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Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren: Chancen und Grenzen am Beispiel des Planvereinheitlichungsgesetzes Von Univ.-Prof. Dr. Anja Seibert-Fohr LL.M. (GWU)* I. Das Fachplanungsverfahren am Beispiel von Stuttgart 21 ........................ 313 II. Gesetzliche Neuerung: Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem PlanVereinhG 315 III. Funktion der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ............................... 317 1. Besonderheiten der Fachplanung im Vergleich zur Bauleitplanung ............. 317 a) Beteiligtenkreis ..................................................... 317 b) Beteiligungsgegenstand .............................................. 318 aa) Verschiedenheit der Entscheidungsträger ............................ 318 bb) Planungsstufen .................................................. 319 2. Legitimationswirkung .................................................. 320 IV. Bewertung des PlanVereinhG .............................................. 322 V. Schlussbetrachtung ....................................................... 324 Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat aufgrund von Bürgerprotesten gezeigt, dass Planungsentscheidungen zu Großprojekten, d. h. raumbedeutsame Vorhaben mit Auswirkungen auf eine große Anzahl von Betroffenen, zunehmend unter Druck geraten. 1 Die Akzeptanz solcher Vorhaben, seien dies nun Flughäfen, Energieleitun- gen oder Bahnhöfe, schwindet und damit gerät nicht nur die Politik unter Druck, sondern auch die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit einmal getroffener Pla- nungsentscheidungen. Zwar mag man die Akzeptanz als eine Frage jenseits herkömmlicher Rechtsprin- zipien betrachten, 2 Rechtssicherheit ist aber sehr wohl ein Anliegen unseres demo- kratischen Rechtsstaats. Es ist Aufgabe von Planungsverfahren, Entscheidungen herbeizuführen, die unter sorgfältiger Abwägung privater und öffentlicher Belange zu bestandskräftigen Entscheidungen führen und die nach Ausschöpfung der beste- henden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht wieder revidiert werden. 3 Maßgeblich da- für ist ein Verfahren, in dem alle relevanten Aspekte vorgebracht werden können, so * Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, Georg-August-Universität Göttin- gen. Mein Dank geht an meine Mitarbeiterin Jenny Laube für ihre wertvolle Unterstützung bei der Literaturrecherche und Benjamin Nußberger für die redaktionelle Überarbeitung des Beitrags. 1 Burgi/Durner , Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG – Transparenz, Bürgerfreundlichkeit und Perspektiven der Bürgerbeteiligung insbesondere in Ver- fahren der Eröffnungskontrolle, 2012, S. 149; Landtag Nordrhein-Westfalen, Plenarprotokoll 15/35 vom 19. 5. 2011, 3413 ff.; Sauer , Großvorhaben als Herausforderung für den demokrati- schen Rechtsstaat, DVBl 2012, 1082 (1083 f.); Stüer (Hrsg.), Planung von Großvorhaben, 1999. 2 Ronellenfitsch, Durchsetzung von Großprojekten (Stuttgart 21), in: Ronellenfitsch (Hrsg.), Aktu- elle Probleme des Eisenbahnrechts XVII, 2012, S. 13 (23); anderer Ansicht Schmidt-Aßmann, Das Allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 102. Er rechnet Akzeptanz der ideellen Schicht des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips zu. Mann sieht in der Akzeptanz keinen eigenständigen rechtsdogmatischen Legitimationsmodus staatlichen Handelns. Mann, Großvorhaben als Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat, VVDStRL 71 (2012), 544 (570). 3 Gegen eine Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien über Wege unmittelbarer Demokratie Kne- meyer , Wenn Bürger begehren: Bilanz und Ausblick nach 16 Jahren Bürgerbeteiligung, BayVBl. 2011, 681 (683 f.). 311

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Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren: Chancen undGrenzen am Beispiel des Planvereinheitlichungsgesetzes

Von Univ.-Prof. Dr. Anja Seibert-Fohr LL.M. (GWU)*

I. Das Fachplanungsverfahren am Beispiel von Stuttgart 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313II. Gesetzliche Neuerung: Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nach dem PlanVereinhG 315

III. Funktion der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3171. Besonderheiten der Fachplanung im Vergleich zur Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . 317

a) Beteiligtenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317b) Beteiligungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318

aa) Verschiedenheit der Entscheidungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318bb) Planungsstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319

2. Legitimationswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320IV. Bewertung des PlanVereinhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322V. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

Die Erfahrung der vergangenen Jahre hat aufgrund von Bürgerprotesten gezeigt,dass Planungsentscheidungen zu Großprojekten, d. h. raumbedeutsame Vorhabenmit Auswirkungen auf eine große Anzahl von Betroffenen, zunehmend unter Druckgeraten.1 Die Akzeptanz solcher Vorhaben, seien dies nun Flughäfen, Energieleitun-gen oder Bahnhöfe, schwindet und damit gerät nicht nur die Politik unter Druck,sondern auch die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit einmal getroffener Pla-nungsentscheidungen.

Zwar mag man die Akzeptanz als eine Frage jenseits herkömmlicher Rechtsprin-zipien betrachten,2 Rechtssicherheit ist aber sehr wohl ein Anliegen unseres demo-kratischen Rechtsstaats. Es ist Aufgabe von Planungsverfahren, Entscheidungenherbeizuführen, die unter sorgfältiger Abwägung privater und öffentlicher Belangezu bestandskräftigen Entscheidungen führen und die nach Ausschöpfung der beste-henden Rechtsschutzmöglichkeiten nicht wieder revidiert werden.3 Maßgeblich da-für ist ein Verfahren, in dem alle relevanten Aspekte vorgebracht werden können, so

* Professur für Öffentliches Recht, insbesondere Völkerrecht, Georg-August-Universität Göttin-gen. Mein Dank geht an meine Mitarbeiterin Jenny Laube für ihre wertvolle Unterstützung bei derLiteraturrecherche und Benjamin Nußberger für die redaktionelle Überarbeitung des Beitrags.

1 Burgi/Durner, Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG –Transparenz, Bürgerfreundlichkeit und Perspektiven der Bürgerbeteiligung insbesondere in Ver-fahren der Eröffnungskontrolle, 2012, S. 149; Landtag Nordrhein-Westfalen, Plenarprotokoll15/35 vom 19. 5. 2011, 3413 ff.; Sauer, Großvorhaben als Herausforderung für den demokrati-schen Rechtsstaat, DVBl 2012, 1082 (1083 f.); Stüer (Hrsg.), Planung von Großvorhaben, 1999.

2 Ronellenfitsch, Durchsetzung von Großprojekten (Stuttgart 21), in: Ronellenfitsch (Hrsg.), Aktu-elle Probleme des Eisenbahnrechts XVII, 2012, S. 13 (23); anderer Ansicht Schmidt-Aßmann, DasAllgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, 2006, S. 102. Er rechnet Akzeptanz der ideellenSchicht des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips zu. Mann sieht in der Akzeptanzkeinen eigenständigen rechtsdogmatischen Legitimationsmodus staatlichen Handelns. Mann,Großvorhaben als Herausforderung für den demokratischen Rechtsstaat, VVDStRL 71 (2012),544 (570).

3 Gegen eine Aushöhlung rechtsstaatlicher Prinzipien über Wege unmittelbarer Demokratie Kne-meyer, Wenn Bürger begehren: Bilanz und Ausblick nach 16 Jahren Bürgerbeteiligung, BayVBl.2011, 681 (683 f.).

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dass es eine breite Entscheidungsgrundlage gewährleistet. Auf diese Weise kann ver-mieden werden, dass spätere Einwendungen eine solche Sprengkraft entfalten, dasseinmal getroffene Entscheidungen im Wege von Volksabstimmungen mittelbar wie-der zur Disposition gestellt werden.4

Relevant wurde dies bekanntermaßen bei der Planfeststellung des ProjektsStuttgart 21. Die dadurch entfachte Diskussion im Bereich des Planungsrechts hatsich jüngst in dem am 7. 6. 2013 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung derÖffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG) niedergeschlagen.5 Mit der Reform erhofft man sich eine größere Bür-gernähe und eine stärkere Legitimation des Planfeststellungsverfahrens.6

Um die Änderungen zu verdeutlichen, wird im Folgenden zunächst die Fachplanung betreffendStuttgart 21 erläutert und der geplanten Neuerung gegenübergestellt. Der Gesetzesentwurf wirdsodann darauf geprüft, ob er dem Anspruch gerecht wird, die Akzeptanz und legitimierende Wir-kung von Planungsverfahren zu erhöhen.7 Wiederholt ist nämlich die Erwartung geäußert worden,dass durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit die demokratische Legitimation von Großvorhabengesteigert werde.8 Mit der Frage, ob diese Erwartung erfüllt wird und welche Ziele mit der Öffent-lichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren realistischerweise verfolgt werden können, beschäftigtsich der dritte Teil dieses Beitrags.9 Dabei werden nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch dieGrenzen der Öffentlichkeitsbeteiligung aufgezeigt. Im Vordergrund der Erörterung soll die projekt-bezogene Fachplanung stehen, die, wie im Falle von Stuttgart 21, einem Planfeststellungsvorbehaltunterliegen.10

4 Zwar war Gegenstand der Volksabstimmung in Baden-Württemberg die Finanzierung des Pro-jekts; sie zielte aber tatsächlich darauf ab, das Projekt, welches im Planfeststellungsverfahren dienotwendige Zustimmung erfahren hatte, zunichte zu machen. So auch Kirchhof, Zur Verfas-sungsmäßigkeit einer Volksabstimmung über »Stuttgart 21«, Zeitschrift für Staats- und Europa-wissenschaften 8 (2010) 412.

5 Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststel-lungsverfahren (PlVereinhG) vom 31. 5. 2013 (BGBl. I, S. 1388). Zum Gesetzesentwurf Stein-berg/Berg/Wickel, Fachplanung, 3. Aufl. 2004, S. 87 ff.

6 BT-Drucks. 17/9666, S. 13, 14 (16. 5. 2012).7 So der Antrag des Landes Baden-Württemberg im Bundesrat, BR-Drucks. 135/11 (4. 3. 2011).

Kritisch zur akzeptanzfördernden Funktion von Öffentlichkeitsbeteiligung Böhm, Bürgerbetei-ligung nach Stuttgart 21 – Änderungsbedarf und -perspektiven, NuR 2011, 614; Schink, Öffent-lichkeitsbeteiligung, ZG 2011, 226.

8 Groß vertritt die Ansicht, dass der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfeststellungsverfahren eineigenständiger demokratischer Gehalt zugebilligt werden könne. Groß, Stuttgart 21: Folgerun-gen für Demokratie und Verwaltungsverfahren, DÖV 2011, 510 (511) mit Verweis auf Ros-sen-Stadtfeld, Beteiligung, Partizipation und Öffentlichkeit, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß-mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2. Aufl. 2012, § 29Rdnr. 9 f.; Zur Forderung nach mehr Demokratisierung vgl. auch Prantl, Zwischenruf – Die Ap-felbaum-Demokratie – Ein Lob der Unruhe: Wie das Internet Protest organisiert, die Bürger po-litisiert und Gesellschaft und Staat verändert, ZRP 2011, 24. Anderer Ansicht Leisner, Stuttgart21: »Wir sind das Volk!« – Wer?, NJW 2011, 33; Ronellenfitsch (Fußn. 2), S. 19 f.

9 Der ursprüngliche Begriff der Bürgerbeteiligung ist auf Bundesebene weitgehend durch den derÖffentlichkeitsbeteiligung abgelöst worden, der auch juristische Personen und Vereinigungenumfasst. Im Landesrecht ist er weiterhin zu finden. Häufig werden darunter auch Referenden,Bürgerbegehren und Bürgerentscheide gefasst. Dazu Ziekow, Neue Formen der Bürgerbeteili-gung?, 2012, S. 13 f.

10 Im Falle von Stuttgart 21 folgt dieser aus § 18 AEG. Vgl. auch § 17 FStrfG, §§ 28, 41 PBefG; § 8Luft VG, § 14 WaStrG, § 9 b Atom G, § 31 KrW/AbfG, § 52 BBergG, § 43 EnWG.

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Seibert-Fohr · Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren

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I. Das Fachplanungsverfahren am Beispiel von Stuttgart 21

Um das Planfeststellungsverfahren als Teil eines größeren Gesamtzusammenhangszu begreifen, bietet sich zunächst ein Blick auf Stuttgart 21 an. Das Projekt mit demUmbau des Verkehrsknotenpunkts Stuttgart ist Bestandteil einer größer angelegtenStrukturplanung, welche die Bahnverbindung zwischen Stuttgart und Ulm für denHochgeschwindigkeitsverkehr erschließen soll. Diese ist wiederum ein Teilstückder in Aussicht genommenen europäischen Eisenbahngeschwindigkeitsstrecke Pa-ris-Bratislava.11 Als Teil der Schienenwege des Bundes unterliegt sie gem. Art. 73Nr. 6 a GG der Bundeszuständigkeit und wird gem. Art. 87 e GG von der Eisen-bahnverkehrsverwaltung in bundeseigener Verwaltung geführt. Die Planungszu-ständigkeit des Bundes umfasst nicht nur das gesamte Schienennetz, sondern auchdie Bahnhöfe. Dementsprechend ging dem Projekt in Stuttgart eine bundesweiteBedarfsplanung voraus. Daran schloss sich das Raumordnungsverfahren an, welcheseinschließlich einer Umweltverträglichkeitsprüfung von 1996 bis 1997 durchgeführtwurde.12 Bereits damals wurde eine Vielzahl von Einwendungen erhoben. Mit Mo-difikationen wurde das Projekt schließlich für raumverträglich erklärt.

Das eigentliche Planfeststellungsverfahren, welches in § 18 Allgemeines Eisen-bahngesetz (AEG) für den Bau und die Änderung von Betriebsanlagen der Eisen-bahn vorgeschrieben und mit dem Planfeststellungsbeschluss abzuschließen ist, be-gann im Jahr 2001.13 Als Vorhabensträgerin beantragte die DB Netz AG am30. 10. 2001 das Planfeststellungsverfahren für den ersten Planungsabschnitt (Tal-querung mit neuem Hauptbahnhof) bei der zuständigen Behörde.14 Für das Verfah-ren gelten die §§ 72 ff. VwVfG nach Maßgabe des Allgemeinen Eisenbahngesetzes.In § 18 AEG ist vorgesehen, dass im Planfeststellungsverfahren im Rahmen der Ab-wägung die vom Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange ebenso wiedie Umweltverträglichkeit zu berücksichtigen sind.

Nachdem der Antrag auf Planfeststellung von der DB Netz AG gestellt worden war, beantragtedas Eisenbahn-Bundesamt als zuständige Planfeststellungsbehörde gem. § 18 a AEG i. V. mit § 73VwVfG beim Regierungspräsidium Stuttgart als der zuständigen Anhörungsbehörde die Durchfüh-

11 Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes. Entscheidung Nr.1692/96/EG vom 23. 7. 1996, geändert durch Entscheidung Nr. 1346/2001/EG vom 22. 5. 2001und Entscheidung Nr. 884/2004/EG vom 29. 4. 2004. Beschluss des Europäischen Parlamentsund des Rates, Beschluss Nr. 661/2012/EU vom 7. 7. 2010, Amtsblatt der Europäischen UnionL 204/1. Dolde/Porsch, Eisenbahninfrastruktur und Finanzverfassung. Dargestellt am Beispieldes Bahnprojektes Stuttgart-Ulm, NVwZ 2011, 833.

12 DBProjekt GmbH, Stuttgart 21 (Hrsg.), Planfeststellungsunterlagen: Umgestaltung des Bahn-knotens Stuttgart. Ausbau- und Neubaustrecke Stuttgart – Augsburg, Bereich Stuttgart – Wend-lingen mit Flughafenanbindung: Abschnitt 1.1, Talquerung mit Hauptbahnhof. Bau-km–0.4–42.0 bis +0.4+32.0. Erläuterungsbericht Teil I: Allgemeiner Teil. Planfestgestelltes Doku-ment vom 28. 1. 2005, 3; Ronellenfitsch (Fußn. 2) S. 15 f.; Schönenbroicher, Irritationen um»Stuttgart 21«, BWVBl. 12/2010, 466; Böhm (Fußn. 7), S. 616.

13 Eisenbahn-Bundesamt, Planfeststellungsbeschluss vom 28. 1. 2005, Az. 59160 Pap-PS 21-PFA1.1 (Talquerung), S. 134; Schönenbroicher (Fußn. 12), S. 467.

14 § 3 Abs. 1 Ziff. 1 Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes i. V. dem Organisa-tionserlass des BMVBW vom 31. 12. 1993 (VkBl. 2/94 S. 90).

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rung des Anhörungsverfahrens.15 Die Planunterlagen wurden nach entsprechender Bekanntma-chung im Stuttgarter Amtsblatt in der Landeshauptstadt gem. § 73 Abs. 3 VwVfG öffentlich ausge-legt.16 Innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Ende der einmonatigen Auslegungsfrist konntegem. § 73 Abs. 4 VwVfG jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt waren, Einwendungengegen den Plan erheben. Über zweitausend Personen machten hiervon Gebrauch.17 Im April 2003erfolgte nach öffentlicher Bekanntmachung im Staatsanzeiger und in den örtlichen Tageszeitungender Erörterungstermin mit der DB Netz AG, den Betroffenen und den Einwendern in Einklang mit§ 73 Abs. 6 VwVfG.18 Ihre abschließende Stellungnahme gab die Anhörungsbehörde im September2003 ab. Darin befürwortete das Regierungspräsidium Stuttgart die Planung und bestätigte derenEinklang mit Umweltbelangen.19 Im Januar 2005 erging dann der Planfeststellungsbeschluss »Tal-querung mit neuem Hauptbahnhof« für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart 21.20 Zwei Enteig-nungsbetroffene erhoben sodann Klage beim VGH Mannheim, die ebenso wie eine naturschutz-rechtliche Verbandsklage 2006 abgewiesen wurde.21 Mit Nichtzulassung der Revision wurde derPlanfeststellungsbeschluss bestandskräftig.

Am Verlauf des Verfahrens wird deutlich, dass das Planungsverfahren bereitsmehrere Anhörungs- und Erörterungsmöglichkeiten vorsieht. Diese dienen ver-schiedenen Zwecken. Zum einen fördern sie die behördliche Information und Sach-aufklärung, da mit der Anhörung weitere Aspekte eingebracht werden können unddadurch die Informationsgrundlage für die behördliche Entscheidung erweitertwird.22 So kann mithilfe zusätzlicher Informationen über das Projektumfeld dietechnische Planung verbessert werden.23 Zum anderen können in der Anhörungund Erörterung Umweltbelange vorgebracht werden. Schließlich erfüllt das Verfah-

15 Eisenbahn-Bundesamt (Fußn. 13), S. 134. Zu den Einzelheiten des Ablaufs Schönenbroicher(Fußn. 12), S. 466.

16 Die öffentliche Auslegung der Planunterlagen erfolgte in der Zeit vom 9.9. bis zum 8. 10. 2002aufgrund einer Bekanntmachung am 29. 8. 2002. Eisenbahn-Bundesamt (Fußn. 13), S. 134; Schö-nenbroicher (Fußn. 12), S. 467. Die gem. § 18 Abs. 1 AEG i. V. mit § 3 c Abs. 1 UVPG erforder-liche Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgte gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG als unselbständigerTeil des Planfeststellungsverfahrens. Aufgrund der Auslegung hatte die Öffentlichkeit die Mög-lichkeit, sich über die Umweltauswirkungen des Vorhabens zu informieren und sich dazu zu äu-ßern (§ 9 Abs. 1 UVPG). Das Regierungspräsidium Stuttgart gab den Trägern öffentlicher Belan-ge und den anerkannten Naturschutzverbänden mit Schreiben vom 26. 8. 2002 Gelegenheit zurStellungnahme bis zum 11. 10. 2002.

17 Eisenbahn-Bundesamt (Fußn. 13), S. 136.18 Ibid, S. 137.19 Ibid.20 Eisenbahn-Bundesamt (Fußn. 13). Der Planfeststellungsbeschluss bezog sich auf die dort be-

stimmte Eisenbahnstrecke, den Bahnhof und das Innenstadtareal. Hinzu kamen Planfeststel-lungsbeschlüsse über die folgenden vier weiteren Abschnitte des Projekts Stuttgart 21: Fildertun-nel, Filderbereich, Zuführung Feuerbach und Bad Cannstatt, Zuführung Ober- und Untertürk-heim.

21 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. 4. 2006, UPR 2006, 454; VGH Baden-Württemberg,Urteil vom 8. 2. 2007, DÖV 2007, 892; BVerwG, Beschluss vom 22. 5. 2008, Buchholz 442.09§ 18 AEG Nr. 65.

22 BVerwG, Urteil vom 5. 12. 1986, BVerwGE 75, 214; Knauff, Öffentlichkeitsbeteiligung im Ver-waltungsverfahren, DÖV 2012, 1 (3); Hien, Partizipation in Planungsverfahren, UPR 2012, 128;Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008,§ 73 Rdnr. 11; Stüer, Fachplanung, in: Stüer (Hrsg.), Bau- und Fachplanungsrecht, 4. Aufl. 2009,Rdnr. 4251, 4265; Kämper, in: Bader/Ronnellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Online-KommentarVwVfG, 17. Edition 2012, § 73 Rdnr. 1; Böhm (Fußn. 7), S. 615.

23 Kritisch zur Sachdienlichkeit von Bürgerbeteiligung im Planungsverfahren hingegen Böhm(Fußn. 7), S. 615.

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ren auch eine wesentliche Aufgabe des vorgelagerten Rechtsschutzes der vom jewei-ligen Projekt in ihren Rechten Betroffenen.24

Die Beteiligung ist Teil des Planfeststellungsverfahrens und damit Bestandteil derbehördlichen Entscheidungsgrundlage. Allerdings kann sie keinen Einfluss auf diePlanung durch den Projektträger entfalten, denn die Planung selbst geht der Antrag-stellung und damit dem Planfeststellungsverfahren voraus.25 Außerdem beschränktsich das Verfahren, sieht man einmal von den Umweltauswirkungen ab,26 gem. § 73Abs. 4 Satz 1 VwVfG auf eine Anhörung derjenigen Personen, deren Belange durchdas Vorhaben berührt werden. Eine örtliche Begrenztheit des Anhörungsverfahrensfolgt außerdem aus der Vorgabe der ortsüblichen Bekanntmachung.27 Auch der Er-örterungstermin ist nicht öffentlich, sondern beschränkt sich auf die Betroffenen28

sowie Personen, die Einwendungen erhoben haben, auch wenn dies eine stattlicheAnzahl von Personen umfassen kann.

II. Gesetzliche Neuerung: Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligungnach dem PlanVereinhG

Wie bereits erwähnt, wurde das Verfahren in seiner bisherigen Ausgestaltung viel-fach als defizitär kritisiert.29 Eine Ursache für die Bürgerproteste gegen den Bau desTiefbahnhofs in Stuttgart sah man darin, dass die Öffentlichkeit nicht früh genug

24 BVerfG, Beschluss vom 20. 12. 1979, BVerfGE 53, 30 (59 f.) – Mühlheim-Kärlich; Blümel,Grundrechtsschutz durch Verfahrensgestaltung, in: Blümel (Hrsg.), Frühzeitige Bürgerbeteili-gung, 1982, S. 23 (30 und 32); Lübbe-Wolff, Stufen des Grundrechtsschutzes gegen Verfahrens-verstöße, in: Schwarze/Vitzthum (Hrsg.), Grundrechtsschutz im nationalen und internationalenRecht – Festschrift Werner von Simon zum 75. Geburtstag, 1983, S. 137 (146 ff.); Grimm, Verfah-rensfehler als Grundrechtsverstöße, NVwZ 1985, 865 (868); Held, Der Grundrechtsbezug desVerwaltungsverfahrens, 1984, S. 81 ff. (96 ff.); Hett, Öffentlichkeitsbeteiligung bei atom- undimmissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, 1994, S. 208 ff.; Knauff (Fußn. 22), S. 5.Zur Funktion der Einwendungen im Beteiligungsverfahren vgl. auch die Rechtsprechung desBundesverwaltungsgerichts BVerwG, Urteil vom 5. 12. 1986, BVerwGE 75, 214 (227); Urteilvom 17. 7. 1980, NJW 1981, 359 (359). Vgl. auch Hien (Fußn. 22), S. 129.

25 Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 164.26 Hinsichtlich der Umweltauswirkungen hat die Öffentlichkeit aufgrund der öffentlichen Ausle-

gung die Möglichkeit, sich über die Umweltauswirkungen zu informieren und dazu zu äußern(§ 9 Abs. 1 UVPG).

27 Auch hier gilt wiederum eine Ausnahme für den Bereich der Umweltbelange, zu deren Äußerungdie Umweltverbände aufgefordert werden, § 2 Abs. 6 Satz 2 i. V. mit § 9 Abs. 1 UVPG. Für Na-turschutzvereinigungen gelten die § 58 Abs. 1 und § 63 BNatSchG. Die Beteiligungsregeln sindregelmäßig in den Fachplanungsgesetzen enthalten: § 18 a Nr. 2 und 3 AEG, § 17 a Nr. 2 und 3FStrG, § 14 a Nr. 2 und 3 WaStrG, § 2 Nr. 2 und 3 MBPlG und § 43 a Nr. 2 und 3 EnWG. Vgl.Bonk/Neumann (Fußn. 22), § 73 Rdnr. 103 ff.; Kämper (Fußn. 22), § 73 Rdnr. 74 ff.

28 Zur Beteiligung von Betroffenen, die keine Einwendungen erhoben haben Steinberg/Berg/Wi-ckel (Fußn. 5), § 2 Rdnr. 99. Sie halten die Nichtöffentlichkeit des Termins für wenig sachgerechtund dem Ziel der Akzeptanzförderung zuwiderlaufend. Ibid, Rdnr. 101.

29 Groß (Fußn. 8), S. 510; Wulfhorst, Konsequenzen aus »Stuttgart 21«: Vorschläge zur Verbesse-rung der Bürgerbeteiligung, DÖV 2011, 581; Versteyl, Partizipation durch Verfahren – Verbesse-rung der Öffentlichkeitsbeteiligung auf Grundlage der gesetzlichen Regelungen, I + E 2011, 89;Böhm (Fußn. 7), S. 614; Stüer, Die Zukunftsfähigkeit des straßenrechtlichen Planfeststellungs-verfahrens, DVBl 2009, 1432 (1435); Beirat Verwaltungsverfahrensrecht beim Bundesministeri-um des Innern, NVwZ 2011, 859; Kohout, Vom Wert der Partizipation – Eine Analyse partizipa-

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und nicht ausreichend in die Planung miteinbezogen worden sei.30 Daher wird mitdem Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichungvon Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) eine frühere Öffentlichkeitsbeteili-gung angestrebt.31 In der Gesetzesbegründung wurde darauf hingewiesen, dass beiGroßvorhaben die bestehenden Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planfest-stellungsverfahren als nicht mehr ausreichend empfunden werden.32 Bürgerinnenund Bürger würden zunehmend ein Interesse an einer frühzeitigen Beteiligungund Mitsprache äußern. Daher sei es Ziel des Gesetzes, durch eine Beteiligung derÖffentlichkeit die Planung von Vorhaben zu optimieren und mehr Transparenz zuschaffen.33

Das Gesetz enthält daher aufgrund einer Initiative der baden-württembergischenLandesregierung u. a. eine Regelung zur gestärkten Öffentlichkeitsbeteiligung, wel-che an die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Bauleitplanung gem. § 3 BauGBangelehnt ist34 und ein Vorverfahren vorsieht.35 Danach wird im Abschnitt Verfah-rensgrundsätze der § 25 VwVfG, der die Beratung und Auskunft gegenüber zukünf-tigen Antragstellern regelt, um einen Absatz 3 ergänzt, der eine frühe Öffentlich-keitsbeteiligung einführt.36 Die Regelung bezieht sich auf Großvorhaben und meintdamit »Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einergrößeren Zahl von Dritten haben können«.37 Das schließt außer den Planfeststel-lungs- auch Genehmigungsverfahren mit ein. Vorgesehen ist ein Wirken der Behör-de welches darauf gerichtet ist, dass der Träger bei der Vorhabenplanung die betrof-fene Öffentlichkeit frühzeitig unterrichtet. Eine Rechtspflicht zur Durchführungeiner solchen Beteiligung soll jedoch nicht bestehen. Falls sich der Vorhabenträgerhierzu entschließt, gelten die in § 25 Abs. 3 VwVfG niedergelegten Rahmenbedin-gungen für die Unterrichtung. Diese soll sich auf die Ziele des Vorhabens, die Mittel,es zu verwirklichen, und dessen voraussichtlichen Auswirkungen beziehen. Hin-sichtlich des Zeitpunkts ist vorgesehen, dass die frühe Öffentlichkeitsbeteiligungmöglichst vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Planfeststellungs- bzw. desGenehmigungsverfahrens stattfinden soll. Die Beteiligung besteht darin, dass derbetroffenen Öffentlichkeit über die Unterrichtung hinaus Gelegenheit zur Äuße-

tiv angelegter Entscheidungsfindung in der Umweltpolitik, 2001, S. 157; Schink (Fußn. 7), S. 239.Anderer Ansicht Schönenbroicher (Fußn. 12), S. 466; Stellungsnahme des DStGB, Lehren ausStuttgart 21, Gemeindetag Baden-Württemberg, 1/2011, 4.

30 Groß (Fußn. 8), S. 510; Wulfhorst (Fußn. 29), S. 581; Versteyl (Fußn. 29), S. 89; Böhm (Fußn. 7),S. 614; Stüer/Buchsteiner, Stuttgart 21: Eine Lehre für die Planfeststellung?, UPR 2011, 335 (336und 340).

31 Erfasst werden auch Anlagen, die der Genehmigung nach dem BImSchG bedürfen.32 BT-Drucks. 17/9666, S. 13 (16. 5. 2012); BT-Drucks. 171/12, S. 17 (30. 3. 2012).33 BT-Drucks. 17/9666, S. 13, 15, 16, 19 (16. 5. 2012); BT-Drucks. 171/12, S. 17, 22, 26, 33

(30. 3. 2012).34 Fehling, Eigenwert des Verfahrens im Verwaltungsrecht, VVDStRL 70 (2011), 278 (309). Die An-

lehnung an § 3 BauGB gutheißend Schink (Fußn. 7), S. 243.35 Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist auch für die Energieleitplanung in § 9 Abs. 3 und § 22 Abs. 3

NABEG vorgesehen.36 BT-Drucks. 17/9666, Anlage 1 (16. 5. 2012); BT-Drucks. 17/12525, S. 5 (27. 2. 2013).37 BT-Drucks. 17/9666, Anlage 1, S. 7 (16. 5. 2012); BT-Drucks. 17/12525, S. 5 (27. 2. 2013).

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rung und Erörterung gegeben werden soll. Das Ergebnis dieses Verfahrens soll dannder Behörde mit der Antragstellung mitgeteilt werden.

III. Funktion der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung

Die Idee, die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung der Bauleitplanung auf die Fachpla-nung zu übertragen, erscheint auf den ersten Blick ihrer Einfachheit halber geradezubestechend. So spricht zunächst dafür, dass auf diese Weise die Bürger frühzeitig indie Projektgestaltung einbezogen werden können, ohne dass die Planung bereitsverfestigt ist.38 In der Praxis gehen Großvorhaben häufig ohnehin jahrelange Vorbe-reitungsgespräche der Planfeststellungsbehörde und Fachbehörden voran, bevor derAntrag eingereicht wird.39 Der Erörterungstermin im anschließenden Planfeststel-lungsverfahren ändert daran, wie Jan Ziekow in seinem Gutachten für den 69. Deut-schen Juristentag festgestellt hat, bis auf kleinere Abwandlungen meist nichtsmehr.40 Wesentliche Änderungen, wie Standort- oder Trassenverschiebungen findendann nicht mehr statt.41

1. Besonderheiten der Fachplanung im Vergleich zur Bauleitplanung

Auf den zweiten Blick fallen allerdings zwei wesentliche Unterschiede zwischen derBauleitplanung und der Fachplanung auf, nämlich hinsichtlich des Beteiligtenkrei-ses und hinsichtlich des Beteiligungsgegenstands.

a) Beteiligtenkreis

Während auf kommunaler Ebene die Beteiligung der kommunalen Öffentlichkeitsowohl die von der Bauleitplanung unmittelbar Betroffenen als auch das kommu-nale Wahlvolk insgesamt umfasst und aus diesem Grund gleichsam eine flankierendedemokratische Legitimation vermitteln kann, ist die Öffentlichkeitsbeteiligung beiGroßprojekten, so wie sie im Gesetzesentwurf vorgesehen ist, enger ausgelegt. Dieshat mit einer unterschiedlichen Interessenbetroffenheit zu tun. So betrifft die kom-munale Bauleitplanung potentiell die Interessen aller in der Gemeinde Ansässigen.42

Da die Bürger verschiedene Interessen verfolgen, ist die Basis der von der Anhörungangesprochenen Personen breit angelegt. Die Bürger werden gem. § 3 Abs. 1 Satz 1BauGB über die allgemeinen Ziele und Zwecke der beabsichtigten Planung, die ver-schiedenen Möglichkeiten und deren voraussichtliche Auswirkungen unterrichtet.

38 Wulfhorst (Fußn. 29), S. 588.39 Ziekow (Fußn. 9), S. 37 f.40 Ibid., S. 37. Kritisch zur Zweckerfüllung des Erörterungstermins in der Realität auch Stein-

berg/Berg/Wickel (Fußn. 5), S. 160 f.41 Nach der Bestandsaufnahme von Ziekow finden in dieser Phase nur noch marginale Änderungen,

nicht aber Standortverschiebung statt. Seine Expertenbefragung ergab, dass der Erörterungster-min in dieser späten Phase nur noch eingeschränkt seiner Transparenz- und Befriedungsfunktiongerecht wird. Ziekow (Fußn. 9), S. 37 f.

42 Zur »demokratisch-partizipatorischen« Funktion von § 3 BauGB: Ziekow (Fußn. 9), S. 31; Bat-tis, in: Battis/Krauzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 11. Aufl. 2009, § 3 Rdnr. 2; Schrödter, in:Schrödter (Hrsg.), BauGB, 7. Aufl. 2006, § 3 Rdnr. 3.

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Ihnen wird Gelegenheit zur Äußerung und Erörterung gegeben. Mithilfe der An-hörung und Erörterung werden die unterschiedlichen Belange der Bürger ermit-telt.43 Durch die Öffentlichkeitsbeteiligung partizipieren die Bürger mittelbar ander Willensbildung des Gemeinderats, welche dann im Planentwurf ihren Nieder-schlag findet. Das Bundesverfassungsgericht hat aus diesem Grund anerkannt, dassdie Einbeziehung der örtlichen Öffentlichkeit den Bauleitplänen eine »spezifischeLegitimation« verleihe.44

Demgegenüber ist der Kreis der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Fachplanung enger.45 DieNeuregelung im Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung bei Großvorhaben siehtexplizit vor, dass nur der »betroffenen Öffentlichkeit« Gelegenheit zur Stellungnahme gegebenwird.46 Die Einschränkung anhand des Merkmals der Betroffenheit macht deutlich, dass es nichtdarum geht, ein umfassendes Stimmungsbild in der Bevölkerung aufzunehmen.47 Angehört wirdnicht die Öffentlichkeit insgesamt, sondern nur der Kreis der betroffenen Öffentlichkeit.

Noch deutlicher wird der Unterschied zur Bauleitplanung, wenn man sich vorAugen hält, dass es sich beim Ausbau des Schienennetzes ebenso wie im Bereichder übrigen Verkehrswege um einen Bereich der Bundeszuständigkeit handelt. Zu-ständig für das Planfeststellungsverfahren ist mit dem Eisenbahnbundesamt eineBundesbehörde. Wollte man diese durch eine Öffentlichkeitsbeteiligung demokra-tisch legitimieren, müssten hierbei die Interessen der Bundesbevölkerung insgesamtabgebildet werden. Während eine solche Deckungsgleichheit im Falle der kommu-nalen Öffentlichkeit ohne größere Probleme möglich erscheint, ist dies auf Bundes-ebene schon aus geographischen Gründen mit erheblichen Schwierigkeiten verbun-den.

b) Beteiligungsgegenstand

aa) Verschiedenheit der Entscheidungsträger

Ein weiterer Unterschied zwischen Bauleitplanung und Fachplanung liegt darin,dass die Bauleitplanung, sieht man einmal vom projektbezogenen Bebauungsplanab, insgesamt in den Händen der Kommune liegt. In der projektbezogenen Fach-planung hingegen erfolgt die Ausarbeitung des Plans zunächst durch den Projekt-träger, der von der Planfeststellungsbehörde zu unterscheiden ist.48 Vorhabensträgerkann der Bund oder ein Land sein, ein dem Bund oder Land gehörendes öffentliches

43 Zu den weiteren Funktionen der Öffentlichkeitbeteiligung im Bereich der Bauleitplanung, na-mentlich der Kontrolle des Planungsprozesses, der Akzeptanzsicherung und des Rechtsschutzes:Ziekow (Fußn. 9), S. 31 ff.

44 BVerfG, Beschluss vom 9. 12. 1987, BVerfGE 77, 288 (300).45 Dies resultiert bereits aus der Fachmaterie. Zur Bedeutung des jeweiligen Sachgebiets für den

Kreis der Öffentlichkeit Schmidt-Aßmann (Fußn. 2), S. 105.46 § 25 Abs. 3 VwVfG in der am 28. 2. 2013 vom Bundestag beschlossenen Fassung, vgl. BT-

Drucks. 17/9666, Anlage 1 (16. 5. 2012) und BT-Drucks. 17/12525, S. 5 (27. 2. 2013). Der Begriffder »betroffenen Öffentlichkeit« findet sich auch im UVPG. Zur Definition § 2 Abs. 6 Satz 2UVPG.

47 Zur notwendigen Unterscheidung zwischen betroffener Öffentlichkeit und dem Volk i. S. d.Art. 20 GG vgl. Schmidt-Aßmann (Fußn. 2), S. 104. Dies hat Konsequenzen für die Frage derdemokratischen Legitimation.

48 Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 164.

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Unternehmen bzw. ein Unternehmen an dem Bund oder Land mehrheitlich beteiligtsind. Im Falle von Stuttgart 21 war dies u. a. die Deutsche Bahn Netz AG als Wirt-schaftsunternehmen in privatrechtlicher Form (Art. 87 e Abs. 3 Satz 1 GG), dessenEigner zu 100 % der Bund ist. Auch privatwirtschaftliche Vorhabensträger, wie z. B.kleinere Flughafenbetreiber, kommen hierfür in Betracht.49 Dadurch, dass § 25Abs. 3 VwVfG auch diese erfasst, ist einmal mehr zweifelhaft, ob sich die Öffent-lichkeitsbeteiligung im Vorverfahren als demokratische Teilhabe konstruieren lässt,denn private Unternehmen üben als Projektträger nun einmal keine öffentliche Ge-walt aus.

Stattdessen geht es bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im Vorverfahren darum,frühzeitig auf die Projektplanung einzuwirken, um späteren Auseinandersetzungenim Verwaltungsverfahren bzw. Verwaltungsgerichtsverfahren vorzubeugen.50 DieseVorverlagerung erscheint sinnvoll unter dem Gesichtspunkt, dass das Vorhaben imPlanverfahren bereits soweit konkretisiert ist, dass Varianten nur noch einge-schränkt erwogen werden können.51 Auch kann sie möglicherweise die Akzeptanzeines Vorhabens erhöhen.52 Eine demokratische Legitimation der anschließendenbehördlichen Planfeststellung kann sie hingegen nicht vermitteln.

bb) Planungsstufen

Ein weiterer Unterschied zur Bauleitplanung besteht schließlich darin, dass selbstder Planung durch den Projektträger häufig schon Festlegungen vorausgegangensind, die für die Planfeststellung verbindlich sind und den sachlichen Gegenstandder Öffentlichkeitsbeteiligung einengen.53 So sind in den Raumordnungsplänen derLänder Festlegungen zu Standorten enthalten. Die Trassen bzw. Linien für die Ver-kehrsinfrastruktur sind bereits festgelegt. Für bestimmte Verkehrsinfrastrukturpro-jekte, wie Stuttgart 21, ist ein Raumordnungsverfahren vorgesehen. Obwohl dieseFestlegungen nicht Teil des Planfeststellungsverfahrens sind, entfalten sie doch pro-jektbezogene Vorwirkungen.54

Auch ist die Bedarfsentscheidung häufig bereits durch den Bundesgesetzgeber getroffen. Für denSchienenbau ergibt sich dies aus § 1 BundesschienenwegeausbauG in Verbindung mit den in der

49 Burgi/Durner nennen als weiteres Beispiel privat-rechtlich organisierte Unternehmen im Be-reich der wasserrechtlichen Planfeststellung. Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 165.

50 Vgl. Abschlussbericht des Expertentags über Bürgerbeteiligung und Akzeptanz öffentli-cher Großprojekte. Abrufbar unter <http://www.dialogik-expert.de/de/forschung/Abschlussbericht-Buergerbeteiligung%20und%20Akzeptanz%20 %C3 %B6ffentlicher%20Grossprojekte.pdf>, 49 ff.

51 Vgl. Wulfhorst (Fußn. 29), S. 582. In der Praxis gehen Großvorhaben häufig jahrelange Vorberei-tungsgespräche voran.

52 Knauff (Fußn. 22), S. 3; Würtenberger, Die Akzeptanz durch Verwaltungsverfahren, NJW 1991,257 (260 f.); Steinberg/Berg/Wickel (Fußn. 5), S. 140 ff.

53 Dazu Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 158.54 Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 147; Ziekow (Fußn. 9), S. 44, 77 f.; Wulfhorst (Fußn. 29), S. 581;

Schink (Fußn. 7), S. 237; Steinberg/Berg/Wickel (Fußn. 5), § 7 Rdnr. 3 f.; Verallgemeinerungsfä-hig die Aussage des BVerwG zur Planung von Abfallbeseitigungsanlagen in BVerwG, Beschlussvom 20. 12. 1988, BVerwGE 81, 128 (135 f.).

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Gesetzesanlage genannten Strecken.55 Die Planrechtfertigung erfolgt hier durch den Gesetzgeberselbst. Im Fall von Stuttgart 21 ist die Aus- und Neubaustrecke von Stuttgart nach Augsburg inder Gesetzesanlage als Maßnahme des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen.56 Die Strecke wurdebereits 1993 in den Bedarfsplan für die Bundesschienenwege und später als Teil dieses Bedarfsplansin das Ausbaugesetz als Anlage förmlich aufgenommen. Diese Feststellung ist bei der Planfeststel-lung für die Planfeststellungsbehörde gem. § 1 Abs. 2 BSchWAG verbindlich. Im Planfeststellungs-verfahren kann die Öffentlichkeitsbeteiligung folglich nur noch außerhalb der bereits getroffenenEntscheidungen Relevanz entfalten.57 Der Bedarf eines Projekts kann hier nicht mehr in Frage ge-stellt werden.

2. Legitimationswirkung

Begreift man die Öffentlichkeitsbeteiligung als Legitimationsinstrumentarium, solassen sich unter Zugrundelegung der bisherigen Überlegungen hinsichtlich der Le-gitimationswirkung Unterschiede in Bezug auf das Legitimationssubjekt und -ob-jekt feststellen. Während sich die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Bauleitplanung– neben dem vorgelagerten Rechtsschutz – auch als Einbeziehung der kommunalenAllgemeinheit begreifen lässt, handelt es sich bei der Fachplanung um eine Öffent-lichkeitsbeteiligung, die vom Legitimationssubjekt Bundesbevölkerung – aufgrunddes eingeschränkten Mobilisierungspotentials – zwangsläufig divergiert. Die betrof-fene Öffentlichkeit, an die sich die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung richtet, wirddurch ihre Interessenbetroffenheit charakterisiert. Sie ist aufgrund der von ihr ver-tretenen partikularen Interessen kein tauglicher Spender demokratischer Legitima-tion i. S. v. Art. 20 Abs. 2 GG, denn es fehlt ihr an der dazu notwendigen Inklusion.Demokratie erfordert die Gewährleistung einer breiten Legitimationsgrundlage.Nicht ohne Grund verlangen Plebiszite das Erreichen eines Quorums.58 Solangediese Breite nicht in Form einer weitgefächerten Interessenpluralität sichergestelltist, lässt sich aus der Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsverfahren auch kein hö-heres Maß an demokratischer Legitimation herleiten.59

55 Für die Fernstraßen ergibt sich dies aus § 1 FStrAGG.56 Auch im von der Bundesregierung beschlossenen Bundesverkehrswegeplan 2003 ist der Ver-

kehrsknoten Stuttgart als fest disponiertes Vorhaben benannt. Bundesministerium für Verkehr-,Bau- und Wohnungswesen, Bundesverkehrswegeplan 2003 – Grundlagen für die Zukunft derMobilität in Deutschland, 2003, S. 54, online abrufbar unter <http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/34254/publicationFile/955/bundesverkehrswege-plan-2003-beschluss-der-bundesregierung-vom-02-juli-2003.pdf>. Dazu Kirchhof (Fußn. 4), S. 429; Ronellenfitsch (Fußn. 2),S. 16.

57 Ziekow (Fußn. 9), S. 77. Zum Problem der Öffentlichkeitsbeteiligung bei mehrstufigen Planun-gen siehe Steinberg/Berg/Wickel (Fußn. 5), § 7 Rdnr. 18 ff.

58 Siehe hierzu Engelken, Demokratische Legitimation bei Plebisziten auf staatlicher und kommu-naler Ebene, DÖV 2000, 881; Horn, Mehrheit im Plebiszit, Der Staat 1999, 399; Jung, Das Quo-renproblem beim Volksentscheid, Zeitschrift für Politikwissenschaft 9 (1999), 863; Meerkamp,Die Quorenfrage im Volksgesetzgebungsverfahren, 2011. Für Baden-Württemberg Art. 59Abs. 3 und Art. 60 Abs. 5 LV-BW i. V. §§ 2–24 Volksabstimmungsgesetz-BW (33 % bei einfa-chen Gesetzen, 50 % bei Verfassungsänderungen).

59 Mann (Fußn. 2), S. 563. Anderer Ansicht Fisahn, Demokratie und Öffentlichkeitsbeteiligung,2002, S. 335 ff. Zur Frage, ob die Partizipation der von einer Entscheidung Betroffenen einer de-mokratischen Grundregel entspricht, Tschentscher, Demokratische Legitimation der dritten Ge-walt, 2006, S. 64 ff. Zur Problematik von Volksabstimmungen im Zusammenhang mit Infrastruk-turprojekten siehe Böhm (Fußn. 7), S. 617 f.

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Zur Verschiedenheit der Legitimationssubjekte treten außerdem Unterschiede hinsichtlich desLegitimationsgegenstands. Dabei geht es um das zu legitimierende Handeln, welches durch denEntscheidungsträger und den Entscheidungsinhalt bestimmt wird. Anders als in der Bauleitplanung,die insgesamt, einschließlich der Planinitiative, in den Händen der Kommunen liegt, wirken an derPlanung von Großvorhaben eine Vielzahl unterschiedlicher Entscheidungsträger auf unterschiedli-chen Verfahrensstufen mit, sodass eine punktuelle Beteilung nur eingeschränkt legitimierend wirkenkann. Der Unterschied zur Bauleitplanung verdeutlicht somit, dass sich Öffentlichkeitsbeteiligungnicht schematisch von einem Bereich des Verwaltungsrechts auf einen anderen übertragen lässt.60

Welche legitimatorische Funktion Öffentlichkeitsbeteiligung im Verwaltungsver-fahren erfüllen kann, hängt maßgeblich vom Subjekt und Bezugsobjekt der Legiti-mation ab. Vom Begriff der Öffentlichkeit kurzerhand auf eine demokratische Le-gitimation zu schließen wäre jedenfalls verfehlt. Vielmehr ist darauf zu achten, wervon einer Öffentlichkeitsbeteiligung angesprochen wird und sich tatsächlich betei-ligt. Das kann je nach Entscheidungsgegenstand unterschiedlich sein. Das Aktivie-rungspotential, wodurch Teile der Öffentlichkeit mobilisiert werden, um von ihrenBeteiligungsrechten Gebrauch zu machen, wird von der jeweiligen Sachmaterie so-wie der geographischen Nähe zum Vorhaben bestimmt.61

Wenn aus diesem Grund verschiedene Interessen unterschiedlich stark angespro-chen werden und somit keine Inklusion der vorhandenen Interessen gewährleistetist, lässt sich in der repräsentativen Demokratie die Öffentlichkeitsbeteiligung au-ßerhalb der von ihr bewirkten Transparenz und Kontrollfunktion62 auch nicht alsInstrumentarium demokratischer Legitimation deuten.63

Möglicherweise kann die Öffentlichkeitsbeteiligung aber eine akzeptanzfördern-de Funktion wahrnehmen.64 Gemeint ist damit das Ziel, die Hinnahme einer Pla-

60 Vgl. auch Schmidt-Aßmann, der es ablehnt, Öffentlichkeit abstrakt zu erfassen. Sie sei nur mittelseines spezifischen Interesses am Verwaltungsvorgang erfassbar, Schmidt-Aßmann (Fußn. 2),S. 105.

61 Fehling hat darauf hingewiesen, dass in einem frühen Zeitpunkt noch keine individuelle Betrof-fenheit vorliege und daher die Aktivierung der Öffentlichkeit schwierig sei, Fehling (Fußn. 34),S. 309.

62 Knauff (Fußn. 22), S. 3.63 Ähnlich Gärditz, Angemessene Öffentlichkeitsbeteiligung bei Infrastrukturplanungen als He-

rausforderung an das Verwaltungsrecht im demokratischen Rechtsstaat, GewArch 2011, 273(274 ff.).

64 Würtenberger (Fußn. 52), S. 61 ff.; Henneke, Verwaltungseffizienz und Betroffenenakzeptanz,Leitbildgerechtigkeit und politische Durchsetzbarkeit – Bestimmungsfaktoren für die Gebiets-und Funktionalreform in den ostdeutschen Bundesländern, NVwZ 1994, 555; Losch/Gottmann,Bürgerbeteiligung nach Schöffenmodell, DÖV 2000, 372; Büllesbach/Diercks, Vorbereitung undDurchführung eines Erörterungstermins im Rahmen eines abfallrechtlichen Planfeststellungs-verfahrens, DVBl 1991, 469 (471); Guckelberger, Bürokratieabbau durch Abschaffung des Erör-terungstermins, DÖV 2006, 97 (100). Kritisch Böhm, die eine angemessene Bürgerbeteiligungzwar für unumgänglich hält, gleichzeitig aber darauf hinweist, dass die Akzeptanz eines Vorha-bens insbesondere von einem professionellen Verfahrenshandling, sowie glaubwürdigem politi-schen Handeln abhinge und selbst bei optimalen Rahmenbedingungen die Akzeptanz an entge-genstehenden Interessen scheitern könne, Böhm (Fußn. 7), S. 614. Auch Wulfhorst fordert statteiner gesetzlichen Novellierung der Öffentlichkeitsbeteiligung eine Verbesserung der Qualitätbestehender Beteiligungsverfahren durch Ergebnisoffenheit und eine veränderte Motivationsla-ge der Entscheidungsträger, Wulfhorst (Fußn. 29), S. 587. Ähnlich Sarcinelli, Ein Testfall für die

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nungsentscheidung zu erhöhen.65 Um akzeptanzfördernd wirken zu können, solltedas Verfahren jedenfalls transparent und diskursiv ausgestaltet sein. Durch die An-hörung und Erörterung der von einem Vorhaben betroffenen Interessen und dieEinbeziehung dieser in die Abwägung von öffentlichen und privaten Belange kannvermieden werden, dass sich diese Bürger zu bloßen Objekten staatlichen Handelnsdegradiert fühlen und bei ihnen der Eindruck entsteht, sie könnten Verwaltungshan-deln lediglich zur Kenntnis nehmen, ohne vorher Gehör zu finden.66 Die Notwen-digkeit des Gesprächs zwischen Verwaltung und Bürger entspricht nämlich – so dasBundesverfassungsgericht – »dem grundgesetzlichen Verständnis der Stellung desBürgers im Staat«.67 Die Förderung von Akzeptanz im Planungsverfahren kann alsodurchaus ihre Berechtigung haben und birgt so verstanden auch ein Legitimations-potential.68

IV. Bewertung des PlanVereinhG

Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die Gesetzesänderung, so kann sie al-lenfalls punktuell akzeptanzfördernd wirken. Zwar bietet die frühe Öffentlichkeits-beteiligung die Möglichkeit, die betroffenen Interessen bereits in der Planung durchden Vorhabensträger zu hören. Insoweit ist dies eine Verbesserung gegenüber dembereits existierenden Anhörungsverfahren unmittelbar vor der Planfeststellung. Al-lerdings wird nur über die Ziele, Mittel und Auswirkungen des Vorhabens infor-miert, nicht aber über mögliche Alternativen.69 Gerade eine Einbeziehung in dieAlternativenabwägung wird aber immer wieder angemahnt.70 Bürger wehren sichdagegen, als bloße Einwender wahrgenommen zu werden. Will man einen kon-struktiven Dialog fördern, so ist auch zu erwägen, die Alternativensuche in das Be-

Demokratie, Das Parlament Nr. 1/2 vom 3. 1. 2011, 9; Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 179. Zur Un-terscheidung von Akzeptanz und demokratischer Legitimation Wittreck, Volks- und Parla-mentsgesetzgeber: Konkurrenz oder Konkordanz?, 2012, S. 226.

65 Schmidt-Aßmann (Fußn. 2), S. 102.66 Ziel dieses Verfahrens ist es, dem Verständnis eines mündigen Bürgers, der seine Interessen eigen-

ständig artikulieren kann, gerecht zu werden. Siehe hierzu Eisele, Öffentliche Streitbeifügungs-verfahren – Zwischen Mediation, Schlichtung, Moderation und Schaulaufen der Akteure, ZRP2011, 113 (115) m. w. N.; Plog/Tepperwien, Der Erörterungstermin im Verwaltungsverfahren,NdsVBl. 2010, 95; Stüer/Buchsteiner (Fußn. 30), S. 336; Knauff (Fußn. 22), S. 7.

67 BVerfG, Beschluss vom 10. 5. 1977, BVerfGE 45, 297 (335) – Öffentliche Lasten.68 Zur Bedeutung von Akzeptanz im Verwaltungsverfahren Schmidt-Aßmann (Fußn. 2), S. 102. Er

betont gleichwohl, dass es sich bei der Akzeptanz nicht um einen dogmatischen Begriff der Legi-timationslehre handle und diese auch keinen eigenständigen Rechtsgrund bilde.

69 So auch die Kritik des Bund Deutscher Verwaltungsrichter und Verwaltungsrichterinnen,Stellungnahme zu dem Entwurf des Bundesministeriums des Innern für ein Gesetz zur Verbes-serung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren(PlVereinhG), S. 3 (3. 2. 2012), abrufbar unter: <http://www.bdvr.de/Stellungnahmen/stellungnahmen.html>.

70 Wulfhorst (Fußn. 29), S. 584; Schink (Fußn. 7), S. 246 f.; Abschlussbericht des Expertentags überBürgerbeteiligung und Akzeptanz öffentlicher Großprojekte. Abrufbar unter <http://www.dialogik-expert.de/de/forschung/Abschlussbericht-Buergerbeteiligung%20und%20Akzeptanz%20 %C3 %B6ffentlicher%20Grossprojekte.pdf>, 43 (50 f.).

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teiligungsverfahren mit einzubeziehen. Insoweit greift der Gegenstand der Öffent-lichkeitsbeteiligung inhaltlich zu kurz.

Bedenken ergeben sich auch hinsichtlich des Begriffs der betroffenen Öffentlich-keit, denn ohne nähere Begriffsbestimmung, wie beispielsweise im Gesetz über dieUmweltverträglichkeitsprüfung, könnte sie im Sinne einer Rechtsbetroffenheitmissverstanden werden.71 Mangels Legaldefinition ist der Begriff nicht hinreichendbestimmt. So stellt sich beispielsweise die Frage, ob davon im Falle von Stuttgart 21nur die Bürger in Stuttgart oder auch alle zukünftigen Bahnbenutzer umfasst wür-den.

Wenn es um die Akzeptanzförderung geht, so spricht viel dafür, die Beteiligung offen zu halten fürall diejenigen, die Interessen anmelden. Nur so kann vermieden werden, dass sich bestimmte Inte-ressengruppen später ausgeschlossen fühlen und aus diesem Grunde das Planungsergebnis ablehnen.Adressat sollte demnach die »interessierte« Öffentlichkeit sein.72 Das macht zum einen deutlich,dass es sich hierbei um die Geltendmachung eigener Interessen handelt, ohne dass notwendig einAnspruch auf repräsentative Interessenvertretung bestünde. Zum anderen ist der Begriff offen ge-nug, um diejenigen anzusprechen, deren Interessen berührt werden, ohne dass eine Rechtsbetrof-fenheit erforderlich wäre. Davon wären dann auch die Nutzer umfasst, deren Interessen bei derPlanfeststellung im Rahmen der Abwägung ohnehin zu berücksichtigen sind.73 Alternativ kämeauch eine Legaldefinition in Betracht, die deutlich macht, dass es sich um eine allgemeine Interes-senbetroffenheit handelt und sich diese nicht auf den Kreis potentieller Einwender im anschließen-den Verwaltungsverfahren beschränkt.74

Abgesehen von der fehlenden Legaldefinition der »betroffenen Öffentlichkeit«begegnet die durch das PlanVereinhG eingeführte Regelung zur Öffentlichkeitsbe-teiligung auch deshalb Bedenken, weil sie auch hinsichtlich ihres Regelungsgehaltsäußerst vage ist. Nach dem Wortlaut des Entwurfs wirken die Behörden lediglich»darauf hin« dass Projektträger die Öffentlichkeit unterrichten. Sie »soll möglichstbereits vor Stellung eines Antrags stattfinden.« Der betroffenen Öffentlichkeit »sollGelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden.« Auch die Mittei-lung des Ergebnisses der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung ist lediglich Gegenstandeiner Sollvorschrift. Obgleich damit ein hohes Maß an Flexibilität gewährleistetwird, stellt sich mit solchen Formulierungen die Frage nach der Sinnhaftigkeit einergesetzlichen Regelung, die aufgrund ihrer unbestimmten Formulierung auch rechts-staatlichen Bedenken begegnet. Zumindest ist fraglich, ob eine solche Bestimmungüberhaupt erforderlich ist, denn das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 2011 aus-

71 Eine Legaldefinition ist im PlVereinhG nicht vorgesehen. Auch im VwVfG ist der Begriff derÖffentlichkeit bislang nicht definiert. Ein Hinweis, was darunter zu verstehen ist, findet sich le-diglich in der Gesetzesbegründung zum PlVereinhG. Danach werden von der betroffenen Öf-fentlichkeit umfasst: »alle Personen, deren Belange durch das geplante Vorhaben und das an-schließende Verwaltungsverfahren berührt werden können, dessen Vorbereitung oder Förderungdie frühe Öffentlichkeitsbeteiligung dient; hierzu gehören auch Vereinigungen, deren satzungs-gemäßer Aufgabenbereich durch das Verwaltungsverfahren berührt wird. Der Personenkreiswird damit regelmäßig weiter sein als der Kreis der Beteiligten im anschließenden Verwaltungs-verfahren. Der Vorhabenträger muss aber in der Lage bleiben, den Personenkreis sinnvoll zu be-grenzen.« BT-Drucks. 17/9666, S. 17 (16. 5. 2012).

72 So auch Knauff (Fußn. 22), S. 2.73 BVerwG, Urteil vom 26. 7. 1989, NVwZ 1990, 262.74 Zur Betroffenenbeteiligung, die diejenigen einbezieht, die in spezifischer Weise von einer be-

stimmten Entscheidung betroffen werden. Schmidt-Aßmann (Fußn. 2), S. 104.

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drücklich festgestellt, dass auch ohne gesetzliche Regelung keine Bedenken dagegenbestehen, dem Planfeststellungsverfahren ein Verfahren vorzuschalten, um eineEmpfehlung für die Planung zu erarbeiten, die auf breite Akzeptanz in der Öffent-lichkeit stoßen kann.75

Schließlich soll noch auf ein weiteres Defizit hingewiesen werden, welches mit derMehrstufigkeit der Fachplanung zusammenhängt. Wie bereits erwähnt, gehen derProjektplanung Planungsakte voran, die wichtige Weichen stellen.76 Dadurch dassim Vorfeld bereits verbindliche planrelevante Entscheidungen getroffen werden,kann der Akzeptanzgewinn im anschließenden Planungsverfahren nur begrenztsein.77 Freilich gibt es bereits im Vorfeld Beteiligungsmöglichkeiten, insbesondereim Anwendungsbereich des UVP-Gesetzes,78 aber zum einen sind diese regelmäßigauf Umweltbelange beschränkt, zum anderen fehlt es an einer Kontinuität und Ko-härenz dieser Beteiligungsverfahren.79 Auch hier greift die neue Regelung imVwVfG mit ihrem punktuellen Ansatz zu kurz.

V. Schlussbetrachtung

Die vorstehenden Überlegungen über die Funktion der Öffentlichkeitsbeteiligungim Planungsrecht hat gezeigt, dass sich aufgrund wesentlicher Unterschiede hin-sichtlich des Kreises der beteiligten Öffentlichkeit sowie des Planungsgegenstandsdie Beteiligung in der Fachplanung, anders als bei der Bauleitplanung, zur demokra-tischen Legitimation nur sehr eingeschränkt eignet. Das sollte bei der Ausgestaltungdes Verfahrens berücksichtigt werden. Anstatt ein Legitimationsziel zu verfolgen,welches mit der Öffentlichkeitsbeteiligung im Fachplanungsrecht realistischerweiseohnehin nicht erreichbar ist, ist es angeraten, sich von vornherein auf die zunehmendeingeforderte Akzeptanzförderung zu konzentrieren. Zu überlegen ist somit, aufwelche Weise diejenigen, die von einem Projekt in ihren Interessen betroffen wer-den, am Planungsverfahren beteiligt werden können, sodass Planungsentscheidun-gen eine höhere Chance haben, später auch hingenommen zu werden.

75 BVerwG, Urteil vom 3. 3. 2011, NVwZ 2011, 1256 Rdnr. 25. Gegenstand des Urteils war ein vomVorhabensträger durchgeführtes Verfahren, so wie es nun vom PlanVereinhG vorgesehen ist. DasBVerwG sprach sich in der Entscheidung dafür aus, ein Vorverfahren deutlich vom Planfeststel-lungsverfahren zu trennen. Die Frage, ob eine Mitwirkung der Planfeststellungsbehörde in demVerfahren dem Gebot der fehlenden Vorfestlegung zuwiderlaufe, ließ das Gericht offen.

76 Einen Überblick zu den geltenden Verfahren bietet Ziekow (Fußn. 9), S. 26 ff.77 Schink (Fußn. 7), S. 238 f.78 Bereits bei der Bedarfsplanung ist im Wege der strategischen Umweltprüfung eine Öffentlich-

keitsbeteiligung vorgeschrieben. § 9 Abs. 1 UVPG. Auch im Raumordnungsverfahren ist einefakultative Öffentlichkeitsbeteiligung gem. § 15 Abs. 3 ROG vorgesehen. Danach kann die Öf-fentlichkeit in die Durchführung eines Raumordnungsverfahrens einbezogen werden. Vgl.Stüer/Buchsteiner (Fußn. 30), S. 339.

79 Ziekow spricht sich statt der Fragmentierung der bislang geltenden Verfahren für einen Diskurs-zusammenhang aus, der die Beteiligungsschritte verbindet und für eine fortlaufende Transparenzsorgt. Ziekow (Fußn. 9), S. 128 ff. Er schlägt daher eine unabhängige Beteiligungsbehörde vor.Ibid., S. 131. Beginnend mit dem Verfahren der Linienbestimmung bis hin zum späteren Beteilig-tenverfahren solle es eine einheitliche Zuständigkeit für die Bürgerbeteiligung geben. Ibid., S. 79.Vgl. auch Burgi/Durner (Fußn. 1), S. 179 ff.

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Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, sogenügt sie dem Anspruch der Akzeptanzförderung nur unzureichend. Zwar kann eine frühere Be-teiligung der Bürger während der Planung der Gefahr begegnen, dass sich Projektgegner vor voll-endete Tatsachen gestellt fühlen, im Ganzen greift die Änderung in ihrer Fokussierung auf die Phaseunmittelbar vor Antragstellung jedoch zu kurz. Um einen substantiellen Beitrag zur Akzeptanz vonplanungsrelevanten Großvorhaben zu leisten, bedarf es, darauf hat Jan Ziekow in seinem Gutachtenfür den 69. Deutschen Juristentag hingewiesen, eines umfassenderen Ansatzes, der bereits die pla-nerischen Vorstufen einbezieht, die einzelnen Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung miteinanderverzahnt und eine kontinuierliche Transparenz der Verfahren sichert.80

Zurückkommend auf die eingangs gestellte Frage nach den Chancen und Grenzender Öffentlichkeitsbeteiligung, sehe ich eine notwendige Grenze darin, dass sich dieÖffentlichkeitsbeteiligung nur als Instrumentarium der Verfahrensbeteiligung eig-net. Es handelt sich um eine Interessenartikulation, die nicht notwendig auch stell-vertretend für die unterschiedlichen in der Bevölkerung vorhandenen Interessensteht und daher nicht mit demokratischer Legitimation zu verwechseln ist. EineEntscheidungsbeteiligung scheidet daher aus, denn die Planfeststellungsbehördedarf den Abwägungsvorgang nicht durch ein Aushandeln ersetzen.81 Die Abwägungbleibt Aufgabe und Verantwortung der Fachplanungsbehörde. Dies muss bei Ein-führung einer Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechend vermittelt werden, damitkeine falschen Erwartungen entstehen.

Gleichwohl kann die Öffentlichkeitsbeteiligung auch Chancen eröffnen. Die öf-fentliche Planung ist ein komplexes Verfahren, welches durch eine Interessenplura-lität gekennzeichnet ist und somit eine Ausgleichsfunktion übernimmt.82 Dement-sprechend muss sie unter Abwägung aller Belange erfolgen, ohne den Trägern vonSonderinteressen Priorität einzuräumen oder eine einseitige Interesseneinflussnah-me zu ermöglichen.83 Vor diesem Hintergrund dienen die bei einer Öffentlichkeits-beteiligung vorgebrachten Interessen einer ausgewogenen Interessenabwägung.Durch die Anhörung unterschiedlicher Belange wird der Verwaltung die Ausübungihres Abwägungsauftrags erleichtert. Auf diese Weise wird den gesetzlichen Vorga-ben der Planfeststellung und damit auch dem Rechtsstaatsprinzip entsprochen.84

Indem sich das Verwaltungsverfahrensrecht zunehmend für solche Beteiligungs-formen öffnet, wird zugleich ein Funktionswandel der Öffentlichkeit im Verwal-tungsrecht bewirkt.85 Während mit der Anhörung und Erörterung im Planfeststel-

80 Ziekow (Fußn. 9), S. 128; Schink (Fußn. 7), S. 242 ff.81 BVerwG, Urteil vom 3. 3. 2011, NVwZ 2011, 1256 Rdnr. 24.82 BVerwG, Urteil vom 20. 8. 1982, NJW 1983, 296 (297); Steinberg/Berg/Wickel (Fußn. 5),

S. 107 f.; Mann (Fußn. 2) S. 551; Schink (Fußn. 7), S. 230; Dürr, in: Knack/Henneke, Verwal-tungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2010, § 73 Rdnr. 9.

83 Auch Schmidt-Aßmann hat darauf hingewiesen, dass den Trägern von Sonderinteressen nichtleichthin der Zugriff auf Allgemeininteressen gestattet werden sollte, Schmidt-Aßmann(Fußn. 2), S. 96.

84 Vgl. Steinberg/Berg/Wickel (Fußn. 5), S. 107.85 So bereits in Bezug auf das Umweltrecht Wolfrum, Ansätze eines allgemeinen Verwaltungsrechts

im internationalen Umweltrecht, in: Trute/Groß/Röhl/Möllers (Hrsg.), Allgemeines Verwal-tungsrecht – zur Tragfähigkeit eines Konzepts. Festschrift Schmidt-Aßmann zum 70. Geburts-tag, 2008, S. 665.

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lungsverfahren herkömmlich die Ziele der behördlichen Informationsgewinnungund des vorgelagerten Rechtsschutzes verfolgt worden sind,86 tritt nun das Anliegenhinzu, Transparenz und Akzeptanz von Verwaltungshandeln zu fördern. Darin liegtein Potential für das Verwaltungsverfahren, das es im Weiteren noch zu heben gilt.

86 Ziekow (Fußn. 9), S. 14 ff.

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