden des Wassers, gefürchteten Stellen mit Felsen, Strömungen und Stromschnellen, Niedrig- oder Hochwasser zu kämpfen. Es galt, die Vorschriften zu beachten (Floßordnung), und schließlich mußten in München Formalitäten erledigt, Verkaufsverhandlungen geführt, die Ladung und das Holz des Floßes verkauft werden – und dann ging es zurück ins Loisachtal – damals natürlich zu Fuß.

Der Flößer von einst hätte es sich nie träumen lassen, daß man einmal in ferner Zukunft in München die Floße einfach zerlegen und die Einzelteile auf einem neu erfundenen Gefährt, einem Schwertransporter, zurück an ihren Ursprungsort bringen würde.

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Abb. 3 Loisachflößer in der Nähe von Au, um 1900

Beobachtungen von Joseph Friedrich Lentner Flößer – stark und rüd

Joseph Friedrich Lentner (1814-1852), der Mitte des 19. Jahrhunderts ethnographische Aufzeichnungen in Oberbayern fertigte, beschrieb die Flößer an der Loisach als „starkes, rüdes Geschlecht. Vom obern Flußgebiet bei Oberau und Garmisch geht die erste Fahrstraße bei Bayerberg, wo neue Flößer bis Wolfratshausen eintreten, es sind daher die meisten Söldner (Kleinhäusler) dieser Gegend Floßleute, überall hängen in den Wirtshäusern ihre Gewerbeschilde: zierliche kleine Flöße mit Hütten und Fährleuten aus Holz geschnitzt, das Floß meist in den bayerischen weiß und blauen Rauten bemalen.“

Abb. 4 „Beim Floss-Wirth“Original-Zeichnung von Hermann Ziebland (1853-1896)

vor 1879

„... schallen dann vergnügte Lieder hinaus in die Abendluft, die Zither klingt … und der Fußboden hallt und dröhnt unter dem Stampftakte des Schuhplattltanzes.“ (Ludwig Ganghofer „Der Jäger von Fall“)

Über dem lebhaften Treiben schwebt an der Decke der Wirtsstube die Nachbildung eines Floßes.

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Aufgefallen war Friedrich Lentner außerdem, daß die Floßer an der Loisach „ihre Jahrtage mit Gottesdienst und Tanz“ halten.

Gedächtnisfeiern für verstorbene Mitglieder wurden auch in Lenggries von den örtlichen Vereinen abgehalten – dazu gehörte der Floßerverein, dessen Anfänge noch hundert Jahre weiter zurückreichen (sh. dazu Deutsche Flößerei-Vereinigung, Mitteilungsblatt Jg. 14-2007, Beitrag von Stephan Bammer).

Insbesondere bei den jüngeren Bewohnern an den Isar-Ufern („Isar-Thalgebiet von Tölz bis in den Fall und die hintere Riß“) - stellte Lentner ein „Ueberhandnehmen sittlicher Gebrechen, Trunksucht, Rauflust“ fest. Schuld an der „Entsittlichung“ seien der Verkehr der Floßleute mit den großen Städten und „das rohe, genußsüchtige Wesen dieses wandernden Geschlechts“.

Im Herzen die Weite der Welt

Ein sehr persönliches Bild von der Flößerei zeichnet Hermann Hesse (1877-1962) in seiner Erzählung „Die Floßfahrt“. Darin hat der in Calw geborene Schriftsteller seine Kindheits-Erinnerungen an die Flößerei auf der Nagold festgehalten. Einleitend stellt er wehmütig fest: „Vermutlich längst verschwunden aber ist etwas, was es damals auf dem Flusse gab, etwas Schönes und Geheimnisvolles, etwas Märchenhaftes, etwas vom Allerschönsten, was dieser schöne sagenhafte Fluss besaß: die Flößerei.“

Er berichtet davon, daß die Flößer von der Bevölkerung oftmals als Unsesshafte, Wilde, Wanderer und Nomaden kritisch beäugt, bei Mißgeschicken verhöhnt wurden, daß sie bei den „Hütern der Sitte und Ordnung“ gelegentlich nicht gerade beliebt waren – und doch … da war noch etwas ganz anderes, das ihn am Ende der Erzählung zu folgendem Schluß kommen läßt:

„... wenn ich heute nachrechne, in was das Glück einer solchen Floßfahrt eigentlich bestand, wenn ich alle Beschwerden, Anstrengungen, Unbilden abziehe, so bleibt wenig übrig. Aber dieses wenige ist wunderbar; ein stilles, rasch und erregend ziehendes Fahren auf dem kühlen, laut rauschenden Fluss, zwischen lauter spritzendem Wasser, ein traumhaftes Hinwegfahren unter den Brücken, durch dicke, lange Gehänge von Spinnweben, träumerische Augenblicke des Versinkens in ein unsägliches Gefühl von Wanderung, von Unterwegssein, von Entronnensein und Indiewelthineinfahren, mit der Perspektive zum Neckar und zum Rhein und nach Holland hinunter - und dies wenige, diese mit Nässe, Frieren, mit Schimpfworten der Flößer, Predigten der Eltern bezahlte Seligkeit wog doch alles auf, war doch alles wert, was man dafür geben musste. Man war ein Flößer, man war ein Wanderer, ein Nomade, man schwamm an den Städten und Menschen vorbei, still, nirgends hingehörig, und fühlte im Herzen die Weite der Welt und ein sonderbares Heimweh brennen. O nein, es war gewiss nicht zu teuer bezahlt.“

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Große Welt im Kleinen

Die „Gewerbeschilde“, die Friedrich Lentner in den Wirtshäusern gesehen hatte, sind die Zunftzeichen der Flößer - „schmucke Flöße mit vielen Personen und Waren“, die von Oberammergauer Schnitzern gefertigt wurden – wie sie beispielsweise unsere Abbildung, ein Floß mit Salzfässern, zeigt. Daß bei den Schnitzern auch Bestellungen mit ganz konkreten Vorstellungen erfolgten, zeigt beispielsweise der Auftrag einer Tölzerin im Jahr 1831 an Georg Lang sel. Erben in Oberammergau. Für die personelle Besetzung eines Floßes, das bis nach Wien unterwegs sein sollte, bestellte sie zehn 4 Zoll (etwa 10 cm) hohe Einzelfiguren: „...lauter stehende Figuren weill sie mitten auf dem Floß“ stehen sollten. Auch zum Aussehen der Figuren waren Angaben gemacht: „... einer soll die rechte Hand ausstrecken, hat zu bedeuten als zeige er den andern wegen meiner die Donau, … und lauter Ländliche Personen“.

Abb. 5 Floß mit Salzfässern; Zunftzeichen der Flößer

Der Isarwinkler: bester Flößer und verwegenster Wilddieb

Dies ist die von Arthur Achleitner (Schriftsteller, 1858-1927) 1896 auf einen Nenner gebrachte Meinung über die Wilderer, die vorzugsweise bei Nacht und Nebel ein Floß für ihre „dunklen“ Geschäfte nutzten – und sich dabei gleich in mehrfacher Hinsicht mit der „Obrigkeit“ anlegten. Nicht zuletzt, weil sie sich überhaupt nicht um das Floßfahr-Verbot bei Dunkelheit und Nebel scherten; boten diese ihnen doch einen besonders guten Sichtschutz, um das erbeutete Wild auf ein Floß zu schaffen und es isar-abwärts zu fahren.

Davon erfahren wir von Ludwig Ganghofer (1855-1920) in seinem 1883 entstandenen Wilderer-Roman „Der Jäger von Fall“. Dort kam den Wildschützen die Dunkelheit gerade gelegen, um die Beute ihrer Treibjagden vom kleinen Gebirgsdorf Fall hinunter nach Tölz zu transportieren.

Abb. 6 Der Wilderer

Hinterglasbild v. Heinrich Ramboldum 1945 - o. Rahmen ca. 8,5 x 11,7 cm

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„... und alle Revier haben s' unsicher gmacht auf zehn Stund in der Gegend, und schockweis haben die Lumpen 's Wild auf die Flöß abigführt nach Tölz und München.“

Einmal hatten sie Pech, denn ein „an der gfahrlichsten Stell von der Isar und handbreit unter'm Wasser gespannter dicker Strick“ sollte ihnen zum Verhängnis werden …

Ludwig Thomas Vater war dabei

Inspiriert wurde Ganghofer zu seinem Roman von einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1868, die noch heute als „Seeschlacht auf der Isar“ zwischen Jägern und Wildschützen bekannt ist. Was sich damals in der Nacht vom 25. auf den 26. Juli zugetragen hat, hat der Oberförster Max Thoma (der Vater von Ludwig Thoma, der dies auch in seinen „Erinnerungen“ erwähnt) am 27. Juli 1868 in einem Bericht an seine vorgesetzte Behörde protokolliert.

„... wo derselbe auf Befragen zugestand, das er und G. [Anton G.(runwald) von Lenggries, vulgo Hoißentoni] aufs Wildern gegangen und im Revier Krünn und Walchensee zwei Stück Wild geschossen hatten. Diese Wildstücke hatten sie dann auf einem Floß, zu welchem sie die Bäume gestohlen haben, verladen und seien abgefahren. Plötzlich seien dann sechs bis sieben Schüsse auf sie gefallen und Anton G. getroffen worden, er selbst sei

Abb. 7 - Jager Hinterglasbild v. Heinrich Rambold

um 1940Maße m. Rahmen ca. 16,5 x 21,5 cm

unverletzt geblieben und mit dem Floß fortgefahren, bis er bei dem sog. großen Ofen (in der Isar) auf einen Felsen aufgefahren und der Floß in Trümmer gegangen sei. Beide seien dann samt der Ladung – zwei Stück Wild, Gewehre etc. etc. – in die Isar gefallen …“

Der bei der „Seeschlacht“ angeschossene Wilderer Grunwald („Hoißenblasi“ – bei Ganghofer „Huisenblasi“) konnte dann doch noch jahrelang sein Unwesen treiben. Über den Tod dieses Flößers und „Wilderers ersten Ranges“ berichtete die Zeitschrift „Deutscher Jäger“ im Jahr 1881. Ganghofer dürfte die Zeitschrift auch gekannt haben.

Damals, 1883, konnte Ganghofer natürlich nicht ahnen, daß er mit seinem Roman „Der Jäger von Fall“ (zunächst Bühnenstück, später mehrfach verfilmt, erstmals 1918) den Wilderern und Jägern, den Wasserfällen, der damals noch ungezähmten Isar sowie dem heute nicht mehr existierenden alten Dorf und seinen Bewohnern ein literarisches Denkmal setzten sollte – denn in den 1950er Jahren versank die Ortschaft Fall mit der Inbetriebnahme des Sylvenstein-Speichers in dessen Fluten.

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Fragwürdiges Vergnügen – gekrönt von diplomatischem Erfolg

Auf den Flößen hat man jedoch nicht nur Ware und größere Lasten transportiert, denn selbstverständlich waren in früheren Jahrhunderten auch schon Reisende per Floß unterwegs, das als schnellste und billigste Beförderungsmöglichkeit galt. Regelungen zur Personenbeförderung sollen in Tölz schon für die Zeit um 1370 in Statuten festgelegt gewesen sein; demnach durfte ein Flößer im ersten Jahr seiner Fahrt keine Personen auf dem Floß mitnehmen. Seit 1649 fuhren von Tölz nach München „Ordinarifloße“ - die regelmäßig jeden Montag und Freitag um 7 Uhr Personen und Güter gegen billige Taxe beförderten. Wer weiter wollte – z.B. nach Wien – der konnte seit 1623 von München aus ein Reisefloß benützen, das einmal in der Woche fuhr. Allerdings war man damals weit entfernt von den heutigen „Sauf- und Krachtouren zu Floß“, denn Reisen hatte einst ja auch einen anderen Zweck, wie etwa die folgenden ausgewählten Beispiele zeigen, die uns zunächst in die ersten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts zurück führen. Für unsere Zwecke mag es hier genügen, zu erwähnen, daß wir uns in einer unruhigen, von wirtschaftlichen und gesellschafts-politischen Umbrüchen und Streitereien geprägten Zeit befinden: das Osmanische Reich bedrohte Ungarn und Österreich, während andere Länder sich um die Vorherrschaft in Europa stritten und dabei ständig wechselnde Bündnisse eingingen. Zur Vorbereitung von politischen Verhandlungen zwischen den verschiedensten Herrschern waren zuverlässige Unterhändler und Gesandte erforderlich, von deren Diplomatie und Geschick viel abhing – wie folgender Fall zeigt, der schließlich Weltgeschichte schrieb. Im Jahr 1515 arbeitete Maximilian I. (1459-1519) – der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches - mit aller Macht weiter daran, die Position der Habsburger als europäische Großmacht zu stärken. Durch Friedensvereinbarungen und eine geschickte Heiratspolitik wollte er seine östlichen Nachbarn aus der Dynastie der Jagellonen (Wladislaw II., König von Böhmen und Ungarn sowie dessen Bruder Sigismund I., König von Polen-Litauen) an sich binden, um gegen das Osmanische Reich gerüstet zu sein. Zur Vorbereitung der Unterhandlungen kam nur jemand in Frage, der das uneingeschränkte Vertrauen des Kaisers besaß und obendrein als äußerst geschickter und erfolgreicher Taktiker bekannt war: Kardinal (und späterer Erzbischof von Salzburg) Matthäus Lang von Wellenburg (1468-1540), der persönliche Kammersekretär des Kaisers. Maximilian bestimmte ihn zum Anführer einer Gesandtschaft, die am 11. Februar 1515 von Augsburg aufbrach – zunächst entweder zu Pferd oder … per Floß.

Der Beginn der Reise von Augsburg mit dem Floß auf dem Lech stand für die meisten Teilnehmer unter keinem besonders glücklichen Stern: das Wetter war miserabel, denn es blies ein schneidender Wind; dann blieb das Floß zunächst auf einer Untiefe sitzen, rammte bald danach bei der Durchfahrt unter einer Brücke auch noch einen Pfeiler und wäre beinahe auseinander gefallen. Sturm und Kälte nahmen zu, so daß die Durchgefrorenen schließlich an Land gingen, sich an einem Feuer aufwärmten, um dann zu Fuß ins nächste Dorf zu gehen, wo man nächtigte. Am nächsten Tag wurde die Fahrt fortgesetzt und man gelangte ohne weitere Zwischenfälle nach Ingolstadt, wo man auf den Kardinal und die übrigen, schon auf die gemeinsame Weiterfahrt wartenden Reisenden traf. Diese waren – vielleicht schon in weiser Voraussicht - mit Pferden vorausgeritten und hatten nur von Neuburg nach Ingolstadt ein Schiff benutzt.

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Kaplan Richard Bartholin aus Perugia, dem Sekretär des Kardinals Lang, verdanken wir die Schilderung der Reise, über die August Schnitzlein unter dem Titel „Eine Wasserfahrt von Augsburg nach Wien im Jahre 1515“ am 14. Februar 1911 in der Zeitschrift „Der Sammler“ berichtete. Was hat nun Bartholin über das Reisen zu Wasser festgehalten? Die aus 150 Personen bestehende Reisegesellschaft fuhr von Ingolstadt mit mehreren Floßschiffen1 die Donau hinab. Dabei waren drei Männer für die Bedienung eines Fahrzeuges zuständig. Genächtigt und gefrühstückt hat man vermutlich an Land, in der Nähe der Fahrzeuge. Denn „Jeden Morgen wurden die Fahrgäste durch ein Trompetensignal zu Schiff beordert; dann setzte sich die kleine Flotte unter dem Gesang der Schiffer in Bewegung.“ Den Tag verbrachte man auf dem Floß mit der Einnahme von reichlichem Mittagsmahl („auch gab es genügend Wein dazu“), man schlief, las, vertrieb sich die Zeit mit Karten-, Würfel- oder Brettspiel, oder half auch den Schiffern, um Bewegung zu haben. Abwechslung boten Landgänge in Regensburg, Straubing, Passau. Schließlich stand – nachdem man schon „mit dem Hahnenschrei“ aufgebrochen war - der schlimmste und gefährlichste Teil der Reise bevor, der „Greiner Schwall“ mit dem folgenden „Strudel“. Die bei Grein damals sehr gefürchtete Stelle mit wirbelndem und gurgelndem Wasser, an der im Vorjahr ein Schiff mit 20 Insassen unwiederbringlich untergegangen war, konnte unsere Gesandtschaft jedoch mit der Hilfe von ortskundigen Lotsen glücklich passieren. Noch Stein und Kloster Neuburg – dann war nach 13 Tagen das ersehnte Ziel erreicht, denn: „am 23. Februar landete der Kardinal mit den Seinen in Wien, mit Paukenschall empfangen und von der zahlreich zusammengeströmten Menge Schaulustiger mit lautem Händeklatschen begrüßt.“

Bartholin hatte übrigens nur vier Monate später das „fragwürdige Vergnügen“, diese Reise von Augsburg nach Wien noch einmal zu machen; die Route verlief diesmal etwas anders und man benützte zunächst wieder Pferde (wobei „das letzte Stück Weg durch das Erdinger Moos für die Reisenden und ihre Pferde höchst beschwerlich“ war). Ab Braunau reiste man dann erneut zu Wasser: auf dem Inn nach Passau und von dort wie das erste Mal auf der Donau nach Wien. Die geschickt geführten Heiratsverhandlungen des Hauses Habsburg mit Ungarn verliefen äußerst positiv – es war der größte diplomatische Erfolg, den Kardinal Lang für sich verbuchen konnte: als Vertreter des Kaisers hat er den Vertrag über die Doppelheirat zwischen den Enkeln des Kaisers, Ferdinand und Maria, und den Kindern des Königs Wladislaw II. von Ungarn und Böhmen, Anna und Ludwig, abgeschlossen (Urkunde vom 20. Mai 1515). Die glanzvolle Doppelhochzeit wurde am 22. Juli 1515 in Wien in Anwesenheit der Gesandten aller europäischen Staaten und des Hochadels des Heiligen Römischen Reiches gefeiert – sie ermöglichte dem Haus Habsburg schließlich den Aufstieg zu einer der führenden Mächte Europas.

Einen nicht unbedeutenden Teil zum Gelingen dieser wichtigen Mission dürften im Jahre 1515 sicher auch jene Flößer und Lotsen beigetragen haben, die Kardinal Matthäus Lang von Wellenburg und seine Gefolgschaft heil nach Wien gefahren hatten. Hätten sie ihre Reisenden nicht mit geschickter Flößerhand dorthin gebracht … wer weiß, vielleicht sähe dann unsere Welt heute anders aus.

1 Innerhalb des Beitrages werden für die Wasserfahrzeuge die Begriffe „Floß“ und „Floßschiff“ gebraucht – ob es dabei einen Unterschied gab, ist nicht erklärt.

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Zur Zeit der soeben erwähnten Floßreise gehörte zum Kreis der Mittelsmänner um Kaiser Maximilian auch der in Tölz geborene Ritter und Kaiserliche Rat Kaspar Winzerer III. (1465 od. 1475 – 1542). Verbunden war er dem Haus Habsburg bereits seit den 1490er Jahren, er nahm auch an diversen Feldzügen teil; 1525 wurde er als „Sieger der Schlacht von Pavia“ gefeiert. Seine nicht ungefährlichen Reisen in diplomatischen Diensten (schließlich stand er gleichzeitig in baierischem, österreichischem und ungarischem Dienst!) führten ihn seit 1527 mehrmals nach Ungarn. Die letzte Reise dorthin trat er 1539 an – auf einem Donaufloß, das am Palmsonntag in Ofen (= Budapest) eintraf, wo er sehr herzlich von König Johann begrüßt wurde.

Von Kaspar Winzerer und seinem Sieg in der Schlacht von Pavia wird später noch einmal in einem anderen Zusammenhang die Rede sein.

Verlassen wir nun Ungarn und machen eine Zeitsprung in das Jahr 1690 – zurück ins Oberland. Als Daniel Beich († 1700) – seines Zeichens churbaierischer Geometer und seit 1673 als festangestellter Beamter zuständig für die Neuvermessung und kartographische Darstellung des Kurstaates – am 4. September 1690 den Befehl erhielt, sich ohne Verzug „auß dem gebürg hinwekh“ zur Dienstleistung nach Passau zu begeben, da war für ihn das schnellste Verkehrsmittel das Floß. Mit dem bestellten Floß reiste er gleich am nächsten Tag von Lenggries die Isar hinunter nach München. Am 6. September ging es weiter nach Passau, wo er wochenlang mit Vermessungsarbeiten beschäftigt war. Zurück in München, benutzte er am 20. Oktober für den Heimweg in die Berge ein Pferd.

Ein Musik-Forscher reist von München nach Wien

Wie es Daniel Beich 1690 auf seiner Floßreise ergangen ist, wissen wir nicht. Da sich aber damals die Zeiten noch nicht so schnell änderten wie heute, dürfte seine Fahrt jener geähnelt haben, die wir nun vorstellen wollen: eine Reise, die der englische Musikhistoriker, Komponist und Organist Charles Burney (1726-1814) im August 1772 von München nach Wien unternahm. Der 1761 von der Universität Oxford zum Doktor der Musik ernannte Burney war von 1770 bis 1772 unterwegs, um Material für eine Geschichte der Musik zu sammeln; kurz danach veröffentlichte er die Ergebnisse seiner musikalischen Reise durch mehrere Länder Europas in dem mehrbändigen, Aufsehen erregenden Werk „Present state of music in France and Italy etc.“ In deutscher Sprache erschien die Publikation „Tagebuch einer musikalischen Reise“ im Jahr 1773. Darin berichtet er nicht nur von seinen persönlichen Begegnungen mit bedeutenden Musikern (u.a. Wolfgang und Leopold Mozart, Bach), sondern auch von seinen Reiseeindrücken. Dazu gehört die „ergötzliche Beschreibung“ seiner Reise, die er 1772 von München nach Wien unternahm – … per Floß. Eigentlich ist diese Beschreibung ein wahrer Glücksfall und gleichzeitig ein wunderbarer Zeitspiegel, denn Burney – der der Meinung war, daß „die Art und Weise, wie man auf diesen Flüssen [Isar und Donau] von einem Ort zum andern gebracht wird“ noch nicht beschrieben ist - entschloß sich kurzerhand, die musikalischen Anmerkungen um seine Beobachtungen zu ergänzen. Dank dieser lebendigen, unmittelbaren Tagebuch-Aufzeichnungen können wir heute noch seine acht Tage dauernde Reise von München über Passau und Linz bis nach Wien miterleben.

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Nach kurzem Aufenthalt am kurfürstlichen Hof in Nymphenburg bestieg er am 24. August 1772 um zwei Uhr Nachmittags bei schwül-heißem Wetter zusammen mit etwa 50 Passagieren ein Floß. „All inclusive“ buchen gab es damals nicht, um einiges mußte man sich vorher schon selbst kümmern. Wollte man seine Zeit nicht zusammen mit allen Reisenden in der allgemeinen, auf das Floß gebauten Hütte verbringen, konnte man sich eine eigene Kajüte bauen lassen. Burney - der ja während der Reise ungestört arbeiten wollte - investierte also das Geld für eine aus frischen Tannenbrettern zusammengeschlagene Hütte, deren Fenster aus zwei viereckigen Löchern bestanden. Ausstatten ließ er diese Behausung auf Zeit von seinem Diener mit einer Matratze, einer wollenen Decke und Bettüchern. Weiter bevorratete er sich mit „etwas kalte[r] Küche, Brot und eine[r] Flasche Wein“. Aber schon wenig später – als noch am selben Tag in Freising ein Unwetter mit Blitz, Donner und Sturm hereinbrach - mußte er sich eingestehen, daß seine Reise-Vorbereitungen mangels detaillierter Kenntnisse nicht ausreichend waren.

Am Ende der Reise sollte er dann deshalb auch resümieren: „... sollte ich diese Wasserreise noch einmal tun müssen, wie ich nicht hoffe, so glaube ich, sollte mich die Erfahrung gelehrt haben, aus der Kajüte auf eine Woche oder zehn Tage eine ganz erträgliche Wohnung zu machen.“

Vorerst machten ihm aber schon in der ersten Nacht die Nässe und der Temperatursturz schwer zu schaffen. Zwar zog er über der „gewöhnlichen Kleidung noch ein Paar dicke Schuhe, wollene Strümpfe, ein flanellen Brusttuch, einen Überrock“ an, setzte eine Schlafmütze auf, hüllte sich so gut es ging ein … dennoch fror er elendiglich, war „vor Kälte erstarrt“. Während der Reise schlief Burney als einziger auf dem Floß, wo er sich mit Verpflegung nur mehr schlecht als recht versorgten konnte, weil unterwegs geeignete Einkaufsmöglichkeiten fehlten; die übrigen Passagiere verließen das Floß täglich, um die Mahlzeit an Land einzunehmen (in Freising gab es „Schwarzbrot und Bier, worin zwei oder drei Eier geschlagen waren“) und ihr Quartier in einer „erbärmlichen“ Herberge oder „armseligen Bauernhütte“ zu beziehen.

Möglicherweise hat das Floß unterwegs weitere Reisende und Waren aufgenommen. Denn kurz nachdem man die Isar verlassen hatte, um auf der Donau weiter zu fahren, wo in einem „elenden Dorf“ - „welches gleichwohl ein hübsches Kloster hatte“2, genächtigt wurde, notierte Burney: „Man rief um drei Uhr [nachts!] die Passagiere zusammen, und unser Floß ging bald darauf los. Es war jetzt eine große, unförmige Maschine, über fünfhundert Schritte lang und beladen mit Dielen, Fässern und allerlei Gepäck. Die Sonne ging auf mit aller Schönheit ….“ Um acht Uhr erreichten das Floß Vilshofen, von wo man um zehn Uhr in Richtung Passau aufbrach.

2 Burney nannte keinen Namen; es dürfte aber sich um Kloster Niederalteich gehandelt haben.

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Abb. 8 – Passau nach Matthäus Merians (1593-1650) Topographia Bavariae. Im Vordergrund sind auf der Donau einige Floße zu sehen.

Burney 1772: „Passau – Dies ist die kühnste und zugleich angenehmste Lage, die ich jemals gesehen habe.“ Für den Musikwissenschaftler stand beim Landgang natürlich ein Besuch des Domes auf dem Programm.

Voll Bewunderung war er für die „sehr prächtige Orgel“.

Was Burney zu Wasser und zu Lande auffiel, hat er beschrieben: die für die einzelnen Etappen benötigte Zeit, den Flußlauf mit Wasserfällen, Felsen, Klippen und Inseln, die umgebende Landschaft (Weinbau ...), aufgesuchte Orte (Passau, Linz …). Er beobachtete auch „Gegenverkehr“ auf dem Wasser, denn kurz vor Passau trafen sie auf „eine Anzahl Fahrzeuge, die zu Salzburg und Passau mit Salz geladen waren und von mehr als vierzig Pferden den Strom hinauf gezogen wurden, deren jedes von einem Manne getrieben wurde.“

Auch für volkskundliche Details hatte er ein waches Auge, wie beispielsweise für die 40 oder 50 Schritte weit voneinander entfernten kleinen „Heiligenhäuschen“; eine Wallfahrt nach Maria Taferl; die mit Malereien und geschnitzten Figuren geschmückten Häuser-Fassaden; die Volks-Gesänge u.v.m.

Immer wieder erwähnt er die Abhängigkeit der Fahrt vom Wetter, das mit Gewitter, „Regen, Regen, nichts als Regen“, dickem Nebel und scharfem Ostwind eine Weiterfahrt teilweise unmöglich machte.

Als sich das Ende der Reise aus verschiedenen Gründen dann auch noch verzögerte, „da nicht daran zu denken war, daß das Floß heute [31. August 1772], auf einen Sonntag, in

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Wien ankommen könnte“, da war Burneys Geduld am Ende und genervt stellte er fest: „Es war erst um 5 Uhr und der siebente Tag, daß ich in einen Stall gesperrt gewesen, worin ich freilich hätte fett werden können, wenn ich nur etwas zu essen gehabt hätte.“ Hunger und Zeitverlust – das war zu viel für unseren Forscher. Schließlich gelang es ihm – nachdem auch nach einstündiger Suche keine „Chaise“ zu finden war -, endlich doch noch ein „elendes Boot“ zu bekommen, das ihn und seinen Diener Pierre nach Wien brachte. … wo die beiden Ausgehungerten vermutlich erst einmal ein Gasthaus stürmten, um sich zu stärken.

Obwohl diese „Wasserreise“ nicht gerade komfortabel war, und obwohl Burney seine musikalische Sammlung während dieser Tage nicht sehr vergrößern konnte, empfand er die Reise letztlich doch als Bereicherung. Denn er hatte Land und Leute kennen gelernt, hatte Städte und Kirchen besichtigt. Und wirklich beeindruckt haben ihn die von Bauern und Schiffsleuten gehörten „rohen Gesänge“, die ihm die „Nationalmusik“ weit näher brachten als die verfälschte, verderbte und italienisierte Melodie, „die man in den Hauptstädten dieses weitläufigen Reiches zu hören bekommt.“

Verstoßene und Delinquenten

Auf jeglichen Komfort verzichten mußten einige Personengruppen, die „zwangsweise“ auf dem Floß reisten. Eine recht traurige Fracht war unterwegs, als Anfang des 17. Jahrhunderts im Werdenfelser Land die Zeiten von Aufschwung und Wohlstand vorbei waren und eine wirtschaftlich schlechte Lage folgte, in der man sich der „überzähligen“ Einwohner durch Vertreibung entledigte. Sehr rigoros ist man dabei vorgegangen, wie in Heinz Schelles bereits erwähnter „Chronik ...“ nachzulesen ist: „Wer nicht freiwillig ging, wurde auf Wägen geschmiedet und nach Au gebracht, von wo ihn der Flößer Gindhart mit Weib und Kind mit dem Floß nach Österreich deportierte.“ Nicht ganz so weit hingegen hatten es jene Delinquenten, für die die Reise flußabwärts nur bis Freising ging, wo ihnen der Prozeß gemacht wurde.

Prachtvoll gewandet unterwegs

Am 26. Juni 1887 feierte die Bevölkerung von Tölz ein glänzendes Fest. Anlaß dazu war die Enthüllung des Kriegerdenkmals für die Gefallenen des deutsch-französischen Krieges von 1870/71. Als Figur dafür hatte man den Landsknechtsführer Kaspar III. Winzerer gewählt – das „Vorbild der Tapferkeit und Vaterlandsliebe“, den Sieger in der Schlacht von Pavia 1525 über die Franzosen, von dessen Reise nach Budapest auf dem Donaufloß wir bereits oben hörten. Zu Tausenden waren die Gäste gekommen, „zu Fuß und zu Wagen, mit langen Bahnzügen und sogar auf dem Floße, die Isar herab“. Alle wollten sie der Feierlichkeit beiwohnen, den Festzug bewundern mit 130 Schützenkompanien und einer malerisch mit historischen Kostümen ausgestatteten Gruppe von 50 Männern. Im Landsknechtgewand und entsprechender Bewaffnung stellten sie den „Historischen Einzug des Feldobersten Kaspar von Winzer zu Roß mit Trabanten an der Spitze seiner Landsknechte, Hackenschützen und Hellebardierer in Tölz nach der Siegesschlacht von Pavia 1525“ (!) dar. Voll Bewunderung war man für den Auftritt der prachtvollen Festgruppe mit 40 Lanzen- und Schwertträgern, drei Armbrustschützen, einem von vier Pferden gezogenen

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Holzgeschütz: „So etwas Außerordentliches hatte man noch gar nicht gesehen, es machte eine ungemeine Wirkung.“

Ideengeber für den Festzug, mit dem die Winzerer-Zeit lebendig gemacht werden sollte, war Johann Nepomuk Sepp (1816-1909). Die gelungene Umsetzung war dem Münchner Restaurator Karl Josef Zwerschina (1850-1928) zu verdanken, der mit Begeisterung seine detaillierten historischen Kenntnisse und sein außergewöhnliches Organisationstalent in den folgenden Jahren noch mehrmals unter Beweis stellen sollte. Beispielsweise organisierte der „Vater des Winzerer Fähndls“ die erste Teilnahme der Winzerer auf der Wies'n 1895, wo sie mit einem historischen Jagdzug aus dem 16. Jahrhundert (mit 200 Personen und 26 Pferden) den Abschluß des Schützenzuges bildeten. Zu einer weiteren Wies'n-Attraktion wurde das Schießen der Gilde.

Farbaufnahmen aus der damaligen Zeit gibt es nicht – wir zeigen statt dessen einen farbenprächtigen Landsknecht, mit dem Murnauer Lindwurm – hinterglas gemalt von Heinrich Rambold.

Abb. 9 Landsknecht Hinterglasbild von Heinrich Rambold

gemalt in den 1940er JahrenMaße o. Rahmen ca. 18,8 x 40,6 cm

Als Folge dieser „patriotischen Kundgebung“ in Tölz, bei der auch Prinzregent Luitpold zugegen war, wurde in Tölz noch am selben Tag die „Hauptmannschaft des Wintzerer Fähndl“ gegründet, deren Zweck die Pflege alten deutschen Sinnes und Wesens sowie alter deutscher Sitten sein sollte. Dazu gehörte auch die Ausstattung zahlreicher vaterländischer Veranstaltungen mit historischen Festzügen.

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Spektakulär war dabei 1893 die Teilnahme des Winzerer Fähndls (in dessen Reihen sich inzwischen die „Armbrustschützengilde des Wintzerer Fähndls“ gebildet hatte – übrigens das heutige Winzerer Fähndl) am II. Niederbayerischen Bundes-Schießen in Landshut. Mit dieser Veranstaltung wollte die Kgl. privil. Feuerschützengesellschaft von 1425 auch gleichzeitig daran erinnern, daß 1493 – also genau 400 Jahre vorher – schon einmal ein großes Festschießen stattgefunden hatte. Denn damals waren in Landshut bei diesem am Ausgang des Mittelalters größten Büchsenschießen 512 Armbrustschützen und 1218 Büchsenschützen angetreten, um sich im Wettstreit zu messen.

Dieses Ereignis setzte das Winzerer Fähndl im Jahr 1893 mit viel Ideenreichtum um. Die Chronik vermerkt dazu: „Als eine absonderliche Neuerung wurde beschlossen, die Fahrt von München nach der Dreihelmenstadt [Anm.: Anspielung auf das Landshuter Wappen] auf dem Floß auszuführen. Am 28.6. früh 6 Uhr wurde von der Prinzregentenbrücke ab von den kostümierten Mannen des Winzerer Fähndl die Fahrt auf einem hübsch dekorierten Floß angetreten. Es war ein mit dem alten Reichsadler geschmücktes Zelt aufgeschlagen ...“ Bei ihrer Ankunft in Landshut dürften die „Mannen“ in ihren bunten historischen Kostümen wiederum für erhebliches Aufsehen gesorgt haben.

Abb. 10 Am 28.6.1893, morgens um 6, begaben sich die

„kostümierten Mannen des Winzerer Fähndls“ mit einem Floß auf die Reise nach Landshut zur Teilnahme am Bundesschießen.

(es ist nicht Tölz 1887!)

Da die Arrangeure des Winzerer Fähndls stets darauf bedacht waren, ihre Aufzüge historisch getreu zu organisieren, war man möglicherweise bei der Recherche und

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Vorbereitung auf diese besondere Reise-Möglichkeit gestoßen und hatte sich zu einer Wiederholung entschlossen. Schon im Jahr 1475 waren die Landshuter Schützen mit dem Floß zum Festschießen nach Wien gereist.

Industrialisierung

Im 19. Jahrhundert sorgte die Industrialisierung zunächst für eine ungeahnte Belebung der Transport-Tätigkeit auf der Isar. Das Geschäft für die Flößer blühte – 8000 Flöße sollen jährlich nach München gekommen sein. Doch gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum Einbruch. Warum? „Schuld“ daran war der technische Fortschritt. Der Ausbau von Straßen, neue Verkehrsmittel (1891 eröffnete die Isartalbahn zwischen München und Wolfratshausen), die Gewinnung elektrischer Energie durch Wasserkraft – und später die Eröffnung des Walchenseekraftwerkes - bedeuteten schließlich das AUS für den jahrhundertealten Floßverkehr und den Berufsstand der Flößer.

Aber, „Totgesagte“ leben ja bekanntlich länger – und so erlebte die Floßfahrt um die Wende zum 20. Jahrhundert als „Vergnügungsflößerei“, als zünftige bayerische volkfest-artige Mordsgaudi einen ganz neuen Aufschwung, der bis heute unvermindert andauert. Nicht immer zum Wohl der Natur – worauf der im Jahr 1902 von Gabriel von Seidl (1848-1913) gegründete Isartalverein schon sehr frühzeitig aufmerksam machte.

Um 1903 – Floßfahrten sind schon üblich

Seit dem Jahr 1891 konnte man mit der Isartalbahn zu den sehenswertesten Punkten fahren. Diese Möglichkeit nutzte auch Rudolf Delkeskamp zu einer Wanderung im Isartal. Dabei beobachtete er 1903 eine Floßfahrt auf der Isar, die zu der Zeit schon „nicht mehr ungewöhnlich“ war. Wir zitieren einige Passagen aus dem zeitgenössischen Bericht, den er 1903 in den Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins veröffentlichte.

„Alle die Dörfer, Schlösser und Klöster an den Ufern des Flusses sind beliebte Ausflugsorte der Münchner geworden und ganze Heerzüge wimmeln an schönen Tagen die Auen an der Isar entlang, um gleich einem Heuschreckenschwarme in den Wirtshäusern einzufallen und dort alles zu vertilgen, was die reiche Vorratskammer aufweist. … Für die Alpenbewohner von Tölz ist die Isar ein wichtiges Verkehrsmittel; ist sie doch die Straße für die Floßfahrt nach München. Die oft riesigen Flöße vom Gebirge bis nach München, durch alle die Krümmungen, über alle die Stromschnellen bei den Wehren zu bringen, ist gerade keine leichte Arbeit und manchmal muß das Ruder seinen Dienst tun. Oftmals besiedeln neben den wetterfesten Floßknechten auch noch andere Passagiere dieses langsame Verkehrsmittel, um auf feuchter, aber billiger Fahrt die Schönheiten der Ufer zu genießen. Nicht mehr ungewöhnlich sind diese Floßfahrten. Oft genug machen Künstler- und Gesangvereine oder Studenten „feucht-fröhliche Fahrten“ von Schäftlarn zurück nach der geliebten Musenstadt. Ein großes Faß voll edlen Gerstensaftes wird mitgenommen, um die trockenen Kehlen zu netzen. Die Musikanten spielen manche bekannte Weise und gar manches fröhliche Chorlied tönt über den eiligen Fluß hinüber ans grünende Land. Mit lautem Hurrah werden die Fußgänger am Ufer begrüßt, nicht minder herzlich rufen diese zurück und Tücherschwenken grüßt noch lange die fröhlichen

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Schiffer. Mit leerem Fasse und trockenen Kehlen, aber in fröhlich-heiterer Stimmung langt die „Floßfahrt-Gesellschaft“ spät am Abend in München an.“

Soweit Delkeskamp.

Floßfahrt um 1920

Zu den Bayerischen Bildern „Im Weiß-Blauen Land“ zählt die Schriftstellerin Carry Brachvogel (1864-1942) eine Floßfahrt auf der Isar von Tölz zur Lände nach Maria Einsiedel. In der für die damalige Zeit üblichen poetischen Sprache beschreibt sie dabei besonders die Schönheit der Landschaft, von der sie beeindruckt war.

„Langsam weicht dann die Dornröscheneinsamkeit dem bunten Spiel des Lebens … An der Lände von Maria Einsiedel findet dann die Fahrt ihr Ende, und man kann sehen, wie die Flößer, die mit einem Triftfloß ankommen, ihr Fahrzeug alsbald durch einfaches Zerlegen wieder in Baumstämme zurückverwandeln. Es wirkt ein wenig herzlos, beinahe so, als ob ein Reiter am Ende seines Rittes seinen Gaul schlachtete und tranchierte. Aber schließlich ist es ja die Bestimmung der arbeitsamen Triftflöße, ihre Gestalt zu wechseln.“

Derartige Ausflugsfahrten wurden für die Nachwelt schon bald auf Fotos und Ansichtskarten festgehalten.

Abb. 11 Die Ansichtskarte ist ein Beispiel für eine Floßfahrt in Wolfratshausen, 1910 – 1920 (?)

Nicht nur über weitere „Passagiere in der Isarflößerei“ berichtet Hans-Walter Keweloh im Mitteilungsblatt Jg. 14-2007 (Deutsche Flößerei-Vereinigung), vielmehr stellt er zusätzlich eine Reihe von „Bildliche[n] Darstellungen des Personentransports auf Flößen“ vor.

Seinen Abbildungen von Stichen und Fotos möchten wir in unserem Beitrag nun noch zwei besondere Beispiele bayerischer Kunst hinzufügen.

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Floßfahrt auf Blech ...

Werfen wir dazu einen Blick auf die eingangs erwähnte Blechdose. Entdeckt haben wir sie auf einem Flohmarkt – inmitten von allerhand Krimskrams ist sie in ihren fröhlichen bunten Farben und den lustig rundherum angeordneten Figuren aufgefallen. Mehr noch war es jedoch die Art der Wiedergabe, die diese Dose, obwohl etwas verbeult und angerostet, doch zu einem Hingucker machte. Unverkennbar trägt sie die typische künstlerische Handschrift des bayerischen Graphikers Paul Neu (1881-1940).

Die Floßfahrt ist eines von vielen Motiven, mit welchen der Künstler Begebenheiten seiner bayerischen Heimat auf den verschiedensten Materialien und Gegenständen festgehalten hat. Hier ist es eine Blechdose der Firma Feurich-Keks (die ihren Sitz in München, in der Gmunderstraße hatte), wie ein Blick auf die Unterseite zeigt:

„Werdenfels“ - Inhalt mindest 310 gr. - Feurich-Keks München

Wann der Künstler für Feurich tätig war, ist bislang nicht bekannt. Der Paul-Neu-Forscher Alex W. Hinrichsen datiert die Dose in den Zeitraum 1925 bis 1935; soweit bisher bekannt, dürfte es die einzige Arbeit für Feurich gewesen sein.

Die kleine Szene auf dem Deckel zeigt in leicht schräger Aufsicht ein Floß, das scheinbar soeben aus einer Biegung gekommen ist. Es besteht aus Langhölzern, die mit aufmontierten Querhölzern zusammengehalten werden. In der Mitte des Floßes herrscht ausgelassene Stimmung: auf einigen aufgestapelten Baumstämmen sitzen sich an einem Tisch zwei trachtengewandete Paare gegenüber. Einer der Trachtler winkt und grüßt mit lautem Hallo herüber. Zwei Faß Bier sollten für den Ausflug eigentlich reichen ...

In gemütlicher Fahrt gleitet nun das Floß an einer kleinen zwiebelturm-bekrönten Kapelle vorbei; sie steht, umgeben von stilisierten Tannenbäumen, auf einer leicht ansteigenden Wiese. Im Hintergrund spannt sich über einen steileren Gebirgszug ein seichter weiß-blauer Himmel.

Für die sichere Fahrt sorgen zwei Flößer: der vordere, der „Ferg“, taucht das auf dem Floß befestigte bewegliche Hauptruder mit kräftigem Schwung in's Wasser – auf der Rückseite bedient der „Stürer“ das Steuerruder. Er trägt überknie-hohe Lederstiefel, die ihn im Wasser vor Nässe schützen sollen. Die Axt dient nicht etwa einer zünftigen Rauferei, sondern wird später am Zielort beim Auseinandernehmen des Floßes gebraucht.

Eingerahmt ist die querformatige Darstellung mit verschiedenen grafischen Mustern. Im rechten unteren Eck prangt ein Vier-Felder-Wappenschild mit weißblauen Rauten und Löwen; vereinfacht erinnert es an das Wittelsbacher Wappen; rechts und links davon flattern Bänder.

Paul Neu zeigt uns in seiner Graphik ein Stück bayerischer Lebensfreude – dazu passend haben wir ein Gedicht von Franz Xaver Rambold (1883-1938) gefunden, das eine Strophe des vermutlich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstandenen Volksliedes „s'Loisachtal“ aufgreift; sh. Anlage 1.

Die kleine Szene ist im Werdenfelser Landl angesiedelt, einem Landstrich mit den Orten

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Garmisch-Partenkirchen, Grainau, Farchant, Mittenwald, Krün und Wallgau und den Flüssen Isar und Loisach. Als Graphiker benutzte Paul Neu für seine Floßfahrt keine konkrete Vorlage – anders ist das bei der folgenden Darstellung.

Flößer hinter Glas

Der Murnauer Hinterglasmaler Heinrich Rambold (1872-1953) hat als heimatverbundener, von seiner Volkskunst überzeugter Bayer neben bayerischen Trachten, Festen und heimischem Brauchtum verschiedene Jäger, Wilderer und auch einen Flößer hinter Glas gemalt. Als Vorlager für den hier gezeigten Flößer wählte er aus seinem reichen Fundus an Mappen mit stockfleckigen Kupfer- und Stahlstichen – die seinem Vetter Franz Xaver Rambold bei einem Besuch schon vor dem 1. Weltkrieg aufgefallen waren – eine Grafik von C. E. Doepler aus dem Jahr 1875 aus. Ob es sich dabei um eine Arbeit von Carl Emil Doepler d. Ä. (1824-1905) handelt, ist derzeit nicht bekannt. Die alt-kolorierte Lithographie „Flößer aus Ober-Baiern“ (12,5 x 17,5 cm) wurde um 1900 (?) in einem nicht näher bezeichneten Reiseführer in einer schwarz-weiß-Abbildung wiedergegeben. Rambold hat Doeplers Flößer seitenrichtig in ein Hinterglasbild umgesetzt, wie die folgende Gegenüberstellung zeigt.

Abb.12Flößer aus Oberbayern

Graphik von C. E. Doepler, 1875Maße etwa 9,8 x 14,8 cm

Abb. 13 Flößer aus Oberbayern

Hinterglasbild von Heinrich Rambold, Ende 1930er Jahre,

Maße o. Rahmen etwa 11,3 x 16,2 cm

Rambolds Flößer – ein wahrhaft „g'standns Mannsbuid“ - ist bekleidet mit einer schwarzen, bis zum Knie reichenden Lederhose, einer grauen Joppe (mit grünen Aufschlägen), grünen bestickten Loferln (Strümpfe ohne Socken), schwarzen Haferlschuhen und einem grünen Stopselhut. Außer einem grünen Rucksack trägt er über der rechten Schulter Flößerhack und Seil.

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Den linken Fuß hat er auf einen Baumstumpf gestellt und stützt sich auf einen Stab.

Rambold hat sich auch hier nicht in allen Details an die Vorlage gehalten. Er verzichtete auf die Gebirgslandschaft, in die Doepler seinen Flößer blicken läßt. Rambold reduzierte Wald und Gebirge auf einen einzigen kleinen Tannenbaum (der ein von ihm gern verwendetes Merkmal ist) und wählte als Hintergrund einen unendlichen blauen Himmel. Dadurch scheint sein Flößer auf dem Gipfel eines Berges zu stehen, den Blick nach getaner Arbeit selbstbewußt in die weite Ferne gerichtet.

Zum Schluß

Manches ließe sich noch sagen über Floße, Flößer und Floßfahrten – z.B. Religiöses Brauchtum, Tradition und Folklore … Überfälle, Gewalttaten, Floß-Unglücke (auf Votivtafeln ...) … daß Wolfratshausen seit Mai 2011 offiziell „Internationale Flößerstadt“ ist, ... daß dort der historischen Flößerei im Heimatmuseum ein eigener Raum gewidmet ist (mit der historischen Flößerfahne …) … daß Lenggries Mitglied in der „Deutschen Flößerei-Vereinigung e.V.“ ist, deren Ziel es ist, die Forschung über Geschichte und Gegenwart der Flößerei zu fördern. Eine sehr verdienstvolle Arbeit ist die Flößer-Bibliographie, die auf derzeit 69 Seiten jedem „Floß-Interessenten“ einen reichen Fundus bietet. Die Deutsche Flößerei-Vereinigung leistet mit dem jährlichen Deutschen Flößertag, der jeweils mit einer Fachtagung verbunden ist, einen wertvollen Beitrag zur Heimatgeschichte. Heuer findet der 24. Flößertag vom 25. bis 28. August in Zeitz statt. Dorthin eingeladen hat der im Jahr 2009 gegründete Förderverein Elsterfloßgraben e.V.

Auch die alte Blechdose – der Ausgangspunkt unserer kleinen Betrachtung – hat noch einige Besonderheiten, denn … aber davon berichten wir ein anderes mal.

* * *

Benutzte Literatur …

• Andreas Aberle „Wilderer Album“, Rosenheim 6. Aufl. 1997 (Arthur Achleitner „Der Isarwinkler“, S. 20-26, „Der Tod des Hoißenblasi“, S. 27-28).

• Ausstellungs-Katalog Von der gemalten Landschaft zum vermessenen Land. Eine Ausstellung des Bayerischen Hauptstaatsarchivs zur Geschichte der handgezeichneten Karte in Bayern, v. G. Leidel und M.R. Franz, München 2006 → Hinweis auf Daniel Beich

• Carry Brachvogel„Im Weiß-Blauen Land. Bayerische Bilder“, München o.J. (1923).

• Franz Josef Bronner„Bayerisch' Land und Volk in Wort und Bild“, München 1922, 4. Auflage.

• Rudolf Delkeskamp „Isartalwanderung“. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Bd. 29 (1903), Nr. 1, S. 4-5.

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• Deutsche Flößerei-Vereinigung e.V. (DFV) Mitteilungsblatt Jg. 14-2007 Spezial: Flößerei auf der oberen IsarBeiträge von: Stephan Bammer „Bauern contra Zunfthandwerk“ (S. 10-18); Hans-Walter Keweloh „Fahr'n ma auf Minga“ - Passagiere in der Isarflößerei (S. 19-32).

Herrn Hans-Walter Keweloh – dem Vorsitzenden der DFV – danken wir herzlich für die Überlassung des o.g. Mitteilungsblattes.

• Bernhard Gajek „Ludwig Thomas Romane und Erzählungen“, Vorlesung Sommersemester 2007, Universität Regensburg; zur Verarbeitung der Seeschlacht durch Ludwig Thoma sh. „Die Halsenbuben“: „Seeschlacht auf der Isar“, S. 195-197. Die Vorlesung ist online verfügbar unter:www.uni-regensburg.de/.../gajek/vorlesung_sommer_07.pdf (Zugriff Juni 2011)

• Ludwig Ganghofer „Gesammelte Schriften“, Volksausgabe Erste Serie, Dritter Band, Stuttgart 1906, „Der Jäger von Fall“, S. 111-260.

• Doris Gribl >>„Für das Isartal“ Chronik des Isartalvereins<<, München 2002.

• Karl Gröber „Alte Oberammergauer Hauskunst“, Augsburg 1930.

• J. Günthner„Eine Floßfahrt von München nach Wien im August 1772“. In: Das Bayerland, München, 14. Jg., 1903, S. 212-214, S. 220-224. Das „Tagebuch einer musikalischen Reise“ ist entstanden zwischen 1770 und 1772. In der Übersetzung von C. D. Ebeling ist es online zu lesen unter: http://www.zeno.org/Musik/M/Burney,+Charles

• Helmut Hanko (Hg.)„Armbrustschützengilde Winzerer Fähndl. Von der Costümgesellschaft zum Sportverein. 1887–1987“, Buchendorf 1987.

• Joseph Friedrich Lentner„Bavaria. Land und Leute im 19. Jahrhundert. Oberbayern: Die Landgerichte im Gebirge“. Hg. von Paul Ernst Rattelmüller, München 1988.

• Heinz Schelle „Chronik eines Bauernlebens vor zweihundert Jahren“, Rosenheim 1988.

• August Schnitzlein„Eine Wasserfahrt von Augsburg nach Wien im Jahre 1515“. In: „Der Sammler“ - Belletristische Beilage zur „Augsburger Abendzeitung“, 80. Jg., Nr. 19, 14. Februar 1911

• Werdenfelser Stiche-Chronik – Eine Reise durch Alt-Werdenfels, anhand des Reise Atlas von Bajern Adrain von Riedl 1796, anhand des Reise Atlas von Bajern Adrian von Riedl 1796, Band II

• Georg Westermayer „Chronik der Burg und des Marktes Tölz“, 3. Auflage 1976 (die 1. Aufl. erschien 1871)

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• Winzerer Fähndl 1887 – 1912, München 1912 (Chronik)

• Gertraud Zull „Oberammergauer Schnitzereien. Gewerbe und Handel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, (Bayerische Schriften zur Volkskunde 4), München 1995.

Zu Paul Neu:

Alex W. Hinrichsen • „Paul Neu – Bayerischer Künstler in Deutschland“, Eigenverlag Holzminden, 2010 • „Paul Neu (1881-1940)“.

In: Lech-Isar-Land 2009/2010, Hg. vom Heimatverband Lech-Isar-Land e.V., Weilheim i. OB, S. 187-222.

Zu Heinrich Rambold:

Irene Dütsch • „Der bekannte Oberammergauer Maler Heinrich Ramboldt - Zum 125. Geburtstag des Murnauer

Hinterglasmalers Heinrich Rambold“. In: Jahrbuch 1996, Schriften des Historischen Vereins Murnau a. St. e.V., 17. Jg./1996, S. 84–130.

• „Der Murnauer Hinterglasmaler Heinrich Rambold - ein Nachfahre der Familie Rambold aus Mühldorf“. In: „Das Mühlrad“ - Beiträge zur Geschichte des Inn- und Isengaues, XXXIX. Jg./1997, S. 87–110.

• „... daß die Glasbilder nicht aussterben ...“ - „Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Murnauer Hinterglasmalerei.“ In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2002 (Hrsg. v. der Kommission für bayer. Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften - Institut für Volkskunde -), S. 81 - 102.

*

Zu den Abbildungen: Abb. 1 Eule e.V., Erding

Abb. 2 und 4 Details aus einem sechs-teiligen Sammelbild (ca. 22,9 x 31,4 cm), das ganzzeitig in der illustrierten Zeitschrift „Über Land und Meer“, Band 42, 1879, S. 947 veröffentlicht wurde. Eule e.V., Erding

Abb. 3 entnommen aus Heinz Schelle „Chronik ...“, S. 70

Abb. 5 entnommen aus Karl Gröber „Alte Oberammergauer ...“, Abb. 80

Abb. 6 Eule e.V., Erding – Hinterglasbild in Privatbesitz.

Abb. 7 Eule e.V., Erding – Hinterglasbild in Privatbesitz.

Abb. 8 Entnommen aus Das Bayerland, München, 14. Jg., 1903, S. 223

Abb. 9 Eule e.V., Erding – Hinterglasbild in Privatbesitz.

Abb. 10 entnommen aus Helmut Hanko (Hg.) „Armbrustschützengilde ...“, Abb. S. 61. Dr. Helmut Hanko und der ASG Winzerer Fähndl sei herzlich gedankt für die Genehmigung, das Foto hier zu veröffentlichen.

Abb. 11 Eule e.V., Erding

Abb. 12 Quelle unbekannt (vermutlich aus einem Reiseführer). Eule.V., Erding

Abb. 13 Eule e.V., Erding – Hinterglasbild in Privatbesitz.*

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… noch einige interessante weiterführende Links: • Birgit Jauernig, Flößerei, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-

bayerns.de/artikel/artikel_45668> (21.09.2010) (Zugriff Juni 2011)

• Hermann Hesse → Die Erzählung „Die Floßfahrt“ fanden wir im Waldorf-Ideen-Pool, wo sie online zu lesen ist unter … http://www.waldorf-ideen-pool.de/index.php?aid=2336

• Flößer-Bbibliographie: Eine von Hans-Walter Keweloh (Deutsches Schiffahrtsmuseum, Bremerhaven) zusammengestellte Flößerei-Bibliographie ist als download erhältlich bei „Deutsche Flösserei-Vereinigung e.V.“ unter http://www.floesserei-vereinigung.de/publikationen.php#bib (Letzte Aktualisierung: 2009 bei Zugriff Juni 2011)

• Königl. Privil. Scharfschützengesellschaft Lichtenfels Dort ist mit Genehmigung der Bayerischen Schützenzeitung und Ines S. Menay folgender Beitrag veröffentlicht: „Die Schützen im Mittelalter“ unter http://www.ssg-lichtenfels.de/Chronik/schmittelalter.html(Zugriff Juli 2011)

EULE e.V., Am Bahnhof 1, 85435 Erding(im Juli 2011)

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