Feuerverzinken - Sicher ins Jahr 2000

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16 Heft 19/1999 • Feuerverzinken – sicher ins Jahr 2000 Alexander Georgiew • Thomas Schulz Nach rekordverdächtigen drei Monaten konnte das Auto- matisierungsunternehmen Ematik GmbH eine komplexe Anlage zur Feuerverzinkung von Bandstahl mit Übernahme aller vor- handenen Datenbestände erfolgreich bei der Salzgitter AG in Betrieb nehmen. Die schnelle Umstellung des Leitsystems ermöglichte nicht zuletzt die Offenheit des Automatisierungs- systems FactorySuite. Dipl.-Ing. Alexander Georgiew arbeitet in der Instandhaltung im Bereich Stahl und Techno- logie der Salzgitter AG. Dipl.-Ing. Thomas Schulz ist Leiter der Ge- schäftsstelle Berlin der Wonderware GmbH. Automatisierungstechnik Bild 1. Coil mit verzinkten Blech

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Nach rekordverdächtigen drei Monaten konnte das Automatisierungsunternehmen Ematik GmbH eine komplexe Anlage zur Feuerverzinkung von Bandstahl mit Übernahme aller vorhandenen Datenbestände erfolgreich bei der Salzgitter AG in Betrieb nehmen. Die schnelle Umstellung des Leitsystems ermöglichte nicht zuletzt die Offenheit des Automatisierungssystems FactorySuite.

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Mit vorsichtigem Optimismus sieht dieSalzgitter AG, das zweitgrößte stahler-zeugende Unternehmen in Deutschland,dem Abschluß des laufenden Geschäfts-jahrs 1998/99. Trotz der schwierigenStahlkonjunktur und entgegen den düste-ren Prognosen für die Branche hatte derniedersächsische Konzern schon in derersten Hälfte des Geschäftsjahrs schwarzeZahlen geschrieben.

Mit über 7000 Beschäftigten ist der Be-reich Stahl und Technologie der größte inder Unternehmenstruktur. Die Erzeugungvon Flachprodukten konzentriert sich imWerk Salzgitter. Die Produktionsanlagenentsprechen höchsten Standards. Hierwerden Warmbreitband sowie Feinbleche

und oberflächenveredeltes Feinblech mitelektrolytisch- bzw. feuerverzinkter Ober-fläche produziert. Veredeltes Feinblech isteiner der wichtigsten Werkstoffe der Au-tomobilindustrie.

Der Prozeß FeuerverzinkenFür den Ablauf und das Ergebnis des

Feuerverzinkungsprozesses sind die che-mische Zusammensetzung, die Gitter-struktur und die Oberflächenbeschaffen-heit des Grundwerkstoffs von Bedeutung.Sie beeinflussen die Qualität des Zinküber-zugs und die Verarbeitung des Produkts.Eine metallisch blanke Stahloberfläche istdie Grundvoraussetzung für das Feuer-verzinken. In automatisch betriebenen An-lagen wird durch schmelzflüssiges Zinkein Überzug aufgetragen.

Um die komplexen Fertigungsverfah-ren beherrschen zu können, müssen We-ge gefunden werden, die umfangreichenProduktions- und Betriebsdaten flexibelhandhaben zu können. Nur eine automa-tisierte Produktion auf Basis modernerSystemtechnik ermöglicht es, die Pro-dukte kostengünstig zu fertigen und fle-xibel an die Erfordernisse des Markts an-zupassen. Obwohl sicherlich primär dieAkzeptanz des Produkts durch den Marktüber die Wettbewerbsfähigkeit entschei-det, ist die Wahl der technischen Mittel zuseiner Herstellung von maßgeblichemEinfluß.

Eine kontinuierliche Feuerverzink-ungsanlage besteht aus drei Hauptberei-chen. Ausgangspunkt ist der Einlaufteil,welcher zur Bundvorbereitung dient. Hierwird abwechselnd von zwei Abwicklernkaltgewalztes Blech in die Anlage gefah-ren. Die sogenannten Coils können 32 tschwer und bei einer Banddicke von0,36 mm bis zu 8 km lang sein. Der Coil-durchmesser beträgt dann 2100 mm. EineQuetschnahtschweißmaschine schweißtdie Coils aneinander.

Im anschließenden kontinuierlichenBehandlungsteil wird das Blech zuerst beieiner bis zu 880 °C hohen Blechtempera-tur spannungsarm geglüht. Der Ofen ver-brennt dazu pro Stunde 2500 m3 Erdgas.Damit könnte man zwei Einfamilienhäu-ser ein Jahr beheizen. Unter einer Was-serstoffatmosphäre wird das Blech dannwieder auf Verzinkungstemperatur von450 °C gekühlt, um mit max. 175 m/mindurch ein Zinkbad zu laufen.

Durch den Wasserstoff wird die Ober-fläche aktiviert, um sich mit dem Zink zuverbinden. Mittels zweier Schlitzdüsen,die mit definiertem Druck das überschüs-sige Zink vom Blech wieder in das Zink-bad blasen, läßt sich die Dicke der Zink-schicht einstellen. Nach einem Luftkühlermit anschließendem Wasserkühler hatsich das Band wieder auf 30 °C abgekühlt(Bild 1).

Durch den Ofenprozeß ist das Blechnicht ideal plan, auch die Oberflächewird sehr glatt. Mit einem Nachwalz-gerüst, auch Dressiergerüst genannt, prä-gen die Stahlwerker eine definierte Rau-heit in das Blech – wichtig für eine spä-tere Lackierung. Ein Streckrichtgerüstzieht das Blech absolut plan. Abschlie-ßend folgt als Nachbehandlung eineOberflächenversiegelung durch Chroma-tierung und elektrostatische Ölung.

Im Auslaufbereich müssen jetzt wiederCoils gewickelt werden, um das mittler-weile verzinkte Blech für die Weiterver-arbeitung zu versenden. Aus diesen Ble-chen entstehen z. B. Autokarosserien,Lüftungsschächte, Lampen, Schubkarrenund Profile.

Kontinuität in derSoftwareentwicklung

Anwendungen auf Windows-basiertenSystemen gehören heute zum Standard inder Automatisierungstechnik. Dies ist ne-ben der rasanten Entwicklung der Re-chentechnik vor allem der Betriebssicher-heit von Microsoft Windows NT 4.0 zuverdanken. Leistungsfähige objektorien-

Feuerverzinken – sicher ins Jahr 2000

Alexander Georgiew • Thomas Schulz

Nach rekordverdächtigen drei Monaten konnte das Auto-matisierungsunternehmen Ematik GmbH eine komplexe Anlage zur Feuerverzinkung von Bandstahl mit Übernahme aller vor-handenen Datenbestände erfolgreich bei der Salzgitter AG inBetrieb nehmen. Die schnelle Umstellung des Leitsystemsermöglichte nicht zuletzt die Offenheit des Automatisierungs-systems FactorySuite.

Dipl.-Ing. Alexander Georgiew arbeitet in derInstandhaltung im Bereich Stahl und Techno-logie der Salzgitter AG.

Dipl.-Ing. Thomas Schulz ist Leiter der Ge-schäftsstelle Berlin der Wonderware GmbH.

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Bild 1. Coil mit verzinkten Blech

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tierte Automatisierungswerkzeuge wie dieFactorySuite 2000 bilden den Kern der Ap-plikationen von Leitsystemen. Damit ent-stehen Lösungen für die unterschiedlichenIndustriebereiche mit Skalierungsstufenvon einzelnen Maschinen oder Anlagenbis zu ganzen Bereichen und Fabriken.

Der Jahrtausendwechsel steht vor derTür; die Unsicherheit der Anwenderwächst: Welche Programme werden nachSilvester 1999 noch ordnungsgemäß lau-fen, welcher Rechner wird klaglos auchüber dieses Datum hinaus seine Aufgabenerfüllen und wo tauchen Probleme auf?Alle Wonderware-Module der FactorySuite 2000, die nach dem 14. April 1997freigegeben wurden, erfüllen folgendeswichtiges Kriterium in puncto Design,Entwicklung, Qualitätskontrolle und Sup-port: Kein Datumswert für das aktuelleDatum verursacht einen unerwartetenProgrammabbruch. Das Jahr 2000 wirdselbstverständlich als Schaltjahr erkannt.

Diese konsequente Kontinuität in derSoftwareentwicklung sowie die langjährigeBewährung im harten Praxiseinsatz be-eindruckte auch die Planer in der Salz-gitter AG. Es galt bei exakter Einhaltungder vorgegebenen Zeitfenster die vorhan-dene Software eines anderen Anbietersabzulösen. Wonderware arbeitet dabeiseit Jahren mit qualifizierten Systeminte-

gratoren zusammen. Diese entwickelnmit ihren branchenspezifischen Erfah-rungen auf Grundlage der FactorySuite2000 maßgeschneiderte Leitsysteme fürhöchste Qualitätsansprüche.

Aufgrund ihrer Referenzen wurde dieEmatik GmbH mit diesem Projekt beauf-tragt. Basis des mittelständischen Unter-nehmens bildet die nahtlose Verbindungvon konsequenter Kundenorientierung,

präziser Projektplanung und zukunfts-weisender technischer Ausstattung derArbeitsmittel. Die zur Verfügung stehen-de Zeit war denkbar knapp bemessen.Zwischen Auftragsvergabe und Lieferungeinschließlich Endabnahme lagen nurdrei Monate. Eine hohe Einsatzbereit-schaft aller Mitarbeiter machten letzt-endlich die erfolgreiche Installation desneuen Leitsystems möglich.

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Bild 2. Topologie Bandstahlverzinkungsanlage

Zentrale LeitwarteMaterial Material Streckrichter Einlauf Auslauf Dressiergerüst

TCP/IP

H1-BusRedundante Datenbankserver

SteuerungS5-155U

Bürobereich

Bediener-stände

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Leitstand als vernetzte Client-Server-Lösung

Der Optimierung der Bedienung vonFeuerverzinkungsanlagen kommt eineimmer größere Bedeutung zu. Das Bedien-personal wird mit mehr Aufgaben betrautund kann sich nicht mehr nur um einenAnlagenteil kümmern. Die Verfügbarkeitder Produktionsanlage muß optimiert wer-den. Pro Monat werden hier 45000 t Blechvon 0,36 mm bis 4,00 mm verzinkt. Die An-lage läuft über 350 Tage im Jahr im fünf-schichtigen Betrieb. Dies erfordert, die Be-dienstrukturen zu vereinfachen und dengesamten Informationsgehalt aus den ver-schiedenen Teilen konzentriert und in über-sichtlicher Form darzustellen.

Die praxisbezogene Darstellung machtdie Anlage für den Bediener selbsterklä-rend und einfach. Von hier können diverseSollwerte vorgegeben und alle anderenBilder der Applikation aufgerufen wer-den. Im Hintergrund speichert der Daten-bank-Server automatisch Störmeldungenund Prozeßdaten. Der Server-PC kann eingut ausgestatteter Standard-PC sein, dasBudget und die Anforderungen des An-wenders bestimmt die Grenze der einge-

setzten Hardware. Bei der Salzgitter AGwurden redundant ausgelegte Server miteiner Anschaltung über H1-Bus zu deneingesetzten SPS Simatic S5 155 U reali-siert (Bild 2).

Hauptmerkmal von Visualisierungs-systemen ist ihre Fähigkeit, grafische Ob-jekte mit Animationen zu versehen. In-Touch bietet hierbei als Frontend und Be-dieninterface der FactorySuite 2000 vie-le Möglichkeiten, Prozeßzustände reali-stisch und anwenderfreundlich nachzu-bilden. So lassen sich Objekte auf dem Bild-schirm bewegen, so daß sie ihre Größe ver-ändern oder ihre Farbe wechseln. Weiter-hin ist es möglich, Grafikobjekte horizon-tal oder vertikal zu füllen oder zu drehenbzw. ihre Sichtbarkeit zu verändern. Mitverschiedenartigen Animationsverknüp-fungen kann praktisch jede Applikations-strategie abgedeckt werden (Bild 3).

Das System ermöglicht den Zugriff aufdie gesamten Betriebsdaten der einzelnenAggregate. Dazu gehört neben der Ver-waltung von Soll- und Istwerten in Re-zepturen die Präsentation von Störmel-dungen und die Analysemöglichkeit ver-schiedener Prozeßzustände mittels freikonfigurierbaren Trendfunktionen. AuchObjekten und Objektgruppen einschließ-lich ihrer Prozeßverknüpfung könnenhinsichtlich Zeiteinsparung in einer Bi-bliothek abgespeichert und wiederver-wendet werden. Somit erhält auch derBediener ein Maß an Übersichtlichkeit fürseine Anlage (Bild 4 und 5).

Datenhaltung:Topologie und Struktur

Eine zentrale Datenhaltung, in der dieanfallenden Daten aller Anlagenteile er-faßt und archiviert werden, ist heute Be-

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Bild 4. Prozeßbild Anlagenübersicht

Bild 3. Blick in die zentrale Leitwarte

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standteil eines modernen Leitsystems. DieFactorySuite 2000 läßt es von ihrer Struk-tur her zu, daß neben Anlagenbedienerauch andere Bereiche im Unternehmen be-quem mit beliebigen Softwaresystemen aufdie Echtzeitdaten, die historischen Datenund die Konfigurationsdaten zugreifen kön-nen. Je nach Zugriffsberechtigung kön-nen diese aktiv verändert oder eben nurpassiv angezeigt, analysiert und ausge-wertet werden.

Relationale Datenbanken bieten zusätz-lich den Vorteil der einfachen Abfrage-möglichkeit mit Hilfe von Standardwerk-zeugen über SQL. Zugegriffen werden kannüber Clients aus dem Hause Wonderwaresowie über handelsübliche Software wieMicrosoft-Office oder andere Lösungen.Die Anwendung der Feuerverzinkungs-anlage nutzt für den Zugriff in der zen-tralen Leitwarte und den prozeßnahenBedienstationen mehrere FactorySuite-Runtime, mit denen die Bediener aktiv inden Prozeß eingreifen können. Im Büro-bereich geben zehn FactoryFocus-Ar-beitsplätze mit Nur-Lesezugriff Auskunftüber die Produktion der Anlage.

Grundvoraussetzung für das Interfacean das bestehende kaufmännische Unter-nehmensplanungsssystem (ERP) stellt dieStrukturierung der Datenbestände dar. Pro-zeßdaten werden ohne Bezug zu einemAuftrag mit einem Zeitstempel versehenabgelegt. Hier steht die Produktionstech-nologie im Mittelpunkt der systematischenGegebenheiten. Anhand späterer Daten-analysen werden somit qualifizierte Aus-sagen über den Produktionsverlauf ge-troffen. Auf diese Weise erhöht sich die Re-produzierbarkeit der Vorgänge effizient.

Die konsequente Fortsetzung des obenbeschriebenen Konzepts ist die auftrags-bezogene Prozeßdatenarchivierung. MitHilfe dieser Erweiterung kann ein lücken-

loser Nachweis der angewandten Pro-duktionsmethoden geführt werden. EineKorrelation zwischen gefertigtem Losenund aufgenommenen Daten wird erreicht,Technologieoptimierungen vorgenommen.

Die gesamte Funktion der Anlage mußerfaßt und dabei Betriebszustände doku-mentiert werden. Aus Haftungsgründenmacht es sich erforderlich, Betriebsdatenüber längere Zeitabschnitte vorzuhalten.Dies geht nur mit einer ausgefeilten Daten-erfassung und -auswertung. Bei der Sys-teminstallation übernahm man ebenfallsdie kompletten vorhandenen Datenbe-stande ohne Verluste in die FactorySuite2000.

Die vorhandenen Daten importierte da-bei die Ematik GmbH bereits in ihremHause bei einem Testaufbau. Der Feinab-gleich der letzten Tage erfolgte bei der In-betriebnahme während des planmäßigenAnlagenstillstands. Die eigentliche Um-rüstung des Leitsystems vor Ort dauerteletztendlich dann nur zwei Tage. So kanndie Salzgitter AG als Betreiber auch nochin einigen Jahren die qualitätsgerechteProduktion zurück bis zur ursprünglichenersten Inbetriebnahme der Anlage doku-mentieren.

Erst Jahre nach der Inbetriebnahme ei-ner Anlage zeigt sich für den Betreiber,ob seine Auswahl richtig und seine Inve-stitionen damit geschützt sind. Wonder-ware investiert erhebliche Mittel in dieautomatische Konvertierung der Struktu-ren älterer Projekte auf den neusten Soft-warestand. Aber auch bei Neuprojektie-rungen wie dieser Feuerverzinkungsan-lage rechnet sich die ergonomische Hand-habung der Software. Die Systemliefe-ranten konnten mit vertretbaren Engi-neeringaufwendungen und überschau-baren Investitionsrahmen erfolgreich um-stellen. ■

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Bild 5. Regler mit Trendverlauf