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60 Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus Fasnet – Fasching – Karneval Torsten Widmann Das jährlich wiederkehrende Brauch- tumsphänomen der Fastnacht hat viele verschiedene regionale und lokale Aus- prägungen. Gemeinsam ist allen die Faszination, die jährlich Millionen Zu- schauer und Aktive in ihrer Freizeit zu den Veranstaltungen lockt und somit ei- nen nicht zu unterschätzenden Wirt- schaftsfaktor darstellt. Geschichte Der Ursprung der Fastnacht liegt im frühen Mittelalter und nicht, wie hart- näckig behauptet, in der grauen Vorzeit unserer germanischen Vorfahren. Die christliche Liturgie gibt dem Brauchtum seinen Namen, denn ebenso wie die Weihnacht der Abend vor Christi Ge- burt ist, bezeichnet die Fastnacht ur- sprünglich den Abend vor Beginn der Fastenzeit, also den Fastnachtsdienstag. Während des Mittelalters brachte die 40-tägige vorösterliche Fastenzeit einen radikalen Einschnitt in die Lebensge- wohnheiten des übrigen Jahres mit sich. Neben dem Genuss von Alkohol und dem Verzehr von Lebensmitteln, die von warmblütigen Tieren stammen, war auch alles „Fleischliche“ während der Fastenzeit verboten. Die christliche Kirche nahm die kur- ze Zeitspanne der Ausgelassenheit vor der Fastenzeit zum Anlass, um den Menschen ihre Sündhaftigkeit vorzu- halten und die Fastenzeit als Chance zur inneren Umkehr darzustellen. Sinn- bildlich für das Lasterhafte, Sündhafte und Schwache im Menschen steht der Narr. Er hat einen entscheidenden Ein- fluss auf die heutige Ausprägung der Fastnacht, denn er erlaubt es, für kurze ten Angleichung von Kulturen eine wichtige Rolle für den Erhalt des Fast- nachtsspiels, denn es wirkt als ein Aus- druck lokaler und regionaler Kultur identitätsstiftend für den jeweiligen Raum. Gerade dieser Aspekt wird von der organisierten Brauchtumspflege immer wieder stark in den Vordergrund ge- rückt. Sie schreibt dort, wo das Brauch- tum einen hohen Organisationsgrad vorweist, die Kostümierungen und Brauchabläufe bindend fest und ist da- her verantwortlich für den Erhalt der teils stark von einander abweichenden Feierformen in ganz Deutschland. Regionale Unterschiede Die Karte B zeigt anhand der in den Regionen Deutschlands unterschiedli- chen Namensgebungen die einzelnen Ausprägungen der Fastnacht. Es gibt praktisch keine Region, in der nicht zu- mindest kleinere Veranstaltungen wäh- rend der närrischen Zeit stattfinden. Da jedoch nur bestimmte Gebiete als Fast- nachtshochburgen zu bezeichnen sind, dient die Anzahl der Fastnachtsumzüge pro Kreis als Indikator für die Fast- nachtsbegeisterung einer Region. Dabei wird die sehr unterschiedliche Größe der Umzüge 1 allerdings nicht berück- sichtigt. Für die Erstellung dieser Karte wur- den rund 1500 lokal bedeutsame Fast- nachtsumzüge recherchiert. Die Massie- rung dieser Veranstaltungen in Rhein- land-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und in Baden-Württemberg zeigt, dass sich hier die Hochburgen der Fastnachtsfeierlich- keiten befinden. In ihrer Ausprägung sehr ähnlich sind sich Fastnacht und Fasnacht in Rhein- land-Pfalz. Sie bezeichnen zusammen mit dem Karneval die rheinländische Brauchtumskultur. Erwartungsgemäß ist die Anzahl der Umzüge im ursprüngli- chen Einzugsbereich dieses Brauchtums- komplexes am höchsten. Auch lassen sich hier die bedeutendsten Einzelver- anstaltungen lokalisieren. Aufgrund seiner Massenwirkung und Verbreitung in den Medien wurde der Karneval in Gebieten, denen es an eige- ner kontinuierlicher Fastnachtstradition mangelt, einfach adaptiert. Dies gilt auch für den Fasching in Ostdeutsch- land. In den Karnevals- und Faschingsge- bieten kombinieren die Karnevalisten bestimmte Merkmale des Narren, wie etwa die Narrenkappe und die Marotte, oder sie verkleiden sich individuell, während in Süddeutschland die tradi- tionelle Ganzkörpervermummung mit Holzmaske starken Zulauf erfährt. Auch hat im Karneval und im Fasching das Spiel mit der militärischen Uniformie- Zeit in eine verkehrte Welt zu ent- schwinden und wieder zurückzukehren. Durch ihn wurde die Fastnacht seit dem späten Mittelalter zunehmend zu einem Fest der Komik und des Klamauks. Unter dem Einfluss der Reformation ging das Gespür für den ursprünglichen Bezugsrahmen allmählich verloren. Dies hatte zur Folge, dass vielerorts Fast- nachtsverbote ausgesprochen wurden. Außerdem war die Fastnacht zu diesem Zeitpunkt kein Massenphänomen mehr, sondern wurde hauptsächlich von den städtischen Handwerkerständen als Form der Selbstdarstellung gepflegt. Das Zeitalter der Romantik schließlich brachte einen gewaltigen Aufschwung, der mit einigen Unterbrechungen bis heute anhält. In dieser Zeit war der ge- pflegte Frohsinn des rheinischen Karne- vals mit seinen Salonveranstaltungen, Bällen und Umzügen mit romantischen Motivwagen die populärste Form des Fastnachtsbrauchs in ganz Deutschland. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wur- den in Südwestdeutschland die vorkar- nevalesken Fastnachtsfeierlichkeiten wiederbelebt. Man besann sich auf die Wurzeln des Fastnachtstreibens und schuf zahlreiche neue Fastnachtsfiguren in Anlehnung an die wenigen alten Masken und Kostüme, welche die Jahr- hunderte überdauert hatten. Funktion Bis heute entwickelte sich die Fastnacht zu einem Massen-Event, dessen Faszina- tion durch seine Ausprägung als soziales Rollenexperiment erklärt werden kann: In der kurzen, intensiven Zeit der Ko- stümierung scheinen soziale Schranken und zwischenmenschliche Distanzen leicht aufgehoben werden zu können, denn Gestik, Sprache und Kleidung sind nicht als Ausdruck sozialer Her- kunft oder Intelligenz zu erkennen. Hinter der Maske und von der Bütt her- ab darf scherzhaft, aber doch treffend, jedem die Meinung gesagt werden. Es herrscht Narrenfreiheit. Konflikte und Sorgen des Alltags werden außen vor gelassen, andererseits wird erhofft, ein wenig aus der Fastnacht mit in den All- tag nehmen zu können. Auch spielt das Motiv der Traditi- onspflege gerade in Zeiten der weltwei- Die bekanntesten Rosenmontagsumzüge Lnge des Zuges Lnge des Zugweges Vorbeimarschzeit Wagen Fugruppen Teilnehmer Zuschauer ca. 6 km 6,5 km 33,5 h 95 51 ca. 10 000 1 2 Mio. ca. 6,5 km ca. 7 km 34 h 150 k. A. ca. 9 200 ca. 450 000 2,5 km 6,5 km ca. 3 h 65 100 6500 ca. 1,5 Mio 3,5 km 4,5 km 3,54 h 85 90 3500 300 000 Ort Kln Mainz Düsseldorf Aachen Karneval: Carnelevamem (kirchenlateinische Bezeichnung für die Fastenzeit) wurde scherzhaft zum italienischen „car- ne vale“ umgedeutet („Fleisch, leb wohl!“). Fasching: Aus dem Mittelhochdeutschen „vast schang“, das Ausschenken des Fastentrunks, enstanden. Fasnet: Aus der Dialektbezeichnung „Fastnaht“ für Nacht vor Beginn der Fastenzeit abgeleitet. Zeitraum: Der Karneval beginnt bereits am 11.11. Dies hängt mit der alten Fastenzeit vor Weihnachten und der Zahl 11 als Symbol für Unvollkommenheit zusammen. An- sonsten beginnt die Fastnacht mit Umzügen und Saalveran- staltungen am Dreikönigstag, dem 6. Januar. Die hohen Tage: Die kurze Zeit der Straßenfastnacht. Sie beginnt am Donnerstag vor Aschermittwoch, der in Anleh- nung an das Aufbrauchen der tierischen Fettbestände „fet- ter“ oder „schmotziger“ Donnerstag genannt wird. Die Be- zeichnung „Weiberfastnacht“ geht auf einen alten Brauch zurück, der Frauen an diesem Tag besondere Rechte ein- räumte. Der Fastnachtsmontag hat sich als Rosenmontag in nahe- zu allen Fastnachtsregionen durchgesetzt. Von der Kölner Rosensonntagsgesellschaft, welche am Rosensonntag 1824 (4. Fastensonntag) erstmals zusammentraf, um den Mon- tagsumzug im darauf folgenden Jahr zu organisieren, be- kam er seinen Namen. Das närrische Treiben endet in der Nacht vom Dienstag auf Aschermittwoch, der eigentlichen Fastnacht, um 24.00 Uhr. Die Fastnacht wird verbrannt, symbolische Rathaus- schlüssel werden zurückgegeben, und im schwäbischen Rottweil beklagen sich die Narren: „O jerum, o jerum, die Fasnet hot a Loch...“. A Dienstagsumzug in Villingen-Schwenningen

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60Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Freizeit und Tourismus

Fasnet – Fasching – KarnevalTorsten Widmann

Das jährlich wiederkehrende Brauch-tumsphänomen der Fastnacht hat vieleverschiedene regionale und lokale Aus-prägungen. Gemeinsam ist allen dieFaszination, die jährlich Millionen Zu-schauer und Aktive in ihrer Freizeit zuden Veranstaltungen lockt und somit ei-nen nicht zu unterschätzenden Wirt-schaftsfaktor darstellt.

GeschichteDer Ursprung der Fastnacht liegt imfrühen Mittelalter und nicht, wie hart-näckig behauptet, in der grauen Vorzeitunserer germanischen Vorfahren. Diechristliche Liturgie gibt dem Brauchtumseinen Namen, denn ebenso wie dieWeihnacht der Abend vor Christi Ge-burt ist, bezeichnet die Fastnacht ur-sprünglich den Abend vor Beginn derFastenzeit, also den Fastnachtsdienstag.

Während des Mittelalters brachte die40-tägige vorösterliche Fastenzeit einenradikalen Einschnitt in die Lebensge-wohnheiten des übrigen Jahres mit sich.Neben dem Genuss von Alkohol unddem Verzehr von Lebensmitteln, dievon warmblütigen Tieren stammen, warauch alles „Fleischliche“ während derFastenzeit verboten.

Die christliche Kirche nahm die kur-ze Zeitspanne der Ausgelassenheit vorder Fastenzeit zum Anlass, um denMenschen ihre Sündhaftigkeit vorzu-halten und die Fastenzeit als Chancezur inneren Umkehr darzustellen. Sinn-bildlich für das Lasterhafte, Sündhafteund Schwache im Menschen steht derNarr. Er hat einen entscheidenden Ein-fluss auf die heutige Ausprägung derFastnacht, denn er erlaubt es, für kurze

ten Angleichung von Kulturen einewichtige Rolle für den Erhalt des Fast-nachtsspiels, denn es wirkt als ein Aus-druck lokaler und regionaler Kulturidentitätsstiftend für den jeweiligenRaum.

Gerade dieser Aspekt wird von derorganisierten Brauchtumspflege immerwieder stark in den Vordergrund ge-rückt. Sie schreibt dort, wo das Brauch-tum einen hohen Organisationsgradvorweist, die Kostümierungen undBrauchabläufe bindend fest und ist da-her verantwortlich für den Erhalt derteils stark von einander abweichendenFeierformen in ganz Deutschland.

Regionale UnterschiedeDie Karte B zeigt anhand der in denRegionen Deutschlands unterschiedli-chen Namensgebungen die einzelnenAusprägungen der Fastnacht. Es gibtpraktisch keine Region, in der nicht zu-mindest kleinere Veranstaltungen wäh-rend der närrischen Zeit stattfinden. Dajedoch nur bestimmte Gebiete als Fast-nachtshochburgen zu bezeichnen sind,dient die Anzahl der Fastnachtsumzügepro Kreis als Indikator für die Fast-nachtsbegeisterung einer Region. Dabeiwird die sehr unterschiedliche Größeder Umzüge 1 allerdings nicht berück-sichtigt.

Für die Erstellung dieser Karte wur-den rund 1500 lokal bedeutsame Fast-nachtsumzüge recherchiert. Die Massie-rung dieser Veranstaltungen in Rhein-land-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und inBaden-Württemberg zeigt, dass sich hierdie Hochburgen der Fastnachtsfeierlich-keiten befinden.

In ihrer Ausprägung sehr ähnlich sindsich Fastnacht und Fasnacht in Rhein-land-Pfalz. Sie bezeichnen zusammenmit dem Karneval die rheinländischeBrauchtumskultur. Erwartungsgemäß istdie Anzahl der Umzüge im ursprüngli-chen Einzugsbereich dieses Brauchtums-komplexes am höchsten. Auch lassensich hier die bedeutendsten Einzelver-anstaltungen lokalisieren.

Aufgrund seiner Massenwirkung undVerbreitung in den Medien wurde derKarneval in Gebieten, denen es an eige-ner kontinuierlicher Fastnachtstraditionmangelt, einfach adaptiert. Dies giltauch für den Fasching in Ostdeutsch-land.

In den Karnevals- und Faschingsge-bieten kombinieren die Karnevalistenbestimmte Merkmale des Narren, wieetwa die Narrenkappe und die Marotte,oder sie verkleiden sich individuell,während in Süddeutschland die tradi-tionelle Ganzkörpervermummung mitHolzmaske starken Zulauf erfährt. Auchhat im Karneval und im Fasching dasSpiel mit der militärischen Uniformie-

Zeit in eine verkehrte Welt zu ent-schwinden und wieder zurückzukehren.Durch ihn wurde die Fastnacht seit demspäten Mittelalter zunehmend zu einemFest der Komik und des Klamauks.

Unter dem Einfluss der Reformationging das Gespür für den ursprünglichenBezugsrahmen allmählich verloren. Dieshatte zur Folge, dass vielerorts Fast-nachtsverbote ausgesprochen wurden.Außerdem war die Fastnacht zu diesemZeitpunkt kein Massenphänomen mehr,sondern wurde hauptsächlich von denstädtischen Handwerkerständen alsForm der Selbstdarstellung gepflegt.

Das Zeitalter der Romantik schließlichbrachte einen gewaltigen Aufschwung,der mit einigen Unterbrechungen bisheute anhält. In dieser Zeit war der ge-pflegte Frohsinn des rheinischen Karne-vals mit seinen Salonveranstaltungen,Bällen und Umzügen mit romantischenMotivwagen die populärste Form desFastnachtsbrauchs in ganz Deutschland.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wur-den in Südwestdeutschland die vorkar-nevalesken Fastnachtsfeierlichkeitenwiederbelebt. Man besann sich auf dieWurzeln des Fastnachtstreibens undschuf zahlreiche neue Fastnachtsfigurenin Anlehnung an die wenigen altenMasken und Kostüme, welche die Jahr-hunderte überdauert hatten.

FunktionBis heute entwickelte sich die Fastnachtzu einem Massen-Event, dessen Faszina-tion durch seine Ausprägung als sozialesRollenexperiment erklärt werden kann:In der kurzen, intensiven Zeit der Ko-stümierung scheinen soziale Schrankenund zwischenmenschliche Distanzenleicht aufgehoben werden zu können,denn Gestik, Sprache und Kleidungsind nicht als Ausdruck sozialer Her-kunft oder Intelligenz zu erkennen.Hinter der Maske und von der Bütt her-ab darf scherzhaft, aber doch treffend,jedem die Meinung gesagt werden. Esherrscht Narrenfreiheit. Konflikte undSorgen des Alltags werden außen vorgelassen, andererseits wird erhofft, einwenig aus der Fastnacht mit in den All-tag nehmen zu können.

Auch spielt das Motiv der Traditi-onspflege gerade in Zeiten der weltwei-

Die bekanntesten Rosenmontagsumzüge

Länge des ZugesLänge des ZugwegesVorbeimarschzeitWagenFußgruppenTeilnehmerZuschauer

ca. 6 km6,5 km3�3,5 h

9551

ca. 100001 � 2 Mio.

ca. 6,5 kmca. 7 km3�4 h150k. A.

ca. 9200ca. 450000

2,5 km6,5 kmca. 3 h

65100

6500ca. 1,5 Mio

3,5 km4,5 km3,5�4 h

8590

3500300000

Ort Köln Mainz Düsseldorf Aachen

Karneval: Carnelevamem (kirchenlateinische Bezeichnungfür die Fastenzeit) wurde scherzhaft zum italienischen „car-ne vale“ umgedeutet („Fleisch, leb wohl!“).

Fasching: Aus dem Mittelhochdeutschen „vast schang“,das Ausschenken des Fastentrunks, enstanden.

Fasnet: Aus der Dialektbezeichnung „Fastnaht“ für Nachtvor Beginn der Fastenzeit abgeleitet.

Zeitraum: Der Karneval beginnt bereits am 11.11. Dieshängt mit der alten Fastenzeit vor Weihnachten und derZahl 11 als Symbol für Unvollkommenheit zusammen. An-sonsten beginnt die Fastnacht mit Umzügen und Saalveran-staltungen am Dreikönigstag, dem 6. Januar.

Die hohen Tage: Die kurze Zeit der Straßenfastnacht. Siebeginnt am Donnerstag vor Aschermittwoch, der in Anleh-nung an das Aufbrauchen der tierischen Fettbestände „fet-ter“ oder „schmotziger“ Donnerstag genannt wird. Die Be-zeichnung „Weiberfastnacht“ geht auf einen alten Brauchzurück, der Frauen an diesem Tag besondere Rechte ein-räumte.

Der Fastnachtsmontag hat sich als Rosenmontag in nahe-zu allen Fastnachtsregionen durchgesetzt. Von der KölnerRosensonntagsgesellschaft, welche am Rosensonntag 1824(4. Fastensonntag) erstmals zusammentraf, um den Mon-tagsumzug im darauf folgenden Jahr zu organisieren, be-kam er seinen Namen.Das närrische Treiben endet in der Nacht vom Dienstag aufAschermittwoch, der eigentlichen Fastnacht, um 24.00Uhr. Die Fastnacht wird verbrannt, symbolische Rathaus-schlüssel werden zurückgegeben, und im schwäbischenRottweil beklagen sich die Narren: „O jerum, o jerum, dieFasnet hot a Loch...“.

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Dienstagsumzug in Villingen-Schwenningen

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61Fasnet – Fasching – Karneval

Bodensee

Anzahl der Umzüge pro Kreis

41-83

21-40

11-20

5-10

1- 4

Regionale Bezeichnungen

Fasching

Karneval

Faschingu. Karneval

Fasnet

Fasnacht

Fastnacht

Fastnacht u.Fasching

Faschingu.Fasnacht

Fasnachtu.Karneval

Schiffer-fastnacht

Rottweil Karnevalshochburg

Landeshauptstadt

Wasungen

Rottweil

Mainz

Köln

Aachen

Düsseldorf

Münster

Bonn

Kiel

Berlin

Potsdam

Magdeburg

DresdenErfurt

München

Stuttgart

Saarbrücken

Wiesbaden

Hannover

Bremen

Hamburg

Schwerin

Erfurt

Autor: T.Widmann

Fastnacht und Karneval 1999nach Kreisen

© Institut für Länderkunde, Leipzig 2000 Maßstab 1: 3750000

0 50 100 km7525

rung eine größere Bedeutung als imSüdwesten.

Das Gebiet der schwäbisch-alemanni-schen Fasnet mit ihren urtümlichenFeierformen, welche einst nur imäußersten Südwesten der Republik be-heimatet waren, scheint sich im Ver-gleich zu älteren Darstellungen weiternach Norden auszudehnen und nimmtnun fast das gesamte Baden-Württem-berg ein. Die Vielzahl der Umzüge inden Regionen Oberrhein, Schwarzwald,Baarhochfläche und Unterlauf des Nek-kars deuten auf den Ursprung in dieserRegion hin.

Wichtigste FeierformenAls Hauptformen der Fastnachtsfeier-lichkeiten lassen sich das spontane Fei-ern in den Straßen, organisierte Umzü-ge und Abendveranstaltungen in Sälenausmachen. Maskenbälle, Kappensit-zungen und andere fastnächtliche Saal-veranstaltungen sind wichtige Kompo-nenten des Brauchkomplexes. Bemer-kenswert ist die große Aufmerksamkeit,die verschiedene Sitzungen vorwiegenddes rheinischen Karnevals durch dasMedium Fernsehen erfahren. Allein derWestdeutsche Rundfunk sendete wäh-rend der Karnevalssaison 2000 rund 200Stunden lang von den Sitzungen undUmzügen. Die Popularität der Übertra-gungen ist darauf zurückzuführen, dassim Karneval mit Vorliebe gesellschafts-,welt- und nationalpolitische Themensatirisch behandelt werden. Bei derschwäbisch-alemannischen Fasnet wer-den hingegen eher die lokal bedeutsa-men Ereignisse des Jahres karikiert.

Während im Karneval und bei derFasnet die Umzüge eine sehr wichtigeRolle spielen, ist dieses Element im Fa-sching geringer ausgeprägt. Überhauptspielt beim Fasching das wenig organi-sierte, spontane Feiern auf den Straßenund in den Gasthäusern eine größereRolle.

Auch die Form der Umzüge ist vonRegion zu Region unterschiedlich.Während im rheinischen Karnevalprunkvolle Motivwagen das Bild beherr-schen, sind es in der schwäbisch-ale-mannischen Fasnet vorwiegend Fuß-gruppen, welche die Zuschauer mit ih-ren Späßen begeistern. Gemeinsam istden Umzügen, dass hierbei der Heische-brauch gepflegt wird, bei dem der Narrauf wechselseitiges Zurufen närrischerParolen, wie z. B. Kölle-Alaaf oder Nar-ri-Narro kleine Gaben in das Publikumwirft. Eine weitere Gemeinsamkeit derUmzüge ist die Mitwirkung verschiede-ner Musikkapellen, welche durch flotteMarschrhythmen für die musikalischeUntermalung sorgen.

Die Durchführung der Umzüge erfor-dert hohe organisatorische und finanzi-elle Anstrengungen. Von nicht zu un-terschätzender Bedeutung für dieDurchführung von Fastnachtsveranstal-tungen ist das Sponsoring durch lokalegewerbliche Betriebe. Neben finanziel-len Beihilfen werden technische Gerätewie z.B. Zugmaschinen für die Umzugs-wagen bereitgestellt, Hallen zum Bau

der Wagen vorgehalten oder Wurfmate-rial zur Verfügung gestellt.

Wirtschaftsfaktor FastnachtDie wirtschaftliche Bedeutung der Fast-nacht rückte nach dem golfkriegsbe-dingten Ausfall 1991 in das Bewusstseinder Öffentlichkeit. Nach einer Schät-zung des Bundes Deutscher Karneval

sorgt die Fastnacht jährlich für Milliar-denumsätze. Das Marktvolumen für dieKarnevalsausstattung sowie die zusätzli-chen Einnahmen von Dienstleisternund Unternehmen belaufen sich aufetwa 4,5 bis 5 Milliarden DM pro Jahr.Außerdem sichert der Karneval rund50.000 Vollzeitarbeitsplätze bei Orden-und Kostümherstellern sowie im Dienst-

leistungsbereich. Für die Fastnachts-hochburgen bedeutet das närrische Trei-ben eine touristische Attraktion.?

B