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Klassika – die deutschsprachigen Klassikseiten http://www.klassika.info Ludwig van Beethoven (1770-1827) Fidelio Oper in zwei Aufzügen Libretto: Dichtung nach Jean-Nicolas Bouilly von Joseph Sonnleitner, Stephan von Breuning und Georg Friedrich Treitschke Uraufführung: 20. November 1805 PERSONEN DER HANDLUNG: DON FERNANDO Minister DON PIZARRO Gouverneur eines Staatsgefängnisses FLORESTAN ein Gefangener LEONORE seine Gattin, unter dem Namen Fidelio ROCCO Kerkermeister MARZELLINE seine Tochter, in "Fidelio" verliebt JAQUINO Pförtner, in Marzelline verliebt Seite 1 von 26

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Ludwig van Beethoven(1770-1827)

FidelioOper in zwei Aufzügen

Libretto: Dichtung nach Jean-Nicolas Bouilly von Joseph Sonnleitner, Stephan von Breuning

und Georg Friedrich Treitschke

Uraufführung: 20. November 1805

PERSONEN DER HANDLUNG:

DON FERNANDO Minister

DON PIZARRO Gouverneur eines Staatsgefängnisses

FLORESTAN ein Gefangener

LEONORE seine Gattin, unter dem Namen Fidelio

ROCCO Kerkermeister

MARZELLINE seine Tochter, in "Fidelio" verliebt

JAQUINO Pförtner, in Marzelline verliebt

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A K T I

SZENE 1

JAQUINOJetzt, Schätzchen,jetzt sind wir allein,Wir können vertraulichnun plaudern.

MARZELLINEEs wird ja nichts Wichtiges sein,ich darf bei der Arbeitnicht zaudern.

JAQUINOEin Wörtchen, du Trotzige, du!

MARZELLINESo sprich nur, ich höre ja zu.

JAQUINOWenn du mir nichtfreundlicher? blickest,so bring? ich kein Wörtchen hervor.

MARZELLINEWenn du dich nichtin mich schickest,verstopf ich mir vollends das Ohr.

JAQUINOEin Weilchen nur höre mir zu,dann lass? ich dichwieder in Ruh?.

MARZELLINESo hab? ich denn nimmer mehr Ruh?;so rede, so rede nur zu!

JAQUINOIch... ich habe...Ich habe zum Weib dich gewählet,verstehst du?

MARZELLINEDas ist ja doch klar!

JAQUINOUnd... und, wenn mir deinJawort nicht fehlet,was meinst du?

MARZELLINESo sind wir ein Paar.

JAQUINOWir könnten in wenigen Wochen.

MARZELLINERecht schön, du bestimmstschon die Zeit.

JAQUINOZum Henker, das ewige Pochen,da war ich so herrlich im Gang,und immer,immer entwischt mir der Fang !

MARZELLINESo bin ich doch endlich befreit!Wie macht seine Liebe mir bang,es werden die Stunden mir lang.Ich weiß, daß der Arme sich quälet,es tut mir so leid auch um ihn!Fidelio hab' ich gewählet,ihn lieben ist süßer Gewinn.

JAQUINOWo war ich?Sie sieht mich nicht an!

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MARZELLINEDa ist er,er fängt wieder an!

JAQUINOWann wirst du das Jawort mir geben?Es könnte ja heute ja heute noch sein.

MARZELLINEO weh !Er verbittert mein Leben !Jetzt, morgen und immer,und immer, nein!Ich muß ja so hart mit ihm sein!

JAQUINODu bist doch wahrhaftig von Stein,kein Wünschen, kein Bitten,geht ein.

MARZELLINEIch muß ja so hart mit ihm sein,er hofft bei dem mindesten Schein.

JAQUINOSo wirst du dich nimmer,nimmer bekehren?Was meinst du?

MARZELLINEDu könntest nun geh'n!

JAQUINOWie?Dich anzusehn'n willst du mir wehren?Auch das noch?

MARZELLINESo bleibe hier stehh'n!

JAQUINODu hast mirso oft doch versprochen.

MARZELLINEVersprochen?Nein, das geht zu weit!

JAQUINOZum Henker das ewige Poche,zum Henker!

MARZELLINESo bin ich doch, endlich befreit!Das ist ein willkommener Klang,es wurde zu Tode mir bang.

JAQUINOEs ward ihr im Ernste schon bang;wer weiß, ob es mir nicht gelang.Wenn ich diese Tür heutenicht schon zweihundertmalaufgemacht habe, so will ichnicht Jaquino heißen.Zum Wetter, schon wieder!

MARZELLINEWas kann ich dafür,daß ich ihn nicht mehr so gernwie sonst haben kann?

JAQUINOSo. Nun hoffe ich,soll niemand uns stören.

ROCCOJaquino, Jaquino!

MARZELLINEHörst du, der Vater ruft!

JAQUINOLassen wir ihn ein wenig warten.Also,auf unsere Liebe zu kommen...

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MARZELLINESo geh doch,der Vater wird sich nach Fidelioerkundigen wollen.

JAQUINOEi freilich da kann mannicht schnell genug sein.

ROCCOJaquino, hörst du nicht?

JAQUINOIch komme schon!Bleib fein hier, in zwei Minutensind wir wieder beisammen.

SZENE 2

MARZELLINEDer arme Jaquino dauertmich beinahe,kann ich aber ändern?Ich war ihm sonst recht gut,da kam Fidelio in unser Haus,und seit der Zeit ist allesin mir und um mich verändert.Ach!Aus dem Mitleiden,Das ich mit Jaquino habe,merke ich erst,wie sehr gut ich Fidelio bin.Ich glaube auch, daßFidelio mir recht gut ist,und wenn ich die GesinnungendesVaters wüßte,so könnte bald mein Glückvollkommen werden.O wär' ich schon mit dir vereint,und dürfte Mann dich nennen !Ein Mädchen darf ja,was es meint,zur Hälfte nur bekennen !

Doch wenn ich nicht errötenmuß ob einem warmen Herzenskuß,wenn nichts uns stört auf Erden.Die Hoffnung schon erfüllt die Brustmit unaussprechlich süßer Lust;wie glücklich will ich werden!In Ruhe stiller Häuslichkeiterwach' ich jeden Morgen,wir grüßen uns mit Zärtlichkeit,Der Fleiß verscheucht die Sorgen.Und ist die Arbeit abgetan,dann schleichtdie holde Nacht heran,dann ruh'n wir von Beschwerden.

SZENE 3

ROCCOGuten Tag, Marzelline!Ist Fidelio nochnicht zurück gekommen?

MARZELLINENein, Vater!

ROCCODie Stunde naht,Wo ich dem Gouverneurdie Briefschaften bringen muß,abholen sollte,ihn mit Ungeduld.

LEONOREJaquino! Jaquino!

JAQUINOIch komme schon, ich komme schon!

MARZELLINEEr wird gewiß so lange beidem Schmied haben warten müssen.Da ist er, da ist er!Wie er belastet ist!

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Lieber Gott, der Schweißläuf ihm von der Stirn.

SZENE 4

ROCCOWarte, warte!

JAQUINOEs war auch der Mühe wert,so schnell aufzumachen,um den Patron da herein zulassen.

ROCCOArmer Fidelio,diesmal hastdu zu viel dir aufgeladen!

LEONOREIch muß gestehen,ich bin ein wenig ermüdet!Der Schmied hatte auch anden Ketten so lange auszubessern,daß ich glaubte,er würde nichtdamit fertig werden.

ROCCOSind sie jetzt gut gemacht?

LEONOREGewiß,recht gut und stark.Keiner der Gefangenen wirdsie zerbrechen.

ROCCOWieviel kostet alles zusammen?

LEONOREZwölf Piaster ungefähr.Hier ist die genaue Rechnung

ROCCOGut, brav ! Zum Wetter,da gibt es Artikel,auf die wir wenigstens das Doppelte,gewinnen können!Du bist ein kluger Junge!Ich kann gar nicht begreifen,wie du deine Rechnungen machst.Du kaufst alles wohlfeiler als ich.In den sechs Monaten,seit ich dir die Anschaffungvon Lebensmitteln übertragen habe,hast du mehr gewonnen,als ich vorher in einem ganzen Jahre.Der Schelm gibt sichalle diese Mühe,offenbar meiner Marzelline wegen.

LEONOREIch suche zu tun,was mir möglich ist.

ROCCOJa, ja, du bist brav;man kann nicht eifriger,nicht verständiger sein!Ich habe dich auch mitjedem Tage lieber,und, sei versichert,dein Lohn soll nicht ausbleiben.

LEONOREO glaubt nicht, daß ichmeine Schuldigkeit nurdes Lohnes wegen...

ROCCOStill !Meinst du, ich kann dirnicht ins Herz sehen?

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MARZELLINEMir ist so wunderbar,es engt das Herz mir ein;er liebt mich, es ist klar,ich werde glücklich, glücklich sein.

LEONOREWie groß ist die Gefahr!wie schwach der Hoffnung Schein!sie liebt mich, es ist klar,o namenloser Pein!

ROCCOSie liebt ihn, es ist klar,ja, Mädchen, er wird dein,ein gutes, junges Paar,sie werden glücklich sein.

JAQUINOMir sträubt sich schon das Haar,der Vater willigt ein,mir wird so wunderbar,mir fällt kein Mittel ein.

ROCCOHöre, Fidelio,wenn ich auch nicht weiß,wie und wo auf die Weltgekommen bist,und wenn du auch garkeinen Vater gehabt hättest,so weiß ich doch,was ich tue, ich, ich mache dichzu meinem Tochtermann

MARZELLINEWirst du es bald tun, lieber Vater?

ROCCOEi, ei, wie eilfertig !So bald der Gouverneur nachSevilla gereist sein wird,dann haben wir mehr Muße.

Ihr wißt ja,daß er alle Monate hingeht,um über alles, was hier in demStaatsgefängnis vorgeht,Rechenschaft zu geben.In wenigen Tagen muß er wieder fort,und den Tag nach seiner Abreisegeb' ich euch zusammen.Darauf könnt ihr rechnen.

MARZELLINEDen Tag nach seiner Abreise!Das machst du recht vernünftig,lieber Vater!

LEONOREDen Tag nach seiner Abreise?O' welche neue Verlegenheit !

ROCCONun, meine Kinder,ihr habt euch doch rechtherzlich lieb, nicht wahr?Aber das ist noch nicht alles,was zu einer guten,vergnügten Haushaltung gehört,man braucht auchHat man nicht auch Gold beineben,kann man nicht ganz glücklich sein;traurig schlepptsich fort das Leben,mancher Kummer stellt sich ein.Doch wenn's in den Taschenklingelt und rollt,da hält man das Schicksal gefangen,und Macht und Liebe verschafftdas Gold und stillet daskühnste Verlangen.Das Glück dient wie einKnecht für Sold,es ist ein schönes, schönes Ding,das Gold, ein goldnes,goldnes Ding, das Gold,

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das Gold.Wenn sich Nichts mitNichts verbindet,ist und bleibt die Summe klein,wer bei Tisch nur Liebe findet,wird nach Tische hungrig sein.Drum lächle der Zufall euchgnädig und hold und segneund lenk' euer Streben,das Liebchen im Arme,im Beutel das Gold,so mögt ihr viel Jahre durchleben.

LEONOREIhr könnt das leicht sagen,Meister Rocco, aber ich,ich behaupte,daß die Vereinigung zweiergleichgestimmten Herzendie Quelle des wahrenehelichen Glückes ist.O dieses Glück muß dergrößte Schatz auf Erden sein !Freilich gibt es noch etwas,was mir nicht wenigerkostbar sein würde,aber mit Kummer sehe ich,daß ich es trotz aller meinerBemühungen nicht erhalten werde.

ROCCOUnd was wäre denn das?

LEONOREEuer Vertrauen. Verzeiht mirdiesen kleinen Vorwurf,aber oft sehe ich euch aus denunterirdischen Gewölbendes Schlosses ganz außerAtem und ermattet zurückkommen,warum erlaubt Ihr mir nicht,euch dahin zu begleiten?Es wäre mir sehr lieb,

wenn ich euch bei eurerArbeit helfen und eureBeschwerden teilen könnte.

ROCCODu weißt doch, daß ichden strengsten Befehl habe,niemanden,wer es auch sein mag,zu den Staatsgefangenen zu lassen.

MARZELLINEEs sind ihrer aber garso viele in dieser Festung.Du arbeitest dich ja zu Tod,lieber Vater.

LEONORESie hat recht, Meister Rocco.Man soll allerdings seineSchuldigkeit tun.Aber es ist doch auch erlaubt,meine ich,zuweilen daran zu denken,wie man sich für die,die uns angehören und lieben,ein bißchen schonen kann.

MARZELLINEMan muß sich für seineKinder zu erhalten suchen.

ROCCOJa, ihr habt recht, dieseschwere Arbeit würde mirdoch endlich zu viel werden.Der Gouverneur ist zwar sehr streng,er muß mir aber doch erlauben,dich in die Gouverneur,geheimen Kerker mit mir zu nehmen.Unterdessen gibt es ein Gewölbe,in das ich dich wohlnie werde führen dürfen,

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obschon ichmich ganzauf dich verlassen kann.

MARZELLINEVermutlich, wo der Gefangene sitzt,Von dem du schon einigegesprochen hast, Vater ?

ROCCODu hast's erraten.

LEONOREIch glaube, es ist schon lange her,daß er gefangen ist?

ROCCOEs ist schon über zwei Jahre.

LEONOREZwei Jahre, sagt Ihr?Er muß ein großerVerbrecher sein.

ROCCOOder er muß große Feinde haben;das kommt ungefähr auf eins heraus.

MARZELLINESo hat man denn nieerfahren können, woher er ist,und wie er heißt?

ROCCOO wie oft hat er mit mirvon alledem reden wollen.

LEONORENun?

ROCCOFür unsereinen ist's am besten,so wenig Geheimnisseals möglich zu wissen,

darum hab ich ihn auch nie angehört.Ich hätte mich verplappern können,und ihm hätt ich dochnicht genützt.Nun, er wird mich nichtlange mehr quälen.Es kann nicht mehrlange mit ihm dauern.

LEONOREGroßer Gott!

MARZELLINELieber Himmel, wie hater denn eine so schwereStrafe verdient?

ROCCOSeit einem Monat schonmuß ich auf Pizarros Befehlseine Portion kleiner machen.Jetzt hat er binnenvierundzwanzig Stundennicht mehr als zwei Unzenschwarzes Brot und eineHalbe Maß Wasser;kein Licht mehr als den Scheineiner Lampe, kein Stroh mehr,nichts!

MARZELLINEO lieber Vater,führe Fidelio ja nicht zu ihm,diesen Anblick könnter nicht ertragen.

LEONOREWarum denn?Ich habe Mut und Stärke.

ROCCOBrav, mein Sohn, brav!Wenn ich dir erzählen wollte,

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wie ich anfangs in meinemStande mit mir zu kämpfen hätte!Und ich war doch ein ganz andererKerl als du mit deiner feinen Hautund deinen weichen Händen.Gut, Söhnchen, gut,hab immer Mut,dann wird dir's auch gelingen,das Herz wird hart durch Gegenwartbei fürchterlichen Dingen.

LEONOREIch habe Mut!Mit kaltem Blut, mit kaltem Blutwill ich hinab mich wagen;für hohen Lohn kann Liebeschon auch hohe Leiden,hohe Leiden tragen.

MARZELLINEDein gutes Herz wird manchenSchmerz in diesen Grüften leiden,dann kehrt zurück der Liebe Glückund unnennbare Freuden.

ROCCODu wirst dein Glückganz sicher bauen,ja, ja, ja,ihr werdet glücklich sein.

LEONOREIch hab' auf Gott und RechtVertrauen,ja, ja, ja,ich kann noch glücklich sein.

MARZELLINEDu darfst mir auch ins Augeschauen der Liebe Machtist auch nicht klein,ja, ja, ja, wir werden glücklich sein.

ROCCODer Gouverneur,der Gouverneur soll heut' erlauben,daß du mit mir die Arbeit teilst.

LEONOREDu wirst mir alle Ruhe rauben,wenn du bis morgen nur verweilst.

MARZELLINEJa, guter Vater,bitt ihn heute,in kurzem sind wir dann ein Paar.

ROCCOIch bin ja bald des Grabes Beute,ich brauche Hilf,es ist ja wahr.

LEONOREWie lang' bin ich desKummers Beute.Du, Hoffnung,reichst mir Labung dar.

MARZELLINEAch! lieber Vater,was fällt Euch ein?Lang' Freund und Ratermüßt Ihr uns sein.

ROCCONur auf der Hut, dann gehtes gut, gestillt,gestillt wird euer Sehnen;gebt euch die Handund schliesst das Band,in süßen Freudentränen.Ein schönes Band,mit Herz und Hand.

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MARZELLINEO habe Mut, o welche Glut,o welch' ein tiefes Sehnen!Ein festes Band mitHerz und Hand,o süße, süße Tränen.

LEONOREIhr seid so gut ihr macht mir Mut,gestillt wird bald mein Sehnen.Ich gab die Hand zum süßen Band,es kostet bittre Tränen.

ROCCOAber nun ist Zeit, daßich dem Gouverneur dieBriefschaften überbringe.Ah ! Er kommt selbst hierher!Gieb sie, Fidelio,und dann entfernt euch!

SZENE 5

PIZARRODrei Schildwachen auf den¡Wall, sechs Mann Tag undNacht auf der Zugbrücke,ebenso viele gegen den Garten zu,und jedermann, der sich dem Grabender Festung nähert,werde sogleich zu mir gebracht.Ist etwas Neues vorgefallen?

ROCCONein, Herr!

PIZARROWo sind die Depeschen?

ROCCOHier sind sie.

SZENE 6

PIZARROImmer Empfehlungen oder Vorwürfe.Wenn ich auf alles das achten wollte,würde ich nie damitzu Ende kommen.Mich dünkt, ich kenne dieseSchrift. Laß sehen."Ich gebe ihnen Nachricht,daß der Ministerin Erfahrung gebracht hat,daß die Staatsgefängnisse,denen Sie vorstehen,mehrere Opfer willkürlicherGewalt enthalten.Er reist morgen ab,um Sie mit einer Untersuchungzu überraschen.Seien Sie auf Ihrer Hut,und suchen Siesich sicherzustellen."Gott, wenn er entdeckte,daß ich diesen Florestanin Ketten liegen habe,den er längst tot glaubt; ihn,der so oft meine Rache reizte,der mich vor dem Minister enthüllenund mir seine Gunstentziehen wollte!Doch, es gibt ein Mittel!Eine kühne Tat kannalle Besorgnisse zerstreuen!Ha! Ha! Ha!Welch ein Augenblick!Die Rache werd' ich kühlen!dich, dich rufet dein Geschick!In seinem Herzen wühlen, o Wonne,großes Glück!Schon war ich, schon war ich nah',im Staube,dem lauten Spott zum Raube,dahin, dahin, ja,

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dahin gestreckt zu sein!Nun ist es mir geworden,den Mörder selbst zu morden!Ha! Ha! Ha!In seiner letzten Stunde,den Stahl in seiner Wunde,ihm noch ins Ohr zu schrei'n.Triumph! Triumph! Triumph!der Sieg, der Sieg ist mein!

SOLDATENEr spricht von Tod und Wunde,nun fort auf unsre Runde,wie wichtig, wie wichtigmuß es sein, nun fort, nun fort,wie wichtig muß es sein!

PIZARROIch darf keinen Augenblick säumen,alle Anstalten zu meinemVorhaben zu treffen.Heute soll der Minister ankommen.Nur die größte Vorsichtund Eile können mich retten.Hauptmann, hören Sie!Besteigen Sie mit einemTrompeter sogleich den Turm.Sehen Sie unablässig undmit der größten Achtsamkeitauf die Straße von Sevilla.Sobald Sie einen Wagen,von Reitern begleitet,diesem Schloß sich nähern sehen,lassen Sie augenblicklich durchden Trompeter ein Signal geben.Verstehen Sie,augenblicklich ein Signal!Ich erwarte die größtePünktlichkeit,Sie haften mir mit Ihrem Kopf dafür.Fort, auf eure Posten!Rocco! Rocco!

SZENE 7

ROCCOHerr!

PIZARRO

Ich muß ihn zu gewinnen suchen.Ohne seine Hilfe kannich es nicht ausführen.Komm näher! Jetzt, Alter,Alter, jetzt hat es Eile!dir wird ein Glück zu Teile,du wirst ein reicher Mann;das geb' ich nur daran.

ROCCOSo sagt doch nur in Eile,womit ich dienen kann.

PIZARRODu bist von kaltem Blute,von unverzagtem Mutedurch langen,langen Dienst geworden.

ROCCOWas soll ich?Redet, redet! Wie!

PIZARROMorden!

ROCCOWie?

PIZARROHöre mich nur an!Du bebst? bist du ein Mann?Wir dürfen gar nicht säumen,dem Staate liegtden bösen Unterthan

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schnell aus dem Weg zuräumen. Du stehst noch an?

ROCCOO Herr!O Herr!

PIZARROEr darf nicht länger leben,sonst ist's um mich gescheh'n.

ROCCODie Glieder fühl' ich beben,wie könnt' ich das besteh'n?

PIZARROPizarro sollte beben?Du fällst,du fällst ich werde steh'n.

ROCCOIch nehm' ihm nicht das Leben,mag was da will gescheh'n.Nein, Herr, das Lebennehmen das ist nicht meine Pflicht.

SZENE 8

MARZELLINEVater, es ist die Stunde,in der die Gefangenenan die frische Luft kommen dürfen.

ROCCOOhne Erlaubnis des Gouverneurs?

MARZELLINEAber er sprach so lange mit dir.Vielleicht sollst du ihmeinen Gefallen tun,und dann wird er es so genaunicht nehmen.

ROCCOEinen Gefallen?Du hast recht, Marzelline.Auf diese Gefahr hinkann ich es wagen.Wohl denn, Jaquino und Fidelio,öffnet die leichteren Gefängnisse.Ich aber gehe zu Pizarround halte ihn zurück, indem ichfür dein Bestes rede.

MARZELLINESo recht, Vater!

SZENE 9

GEFANGENENO, welche Lust!in freier Luft den Atemleicht zu heben, O, welche Lust!nur hier, nur hier ist Leben,der Kerker eine Gruft, eine Gruft!

ERSTER GEFANGENEWir wollen mit Vertrauenauf Gottes Hülfe,auf Gottes Hülfe bauen,die Hoffnung flüstert sanft mir zu,wir werden frei, wir finden Ruh,wir finden Ruh'.

GEFANGENENO Himmel Rettung,welch ein Glück,o Freiheit, o Freiheit,kehrst du zurück?

ZWEITE GEFANGENESprecht leise, haltet euch zurück,wir sind belauscht mirOhr und Blick.

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GEFANGENENSprecht leise, haltet euch zurück,wir sind belauscht mirOhr und Blick.

SZENE 10

LEONORENun sprecht, wie ging's?

ROCCORecht gut, recht gut !Zusammen rafft' ich meinen Mut,und trug ihm alles vor,und sollst du's glauben,was er zur Antwort mir gab?Die Heirat, und daß du mir hilfst,will er erlauben,noch heute fuhrich in den Kerker dich hinab.

LEONORENoch heute? noch heute?O welch ein Glück!o welche Wonne!

ROCCOIch sehe deine Freude;nur noch ein Augenblick,dann gehen wir schon Beide, ja,dann gehen wir schon beide.

LEONOREWohin, wohin?

ROCCOZu jenem Mann hinab,dem ich seit vielen Wochenstets weniger zu essen gab.

LEONOREHa, wird er losgesprochen?

ROCCOO nein!

LEONORESo sprich, so sprich!

ROCCOO nein, o nein!O nein, o nein!Wir müssen ihn, doch wie,befrein, er muß in einer Stunde,den Finger auf demMunde von uns sein.

LEONORESo ist er todt?

ROCCONoch nicht, noch nicht!

LEONOREIst, ihn zu töten,deine Pflicht,ihn zu töten, deine Pflicht?

ROCCONein, guter Junge,zittre nicht, zum Morden,zum Morden dingt sich Rocconicht, nein, nein, nein,nein, nein, nein!Der Gouverneur,der Gouverneur kommt selbst hinab,wir beide graben nur das Grab.

LEONOREVielleicht das Grab des Gatten graben,was kann fürchterlicher sein?Was?

ROCCOIch darf ihn nicht mit Speise laben,ihm wird im Grabe besser sein.Wir müssen gleich zum

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Werke schreiten, du mußt helfen,mich begleiten; hart,hart ist des Kerkermeisters Brot.

LEONOREIch folge dir, wär's in den Tod!

ROCCOIn der zerfallenen Zisterne bereitenwir die Grube leicht;ich tu es, glaube mir, nicht gerne,auch dir ist schaurig,wie mich deucht?

LEONOREIch bin es nur noch nicht gewohnt.

ROCCOIch hätte gerne dich verschont,doch wird mir allein zu schwer,und gar so streng ist unser Herr.

LEONOREO welch ein Schmerz!

ROCCOMir scheint, er weine.Nein, nein, du bleibst hier,ich geh' alleine, ich geh' allein,du bleibst hier, nein,du bleibst hier!

LEONOREO nein, o nein, ich muß ihn seh'n,den Armen sehen, und müßt ich selbstzugrunde gehen!

BEIDEO säumen wir nun länger nicht,wir folgen unsrer strengen Pflicht.

SZENE 11

MARZELLINEAch, Vater, Vater, eilt!

ROCCOWas hast du denn?

JAQUINONicht länger weilt!

ROCCOWas ist gescheh'n?

MARZELLINEVoll Zorn folgt mir Pizarro nach,er drohet, er drohet dir!

JAQUINONich länger weilt!

ROCCOGemach! gemach!

LEONORESo eilet fort!

ROCCONur noch dies Wort;sprich, weiß er schon?

JAQUINOJa, er weiß es schon.

MARZELLINEDer Offizier sagt ihm,was wir jetzt denGefangenen gewähren.

ROCCOLaßt alle schnell zurück kehren!

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MARZELLINEIhr wißt ja, wie er tobet,und kennet seine Wut.

LEONOREWie mir's im Innern tobet!Empöret ist mein Blut!

ROCCOMein Herz hat mich gelobet,sei der Tyrann in Wut!

SZENE 12

PIZARROVerweg'ner Alter!welche Rechte legst du dirfrevelnd selber bei?und ziemt es dem gedung'nen Knechte,zu geben die Gefang'nen frei?

ROCCOO Herr! O Herr!

PIZARROWohlan! Wohlan!

ROCCODes Frühlings Kommen,das heitre, warme Sonnenlicht,dann habt ihr wohlin Acht genommen,was sonst zu meinemVorteil spricht?Des Königs Namensfest ist heute,das feiern wir auf solche Art.Der unten stirbt,doch laßt die andern jetztfröhlich hin und wieder wandern,für Jenen sei der Zorn gespart.

PIZARROSo eile,ihm sein Grab zu graben,hier will ich stille Ruhe haben;schliess die Gefangene wieder ein,magst du nie mehrverwegen sein!

SZENE 13

GEFANGENENLeb wohl,du warmes Sonnenlicht,schnell schwindestdu uns wieder!Schon sinktdie Nacht hernieder,aus der so baldkein Morgen bricht.

MARZELLINEWie eilten sie zum Sonnenlicht,und scheiden traurig wieder!Die Andern,die Andern murmeln,nieder, hier wohnt die Lust,die Freude nicht.

LEONOREIhr hört das Wort,drum zögert nicht,kehrt in den Kerker wieder!Angst rinnt durch meine Glieder,ereilt den Frevler,den Frevler kein Gericht.

JAQUINOIhr hört das Wort,drum zögert nicht,kehrt in den Kerker wieder!Sie sinnen auf und nieder,könnt ich verstehn,was jeder spricht!

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PIZARRONun Rocco, zögre Rocco,länger nicht,steig' in der Kerker nieder!Nicht eher kehrst du wiederbis ich vollzogen das Gericht.

ROCCONein, Herr,ich zögre länger nicht,ich steige eilend nieder,nein, Herr!Mir beben meine Glieder,o unglückselig harte Pflicht!

A K T I I

SZENE 1

FLORESTANGott,welch Dunkel hier!O grauenvolle Stille!Öd ist es um mich her,nichts,nichts lebet außer mir,o schwere Prüfung!Doch gerecht ist Gottes Wille!Ich murre nicht, das Maßder Leiden steht bei dir!In des Lebens Frühlingstagenist das Glück von mir geflohn.Wahrheit wagt ich kühn zu sagen,und die Ketten sind mein Lohn.Willig duld' ich alle Schmerzen,ende schmählich meine Bahn;süßer, Trost in meinem Herzen,meine Pflicht hab ich getan.Und spür' ich nicht linde,sanft säuselnde Luft,und ist nicht mein Grab

mir erhellet?Ich seh, wie ein Engelim rosigen Duft sichtröstend zur Seite,zur Seite mir stellet,ein Engel, Leonoren,Leonoren, Leonoren,der Gattin so gleich, der,der führt mich zur Freiheitins himmlische Reich.

SZENE 2

LEONOREWie kalt ist es in diesemunterirdischen Gewölbe!

ROCCODas ist natürlich,es ist ja so tief!

LEONOREIch glaubte schon, wir würdenden Eingang gar nicht finden.

ROCCODa ist er.

LEONOREEr scheint ganz ohne Bewegung.

ROCCOVielleicht ist er tot.

LEONOREIhr meint es ?

ROCCONein, nein, er schlaft.Das müssen wir benutzen,und gleich ans Werk gehen,wir haben keine Zeit zu verlieren.

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LEONOREEs ist unmöglich,seine Züge zu unterscheiden.Gott steh mir bei, wenn er es ist!

ROCCOHier unter diesen Trümmernist die Zisterne,von der ich gesagt habe.Wir brauchen nicht viel zu graben,um an die Öffnung zu kommen,gib mir eine Haue,und du stelle dich hierher!Du zitterst, fürchtest du dich?

LEONOREO nein, es ist nur so kalt.

ROCCOSo mache fort, im Arbeitenwird dir schon warm werden.

ROCCONur hurtig fort,nur frisch gegraben, es währtnicht lang er kommt herein.

LEONOREIhr sollt ja nicht zu klagen haben,ihr sollt gewiß zufrieden sein.

ROCCOKomm, hilf, komm hilfdoch diesen Stein mit heben,hab acht, hab acht, er hat Gewicht!

LEONOREIch helfe schon,sorgt euch nicht,ich will mir alle Mühe geben.

ROCCOEin wenig noch!

LEONOREGeduld!

ROCCOEr weicht!

LEONORENur etwas noch!

ROCCOEs ist nicht leicht!

ROCCONur hurtig fort,nur frisch gegraben, es währtnicht lang er kommt herein.

LEONORELaßt mich nur wieder Kräfte haben,wir werden bald zu Ende sein.Wer du auch seist,ich will dich retten,bei Gott, bei Gott,du sollst kein Opfer sein,gewiß, gewiß,ich löse deine Ketten ichwill du Armer, dich befrein!

ROCCOWas zauderst duin deiner Pflicht?

LEONOREMein Vater, nein, ich zauderst nicht!Ihr sollt ja nicht zu klagen haben,laßt mich nur wieder Kräfte haben,denn mir wird keine Arbeit schwer.

LEONOREEr erwacht!

ROCCOEr erwacht, sagst du?

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LEONOREJa, er hat eben den Kopf gehoben.

ROCCOOhne Zweifel wird er wiedertausend Fragen an mich stellen.Ich muß allein mit ihm reden.

LEONOREWas in mir vorgeht,ist unaussprechlich!

ROCCONun, habt ihr wieder etwas geruht?

FLORESTANGeruht?Wie fände ich Ruhe?

LEONOREDiese Stimme!Wenn ich nur einen Augenblicksein Gesicht sehen könnte.

FLORESTANWerdet ihr immer beimeinen Fragen taub sein,grausamer Mann?

LEONOREGott, er ist's!

ROCCOWas verlangt Ihr denn vonmir?Ich vollziehe die Befehle,die man mir gibt;das ist mein Amt, meine Pflicht.

FLORESTANSagt mir endlich einmal,wer ist Gouverneurdieses Gefängnisses?

ROCCOJetzt kann ich ihm ja ohneGefahr genug tun.Der Gouverneur dieses Gefängnissenist Don Pizarro

FLORESTANPizarro!

LEONOREO Barbar !Deine Grausamkeit gibt mirmeine Kräfte wieder.

FLORESTANWenn Ihr mir dienen wolltet,so schickt sobald als möglichnach Sevilla,fragt nach Leonore Florestan...

LEONOREGott, er ahnt nicht,daß sie jetzt sein Grab gräbt.

FLORESTANGebt ihr Nachricht,daß ich hier in Ketten liege.

ROCCOEs ist unmöglich, sag ich euch.Ich würde mich ins Verderben stürzen,ohne euch genützt zu haben.

FLORESTANWenn ich denn verdammt bin,mein Leben zu enden,laßt mich nicht langsamverschmachten.

LEONOREO Gott,wer kann das ertragen?

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FLORESTANAus Barmherzigkeit,gib mir nur einen Tropfen Wasser,das ist ja so wenig.

ROCCOEs geht mir wider meinenWillen zu Herzen.

LEONOREEr scheint sich zu erweichen.

FLORESTANDu gibst mir keine Antwort?

ROCCOIch kann euch nicht verschaffen,was Ihr verlangt.Alles was ich euch anbieten kann,ist ein Restchen Wein,das ich im Krug habe. Fidelio!

LEONOREDa ist er! Da ist er!

FLORESTANWer ist das?

ROCCOMein Schließer,und in wenigen Tagen mein Eidam.Es ist freilich nur wenig Wein,aber ich geb ihn euch gern.Du bist ja ganz in Bewegung, du?

LEONOREWer sollt es nicht sein?

ROCCOEs ist wahr, der Mensch hatso eine Stimme...

LEONOREJawohl, sie dringt in dieTiefe des Herzens.

FLORESTANEuch werde Lohn in bessern Welten,der Himmel,der Himmel hat euch mir geschickt,o Dank, ihr habt mich süß erquickt,ich kann die Wohltat,ich kann sie nicht vergelten.

ROCCOIch labt ihn gern, den armen Mann,es ist ja bald um ihn getan.Ich tu, was meine Pflicht gebeut,doch haß ich Grausamkeit.

LEONOREWie heftig pochet dieses Herz,es wogt in Freud undscharfem Schmerz.Die hehre, bange Stunde winkt,die Tod mir oder Rettung bringt.

FLORESTANBewegt seh ich den Jüngling hier,und Rührung zeigtauch dieser Mann, o Gott,o Gott, du sendest Hoffnung mir,daß ich sie noch gewinnen kann.

LEONOREDies Stücken Brot, ja,seit zwei Tagen tragich es Immer schon bei mir.

ROCCOIch möchte gern, doch sag ich dir,das hieße wirklich zu viel wagen.

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LEONOREAch !Ihr labtet gern den armen Mann.

ROCCODas geht nicht an.

LEONOREEs ist ja bald um ihn getan.

ROCCOSo sei es, so sei's,du kannst es wagen.

LEONOREDa nimm, da nimm das Brot,du armer, du armer Mann!

FLORESTANO Dank dir, Dank.Euch werde Lohn in bessern Welten,der Himmel, der Himmelhat euch mir geschickt, o Dank,ihr habt mich süß erquickt,ich kann die Wohltat,ich kann sie nicht vergelten.

LEONOREDer Himmel schicke Rettung dir,dann wird mir hoher Lohn gewährt.

ROCCOMich rührte oft dein Leiden hier,doch Hilfe,doch Hilfe war mir streng verwehrt.

LEONOREIhr labt ihn gern, den armen Mann!

FLORESTANO daß ich euch nicht lohnen kann,o Dank ich kann die Wohltat nicht vergelten, o Dank!

LEONOREO mehr, als ich ertragen kann,du armer Mann.

ROCCOAlles ist bereit; ich gehe,das Signal zu geben.

LEONOREO Gott,gib mir Mut und Stärke!

FLORESTANWohin geht er?Ist das der Vorbote meines Todes?

LEONORENein, nein! Beruhige dich,lieber Gefangner.

FLORESTANO meine Leonore!So soll ich dich nie wieder sehen!

LEONOREMein ganzes Herz reißtmich zu ihm hin!Sei ruhig, sag ich dir!Vergiß nicht,was du auch hören und sehen magst,vergiß nicht, daß überalleine Vorsehung ist...ja,ja, es giebt eine Vorsehung!

SZENE 3

PIZARROIst alles bereit?

ROCCOJa, die Zisterne uchtnur geöffnet zu werden.

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PIZARROGut,der Jüngling soll sich entfernen.

ROCCOGeh, entferne dich!

LEONOREWer?... Ich...? Und ihr?

ROCCOMuß ich nicht demGefangenen die Eisen abnehmen?Geh, geh!

PIZARRODie muß ich mir heute nochbeide vom Halse schaffen,damit alles auf immerim dunkeln bleibt.

ROCCOSoll ich ihm die Ketten abnehmen?

PIZARRONein, aber schließe ihnvon dem Stein los.Die Zeit ist dringend.Er sterbe!Doch er soll erst wissen,wer ihm sein stolzes Herz zerfleischtDer Rache Dunkel sei zerrisssieh her, du hast michnicht getäuscht!Pizarro, den du stürzen wolltest,Pizarro, den du fürchten solltest,steht nun als Rächer, hier!

FLORESTANEin Mörder steht vor mir!

PIZARRONoch einmal ruf ' ich dir,

was du getan zurück,nur noch ein Augenblick,und dieser Dolch...

LEONOREZurück!

FLORESTANO Gott!

ROCCOWas soll?

LEONOREDurchbohren, durchbohrenmusst du erst diese Brust,der Tod sei dir geschworenfür deine Mörderlust!

PIZARROWahnsinniger!Wahnsinniger!Er soll bestrafet sein!

FLORESTANEin Mörder, ein Mördersteht vor mir.

ROCCOHalt ein, halt ein!Halt ein, halt doch ein!

LEONORETöt erst sein Weib!

PIZARROSein Weib?

ROCCOSein Weib?

FLORESTANMein Weib?

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LEONOREJa, sieh hier Leonore!

FLORESTANLeonore!

LEONOREIch bin sein Weib,geschworen hab ich ihm Trost,Verderben dir!

PIZARROSein Weib?

ROCCOSein Weib?

FLORESTANMein Weib?

LEONOREIch trotze seiner Wut!Verderben ihm!Der Tod, der Tod sei dir geschworen,durchbohren mußtdu erst diese Brust!Noch einen Laut, und du bist tot!

FLORESTANVor Freude starrt mein Blut!

PIZARROWelch' unerhörter Mut!welch unerhörter Mut!Ha, ha, soll ich voreinem Weibe beben?So opfr'ich, so opfr'ichbeide meinem Grimm;geteilt hast du mit ihm das Leben,so teile nun den Tod mit ihm!

ROCCOMir starrt vor Angst mein Blut!

LEONOREAch, du bist gerettet,großer Gott!

FLORESTANAch, ich bin gerettet, großer Gott!

PIZARROHa! ha, der Minister,Höll' und Tod!

ROCCOO, o was ist das,gerechter Gott!

SZENE 4

JAQUINOVater Rocco,der Herr Minister kommt an,sein Gefolge ist schonvor dem Schlosstor.

ROCCOGelobt sei Gott!Wir kommen, ja wirkommen augenblicklich.Und diese Leute mit Fackelnsollen heruntersteigen undden Herrn Gouverneur hinaufbegleiten.

LEONOREEs schlägt der Rache Stunde,du sollst gerettet sein!Die Liebe wird im Bundemit Mute mich befrein.

FLORESTANEs schlägt der Rache Stunde,ich soll gerettet sein!Die Liebe wird im Bundemit Mute dich befrein.

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PIZARROVerflucht sei diese Stunde,die Heuchler spotten mein.Verzweiflung wird im Bundemit meiner Rache sein!

ROCCOO fürchterliche Stunde!O, Gott, was wartet mein?Ich will nicht mehr im Bundemit diesem Wütrich sein.

SZENE 5

FLORESTANMeine Leonore, was hast dufür mich getan!Dürfen wir noch hoffen?

LEONOREWir dürfen es!Die Ankunft des Ministers,denn wir kennen,Pizarros Verwirrung, und vor allemVater Roccos tröstende Zeichensind mir ebenso viele Gründe Rocco,zu glauben, unser Leiden seiam Ziel und die Zeit unsresGlückes wolle beginnen.

FLORESTANSprich, wie gelangtest du hierher?

LEONOREIch verließ Sevilla,ich kam hierher zu Fuß,in Manneskleidern,der Kerkermeisternahm mich in Dienste,dein Verfolger selbstmachte mich zum Schließer.

FLORESTANTreues Weib ! Frau ohnegleichen!Was hast du meinetwegen erdultet!

LEONORENichts, mein Florestan!Meine Seele war mit dir,wie hätte der Körpersich nicht stark gefühlt,indem er für sein besseresSelbst stritt?O, namenlose Freude!Mein Mann an meiner Brust!Nach unnennbarer Leiden,so übergroße Lust.Du wieder nun in meinen Armen!O Dank dir, Gott, für diese Lust!Mein Mann, mein Mann an meiner Brust!Ich bin's!Du bist's!O himmlisches Entzücken!Florestan! Florestan!Florestan!

FLORESTANO, namenlose Freude!An Leonorens Brust!Nach unnennbarer Leidenso übergroße Lust.O Gott, wie groß ist dein Erbarmen,o Gott, wie groß ist dein Erbarmen!O Dank dir, Gott, für diese Lust!Mein Weib, mein Weiban meiner Brust! Du bist's!O himmlisches Entzücken!Ich bin's!Leonore!O Leonore!

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SZENE 6

ROCCOGute Botschaft,ihr armen Leidenden.Der Herr Minister hat eine Listealler Gefangenen mit sich,alle sollen ihm vorgeführt werden.Jaquino öffnet die oberenGefängnisse.Ihr allein seid nicht erwähnt,euer Aufenthalt hier ist eineEigenmächtigkeit des Gouverneurs.Kommt,folget mir hinauf!Auch ihr,gnädige Frau!Und gibt Gott meinem Worten Kraftund lohnt er die Heldentatder edelsten Gattin,so werdet Ihr frei und euerGlück ist mein Werk!

FLORESTANLeonore!

LEONOREDurch welche Wunder?

ROCCOFort, zögert nicht!Oben werdet Ihr alles erfahren.Auch diese Fesseln bleiben noch.Gott gebe, daß sie EuchMitleid erflehenund dem Grausamen anglegt werden,der Euch so viele Leiden bereitete.

SZENE 7

VOLKHeil, Heil, heil sei dem Tag,Heil sei der Stunde,die lang ersehnt, doch unvermeint,Gerechtigkeit mit Huld im Bundevor unsres Grabes Tor erscheint!

FERNANDODes besten Königs Winkund Wille führt mich zu euch,ihr Armen her,daß ich der FrevelNacht enthülle,die all umfangen schwarzund schwer.Nicht, nicht längerkniet sklavisch nieder,Tyrannenstrenge sei mir fern.Es sucht derBruder seine Brüder,und kann er hellen,Und kann er helfenhilft er gern.

VOLK, GEFANGENERHeil, sei dem Tag,Heil sei der Stunde!Heil!

SZENE 8

ROCCOWohlan, so helfet,helft den Armen !

PIZARROWas seh ich ?Fort, fort!

FERNANDONun rede!

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ROCCOBewegt es dich?All Erbarmen, All Erbarmenvereine diesem Paare sich.Don Florestan.

FERNANDODer Totgeglaubte,der Edle,der für Wahrheit stritt ?

ROCCOUnd Qualen ohneZahl erlitt!

FERNANDOMein Freund, mein Freund,der Totgeglaubte?Gefesselt, gefesselt,bleich steht er vor mir.

LEONORE, ROCCOJa, Florestan, Florestan,ihr seht ihn hier.

ROCCOUnd Leonore,

FERNANDOLeonore?

ROCCOder Frauen Zierde fuhr' ich vor;sie kam hierher...

PIZARROZwei Worte sagen.

FERNANDOKein Wort!Sie kam...

ROCCODort an mein Tor, ...und trat als Knecht inmeine Dienste,und tat so brave, treue Dienste,daß ich zum Eidam sie erkor.

MARZELLINEO weh mir, weh mir,was vernimmt mein Ohr!

ROCCODer Unmensch wollt indieser Stunde vollziehnan Florestan den Mord.

PIZARROVollziehn mit ihm!

ROCCOMit uns im Bunde;nur Euer Kommen, rief ihn fort,nur euer Kommen rief ihn fort.

CHORBestrafet sei der Bösewichtder Unschuld unterdrückt,Gerechtigkeit hält zum Gerichtder Rache Schwerte gezückt!

FERNANDODu schlossest aufdes Edlen Grab,jetzt, jetzt nimmihm seine Ketten ab;doch halt, euch,edle Frau, allein,euch ziemt es,ganz ihn zu befrein.

LEONOREO Gott, o Gott, welch ein Augenblick

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FLORESTANO unaussprechlich süßes Glück!

FERNANDOGerecht, o Gott,gerecht ist dein Gericht!

MARZELLINEDu prüfest,du verläßt uns nicht!

ROCCODu prüfest,du verläßt uns nicht!

LEONORE, FLORESTAN,FERNANDO, CHORO Gott, o welch ein Augenblick!o unaussprechlich süßes Glück!Gerecht,o Gott, gerechtist dein Gericht!Du prüfest, du verläßt uns nicht!

CHORWer ein holdes Weib errungen,stimm in unsern Jubel ein,nie, nie, nie wird es zuhoch besungen.hoch besungen.Retterin, Retterin des Gatten sein.

FLORESTANDeine Treu erhielt mein Leben,Tugend schreckt den Bösewicht.

LEONORELiebe führte mein Bestreben,wahre Liebe fürchtet nicht.

CHORPreist, preist mit hoher Freude Glut,Leonorens edlen Mut.

FLORESTAN, CHORWer ein holdes Weib errungen,stimm in unsern Jubel ein,nie, nie, nie wird es zuhoch besungen.hoch besungen.Retterin, Retterin des Gatten sein.

LEONORELiebend, liebend ist es mir gelungen,dich aus Ketten zu befrein, liebend,liebend, liebendsei es hoch besungen,Florestan, wieder mein.

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