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WOHN.KULTUR ZWILLING IM ZIVILDIENST Ist das Ironie des Schicksals? Wo einst Soldaten für den militärischen Notfall ausgebildet wurden, da lernen heute Zivildienstleistende, wie sie zwischenmenschliche Beziehung aufbauen und pflegen. Auf dem Campus Schwarzsee liegt das neue nationale Ausbildungszentrum ZIVI in Schwarzsee (FR). Ein Areal der Widersprüche mit zwei Konstanten in Holzbauweise. Text Sandra Depner | Quellen Schaerholzbau AG, 0815 Architekten, Kommunikation Verteidigung der Schweizer Armee | Fotos Hansueli Schärer

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ZWILLING IM ZIVILDIENSTIst das Ironie des Schicksals? Wo einst Soldaten für den militärischen Notfall ausgebildet wurden, da lernen heute Zivildienstleistende, wie sie zwischenmenschliche Beziehung aufbauen und pflegen. Auf dem Campus Schwarzsee liegt das neue nationale Ausbildungszentrum ZIVI in Schwarzsee (FR). Ein Areal der Widersprüche mit zwei Konstanten in Holzbauweise. Text Sandra Depner | Quellen Schaerholzbau AG,

0815 Architekten, Kommunikation Verteidigung der Schweizer Armee | Fotos Hansueli Schärer

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Von 1932 ab befand sich am Schwarzsee vor den Freiburger Voralpen eine Truppenunter-kunft der Schweizer Armee. Im Laufe der Zeit wurden Unterkunft und Umgebung den Bedürf-nissen des Militärs angepasst. In den 1960er Jahren galt das Areal beispielhaft für eine An-lage, die auch von der Zivilbevölkerung als Fe-rienlager genutzt werden konnte – ein Zeichen gelungenen Nebeneinanders von Militär, Tou-rismus und Alpwirtschaft. Zum Ende hin bot die Anlage am Schwarzsee Platz für vier Kom-panien. Unweit der Unterkunft übten sich die Soldaten auf den bundeseigenen Schiess-plätzen an der Waffe und trainierten für den militärischen Notfall.

Das ist Geschichte. Seit Jahresanfang stehen «Kommunikation und Betreuung», «Umwelt- und Naturschutz» oder «Pflegehilfe 1 und 2» auf der Agenda. Am Campus Schwarzsee tref-fen jährlich bis zu 10 000 Zivildienstleistende ein, die diese Kurse im neuen nationalen Aus-bildungszentrum ZIVI besuchen. Hier erhalten sie das Rüstzeug für die verschiedenen Ein-satzgebiete wie etwa Kinder- und Jugendar-beit, Altenpflege oder Naturschutz. Empfan-gen werden sie von zwei Dreigeschossern, den Zwillingen vom Campus Schwarzsee. Die sich gegenüberliegenden Gebäude in Holzbauweise dienen als temporäre Unterkünfte der Zivil-dienstleisten den während ihrer Ausbildung. «Es ist etwas entstanden, an dem wir Freude haben, und das hoffentlich noch lange stehen-bleiben wird», sagt Architekt Oliver Schmid über den im Frühjahr 2016 fertiggestellten Campus.

WIE EIN SECHSER IM LOTTOGlückliche Zufälle ebneten den Weg für die Umnutzung des Areals. Die Schweizer Armee kündigte den Nutzungs vertrag für die Unter-kunft Schwarzsee inklusive Schiessplatz auf 2015. Nicht nur das. Auch eine belgische Orga-nisation, die jahrelang am Schwarzsee Ferien-lager organisiert hatte, sprang vom Vertrag ab. Drohender Leer stand in idyllischer Lage. Der Zufall spielte der Bauherrschaft, dem Hochbauamt Staat Freiburg, in die Hände. Ein Freiburger Staatsrat sprach sogar von einem «Sechser im Lotto». Denn zur gleichen Zeit suchte das Bundesamt für Bauten und Logis-tik neue Räumlichkeiten für die Ausbildung von Zivildienstleistenden. Die Idee für den Cam-pus Schwarzsee war geboren: ein Areal, das

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das Ausbildungszentrum mit einem Sport- und Freizeitzentrum für Vereine, Schulklassen und Gruppen vereint. Mit dem Projekt konnte sich Freiburg gegenüber den Standorten Bern und Luzern behaupten.

Welche Bedeutung der neue Campus für die Region sowie die Vollzugsstelle für den Zivil-dienst hat, zeigte sich spätestens im Som -mer 2016: Immerhin eröffnete Bundespräsi-dent Johann Schneider-Ammann den Cam-pus Schwarzsee. Gefeiert wurde nicht nur das neue Ausbildungszentrum, sondern auch das 20-Jahr-Jubiläum des Zivildienstes und die Revision des Zivildienstgesetzes. Von Letzte-rem, so der Bundespräsident, erhoffe er sich

eine verbesserte Ausbildung. Für die entspre-chende Lern- und Arbeitsatmosphäre sorgen die beiden neuen, dreigeschossigen Zwillings-bauten (Gebäude C und D im Situationsplan). Und es ist nicht nur die Lage am südlichen Ende des Schwarzsees, umgeben von Grün, Bergen und Natur, die den Campus zu einem angeneh-men Aufenthaltsort macht. Es ist auch die mo-derne Unterkunft mit mehr als 150 Zimmern, die ganz aus Holz besteht – von der Fassade über das Treppenhaus bis zu den eigens ge-schreinerten Möbelstücken. Die durch ge-hen de Holzausstattung verleiht den Zimmern einen wohnlichen Charakter. Jedes hat vier Schlafplätze, Wandschrank, Tisch, Stuhl und Lavabo. Die Sanitärbereiche liegen ausser-

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halb der Zimmer. Die Korridore sind so ange-legt, dass allerorts der Blick über die gros sen Fenster in die Landschaft wandern kann.

Die Zwillinge in Holzbauweise sind die Neu-bauten auf dem weitläufigen Areal. Von der einstigen Truppenunterkunft erhalten geblie-ben sind drei Gebäude, die – modernisiert – den Campus vervollständigen. Da wären zum Beispiel die Schlafsäle der alten Militäran-lage, die heute 20 moderne Kursräume be-herbergen (Gebäude B). Das Gemeinschafts-restaurant (Gebäude A) bekam einen neuen Schliff, so auch die Sporthalle (Gebäude E). Die neuen Holzbauten stehen im rechten Winkel zu den alten Gebäuden. So entsteht in

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1 Gebäude C und D sind die neuen Dreigeschosser aus Holz. Renoviert wurden das Schulungshaus (B), das Restaurant (A) und die Sporthalle (E). 2 Der Grundriss vom Erdgeschoss zum zweiten Geschoss. 3 Die Zwillingsbauten stehen einander gegenüber. Umgeben sind sie von den bereits bestehenden Gebäuden, die modernisiert wurden.

Der Campus Schwarzsee in Zahlen624 Betten 238 Zivildienstleistende jede Woche 500 Mahlzeiten pro Tag 1300 Tonnen verbautes Holz 150 000 Übernachtungen im Jahr

deren Mitte ein grosser Hof. Ein breites Frei-zeitangebot rundet das Konzept des Campus Schwarzsee ab: Fitnessraum, Klet terwände, Beachvolleyball-Felder, Fin nen bahn und Ra-sen- sowie Aussensportplätze. Weiteren Aus-gleich zu den Kursen bietet die Umgebung mit Minigolf, Tennis, Velotouren oder Skilaufen sowie Schlitteln im Winter.

IM EILMARSCH ZUM DOPPELBAUFür den Umbau der Truppenunterkunft Schwarz-see und eine neue Nutzung des Areals hatte der Kanton Freiburg einen Gesamtleistungs-wettbewerb ausgeschrieben. Der Zuspruch ging an das Luzerner Unternehmen Schaer-holzbau AG aus Altbüron, das auf individuell

massgeschneiderte Holzbauten spezialisiert ist. Als Totalunternehmerin hat die Schaer-holzbau AG den Campus von Anfang bis Ende begleitet und geplant – gemeinsam mit den in Biel und Freiburg tätigen 0815 Architekten. Die Aufgabe bestand darin, so etwas wie ein Low-Budget-Hotel zu schaffen, mit 156 Zim-mern und 624 Betten. Es sollte moderne An-sprüche erfüllen und schnell realisiert werden. Der Zeitplan war knapp bemessen: Bauein-gabe war Ende 2014, schon ein Jahr später sollten die ersten Zivildienstleistenden einzie-hen. Die Bewilligung für das Projekt kam Mitte Februar 2015, Baubeginn der Zwillingsbauten war im März. Im Dezember wurde das erste Gebäude übergeben – gerade noch rechtzeitig

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4 Die Zimmer sind mit Fichtenholz gebaut und ausgestattet.

Das Projekt – die FaktenDas Objekt: Neubau von zwei Gebäuden in Holzelementbauweise Standort: Campus Schwarzsee, Schwarzsee (FR) Bauherr: Staat Freiburg Hochbauamt HBA Auftraggeber: Schaerholzbau AG Altbüron als Totalunternehmer für den Kanton Freiburg / Staat Freiburg Hochbauamt Holzbau: Schaerholzbau AG als Totalunternehmer mit Werkgruppe, Altbüron (LU) Architektur: 0815 Architekten, Freiburg Brutto­Grundfläche: 2 x 3200 m 2 Geschosse: 3 Bauzeit: März 2015 bis März 2016 Volumen SIA 416: 27 464 m 3

Gesamtkosten: 17 Millionen CHF (Preis pro Zimmer 25 000 CHF) Holzverbrauch: 1300 m 3 Herkunft Holz: 50 Prozent Schweiz, 50 Prozent Europa

680 BÄUME ODER 1000 TONNEN CO2

Der umweltfreundliche Baustoff Holz ist am Campus innen wie aussen allgegenwärtig. Allein die Hälfte davon stammt aus Schwei-zer Wäldern, was für eine nachhaltige und umweltbewusste Wertschöpfung spricht. Die Fassade besteht aus einer Weisstannenscha-lung, mit Holz direkt aus der Region Schwarz-see. Für die Zimmer wurde Fichtenholz, für das Treppenhaus Eiche verwendet. Schaer-holzbau schreinerte die Stühle und Tische für

vor dem Bezug Anfang Januar. Drei Monate später folgte der zweite Holzbau. Oliver Schmid vom verantwortlichen Architekturbüro 0815 Architekten erinnert sich an die Zeit: «Die Bau-phase war intensiv. Aber: Es war weniger eine Baustelle, auf der wir gearbeitet haben, es war eher ein Vier-Sterne-Hotel. Wir hatten eine Abwartin, die sich ausgezeichnet um uns gekümmert hat. Sie hat Schlafplätze organi-siert, Mahlzeiten ausgegeben und uns mit al-lem Nötigen versorgt.»

Um den schnellen Baufortschritt zu ermög-lichen, hat Schaerholzbau mit modularen, vor-fabrizierten Einheiten gearbeitet. In jeweils nur drei Wochen konnten die Gebäude schliess-lich auf dem Campusareal aufgerichtet wer-den. Die Zwillingsbauten basieren auf einem einheitlichen Grundraster von 3,25 Metern. Die Zimmer wirken wie aus einem Guss. Schmid kannte die Wünsche der Bauherrschaft genau: Es ging um Zimmer, die robust sein sollten. Schreiner möbel statt Schwedenware, anspre- chend, aber spartanisch ausgestattet. Er wirkt zufrieden, wenn er sich heute das Ergebnis anschaut. Und nicht nur er: «Das Tolle an den fertigen Häusern ist, dass vom Maurer über den Installateur bis hin zu den Zimmerleuten, Schaerholzbau und wir Architekten alle sagen: ‹Da haben wir etwas Schönes gemacht!› »

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die Zimmer aus den Resten der zugeschnitte-nen Holzelemente. Für die Zwillingsbauten am Campus wurden insgesamt 1300 Kubikmeter Holz verbraucht. Das entspricht rund 680 Bäu-men. Dank der umfassenden Holzbauweise sind laut Schaerholzbau im Campus 1000 Ton-nen CO2 gebunden. Dank den neuen Brand-schutzvorschriften von 2015 war es möglich, das komplette Gebäude auf drei Geschossen inklusive Fluchtwege und Trep penhäuser mit Holz zu realisieren. «Grundlage dafür ist unter anderem, dass über das ganze Gebäude hin-weg eine Sprinkleranlage eingebaut ist», er-läutert Roman Jungo, Kreis-Feuerinspektor Sense bezirk Kanton Freiburg, die Brandschutz-massnahmen. «Mit der konse quen ten Umset-zung des Löschanlagenkonzeptes konnte der Feuerwiderstand der Tragwerke einfach er-füllt werden, was das aufwändige Konstruie-ren nichtbrennbarer Bauteile bei diesen zwei Gebäuden erübrigte.»

Ziel war es, dass schon der Bau wie auch später die Nutzung so wenig Energie wie mög-lich verbrauchen. So wurde zum Beispiel eine Wärmepumpe eingebaut, mit der die aus den Zimmern gesaugte Luft das Wasser für die Duschen erwärmt. Auch das Verhältnis von Volumen zur Oberfläche ist so gestaltet, dass Begegnungszonen in den Korridoren entste-hen, ohne dass dadurch die Energiebilanz gestört wird.

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