Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und...

32
Feuer fangen im interkulturellen Miteinander Interkulturelles Kompetenztraining Eine übertragbare Erfolgsgeschichte

Transcript of Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und...

Page 1: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

1

Feuer fangenim interkulturellen MiteinanderInterkulturelles KompetenztrainingEine übertragbare Erfolgsgeschichte

Page 2: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine
Page 3: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

Feuer fangen im interkulturellen Miteinander

Interkulturelles KompetenztrainingEine übertragbare Erfolgsgeschichte

Katty Nöllenburg, ikm Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation, Hamburg

Elke Fontaine – Unfallkasse Nord

W A S B I S T D U ?

Page 4: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

4

Abgrenzung und Ausgrenzung liegen eng beieinander. Sichabzugrenzen und seine Gruppe zu suchen, ist ein normalerVorgang. Wir erkennen uns dann bei den anderen wieder oderfühlen uns ihnen nahe. Abgrenzung kann die Quelle sein,Gemeinsamkeiten zu finden. Ausgrenzung dagegen ist starkauf Unterschiede fixiert – Unterschiede die zeigen, wer andersist und wer nicht dazugehört.

Einmal wendet sich eine Gruppe nach innen und schaut, weralles dabei ist. Ein anderes Mal schaut sie von sich nach außenund legt fest, warum die anderen nun nicht dazugehören.

Für viele Schulen ist die Entwicklung zwischen Abgrenzung undAusgrenzung nicht mehr so leicht zu steuern. Schülerinnenund Schüler zeigen zunehmend viele Unterschiede auf, dieihnen gerade im schulischen Leben sehr wichtig sind. Konflikteentstehen und auch die Verletzungsgefahr steigt. Die vielleichtgrößte Gefahr dabei ist: Das soziale Miteinander sucht sichohne Steuerung seinen Weg und die Ausgrenzung wird zueinem wichtigen Prinzip. Das Miteinander kann dann kaumgenutzt werden, um Prävention aufzubauen.

Mit diesem Blick auf das gemeinsame Lernen und Leben inSchulen haben sich die Unfallkasse Nord und das Institut fürkonstruktive Konfliktaustragung und Mediation getroffen. DiePrävention am Anfang aufzustellen und langfristig zu wirken:das sind unsere gemeinsamen Ziele.

Gemeinsam haben wir ein Modellprojekt an einer Schulebegleitet. Der Präventionsansatz wird hier dokumentiert:Ein Aufbaugymnasium in Hamburg wünschte sich ein besseresMit einander. Die Konflikte hatten einen zu großen Raum einge-nommen. 40 Sprachen deuteten auf ein hohes Maß an Unter-schieden. Immer wieder wurde das Feuer geschürt, das dieKonflikte aufleben ließ – und immer wieder wurde auch ein -gegriffen und geklärt.

Der berühmten Filmfigur „Avatar“ gelingt es, die Verursacherdes Feuers in die Flucht zu schlagen. Sie lernt dies durch dieBeherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer.

Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehensoll, wird eine Steuerung benötigt, die allen hilft, zusammen-zuarbeiten. Und gemeinsam erkannten wir, dass hinter demFeuer nicht einfach nur das Böse steht: Feuer zu fangen unddie Energie des Feuers zu nutzen ist die andere Möglichkeit.

Wir danken allen Beteiligten für den Mut zu diesem Projekt, fürdie Unterstützung und die gute Zusammenarbeit über einenlangen Zeitraum. Eine Steuergruppe war immer am Ball und hatalle Fäden zusammengehalten. Weitere Unterstützer wurdengewonnen.

Frau Katty Nöllenburg, ikm, und Frau Elke Fontaine, UnfallkasseNord, haben auch in diesem Projekt die für beide Seiten frucht-bare Zusammenarbeit zweier sehr unterschiedlicher Fachinsti-tutionen mit Leben gefüllt. Herzlichen Dank für diese kompe-tente Kooperation.

Interkulturelles Miteinander ist selten spontan realisierbar.Mit langem Atem können viele Beteiligten gemeinsam eineMenge bewirken. Vielleicht haben Sie nach der Lektüre Lust,sich auf den Weg zu machen …

Martin Ochsenfarth, Leiter der Abteilung Prävention undArbeitsschutz, Unfallkasse Nord

Dieter Lünse, Geschäftsführer des ikm – Institut für konstruktiveKonfliktaustragung und Mediation, Hamburg

Vorwort

Page 5: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

5

Inhalt

Vorwort 4

Zur Einstimmung: Liedtexte der Sängerin Indra Afia 6

Zur Dokumentation: 8Sich auf den Weg machen

1. Ausgangslage und Start 9Eine Schule mit 40 Sprachen macht sich auf den Weg

2. Ziele und Struktur 11Das Projekt im Überblick

3. Vorgehen und Erfolgsstationen 12Schulentwicklungsprozess 2005 bis 2010

4. Theoretische und pädagogische Grundlagen 15Anti-Bias – Schieflagen geraderücken, Diskriminierung abbauen

5. Anpassung an die Praxis 17Anti-Bias im Schulkontext

6. Gelingensbedingungen und Stolpersteine 22Was sein muss – woran es scheitern kann

7. Rückmeldungen 26Was hat es gebracht?

Zum Weiterlesen 30

Zum Nachfragen 30

Quellenangaben 30

Besonderer Dank an 30

Impressum 31

Page 6: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

6

Zur Einstimmung

Regenbogen

Welche Farbe bist DuWelchen Namen trägst Du

Was erzählst Du mirSag mir was trägst Du alles in Dir

Kommt erst Farbe ins SpielDann bewegt sich viel

Wie ein RegenbogenSo viele Farben

Wie ein RegenbogenWunderschön

So viele MenschenWie bunte Lichter

Wie ein RegenbogenSeh ich vor mir

Welche Sprache sprichst DuWelchen Glauben glaubst Du

Wo kommst Du herWelche Geschichten hast Du erlebt

Wenn Du das ganze siehstUnd der Kreis sich schließt

Wie ein RegenbogenSo viele Farben

Wie ein RegenbogenWunderschön

So viele Menschen Wie bunte Lichter

Wie ein RegenbogenSeh ich vor mir

Auf der ganzen WeltOb Nord ob Süd ob West oder Ost

In jedem LandÜberall

Gibt es diese schöne Farbenpracht

Wie ein RegenbogenSo viele Farben

Wie ein RegenbogenWunderschön

So viele Menschen Wie bunte Lichter

Wie ein Regenbogen

Text: Indra Afia

Liedtexte der Sängerin Indra Afia, die das Projekt mit einemglanzvollen Auftritt bei der ersten öffentlichen Präsentation2008 unterstützte.

Page 7: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

7

Gegen den Strom

Bin so weit raus geschwommenMich so weit von mir entferntHab zu spät mitbekommen

Das da was fehltRichtig und falsch zu kennen

Mitten in der WirklichkeitZukunft und Wunsch zu trennen

Es ist an der Zeit

Ich tauche ein,In das, was mich umgibt

(Was mich umgibt)Eins sein

Gegen den Strom Kämpf ich mich durch das Wasser

Gegen den StromTauch ich unterm Eis hindurch

Gegen den StromLass ich mich auch mal treiben

Einfach nur so

Bin wieder angekommenKann mich selbst im Spiegel seh’n

Hab so viel unternommenUm bei mir zu sein

(Bei mir zu sein)Und manchmal scheint es mir

Dass ich mir selbst im Weg warDass es sich lohnt zu glauben

war mir nicht klar

Ich seheDas was mich umgibt

(Was mich umgibt)Ich lebe

Gegen den Strom Kämpf ich mich durch das Wasser

Gegen den StromTauch ich unterm Eis hindurch

Gegen den StromLass ich mich auch mal treiben

Einfach nur so

Gegen den StromSchwimm ich weiter und weiter

Gegen den StromBleib ich niemals steh’n

Gegen den StromLass mich von Wellen tragen

Einfach nur soEinfach nur so

Text: Indra Afia

Page 8: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

8

Die Dokumentation zeigt die Entwicklung und Implementie-rung eines Interkulturellen Kompetenztrainings an einer großenHamburger Schule: Vorüberlegungen, die Schritte des Projektsals Teil eines Schulentwicklungsprozesses, Gelingensbedin-gungen als Qualitätsstandards, Stolpersteine und Einschätzun-gen der Beteiligten.

Die Dokumentation ist eine Würdigung von Mut und Leistungaller Beteiligten: der Schülerinnen und Schüler, des Kollegi-ums, der Schulleitung und der Eltern dieser Schule sowie derProjektpartner, die das „Interkulturelle Kompetenztraining“begleitet und gefördert haben.

Die Dokumentation ist auch ein Wegweiser und Mutmacher füralle Schulen, die diesen anspruchsvollen und lohnenden Weggehen möchten. Sie alle können von den hier aufgezeigtenErfahrungen profitieren, typische Stolpersteine umgehen unddamit Kraft und Ressourcen für den Prozess nutzen, die sonstin der Frustration untergehen.

Alle „Konstrukteure“ und Begleitenden des InterkulturellenKompetenztrainings haben über die Jahre viel dazugelernt, dasTraining und die Rahmenbedingungen weiterentwickelt undverfeinert.

Die Erfahrungen aus der hier betrachteten Schule flossen einin Konzept und Durchführung von Fortbildungsreihen zur Inter-kulturellen Kompetenz an Schulen in Hamburg – gemeinsambegleitet von Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung, LI –Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, ikm –Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation,Hamburg und Unfallkasse Nord.

Das Interkulturelle Kompetenztraining in Schulen ist also zumErscheinungszeitpunkt dieser Dokumentation schon auf demWeg in den Schulalltag.

Zur DokumentationSich auf den Weg machen

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 9: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

9

Eine Schule mit 40 Sprachen

Die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler an dieser HamburgerSchule ist faszinierend. Die 550 Schülerinnen und Schülersprechen gut 40 verschiedene Muttersprachen. Ein kleinesAbbild der Welt an einer Hamburger Schule – eine Vielfalt,die grundsätzlich von allen Lehrkräften, Jugendlichen undEltern geschätzt und als sehr wertvoll empfunden wird.

Die Schule ist ein sechsstufiges Aufbaugymnasium mit zweiEingangsjahrgängen. Ein Teil der Schüler beginnt den Weg dergymnasialen Bildung mit der 7. Klasse, ein Teil entscheidet sicherst nach der 10. Klasse, bis zum Abitur zu lernen und besuchtdie Schule ab der 11. Klasse. Ab der 11. Klasse kommenalso viele neue Schülerinnen und Schüler auf dieSchule. Folgende Ziele der Schule sind im Schul-programm verankert: Kinder mit verschiedenenLernausgangslagen und mit eventuell entwick-lungsbedingten Verzögerungen sollen gefördertwerden. Unterschiedliche soziale und kulturelleLernbiografien sollen innerhalb einer Schule inte-griert werden. Weiterhin steht die Förderung derStreitkultur zum konstruktiven Umgang mit Konflikten im Mittel-punkt.

Vielfalt als Bereicherung und Nährboden von Konflikten

Vielfalt kann Konflikte fördern, Konflikte können dem ThemaVielfalt zugeschrieben werden. Ab ca. 2003 wurden größereKonflikte innerhalb der hier betrachteten Schule wahrgenom-men, Tendenz steigend in den nächsten Jahren: Konflikte zwi-schen den Schülerinnen und Schülern, Konflikte zwischen denLehrkräften und der Schülerschaft, Konflikte zwischen denEltern und den Lehrkräften bzw. der Schulleitung.

Im Unterrichtsfach Religion zeigte sich dies besonders deut-lich: Jugendliche unterschiedlicher Religionszugehörigkeitbrachten vehement ihre Standpunkte vor, Positionen wurdengebildet und heftig verteidigt, was in großen Konflikten zwi-schen allen mündete – Lehrkräfte eingeschlossen.

Auch in alltäglichen Situationen gab es mehr und heftigereKonflikte zwischen Schülern und Lehrkräften. Mehr Disziplinar-maßnahmen wurden verhängt. Konflikte zwischen Eltern undder Schule häuften sich ebenfalls. All diese Konflikte schienenden Ursprung in der unterschiedlichen Herkunft aller Beteilig-ten zu haben – zumindest wurden die kulturellen Unterschiedeals Begründung in den Argumenten von allen Seiten benutzt.

Start: Schulentwicklungsprozess und InterkulturellesKompetenztraining

Schulleitung und Kollegium beschlossen 2005, dass etwasGrundsätzliches verändert werden müsste. Schülervertretungund Elternrat wurden auch dazugeholt. Allen Beteiligten war

klar, dass sie mit der hohen Anzahl von Diszi -plinarmaßnahmen und Konflikten nicht lebenkonnten und wollten: das Problem musste an derWurzel gepackt werden. Etwas Durchdachtes undLangfristiges sollte gefunden, ein Schulentwick-lungsprozess mit allen Beteiligten in Gang gesetztwerden. Eine schulinterne Steuergruppe bildetesich.

Die Steuergruppe entschied sich, Unterstützung von außen zuholen und dem Kind einen Namen zu geben: Ein „Interkulturel-les Kompetenztraining“ auf allen Ebenen sollte in der Schuleeingeführt werden, um zu versuchen, den geschilderten Pro-blemen entgegenzuwirken.

Als Fachpartner beauftragte die Steuergruppe das ikm – Insti-tut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation, Ham-burg, ein Konzept zu erstellen. Die erste Unterstützung undFinanzierung leisteten die Techniker Krankenkasse und dieSicherheitskonferenz Harburg und ermöglichten damit denStart der Arbeit. Allen war klar, dass es um einen mittelfristigenEntwicklungsprozess ging. Deshalb war es wichtig, Partner zufinden, die den Prozess fachlich flankierend begleiten und för-dern. Die Unfallkasse Nord (damals noch LandesunfallkasseHamburg) sagte ihre Mitarbeit zu und engagierte sich stark.Gemeinsam wurde ein Plan entworfen, wie mit Lehrkräften,den Klassen und Eltern gearbeitet werden kann, um nachhaltig

Ausgangslage und StartEine Schule mit 40 Sprachen macht sich auf den Weg

1

„Wir wollten damalszeigen, dass wir stolz

drauf sind, so viele ver-schiedene Nationalitäten

zu haben. Das mussteunsere Stärke werden.“

Page 10: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

10

das Klima an der Schule spürbar zu verbessern. Ergebnis:Ein Schulentwicklungsprozess wurde in Gang gesetzt inklusiveLehrerfortbildungen, Schülertrainings, Elternfortbildungen undeiner begleitenden Steuergruppe. Über die folgenden Jahrehaben alle mitgearbeitet, um die unterschiedlichen Konflikt-herde zu minimieren und den Umgang untereinander und dasVerständnis füreinander zu verbessern. Von Meilenstein zuMeilenstein konnten Erfolge festgestellt werden. Verbesserun-gen im Schulleben, die alle Gruppen zu schätzen wissen. Kraftund Zeit für Disziplinarmaßnahmen fließen heute in diegemeinsame Gestaltung des Schullebens

Wie ist das möglich?

Ist es wirklich so einfach? Gab es einfach das Projekt und dannauf einmal keine Probleme mehr? Natürlich nicht! Es ist sehrviel Arbeit, viel Zeit und Geld in diese Entwicklung geflossen.Im Folgenden werden Strukturen, Prozess und Gelingensbedin-gungen sowie Stimmen aus der Praxis dargestellt.

Rechts: Aussagen zur Zustandsbeschreibung 2005

Eltern haben z. T. eine andereWertvorstellung und stärken die Kinder, sodass in der

Schule Probleme entstehen

Elternarbeit läuft nur bedingt, weil Eltern wenig zu Eltern-abenden kommen

Sprachliche Kompetenz sich auszutauschen ist zum Teilgering

Rollenverhalten von Mädchen und Jungen sehr schwierigBlinde Solidarität, wenn Gruppen sich

bilden

Blinde Solidarität, wenn es umReligionsfragen geht

Religionsunterricht sehr schwierig

Beleidigungen der Schüler untereinander massivRespekt Schülerschaft – Lehrkräfte

problematisch

Unruhe

Wortgefechte

Rangeleien

Ehrbegriff

Mädchengruppen kriegen sich in die Haare

Wenig Zeit zum Kommunizieren

Schülerinnen und Schüler sind sich nicht vertraut

Die Jugendlichen können manchmal nicht geradestehenund ihre Meinung sagen

Page 11: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

11

Ziele

Kompetenzen fördern: Das Projekt „Interkulturelle Kompeten-zen“ sollte bei allen Beteiligten, also bei Schülerinnen undSchülern, Lehrkräften und Eltern, folgende Kompetenzenfördern. Das Verständnis für Kulturen, die Akzeptanz andererKulturen, den Umgang mit Diskriminierung, die Fähigkeit,sich in andere Verhaltensweisen hineinzuversetzen, die Wert-schätzung für andere, das Verständnis und den Umgang mitVorurteilen, das Bewusstsein der eigenen Kultur, den wert-freien Umgang mit Andersartigkeit und Vielfalt sowie dieEigenverantwortung für das eigene Handeln.

Konstruktiv mit Unterschieden umgehen: Insgesamt sollteüber den konstruktiven Umgang mit Konflikten ein konstrukti-ver Umgang mit Unterschieden erlernt und durch gemeinsameErlebnisse innerhalb des Projekts die Gemeinschaft und Ver-bundenheit miteinander gestärkt werden.

Theoretische und pädagogische Grundlagen

Als Grundlage hierfür wurde der „Anti-Bias“-Ansatz gewählt,ein Konzept aus den USA und Südafrika zum bewusstenUmgang mit Vorurteilen und Diskriminierung. (Näheres sieheKapitel 4)

Struktur

SchulentwicklungsprozessEin Interkulturelles Kompetenztraining (IKK) sollte als Schul -entwicklungsprozess durchgeführt werden, begleitet von einerschulinternen Steuergruppe. Diese Steuergruppe sollte dieInhalte in die Gremien der Schule vermitteln, wie auch nachaußen in eine regionale Öffentlichkeit. Zur Steuergruppe gehör-ten die Schulleitung, eine Beratungslehrkraft, die Mittelstufen-koordinatorin, der Elternrat, der SchülerInnenrat und die Klas-senlehrkräfte der Projektklassen.

Mit der Moderation und Prozessbegleitung wurde später dasikm als neutrale Fachinstitution beauftragt. Professionelle Pro-zessgestaltung, Zusammenarbeit mit professionellen Projekt-

partnern war für die Schule von Anfang an selbstverständlichund wichtig. Die qualifizierte Begleitung von außen konnteeine Kontinuität über die Schuljahre und ihren Rhythmus bie-ten und ein Verbindungsglied von der Schule zum sozialenUmfeld bilden. Dies durfte keine Flickschusterei werden. DieVision war ein großes, durchdachtes, nachhaltiges, übertrag-bares Projekt, verteilt auf viele Schultern.

Der Erfolg gab dieser in Schulen wie Betrieben nicht selbstver-ständlichen Entscheidung Recht. Es wurde zügig und fachlichfundiert über alle Höhen und Tiefen gearbeitet und so vielKraft, Zeit und Geld gespart.

Elemente des Projekts sind:Schülertrainings von fünf Tagen in Klasse 7 und 11,Übertragung von Inhalten in den Unterricht,Fortbildungen der Klassenlehrkräfte und Fachlehrkräfte,Elternabende mit Trainingseinheiten.

Unterstützende Organisationen wurden die Unfallkasse Nord(damals noch Landesunfallkasse Hamburg) sowie das Institutfür konstruktive Konfliktaustragung und Mediation (ikm).Als Partner zum Anschub in der ersten Phase die Tech nikerKrankenkasse und die Sicherheitskonferenz Harburg.

Ziele und StrukturDas Projekt im Überblick

2 W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 12: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

12

Beschrieben werden die wichtigsten Entscheidungen,Meilensteine und Randbedingungen vom Start desProzesses im Jahr 2005 bis Ende des Jahres 2010 – dasJahr, in dem das Projekt auf eigenen Füßen stand undzugleich die Schule als eigenständige Einrichtung aufge-löst und in eine neue größere Institution eingegliedertwurde.

Projekt-Jahr 2005

Die Schulgemeinschaft aus Schulleitung, Kollegium, Schüler-und Elternvertretung beschließt ein Veränderungsprogramm„Interkulturelles Kompetenztraining“ als Schulentwicklungs-prozess und bildet eine Steuergruppe, um das Projekt fachlichund organisatorisch zu begleiten.

Fachinstitutionen werden zur Prozessbegleitung angesprochenund mögliche Partner, die das Projekt mittragen. Moderationund Prozess-Begleitung: ikm, Unterstützung: Unfallkasse Nord,Techniker Krankenkasse (Anschub in 1. Projektphase), Sicher-heitskonferenz Harburg.

Projekt-Jahr 2006

In allen 7. und 11. Klassen – es sind die Eingangsklassen –wird ein fünftägiges Training zu Interkulturellen Kompetenzendurchgeführt von externen Trainer-Teams des ikm. Das Trainingendet jeweils mit einer großen Abschlusspräsentation für dieSchulöffentlichkeit vor Lehrkräften, Eltern sowie Schülerinnenund Schülern.

Intensive Lehrerfortbildungen der Klassenlehrkräfte werdendurchgeführt. Die Klassenlehrkräfte sind bei den Trainingsdurchgehend anwesend. Elternabende mit Trainingseinheitenzum Umgang mit Vorurteilen und Diskriminierung finden statt.

Skepsis und DiskussionBei vielen der Lehrkräfte, die nicht zu den Projektklassen gehö-ren, gibt es eine natürliche Skepsis. Würden die Fortbildungenund Trainings nicht zu viel Zeit kosten? Auch der Unterrichts-

ausfall der Klassen zugunsten der Themen Vorurteile und Dis-kriminierung scheint einigen Lehrkräften nicht angemessen.Die Fortbildungen sind anders, als viele Lehrkräfte sich vorge-stellt haben – keine Patentrezepte, sondern prozessorientier-tes Arbeiten. Einige teilnehmende Klassenlehrkräfte argumen-tieren, dass der zunächst große Aufwand langfristig Zeit undEnergie spart, weil die Klassen kooperations- und arbeitsfähi-ger sowie kommunikativer werden. Es soll auf jeden Fall einPilotjahr durchgeführt, ausgewertet und die Ergebnissebesprochen werden.

Vorgehen und Erfolgsstationen

3

W A S B I S T D U ?

Mexikanerin

Page 13: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

13

Erfolgsstation 2006

Konflikte und Diskriminierung in den teilnehmenden Klassennehmen im Verlauf des Schuljahres spürbar ab, das Schulklimawird positiver: Dies benennen die Schülerinnen und Schülerder Klassen selbst, wie auch die Klassenlehrkräfte. Das Projektgeht weiter.

Projekt-Jahr 2007

Eine weitere Lehrerfortbildung läuft. Wieder wird in allenEingangsklassen (Klassen 7 und 11) das fünftägige Trainingdurchgeführt – diesmal von den Lehrkräften selbst in Doppel-besetzung. Externe Trainer unterstützen vereinzelt bei Bedarf.Es gibt ein Coaching für die Lehrkräfteteams bei der Durchfüh-rung der Trainings durch das ikm.

Einzelne Projekttage zum Thema Interkulturelle Kompetenzenwerden zusätzlich im weiteren Verlauf des Schuljahres in denProjekt-Klassen veranstaltet. Auch in diesem Jahr gibt es einegroße schulinterne Abschlusspräsentation. Die Steuergruppebegleitet regelmäßig.

Erfolgsstation 2007

� Es gibt ein einstimmiges Votum der Lehrkräfte zur struktu-rellen Implementierung des Programms im Jahrgang 7 und11 – trotz vorheriger Skepsis.

� Disziplinarmaßnahmen, die von den Lehrkräften an dieSchulleitung gemeldet werden, sinken von über 50 auf nullim Schuljahr.

� Konflikte zwischen Schülern und Lehrkräften und beiSchülerschaft untereinander nehmen spürbar ab bzw.werden spürbar konstruktiver ausgetragen und gelöst.

� Konflikte zwischen Lehrkräften und Eltern werden weniger.� Das Prinzip „Interkulturelle Kompetenzen“ wird offiziell

in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen der Schule auf -genommen.

Projekt-Jahr 2008

Das Konzept wird weiter entwickelt: Die fünf Projekttagewerden in zwei Blöcke geteilt mit zeitlichem Abstand zumbesseren Verankern. In den Eingangsklassen 7 und 11 werdenzu Schuljahresbeginn drei Projekttage durchgeführt und imVerlauf des Schuljahres zwei weitere Projekttage.

Es gibt schulinterne Lehrerfortbildungen, um die Doppelbeset-zungen bei den Trainings zu gewährleisten. Die erfahrenenLehrkräfte, die 2006 schon bei den externen Trainings anwe-send waren, unterstützen die neuen Klassenlehrkräfte. Dieumfangreiche schulinterne Methodenmappe mit Trainings-abläufen und Variationen wird erstellt und aufbereitet und istfür das ganze Kollegium zugänglich.

Im Verlauf des Schuljahres werden die Themen „Vorurteile“und „Diskriminierung“ immer wieder in Unterrichtsfächern auf-gegriffen und weiterbearbeitet.

Es gibt weiter Coaching für die betreuenden Lehrkräfte. DieSteuergruppe begleitet das Projekt weiter. Es wird ein Delegier-tensystem eingeführt: In einer moderierten Runde treffen sichaus jeder teilnehmenden Klasse vier Schülerinnen und Schülerund tauschen sich über die Wirkung des Trainings aus.

Am Ende des Schuljahres gibt es die erste öffentliche Präsen-tation. Eingeladen sind auch die Projektpartner UnfallkasseNord, Sicherheitskonferenz Harburg und ikm sowie die regio-nale Öffentlichkeit. Die Klassen präsentieren ihre Arbeiten zumThema auf vielfältige Weise mit Theater, Sketchen, Tanz undFilm. Ein Höhepunkt der Veranstaltung: die Sängerin Indra Afiaehrt die Arbeit der Schule und Schülerinnen und Schüler miteinem glanzvollen Auftritt. Schülerinnen der 7. und 8. Klassemoderieren diese Veranstaltung selbst inklusive einer Diskus-sionsrunde über Diskriminierungserfahrungen und Handlungs-alternativen.

Page 14: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

14

Erfolgsstation 2008

� Spürbare Identifizierung der Schulgemeinschaft mit demProjekt und dem dahinter liegenden Ansatz.

� Fächerübergreifende Integration in den Unterricht – Über-gang vom reinen Projektcharakter hin zur Integration inden Schulalltag.

Projekt-Jahr 2009

Das Interkulturelle Kompetenztraining läuft komplett selbst-ständig an der Schule. Die schulinterne Koordinatorin enga-giert sich stark in der Verbreitung des Konzepts für andereSchulen. Die schulinternen Fortbildungen durch die Koordina-torin werden zum ersten Mal – zumindest zum Teil – in Funk-tionsstunden gewürdigt.

Die etablierten Schritte werden durchgeführt: die Trainingstagebleiben und werden weiterhin in Doppelbesetzung durchge-führt. Das Interkulturelle Kompetenztraining ist ein fester Teildes Schulprozesses.

Das ikm wird nur noch vereinzelt zu Coachingstunden oderTrainingsunterstützung angefordert.

Erfolgsstation 2009

� Es werden Funktionsstunden für die schulinterne Koordina-torin freigegeben, sodass sie Entlastung und Anerkennungbekommt für die Koordinierung dieser Großaufgabe.

� Das Landesinstitut für Lehrerfortbildung und Schulentwick-lung Hamburg (LI) wird Kooperationspartner. Die Erfahrun-gen der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) desLI in ähnlichen Interkulturellen Kompetenztrainings undSchulbegleitungen werden gemeinsam genutzt, um wei-tere Übertragungsmöglichkeiten auf andere Schulen zuplanen. Das ikm, die BIE und die Unfallkasse Nord bietenfür Lehrkräfte Hamburger Schulen gemeinsam einen neuenAusbildungskurs Interkulturelles Kompetenztraining an.

Projekt-Jahr 2010

In Hamburg führt die neue Schulreform zu erheblichen struktu-rellen Änderungen der Schulen. Das hier betrachtete Gymna-sium ist nicht mehr eigenständiges Aufbaugymnasium, son-dern wird der Oberstufenteil der neuen Stadtteilschule – einerZusammenlegung von drei Schulen. Es gibt einen Schullei-tungswechsel und eine Veränderung des Gesamtkollegiums,welches nun aus den Kollegien von drei unterschiedlichenStandorten zusammengesetzt ist. Der Standort, der früher dasGymnasium bildete, entscheidet sich, weiterhin das Interkultu-relle Training als Schwerpunkt durchzuführen und es auszuwei-ten. Das Training muss nun auf die neuen Stukturen übertragenund optimiert werden.

Erfolgsstation 2010

� Obwohl die Schule nach der Schulreform in ihrer Formnicht mehr bestehen bleibt, nimmt der neue Schulleiterdas Projekt mit an die neugeformte Stadtteilschule.

� Zukünftig werden zusätzlich zu den 7. und 11. Klassen die5. Klassen das Interkulturelle Kompetenztraining durch -führen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

� Ein neues Unterrichtsprojekt wird entwickelt und erprobt:eine Mischung aus Interkulturellem Training, Geografie,Religion und Gesellschaftswissenschaften.

� Die Koordinierungslehrerin bleibt sehr aktiv im Interkultu-rellen Forum des LI und unterstützt damit die Übertragungund Weiterentwicklung des Projekts für andere HamburgerSchulen.

� Der Prozess wird dokumentiert mit dem Ziel, Erfahrungenweiterzugeben und das Modell auf andere Schulen undEinrichtungen zu übertragen.

Page 15: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

15

Das Interkulturelle Kompetenztraining beruht auf dem Anti-Bias-Ansatz. Aus diesem Ansatz wurden die Grundhaltung wieauch Methoden und Übungen für die Trainings in den Klassenabgeleitet.

Was bedeutet Anti-Bias?

Der englische Begriff „Bias“ bedeutet Schieflage, Einseitigkeit,Voreingenommenheit oder auch Vorurteil. Anti-Bias meint vor-urteilsbewusst, nicht-diskriminierend. Anti-Bias-Arbeit verfolgtdas Ziel, bestehende Schieflagen/Einseitigkeiten ins Gleichge-wicht zu bringen und Diskriminierung abzubauen.

Welche Art von Diskriminierung?

Dieser Ansatz wendet sich gegen jede Form von Diskriminie-rung: Rassismus, Sexismus und alle anderen Formen der Unter-drückung und Ausgrenzung.

Wie wird gearbeitet?

Das Training basiert auf Methoden, die in der US-amerika-nischen und südafrikanischen Anti-Rassismus- und Anti-Diskri-minierungsarbeit eingesetzt werden, aber auch im deutschenKontext erprobt wurden. Die Anti-Bias-Arbeit fußt auf der Über-zeugung, dass jeder Mensch Diskriminierung schon selbsterfahren und auch selbst andere diskriminiert hat.

Im Mittelpunkt steht die intensive, erfahrungsorientierte Aus-einandersetzung mit diskriminierenden Verhaltensweisen undStrukturen. Dies befähigt dazu, Rassismus, Sexismus und alleanderen Formen der Unterdrückung in den Institutionen trans-parent zu machen und zu verändern.

Gewohnte Handlungen und Erklärungsmuster werden be wusstwahrgenommen und hinterfragt. Ziel ist der bewusste Umgangmit Diskriminierung und Vorurteilen – den eigenen und den beianderen wahrgenommenen.

Theoretische und pädagogische GrundlagenAnti-Bias – Schieflagen geraderücken, Diskriminierung abbauen

4

W A S B I S T D U ?

Musiker

Page 16: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

16

Die Anti-Bias-Arbeit hebt die Trennung von Opfern und Täternauf, betont aber die strukturelle Ungleichheit, in der sich dieBetroffenen bewegen. Ziel ist nicht Schuld und Strafe, sonderndie Entwicklung von Handlungsfähigkeit für alle Beteiligten,eine andere Art des Umgangs miteinander.

Zu den kurzfristigen Zielen der Anti-Bias-Arbeit zählen dieSensibilisierung für eigene Vorurteile und diskriminierendesVerhalten und das Erkennen von Diskriminierung in gesell-schaftlichen Strukturen und individuellen, persönlichen Ver-haltensweisen. Jeder Mensch sollte fähig sein, Empathie(Mitgefühl, Einfühlungsvermögen) für Menschen mit anderenLebensweisen und anderer kultureller Herkunft zu entwickeln.

Ein mittelfristiges Ziel der Anti-Bias-Arbeit ist das Verändernbzw. Verlernen von diskriminierenden Verhaltensweisen. Fürsich selbst und für gesellschaftliche Strukturen sollen Verhal-tens- und Handlungsalternativen entwickelt werden.

Das langfristige Ziel ist die Entwicklung einer nicht-diskriminie-renden Gesellschaft.

Anti-Bias als Lebenshaltung

Anti-Bias-Arbeit ist eine Lebenshaltung, welche die Auseinan-dersetzung mit sich selbst und anderen sucht, um gegenseiti-ges Verständnis zu fördern. Anti-Bias-Arbeit ist biografischeArbeit, in der die Erfahrungen und Einstellungen der Einzelnendie Grundlage für die gemeinsame Arbeit bilden. Demnach set-zen bei den klassischen Anti-Bias-Trainings die Analyse unddie praktische Arbeit der Trainings bei den persönlichen, zwi-schenmenschlichen Erfahrungen der Teilnehmenden an undzeigen im Weiteren die Verflechtung von Individuum undgesellschaftlichen, diskriminierenden Strukturen auf: einanspruchsvoller und langwieriger Prozess also.

Die Anti-Bias-Arbeit beschränkt sich nicht nur auf die individu-elle Verhaltensänderung, sondern möchte auch gesellschaftli-che Veränderung bewirken.

Welche Idee steckt dahinter?

Lernen und Verlernen: Der Anti-Bias-Ansatz geht davon aus,dass Voreingenommenheiten (Bias) und das daraus resultie-rende Verhalten erlernt werden und als Ideologien institutiona-lisiert werden können. Daher können sie auch wieder reflek-tiert und verlernt und als institutionalisierte Ideologiehinterfragt und verworfen werden.

Der Ansatz geht davon aus, dass jeder Mensch voreingenom-men ist, was in sich kein Problem darstellt. Voreingenommen-heiten werden demnach erst zum Problem, wenn sie für wahrund richtig gehalten werden und sich das Verhalten und Han-deln unreflektiert nach ihnen ausrichtet.

Das Erlernen bestimmter Ansichten und Weltbilder, also dieEntwicklung der Identität und Kultur, beginnt laut Anti-Bias-Ansatz schon mit der Geburt und zieht sich durch das gesamteLeben. So sei es beispielsweise keine angeborene Eigenschaft,dass schon Kinder oft denken, ein übergewichtiges Mädchenmit Brille und Zahnspange könne nicht die Prinzessin im Mär-chen spielen.

Kultur: In der Anti-Bias-Arbeit geht es viel um „Kulturen“, inund mit denen Menschen leben. „Kultur“ wird dabei als einesoziale Praxis verstanden, die veränderbar ist, sich ständig ver-ändert und vielen unterschiedlichen Einflüssen unterliegt.

Geht es um Einzelne oder um „die Gesellschaft“?

Zum einen bezieht sich „Diskriminierung“ auf die individuelle,persönliche Ebene, zum anderen auch auf alle gesellschaftli-chen Formen von Diskriminierung, also alle „Ismen“. Zusätz-lich wird die Wechselbeziehung von Individuum und Gesell-schaft hervorgehoben.

Was ist das Besondere am Anti-Bias-Ansatz?

Der Anti-Bias-Ansatz geht davon aus, dass Menschen sichaktiv gegen Unterdrückung und Diskriminierung einsetzen kön-nen, wenn sie verstehen, wie diese funktionieren.

Page 17: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

17

Lehrerfortbildungen –Hohe Anforderungen an Multiplikatoren

Bei Anti-Bias-Trainings mit Multiplikatorinnen und Multiplikato-ren im pädagogischen Bereich, z. B. mit Lehrkräften, liegt derSchwerpunkt nicht allein auf der persönlichen Gruppenerfah-rung, sondern besonders auf der Vermittlung der Methodenund Inhalte an die Schülerinnen und Schüler. Dennoch ist dasErleben und Erarbeiten der einzelnen Übungen essenziell, umselbst die Übungen mit einer Klasse mit einer offenen undbewussten Haltung anzuleiten.

Die Essenz und der hohe Anspruch liegen in

� der Auswertung der Übungen, der Bewusstwerdung derGruppendynamiken, die während der Übungen entstehen,und

� dem allparteilichen Vermitteln zwischen den unterschied-lichsten Weltbildern und Erfahrungen, die während derÜbungen zutage treten. Allparteilich heißt nicht „neutral“,sondern Unterstützung beider Seiten/Parteien, ihreGefühle, Bedürfnisse, Interessen zu benennen und wahr-zunehmen.

Daher ist hohe Sensibilität und Wachsamkeit erforderlich,wenn schon nach ein paar „Schnuppertagen“ in einem Work-shop die Übungen in einer Multiplikatorenrolle in der eigenenKlasse durchgeführt werden.

Schülertrainings – Ziel: Sozial- und Selbstkompetenz

Im Schulkontext wird mit einer gesamten Klasse zum Themagearbeitet. Ziel ist es, folgende Sozial- und Selbstkompetenzenbei den Schülerinnen und Schülern zu entwickeln und zufördern:

� Wertschätzung für andere, � das Bewusstsein der eigenen Kulturen, die Akzeptanz

anderer Kulturen und das Bemerken gemeinsamer Kultur-erfahrungen,

� Erkennen von eigenen Vorurteilen,� Erkennen von Diskriminierung,� Umgang mit Diskriminierung, � die Fähigkeit, sich in andere kulturelle Bräuche oder

Verhaltensweisen hineinzuversetzen, � der wertfreie Umgang mit Andersartigkeit/Vielfalt und � die Eigenverantwortung für das eigene Handeln, � das Anwenden der Kompetenzen in der Praxis.

Insgesamt soll über den konstruktiven Umgang mit Konfliktenein konstruktiver Umgang mit Unterschieden erlernt werden.Die gemeinsamen Erlebnisse innerhalb der Projekttage sollendie Gemeinschaft und Verbundenheit miteinander stärken.

5

Anpassung an die PraxisAnti-Bias im Schulkontext

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 18: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

18

Achtung Falle: Alte und neue Klischees

Die Jugendlichen sollen einen Einblick in die Situation derFamilien anderer und in deren entsprechende Hintergründegewinnen. Dabei ist besonders wichtig hervorzuheben, dassnicht beispielsweise „die Deutschen“ eine bestimmte Famili-enstruktur haben im Gegensatz zu der Kultur „der Türken“. Manchmal ist die Versuchung groß, einfache Bilder vom „an-deren“ zu entwickeln und dann höflich mit dem „fremden“Gegenüber bzw. diesem Bild umzugehen, kleine Tricks in Sittenund Gebräuchen zu lernen, um gut über die Runden zu kommen.Das ist hier nicht gemeint, da es – höchstens – kurzzeitig ander Oberfläche funktioniert und meist ein ungutes Gefühl beimGegenüber hinterlässt.

Vielfalt wahrnehmen – eigene Haltungen überprüfen

Durch die intensive Auseinandersetzung lernen die deutschenund nicht-deutschen Kinder, dass z. B. die deutschen Kinderohne Migrationshintergrund schon untereinander große Unter-schiede in Familienstruktur, Traditionen und Werten haben. Sokönnen die bestehenden Voreingenommenheiten aufgelöstund kulturelle Bilder hinterfragt werden.

Die Schülerinnen und Schüler lernen,

� kulturelle Skripte zu erkennen und zu analysieren, die demVerhalten zugrunde liegen,

� sensibel mit kulturbedingten Eigenschaften anderer umzu-gehen und

� Strategien im Umgang mit fremden Lebens- und Kommuni-kationsstilen zu entwickeln, wobei diese keineswegs nurbestimmten Ländern zugeordnet werden.

Die Teilnehmenden arbeiten an ihren Haltungen, die sie „auto-matisch“ zu kulturellen Unterschieden in Konflikten verinner-licht haben. Ziel ist es, diese Haltung zu erkennen, zu überprü-fen und evtl. zu verändern durch Handlungs-Veränderung.

Handlungsspielräume erweitern

Dazu reflektieren die Jugendlichen altersgemäß und tauschensich aus, welche Vorurteile sie haben und wodurch ihre Vorur-teile höchstwahrscheinlich entstanden sind. Persönliche Ein-zelerfahrungen, Erziehung, Medien oder Vorbilder – Vorurteilehaben meistens einen nachvollziehbaren Ursprung. Allein durchdieses Bewusstwerden geschieht oft schon eine Haltungsän-derung. Die Jugendlichen merken, dass die Bilder im Kopf nichtunbedingt eine Wahrheit darstellen, sondern nur eine subjek-tive Wahrnehmung, die bei anderen vielleicht ganz anders ist.

Identität und Zugehörigkeit –Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Welchen Gruppen fühlen sich die Jugendlichen eigentlich zuge-hörig, welche Gruppenidentitäten sind ihnen wichtig? WelcheUnterschiede gibt es, aber auch welche Gemeinsamkeiten?Überraschend zeigt sich oft, wie Einzelne gemeinsame Interes-sen oder Gruppenzugehörigkeiten haben, die sie sich vorhernicht hätten träumen lassen. Verhärtete, rivalisierende Grup-pen innerhalb der Klassen können so – zumindest ein Stückweit – aufgelöst und die Klassengemeinschaft auf jeden Fallverbessert werden.

Selbst wenn allgemeine Vorurteile durch das Training nichtabgebaut werden, so lernen die Jugendlichen einer Klasse sichauf der persönlichen Ebene besser kennen und merken, dass

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 19: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

19

zumindest Einzelfälle aus der „blöden“ Gruppe „ganz in Ord-nung“ sind. Auf der Beziehungsebene wird viel bewegt, sodassdie Klassengemeinschaft und Konfliktlösungsbereitschaftenorm wächst.

Ansatzpunkt: Eigene Erfahrungen

Unterschiede aufgrund von anderen Merkmalen – alle kennendie Situationen des „Andersseins“. Fast jeder ist schon einmalaufgrund eines Merkmals „fertig gemacht“ worden und hatselbst auch schon jemanden aufgrund einer Gruppenzugehö-rigkeit ausgegrenzt oder ausgelacht.

Vor allem psychische Formen der Diskriminierung werdenmeist genannt: ausgrenzen, auslachen, „mobben“, beschimp-fen, ignorieren, aber auch physische Formen und strukturelleDiskriminierung.

Die strukturelle Diskriminierung bezieht sich meist auf unglei-che Behandlung in der Schule, bei der Ausbildungssuche oderbei anderen Bewerbungen. Die Jugendlichen fühlen sich invielen Situationen ausgegrenzt wegen ihrer Herkunft, ihresGeschlechts, ihres Stadtteils, ihrer Hautfarbe, ihres Alter, ihrerFigur oder der finanziellen Situation ihrer Familie.

In den Trainings werden die Gefühlsebenen aller Beteiligtenuntersucht, Unverständnis im Gespräch und Austausch aufge-klärt, Empathie entwickelt. Fast alle Jugendlichen können sichgut in Täterrollen, Opferrollen und Zuschauende hineinverset-zen.

Leitfragen

� Warum fühlen die Täter sich stark in dem Moment und wiekann das verhindert werden?

� Wie können Betroffene sich selbst helfen oder Hilfe holen,in dem Moment oder präventiv?

� Wie fühlen und verhalten sich die Zuschauenden? � Wie können sie helfen und aktiv die Situation verändern? � Wie können strukturelle Formen von Diskriminierung ange-

sprochen und verändert werden?

Wie es auch anders geht: Handlungsalternativen entwickeln

Gemeinsam lernt die Klasse, wie sie füreinander stark seinkann, sich selbst und anderen helfen kann. Die Jugendlichenerarbeiten konkrete alternative Handlungsweisen für Diskrimi-nierungssituationen – persönliche oder strukturelle –, die siefür realistisch halten. Erste Schritte können oft schon gleichumgesetzt werden.

„Wieso regt der sich so auf, das war doch nur Spaß?!“ „Für dichvielleicht, ich fand’s gar nicht witzig! Das war mir echt wichtig“– Schon sind wir im Gespräch und Austausch. Missverständ-nisse und andere Wahrnehmungen werden geklärt.

� Vielleicht macht der eine etwas nicht wieder, weil er nunweiß, dass es den anderen wirklich verletzt oder geärgerthat.

� Vielleicht fühlt der andere sich zukünftig nicht so verletzt,weil er weiß, dass der andere nur Spaß macht.

� Vielleicht fühlt er sich trotzdem zukünftig verletzt und ver-ärgert, lernt aber, sich woanders Kraft, Zuspruch und Unter-stützung zu holen.

� Vielleicht keine der oben aufgeführten Verhaltensmuster,es wird zukünftig bösartig gehandelt, der andere ist extremverletzt, es droht zu eskalieren.

Die Mitglieder der Klasse wissen nun, wie sie deeskalierendeingreifen können.

Page 20: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

20

Kreativität ist Trumpf

In den Trainings wird kreativ und altersangemessen metho-disch zu diesen Thematiken in den Projekttagen gearbeitet.Einige Beispiele:

� Die Jugendlichen starten eine Umfrage innerhalb derSchule und Schulumgebung,

� inszenieren selbst ein Straßentheater, um Zuschauer-reaktionen zu testen,

� kommen in ganz bestimmter auffälliger Kleidung zurSchule, um zu schauen, wie sie sich fühlen und ob sieanders behandelt werden,

der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Haltung statt Technik

Es geht um die Haltung, nicht um die Techniken. Die benutztenMethoden sind nur ein Mittel zum Zweck. Schwerpunkt ist diedahinterstehende Haltung. Deswegen ist die Rolle und Haltungder Anleitenden so wichtig, wie auch die Atmosphäre in derGruppe während der Trainings. Je mehr diese Inhalte in denSchulalltag übertragen werden können, desto größer dieErfolgschancen.

Haltung und Rolle der Anleitenden

Insgesamt besteht eine große Herausforderung in der innerenHaltung und Rolle von Anleitenden. Die schwierigste Aufgabeist vielleicht der wertfreie Umgang mit Äußerungen der Jugend-lichen. Besonders für Lehrkräfte kann es sehr schwer sein, ausder Rolle der Bewertenden herauszutreten, weil dies im Gegen-satz zu einer ihrer Hauptaufgaben im Schulalltag steht.

Im Interkulturellen Kompetenztraining ist es dringend notwen-dig, die Aussagen der Einzelnen nicht zu beurteilen oder zubewerten, sondern sie als eigene Meinung stehen zu lassen.An dem Verhalten der Anleitenden in Konfliktsituationen undan ihrer Kommunikation im Training und Schulalltag erlebendie Jugendlichen „live“, wie das umgesetzt wird. Um die Trai-

ningsinhalte authentisch umzusetzen, müssen die Anleiten-den dies nicht fehlerlos, sondern bemüht und bestmöglichvorleben.

Regeln für den Umgang

Selbstverständlich sind Umgangsregeln innerhalb der Klassewichtig – sie geben Schutz und Sicherheit. Die Regeln könnenals Teil des Trainings gemeinsam erarbeitet werden. Bei Regel-überschreitungen müssen die Lehrkräfte eingreifen, um dengeschützten Rahmen für die ganze Klasse während des Trai-nings zu gewährleisten. Regelüberschreitungen sind z. B.tatsächliche Beleidigungen, also Handlungen, nicht uner-wünschte oder unsoziale Meinungen.

Achtung Falle: „Pädagogisch drüberstehen“ und bewerten

Der gesamte Prozess des Interkulturellen Trainings wirdunmöglich, wenn die Teilnehmenden nicht ehrlich ihre Auffas-sungen und Verhaltensweisen offen darlegen können, weil siegesellschaftlich oder persönlich von den Anleitenden nichtakzeptiert werden.

Auch bei nicht-eskalierenden Äußerungen von Jugendlichenoder innerhalb einer Diskussion fällt das Nicht-Bewerten undNicht-Beurteilen zuweilen schwer. Pädagogisch Anleitendetendieren oft dazu, Fragen zu stellen und die „richtigen“ Ant-worten schon im Kopf zu haben. Das Interesse und das Verste-hen-Wollen der unterschiedlichen Meinungen sollten seitensder Anleitenden aufrichtig sein.

Gruppenatmosphäre, Vertrauen und Motivation

Eine positive Gruppenatmosphäre ist für ein sinnvolles Inter-kulturelles Training unabdingbar. Nur wenn die TeilnehmendenSpaß haben, sich wohlfühlen und einander – zumindest wäh-rend des Seminars – vertrauen, werden sie aktiv an den Übun-gen teilnehmen.

Übungen zum Spaßhaben, zur Gruppenstärkung, Kooperationund Auflockerung sind somit nicht einfach Animation oder Zeit-

Page 21: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

21

vertreib, sondern ein wichtiger Bestandteil des Seminars undnicht zu vernachlässigen oder zu unterschätzen. Es ist die Ver-antwortung der Anleitenden, die Übungen und Beispiele so zuwählen und den eigenen Enthusiasmus so offenzulegen, dassdie Teilnehmenden Spaß haben und sich wohlfühlen.Abwechslungsreiche Methoden, interessante Themen undmotivierend-humorvolle Moderation sind die Schlüssel zueiner positiven Gruppenatmosphäre. Je spannender dieJugendlichen das Training finden, desto höher ist ihre Motiva-tion und desto aktiver werden sie sich beteiligen.

Eine Herausforderung für Anleitende sind die Gruppeneintei-lungen bei Spielen und Übungen, sodass starre Gruppenkon-stellationen aufgelöst werden. Durch abwechslungsreichekurze Übungen können immer wieder neue Gruppenkonstella-tionen entstehen. Für die Teilnehmenden ist transparent, dassunerwünschte Konstellationen nicht von Dauer sind undzusätzlich die Möglichkeit besteht, dass Fremde eine Gemein-samkeit finden, die sie verbindet. Allein hierdurch wird schonein wichtiger Schritt in Richtung Interkulturelle Kompetenzengetan.

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 22: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

22

Um ein Projekt gut weiterentwickeln und auch gut auf andereInstitutionen übertragen zu können, ist es sehr wichtig, dieGelingensbedingungen zu analysieren und zu dokumentieren.In diesem Kapitel werden die Merkmale festgehalten, die ent-weder zum Erfolg des Projekts wesentlich beigetragen habenoder aus denen gelernt werden musste. Sie gelten als Quali-tätsstandards für eine erfolgreiche Implementierung einesInterkulturellen Kompetenztrainings.

Gelingensbedingung: Ziel- und Leistungsvereinbarungen

Ein so umfangreiches und nachhaltiges Projekt, wie es das„Interkulturelle Kompetenztraining“ darstellt, muss in der Ein-richtung kommuniziert und verbindlich festgelegt werden, offi-zielles und verbindliches Ziel für die Einrichtung sein. Nur sokönnen Zeit- und Geldressourcen eingefordert sowie Meilen-steine vereinbart, kontrolliert und das Projekt eventuell nach-gesteuert werden.

Nach dem erfolgreichen ersten Jahr des Interkulturellen Kom-petenztrainings nahm die hier betrachtete Schule das Pro-gramm in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen auf, die auchin die nächsten Schuljahre aufbauend übertragen wurden.Hierdurch bekam das gesamte Projekt eine offizielle Wichtig-keit.

Exkurs: Ziel- und Leistungsvereinbarungen (ZLV)

Seit 2006 sieht das Hamburger Schulgesetz Ziel- und Leis-tungsvereinbarungen (ZLV) als Instrument zur SteuerungSelbstverantworteter Schulen vor. In einer ZLV legen die Schul-leitung und die zuständige Behörde gemeinsam vereinbarteZiele und gegenseitige Leistungsverpflichtungen schriftlichfest. Die gemeinsam ausgehandelten Ziele und die Kriterien,anhand derer die Erreichung dieser Ziele gemessen werdenkann, beziehen sich im Rahmen der Schulentwicklung auf dievon der Schulleitung und den Kollegien für das nächste Schul-jahr verabredeten Schwerpunktmaßnahmen zu ausgewähltenQualitätsbereichen des Orientierungsrahmens „Schulqualität“.Die ZLV gelten für ein Schuljahr. Über den Grad der Zielerrei-

chung berichten die Schulen jeweils zum Schuljahresende.Diese Berichte werden von der Behörde geprüft und unter Hin-zuziehung weiterer Erkenntnisquellen ausgewertet. Im Rahmenvon Zielklärungsgesprächen zwischen Schulleitung und Schul-aufsicht werden für das jeweils folgende Schuljahr die Verein-barungen fortgeschrieben und der Umfang der ZLV auf derGrundlage des „Orientierungsrahmens Schulqualität“ schritt-weise erweitert.

Gelingensbedingung: Alle Gremien unterstützen das Projekt

Der größte Schritt von einer enthusiastischen Einzelaktionhin zu einem nachhaltigen Großprojekt auf stabilen Säulen istdie Unterstützung und Überzeugung aller wichtigen Gremien.In einer Schule sind das

� die Lehrerkonferenz, � der SchülerInnenrat und der Elternrat,� die Schulkonferenz.

Nur wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, kann solchein komplexes Projekt gelingen. An der hier betrachtetenSchule war der größte Erfolg das einstimmige Votum desGesamtkollegiums, das Interkulturelle Kompetenztraining alsfesten Bestandteil der Schule zu integrieren. Wie anfangserwähnt, gab es große Skepsis bei einem Teil des Kollegiums.Die beharrliche Arbeit der Steuergruppe, die positiven Rück-meldungen aus den Trainings, die Einbindung von immer mehrLehrkräften in die Fortbildung und die Trainings und die Ver-besserung der Schulatmosphäre haben dazu geführt, dasstrotz andauernder Engpässe bei Zeit- und Personal-Ressourcendas gesamte Kollegium sich einstimmig für das Training ein-setzte. Der SchülerInnenrat war von Anfang an vom Projektbegeistert und auch der Elternrat hat nach Informationsveran-staltungen das Interkulturelle Kompetenztraining unterstützt.

Gelingensbedingung: Steuergruppe

Es ist unabdingbar, dass eine Steuergruppe alle Phasen desProjekts fachlich begleitet. In der Steuergruppe sollten Vertre-terinnen und Vertreter von allen Gremien sein – und die Klas-

Gelingensbedingungen und StolpersteineWas sein muss – woran es scheitern kann

6

Page 23: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

23

senlehrkräfte der jeweils aktuell durchführenden Klassen. Nurso kann effektiv die aktuelle Lage überprüft und gegebenen-falls auf individuelle Besonderheiten der jeweiligen Klassenund Jahrgänge eingegangen werden. Durch die Ziel- und Leis-tungsvereinbarung wurde an der betrachteten Schule festge-setzt, dass eine Steuergruppe mindestens mit drei Treffen imJahr die Indikatoren der Ziele überprüft und das Programm ver-bindlich für die ganze Schule den Gegebenheiten anpasst.

„Inzwischen kommt von außen praktisch gar keiner mehr.Wir machen das also alles in Eigenregie. Aber ich würde malsagen, zwei Jahre hat es gedauert, bis wir so sicher waren,dass wir gesagt haben, jetzt können wir’s alleine machen.“

Gelingensbedingung: Doppelbesetzung der Trainingsleitung

Die Interkulturellen Kompetenztrainings sollten immer vonzwei Personen in der Trainingsleitung durchgeführt werden.Hierdurch werden die Qualität der Inhalte und das Maß anSelbstreflektion der Anleitenden bedeutend höher. Zusätzlichkann bei schwierigen oder hochemotionalen Situationen eineLehrkraft mit dem betroffenen Schüler außerhalb der Klasseein Einzelgespräch führen, während die andere Lehrkraft mitder Klasse weiterarbeitet und auch die Aufsicht sichergestelltist. Dies ist innerhalb eines Systems oft schwer umzusetzen,da Ressourcen knapp sind. Für die Implementierung des Pro-jekts ist es unbedingt notwendig.

„Eine Doppelbesetzung der Trainings ist unbedingt notwendig,denn das Training erfordert ganz viel Konzentration, damit mannicht jemandem zu nahe tritt, oder auch Grenzen überschreitet,

die man nicht überschreiten darf. Man muss wirklich sehrkonzentriert dabei sein und deswegen muss man jemandenhaben, der hin und wieder übernimmt und einen entlastet.

Das kann man nicht alleine schaffen.“

Gelingensbedingung: Funktionsstunden

Die koordinierende Person in der Schule oder Einrichtung wirdviel Zeit und Energie in das Projekt setzen. Dies tut sie sicher-lich aus Überzeugung und mit Enthusiasmus, dennoch solltedieser Einsatz von der Schulleitung nicht als selbstverständlichgesehen werden. Entlastende Funktionsstunden, also eineStundenanrechnung, können bestimmt nicht den tatsächlichenAufwand aufrechnen. Doch aus zwei Gründen sollten nach derfesten Etablierung des Projekts konkrete Funktionsstundenfestgelegt werden:

� Als tatsächlicher Stundenausgleich, damit zumindest einwenig von der sonstigen Arbeitsbelastung abgenommenwird.

� Als persönliche und offizielle Anerkennung der gesamtenEinrichtung für die übernommenen Koordinations- undImplementierungsaufgaben.

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 24: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

24

Gelingensbedingung: Delegiertensystem

Die Einführung eines Delegiertensystems hat sich als sehrsinnvoll, nachhaltig und ressourcensparend (effektiv) erwie-sen. Gewählte Schülerinnen und Schüler als Vertretungen derteilnehmenden Klassen treffen sich regelmäßig und tauschensich zu den Entwicklungen und Ereignissen in ihren Klassenaus. Auffallend schwierige und auch auffallend positive Ereig-nisse werden besprochen. Unterstützt durch eine Moderationkönnen sie nächste Schritte und Wünsche bezüglich des Inter-kulturellen Projekts formulieren, die u. a. an die Steuergruppeweitergegeben werden. Dies ist eine sehr effektive Form derEvaluierung des Projekts.

Gelingensbedingung: Verknüpfung mit vorhandenenProjekten und Unterrichtseinheiten – statt Inselstatus

In vielen Schulen und Institutionen sind schon Projekte, Prä-ventionsbausteine oder Strukturen vorhanden. Eine wichtigeGelingensbedingung für die sinnvolle Etablierung des Projektszum Interkulturellen Lernen ist die interne Überprüfung derschon vorhandenen Projekte und Bausteine zum Sozialen Ler-nen. Sie sollten entweder in den interkulturellen Kompetenz-kurs integriert werden oder ihn als flankierende Maßnahmenstabilisieren. Weiterhin ist es essenziell, die Themen immerwieder im normalen Unterricht und Schulalltag aufzugreifen.Sie können mit einer Vielzahl von Unterrichtsthemen verknüpftwerden, auch im Zwischenmenschlichen.

„Es ist Verschwendung, einfach nur das Training durchzufüh-ren und dann nie wieder darüber nachzudenken. Man sollte

später als Klassenlehrkraft das Thema immer wieder aufneh-men, mit verschiedenen Unterrichtseinheiten in Verbindung

bringen und auch bei Konflikten darauf zurückgreifen.“

Stolpersteine

Schwierigkeiten, Stolpersteine, Durststrecken sind normal beiProzessen. Werden sie rechtzeitig wahrgenommen, benanntund ernst genommen, ist eine Steuerung möglich. Allen enga-gierten Beteiligten bleibt dann der große Absturz in den Frustund die Verschwendung kostbarer Ressourcen erspart.

W A S B I S T D U ?

Deutscher

Page 25: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

25

Stolperstein: Zeitliche und personelle Ressourcen

Zeit und Personal sind in den meisten Einrichtungen ein knap-pes Gut. Da liegt es nahe, einfache und weniger aufwendigeLösungen auszuprobieren – oft eine im Endeffekt teure Lösung,die das Projekt aushöhlen und Wirkung wie Image gefährdenkann. Wie schon bei den Gelingensbedingungen erwähnt, istbei diesem Projekt besondere Vorsicht geboten, wenn aus per-sonellen oder zeitlichen Gründen die Trainings nur mit eineranleitenden Person durchgeführt werden sollen. An der Fortbil-dung der neuen Lehrkräfte und Doppelbesetzungen zu sparen,ist ein weiterer Stolperstein für das Projekt. Die Erfahrung hatgezeigt, dass die Auswirkungen für die Schulen schnell spürbarsind.

An Schulen werden viele Projekte parallel durchgeführt – Kon-kurrenz inklusive. Prioritäten für die Nutzung von Unterrichts-stunden und die Zeit der Klassenlehrkräfte müssen gesetztwerden. Das kann sich auf die Qualität der einzelnen Trainingsund die Kräfte aller Akteure negativ auswirken. Hier ist dieSteuergruppe gefragt, sich mit den anderen bestehenden Pro-jekten der Schule kurzzuschließen und gemeinsam mit denGremien der Schule sorgfältig aufeinander aufbauende anstattparallele Projekte zu implementieren. Prinzip: Lieber wenigeSchwerpunkte, diese aber dafür richtig!

„Die manchmal fehlende Bereitschaft der Kollegen zurTeilnahme an den Schulungen ist nicht eine Abwertung desThemengebietes per se, sondern einfach Folge der hohenBelastung, denen die Lehrkräfte bereits ausgesetzt sind.

In dem Sinne: Ich bin schon so belastet, ich muss nicht nochwas extra machen.“

„Im Kollegium muss man dafür werben, dass so ein TrainingVorteile hat, dass man die Klasse für sich hat erstmal und vielZeit auch allein ist. Man lernt die Jugendlichen besser kennen,die Leitung der Klasse wird dadurch auch deutlich einfacherund man kann einen viel engeren Kontakt zu den Schülern

herstellen.“

Stolperstein:Stehenbleiben (Stillstand) beim ersten, schnellen Erfolg

Eine Verlockung und Gefahr ist es, sich mit frühen positivenAuswirkungen auf die Atmosphäre in der Klasse zufrieden-zugeben und das Interkulturelle Projekt auf einen Gruppen-findungsprozess zu reduzieren. Sehr verführerisch ist es, dieeigentlichen Themen fallen zu lassen, sobald ein gutes Arbeits-klima vorhanden ist.

Zwei – nachvollziehbare – Gründe gibt es hierfür:

� Der Blick auf die begrenzten Ressourcen Personal und Zeit.� Die Angst vor möglichen Konflikten, wenn heikle Themen

wie Vorurteile, Diskriminierung oder sich widersprechendeWerte in der Klasse besprochen werden.

Die Erfahrung zeigt, dass Konflikte und unterschiedliche Welt-anschauungen meist unter der Oberfläche vorhanden sind undschnell durch kleine Auslöser zutage treten können. Ziel ist esalso, diese Unterschiede in einer vertieften Auseinanderset-zung zu thematisieren und den konstruktiven Umgang mitihnen zu lernen und zu trainieren.

Dies sollte in den ersten Projekttagen geschehen. Eine guteAtmosphäre in der Gruppe erleichtert es, heikle Themen zubearbeiten. Die harte Arbeit an heiklen Themen wiederumkann die Gruppe stärken und das gute Arbeitsklima stabili-sieren. Die Anstrengung lohnt sich!

Wirklich wirkungsvoll wird das Projekt durch die Anbindung anUnterrichtsfächer, weitere Projekttage im Laufe des Schuljah-res und die offene Haltung der Lehrkräfte, heikle Themen anzu-sprechen.

Page 26: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

26

Was hat das Projekt gebracht? Sind positive Ereignisse imund nach dem Projektzeitraum wirklich auf das Projekt zurück-zuführen?

„Es ist so schwer, die Gefühle und die Stimmung innerhalb derKlasse zu evaluieren. Die wichtigen Wirkungen des Interkultu-rellen Kompetenztrainings sind nicht kurzfristig, sondern eherlangfristig angelegt. Man merkt es ja auch nicht innerhalb voneiner Woche, was dabei rauskommt. Das dauert ja teilweise einhalbes Jahr, teilweise ein Jahr, bis man wirklich merkt: aha, eshat gesessen und es hat was gebracht.“

Die Einschätzung dieser am Projekt beteiligten Lehrkraft bringtes auf den Punkt. Wie schön wäre ein Vorher-Nachher-Vergleichmit signifikanten Messwerten … und wie unrealistisch.

Pädagogische Arbeit, Verhaltens- und Haltungsänderung sindlangwierige Prozesse: Große Anstrengung, Widerstand, Freudeüber kleine Erfolge, Wut, Trauer über Rückschläge, Mut zumWeitermachen gehören dazu – immer wieder und über langeZeit.

Das Interkulturelle Kompetenztraining auf Grundlage des Anti-Bias-Ansatzes gibt Impulse. Eigene Einstellungen und dereigene Umgang mit „Anderssein“ kann neu wahrgenommenwerden, neue Handlungsmöglichkeiten kann jeder für sich ent-decken und ausprobieren. Geschieht das als gewollter undgeförderter Teil in einer gesamten Schule – Schule als Systembetrachtet –, verändert sich das Miteinander in dieser Schuleund das Schulklima langfristig.

Eine Vielzahl persönlicher Rückmeldungen aus den Projekt-Jahren spricht für sich und soll diese Dokumentation beenden.

Rückmeldungen Was hat es gebracht?

7

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Page 27: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

27

Das Training selbst hat von Anfang an ein verbessertes Klassenklima undeinen vertrauensvolleren Umgang miteinander erzeugt. Die Klassengemeinschaft konnte

konstruktiv aufgebaut werden.

Alle Klassen besitzen durch das Interkulturelle Kompetenztraining einen realistischen, funktionierendenund akzeptierten Regelkatalog. Die Regeln für den Umgang miteinander wurden gemeinsam entwickelt undhaben weiterhin Bestand. Die Regeln müssen nicht wiederholt werden. Sie zählen zum Bestand im sozialen

Umgang in den Klassen.

Die Teamarbeit innerhalb der Klassen ist enorm gewachsen. Die Jugendlichen sind bereit,sich in Kleingruppen aufzuteilen und eigenständig wie auch effektiv dort zu arbeiten.

Die älteren Jugendlichen haben schon sehr früh auch schwierige Themen besprochen, weil einzelneSchülerinnen und Schüler bereit waren, ihre Außenseiterrolle in anderen Kontexten zu thematisieren.

Dies ist durch eine sehr wertschätzende Atmosphäre im Interkulturellen Kompetenztrainingund im weiteren Verlauf der Klassengemeinschaft gelungen.

(Steuergruppe 2005 – 2010)

Im Vergleich zu anderen Eingangsklassen und auch im Vergleichzu anderen Schulen ist diese Offenheit und Bereitschaft, große Fragen und daraus

möglicherweise resultierende Probleme in der neuen Klasse und Schule anzusprechen, ungewöhnlich.

Die Zahl der Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen, die von den Lehrkräften an die Schulleitungweitergegeben wurden, hatte sich im ersten Jahr auf null reduziert.

„Lästern“ und Beleidigungen haben nicht die Schärfe und eskalierende Wirkung wie in anderen Klassen,die das Training nicht haben. Insgesamt müssen die Klassenlehrkräfte nicht so stark eingreifen und lenken

wie in anderen Jahrgängen.

Die Schülerinnen und Schüler aus allen Projektklassen betonen durchgängig, dass ihnen die Projekttage zuminterkulturellen Kompetenztraining sehr viel Spaß machen.

Insgesamt wurde deutlich, dass sich die Beziehungen zwischen der Schülerschaft und den Lehrkräften verbessert haben.Wenn es auch schwerfällt, dies genau nachzuweisen, so ist die Vermutung, dass dies viel mit einer veränderten Haltung

der Lehrkräfte zu tun hat.

Die Atmosphäre im Lehrerzimmer hat sich eindeutig verbessert durch die enge Zusammenarbeit undAuseinandersetzung mit diesen Themen während des Interkulturellen Kompetenztrainings.

(Steuergruppe 2005 – 2010)

Page 28: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

28

Nicht durch Statistiken, wohl aber anhandvielfältiger positiver Rückmeldungen der Schüler, Eltern und aus dem Stadtteil

kann ein beeindruckender Imagewandel festgestellt werden.

Meine Motivation ist systemisch bedingt. Ich bin hier an die Schule gekommen und da war das InterkulturelleKompetenztraining schon lange etabliert. Unsere Schule ist auch im Stadtteil dafür bekannt, dass Interkulturelles Training eine

große Bedeutung hat. Und das ist die Motivation, dies als guten Ruf und Träger mit weiter zu transportieren oder auch beizubehalten.

Das Interkulturelle Kompetenztraining ist hier eine wichtige Konstante, und das soll auch jetzt in die neuen Klassenmit reingetragen werden. Deswegen werden wir es zusätzlich in den neuen fünften Jahrgängen einführen.

Ebenso wie die Rückmeldungen aus dem Stadtteil bestärken mich die positiven Schülerrückmeldungen. Viele unserer Schülerinnenund Schüler waren an vielen unterschiedlichen Schulen. Oft höre ich zum Abschluss: „Wenn wir das mit anderen Schulen vergleichen,

gibt es hier eine viel, viel angenehmere Atmosphäre.“

Als ich auf der Elternratssitzung bekannt gab, das Interkulturellen Kompetenztraining in der neuen Schulform weiterführenzu wollen, waren die Rückmeldungen durchweg positiv. Eine Aussage war: „Ja, das kenn ich, das ist toll.“

(Neue Schulleitung 2011)

Es war gut, das Thema Macht und Vorurteile zu behandeln,da uns dies im Alltag immer wieder begegnen wird.

Für die Klasse war es sehr gut, spielerisch zu lernen und dass jeder an den Spielen teilgenommen hat.

Die Klasse hat viel über die einzelnen Mitglieder erfahren, die Atmosphäre war sehr gut.Alle haben viel gemeinsam gemacht und es wurde so locker angegangen, ganz anders als Unterricht.

Wir haben es uns ganz anders vorgestellt, dachten wir lernen Streitschlichtung.Aber es war sehr gut und sollte jedes Jahr wiederholt werden und an vielen Schulen gemacht werden.

Hier gibt es viel Toleranz, und an anderen Gymnasien, da ist die Toleranz einfach nicht da.Da werden ziemlich viele ausgegrenzt.

(Schülerinnen und Schüler)

Page 29: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

29

W A S B I S T D U ?

Ein Mensch

Wir sind überzeugt vom Gewinn,den das Training für die Lehrer-Schüler-Beziehung

mit sich bringt. Es gibt ganz viel Profit davon, gerade, wennman das als Klassenlehrkraft macht. Man bekommt einen ganz

anderen Draht zu den Schülern.

Die Haltung im Kollegium hat sich sehr stark gewandeltinzwischen. Es gibt mehr Bewusstsein, wie ich negativ auf

Schüler einwirke, wenn ich eben mal einen Spruch loslass –vielleicht auch im Rausgehen noch. Was ich vielleicht gar nicht

so beabsichtigt habe. Da ist doch ein großes Wachwerdendurchs Kollegium gegangen. Dass das nicht alle

berücksichtigen, ist eine andere Sache.

(Steuergruppe 2011 und Klassenlehrerin)

Page 30: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

30

Zum Weiterlesen:

Anti-Bias-Werkstatt, www.anti-bias-werkstatt.de

Derman-Sparks, L. (1989): „Creating an Anti-Bias Environment“in Anti-Bias Curriculum: Tools for Empowering Young Children.New York, NY: National Association for the Education of YoungChildren

Lünse, D., Nöllenburg, K., Kowalczyk, J., Wanke, F. (2011):Zivilcourage können alle, Verlag an der Ruhr

Zum Nachfragen – die Autorinnen:

Elke Fontaine – [email protected] Nord, Spohrstraße 2, 22083 Hamburg

Katty Nöllenburg – [email protected] – Institut für konstruktive Konfliktaustragung und Mediation,An der Alster 40, 20099 Hamburg

Quellenangaben:

Die Zitate entstammen:

� Projektberichten(ikm, Hamburg, An der Alster 40, Hamburg),

� Christina Wagner, „Gelingensbedingungen der EinführungInterkulturellen Lernens an ausgewählten Gymnasien imRahmen des ,Interkulturellen Kompetenztrainings / Anti-Bias-Trainings für Lehrkräfte in der Sekundarstufe‘ “,Magisterarbeit, Europa-Universität Viadrina,Frankfurt/Oder, Fakultät für Kulturwissenschaften, 2011

Besonderer Dank an:

� Indra Afia für die Abdruckgenehmigung der Liedtexte,� Frau Christina Wagner, die sich für die Kontaktvermittlung

bei ihrer eigenen Recherche mit der Bereitstellung vonMaterial erkenntlich zeigte,

� die Mitglieder der Steuergruppe, die ehemalige und neueSchulleitung, die Lehrkräfte und besonders an die Projekt-koordinatorin Frau Jutta Koll vom Lessing-Gymnasium Ham-burg-Harburg für die großzügige Unterstützung dieser Bro-schüre mit Materialien und ihren Erfahrungen.

Allen war es ein Herzensanliegen, ihre Erfahrungen weiterzu-geben und andere Schulen und viele Menschen zu ermutigen,sich für mehr interkulturelle Kompetenz einzusetzen.

Auch ein Dank an die Schülerinnen und Schüler des Lessing-Gymnasiums Hamburg-Harburg, deren Abschlusspräsentation2008 „Power-Point-Präsentation nach Befragung von Mitschü-lerinnen und Mitschülern“ als Ideengeber für die Gestaltungs-basis dieser Broschüre diente.

Page 31: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

Impressum

Herausgeber: Unfallkasse NordSpohrstraße 2, 22083 Hamburg

Redaktion: Sigrid Jacob; [email protected]

Layout: SoPunkt Agentur GmbH, Hamburg

Fotos: Anuschka Rattunde, Köln

2. Auflage: 1.000 Exemplare (Oktober 2014)

Abdruck der Texte „Regenbogen“ und „Gegen den Strom“ mitfreundlicher Genehmigung von Indra Afia, www.indra-afia.de

Hamburg, August 2011

Page 32: Feuer fangen im interkulturellen Miteinander...Beherrschung der Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer. Wenn im interkulturellen Miteinander eine neue Basis entstehen soll, wird eine

32

Unfallkasse Nord

Standort KielSeekoppelweg 5a24113 KielTelefon 0431 /6407-0Fax 0431 /64 07-450

Standort HamburgSpohrstraße 222083 HamburgTelefon 040/27153-0Fax 040/27153-1000

[email protected]