Fight the Law - Gegen das Gesetz
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Um gegen die kleinlichen Verordnungen des New Yorker
Bürgermeisters Bloomberg zu protestieren, hat der
2011 verstorbene Schriftsteller Christopher Hitchens vor
zehn Jahren einen Ein-Mann-Verordnungs-Amoklauf
unternommen. Zu seinen Straftaten zählten unter
anderem: beim Fahrradfahren die Füße von den Pedalen
nehmen, Tauben füttern und auf einer Milchkiste sitzen.
Hitchens fragte sich: Wieso behandelt Bürgermeister
Bloomberg die Bewohner der kosmopolitischsten Stadt
der USA wie zurückgebliebene Kinder?
I fought the law
Man erzählt sich viele und vielfältige New
Yorker Geschichten über Professor Sidney
Morgen besser. So soll er während einer Konferenz
von Sprachphilosophen an der Columbia University
den wichtigtuerischen Philosophen und Sprach-
theoretiker J. L. Austin unterbrochen haben. Dieser hatte
erklärt, dass es im Englischen kein Beispiel für einen doppelten
Positiv gebe, der etwas Negatives ausdrückt — im Gegensatz zu
doppelten Verneinungen, die et was Positives, wie „nicht unat-
traktiv“, ausdrückten. Morgenbesser formulierte seinen Zwi-
schenruf in Form der höhnischen Worte: „Ja, klar!“. „ Ja, sicher“ wäre auch gegangen. Bei einer anderen Gelegenheit steckte
sich der Philosoph, für seine Schlagfertigkeit und seinen Witz
berühmt, seine Pfeife in den Mund, während er die Stufen einer
New Yorker U-Bahn heraufstieg. Ein Polizist kam auf ihn zu und
belehrte ihn, dass das Rauchen in der U-Bahn verboten sei.
Morgenbesser erklärte — wies darauf hin, wäre vielleicht der
bessere Begriff —, dass er beim Verlassen und nicht beim Betre- F o t o s : L e b r e c h t M & A / u l l s t e i n b i l d
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VERBOTE VERBOTE IN NEW YORK
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ten der U-Bahn war, und dass er die Pfeife noch nicht angezün-
det hatte. Der Cop wiederholte seine Anweisung. Morgen-
besser bekräftigte seine Feststellung. Nach weiterem Hin und
Her erkannte der Polizist, dass er geschlagen war und griff auf
die letzte Rettung erschütterter Autoritäten zurück: „Wenn ich
es Ihnen erlauben würde, müsste ich es allen erlauben.“
Daraufhin entgegnete der alte Philosoph: „Wer glauben Sie
eigentlich, wer Sie sind — Kant?“ Sein letztes Wort — die beiden
sprachen natürlich Englisch miteinander — wurde missver-standen (cunt: vulg. Vagina), weshalb sie die Erörterung des
kategorischen Imperativs auf einem Polizeirevier fortsetzten.
Schließlich wurde Morgenbesser entlassen.
Genau so muss New York meiner Meinung nach sein:
Ironie und ein bisschen Frechheit kombiniert mit kämpferi-
scher Unabhängigkeit sollten immer eine Chance haben gegen
schwerfällige Beamte, die nicht viel mehr vermögen als so
anspruchsvolle Mantras wie „Zero Tolerance“ und „Keine
Ausnahmen“ auswendig wiederzugeben. Eines ist klar: Heute
wäre der Professor aufgehalten, beleidigt und mit einer Geld-
strafe belegt worden. Man hätte ihm gesagt, dass er, wenn ihm
das nicht passe, gerne einen Tag bei Gericht verschwenden
könne oder sich mehrere Tage mit der Bürokratie herumschla-
gen — oder beides.
Nehmen wir den Fall von Brian Bui, Besitzer des Me-
kong-Restaurants in Soho. Wie alle anderen auch
wurde er der Wahl beraubt, seine Kunden rauchen zu
lassen oder nicht — er lebt unter Führung einer Stadtregierung,
die besser weiß, was gut für ihn und seine Kunden ist. Daher
müssen Raucher nach draußen gehen. Doch hat sich die Sache
damit? Nein. Es ist nämlich auch an der frischen Luft nicht
erlaubt zu rauchen, wenn das unter einer Markise passiert.
Herr Bui musste also 200 Dollar Strafe bezahlen, weil er einem
seiner Kunden erlaubt hatte, in diesem Bereich zu rauchen. Auch wenn die Markise zu diesem Zeitpunkt eingerollt war.
Das tue nichts zur Sache, sagte der Kontrolleur, der den Straf-
zettel ausstellte. Eine Markise war im Spiel. Also wurde ein hart
arbeitender Vietnamese letztlich dafür bestraft, dass er eine
Markise vorgehalten hatte. Der Richter belehrte ihn, er hätte
sich nach „bestem Wissen und Gewissen“ bemühen müssen,
seine Gäste zu kontrollieren oder sie auf diese Besonderheit
hinzuweisen. Als er zum zweiten Mal erwischt wurde, w
war die Markise eingerollt, zog Herr Bui erneut vor Geric
gewann. Doch der erfolgreiche Versuch zu beweisen, da
Gesundheitsamt und Justiz einen Gummiparagrafen zu s
Lasten auslegten, kostete ihn 3.000 Dollar an Anwaltskos
Die Gesetzeslage ist heute mehr als klar: New York C
die Hauptstadt der mediokren Bürokraten, des Inspekto
großzügigem Zeitbudget, des analfixierten Cops mit der
in der Verordnungssammlung, der Petze, die gewillt ist, jharmlosen Mitbürger zu verraten — und eines Bürgerme
der in diesem Spiel die armseligste und nervigste Figur a
die eines Mikro-Größenwahnsinnigen.
Der Reiz, Gesetze zu brechen, ist nicht immer anar
scher Natur. Zunächst empfindet der Mensch ein
natürlichen Widerstand gegen Zwang (oder er so
empfinden). Wir mögen es nicht, geschubst und gestoßen
werden, selbst wenn es in eine Richtung ist, in die wir mö
cherweise selbst gehen wollen. Zweitens hat der Mensch
natürliches Gespür für das Absurde (oder sollte es haben
Hinter meinem Apartmentgebäude in Washington steht
amtliches Schild mit der Aufschrift: „Drogenfreie Zone“. V
lich hat dieser geradezu lächerliche Hinweis etwas damit
dass in der Nähe eine Schule ist. Vor ein paar Jahren rief s
einer unserer Vororte auf Basis einer kommunalen Veror
zur „Atomwaff enfreien Zone“ aus. Nun will ich das Betäub
mittelgesetz nicht brechen, doch wenn ich es wollte, wür
mich oder jeden anderen Mitbürger nicht mehr als einen
und eine etwa zehnminütige Wartezeit kosten. Ich träum
Weile vor mich hin, ob ich nicht die Atomwaff enfreiheits-
ordnung allein wegen ihrer Absurdität brechen sollte. Da
beschloss ich, dass dies zu viel der Mühe gewesen wäre.
Es gibt also einerseits Gesetze, die vertretbar sind, ab
nicht durchsetzbar. Andererseits gibt es Gesetze, die maunmöglich brechen kann. Doch im New York von Bürge
ter Bloomberg gibt es Gesetze, deren Befolgung unmögl
die niemand respektieren kann und die mit tyrannische
Macht exekutiert werden. Dabei gilt: Das Wesen tyrannis
Macht ist nicht das eiserne Gesetz. Es ist das unberechen
Gesetz. Tyrannei kann kleinlich sein. Und „kleinlich“ ist m
als nur Bloombergs zweiter Vorname.
I c h r o l l t e i m L e e r l a u f d e n H a n g h i n u n t e r , w o b e i
f r i s c h e H e r b s t b r i s e m e i n e H o s e n b e i n e w e i t n a c h o b e n s c h
w ä h r e n d i c h m e i n e F ü ß e i n d i e L u f t h i
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