FAIRMED vor Ort

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vor Ort Ausgabe Nr. 207 | August 2014 Kamerun Miss und Nationalrat unterwegs im Busch Seite 2 Zentralafrikanische Republik Kämpfe knapp überlebt Seite 10 Schweiz Seit 15 Jahren im Einsatz Seite 15

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August 2014 Deutsch

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vor OrtAusgabe Nr. 207 | August 2014

Kamerun Miss und Nationalrat unterwegs im Busch Seite 2

Zentralafrikanische Republik Kämpfe knapp überlebt Seite 10

Schweiz Seit 15 Jahren im Einsatz Seite 15

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«Innerlich zittere ich, weil es mir fast nicht gelingt, all diese vielen neuen Ein-drücke zu verarbeiten und gleichzeitig ein Kind nach dem andern fachkundig auf Unterernährung zu messen», sagt die amtierende Miss Schweiz, Domi-nique Rinderknecht. Anfangs Juli ist sie mit der Berner Hilfsorganisation FAIRMED in den Osten Kameruns ge-reist, um das dortige Gesundheitspro-jekt für die benachteiligten Baka-Pyg-mäen anzuschauen. Am dritten Reisetag steht sie nun verschwitzt und über-nächtigt im Schatten des riesigen Mangobaums vor dem Gesundheitszentrum und ehe-maligen Lepraspital in Kwoamb und ist daran, zusammen mit dem Tessiner FDP-Nationalrat Ignazio Cassis mitzu-helfen, gegen hundert Kinder zu imp-fen. «Ich komme an meine Grenzen», sagt die 25-jährige Zürcherin. «Es sind so intensive Erlebnisse mit diesen Kin-dern, die gleichzeitig so arm und krank,

Sieben Tage unterwegs im Busch Kameruns – das waren die amtierende Miss Schweiz Dominique Rinderknecht und der Tessiner Nationalrat und Arzt Ignazio Cassis. Die beiden Promis haben FAIRMED aus nächster Nähe ken-nengelernt – und sind begeistert.

aber so lieb und dankbar sind – es braucht viel Energie, sie zu unterstüt-zen.» Was die Miss so freimütig zugibt, ist ihr auf keinem der hundertfach ge-schossenen Fotos anzusehen – überall sieht sie lächelnd, strahlend, frisch und souverän aus.

Keine Zeit zum Shirt WechselnDominique Rinderknecht ist zum ers-ten Mal in Afrika südlich der Sahara.

«Ich wollte schon immer einmal ein soziales Pro-jekt im Ausland unterstüt-zen, und ich tue es nicht nur, um die neue karita-

tive Ausrichtung der Miss Schweiz zu unterstreichen, sondern auch, um als Mensch daran zu wachsen.» Und dazu hat sie zahlreiche Gelegenheiten. Ob-wohl auf der Reise durch Kamerun viele Empfänge bei Gouverneuren, Prä-fekten, Ministern und beim Schweizer Botschafter anstehen, bleibt kaum Zeit und Gelegenheit für die Miss, sich zu

Miss und Nationalrat unterwegs im Busch

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«Innerlich zitterte ich, als ich die

Kinder impfte.»

duschen und umzuziehen. «Die zehn T-Shirts, die ich zum Wechseln einge-packt hatte, brauchte ich längst nicht alle – ich fühlte mich am Abend jeweils so verschwitzt, dass es sich nicht ge-lohnt hätte, ein frisches Shirt anzuzie-hen.» Die Toiletten, die auf der Reise zur Verfügung stehen, sind meistens alt und schmutzig, die Spülungen wegen Wassermangels defekt und WC-Papier

Oben: FDP-Nationalrat Ignazio Cassis besichtigt die Hühnerzucht der Baka.Unten: Miss Schweiz Dominique Rinderknecht misst die Arme der Kinder auf Mangel ernährung.

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Das einzige, was mir Mühe macht, sind die Gerüche, die unter diesen prekären hygienischen Bedingungen entstehen – das ist extrem, so etwas habe ich noch nie erlebt.»

Die Miss isst mitSpätestens nach vier Tagen unterwegs in drei FAIRMED-Jeeps wird klar: Die Miss sieht zwar filigran aus, ist aber

reines Wunschdenken. Die Miss über-nachtet in Kwoamb in einem Zimmer, auf dessen Boden dicke Kakerlaken und lange Tausendfüssler umherkrab-beln, und sie teilt sich die Dusche, die über das Dach aus bedenklich schmut-zigem Wasser gespiesen wird, mit den sieben anderen Teilnehmern der Rei-segruppe, ohne mit der Wimper zu zu-cken. «Das kann ich gut wegstecken.

äus serst zäh. Jeden Repräsentations-termin macht sie mit strahlendem Lä-cheln mit, jedes noch so seltsam anmu-tende afrikanische Gericht – Antilope, Dukan, Tigerkatze, Maniok oder Sta-chelschwein – isst sie, jede ihr aufge-tragene medizinische Aufgabe führt sie gewissenhaft aus. Wie schafft sie das? «Das Gesundheitsprojekt von FAIR-MED, wie intensiv die Leute hier dafür arbeiten und wie effektiv es funktioniert, hat mich tief beeindruckt – deshalb will ich mich auch nach Kräften dafür enga gieren», so die 25-jährige Zürche-rin. «Ausserdem berührt es mich, wie gastfreundlich die Baka-Pygmäen sind, die wir besucht haben – wir werden ge-ehrt und aufgenommen und sie, die sel-ber fast nichts haben, tischen mir ein so riesiges Buffet auf, dass ich fast ein schlechtes Gewissen bekomme.»

Hilfe für mangelernährtes BabyDominique Rinderknecht fährt sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn, als sie den zweieinhalb Monate alten, laut schreienden Dangdario in den Arm nimmt, um seinen Oberarm zu messen. Beruhigend redet sie auf ihn ein, wäh-rend sie ihm sorgfältig das Ärmchen misst. Dangdario, der sich erst wieder beruhigt, als er, zurück in den Armen der Mutter, die Brust bekommt, ist zu dünn. «Er kommt ins Programm gegen Mangelernährung und wird Zusatznah-rung erhalten», erläutert Dr. Alphonse

Oben: Huhn, frittierte Bananen und Maniok – beim Präfekt in Abong Mbang.Unten: Miss Schweiz Dominique Rinder-knecht verschenkt den Baka-Kindern in Missoumé Schokolade.

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53-jährige Arzt, Public-Health-Experte und FDP-Politiker. «FAIRMED setzt die-sen Leitsatz «Think globally, act regio-nally» so direkt und wirksam um, dass es mir wichtig scheint, das den Schwei-zerinnen und Schweizern aufzuzeigen – diese armen Menschen gibt es, und sie leben hier und heute, wir haben die Pflicht, ihnen zu helfen!»

Grosses Baka-FestAm vorletzten Abend der Reise lädt ein Baka-Dorf die Reisegruppe zu einem Fest mit Buffet, Gesang und Tanz ein.

«Das war absolut magisch», schwärmt Ignazio Cassis: «Wie sie den ganzen Platz im Wald eigens für uns eingerichtet, mit

Palmen geschmückt und beleuchtet ha-ben, wie sie im Dunkeln ihre hypnoti-schen Lieder sangen und ihre virtuosen Tänze vorführten, hat mich tief berührt». Ignazio Cassis hat denn auch die Gele-genheit beim Schopf gepackt und die Nacht in einer eigens für ihn gebau-ten Baka-Hütte aus Blättern verbracht: «So etwas passiert einem nur einmal Leben: Es war sehr stimmungsvoll, in dieser mystischen Umgebung, beglei-tet von den nächtlichen Tierstimmen und dem die ganze Nacht dauernden Gesang der Baka, zu nächtigen – ich werde diese Nacht nie vergessen.»

Um Boock, FAIRMED-Chef Kamerun, den Fall. «Ich bin froh, dass ich Dangda-rio hier kostenlos impfen und wägen las-sen kann», sagt dessen Mutter Marie-Noelle, eine 24 Jahre alte Baka-Pygmäin. «Mein erstes Kind ist mit drei Jahren an Malaria gestorben, das macht mich heute noch traurig.» Dominique legt nun dem 2-jährigen Simon das Mess-band um den Oberarm. «Gottseidank», ruft sein Vater Dieudonné aus, «er ist nicht mangelernährt!» Der 2-jährige Simon wurde vor einigen Wochen ge-gen eine schwere Wurmerkrankung behandelt. «Er war ganz schwach und krank, mochte we-der spielen noch es-sen – dank der Be-handlung durch den mobilen FAIRMED-Gesundheitsmit-arbeiter geht es ihm wieder gut. Ich bin sehr glücklich, meinen Sohn weiter in den Armen halten zu können.»

Miss ohne SelbstmitleidDie Miss träufelt Babies und Kindern unermüdlich Vitamin A und die Polio-Impfung in den Mund. «Sehr gut, wie sie das macht», lobt Nationalrat Ignazio Cassis an ihrer Seite. «Überhaupt ist sie so intelligent und unkompliziert und umgänglich, wie ich mir eine Miss nie vorgestellt hätte.» Dominique lächelt. «Der Ansatz von FAIRMED hat mich übrigens sehr überzeugt», sagt der

«Die hypnotischen Gesänge und virtuosen Tänze der Baka haben

mich tief berührt.»

Gesundheit für Baka-PygmäenFAIRMED engagiert sich in Kamerun seit mehr als 55 Jahren für die Baka-

Pygmäen, welche kaum Rechte haben und zudem durch die Abholzung des

Regenwalds bedroht sind. Sie erhalten von FAIRMED Unterstützung im Aufbau

von gemeindeeigenen Krankenkassen, in der Vorbeugung und der Behandlung

von Krankheiten, im Bau von Toiletten und Brunnen. FAIRMED hat in den letzten

50 Jahren insgesamt rund 70 Millionen Franken in verschiedenste Gesundheits-

projekte in Kamerun investiert.

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France International hörten wir am nächsten Tag, dass Bangui gestürmt worden sei und der gestürzte Präsi-dent Bozize nach Kamerun geflüchtet sei. In Bangui plünderten und morde-ten die Seleka-Rebellen pausenlos – ein Grauen ohne Ende. Am nächsten Tag, nach einer weiteren schlaflosen Nacht im Wald, erfuhr ich, dass mein Haus zerstört und geplündert wor-den war. Ich hatte also nichts mehr als meine Kleider, die ich trug.

Zurück in der Stadt Nach sieben Nächten holte mich der FAIRMED-Mitarbeiter Jean Pierre aus dem Wald und brachte mich zurück in die Stadt Bangui. Dort erkannte eine Seleka-Rebellin, dass ich kein Muslim bin, und machte Anstalten, mich zu erschiessen. Ein muslimischer Laden-inhaber, der mich erkannte, rettete mich: Er fragte, ob ich kurz seinen Laden hüten könne, und erklärte der aufgebrachten Frau, ich sei sein Bru-der und gerade in Bangui angekom-men. Ich schaute zu, wie die Selekas innerhalb von einer Stunde den Laden plünderten und mitnahmen, was sie konnten. Ich hatte in diesem Laden oft eingekauft, hatte mich mit dem Laden-inhaber angefreundet und viel gewit-zelt und gelacht mit ihm.

durch Seleka-Rebellen unmittelbar bevorstünde. Mein Vermieter flüchtete mit mir in den Wald, wo wir eine schlaf-lose Nacht unter den riesigen Urwald-bäumen verbrachten – immer auf der Hut und bereit zu flüchten, falls wilde Tiere auftauchen sollten. Auf Radio

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«Ein muslimischer Ladeninhaber rettete mich.»

Henry Babila, der FAIRMED-Mitarbeiter in der zentralafrikanischen Republik.

Kämpfe knapp überlebt Henry Babila, gebürtiger Kameruner, ist seit anderthalb Jahren für FAIR-MED in der zentralafrikanischen Republik im Einsatz. Als im März 2013 die Kämpfe ausbrachen, der Präsident geputscht wurde und die Seleka-Rebel-len im Land Angst und Schrecken verbreiteten, musste sich Henry Babila unter Lebensgefahr in Sicherheit bringen. Für FAIRMED vor Ort hat er seine Erlebnisse zu Papier gebracht.

Das Wetter an diesem 23. März war schön und die Luft nach einem erfri-schenden Regenfall reingewaschen. Wir hatten soeben einen Ausbildungs-Workshop von FAIRMED abgeschlos-sen, als uns die Nachricht erreichte, dass der Stadt Bangui ein Überfall

Nach ein paar Tagen, an denen ich mich in einem Seleka-kontrollierten Hotel versteckt hielt, gelang es mir, einen Flug in mein Heimatland Kame-run zu buchen. Auf dem Weg zum Flug-hafen wurde unser Taxi beschossen, die Windschutzscheibe barst, aber ich überlebte abermals.

Einsatz für soziale GerechtigkeitZuhause in Kamerun – in Sicherheit bei meiner Frau und meinen Kindern – ver-folgten mich die schrecklichen Erleb-nisse in Bangui in meinen Träumen, und obwohl meine Frau eine begnadete Köchin ist, gelang es mir nach der lan-

gen Zeit des Hungerns nicht, irgendwelche feste Nahrung zu mir zu nehmen. Trotz dem bin ich im Februar in die

zentralafrikanische Republik zurückge-kehrt, um meine Arbeit für FAIRMED wieder aufzunehmen. Mit den Min-derheiten und schwangeren Frauen im Herzen, hat FAIRMED schon seit Jahrzehnten dafür gesorgt, dass die Benachteiligten Zugang zu Gesundheit erhalten. Obwohl die Sicherheitslage noch nicht gut ist, will ich mithelfen, den bedrohten und ausgeschlossenen Minderheiten Zugang zu Gesundheit zu ermöglichen – meine Überzeugung deckt sich mit derjenigen von FAIR-MED, ich sage: Soziale Gerechtigkeit ist möglich!

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PROJEKTPORTRAIT10

Medikamente für Zentralafrika

FAIRMED vor Ort: Was ist dein all-gemeiner Eindruck nach den Tagen, die du in der Zentralafrikanischen Republik verbracht hast?Die Lage ist sehr ungewiss und die Leute, die humanitäre Hilfe leisten, arbeiten unter sehr schwierigen Bedin-gungen. Obschon eine Übergangs-regierung eingesetzt wurde, ist der Staat inexistent. Die Sicher-heit wird von ausländi-schen Truppen aufrecht erhalten, die öffentlichen Dienste, wenn sie funk-tionieren, von ausländischen Geldern getragen. An einem Tag scheint alles seinen normalen Gang zu gehen, am nächsten Tag gibts Tote und Aufruhr. Wie läuft das FAIRMED-Projekt in der Zentralafrikanischen Republik?Die beiden laufenden Projekte «Aide humanitaire d’urgence» und «Santé pri-maire Lobaye» laufen unter den gege-

benen Bedingungen gut. Das hängt auch damit zusammen, dass die Region der Lobaye, wo FAIRMED arbeitet, rela-tiv sicher ist: Die Städte werden von der MISCA, der Mission International de Soutien à la CentrAfrique, die ländlichen Gebiete von Anti-Balaka-Milizen gesi-chert. Zudem zahlt sich die Arbeit der

vergangenen Jahre, also die Bildung der Gesund-heitskomitees sowie die Rekrutierung und Ausbil-

dung von Gesundheitspromotoren, aus. Sie sind unentbehrlich zur Information und Mobilisation der Bevölkerung. Welche Schwierigkeiten gibt es?Neben der ungewissen Sicherheits-lage ist zu bedenken, dass die meisten Leute kein Geld haben. Zwar sind die sozialen Dienstleistungen gratis, doch häufig sind Transport- und Unterhalts-kosten bedeutender als die Behand-lungskosten. Zudem ist die Gefahr,

dass Medikamente oder medizinisches Material verschwindet, sehr hoch. Das Gesundheitssystem lässt sich unter diesen Bedingungen nicht nachhaltig aufrecht erhalten. Die Mitarbeitenden von FAIRMED leben mit einer latenten Bedrohung. Soeben ist in Bangui eine Ladung mit 57 Kisten von lebensnotwendi-gen Medikamenten angekommen, welche die American Leprosy Mis-sion ALM FAIRMED schenkt. Welche Bedeutung hat dies für das Projekt?Eine grosse! Da die meisten Medika-mente während Kämpfen geplündert wurden, mangelt es in den Gesund-heitszentren an allem – Medikamen-ten, Betten, Instrumenten und Labor-material. Die Medikamente, welche die ALM geschickt hat, werden bitter benötigt.

Der FAIRMED-Verantwortliche für die Zentralafrikanische Republik, Dieter Imhof, hat im Mai die Gesundheitsprojekte in Bangui und in der Lobaye be-sucht. Die FAIRMED-Mitarbeiter arbeiten im kriegszerrütteten Land unter schwierigsten Umständen, die Sicherheitslage ist schlecht und eine Nor-malisierung der humanitären Lage nicht in Sicht.

Das NothilfeprojektFAIRMED betreibt in der Zentral-afrikanischen Republik ZAR seit 50 Jahren Gesundheitsprojekte für die Ärmsten. Angesichts der schwie-rigen humanitären Lage hat FAIR-MED seine Projekte vorübergehend zu Nothilfeprojekten umfunktioniert: FAIRMED unterstützt zwei Spitäler und zehn Gesundheitszentren in den Distrikten Mbaiki und Bimbo mit medizinischem Material, Medi-kamenten und bezahlt die Löhne für die Gesundheitsmitarbeitenden. FAIRMED setzt im laufenden Jahr 330 000 Franken für die ZAR ein, rund 20 000 Menschen profitieren vom Nothilfeprojekt.

Eine Ladung mit Kisten voller Medika-mente trifft ein.

Dieter Imhof, Programmverantwortlicher für die Zentralafrikanische Republik.

«Die Lage vor Ort ist sehr ungewiss.»

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AKTUELL12

Gutes tun – auch über den Tod hinausAm 13. September 2014 findet zum vierten Mal der Internationale Tag des Testaments statt. In der Schweiz wurde der Tag auf Initiative des Vereins MyHappyEnd ins Leben gerufen, dem auch FAIRMED ange-schlossen ist. In Bern hat MyHappyEnd einen Anlass zum Thema Verer-ben durchgeführt, an dem auch Wirtschaftsprofessor Markus Gmür und FDP-Ständerat Felix Gutzwiller teilnahmen.

«Nur ein Viertel der Schweizerinnen und Schweizer verfasst ein Testa-ment», erklärte Muriel Bonnardin, Prä-sidentin des Vereins MyHappyEnd, an der Veranstaltung des Vereins zum Tag des Testaments. «Von den verfassten Testamenten sind aber nach dem Hin-schied des Verfassers längst nicht mehr alle auffindbar – manchmal werden sie

von Verwandten entsorgt, wenn sie sehen, dass durch das Testament ihr Erbe beschnitten wird.» Dabei ist das Bedürfnis, über das Leben hinaus et-was Gutes zu tun, weit verbreitet, er-gänzt Markus Gmür, Professor an der Universität Fribourg: «Bereits bei den alten Griechen war es verbreitet, ei-nen Teil des Vermögens Bedürfti-

Ständerat Felix Gutzwiller, Wirt-schafts professor Markus Gmür und MyHappy -End-Präsidentin Muriel Bonnardin im Gespräch über das neue Erbrecht.

gen zu spenden, um den Zusammen-halt im politischen Gemeinwesen zu sichern – bei den Römern stand dann eher im Vordergrund, durch die öffentli-che Schenkung über den Tod hinaus im Gedächtnis der Nachgeborenen zu blei-ben.» In der jüdisch-christlichen Tradi-tion hat die öffentliche Schenkung zu-sätzlich eine religiöse Note bekommen, so Gmür weiter: «Die Vermögenden sind mit den Bedürftigen als Geschöpfe Gottes solidarisch und vermachen ih-nen deshalb über ein Hilfswerk einen Teil ihres Vermögens.»

Neues Erbrecht frühestens 2016Da nur eine Minderheit der Schweizerin-nen und Schweizer Testamente schreibt und ein Teil von diesen regelmässig ver-schwindet, wird nur ein Bruchteil des Vermögens an Hilfswerke gespendet. Ausserdem trägt das veraltete Erbrecht aus dem Jahr 1912 dazu bei, dass die Ver-wandten automatisch einen sehr gros-sen Teil des Vermögens erbten, sagte FDP-Ständerat Felix Gutzwiller: «Beim geltenden Erbrecht sind die Pflichtteile für die Verwandten so gross, dass es beispielsweise fast nicht mehr möglich ist, einen Kleinbetrieb einem Kind wei-ter zu vererben, weil die Geschwister ausbezahlt werden müssen.» Auch für Konkubinatspaare sei das alte Erbrecht ungerecht: «Will man den heutigen ge-sellschaftlichen Verhältnissen gerecht werden, müssen die Pflichtteile des

Erbes flexibler werden», so Gutzwiller weiter. Zurzeit werden zum neuen Erb-recht drei Gutachten erstellt. Falls das Schweizer Volk Ja sagt zum neuen Erb-recht, könnte es frühestens 2016 in Kraft treten. So oder so: Zögern Sie nicht, sich früh genug zu fragen, was nach Ihrem Tod mit Ihrem Vermögen passieren soll. Tun Sie Gutes – über Ihr Ableben hinaus – und teilen Sie einen Teil Ihres Vermö-gens mit Menschen, denen es weniger gut geht als Ihnen.

Anna Opladen, Leiterin Fundraising FAIRMED: 031 310 55 67www.fairmed/spenden/erbschaften Am 13. September 2014 führt My-HappyEnd zum Tag des Testaments eine interaktive Kunstaktion in Ba-sel durch. Die Aktion «Gegeben und genommen» von der Kulturwissen-schaftlerin Johanna Goetz und dem Produktdesigner Yi-Cong Lu wird ab 12. September 2014 zu sehen sein. www.myhappyend.org

Bleiben Sie in bester Erinnerung – berücksichtigen auch Sie in Ihrem Testament gemeinnützige Organisationen.

Eine Initiative von: Aide et Action, Amnesty International, Bergwaldprojekt, Brot für alle, Enfants du Monde, FAIRMED, Fastenopfer, Greenpeace Schweiz, Heilsarmee, HEKS – Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz, LUNGE ZÜRICH, miva – transportiert Hilfe, Pro Senectute, Rheumaliga Zürich, SBS Schweizerische Bibliothek für Blinde, Seh- und Lesebehinderte, Stif tung Kinderdorf Pestalozzi, Stif tung SOS-Kinderdorf Schweiz, Stif tung WELT OHNE MINEN, VIER PFOTEN Schweiz, WWF Schweiz

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sönlicher

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15PERSÖNLICH

FAIRMED vor Ort: Wie hat sich FAIR-MED in den letzten 15 Jahren verän-dert?René Stäheli: Die Wurzeln sind geblie-ben, der Baum ist gewachsen. Die Aus-sätzigenhilfe ist über die Leprahilfe bis schliesslich zu FAIRMED organisch ge-wachsen. Die WHO machte uns vor zehn Jahren auf Buruli aufmerksam und

Seit 15 Jahren im Einsatz

fragte an, ob es das in unseren Projekt-ländern auch gäbe. Wir haben in einem Tal in Kamerun über 400 Fälle gefunden, für welche wir dann ein grosses Projekt starteten. Das war in Afrika der Start zur Diversifizierung. Heute kann man sich kaum mehr auf einzelne Krankhei-ten konzentrieren, man muss ganzheit-licher vorgehen und Synergien nutzen.

Zur PersonName: René StäheliAlter: 58 JahreBeruf: Agraringenieur/MBA NPO-ManagementWohnort: BaselFamilienstand: Verheiratet, eine erwachsene Tochter

Wo wird sich FAIRMED deiner Mei-nung nach hin entwickeln?FAIRMED wird sich noch stärker in der Umsetzung von Projekten mit unseren Schwerpunktthemen entwickeln, wo wir über eine ausgewiesene Kompe-tenz verfügen – ver nachlässigte Tropen-krankheiten NTDs*, Behinderung und marginalisierte Gemeinschaften. Wie es in fernerer Zukunft weitergehen wird, ist in der schnelllebigen Zeit schwer zu sagen. Wir sind gespannt auf die neuen Entwicklungsziele, vielleicht gibt es neue Impfstoffe, mit welcher wir die Lepra ausrotten können oder wir finden uns in einer Partnerschaft wieder, die unsere Wirkung noch verstärken kann.

Wo steht FAIRMED deiner Meinung nach in der Schweizer Hilfswerke-Landschaft?FAIRMED ist die Entwicklungsorgani-sation mit einer über 50-jährigen Erfah-rung mit mindestens einer vernachläs-sigten Tropenkrankheit und seit über zehn Jahren mit mehreren dieser NTDs. Wir waren darin schon Experten, bevor der Begriff der NTDs überhaupt kreiert wurde. Das macht uns unter den Orga-nisationen, die sich im Gesundheitsbe-reich der Länder des Südens einsetzen, einzigartig.

Was war das Lustigste, was du bei FAIRMED erlebt hast?Die Pygmäen sind häufig ihrer Rechte

Der Geschäftsleiter von FAIRMED, René Stäheli, arbeitet seit 15 Jahren für die Stiftung. Ursprünglich für Ciba Geigy tätig, sah der Agraringenieur 1999 ein Stelleninserat der damaligen Aussätzigenhilfe Emmaus Schweiz – bewarb sich, wurde angestellt und blieb.

René Stäheli auf Besuch in der dermatologischen Klinik in Ampara. beraubt und vielerorts nicht offiziell re-

gistriert. Als wir ihnen feierlich neue Personalausweise übergeben wollten, meldete sich keiner der Aufgerufenen. Erst dann bemerkten wir, dass sie zu ihren Fotos falsche Namen angege-ben hatten, da sie befürchteten, man könne mit diesen Bildern einen Zau-ber auf sie ausüben. Diese Geschichte zeigt auch, dass wir mit unserer Lo-gik manchmal völlig auflaufen und wie komplex die Arbeit mit anderen Kultu-ren sein kann.

*Neglected Tropical Diseases

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Aarbergergasse 29CH-3000 Bern 7Telefon +41 (0)31 311 77 97Fax +41 (0)31 318 08 [email protected]

Impressum: Vierteljährliches Magazin von FAIRMED; Redaktion: Saskia van Wijnkoop, Anna Opladen, René Stäheli; Fotos: Simon Huber, FAIRMED, Jonas Kambli, Simon Opladen, FAIRMED; Gestaltung: graphicarts, Bern-Liebefeld; Druck: Spühler Druck AG, Rüti ZH. Abonnement in Spenden ab 5.– Franken enthalten.

...und ermöglichen Sie unseren mobilen Gesund-heitsteams, in vernach - lässig ten Gebieten Afrikas und Asiens, lebensrettende medizinische Versorgung bereitzustellen.

• Sichere Geburt für Mutter und Kind

• Medizinische Behandlung und Impfung in abgelegenen Dörfern

• Rechtzeitige Überführung ins Spital

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Slumbulanz-Patenschaft

Danke für Ihre Unterstützung!