Feinheiten im Sonarsystem von Fledermäusen

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8 | Phys. Unserer Zeit | 1/2007 (38) www.phiuz.de © 2007 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim TREFFPUNKT FORSCHUNG | Anregungsenergie nicht ihren Be- stimmungsort erreicht. Durch die Möglichkeit, einen Energietransfer elektrisch zu manipu- lieren, erhält man an Hand dieser zwei gekoppelten Einheiten – ein einzelner Nanokristall und ein orga- nisches Farbstoffmolekül – eine Art optoelektronischen Schalter. Dieser stellt effektiv einen Feldeffektschalter auf molekularer Basis dar, der jedoch den Photonenfluss anstelle des üblichen Elektronenflusses steuert. Die Hoffnung ist nun, mit Hilfe solcher Elemente integrierte nano- photonische Schaltkreise aufzubau- en. Die Ankopplung mehrerer Farb- stoffmoleküle an einen einzelnen Nanokristall würde hier ganz neue Perspektiven zur Herstellung von optoelektronischen logischen Bauele- menten für die Digitaltechnik eröff- nen. Dies stellt einen weiteren Schritt in Richtung Integration elektrischer und optischer Elemente für die Computer von morgen dar. [1] K. Becker et al., Nature Materials 2006, 5, 777. Klaus Becker, John M.Lupton, Jochen Feldmann, LMU München BIONIK | Feinheiten im Sonarsystem von Fledermäusen Strukturen in den extrem faltigen Gesichtern von Fledermäusen können eine physikalische Funktion haben: Sie sind Teil des Sonarsystems, mit dem sich die Tiere orientieren. Numerische Verfahren zeigen, wie diese Strukturen die ausgesandten und empfangenen Ultraschallfelder beein- flussen. Wer schon einmal eine Fledermaus im Flug beobachtet hat, ist von der Gewandtheit fasziniert. Bekanntlich orientieren sich die Fledermäuse, indem sie Ultraschallpulse aussenden und die reflektierten Echos analysie- ren. In den vergangenen mindestens 50 Millionen Jahren hat die Evolution dieses Sonarsystem für erstaunliche Sinnesleistungen perfektioniert. Fledermäuse sind nicht nur Meister der Navigation im dreidimensionalen Raum, sie jagen auch einem breiten Beutespektrum nach, das von winzi- gen Moskitos und anderen Fluginsek- ten über Nektar und Früchte bis hin zu Landwirbeltieren, Fischen und Blut reicht. Bislang wurden diese Leistungen vor allem unter dem Gesichtspunkt der zugrundeliegenden Signalverar- beitung im Gehirn untersucht. Tatsächlich beginnt diese Verarbei- tung aber schon viel früher, mit der Beugung der Schallfelder beim Aussenden und Empfangen. Die herausragende Rolle dieser physikali- schen Signalverarbeitung steht den Tieren buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Dort finden sich zahlrei- che markante Strukturmerkmale wie Fortsätze, Verdickungen und Fur- chungen des Ohrrandes sowie anderer Gesichtsteile. Fledermäuse mit besonders ausgeklügelten Sonar- systemen emittieren ihre Ultraschall- pulse durch Nasenlöcher, die in bizarr geformte Fortsätze eingebettet sind. All diese Strukturmerkmale kommen als akustische Werkzeuge in Frage, deren potenzielle Funktionen und Wirkungsweisen aber noch weitgehend unerforscht sind. Die unregelmäßigen Strukturen der Fledermausgesichter liegen auf der Größenskala eng bei den Bioso- narwellenlängen. In dieser Situation eröffnen numerische Verfahren den besten Zugang zu den akustischen Vorgängen. Als Grundlage dafür dienen mikrotomographische Rekon- struktionen der Oberflächengeome- trie. Das Schallfeld in dem nahe umgebenden Luftvolumen lässt sich dann mit einem Finite-Elemente- Verfahren mit hoher räumlicher Auflösung modellieren (Abbil- dung 1). Der Nachteil dieses Verfahrens liegt in dem großen Bedarf an Com- puterressourcen, der einer Auswei- tung des Modells auf das Fernfeld entgegensteht. Zur Lösung dieses Problems kann das Finite-Elemente- Modell mit einem einfachen, auf dem Kirchhoff-Integral basierenden Projektionsverfahren kombiniert Abb. 1 Die Form des Nasenaufsat- zes der Hufeisen- nasen-Fledermaus Rhinolophus rouxi wurde auf eine Beeinflussung der Sonarpulsemis- sion hin unter- sucht. ABB. 1 | SCHALLWECHSELDRUCK Amplitude des Schallwechseldrucks im Umfeld des Nasenaufsatzes einer Hufeisennasen-Fledermaus für eine Frequenz von 60 kHz. Resonanzen führen zu lokalen Amplitudenmaxima (Pfeile).

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T R E F F P U N K T FO R SC H U N G |

Anregungsenergie nicht ihren Be-stimmungsort erreicht.

Durch die Möglichkeit, einenEnergietransfer elektrisch zu manipu-lieren, erhält man an Hand dieserzwei gekoppelten Einheiten – eineinzelner Nanokristall und ein orga-nisches Farbstoffmolekül – eine Artoptoelektronischen Schalter. Dieserstellt effektiv einen Feldeffektschalter

auf molekularer Basis dar, der jedochden Photonenfluss anstelle desüblichen Elektronenflusses steuert.Die Hoffnung ist nun, mit Hilfesolcher Elemente integrierte nano-photonische Schaltkreise aufzubau-en. Die Ankopplung mehrerer Farb-stoffmoleküle an einen einzelnenNanokristall würde hier ganz neuePerspektiven zur Herstellung von

optoelektronischen logischen Bauele-menten für die Digitaltechnik eröff-nen. Dies stellt einen weiterenSchritt in Richtung Integrationelektrischer und optischer Elementefür die Computer von morgen dar.[1] K. Becker et al., Nature Materials 22000066, 5,

777.

Klaus Becker, John M. Lupton,Jochen Feldmann, LMU München

B I O N I K |Feinheiten im Sonarsystemvon Fledermäusen

Strukturen in den extrem faltigen Gesichtern von Fledermäusen könneneine physikalische Funktion haben: Sie sind Teil des Sonarsystems, mitdem sich die Tiere orientieren. Numerische Verfahren zeigen, wie dieseStrukturen die ausgesandten und empfangenen Ultraschallfelder beein-flussen.

Wer schon einmal eine Fledermausim Flug beobachtet hat, ist von derGewandtheit fasziniert. Bekanntlichorientieren sich die Fledermäuse,indem sie Ultraschallpulse aussendenund die reflektierten Echos analysie-ren. In den vergangenen mindestens50 Millionen Jahren hat die Evolutiondieses Sonarsystem für erstaunlicheSinnesleistungen perfektioniert.Fledermäuse sind nicht nur Meisterder Navigation im dreidimensionalenRaum, sie jagen auch einem breitenBeutespektrum nach, das von winzi-gen Moskitos und anderen Fluginsek-

ten über Nektar und Früchte bis hinzu Landwirbeltieren, Fischen undBlut reicht.

Bislang wurden diese Leistungenvor allem unter dem Gesichtspunktder zugrundeliegenden Signalverar-beitung im Gehirn untersucht.Tatsächlich beginnt diese Verarbei-tung aber schon viel früher, mit derBeugung der Schallfelder beimAussenden und Empfangen. Dieherausragende Rolle dieser physikali-schen Signalverarbeitung steht denTieren buchstäblich ins Gesichtgeschrieben: Dort finden sich zahlrei-che markante Strukturmerkmale wieFortsätze, Verdickungen und Fur-chungen des Ohrrandes sowieanderer Gesichtsteile. Fledermäusemit besonders ausgeklügelten Sonar-systemen emittieren ihre Ultraschall-pulse durch Nasenlöcher, die inbizarr geformte Fortsätze eingebettetsind. All diese Strukturmerkmalekommen als akustische Werkzeuge inFrage, deren potenzielle Funktionenund Wirkungsweisen aber nochweitgehend unerforscht sind.

Die unregelmäßigen Strukturender Fledermausgesichter liegen aufder Größenskala eng bei den Bioso-narwellenlängen. In dieser Situation

eröffnen numerische Verfahren denbesten Zugang zu den akustischenVorgängen. Als Grundlage dafürdienen mikrotomographische Rekon-struktionen der Oberflächengeome-trie. Das Schallfeld in dem naheumgebenden Luftvolumen lässt sichdann mit einem Finite-Elemente-Verfahren mit hoher räumlicherAuflösung modellieren (Abbil-dung 1).

Der Nachteil dieses Verfahrensliegt in dem großen Bedarf an Com-puterressourcen, der einer Auswei-tung des Modells auf das Fernfeldentgegensteht. Zur Lösung diesesProblems kann das Finite-Elemente-Modell mit einem einfachen, auf demKirchhoff-Integral basierendenProjektionsverfahren kombiniert

Abb. 1 Die Formdes Nasenaufsat-zes der Hufeisen-nasen-Fledermaus Rhinolophus rouxiwurde auf eineBeeinflussung derSonarpulsemis-sion hin unter-sucht.

ABB . 1 | SCHALLWECHSELDRUCK

Amplitude des Schallwechseldrucks imUmfeld des Nasenaufsatzes einerHufeisennasen-Fledermaus für eineFrequenz von 60 kHz. Resonanzenführen zu lokalen Amplitudenmaxima(Pfeile).

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werden. Dieses bildet die wesentlicheinfachere Schallausbreitung imFreifeld nach [1, 2, 3].

Unsere ersten numerischenAnalysen der Nasen und Ohren vonFledermäusen haben gezeigt, dass dieTiere über ungewöhnliche Richtcha-rakteristiken verfügen, die sehr starkvon technischen Lösungen abwei-chen. Die Biosonarpulse aller Fleder-mäuse sind frequenzmodulierteSignale, die Frequenzbänder unter-schiedlicher Breite abdecken. Ange-trieben von der stetig wechselndenTrägerfrequenz des Signals innerhalbeines Pulses ändert sich auch dieSchallkeule der Tiere (unter derSchallkeule versteht man den Raum-bereich, in dem der Schalldruck desSonarpulses oder die Sensitivität desOhres einen gegeben Schwellenwertüberschreitet). Charakteristisch sinddabei Verschwenkungen und Verfor-mungen [2] sowie die Ausformungvon großen, asymmetrischen Seiten-keulen [3].

Mit Hilfe der digitalen Struktur-modelle ließen sich Kausalzusam-menhänge zwischen Merkmalen derRichtcharakteristik und Gesichts-strukturen untersuchen. DieseStudien haben gezeigt, dass Fortsätzeam Ohrrand durch Phasenverzöge-rungen Seitenkeulen hervorbringenkönnen [3]. Furchen in Nasenaufsät-zen können als halboffene Resonanz-räume wirken und als sekundäreSchallquellen den Öffnungswinkelder Schallkeule für bestimmte Fre-quenzen erweitern (Abbildung 2,[1]). Dies ermöglicht es den Fleder-mäusen auf sehr elegante, ausschließ-lich akustische Weise, gleichzeitigeinen engen und einen weiten Aus-schnitt ihrer Umgebung zu sehen.Ob und wie diese Fähigkeit von denTieren eingesetzt wird, müssen bio-logische Experimente zeigen.

Die Eigenschaften und Funktions-prinzipien von Fledermausgesichternkönnten in der Zukunft bei techni-schen Sende- und Empfangssystemen– sowohl für Ultraschall als auch fürelektromagnetische Wellen, etwa inder drahtlosen Kommunikationstech-nik – Anwendung finden. Die Suche

nach dafür nutzbaren Konstruktions-regeln ist derzeit Gegenstand des vonder Europäischen Union gefördertenForschungsprojekts CILIA [4].

Literatur und Internet[1] Q. Zhuang, R. Müller, Phys. Rev. Lett. 22000066,

97, 218701. [2] R. Müller et al., J. Acoust. Soc. Am. 22000066,

119, 4083. [3] R. Müller, J. Acoust. Soc. Am. 22000044, 116,

3701. [4] www.cilia-bionics.org

Rolf Müller, Shandong-Universität,Jinan, China

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Schallkeulen (dargestellt durch Grenzflächen gleichen Schall-drucks) im Fernfeld einer Hufeisennasen-Fledermaus für dieFrequenzen 60, 65, 70, 75, und 80 kHz (Farbkodierung vonBlau nach Orange). Der vertikale Öffnungswinkel für 60 kHz(blau) ist bei offenen Nasenaufsatzfurchen (oben) wesentlichweiter als bei geschlossenen (unten).

N EU T R I N O PH YS I K |KATRIN unterwegs

Ende November erhielt das Forschungszentrum Karlsruhe eine außer-gewöhnlich voluminöse Fracht: Das Hauptspektrometer des KarlsruherTritium Neutrino Experimentes KATRIN. Gebaut wurde es im bayeri-schen Deggendorf. Doch wegen der gewaltigen Länge von 24 Metern,einem Durchmesser von 10 Metern und einem Gewicht von 200 Tonnenkam der Transport über Land nicht in Frage. Stattdessen ging das Spek-trometer auf eine 8800 km lange Reise.

Auf der Donau wurde es zumSchwarzen Meer transportiert, dortumgeladen und per Hochseeschiffüber Bosporus, Ägäis, Ionisches Meer,Mittelmeer, Gibraltar, Atlantik, Golfvon Biskaya, Ärmelkanal, Nordseenach Antwerpen gebracht. Nacherneutem Umladen gelangte dasSpektrometer per Rheinschiff nachEggenstein-Leopoldshafen. Dortwurde es mit Hilfe des größtenmobilen Schwerlastkrans in Europaauf zwei nebeneinander stehendeTieflader verladen. Erst dann beganndie größte logistische Herausforde-rung der Reise: die letzten siebenKilometer bis zum Forschungszen-trum, bei der der Fahrer den LKWzentimetergenau lenken musste.

Mit dem insgesamt 75 m langenExperiment KATRIN wollen dieKarlsruher Forscher die Masse desElektron-Neutrinos bestimmen,indem sie den Beta-Zerfall vonTritium mit bislang unerreichter

Genauigkeit messen. Die aus Vorgän-gerexperimenten abgeleitete Ober-grenze für die Ruhemasse desElektron-Neutrinos liegt bei 2,3 eV.KATRIN soll diese Grenze bis auf 0,2eV verringern. Der Aufbau wird 2009abgeschlossen sein, das Experimentläuft anschließend mehrere Jahrelang.

www-ik.fzk.de/~katrin

TB

Abb.1 GroßerBahnhof für diedicke KATRIN aufdem Weg zumForschungszen-trum Karlsruhe.

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