Familien - fliegermagazin.de · frisch aus der Fabrik glänzen sie in der Sonne. Und obwohl die...

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Reportage Familien bande Familien bande Bo 208 Junior Bo 209 Monsun von Bölkow Die beiden eigenwilligen Zweisitzer über dem oberbayerischen Ammersee fallen auf – wie frisch aus der Fabrik glänzen sie in der Sonne. Und obwohl die Maschinen extrem unterschied- lich aussehen, sind sie vom gleichen Hersteller

Transcript of Familien - fliegermagazin.de · frisch aus der Fabrik glänzen sie in der Sonne. Und obwohl die...

Reportage

FamilienbandeFamilienbandeBo 208 Junior Bo 209 Monsun von Bölkow

Die beiden eigenwilligen Zweisitzer über demoberbayerischen Ammersee fallen auf – wiefrisch aus der Fabrik glänzen sie in der Sonne.Und obwohl die Maschinen extrem unterschied-lich aussehen, sind sie vom gleichen Hersteller

Auf 50 Pfennig genau: die 208-Originalrechnung von 1969.

»Cosy« – also behaglich – ist dasCockpit für Piloten bis 1,80

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Team nicht mehr losließ: Den Bau einerFlugzeugfamilie im Baukastensystem,beginnend mit einem zweisitzigen Tief-decker, dem dann ein Viersitzer und einAcro-Einsitzer für den Wettbewerbs-kunstflug folgen sollten.

Da bei Bölkow die Entwicklungskapa-zität für dieses Projekt nicht zur Verfü-gung stand, machten sich Mylius und seinTeam privat ans Werk: In einer Garage inBrunnthal südlich von München entstanddie MHK (Mylius, Heynen und Krauss)101, der Prototyp der späteren Bo 209Monsun. Professor Ludwig Bölkow soll

das Projekt »wohlwollend unterstützt« ha-ben …

Mylius hatte ehrgeizige Vorstellungen:Sein Flugzeug sollte eine bequeme undschnelle Reisemaschine mit ausreichend

Stauraum werden, Kunstflugtauglichkeitwar ebenso gefragt wie die Eignung zurSchulung und zum F-Schlepp. Als beson-deren Gag hatte er sich klappbare Flächenausgedacht, die es ermöglichten, die MHK101 zum Straßentransport an einen Pkwzu hängen – und das ganz ohne Anhänger,das komplette Flugzeug war vom TÜVnebst Anhängevorrichtung als »Sportan-hänger« abgenommen!

Der Erstflug am 22. Dezember 1967 inLaupheim verlief erfolgreich, die MHK101 wurde dann 1968 auf der Luftfahrt-messe Hannover präsentiert. Dort war das

Interesse an der neuen Maschine so groß,dass in den folgenden Monaten die Ent-scheidung fiel, die MHK 101 als Bo 209Monsun in Serie zu bauen.

Ach ja – die Eltern waren inzwischenandere geworden: Bölkow hatte mit Mes-serschmitt zum MBB-Konzern fusioniertund so den Grundstein zur späterenDASA und heutigen EADS gelegt. DieBo 209 Monsun wurde also noch vor ihrer Geburt eine »Messerschmitt-Böl-kow-Blohm« Bo 209 – zur Freude angel-sächsischer und amerikanischer Monsun-Piloten: Die melden sich noch heute ger-ne am Funk als »Messerschmitt Bo 209«.

Wenn die 209 neben der 208 steht, wer-den Unterschiede, aber auch Gemeinsam-keiten erkennbar: Die Familienähnlichkeitbeschränkt sich im Wesentlichen auf denhinteren Rumpf- und Leitwerksbereich:Mylius hatte mit dem Pendelhöhenruderund dem rechteckigen Rumpfquerschnittder BO 208 gute Erfahrungen gemacht –letzterer bot vor allem Vorteile in der Fer-tigung und ein plus in der Stabilität um dieHochachse. Außerdem konnte man aufvorhandene Werkzeuge zurückgreifen.

Die Variationsmöglichkeiten beim Kaufeiner Monsun waren riesig: Zum einengab es da die Versionen mit Fest- oderEinziehbugrad, zum anderen Fest- oderVerstellprop, zum Dritten die 150 PS Va-riante mit Lycoming 0-320 oder die zehnPS stärkere Einspritzer-Variante IO-320.Eine Monsun 160 RV (RetractableGear/Variable Pitch) war also mit einzieh-barem Bugrad, Verstellprop und IO-320ausgerüstet. Auf Wunsch gab’s auch nochfür Schulmaschinen vergrößerte Randbö-gen und einen 125-PS-Lycoming.

So beeindruckend diese Auswahl war –als Konsequenz muss man sich bewusstsein, dass eine Monsun »160 RV« wie dievorgestellte Maschine leistungsmäßig einganz anderes Flugzeug als etwa eine »150FF« ist. Das einziehbare Bugrad alleinbringt rund sieben Knoten mehr Topspeed,Verstellprop und IO-320 etwa nochmalsdas Gleiche. Bei Start- und Steigleistungsind die Differenzen ebenfalls erheblich.Deutliche Unterschiede gab es natürlichauch beim damaligen Kaufpreis: Im Okt-ober 1970 stand die 150 FF mit 49500Mark in der MBB-Preisliste, eine 160 RVkostete rund 60000, plus Instrumentie-rung und Avionik versteht sich, dazu elfProzent Mehrwertsteuer. Man landetedann schnell bei 80000 Mark. Zum Ver-gleich: Ein Porsche 911 kostete damals25000 und ein VW Käfer 6000 Mark.

Zurück in die Gegenwart: Der Einstiegin die Junior erinnert ein wenig an engli-sche Roadster aus den Sechzigern – nur

Ungleiche Schwestern: dieMonsun (vorn) ist größer,schneller und bequemer – dafür hat die Junior von LotharZimmer (unten) als Schulter-decker das exotischere Flair

Einen zentralen Steuerknüppelwie in der Junior (oben) gab es

schon vor UL-Zeiten. Mit dem ContiO-200 unter der Cowling schafft die208 fast 100 Knoten Reise

ReportageEigentlich sollte man annehmen, dass

verwandtschaftliche Beziehungen in Flug-zeugfamilien simpel darzustellen sind –nicht aber bei den ungleichen SchwesternJunior und Monsun von Bölkow. Dabeischeint zunächst alles so einfach: Die Bo209 Monsun ist die Weiterentwicklung derBo 208 Junior, etwas größer, stärker undschneller eben. Dass die Geschichte sonicht ganz stimmen kann, wird spätestensdann klar, wenn die beiden vor einem ste-hen: ein winzig-witziger Schulterdeckerdie eine, ein klassischer Tiefdecker die an-dere. Und doch ist der gleiche Stamm-baum auf den zweiten Blick irgendwie unverkennbar …

Also ganz der Reihe nach: Wie viele gute Geschichten beginnt auch die der208/209 im Land der Wikinger. Björn An-dreasson, ein junger schwedischer Flug-zeugkonstrukteur, hatte sich in den USAneben seiner Arbeit für Convair in denJahren 1956 bis 58 ein kleines, zweisitzigesGanzmetallflugzeug mit 75 PS gebaut und»BA7« getauft. Zurück in der Heimatavancierte er zum technischen Direktorbei Malmö Flyg Industrie (MFI), ab 1969Teil des Saab-Konzerns, und brachte dortdie Pläne seines Fliegers ein. So mutiertedie BA7 1960 zur MFI 9 und wurde mit ei-nem 100 PS starken Conti O-200 zur Vor-serienreife entwickelt.

Dann spielte der Zufall mit: Der ehe-malige deutsche Klemm-Vertreter inSchweden machte Ludwig Bölkow aufden Zweisitzer aufmerksam. Bölkowwiederum sah in der MFI 9 eine ideale Er-gänzung zur viersitzigen Bo 207 (siehe flie-

germagazin 2/03).

Was folgte, war ein Welt-Lizenzvertrag,anschließend die deutsche Zulassungdurch Bölkow und schließlich 1962 dieAufnahme der Serienproduktion im WerkLaupheim bei Ulm. Der Lizenzvertragschloss Schweden selbst allerdings aus:Dort wurde die MFI 9 als Militärtrainerzur MFI 15 (160 PS) und MFI 17 (200 PS)weiterentwickelt – übrigens inklusive»Hardpoints« unter den Flächen zur Waf-fen- und Lastaufnahme!

Der Grundpreis für die Bo 208 »Junior«getaufte Maschine lag damals bei 28000Mark. In den Folgejahren betrieb man beiBölkow intensive Modellpflege: Die 208B erhielt ein verstärktes Fahrwerk undelektrische Landeklappen, bei der 208 Csorgten zurückverlegte Sitze und eine ver-breiterte Kabine für mehr Innenraum, eingrößerer Tank für verbesserte Reichwei-te, ein modifiziertes Profil im Bereich derFlügelwurzel und vergrößerte Randbögen

für »zahmere« Start- und Landeeigen-schaften.

Verantwortlich für dieseWeiterentwicklung war einTeam unter Führung von Her-

mann Mylius – Ex-Luftwaffen-Pilot, Fluglehrer, Diplom-Ingenieur und

Leiter des Leichtflugzeugbaus bei Böl-kow. Und dieser Hermann Mylius hatteseit längerem eine Vision, die ihn und sein

Schön schnell: Mit Einzieh-Bugrad 132 kts

Reise!

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einem Schwarm MFI-Militärtrainern. An-geblich soll eine einzige Staffel MFIs diegesamte nigerianische MIG-Flotte wäh-rend des Nigeriakriegs vernichtet haben.

Seine eigene D-EASY wurde als eineder letzten gebauten Bo 208C 1969 nachÖsterreich verkauft (damaliger Kaufpreislaut Originalrechnung: 33475 Mark und50 Pfennige) und flog bis 2002 in der Al-penrepublik. Neben der soliden Technikwaren für ihn die hervorragende 360-Grad-Rundumsicht und die günstigenUnterhaltskosten (18 Liter Avgas proStunde im Reiseflug) kaufentscheidend.Heute wird seine Junior nichtnur an Wochenenden

aus der Halle gezogen, sondern dient oftgenug wochentags als Transportmittel zwi-schen seinem Wohnort im oberbayeri-schen Lechfeld und seinem Arbeitsplatzbei Porsche in Stuttgart.

Kurzstart- und -landeeigenschaften sindübrigens beiden Flugzeugen nicht unbe-dingt in die Wiege gelegt: Bahnlängen vonunter 400 Meter werden problematisch.Ist die Monsun zwar am Start aufgrund ih-rer Power (gerade in der 160 RV-Varian-te) früher vom Boden weg, mag sie es abergar nicht, wenn im kurzen Endanflug we-niger als 70 Knoten anliegen. Dafür glänztsie mit aerodynamischen Qualitäten: fast140 Knoten Reisegeschwindigkeit (bei 75Prozent Leistung) sind absolut realistischund eine Reichweite von 650 NautischenMeilen ist auch nach heutigen Maßstäbendurchaus beeindruckend.

Den jüngsten Beweis dafür lieferte eineMonsun bei der diesjährigen Sun ’n fun in Florida: Beim »Sun-60-Race« (für zer-tifizierte Flugzeuge) landete sie in der»Sportsman Class« gegen die wesentlichPS-stärkere Konkurrenz auf einem sensa-tionellen zweiten Platz. Logisch, dass dadie kleine Schwester mit ihrem Conti O-200 und ganzen 100 PS nicht mithaltenkann. Aber auch hier sprechen 95 KnotenReiseleistung für sich und lassen eineCessna 152 ziemlich alt aussehen.

Zurück zur Familienchronik: Es bleibtdie Frage, warum die Bo 209 nicht zu derErfolgsstory im deutschen Kleinflugzeug-bau wurde. Während die Fertigung der Bo208 (etwa 200 gebaute Exemplare in sechsJahren) im Frühjahr 1969 mit der Produk-tionsaufnahme der Monsun ihr natürlichesEnde fand, kam für die Bo 209 bereits imSeptember 1971 das überraschende Aus.

Die kaufmännische Geschäftsführungbei MBB beschloss in einer Grundsatzent-scheidung, die Herstellung von Leichtflug-zeugen einzustellen. Maschinen, die bereitsim Bau waren, wurden bis Frühjahr 1972fertiggestellt, die weitere Produktion trotz275 (!) noch vorliegender Bestellungen ge-stoppt. Offizielle Erklärung war die man-gelnde Rentabilität; inoffiziell hält sich bis heute hartnäckig das Gerücht, dass beieiner Fertigung von mehr als 100 Exempla-ren staatliche Subventionen zur Rückzah-lung fällig geworden wären. Und genau 100 Flugzeuge verließen – neben den Vor-serienmaschinen – das Werk im baden-württembergischen Laupheim.

Aber die Konzeption der Monsun war zuüberzeugend: Ein großer amerikanischerHersteller zeigte heftiges Interesse an ei-ner Produktionsübernahme, machte abereinen Rückzieher, als er sich der aufwendi-

gen Fertigung bewusst wurde.Und der jüngste Versuch dürf-te allen Lesern frisch im Ge-

dächnis sein: Niemand anderesals Mylius-Sohn Albert versuch-

te, mit seiner MY 102/3/4-Baureihedie Idee einer Flugzeugfamilie wieder

aufzugreifen (siehe fliegermagazin 7/2000).Schade, dass nichts daraus wurde …

Bleiben unsere zwei ungleichen Schwes-tern als bemerkenswerter Teil deutscherFlugzeuggeschichte. Auch wenn sie unter-schiedliche Väter haben, stellen sie dochden letzten Anlauf eines der großen deut-schen Flugzeughersteller dar, sich im Be-reich des Leichtflugzeugbaus zu engagie-ren. Die Gene von Bo 208 und 209 machendie Familienbande unverkennbar, selbstwenn die kleinere Schwester in unserem

Fall die Ältere ist.Die beiden hatten abernoch nie ein Problem damit. hs/js

Überzeugte Bölkow-Besitzer:Heinz Schreiber (links) und Lothar Zimmer.Das Cockpit der Monsun ist ergonomisch durchdacht, undso macht auch Kunstflug Spaß

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dass es höher hinaufgeht. Die Trittstufe in halber Cockpithöhe verbreitet Fighter-feeling – wenn der Bewegungsablaufstimmt, rutscht man lässig hinein wie in ei-nen ausgelatschten Pantoffel. Wenn nicht,wird man zum Gespött des Flugplatz-cafés. Einmal drinnen, passt der englischeBegriff »cosy«: Diese Bezeichnung trifftgenau das, was auf Deutsch etwa »behag-liche Enge« lauten müsste.

Fast schon langweilig bequem nimmtman in der Monsun Platz . Der sportlicheTouch bleibt nur dann erhalten, wenn dieserienmäßige hässliche Trittstufe unter-halb der hinteren Flächenwurzel wegge-schraubt wurde. Beliebt bei vielen Mon-sun-Eignern, bringt das doch drei Knotenund etwas Fitnesstraining gratis …

Im Cockpit ist Platz auch für großge-wachsene Piloten; die verstellbaren Rück-lehen reichen völlig aus. Vor allem aber:Die Ergonomie der Sitze ist gelungen,auch mehrstündige Flüge enden ohneRückenprobleme. Hinter den Sitzen liegtein im Flug zugänglicher Gepäckraum mit Reisetaug-lichkeit, der stol-ze 50 Kilo auf-nimmt.

Noch eine Ge-meinsamkeit vonBo 208 und 209:Gebremst wirdvon Hand aufbeide Räder desHauptfahrwerks.Bei der Monsunsitzt der Hebel(mit Feststellvor-richtung) bedien-gerecht auf derMittelkonsole,beim Junior rechts im Beinraum des Pilo-ten – mit dem Nachteil, dass beim Brem-sen mit der rechten Hand der Y-förmigeZentralknüppel losgelassen werden muss.Die Monsun fliegt man eh’ mit links, beider Landung wandert dann die rechteHand automatisch vom Gas zur Bremse.

Bleibt die Schlüsselfrage nach demCharakter – sorry – den Flugeigenschaf-ten unserer Geschwister. Die knappe aberebenso aussagekräftige Antwort: Sie wer-den der Familientradition ihres Eltern-hauses voll gerecht. Bo 208 und 209 sindFluggeräte, die am liebsten mit zwei Fin-gern geflogen werden wollen und derenPiloten auch noch nach vielen Jahren Mühe haben, nach der Landung ein ver-klärtes Grinsen loszuwerden.

Die Ruderdrücke sind ausgezeichnetabgestimmt, das Gefühl der Agilität wird

durch die minimale innere Reibung imSteuersystem noch verstärkt. »Freude amsicheren und sportlichen Fliegen« – so lau-tete der Werbeslogan von MBB bei derVorstellung der Monsun 1969.

Diese Flugeigenschaften waren auch dasHauptargument für unsere beiden Böl-kow-Piloten aus dem Münchner Raum,Lothar Zimmer und HeinzSchreiber, sich für die Juniorund Monsun zu entscheiden.Aber beileibe nicht der ein-zige Grund: Die Liebe zumNamen Messerschmitt gehtbei Heinz Schreiber sogarrund 40 Jahre zurück. Aufdem Kabinenroller seinesOnkels machte er als Zwölf-jähriger seine ersten Fahr-versuche, als Student folgte

der sagenumwobene Messerschmitt »Ti-ger«, nach dem Abitur vom Religionsleh-rer gebraucht erworben. Der »Tiger« stehtsogar heute noch in der Garage.

Lothar Zimmer hingegen war von derGeschichte der MFI/Bölkow Junior faszi-niert: Als junger Pilot flog er in den sieb-ziger Jahren in Afrika und begegnete dort

Reportage

Bo 208C Bo 209RV

Spannweite 8,02 m 8,40 mLänge 5,79 m 6,40 mHöhe 2,05 m 2,20 mMotor Rolls Royce Lycoming

Continental 0-200 AIO-320Reichweite 550 NM 650 NMVso 46 kts 54 ktsV-Reise (65%) 95 kts 132 ktsVNe 153 kts 173 ktsVerbrauch (65%) 18 l/h 28 l/h

Technische DatenTechnische Daten

Der AIO-320 unter derMonsun-Cowling

verträgt auchAcro-Einlagen – etwaRollen oder Loopings.

Das markante Seiten-leitwerk lässt keineVerwechslung mitanderen Maschinen zu