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16 Heft 19/1999 •

Mit vorsichtigem Optimismus sieht dieSalzgitter AG, das zweitgrößte stahler-zeugende Unternehmen in Deutschland,dem Abschluß des laufenden Geschäfts-jahrs 1998/99. Trotz der schwierigenStahlkonjunktur und entgegen den düste-ren Prognosen für die Branche hatte derniedersächsische Konzern schon in derersten Hälfte des Geschäftsjahrs schwarzeZahlen geschrieben.

Mit über 7000 Beschäftigten ist der Be-reich Stahl und Technologie der größte inder Unternehmenstruktur. Die Erzeugungvon Flachprodukten konzentriert sich imWerk Salzgitter. Die Produktionsanlagenentsprechen höchsten Standards. Hierwerden Warmbreitband sowie Feinbleche

und oberflächenveredeltes Feinblech mitelektrolytisch- bzw. feuerverzinkter Ober-fläche produziert. Veredeltes Feinblech isteiner der wichtigsten Werkstoffe der Au-tomobilindustrie.

Der Prozeß FeuerverzinkenFür den Ablauf und das Ergebnis des

Feuerverzinkungsprozesses sind die che-mische Zusammensetzung, die Gitter-struktur und die Oberflächenbeschaffen-heit des Grundwerkstoffs von Bedeutung.Sie beeinflussen die Qualität des Zinküber-zugs und die Verarbeitung des Produkts.Eine metallisch blanke Stahloberfläche istdie Grundvoraussetzung für das Feuer-verzinken. In automatisch betriebenen An-lagen wird durch schmelzflüssiges Zinkein Überzug aufgetragen.

Um die komplexen Fertigungsverfah-ren beherrschen zu können, müssen We-ge gefunden werden, die umfangreichenProduktions- und Betriebsdaten flexibelhandhaben zu können. Nur eine automa-tisierte Produktion auf Basis modernerSystemtechnik ermöglicht es, die Pro-dukte kostengünstig zu fertigen und fle-xibel an die Erfordernisse des Markts an-zupassen. Obwohl sicherlich primär dieAkzeptanz des Produkts durch den Marktüber die Wettbewerbsfähigkeit entschei-det, ist die Wahl der technischen Mittel zuseiner Herstellung von maßgeblichemEinfluß.

Eine kontinuierliche Feuerverzink-ungsanlage besteht aus drei Hauptberei-chen. Ausgangspunkt ist der Einlaufteil,welcher zur Bundvorbereitung dient. Hierwird abwechselnd von zwei Abwicklernkaltgewalztes Blech in die Anlage gefah-ren. Die sogenannten Coils können 32 tschwer und bei einer Banddicke von0,36 mm bis zu 8 km lang sein. Der Coil-durchmesser beträgt dann 2100 mm. EineQuetschnahtschweißmaschine schweißtdie Coils aneinander.

Im anschließenden kontinuierlichenBehandlungsteil wird das Blech zuerst beieiner bis zu 880 °C hohen Blechtempera-tur spannungsarm geglüht. Der Ofen ver-brennt dazu pro Stunde 2500 m3 Erdgas.Damit könnte man zwei Einfamilienhäu-ser ein Jahr beheizen. Unter einer Was-serstoffatmosphäre wird das Blech dannwieder auf Verzinkungstemperatur von450 °C gekühlt, um mit max. 175 m/mindurch ein Zinkbad zu laufen.

Durch den Wasserstoff wird die Ober-fläche aktiviert, um sich mit dem Zink zuverbinden. Mittels zweier Schlitzdüsen,die mit definiertem Druck das überschüs-sige Zink vom Blech wieder in das Zink-bad blasen, läßt sich die Dicke der Zink-schicht einstellen. Nach einem Luftkühlermit anschließendem Wasserkühler hatsich das Band wieder auf 30 °C abgekühlt(Bild 1).

Durch den Ofenprozeß ist das Blechnicht ideal plan, auch die Oberflächewird sehr glatt. Mit einem Nachwalz-gerüst, auch Dressiergerüst genannt, prä-gen die Stahlwerker eine definierte Rau-heit in das Blech – wichtig für eine spä-tere Lackierung. Ein Streckrichtgerüstzieht das Blech absolut plan. Abschlie-ßend folgt als Nachbehandlung eineOberflächenversiegelung durch Chroma-tierung und elektrostatische Ölung.

Im Auslaufbereich müssen jetzt wiederCoils gewickelt werden, um das mittler-weile verzinkte Blech für die Weiterver-arbeitung zu versenden. Aus diesen Ble-chen entstehen z. B. Autokarosserien,Lüftungsschächte, Lampen, Schubkarrenund Profile.

Kontinuität in derSoftwareentwicklung

Anwendungen auf Windows-basiertenSystemen gehören heute zum Standard inder Automatisierungstechnik. Dies ist ne-ben der rasanten Entwicklung der Re-chentechnik vor allem der Betriebssicher-heit von Microsoft Windows NT 4.0 zuverdanken. Leistungsfähige objektorien-

Feuerverzinken – sicher ins Jahr 2000

Alexander Georgiew • Thomas Schulz

Nach rekordverdächtigen drei Monaten konnte das Auto-matisierungsunternehmen Ematik GmbH eine komplexe Anlage zur Feuerverzinkung von Bandstahl mit Übernahme aller vor-handenen Datenbestände erfolgreich bei der Salzgitter AG inBetrieb nehmen. Die schnelle Umstellung des Leitsystemsermöglichte nicht zuletzt die Offenheit des Automatisierungs-systems FactorySuite.

Dipl.-Ing. Alexander Georgiew arbeitet in derInstandhaltung im Bereich Stahl und Techno-logie der Salzgitter AG.

Dipl.-Ing. Thomas Schulz ist Leiter der Ge-schäftsstelle Berlin der Wonderware GmbH.

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Bild 1. Coil mit verzinkten Blech

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tierte Automatisierungswerkzeuge wie dieFactorySuite 2000 bilden den Kern der Ap-plikationen von Leitsystemen. Damit ent-stehen Lösungen für die unterschiedlichenIndustriebereiche mit Skalierungsstufenvon einzelnen Maschinen oder Anlagenbis zu ganzen Bereichen und Fabriken.

Der Jahrtausendwechsel steht vor derTür; die Unsicherheit der Anwenderwächst: Welche Programme werden nachSilvester 1999 noch ordnungsgemäß lau-fen, welcher Rechner wird klaglos auchüber dieses Datum hinaus seine Aufgabenerfüllen und wo tauchen Probleme auf?Alle Wonderware-Module der FactorySuite 2000, die nach dem 14. April 1997freigegeben wurden, erfüllen folgendeswichtiges Kriterium in puncto Design,Entwicklung, Qualitätskontrolle und Sup-port: Kein Datumswert für das aktuelleDatum verursacht einen unerwartetenProgrammabbruch. Das Jahr 2000 wirdselbstverständlich als Schaltjahr erkannt.

Diese konsequente Kontinuität in derSoftwareentwicklung sowie die langjährigeBewährung im harten Praxiseinsatz be-eindruckte auch die Planer in der Salz-gitter AG. Es galt bei exakter Einhaltungder vorgegebenen Zeitfenster die vorhan-dene Software eines anderen Anbietersabzulösen. Wonderware arbeitet dabeiseit Jahren mit qualifizierten Systeminte-

gratoren zusammen. Diese entwickelnmit ihren branchenspezifischen Erfah-rungen auf Grundlage der FactorySuite2000 maßgeschneiderte Leitsysteme fürhöchste Qualitätsansprüche.

Aufgrund ihrer Referenzen wurde dieEmatik GmbH mit diesem Projekt beauf-tragt. Basis des mittelständischen Unter-nehmens bildet die nahtlose Verbindungvon konsequenter Kundenorientierung,

präziser Projektplanung und zukunfts-weisender technischer Ausstattung derArbeitsmittel. Die zur Verfügung stehen-de Zeit war denkbar knapp bemessen.Zwischen Auftragsvergabe und Lieferungeinschließlich Endabnahme lagen nurdrei Monate. Eine hohe Einsatzbereit-schaft aller Mitarbeiter machten letzt-endlich die erfolgreiche Installation desneuen Leitsystems möglich.

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Bild 2. Topologie Bandstahlverzinkungsanlage

Zentrale LeitwarteMaterial Material Streckrichter Einlauf Auslauf Dressiergerüst

TCP/IP

H1-BusRedundante Datenbankserver

SteuerungS5-155U

Bürobereich

Bediener-stände

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Leitstand als vernetzte Client-Server-Lösung

Der Optimierung der Bedienung vonFeuerverzinkungsanlagen kommt eineimmer größere Bedeutung zu. Das Bedien-personal wird mit mehr Aufgaben betrautund kann sich nicht mehr nur um einenAnlagenteil kümmern. Die Verfügbarkeitder Produktionsanlage muß optimiert wer-den. Pro Monat werden hier 45000 t Blechvon 0,36 mm bis 4,00 mm verzinkt. Die An-lage läuft über 350 Tage im Jahr im fünf-schichtigen Betrieb. Dies erfordert, die Be-dienstrukturen zu vereinfachen und dengesamten Informationsgehalt aus den ver-schiedenen Teilen konzentriert und in über-sichtlicher Form darzustellen.

Die praxisbezogene Darstellung machtdie Anlage für den Bediener selbsterklä-rend und einfach. Von hier können diverseSollwerte vorgegeben und alle anderenBilder der Applikation aufgerufen wer-den. Im Hintergrund speichert der Daten-bank-Server automatisch Störmeldungenund Prozeßdaten. Der Server-PC kann eingut ausgestatteter Standard-PC sein, dasBudget und die Anforderungen des An-wenders bestimmt die Grenze der einge-

setzten Hardware. Bei der Salzgitter AGwurden redundant ausgelegte Server miteiner Anschaltung über H1-Bus zu deneingesetzten SPS Simatic S5 155 U reali-siert (Bild 2).

Hauptmerkmal von Visualisierungs-systemen ist ihre Fähigkeit, grafische Ob-jekte mit Animationen zu versehen. In-Touch bietet hierbei als Frontend und Be-dieninterface der FactorySuite 2000 vie-le Möglichkeiten, Prozeßzustände reali-stisch und anwenderfreundlich nachzu-bilden. So lassen sich Objekte auf dem Bild-schirm bewegen, so daß sie ihre Größe ver-ändern oder ihre Farbe wechseln. Weiter-hin ist es möglich, Grafikobjekte horizon-tal oder vertikal zu füllen oder zu drehenbzw. ihre Sichtbarkeit zu verändern. Mitverschiedenartigen Animationsverknüp-fungen kann praktisch jede Applikations-strategie abgedeckt werden (Bild 3).

Das System ermöglicht den Zugriff aufdie gesamten Betriebsdaten der einzelnenAggregate. Dazu gehört neben der Ver-waltung von Soll- und Istwerten in Re-zepturen die Präsentation von Störmel-dungen und die Analysemöglichkeit ver-schiedener Prozeßzustände mittels freikonfigurierbaren Trendfunktionen. AuchObjekten und Objektgruppen einschließ-lich ihrer Prozeßverknüpfung könnenhinsichtlich Zeiteinsparung in einer Bi-bliothek abgespeichert und wiederver-wendet werden. Somit erhält auch derBediener ein Maß an Übersichtlichkeit fürseine Anlage (Bild 4 und 5).

Datenhaltung:Topologie und Struktur

Eine zentrale Datenhaltung, in der dieanfallenden Daten aller Anlagenteile er-faßt und archiviert werden, ist heute Be-

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Bild 4. Prozeßbild Anlagenübersicht

Bild 3. Blick in die zentrale Leitwarte

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standteil eines modernen Leitsystems. DieFactorySuite 2000 läßt es von ihrer Struk-tur her zu, daß neben Anlagenbedienerauch andere Bereiche im Unternehmen be-quem mit beliebigen Softwaresystemen aufdie Echtzeitdaten, die historischen Datenund die Konfigurationsdaten zugreifen kön-nen. Je nach Zugriffsberechtigung kön-nen diese aktiv verändert oder eben nurpassiv angezeigt, analysiert und ausge-wertet werden.

Relationale Datenbanken bieten zusätz-lich den Vorteil der einfachen Abfrage-möglichkeit mit Hilfe von Standardwerk-zeugen über SQL. Zugegriffen werden kannüber Clients aus dem Hause Wonderwaresowie über handelsübliche Software wieMicrosoft-Office oder andere Lösungen.Die Anwendung der Feuerverzinkungs-anlage nutzt für den Zugriff in der zen-tralen Leitwarte und den prozeßnahenBedienstationen mehrere FactorySuite-Runtime, mit denen die Bediener aktiv inden Prozeß eingreifen können. Im Büro-bereich geben zehn FactoryFocus-Ar-beitsplätze mit Nur-Lesezugriff Auskunftüber die Produktion der Anlage.

Grundvoraussetzung für das Interfacean das bestehende kaufmännische Unter-nehmensplanungsssystem (ERP) stellt dieStrukturierung der Datenbestände dar. Pro-zeßdaten werden ohne Bezug zu einemAuftrag mit einem Zeitstempel versehenabgelegt. Hier steht die Produktionstech-nologie im Mittelpunkt der systematischenGegebenheiten. Anhand späterer Daten-analysen werden somit qualifizierte Aus-sagen über den Produktionsverlauf ge-troffen. Auf diese Weise erhöht sich die Re-produzierbarkeit der Vorgänge effizient.

Die konsequente Fortsetzung des obenbeschriebenen Konzepts ist die auftrags-bezogene Prozeßdatenarchivierung. MitHilfe dieser Erweiterung kann ein lücken-

loser Nachweis der angewandten Pro-duktionsmethoden geführt werden. EineKorrelation zwischen gefertigtem Losenund aufgenommenen Daten wird erreicht,Technologieoptimierungen vorgenommen.

Die gesamte Funktion der Anlage mußerfaßt und dabei Betriebszustände doku-mentiert werden. Aus Haftungsgründenmacht es sich erforderlich, Betriebsdatenüber längere Zeitabschnitte vorzuhalten.Dies geht nur mit einer ausgefeilten Daten-erfassung und -auswertung. Bei der Sys-teminstallation übernahm man ebenfallsdie kompletten vorhandenen Datenbe-stande ohne Verluste in die FactorySuite2000.

Die vorhandenen Daten importierte da-bei die Ematik GmbH bereits in ihremHause bei einem Testaufbau. Der Feinab-gleich der letzten Tage erfolgte bei der In-betriebnahme während des planmäßigenAnlagenstillstands. Die eigentliche Um-rüstung des Leitsystems vor Ort dauerteletztendlich dann nur zwei Tage. So kanndie Salzgitter AG als Betreiber auch nochin einigen Jahren die qualitätsgerechteProduktion zurück bis zur ursprünglichenersten Inbetriebnahme der Anlage doku-mentieren.

Erst Jahre nach der Inbetriebnahme ei-ner Anlage zeigt sich für den Betreiber,ob seine Auswahl richtig und seine Inve-stitionen damit geschützt sind. Wonder-ware investiert erhebliche Mittel in dieautomatische Konvertierung der Struktu-ren älterer Projekte auf den neusten Soft-warestand. Aber auch bei Neuprojektie-rungen wie dieser Feuerverzinkungsan-lage rechnet sich die ergonomische Hand-habung der Software. Die Systemliefe-ranten konnten mit vertretbaren Engi-neeringaufwendungen und überschau-baren Investitionsrahmen erfolgreich um-stellen. ■

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Bild 5. Regler mit Trendverlauf