Felix Klieser - Fußnoten · Oder, dass ich beim BieneMajaGucken aus Versehen auf die Fernbedienung...

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felix klieser mit céline lauer Fuß noten Ein Hornist ohne Arme erobert die Welt

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f e l i x k l i e s e rm i t c é l i n e l a u e r

FußnotenEin Hornist ohne Arme erobert die Welt

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»Ich bin von Beruf nicht armlos,

ich bin Hornist!«Felix Klieser

© M a i k e H e l b i g

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Vierjährige können ganz schön stur sein. Zum Glück. Wäre ich

damals weniger dickköpfig gewesen, würde ich heute wahr­

scheinlich kein Horn spielen, sondern Xylophon. Denn das war das

erste Instrument, mit dem ich in Berührung kam – gezwungener­

maßen. Man kann es den Leuten von der Göttinger Musikschule

allerdings nicht verdenken, dass sie mir zuerst andere Instrumente

schmackhaft machen wollten. Vierjährige sollten eigentlich kein

Horn spielen; dazu sind sie einfach noch zu klein. Ein Kind hat in der

Regel erst mit neun oder zehn Jahren genügend Kraft, Ausdauer und

bleibende Zähne im Gebiss, um diesem kapriziösen Instrument echte

Klänge zu entlocken – und nicht nur ein paar gequälte Kiekser. So

gesehen, ergibt ein Xylophon durchaus mehr Sinn. Und mag ja auch

sein, dass diese Masche bei anderen Vierjährigen zieht. Nur bei mir

tat sie das eben nicht. Als die Leiterin der Musikschule den Filzschle­

gel nahm, auf das Xylophon hämmerte und dabei »Guck mal, Felix,

wie toll!« zwitscherte, schaute ich auf das klimpernde Ding vor mei­

ner Nase und sagte schlicht: »Nee.« Ich wollte kein Holzbrett mit

Stäbchen. Ich wollte ein Horn.

Es bleibt bis heute ein Rätsel, wie ich ausgerechnet auf dieses In­

strument gekommen bin. Kaum eine Frage wurde mir in meiner Kar­

riere öfter gestellt – und das war in den vergangenen neunzehn Jahren

wirklich sehr oft. Eine originelle Antwort wäre da manchmal ganz

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nützlich, um das ständige Nachbohren abzuwürgen. Etwa, dass mein

Urgroßvater mütterlicherseits oberster Bläser der kaiserlichen Kapelle

war. Oder, dass ich beim Biene­Maja­Gucken aus Versehen auf die

Fernbedienung gedrückt habe und bei einem Klassikkonzert gelandet

bin. Mitten im Horn­Solo, natürlich. Irgendetwas in der Art eben, eine

einleuchtende Erklärung dafür, weshalb ein Hosenmatz plötzlich in

ein goldglänzendes, gebogenes Stück Blech blasen will, das um einiges

größer und fast so schwer ist wie sein Kopf. Tatsache aber bleibt: Ich

weiß es einfach nicht. Auch meine Eltern haben schon stundenlang

gegrübelt; ohne Erfolg. Von einer Fernsehsendung wüssten sie jeden­

falls nicht, und in einem Konzert kann ich damals auch nicht gewesen

sein. Abgesehen von den spärlichen Versuchen meiner Mutter, die zu

Schulzeiten ein bisschen Blockflöte spielte, ist meine Familie komplett

unmusikalisch. Und wer höchstens mal die Euro visions­Hymne nach­

pfeift, kommt sicher nicht auf die Idee, dem Junior ein Horn ins Ohr zu

setzen. Noch dazu, wo die wenigsten Menschen eine konkrete Vorstel­

lung von diesem exotischen Instrument haben – und bei Hörnerklang

höchstens an Postkutschen oder Jäger denken. Ob ich mit meinen vier

Jahren wohl ein anderes, konkretes Bild im Kopf hatte? Wahrschein­

lich schon. Als ich mich an einem Nachmittag im Herbst 1995 vor mei­

ner Mutter aufbaute, wusste ich jedenfalls ganz genau, was ich zu

sagen hatte: »Mama, ich will Horn spielen!«

Man muss dazu wissen, dass ich ein eher wortkarges Kind war.

Nicht, weil ich es nicht besser konnte, sondern weil ich es einfach

nicht einsah, viel zu reden. Sprache diente meiner Ansicht nach dazu,

die nötigsten Dinge zu übermitteln, und fertig. Sicher hatte ich auch

meine gesprächigen Momente; unter dem Weihnachtsbaum etwa

oder an meinen Geburtstagen wurde ich jedes Mal äußerst mitteil­

sam. Das restliche Jahr über blieben Gespräche mit mir aber eher

funktionaler Natur:

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»Felix, was willst du haben?«

»Pommes.«

»Und, schmeckt es dir denn auch?«

»Ja.«

Wie gesagt: Ich war ein ziemlich trockenes Kind. Aber wenn ich

mich mal äußerte, war das selten nur Geplapper, wie es mit vier Jah­

ren sonst häufiger der Fall ist. Als ich deshalb plötzlich mit der Horn­

idee vor meiner Mutter stand, war klar: Ich meine das völlig ernst.

Meine Mutter stellte meiner Erziehung von Beginn an ein Credo

voran. Es lautete: bedingungslose Unterstützung. Ganz egal, wonach

mir der Sinn stünde, sie würde mich alles tun lassen – und selbst alles

dafür tun. Sätze wie »Das geht nicht« oder »Das kannst du nicht«

habe ich in meinem ganzen Leben kein einziges Mal von ihr gehört.

Auch an jenem Tag nicht. Stattdessen griff meine Mutter, die selbst

kaum wusste, wo, wie oder was genau ein Horn ist, zum Telefon und

machte mit der Musikschule einen Termin für ihren plötzlich horn­

bekloppten Sohn aus.

In Göttingen gibt es zwei Musikschulen. Einige Tage nach dem

Telefonat, an einem Nachmittag im Spätherbst 1995, holte mich meine

Mutter aus dem Kindergarten ab und fuhr mit mir zu jenem Institut,

das in einem etwas abgelegenen Teil der Innenstadt liegt; ein älteres

Gebäude zwischen Schuhgeschäft und Supermarkt, mit kleinem Gar­

ten draußen und großer Holztreppe drinnen, die unter den Füßen

knarrte, als wir zusammen in den ersten Stock stiegen. Der Emp­

fangsraum ähnelte einer heimeligen Mischung aus Bastelwerkstatt

und Spielzimmer: selbstgemalte Bilder an den Wänden, Kastanien­

männchen auf der Fensterbank, ein Korb mit Puppen und Bauklötzen

in der Ecke. Jeder Lehrer hatte seinen eigenen Raum, der Gitarrenleh­

rer, der Klavierlehrer und natürlich auch der Hornlehrer, der zudem

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auch Trompete und Blockflöte unterrichtete. Die Musikschulleiterin

führte uns in sein Zimmer; es war nahezu leer bis auf ein kleines, ält­

liches Klavier und ein Sofa. Mittendrin stand mein Lehrer, ein Hüne

mit kahlem Kopf und großen Händen, dessen Pullover sich über sei­

nem beachtlichen Bauch spannte; freundlich und ruhig brummend

wie ein großer, gemütlicher Bär. Die Musikschulleiterin stellte uns

vor und machte sich dann unter meinem skeptischen Blick an dem

Xylophon zu schaffen.

Vielleicht war es ungewöhnlich, dass sich gleich zwei Lehrende um

mich bemühten; allerdings war ich ja auch kein gewöhnlicher Fall –

und damit meine ich nicht, dass ich keine Arme habe. Das war kein

Thema; meine Mutter hatte mein Handicap zuvor auch gar nicht erst

erwähnt. Die meisten Menschen glauben, dass ich ständig mit Reak­

tionen und Fragen konfrontiert werde, sobald ich zum ersten Mal

irgendwo auftauche. Tatsächlich ist das bei 99 Prozent der Begegnung ­

en nicht der Fall. Meine Erfahrung zeigt vielmehr: Die meisten Leute

denken sich ihren Teil, aber sie reden nicht darüber. Mit meinem jet­

zigen Hornlehrer beispielsweise arbeite ich schon seit sieben Jahren

zusammen – über meine Armlosigkeit haben wir bis heute noch nicht

ein einziges Wort verloren.

Ähnlich war es an jenem Nachmittag in der Musikschule. Ich galt

deshalb als ungewöhnlicher Fall, weil ich mir mit meinen vier Jahren

nun mal das Hornspielen in den Kopf gesetzt hatte – und, wie die

Xylophon­Episode dann sehr schnell zeigte, auch nicht davon abzu­

bringen war. Doch die Musikschulleiterin wollte sich nicht so schnell

geschlagen geben. Sie packte das nächste Instrument aus: ein verbeul­

tes Posthorn ohne Ventile und mit fettem Mundstück. »Komm, magst

du das mal versuchen?«, ermunterte mich die nette Frau. Ich setzte

mich also auf den Boden, nahm das Ding mit dem Fuß und trötete

hinein. Das, was am anderen Ende herauskam, ließ sich nicht so ganz

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als Ton bezeichnen, aber zumindest war es ein Klang, und die drei

Erwachsenen – meine Mutter hatte mich natürlich begleitet – schie­

nen damit auch ganz einverstanden zu sein.

Ich war es überhaupt nicht. Noch heute erinnere ich mich daran,

wie ich entrüstet mit dieser blöden Tröte dasaß und dachte: »Ich bin

vielleicht vier, aber ich bin nicht doof.« Anscheinend habe ich meinen

Unmut damals auch deutlich kommuniziert. Das Posthorn jedenfalls

verschwand wieder in einer Ecke. Stattdessen griff der Hornlehrer

nach einer Tasche und holte etwas anderes hervor: ein einfaches

B­Horn für Erwachsene, mit Ventilen und ganz normalem Mund­

stück. Ein richtiges Horn eben. Er hockte sich vor mich und stellte das

Instrument auf den Boden: »Okay, Felix, so könnte das funktionieren.

Mach doch mal.« Ich setzte die Lippen an das Mundstück, pustete

rein und – es kam ein Ton heraus. Nicht sauber und klar, sondern zag­

haft und wackelig, aber: ein Ton. Mein allererster Ton auf einem Horn!

Auf seine Anweisung hin setzte ich die Lippen noch mal an, änderte

ein bisschen die Position, und auf den ersten Ton folgte ein zweiter.

Ähnlich zittrig und verkorkst, aber es war noch ein Ton – und noch

dazu ein anderer. Mein Lehrer richtete sich schnaufend auf und sah

mich an: »Gut«, sagte er, »dann lernt Felix eben Horn.« Und ich? Ich

war restlos zufrieden.

Fünf Minuten Horn sollte ich am Tag üben. Das klingt bequem,

selbst für ein Kindergartenkind. Aber um diesem Instrument erst

einmal einen vernünftigen Ton zu entlocken, braucht es gefühlte

Ewigkeiten. Schließlich kann man nicht wie bei einem Klavier ein­

fach eine Taste drücken, und pling, schon erschallt der gewünschte

Ton. Die Dinge – oder besser: die Naturtöne – liegen hier etwas kom­

plizierter.

Simpel gesagt, puste ich beim Hornspielen Luft durch meinen

Mund und bringe so meine Lippen, je nach Position und Anspannung,

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zum Schwingen – das »Brrrrr«­Geräusch kennen schon kleine Kinder

vom Bobbycar­Fahren. Diese Schwingung wird durch das Instrument

verstärkt und verschönert. Fertig ist ein sogenannter »Naturton«.

Das eigentliche Problem besteht nun darin, dass ein Hornist versu­

chen muss, unter all den Tönen der Naturtonreihe mit seiner Muskel­

spannung genau den richtigen zu treffen. Gerade im hohen Bereich,

wo diese Töne sehr dicht nebeneinanderliegen, fällt das schwer. Diese

Fehleranfälligkeit hat auch viel mit der Konstruktion des Instrumen­

tes zu tun. Anders gesagt: Auf die Länge kommt es an. Wenn man so

ein kreisförmiges Ding mit Trichter aufbiegen und ausrollen würde,

kämen knapp vier Meter Blechwurst dabei heraus. Auch deshalb lie­

gen die Naturtöne beim Horn relativ ungünstig zueinander – und

wenn man nicht aufpasst, erwischt man schnell einen falschen,

unsauberen Ton. Das ist dann ein »Kiekser«, wie es in der Branche

heißt. Eine Art musikalischer Wackelkontakt, manchmal ganz lustig,

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meist eher weniger – nicht umsonst denkt man bei »kieksen« an

Stimmbruch; eine gewisse Ähnlichkeit lässt sich nicht leugnen. Wo

wir gerade bei Begriffen sind: Die Hornisten haben ihrem Instrument

wegen seines divenhaften Charakters auch einen Spitznamen ver­

passt. Wir nennen es liebevoll »Glücksspirale«.

Einem Fünfjährigen kann man die Bedeutung von Naturtönen

und Obertonreihen nur sehr eingeschränkt erklären. Aber man kann

mit ihm üben. Deshalb setzte ich mich jeden Tage mit meiner Mutter

ins Kinderzimmer, neben das Hochbett mit dem rot­grünen Stoffvor­

hang, hinter dem meine Spielsachen und meine beachtliche Benja­

min­Blümchen­Kassettensammlung versteckt waren. Das Spielzeug

faszinierte mich meist mehr als mein Horn. Besonders die Kassetten­

bänder, die ich immer auseinandernahm, um sie dann wieder zum

Klingen zu bringen – eine Lieblingsbeschäftigung, die naturgemäß

immer mit viel Bandsalat und wenig Erfolg endete. Ironischerweise

ging es bei meinem Horn dann ebenfalls um das Erzeugen von Klän­

gen, ohne Bandsalat zwar, aber zunächst genauso erfolglos. Meine

Mutter setzte sich zu Beginn neben mich und kontrollierte, ob ich

mein Instrument richtig hielt und blies. Und wenn nötig, sagte sie

auch mal ganz lieb: »Na, Felix, das war jetzt aber kein richtiger Ton.«

Das war ziemlich oft der Fall. Horn üben ist ein bisschen so, als

würde man eine Strickleiter erklimmen: Man fängt an mit einem

Ton, auf unterster Stufe. Wenn dort nichts mehr schwankt und man

sich einigermaßen sicher fühlt, folgt der nächsthöhere Ton, und

danach der dritte. Wenn man das kann, übt man klettern: Die Töne

müssen ohne Hängen und Zittern hintereinander geschafft werden,

eins, zwei, drei, und dann wieder zurück, drei, zwei, eins. Bis ich das

alles wackelfrei schaffte, dauerte es fast ein Dreivierteljahr.

Das mag an meinem Alter gelegen haben. Wahrscheinlich aber

auch an meiner Motivation, denn die war zu Beginn mindestens so

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kapriziös wie mein Instrument. Es gab Tage, da setzte ich mich frei­

willig vor mein Hochbett, und Tage, an denen ich viel Besseres im

Kopf hatte. Meine Carrerabahn heiß laufen lassen, Klingelstreiche

spielen oder die Nachbarskinder mit einem Wasserschlauch nass

spritzen, zum Beispiel. Ich war ein typisches »Draußen­Kind«, stän­

dig in Bewegung und in unserem Wohnviertel unterwegs; Stillsitzen

zählte da nicht unbedingt zu meinen Stärken. (Der Wahrheit halber:

Tut es immer noch nicht.) Manche Leute glauben, ich müsse ein klei­

ner Streber gewesen sein, dem das Horn in die Wiege gelegt wurde

und der täglich bis zum letzten Japser übte. Aber wie schon erwähnt,

geht Letzteres rein körperlich gar nicht. Und abgesehen davon tat

ich meist lieber, was man als Fünfjähriger eben so tut. Der richtige,

brutale Ehrgeiz, es zum Profimusiker zu schaffen, packte mich erst

ein ganzes Jahrzehnt später. Bis dahin mochte ich das Horn ganz

gerne, aber es hatte in dem Alter noch nicht dieselbe Priorität wie das

ferngesteuerte Auto oder die Modelleisenbahn. Und auch mein

Musiklehrer ähnelte ganz sicher mehr dem Li­La­Launebär als einem

Drillinstructor. Von daher: Ein Wunderkind war ich ganz sicher

nicht.

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Interview

Die Lektorin Heike Hermann im Gespräch mit Felix Klieser

Sie gehen sehr locker und humorvoll mit Ihrem Handicap, dass Sie ohne

Arme geboren wurden, um. Wie sind Sie zu dieser positiven Lebensein-

stellung gekommen?

Eigentlich bin ich zu dieser Einstellung nicht wirklich gekommen. Ich

glaube, ich war schon immer so. Ich bin wahrscheinlich einfach nur

ein quirliger Typ, der gerne seine Scherze macht.

Man könnte fast meinen, dass Arme überbewertet werden, wenn man Ihre

Geschichte liest. Ist das so?

Wollen Sie jetzt eine wissenschaftlich fundierte Antwort haben

(lacht)? Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht. Schließ­

lich hatte ich noch nie welche. Nee, mal ganz im Ernst. Ich bin schon

davon überzeugt, dass jeder Körperteil seine Berechtigung hat. Wie

wichtig jedoch ein Körperteil für den Einzelnen ist, ist ja auch immer

Geschmackssache. Für mich zum Beispiel sind Ohren recht wichtig!

Sie sind ein weltweit anerkannter Hornist. Was lieben Sie an Ihrem Instru-

ment?

Ich liebe die Klangvielfalt, die dieses Instrument hat. Kaum ein ande­

res Instrument kann so sehr die Farben wechseln wie das Horn. Ein

Horn bei Mozart klingt ganz anders als das Horn bei Schumann oder

Strauss. Darin liegt auch der Reiz für mich, dieses Instrument zu spie­

len. Unterschiedliche Stimmungen zu kreieren.

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Wie reagiert die Musikwelt und die Klassikszene darauf, dass Sie Ihr Instru-

ment mit den Füßen spielen?

Ach Gott, eigentlich recht normal. Ich meine, wenn man keine Arme

hat, sind Füße doch das Naheliegendste, oder? Die Musikwelt ist

natürlich eine recht harte. Man ist sofort international, was die Kon­

kurrenz angeht. Der Leistungsgedanke ist enorm präsent. Zudem

muss man seine eigene Linie finden. Man muss lernen sich durchzu­

setzen und zu seiner Meinung stehen. Sonst kann man in dieser Welt

schnell untergehen.

Was machen Sie, wenn Sie kein Horn spielen?

Ich habe jetzt kein spezielles Hobby wie Kegeln oder eine Modell­

eisenbahn im Keller. Wenn ich frei habe, treffe ich mich viel mit

Freunden und unternehme was mit denen.

Ein klassisches Hobby ist natürlich schwer zu finden, da ich vom Prin­

zip her jeden Tag arbeiten muss. Selbst wenn ich in den Urlaub fahre,

spiele ich rund eine Stunde pro Tag, damit die Muskulatur sich nicht

zu sehr zurückbildet.

Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?

Ich bin kein Mensch, der seine Karriere am Reißbrett plant. Es läuft

gerade alles sehr gut. Ich bekomme immer mehr Einladungen von

renommierten Dirigenten und Orchestern und nehme mein zweites

Album auf. Außerdem kann man das alles schwer planen. Neulich

zum Beispiel habe ich eine Einladung nach Taipeh bekommen, wo ich

im nächsten Jahr mit dem Taipei Chinese Orchestra ein Hornkonzert

von Mozart spielen soll. Das Besondere an dem Orchester ist, es

besteht aus traditionellen chinesischen Instrumenten. Das wird

bestimmt total verrückt! Aber genau das liebe ich an meinem Beruf.

Dass ich heute noch nicht weiß, was morgen kommt.

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»Felix Klieser ist ein heller Kopf. Man hat im

Fernsehen bereits hören können, wie schlagfertig,

witzig, uneitel, kenntnisreich und einfach er über

Musik spricht – und über sich selbst.«

F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E Z E I T U N G

Jan Brachmann, 15.11.2013

»Felix Klieser ist ein exzellenter Hornist und eine

fesselnde musikalische Persönlichkeit.«

K L A S S I K ­ H E U T E . D E

Michael B., 16.10.2013

»... mit Felix Klieser wächst hier offensichtlich ein

Hornsolist heran, der völlig unabhängig von

seinem körperlichen Handicap ein ganz Großer

seiner Zunft werden kann.«

hr2­ K U L T U R

Martin Kersten, 13.9.2013

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Céline Lauer, geboren 1989 im Saarland, volontierte an der Axel-Springer-Akademie und schreibt unter anderem für DIE WELT, WELT am Sonntag und ZEIT Online. Die Journalistin hält Seminare zu den Themen Social Media und digitales Storytelling, unter anderem beim ZDF, und studiert Europäische Ethnologie und Sozialwissenschaften. Sie lebt in Berlin.

· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·Felix Klieser mit Céline LauerFußnoten Ein Hornist ohne Armeerobert die Welt· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·Format 14 × 22 cmca. 160 SeitenHardcover mit Schutzumschlagca. € 17,99 [D]€ 18,50 [A]sfr 25,90ISBN 978-3-8436-0477-2WGS 1 481· · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · ·Erscheint im August 2014

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Peter ist ein seltsamer Junge. Wenn er sich freut,

flattert er mit den Armen, wie ein Vogel. In der

Schule beißt er seine Mitschüler, weil er sich

mehr durchbeißen soll. Und zu Hause studiert er

Landkarten, Vulkane und Planeten, nachdem er mit

drei Jahren begonnen hat, sich selbst Lesen und

Schreiben beizubringen.

Peter Schmidts Erzählungen über seine Kindheit

mit Asperger-Syndrom sind faszinierend und

einzigartig. Denn er kann sich nicht nur an jedes

Detail seiner Kindheit erinnern, sondern sogar an

die Stunden seiner Geburt!

Ein außerirdisches Lesevergnügen!

D R . P E T E R S C H M I D T ist promo-vierter Geophysiker und IT -Experte. Seine Leidenschaft gilt Vulkanen, Wüsten und Planeten. Erst mit 41 Jah-ren entdeckte er durch einen Zufall, dass er ein Autist mit ausgeprägtem Asperger -Syndrom ist. In den Berei-chen Mathematik und Naturwissen-schaften ist er hochbegabt, mensch-liche Kommunikation hingegen ist ihm oft ein Rätsel. Mit seiner Frau und seinen zwei Kindern lebt er in Gadenstedt im Peiner Land. Sein erstes Buch Ein Kaktus zum Valentins-tag wurde zum Bestseller.

www.dr-peter-schmidt.de

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u ms c h l agg e s t a lt u ng: f i n k e n & bu m i l l e r , s t u t t g a r t

www.patmos.deDIE SE S P RO DU K T W U R DE IN DEU TSCH L A N D H ERGE ST EL LTISBN 978-3-8436-0390-4

»Mein Lieblingsplanet ist der Saturn, weil er als einziger diese schall-platten artigen Ringe und viele Monde hat. Zu dieser Welt fühle ich mich irgendwarum hingezogen. Mein Bett wird zu meinem Raum-schiff, mit dem ich ungestört jeden Abend aufbrechen kann, zurück in meine Welt. Jeden Morgen werde ich pünktlich wieder auf der Erde sein, um zur Schule zu gehen. Um hier mein Gastdasein zu führen. Als Bot-schafter einer fernen Welt, die hier auf der Erde eine kleine Kolonie hat. Ich bin keiner von denen auf der Erde. Ich komme woanders her. Die Erde ist ein fremder Planet für mich.«

P E T E R S C H M I D T

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FußnotenEin Hornist ohne Arme erobert die Welt

»Ein grandioses Buch!«

thorSten otto in Bayern 3 über »ein KaKtus zum Valentinstag«

»Ein faszinierendes wortgewaltiges Buch über

einen sympathischen Außenseiter.«

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»Felix Klieser ist ein heller Kopf. Man hat im

Fernsehen bereits hören können, wie schlagfertig,

witzig, uneitel, kenntnisreich und einfach er über

Musik spricht – und über sich selbst.«

fr ankfurter allgemeine zeitung

Jan Brachmann

»Felix Klieser ist ein exzellenter Hornist und eine

fesselnde musikalische Persönlichkeit.«

klassik-heute.de

Michael B.

»Der Junge kann was. Felix Klieser offenbart mit seinen

22 Jahren ganz erstaunliche Fähigkeiten

am Horn. Sehr überraschend ist dann aber doch

zu er fahren, dass dieser außerordentlich talentierte

Musiker ohne Arme auf die Welt gekommen ist …«

a achener zeitung/nachrichten

Armin Kaumanns

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Ausgerechnet Horn!Als Vierjähriger verkündet Felix Klieser wie aus dem Nichts

seinen Eltern: »Ich will ein Horn!« Den Vorschlag der heimischen

Musikschule, es doch lieber mit Blockflöte oder Xylophon zu pro­

bieren, lehnt der kleine Felix ab. Nichts anderes als ein Horn soll es

sein! Dabei bringt Felix für dieses Instrument die schlechtesten

Voraus setzungen mit, die man sich denken kann: Er wurde ohne

Arme geboren. Doch Felix nimmt Unterricht und übt wie ein

Besessener. Und er hat Erfolg. Heute ist er einer der weltbesten

Hornisten und hat Auftritte mit Sir Simon Rattle und dem Popstar

Sting. Dass Felix sein Horn mit den Füßen spielt, wird dabei zur

Neben sache!

Felix Klieser erzählt seine ungewöhnliche Geschichte mit viel

Humor, Leichtigkeit und einer gesunden Portion Eigensinn.

Er zeigt damit, wie man trotz Handicap den eigenen Zielen treu

bleiben und das eigentlich Unmögliche schaffen kann.

D E R A U T O R S T E H T F Ü R V E R A N S T A L T U N G E N Z U R V E R F Ü G U N G Bitte wenden Sie sich anSabrina ReuschTel. 0711 / [email protected]

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