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15. 10. 2006 37. Jahrgang PVSt 7997 BRAK Mitteilungen Hgb BundesrecHtsanwaltskammer Beirat RAuN Dr. Eberhard Haas, Bremen RA Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe RA JR Heinz Weil, Paris Aus dem Inhalt Akzente Furcht vor dem Rechtsdienstleistungsgesetz? (RAuN Dr. Bernhard Dombek) 193 Aufsätze Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission – Betrachtungen zum finnischen Rechtsdienstleistungsmarkt (RA Dr. Matthias Kilian) 194 Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren von Rechtssystemen – Entschließung des Europäischen Parlaments 204 Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA 212 Pflichten und Haftung des Anwalts Das aktuelle Urteil (RA H. Grams) Keine (Schein-)Sozienhaftung bei nicht anwaltstypischer Tätigkeit (OLG Celle v. 31.5.2006) 217 Berufsrechtliche Rechtsprechung Zur Unabhängigkeit der Anwaltsgerichtsbarkeit (m. Anm. RA Dr. Wolfgang Eichele) (BVerfG v. 26.6.2006) 221 Vergütung – Unterschreitung der gesetzlichenVergütungsansprüche bei der Beauftragung eines Terminsvertreters (BGH v. 1.6.2006) 229 Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch über Anwaltskanzleien (BGH v. 9.2.2006) 231 BRAKMagazin Das geplante Rechtsdienstleistungsgesetz im Focus Fortbildungszertifikat der BRAKKarikaturpreis an Gerhard Harderer 5/2006

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15. 10. 2006 37. Jahrgang PVSt 7997BRAKMitteilungenH�����g�b��B u n d e s r e c H t s a n w a l t s k a m m e r

Beirat

RAuN Dr. Eberhard Haas, BremenRA Dr. Christian Kirchberg, KarlsruheRA JR Heinz Weil, Paris

Aus dem Inhalt

AkzenteFurcht vor dem Rechtsdienstleistungsgesetz?(RAuN Dr. Bernhard Dombek) 193

AufsätzeFinnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimusder Europäischen Kommission – Betrachtungen zum finnischenRechtsdienstleistungsmarkt(RA Dr. Matthias Kilian) 194

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren vonRechtssystemen – Entschließung des Europäischen Parlaments 204

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA 212

Pflichten und Haftung des AnwaltsDas aktuelle Urteil (RA H. Grams)Keine (Schein-)Sozienhaftung bei nicht anwaltstypischer Tätigkeit(OLG Celle v. 31.5.2006) 217

Berufsrechtliche RechtsprechungZur Unabhängigkeit der Anwaltsgerichtsbarkeit(m. Anm. RA Dr. Wolfgang Eichele)(BVerfG v. 26.6.2006) 221

Vergütung – Unterschreitung der gesetzlichen Vergütungsansprüchebei der Beauftragung eines Terminsvertreters(BGH v. 1.6.2006) 229

Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch über Anwaltskanzleien(BGH v. 9.2.2006) 231

BRAKMagazinDas geplante Rechtsdienstleistungsgesetz im FocusFortbildungszertifikat der BRAKKarikaturpreis an Gerhard Harderer

5/2006

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II

Neues Unterhaltsrecht

Deutsches Anwaltsinstitut e. V.Einrichtung von Bundesrechtsanwaltskammer, Bundesnotarkammer,Rechtsanwaltskammern und NotarkammernUniversitätsstr. 140 · 44799 Bochum · Tel. (02 34) 9 70 64 - 0 · Fax 70 35 07www.anwaltsinstitut.de · [email protected]

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NW

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Fachinstitut für FamilienrechtDAI

DAI

18.10. 2006 19.10.2006

München Würzburg

Der Gesetzgeber plant die zweite große Reform des Unterhaltsrechts seit 1977;sie soll am 1.4.2007 in Kraft treten. Auf der Basis des Regierungs-Entwurfs einesGesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts werden die geplanten Änderungendes Unterhaltsrechts mit den Übergangsvorschriften eingehend vorgestellt undbesprochen.

Die Teilnehmer erhalten ein ausführliches Skript, das die veränderten Normenaufzeigt, die im Skript sodann im einzelnen (in Anlehnung an den KommentarWeinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht 2. Aufl. 2006) bereits kom-mentiert sind

Kostenbeitrag: € 175,–Tagungsnummer: 09217

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Referent: Michael Klein, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Regensburg

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BRAK-Mitt. 5/2006 III

5/2006

Furcht vor dem Rechtsdienstleistungsgesetz?(B. Dombek) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherungan den Klassenprimus der EuropäischenKommission (M. Kilian) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

Consumerism at the Expense of the Lawyer’sCore Values (J. Kriegler) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

Italien: Erfolgshonorar zugelassen – Gebührenordnungaufgegeben (R. Dolce) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionierenvon Rechtssystemen – Entschließung des EuropäischenParlaments zu den Rechtsberufen und dem allgemeinenInteresse an der Funktionsweise der Rechtssysteme . . . . . 204

Zum Stand des Verfahrens über den Vorschlag füreine Verordnung des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Einführung eines europäischenVerfahrens für geringfügige Forderungen(H.-P. Mayer/J. Lindemann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

„Als das widersprüchliche Leben in das anderewechselte“ (D. Schümann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2und § 3 BORA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Das aktuelle Urteil (H. Grams)

Keine (Schein-)Sozienhaftung bei nicht anwalts-typischer Tätigkeit(OLG Celle, Urt. v. 31.5.2006 – 3 U 14/06) . . . . . . . . 217

Rechtsprechungsleitsätze (B. Chab/H. Grams/A. Jungk)

Haftung

Prüfung Deckungssumme Rechtsschutzversicherung,Mitverschulden des Mandanten bei Fehlinformation,„Anwaltsgemeinschaft“ ist Scheinsozietät(OLG Hamm, Urt. v. 2.3.2006 – 28 U 135/05) . . . . . . . . 218

Fristen

„Notiert“-Vermerk in Akte reicht(BGH, Beschl. v. 14.6.2006 – IV ZB 18/05) . . . . . . . . . . . 219

Zurechnung anwaltlichen Verschuldens(BGH, Versäumnisurt. v. 15.3.2006 – XII ZR 138/01). . . . 219

Berufungsbegründungsfrist nach PKH(BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – III ZA 7/06) . . . . . . . . . . . . 219

Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Akzente

Aufsätze

Pflichten und Haftung des Anwalts

Personalien

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IV BRAK-Mitt. 5/2006Inhalt

Berufsrechtliche Rechtsprechung

BVerfG 4.7.2006 2 BvR 950/05 Schutz von anwaltlichen Kanzleiräumen durch das Grundrecht aufUnverletzlichkeit der Wohnung (LS) 221

BVerfG 26.6.2006 2 BvR 609/06 Zur Unabhängigkeit der Anwaltsgerichtsbarkeit (LS)(mit Anm. RA Dr. Wolfgang Eichele) 221

BGH 15.5.2006 AnwZ (B) 41/05 Zulassung – unvereinbare Angestelltentätigkeit bei einer Bank 222BGH 15.5.2006 AnwZ (B) 43/05 Zulassung – Widerruf bei einem Kirchenbeamten auf Lebenszeit (LS) 224BGH 15.5.2006 AnwZ (B) 46/05 Zulassung – Versagung wegen vorheriger Anstellung als Beamter

auf Lebenszeit im gleichen Landgerichtsbezirk (LS) 225BGH 15.5.2006 AnwZ (B) 53/05 Zulassung – unvereinbare Tätigkeit bei einer Rechtsschutz-

versicherung (LS) 225Niedersäch- 27.7.2006 AGH 14/05 Europäischer Rechtsanwalt – Zulassung zur deutschen Rechtsanwalt-sischer AGH schaft nach dreijähriger Tätigkeit 225Hamburgi- 27.3.2006 EV 122/01 Zweigstellenverbot (LS) 227sches AnwG

BGH 24.7.2006 NotZ 11/06 Anwaltsnotar – Berücksichtigung einer Fachanwaltsqualifikationim Auswahlverfahren (LS) 228

BGH 7.6.2006 VIII ZB 108/05 Vergütung – Terminsgebühr nach zweitem Versäumnisurteil 228BGH 1.6.2006 I ZR 268/03 Vergütung – Unterschreitung der gesetzlichen Vergütungsansprüche

bei der Beauftragung eines Terminsvertreters 229BGH 13.4.2006 IX ZR 158/05 Insolvenzanfechtung von Vorschusszahlungen für anwaltliche

Beratungsleistungen (LS) 231BGH 9.2.2006 I ZR 124/03 Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch über Anwaltskanzleien 231BGH 26.1.2006 III ZB 63/05 Wirksamkeit von Prozesshandlungen eines ehemaligen Rechtsanwalts (LS) 234Hanseatisches 17.8.2006 2 Not 5/2006 Eignungsprognose bei der Bestellung von Anwaltsnotaren (LS) 234OLG BremenOLG Celle 19.6.2006 Not 9/06 Werbung eines Anwaltsnotars 235OLG Olden- 19.12.2005 11 U 74/05 Aufgabe eines Abwicklers (LS) 238burgLG Bonn 25.8.2006 15 O 198/06 Nichtigkeit eines Prozessfinanzierungsvertrages (LS) 238LG Kiel 31.5.2006 14 O 25/06 Werbung mit absolutem Spezialistentum 238

Bundesverfassungsgericht

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

BRAK-MITTEILUNGENInformationen zu Berufsrecht und BerufspolitikHERAUSGEBER: Bundesrechtsanwaltskammer (Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. 030/284939-0, Telefax 030/284939-11).E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.Redaktion: Rechtsanwalt Stephan Göcken (Sprecher der Geschäftsführung/Schriftlei-ter), Rechtsanwalt Christian Dahns, Rechtsanwältin Peggy Fiebig, Frauke Karlstedt(sachbearbeitend).VERLAG: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln (Bay-enthal), Tel. (02 21) 9 37 38-01; Telefax 02 21/ 9 37 38-9 21.E-Mail: [email protected]: Sparkasse KölnBonn (BLZ 37050198) 30602155; Postgiroamt Köln (BLZ37010050) 53950-508.ERSCHEINUNGSWEISE: Zweimonatlich jeweils zum 15. 2., 15. 4., 15. 6., 15. 8., 15.10., 15. 12.BEZUGSPREISE: Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mit-teilungen im Rahmen der Mitgliedschaft ohne Erhebung einer besonderen Bezugs-gebühr zugestellt. Jahresabonnement 94 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft 19,80 €

(zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54% (Steuersatz7%) enthalten.

ANZEIGEN: an den Verlag.

Anzeigenleitung: Renate Becker (verantwortlich).

Gültig ist Preisliste Nr. 21 vom 1. 1. 2006

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 144.200 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK: Boyens Offset, Heide. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE: Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträgesind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung infremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Ge-nehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbei-tungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für die veröf-fentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von der Schrift-leitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eigenen Ge-brauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzelkopien herge-stellt werden.

IVW-Druckauflage 3. Quartal 2006: 143.300 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BUNDESRECHTSANWALTSKAMMER

Berufliche Vertretung aller Rechtsanwälte in der Bundesrepublik Deutschland; 28Mitgliedskammern (27 regionale Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskammerbeim Bundesgerichtshof). Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Rechtsanwalts-kammern und die Bundesrechtsanwaltskammer als Dachorganisation sind die Selbst-verwaltungsorgane der Anwaltschaft.

GESETZLICHE GRUNDLAGE: Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959,BGBl. I S. 565, in der Fassung vom 2. 9. 1994, BGBl. I S. 2278.

ORGANE: Hauptversammlung bestehend aus den 28 gewählten Präsidenten derRechtsanwaltskammern; Präsidium, gewählt aus der Mitte der Hauptversammlung;Präsident: Rechtsanwalt und Notar Dr. Bernhard Dombek, Berlin. Vorbereitung derOrganentscheidungen durch Fachausschüsse.AUFGABEN: Befassung mit allen Angelegenheiten, die für die Anwaltschaft von all-gemeiner Bedeutung sind; Vertretung der Anwaltschaft gegenüber Gesetzgeber, Ge-richten, Behörden; Förderung der Fortbildung; Berufsrecht; Satzungsversammlung;Koordinierung der Tätigkeit der Rechtsanwaltskammern, z. B. Zulassungswesen, Be-rufsaufsicht, Juristenausbildung (Mitwirkung), Ausbildungswesen, Gutachtenerstat-tung, Mitwirkung in der Berufsgerichtsbarkeit.

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BRAK-Mitt. 5/2006

Aktuelle Hinweise

HülfskasseDeutscher Rechtsanwälte

Kl. Johannisstraße 6/V20457 Hamburg

Telefon (0 40) 36 50 79Telefax (0 40) 37 46 45

E-Mail: [email protected]

Nähere Informationen erhaltenSie unter www.Huelfskasse.de

AUFRUF ZUR WEIHNACHTSSPENDE 2006

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

aufgrund der auch im vergangenen Jahr großen Spendenbereitschaft derAnwaltschaft im gesamten Bundesgebiet konnten im Dezember 2005 wie-der zahlreiche in Not geratene Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bzw.deren Angehörige unterstützt werden. Wir möchten allen Spendern für ihretatkräftige Solidarität herzlich danken!

Die Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte zahlte zu Weihnachten 2005 an262 bedürftige Kolleginnen, Kollegen oder deren Familien aus 26 Kammer-bezirken bundesweit 139.250,00 Euro aus. Zusätzlich wurden 80 minder-jährigen bzw. in Ausbildung befindlichen Kindern Buchgutscheine im Wertvon insgesamt 1.600,00 Euro übersandt.

Wir hoffen durch Ihre Hilfe auch in diesem Jahr die finanzielle Situation derBetroffenen etwas zu erleichtern. Viele davon leben in Altenheimen underhalten nur ein Taschengeld von weniger als 90,00 Euro im Monat. Aberebenfalls die jüngeren Kollegen sowie deren Witwen mit Kindern sind füreinen Betrag aus der Weihnachtsspendenaktion sehr dankbar, da die neuenReformen auch sie betreffen.

Daher unser Aufruf: Helfen Sie auch zu Weihnachten 2006 mit IhrerSpende!

Abschließend noch eine Bitte: Sollte Ihnen im Kollegenkreis ein Notfallbekannt sein, bitte informieren Sie uns, wir helfen gern.

Mit kollegialen Grüßenund herzlichem Dank für Ihre Hilfe

Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte

– Dr. Klaus Willenbruch –Vorstandsvorsitzender

P.S.: Jede Spende ist steuerabsetzungsfähig.Für Beträge bis 100 Euro gilt der von Ihrem Kreditinstitut quittierte Beleg alsSpendenbescheinigung. Für Beträge über 100 Euro erhalten Sie eine Spen-denquittung bis spätestens Ende Januar 2007.

Die Konten der Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte lauten:Deutsche Bank Hamburg 0309906 (BLZ 200 700 00)Postbank Hamburg 47403-203 (BLZ 200 100 20)

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Aktuelle Hinweise V

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VI BRAK-Mitt. 5/2006

Hagendorn/Bansemer/Sander, Die An-waltsklausur im Zivilrecht – Strategienzum Erfolg, Richard Boorberg Verlag2006, 136 Seiten broschiert, ISBN3415036596, 19,80 Euro.

Axmann u.a., Anwaltsrecht I, 3. überar-beitete Auflage, Richard Boorberg Verlag2006, 232 Seiten broschiert, ISBN3415036316, 26,50 Euro.

Adler u.a., Anwaltsrecht II, 3. überarbei-tete Auflage, Richard Boorberg Verlag2006, 398 Seiten broschiert, ISBN3415036308, 29,80 Euro.

Auf dem Markt der Ausbildungsliteraturfür angehende Rechtsanwälte sind injüngster Zeit einige sehr empfehlens-werte Bücher erschienen, die unverzicht-bar zum Erwerb des Basiswissens für dasHandwerk eines Rechtsanwalts sind.

Das Buch „Die Anwaltsklausur im Zivil-recht – Strategien zum Erfolg“ ist her-vorragend geeignet, den Referendarendie Grundlagen zur Bearbeitung derAnwaltsklausur zu vermitteln. Die Auto-ren, die als Rechtsanwälte, Arbeitsge-meinschaftsleiter und Prüfer im Rahmender Referendarausbildung tätig sind, nut-zen ihre langjährige Erfahrung, um diebestehenden Unsicherheiten bei denReferendaren zu beseitigen. Sie motivie-ren diese dazu, die Anwaltsklausur nichtals notwendiges Übel, sondern alsChance für ein erfolgreiches Examenund als Grundlage für eine spätere Tätig-keit als Rechtsanwalt zu begreifen. DieAutoren vermitteln auf verständliche, gutdurchstrukturierte Weise die Anforde-rungen an die zivilrechtliche Anwalts-klausur im Assessorexamen. Hierzu wer-den die einzelnen Klausurarten mit typi-schen Fallgestaltungen, Formulierungs-beispielen und Musterschriftsätzen vor-gestellt. Darüber hinaus dient das Buchder Wiederholung und Vertiefung derje-nigen materiellen und prozessualen Fra-gestellungen, die für die Anfertigung derAnwaltsklausur relevant sind. Der Refe-rendar erhält somit sowohl einen Über-blick über formale und inhaltliche Anfor-derungen als auch praktische Tipps zuAufbau und Umsetzung in der jeweili-gen Fallkonstellation. Ergänzt werdendie Ausführungen durch praxisnahe Hin-weise zum anwaltlichen Berufs- undHaftungsrecht sowie zu Kostenfragen.Zudem geben die Autoren zahlreicheweiterführende Hinweise auf Rechtspre-chung und Literatur und ermöglichen sodie Vertiefung im Einzelfall. Dadurch istdas Buch auch bestens für Berufsanfän-ger beim Einstieg in die Anwaltspraxisgeeignet.

Das Buch „Anwaltsrecht I“ behandeltdie Examensschwerpunkte Berufsrecht,Haftung sowie Vergütungsfragen undSteuern. „Anwaltsrecht II“ beschäftigtsich mit examensrelevanten Tätigkeits-feldern in der Anwaltsstation. BeideBücher können auch zusammen zumKombipreis von € 49,50 erworben wer-den. Die Neuauflagen berücksichtigendie seit Erscheinen der Vorauflage erfolg-ten Gesetzesänderungen, insbesonderezum anwaltlichen Vergütungsrecht(RVG). Ebenso eingearbeitet wurden dieneue Rechtsprechung zur Haftung derGbR und Änderungen der Rechtslage inSachen Interessenkollision.

Im ersten Band liegt der Schwerpunktauf der praktischen anwaltlichen Tätig-keit. Hierzu gibt Rechtsanwalt Dr.Axmann zunächst einen Überblick überdas anwaltliche Berufsrecht. Der Refe-rendar erhält dadurch das notwendigeExamenswissen im Hinblick auf dasZulassungsverfahren, die anwaltlichenBerufspflichten, das berufsrechtlicheVerfahren und das anwaltliche Werbe-recht.

Die Rechtsanwälte Bischoff und Diembefassen sich mit der Tätigkeit alsRechtsanwalt. Schwerpunkte diesesKapitels sind die unterschiedlichen For-men der Zusammenarbeit von Rechtsan-wälten. Der Eintritt in eine Kanzlei sowiedie Kanzleigründung bzw. der Kauf einerKanzlei sind ebenfalls berücksichtigt.

Anschließend geht Rechtsanwalt Gramsauf das Thema des anwaltlichen Man-dats und die anwaltlichen Hauptpflich-ten sowie auf die Wahrung von Fristenund insbesondere auf das heikle Themader Anwaltshaftung ein.

Rechtsfachwirtin Rothenbacher erläutertdas Recht der Anwaltsvergütung und dasKostenrecht. Sie zeigt auf, welche Fragenbereits bei Annahme eines Mandatsgeklärt sein müssen, welche Gebühren-tatbestände im laufenden Mandatsver-hältnis bei den unterschiedlichen Ver-fahrensarten einschlägig sind und wel-che Vergütung bei Beendigung des Man-dats anfällt.

Abschließend befasst sich Rechtsanwaltund Steuerberater Dr. Demuth mit denSteuern bei der Anwaltstätigkeit. Hierwerden Fragestellungen zu Einkommen-steuer, Lohnsteuer und Umsatzsteuerleicht verständlich und praxisorientiertbeantwortet.

Der zweite Band bezieht sich auf dieverschiedenen Tätigkeitsfelder desAnwaltsberufs. Zunächst behandelt Prof.Dr. Adler die Tätigkeit des Anwalts alsMediator und Schlichter. Hierbei wirdunter anderem auf die Grundlagen derMediation, den Ablauf des Mediations-verfahrens und die obligatorische Streit-

schlichtung nach § 15a EGZPO einge-gangen.

Die Rechtsanwälte Dr. Breucker undKahabka beschäftigen sich mit der Tätig-keit des Anwalts im Zivilprozess. Sowohldie Stellung des Anwalts als Klägerver-treter als auch als Beklagtenvertreterwerden ausführlich dargestellt. Des Wei-teren geben die Autoren Tipps zur prakti-schen Anwendung: von prozess-taktischen Vorüberlegungen zum Agie-ren in der mündlichen Verhandlung bishin zu den Rechtsmitteln.

In einem gesonderten Kapitel stelltRechtsanwalt Kääb das Verkehrszivil-recht in der anwaltlichen Praxis dar. Diesgeschieht anhand der Haftungssystemenach StVG und BGB. Rechtsanwalt Kääbgibt dabei wertvolle Hinweise zur Man-datsvorbereitung und -bearbeitungsowie zum Mandantengespräch.

Auch Rechtsanwälte müssen sich in derPraxis mit der Zwangsvollstreckung aus-einander setzen. Daher gibt der AutorDörndorfer von der Fachhochschule füröffentliche Verwaltung in Bayern ineinem weiteren Kapitel Auskunft darüber,welche allgemeinen und besonderenZwangsvollstreckungsvoraussetzungenvom Anwalt beachtet werden müssen,und welcher Rechtsbehelf zu wählen ist.

Ein immer bedeutender werdendesGebiet anwaltlicher Tätigkeit, vor allemim Wirtschaftsrecht, ist die Vertragsge-staltung. Daher behandeln die Rechts-anwälte Dr. Beck, Dr. Keßler undDr. Schneider ausführlich die Aufgabenund Ziele der Vertragsgestaltung sowiedie Ausgestaltung von Austausch- undvon Gesellschaftsverträgen. Mit Hilfevon Checklisten sind die wichtigstenRegelungspunkte leicht umsetzbar.

Des Weiteren stellen die RechtsanwälteBlum und Dr. Mehrle die Tätigkeit einesRechtsanwalts im Familien- und Erbrechtdar. Hierbei wird insbesondere auf dieFragen bei Unterhalt, Scheidung undScheidungsfolgen, Sorge- und Umgangs-recht, Erbscheinsverfahren und Erben-feststellungsklage aus anwaltlicher Sichteingegangen.

In einem weiteren Kapitel befassen sichdie Rechtsanwälte Dr. Diller und Wie-land mit dem Arbeitsrecht in der anwalt-lichen Praxis. Die Autoren gehen – unterbesonderer Beachtung der neuen gesetz-lichen Vorschriften – praxis- und klau-surorientiert auf das Individualarbeits-recht, das Kollektivarbeitsrecht und dasarbeitsgerichtliche Verfahren ein.

Ein klassisches Feld anwaltlicher Tätig-keit ist die Strafverteidigung. Die Rechts-anwältinnen Paul und Dr. Schmitz stel-

Buchbesprechung

Aktuelle Hinweise

(Fortsetzung Seite VII)

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BRAK-Mitt. 5/2006 VII

len in diesem Teil die unterschiedlichenVerfahrensstadien aus Sicht der Verteidi-gung in den Mittelpunkt. Weitere The-men sind die Verständigung im Strafver-fahren sowie die straf- und berufsrecht-lichen Risiken des Strafverteidigers.

Zum Abschluss widmen sich die Rechts-anwälte Dr. Breucker, Dr. Kukk und Dr.Meininger der Tätigkeit eines Anwaltsim Verwaltungsverfahren und Verwal-tungsprozess. Umfassend und unterBerücksichtigung der unterschiedlichenKlagearten, der Besonderheiten des Vor-verfahrens, des einstweiligen Rechts-schutzes und der Verwaltungsvollstre-ckung zeigen die Autoren, worauf es beider anwaltlichen Vertretung ankommt.

Die beiden Skripten Anwaltsrecht I undII bereiten optimal auf die Anwaltssta-tion im Referendariat und die Anwalts-klausuren im Zweiten JuristischenStaatsexamen vor. Sie sind abgestimmtauf die Anforderungen, die nach derReform der Juristenausbildung an dieReferendare gestellt werden. Die Prü-fungsrelevanz des Inhalts und die Quali-

tät der beiden Skripten werden dadurchgewährleistet, dass die Autoren auchDozenten der von den Rechtsanwalts-kammern organisierten Anwaltskurseund teilweise Prüfer im 2. Examen sind.Insgesamt machen die anschaulicheDarstellung, zahlreiche Beispielsfällemit Lösungen, einprägsame Klausurtippsund examensorientierte Formulierungs-vorschläge die beiden Bände zu wert-vollen Begleitern in der Anwaltsstationund zu zuverlässigen Arbeitsgrundlagenfür die Examensvorbereitung. Unterwww.w3support.de erhalten die Käufervon Anwaltsrecht I und/oder Anwalts-recht II ohne weitere Kosten Zugang zueinem Online-Service, der die Skriptenmit wichtigen Hinweisen für dieAnwaltsstation und examensrelevantenMaterialien aktuell ergänzt. Weiterfüh-rende Informationsforen für die prak-tische Anwaltstätigkeit finden Referen-dare unter www.ra-kurs.de und www.anwaltsstrategien.de.

Rechtsanwalt Peter StröbelEhemals Präsident der RAK StuttgartVorsitzender des BRAK-Ausschusses

Anwaltsausbildung

Tschechisch-DeutschesAnwaltsforum 2006

Am 3. und 4.11.2006 veranstalten dieRechtsanwaltskammern Tschechien,Bamberg und Sachsen in Fortsetzungdes Fränkisch-Tschechischen Juristenta-ges das erste Tschechisch-DeutscheAnwaltsforum 2006 in Cesky Krumlov/Tschechien. Tagungsort ist das HotelRuze (www.hotelruze.cz), das sich imRenaissancegebäude eines ehemaligenJesuitenklosters und der Universität ausdem 16. Jahrhundert befindet. Diewunderschöne Barockstadt CeskyKrumlov ist ca. 300 km von Dresdenentfernt und gehört zum Weltkulturerbeder UNESO.

Der Themenschwerpunkt unserer dies-jährigen Veranstaltung ist die „Grenz-überschreitende Zwangsvollstreckung –Tschechisch-Deutsche Praxis“.

Veranstaltungshinweise

(Fortsetzung Seite VIII)

(Fortsetzung von Seite VI)

Aktuelle Hinweise

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VIII BRAK-Mitt. 5/2006

(Fortsetzung von Seite VII)

Vorläufiges Programm:

Freitag, 3.11.2006, ab ca. 17.00 Uhr

1. Das System der Zwangsvollstreckungin Tschechien

2. Das System der Zwangsvollstreckungin Deutschland.

Samstag, 4.11.2006

3. Die Europäischen Vollstreckungsver-ordnungen zum Zivil- und Handelsrecht

4. Die Europäischen Vollstreckungsver-ordnungen zum Familienrecht

5. Die Umsetzung in der anwaltlichenPraxis aus tschechischer Sicht

6. Die Umsetzung in der anwaltlichenPraxis aus deutscher Sicht.

Es sprechen zu diesen Themen Referen-ten aus Tschechien und Deutschland.

Das vollständige Programm wird auf derInternetseite www.rakba.de veröffent-licht. Wir möchten alle interessiertenKolleginnen und Kollegen zu diesemForum herzlich einladen.

Die Teilnahmegebühr beträgt 70 Euro(einschließlich einer Übernachtung imTagungshotel [EZ] sowie Verpflegung imRahmen des Forums). Da die Teilneh-merzahl begrenzt ist, bitten wir um Ihreschnellstmögliche Anmeldung. Ggf.kann bei Interesse über die Kammer eingemeinsamer Bustransfer zum Veranstal-tungsort organisiert werden.

Weitere Informationen und Anmeldun-gen bei der Rechtsanwaltskammer Bam-berg, Friedrichstraße 7, 96047 Bamberg,Tel.: 09 51/9 86 20-0, Fax: 09 51/20 35 03, Homepage: www.rakba.de,E-Mail: [email protected].

Anwaltsorientierte Lehr-veranstaltungen des Instituts

für Anwaltsrecht an derUniversität zu Köln

Im Wintersemester 2006/2007 werdenim Rahmen der von Prof. Dr. BarbaraGrunewald und Prof. Dr. Martin Henss-ler, Direktoren des Instituts für Anwalts-recht an der Universität zu Köln, ange-botenen Ringvorlesung „Einführung inden Anwaltsberuf“ Referenten zu denfolgenden Themen vortragen:

� 24.10.2006: Dr. Niklas Brambring„Als Jurist in der Unternehmensbera-tung“

� 7.11.2006: Dr. Markus Rick„Anwaltliche Vergütungsvereinba-rungen“

� 21.11.2006: Dr. Dr. h.c. Peter Lynen„Kunst und Recht“

� 5.12.2006: Rüdiger Donnerbauer„Der Rechtsanwalt im Verlag“

� 16.1.2007: RA Dr. Wilhelm Moll,LL.M.„Der arbeitsrechtlich spezialisierteRechtsanwalt“

� 30.1.2007: RA Erich Hartmann„Haftung und Haftpflichtversiche-rung des Rechtsanwalts“

Die Veranstaltungen finden jeweils von17–19 Uhr in der Universität zu Köln,Hauptgebäude, Albertus-Magnus-Platz,50923 Köln, im Neuen Senatssaal statt.

Nähere Informationen zu den einzelnenVeranstaltungen: www.anwaltsrecht.org(Veranstaltungen) oder unter Tel. 02 21/4 70-57 11.

Studentenfutter

Die Vortragsreihen des Instituts für Pro-zessrecht und anwaltsorientierte Aus-bildung der Leibniz Universität Hanno-ver im WS 2006/2007

Die anwaltsorientierte Juristenausbil-dung hat in Hannover lange Tradition.Die Juristische Fakultät der Leibniz Uni-versität Hannover bietet seit dem Jahre2003 einen anwaltsorientierten Ergän-zungsstudiengang, das ADVO – Zertifi-kationsstudium, an. Ziel dieses Studien-gangs ist es die Studierenden auf denBeruf des Rechtsanwalts vorzubereiten.Neben den regulären anwaltsorientier-ten Vorlesungsveranstaltungen werdenim kommenden Wintersemester (WS2006/2007) verschiedene Vortragsreihenzu ausgewählten Themen in das Pro-gramm aufgenommen. Den Studentensollen so „aus erster Hand“ u.a. unter-nehmerisches Denken und die prakti-schen Bedürfnisse ihrer zukünftigenMandanten vermittelt werden. Kenn-zeichnend für die Vortragsreihe ist, dassjeweils herausragende Praktiker überihren beruflichen Alltag berichten.Dabei stellt sich der jeweilige Referentnach seinem Vortrag zunächst der Dis-kussion und anschließend demGespräch mit den Studenten bei einemGlas Wein und Brot. Richtiges Studen-tenfutter eben. Die Vortragsreihen wer-den im Sommersemester fortgesetzt.

Die Vorträge sind öffentlich. Sie findenjeweils dienstags um 18.00 Uhr imRaum II/203, Königsworther Platz,30167 Hannover statt.

Vortragreihe:„Unternehmer im Gespräch“

Am Dienstag, dem 31.10.2006, berich-tet der Vorsitzende der Geschäftsführungder Wolters Kluwer Deutschland GmbH,Dr. Ulrich Hermann, Köln, über seinenArbeitsalltag und die Erwartungen, die erals CEO an die von ihm beauftragtenAnwälte hat. Wolters Kluwer ist ein füh-rendes internationales Verlagsunterneh-men und ein Wissens- und Informations-dienstleister. Die Kernmärkte des Unter-nehmens sind das Gesundheitswesen,Unternehmens- sowie Finanzdienstleis-tungen, Steuern, Rechnungswesen,Recht und das Erziehungswesen. InDeutschland ist Wolters Kluwer seitknapp 20 Jahren vertreten, und seit derÜbernahme des Carl Heymanns Verla-ges im März 2006 ist Wolters Kluwer inDeutschland die Nummer 2 der deut-schen juristischen Verlage.

Der Rechtsanwalt ist von Zeit zu Zeit inseiner eigenen Materie, der Rechtswis-senschaft, gefangen. Was aber erwartenMandanten von einem Rechtsanwalt?Wie Unternehmen denken, welcheRolle in ihrem Handeln unternehmeri-sche Risiken spielen und wie juristischeRisiken ihre Entscheidungen beeinflus-sen, soll im Rahmen dieser Vortrags-reihe vermittelt werden. Mit dem Vor-trag von Herrn Dr. Ulrich Herrmannwird die Veranstaltungsreihe „Unter-nehmer im Gespräch“ am Dienstag,dem 31.10.2006, eröffnet.

Vortragsreihe:„Kanzleien stellen sich vor“

Am Dienstag, dem 21.11.2006, stelltRAuN Wulf Meinecke, Partner der Kanz-lei Göhmann, Wrede, Haas, Kappus &Hartmann, seine Sozietät vor. Göh-mann, Wrede, Haas, Kappus & Hart-mann entstand im Jahr 2001 aus demZusammenschluss der AnwaltskanzleienGöhmann, Wrede, Haas und Kappus &Hartmann. Kontinuierlich über die Jahregewachsen, gehört die Kanzlei mit rund80 Rechtsanwälten und Anwaltsnotarenzu den großen deutschen Sozietäten fürWirtschaftsrecht.

Anwälte sind nicht nur Rechtsberater, siesind auch Unternehmer in eigenerSache. Wie ist die Kanzlei strukturiert?Welche Unternehmensphilosophie prägtdie Kanzlei? Welche Anforderungen anden juristischen Nachwuchs stellt dieKanzlei? Wie sieht ein durchschnittli-cher Arbeitstag eines Anwalts aus? Dieseund viel mehr Fragen werden durch die

Aktuelle Hinweise

(Fortsetzung Seite IX)

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BRAK-Mitt. 5/2006 IX

Referenten aus erster Hand beantwor-tet. Mit dem Vortag von RAuN WulfMeinecke beginnt am Dienstag, dem21.11.2006, die Vortragsreihe „Kanz-leien stellen sich vor“.

Vortragsreihe:„Rechtsanwältinnen“

Am Dienstag, dem 12.12.2006, berich-tet RAin Dr. Margarethe Gräfin vonGalen, Berlin, über ihre Erfahrungen alsStrafverteidigerin und Präsidentin derBerliner Rechtsanwaltskammer. In Art. 3Abs. 2 des Grundgesetzes heißt es:„Männer und Frauen sind gleichberech-tigt. Der Staat fördert die tatsächlicheDurchsetzung der Gleichberechtigungvon Frauen und Männern und wirkt aufdie Beseitigung bestehender Nachteilehin.“ Welche Nachteile – aber auch Vor-teile – haben Frauen als Rechtsanwältin-nen? Verteidigen Rechtsanwältinnenanders als Rechtsanwälte? Ist die Kon-fliktverteidigung reine Männersache?Was kann eine Kammerpräsidentin fürRechtsanwältinnen tun? Diesen und vie-

Aktuelle Hinweise

(Fortsetzung von Seite VIII) len Fragen mehr wird sich Gräfin vonGalen nach ihrem Vortag stellen. Gräfinvon Galen gehört zu dem kleinen Kreishoch renommierter Wirtschaftsstrafver-teidiger. Sie ist die erste Präsidentin derRechtsanwaltskammer Berlin.

Als Gustav Radbruch am 26. Oktober1921 Reichsjustizminister wurde,ermöglichte er erstmals Frauen denZugang zu den juristischen Berufen.Dennoch dauerte es mehrere Jahre, bisalle gesetzlichen Hindernisse bei derZulassung von Frauen zur Rechtsanwalt-schaft oder zum Richteramt beseitigtwaren, und Juristinnen auch gesell-schaftlich akzeptiert wurden. Die ebenerrungenen Rechte wurden jedoch ab1933 zum größten Teil wieder einge-büßt, und erst ab 1945, erstmals ver-stärkt im Zusammenhang mit der Grün-dung der Bundesrepublik und der DDR,konnten Frauen wieder aktiv auf Geset-zesinitiativen und rechtspolitische Neu-regelungen Einfluss nehmen. Nach die-sem schweren Start nimmt der Anteil derRechtsanwältinnen heute stetig zu undbeträgt mittlerweile 34,15 %. Der Berufdes Rechtsanwaltes ist also längst keineMännerdomäne mehr. Gibt es dennochUnterschiede im Werdegang und Berufs-

alltag? Diesen Fragestellungen will dieVortragsreihe in „Rechtanwältinnen“ imWintersemester nachgehen. Neben Grä-fin von Galen referiert am 16.1.2007RAin Margarethe Fabricius-Brand, Fach-anwältin für Familienrecht und Diplom-Psychologin, sowie am 23.1.2007 RAinDr. Angela Dageförde, Fachanwältin fürVerwaltungsrecht und Lehrbeauftragteder Universität Hannover für Vergabe-recht.

Vortragsreihe:„Politische Prozesse“

Am 30.1.2007 stellt RA ChristophRumpf Aufsehen erregende Fälle deut-scher Gerichtsbarkeit vor, die nicht nurvon der Entwicklung der Gerichtsbar-keit als Institution, sondern auch einStück deutscher Geschichte erzählen.Der in München tätige Rechtsanwalt mitInteressenschwerpunkt im Vertrags- undGesellschaftsrecht promoviert bei HerrnProfessor Dr. Christian Wolf, LeibnizUniversität Hannover zum Thema „Die

(Fortsetzung Seite X)

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X BRAK-Mitt. 5/2006

Zwangsarbeiterentschädigung vor dendeutschen Gerichten“.

Besonderes Augenmerk richtet RARumpf am Dienstag, dem 30.1.2007,dabei auf den Fall „Wollheim“, einenProzess gegen die IG FarbenindustrieAG in den 50er Jahren. Dieser Prozessrückte das Problem der Zwangsarbeiter-entschädigung in das Bewusstsein derWeltöffentlichkeit und machte es zueinem brisanten politischen Thema. DasVerfahren wurde Ende der 50er Jahredurch einen Prozessvergleich beendet,der für einen Teil der Zwangsarbeitereine Entschädigung vorsah. Begleitetwurde der Vergleich durch ein für die-sen Fall erlassenes Bundesgesetz.

Weitere Vorträge

Außerhalb einer konkreten Vortragsreihebietet das Institut noch zwei weiter Vor-träge an:

Vortrag: „Mind Mapping für Juristen“

Am 7.11.2006 lädt RA Markus J. Sauer-wald zu einem Vortrag zum Mind Map-ping ein. Als niedergelassener Rechtsan-walt, Autor mehrerer Bücher zur Technikder Informationsverarbeitung mittelssog. Mind-Maps und als Lektoratsleiterfür Ausbildungs- und Anwaltsliteratur imCarl Heymanns Verlag ist Herr RA Sau-erwald mit den theoretischen und prakti-schen Problemen der Informationsver-waltung in Studium und Beruf bestensvertraut.

Der Umgang mit komplexen Zusam-menhängen – eigentlich eine Domäneder Juristen – will heute neu gelernt wer-den. Die Arbeitswelt des Anwalts wirdkomplexer und vernetzter. Faktoren wieMandantenbindung, Kanzleiprofil undstrategische Ausrichtung sind zu neuenbeherrschenden Faktoren bei der Man-datsbetreuung geworden. Zudem sindInformationsquellen vielfältiger und derWettbewerb um anwaltliche Dienstleis-tungen schärfer geworden. Weil allesmit allem zusammenhängt, ist es inzwi-schen fast unmöglich, sämtliche Folgeneiner Entscheidung abzuschätzen. MMiittdeder vr vonon TTonyy BBuzuzaan in in dn denen 19197070eerr JaJah-h-rrenen eerrffuundndeneenenn TTecchnhnikik dedess MMinindmdmaap-p-pipingngss lläässsst st siicch dh dieiessee HHeerraaususfoforrdederurungngopopttimimaall bbeewwäällttigigenen..

(Eine Mindmap bzw. Mind-Map [auchGedankenkarte] ist eine grafische Dar-stellung, die Beziehungen zwischen ver-schiedenen Begriffen aufzeigt. Dabeiwerden die Stichworte nicht wie sonstüblich linear auf ein Blatt in Hochformat

Aktuelle Hinweise

(Fortsetzung von Seite IX) geschrieben, sondern rund um einenzentralen Begriff auf einem querformati-gen Papier angeordnet. So lassen sichZusammenhänge besser darstellen undleicht noch weitere Stichworte ergänzen.)

In die Technik der schnellen systemati-schen Informationserfassung, die nichtnur Studenten der Rechtswissenschaften,sondern auch Praktikern als Arbeitser-leichterung und -optimierung dient,wird RA Markus J. Sauerwald am Diens-tag, dem 7.11.2006, einführen.

Vortrag: „IT- Sicherheit in der Anwalts-kanzlei“

Am 28.11.2006 berichtet Prof. Dr. Niko-laus Forgü, Leibniz Universität Hannoverüber die Voraussetzungen, Anwendun-gen und Folgen des Computereinsatzesim Recht und in der Praxis. Als Verwaltereiner Professur für IT-Recht und Rechtsin-formatik sowie als Leiter des Universi-tätslehrgangs für Informationsrecht undRechtsinformation an der UniversitätWien ist Herr Professor Forgü mit Per-sonalinformationssystemen, Telearbeit,Datenschutzrecht, grenzüberschreiten-dem Datenverkehr, medizinischen Datenin der Krankenversicherung, elektroni-schen Meldeverfahren und Entwicklungvon Datenbanken vertraut.

Die Arbeitsabläufe einer Rechtsanwalts-kanzlei haben in den letzten Jahren undJahrzehnten eine rasante informati-onstechnologische Entwicklung genom-men. Die dadurch verstärkte Leistungs-fähigkeit wird jedoch u.U. mit dererhöhten Gefährdung von Datenbezahlt. Insoweit gilt es, Risiken zu ver-meiden bzw. zu minimieren.

Dazu gibt Prof. Dr. Nikolaus Forgü amDienstag, dem 28.11.2006, einen Über-blick.

Weitere Informationen sind im Internetunter www.jura.uni-hannover.de/ipa zuerhalten oder können per E-Mail [email protected] oder perPost von der Leibniz Universität Hanno-ver, IPA – Institut für Prozessrecht undanwaltsorientierte Juristenausbildung,Geschäftsführender Direktor Prof. Dr.Christian Wolf, Königsworther Platz 1,30167 Hannover angefordert werden.

Tagung „Aktuelle Entwicklun-gen des Berufsrechts und derBerufshaftung der Rechtsan-

wälte“ am 2.11.2006

Das Institut für Anwaltsrecht an derHumboldt-Universität zu Berlin veran-staltet in Zusammenarbeit mit der Berli-ner Rechtsanwaltskammer, der Bundes-

rechtsanwaltskammer und dem BerlinerAnwaltsverein am Freitag, dem 2. No-vember 2006 von 9.00 bis 17.00 Uhr imSenatssaal der Humboldt-Universität zuBerlin, Unter den Linden 6, 10117 Ber-lin eine Tagung zum Thema „AktuelleEntwicklungen des Berufsrechts und derBerufshaftung der Rechtsanwälte“.

Die Anwaltschaft wächst. Der Wettbe-werb auf dem Markt für Rechtsberatungnimmt zu. Die Formen der beruflichenZusammenarbeit haben sich verändert.Vor diesem Hintergrund werden auf derTagung die Möglichkeiten und Perspek-tiven der anwaltlichen Tätigkeit erörtertund aktuelle Fragen zu den beruflichenHaftungsrisiken für Rechtsanwältinnenund Rechtsanwälte diskutiert.

Die Referenten sind:

Christian Dahns, Rechtsanwalt undGeschäftsführer der Bundesrechtsan-waltskammer. In der Geschäftsführungder Bundesrechtsanwaltskammer u.a.zuständig für Berufsrecht und Berufsord-nung. Lehrbeauftragter für anwaltlichesBerufsrecht an der Universität Hannoverund Redakteur der BRAK-Mitteilungen.

Dr. Katharina Deppert, VorsitzendeRichterin des VIII. Zivilsenats des Bun-desgerichtshofes in Karlsruhe, der u.a.für Rechtsstreitigkeiten aus Kaufverträ-gen zuständig ist. Stellvertretende Vorsit-zende Richterin des Senats für Anwalts-sachen des Bundesgerichtshofes. Stän-dige Mitarbeiterin der IHR – Internatio-nales Handelsrecht – Zeitschrift für dasRecht des internationalen Warenkaufsund -vertriebs. Schiedsrichterin unterden Schiedsverfahrensregeln der Deut-schen Gesellschaft für Baurecht e.V.

Dr. Hans Gerhard Ganter, seit 1991Richter am Bundesgerichtshof in Karls-ruhe, stellvertretender Vorsitzender desu.a. für das Insolvenzrecht zuständigenIX. Zivilsenats, Mitherausgeber derNeuen Zeitschrift für das Recht derInsolvenz und Sanierung (NZI), zahlrei-che Veröffentlichungen (u.a. Mitautordes MünchKommInsO), seit 1996Dozent für die Deutsche AnwaltAkade-mie.

Prof. Dr. Dr. Alexander Ignor, Rechtsan-walt aus Berlin und außerplanmäßigerProfessor an der Humboldt-Universitätzu Berlin für Strafrecht, Strafprozess-recht, mittelalterliche und neuzeitlicheRechtsgeschichte. Verschiedene Veröf-fentlichungen, u.a. Mitherausgeber des„Handbuchs Arbeitsstrafrecht“, Mitau-tor des „Beck’schen Formularbuchs fürden Strafverteidiger“.

Dr. Volker Römermann, Rechtsanwaltaus Hannover. Sein Tätigkeitsschwer-

(Fortsetzung Seite XVIII)

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BRAK-Mitt. 5/2006 193

Freunde und Bekannte fragen mich jetzt oft: Was machteigentlich Dein Sohn? Wenn ich ihnen sage, dass er jetztanfange, in Passau Jura zu studieren, gibt es meist einedoppelte Reaktion. Die erste ist: „Kein Wunder, bei diesenEltern“. Die zweite ist: „Wie kannst Du das nur zulassen?Es gibt doch schon zu viele brotlose Juristen. Und jetztkommt noch das Rechtsdienstleistungsgesetz, das ihreNot noch vergrößern wird.“

Beide Reaktionen sind verständlich, treffen aber nur teil-weise die Wahrheit. Das Vorbild der Eltern ist eher ab-schreckend: Viel Arbeit, kaum Freizeit, keine Reichtümer.Die Furcht vor dem zu erwartenden Rechtsdienstleistungs-gesetz sollte dagegen nicht abschrecken. Der Entwurf ent-hält in erster Linie die vom Bundesverfassungsgericht undder Europäischen Kommission geforderte Modernisierungdes Rechtsberatungsmarktes. Die ursprüngliche Sorge,dass in Zukunft nahezu jeder, auch die Rechtsschutzver-sicherer, Rechtsrat erteilen dürfen, sind verflogen. Den-noch ist der Entwurf nicht in allen Punkten gelungen undwird daher nicht nur von der Bundesrechtsanwaltskam-mer, sondern auch von Verbraucherschutzverbänden alseine zu weitgehende Öffnung des Rechtsberatungsmark-tes angesehen. So hat die jedermann eröffnete Möglich-keit, Rechtsdienstleistungen zu erbringen, wenn er sichhierfür nur eines Anwalts bedient, ihre Tücken. Der An-walt muss gegenüber dem Rechtsuchenden nicht in Er-scheinung treten, sondern kann im Hinterzimmer tätigwerden. Wo bleibt da unser Anspruch vom engen Ver-trauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant? Siemüssen sich bei dieser Konstruktion nicht einmal kennen,der Anwalt bleibt dem Rechtsuchenden gegenüber ano-nym. Wie soll es dabei möglich sein, die Qualität undSeriosität des Anwalts einzuschätzen, vom Aufbau einesvertrauensvollen Verhältnisses ganz zu schweigen? Der

Vorgang der Rechtsberatung wird für den Rechtsuchendenintransparent. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass derdie Rechtsberatung seinem Kunden Anbietende juristi-scher Laie ist. Irrtümer und Missverständnisse bei derÜbermittlung von Inhalten an bzw. vom Anwalt sind da-her vorprogrammiert. Der Rechtsuchende kann wederüberprüfen noch beurteilen, ob der Dienstleister sein An-liegen korrekt weitergegeben hat, noch ob er tatsächlichdie Originalantwort des Rechtsanwalts erhält. Wenn hieretwas schief geht, kann sich der Rechtsuchende nur anden nicht haftpflichtversicherten Laien halten, die materi-elle Sicherheit, die die anwaltliche Berufshaftpflichtver-sicherung bietet, bleibt ihm verwehrt.

Die Bundesrechtsanwaltskammer wird sich im Gesetzge-bungsverfahren weiter dafür einsetzen, den Entwurf indiesen und anderen Punkten noch zu verbessern. Aberauch nach In-Kraft-Treten des Rechtsdienstleistungsgeset-zes gilt nach wie vor und erst recht die Regelung des § 3Abs. 1 BRAO: „Der Rechtsanwalt ist der berufene unab-hängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegen-heiten.“ Nur er ist unabhängiges Organ der Rechtspflege(§ 1 BRAO). Der rechtsuchende Bürger weiß das. Sollte erversuchen, es zu vergessen, werden ihn die Anwaltsorga-nisationen daran erinnern. Allerdings braucht sich nur diegute Rechtsanwältin und der gute Rechtsanwalt nicht zusorgen. Die im Studium und bei der Ausbildung beimAnwalt erworbene hohe Qualität muss sich jeder selbsterhalten. Nur bei sorgfältiger Fortbildung werden wir derzweifellos weiter wachsenden Konkurrenz durch sonstigeRechtsdienstleister standhalten.

Und deshalb ist auch die Sorge um den mit dem juristi-schen Studium beginnenden Sohn klein. Er muss nur viellernen, und das sein Leben lang.

Bernhard Dombek

5/200615. 10. 2006 37. Jahrgang

Akzente

Furcht vor dem Rechtsdienstleistungsgesetz?

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194 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Kilian, Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission

Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus derEuropäischen Kommission

– Betrachtungen zum finnischen Rechtsdienstleistungsmarkt –

Rechtsanwalt Dr. Matthias Kilian, Köln*

I. Einleitung

Im Zuge ihrer Bemühungen um die Deregulierung der aus ihrerSicht überregulierten freien Berufe in Europa hat es die Europä-ische Kommission unternommen, einen „Regulierungsindex“der Freien Berufe zu ermitteln. Wie auch in anderen Ver-gleichsstudien – Stichwort PISA – ist im Bereich der rechts-dienstleistenden Berufe Finnland als mustergültiger Markt aus-gemacht und im Rahmen des Benchmarkings der Kommissionals Klassenprimus eingestuft worden. Mit einem Indexwert von0.3 fungiert Finnland als Benchmark für alle anderen Rechtsbe-rufe. Deutschland schneidet bei diesem Ranking von 15 EU-Mitgliedstaaten auf Platz 11 mit einem Indexwert von 6.5 ver-gleichsweise schlecht ab und fällt in die Gruppe der hochregu-lierten Mitgliedstaaten.1

Die indizierte Regulierungsintensität interpretiert die Europäi-sche Kommission dahingehend, dass aus ökonomischer Sichteine möglichst geringe Regulierungsdichte anzustreben ist,weil eine intensivere Regulierung für Volkswirtschaft und Ver-braucher zu keinen besseren Ergebnissen führe. Sie leitet die-sen Schluss vor allem von der Prämisse ab, dass in geringer re-gulierten Märkten, insbesondere Finnland, kein „Marktversa-gen“ auszumachen sei. Oder etwas salopper formuliert: Trotzregulatorischem „laissez-faire“ sollen die Verhältnisse auf demMarkt juristischer Dienstleistungen in Finnland keinen Anlasszur Klage geben.

Eine Crux entsprechender Diskussionen ist, dass sie in Brüsselund in Deutschland verbreitet mit einem Arsenal wirtschafts-oder rechtswissenschaftlicher Argumentationsmittel aus einemElfenbeinturm heraus geführt werden. Die Mühsal einer evi-denz-basierten Analyse der Gegebenheiten wird nicht auf sichgenommen. Eine solche rechtstatsächliche Annäherung an einwirtschaftswissenschaftliches oder rechtliches Phänomen wür-de, nicht nur in diesem Fall, das Verständnis des oberflächlichWahrgenommenen und in wissenschaftliche Denkmuster Ge-zwängten deutlich verbessern.

Im Nachfolgenden soll vor diesem Hintergrund ein – notwen-digerweise in ersten Ansätzen verbleibender – Versuch unter-nommen werden, den Klassenprimus Finnland aus einemrechtstatsächlichen Blickwinkel heraus zu verstehen.2 Es wirdsich bei einem solchen Ansatz zeigen, dass die Erkenntnisseder Europäischen Kommission zu relativieren sind.

II. Empirischer Ausgangsbefund

1. Anwalts- und Juristendichte

Charakteristisch für die Berufsausübung finnischer Rechtsan-wälte ist das Fehlen einer Monopolisierung von Rechtsdienst-leistungen zu ihren Gunsten sowie einer Zwangsmitgliedschaftin einer Berufskammer. Hieraus ergibt sich, dass die Mitglied-schaft in einem anwaltlichen Berufsverband und die Unterwer-fung unter dessen verbandsrechtliche Regularien freiwillig sind.Ergebnis dieser Ausgangslage ist, dass der Anteil der Rechtsan-wälte an der Gesamtzahl der Juristen in Finnland nur wenigmehr als 10 % ausmacht: Die in Finnland als Bezugsgröße all-gemein verwendete Zahl der Inhaber juristischer Magisterab-schlüsse – sie erlaubt einen Rückschluss auf die Angehörigenjuristischer Berufe – lag im Jahr 2002 bei 15.795.3 Im selbenJahr betrug die Zahl der Mitglieder des Anwaltsverbands 1.595(10,1 %).4 Hinzu kamen noch einmal rund 500 angestelltenicht-anwaltliche juristische Mitarbeiter der Verbandsmitglie-der. Bei ihnen handelt es sich zumeist um Juristen, die sichnicht der für die Aufnahme in den Anwaltsverband unverzicht-baren vierjährigen berufspraktischen Ausbildung unterwerfenwollen. Die Gesamtzahl der in Anwaltskanzleien5 tätigen Juris-ten repräsentiert damit rund 13 % der Juristen.

Der Gesamtanteil der Rechtsanwälte innerhalb der juristischenBerufe ist hierbei in den vergangenen zehn Jahren praktisch un-verändert geblieben: Die Vergleichszahlen für 1995 lautenetwa 13.1506 bzw. 1.261. Die finnische Anwaltschaft ist seit1996 jährlich um durchschnittlich 50 Mitglieder gewachsen.7

Bei einem 30-Jahres-Vergleich mit der deutschen Rechtsan-

1 Dokumentationszentrum für Europäisches Anwalts- und Notarrechtan der Universität zu Köln.

1 Ausführlich zu der sog. IHS-Studie und ihren methodischen Schwä-chen Henssler/Kilian, AnwBl. 2005, 1 ff.

2 Zur finnischen Anwaltschaft allgemein Pretzell, Anwaltsrecht inFinnland, Schweden und Norwegen, Bonn 1997; Mäkinen/Tenhu-nen, The Legal Professions In Finland, in: Tyrell/Yaqub, The LegalProfessions In The New Europe, 2. Aufl. 1996, S. 113 ff.

3 Litmala, Lakimieskunta ja oikeudellinen asiantuntemus, in: Litmala(Hrsg.), Oikeusolot 2004, S. 142. Diese Zahl beinhaltet auch Perso-nen, die arbeitslos sind. Die Arbeitslosenquote der Angehörigen ju-ristischer Berufe ist allerdings sehr niedrig und liegt deutlich unterder Gesamtquote.

4 Mehr als 52 % der finnischen Rechtsanwälte sind im GroßraumHelsinki niedergelassen. Bricht man die Verteilung der Anwaltschaftauf die fünf finnischen Festlandsprovinzen (Lääni) herunter, ergibtsich folgendes Bild: Südfinnland 1.004 (57 % der Anwälte bei 39 %der Bevölkerung), Westfinnland 488 (28 % bei 36 %), Ostfinnland111 (6 % bei 12 %), Oulu 104 (6 % bei 9 %), Lappland 49 (3 % bei4 %). 24,3 % der Mitglieder des Anwaltsverbandes sind weiblich.Dieser Wert liegt unter dem Wert für alle juristischen Berufe, in de-nen der Frauenanteil insgesamt auf 1/3 geschätzt wird (Finnlandweist im Vergleich zu den anderen nordischen Staaten Schweden,Norwegen und Dänemark den niedrigsten Frauenanteil auf).

5 Die 1.763 finnischen Rechtsanwälte verteilen sich auf 1.088 An-waltskanzleien. 56 % der finnischen Anwaltskanzleien waren 2005Einzelkanzleien. 23 % Zweiersozietäten. 15 % der Kanzleien sindmit drei oder vier Berufsträgern tätig. Nur 6 % aller Kanzleien verfü-gen über fünf oder mehr Berufsträger. Die Durchschnittsgröße derfinnischen Kanzleien nimmt recht langsam zu. Die Vergleichszah-len für 1995 lauten: 61 % – 20 % – 16 % – 3 %.

6 Shapland, Strategies For Cross-National Lawyering: The NetherlandsAnd Finland, Sheffield 1996, S. 18 (unveröffentlichtes Arbeitspa-pier).

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 195

Kilian, Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission

waltschaft ergibt sich, dass die finnische Anwaltschaft in die-sem Zeitraum um rund 300 % gewachsen ist,8 die deutscheAnwaltschaft um fast 500 %9:

Für Deutschland gehen Schätzungen dahin, dass aktuell rund55 bis 60 % der in juristischen Berufen Tätigen Rechtsanwältesind und der Anteil der Rechtsanwälte bei Berufseinsteigern 75bis 80 % erreicht. Setzt man den empirischen Befund für Finn-land ins Verhältnis zu den für Deutschland bekannten Werten,ergibt sich, dass in Finnland auf jeden Juristen 332 Einwohnerkommen, in Deutschland bei (geschätzten) 220.000 Juristen372 Einwohner. Die Juristendichte in Finnland ist damit höherals in Deutschland, nicht aber die Anwaltsdichte: In Deutsch-land kamen 2005 auf ein Kammermitglied 631 Einwohner, inFinnland auf ein Mitglied des Anwaltsverbands 2.978 Einwoh-ner.

Es lässt sich damit nicht feststellen, dass das finnische Rechts-wesen insgesamt mit weniger Juristen auskäme als das deut-sche Rechtswesen, etwa als Ausdruck einer insgesamt wenigerregulierten Gesellschaft. Lediglich die Aufteilung, in welchenFunktionen Juristen im Rechtswesen mitwirken, weist in beidenLändern deutlich unterschiedliche Schwerpunkte auf.

2. Beschäftigungsfelder der Juristen

Der öffentliche Dienst ist in Finnland der mit Abstand bedeu-tendste Beschäftigungssektor für Juristen. Rund 56 % aller Juris-ten standen 2003 im Staatsdienst (28 % in der Justiz, 21 % inder staatlichen Verwaltung, 4 % in der kommunalen Verwal-tung und 3 % in staatlichen Unternehmen). Dieser Anteil istseit 1928, als erste Erhebungen durchgeführt wurden, relativstabil.10 Zum Vergleich: In Deutschland sind von den geschätz-ten 220.000 Juristen nur rund 42.000 im öffentlichen Dienstbeschäftigt (19 %) – der finnische Staat beschäftigt damit aufKosten der Steuerzahler, relativ betrachtet, rund dreimal so vie-le Juristen wie der deutsche Staat. Während etwa in Deutsch-land im Justizsektor mit rund 25.000 Richtern und Staatsanwäl-ten nur rund 11 % aller Juristen beschäftigt werden, beträgt derVergleichswert für Finnland 28 %. Noch deutlicher ist die Dis-krepanz im Bereich der öffentlichen Verwaltung: Hier finden inDeutschland rund 8 % aller Juristen Beschäftigung, in Finnland28 % der Juristen.11

Von den verbleibenden 44 % der finnischen Juristen ist in etwadie Hälfte als Unternehmensjurist tätig. Auch dieser Wertweicht signifikant von den deutschen Gegebenheiten ab: InDeutschland sind nur geschätzte 15 % der Juristen in Unter-nehmen tätig. Die in den im engeren Sinne rechtsdienstleisten-den Berufen Tätigen verteilen sich auf die verbleibende Gruppeder Juristen: 10 % aller Juristen sind Rechtsanwälte, 3 % nicht-anwaltliche angestellte Juristen in Rechtsanwaltskanzleien,4,5 % nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister. 1,5 % der Juristenarbeiten in staatlich finanzierten Rechtshilfeeinrichtungen.12

Fasst man diese vier anwaltlichen oder quasi-anwaltlichen Be-rufsbilder zusammen, ergibt sich ein Gesamtanteil dieser „An-waltsberufe“ am juristischen Arbeitsmarkt von 19 % – dies imVergleich zu rund 60 % Anteil der deutschen Rechtsanwälteam juristischen Arbeitsmarkt in Deutschland.

Es folgt aus diesen Zahlen, dass in Finnland der Staat in etwa indem Maße für Beschäftigung des juristischen NachwuchsesSorge trägt (60 %) wie in Deutschland die Anwaltschaft auf-grund der deutlich schlechteren Beschäftigungsmöglichkeitenim öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft Absolventeneine Erwerbstätigkeit bieten muss. Eine Entlastung der Anwalt-schaft ergibt sich aus dieser Ausgangslage allerdings nur, soweitzum einen die Gesamtzahl aller Absolventen begrenzt ist, alsokein „Ausweichverhalten“ einer beruflich „unversorgten“Teilgruppe zu befürchten ist (hierzu unten III. 1.), und zum an-deren der Markt bei Fehlen eines anwaltlichen Dienstleistungs-monopols keine oder nur eingeschränkte Betätigungsmöglich-keiten für Personen ohne juristische Universitätsausbildungbietet (hierzu unten IV).

III. Juristenausbildung

1. Universitäre Ausbildung

Die relativ geringe Zahl von Absolventen, die in Finnland aufden juristischen Arbeitsmarkt drängen, ergibt sich aus einerstrikten Limitierung der verfügbaren Studienplätze an denrechtswissenschaftlichen Fakultäten in Finnland.13 In Helsinkistanden im Jahr 2004 250, in Turku 130 und in Rovaniemi 140Studienplätze zur Verfügung, insgesamt also 520 Studienplät-ze.14 Die Kapazitäten bestimmen die Universitäten nach einemKonsultationsverfahren u.a. mit dem finnischen Juristenverein,in dem ca. 75 % aller Universitätsabsolventen organisiert sindund der gewerkschaftsähnliche Funktionen wahrnimmt.

Der Zugang zum juristischen Studium an den genannten Uni-versitäten ist nur nach Bestehen einer stark selektiven Universi-tätseingangsprüfung möglich, in der die Aspiranten um die zurVerfügung stehenden Plätze konkurrieren. Auf einen zur Verfü-gung stehenden Studienplatz bewerben sich durchschnittlichneun Schulabgänger. Von den Bewerbern, die sich der Ein-gangsprüfung unterziehen, konnten im Jahr 2005 in Helsinki

7 Das relativ verhaltene Wachstum der Anwaltschaft bedingt eine imVergleich zu vielen europäischen Anwaltschaften atypische Alters-struktur: Nur 24 % der Rechtsanwälte sind unter 40. 43 % sind älterals 50 Jahre. Besonders stark vertreten ist die Altersgruppe von 40bis 49 Jahren, was sich aus der starken Zunahme der Studierenden-zahlen in den 1970er Jahren erklärt.

8 Wert für 1981: 700 (Taipale, JFT 1981, 118).

Jahr FinnlandJuristen

FinnlandRechtsanwälte

Deutschland

1975 448 26.854

1985 893 47.359

1990 966 56.638

1995 13.150 1.261 74.291

2000 1.539 104.067

2002 15.795 1.595 116.305

2005 1.763 132.569

9 Wert für 1981: 37.312, Wert für 2005: 132.569.10 Vgl. Silius, Women Jurists In Finland At The Turn Of The Century:

Breakthrough Or Intermezzo, in: Schultz/Shaw (Hrsg.), Women InThe World’s Legal Professions, Aldgate 2003, S. 387, 391 f.

11 Vgl. Hommerich/Kilian, Der anwaltliche Nachwuchs: Wünsche,Ziele und Zufriedenheit, JURACON Jahrbuch 2006, 58 ff.

12 Richtigerweise wären sie aufgrund der nicht-wettbewerbsorientier-ten Tätigkeit und der Finanzierung ihrer Tätigkeit aus deutscherSicht dem staatlichen Sektor zuzuordnen. Dies entspricht allerdingsnicht dem finnischen Verständnis.

13 Bis 1983 war ein Rechtsstudium nur in Helsinki und Turku möglich.Seitdem kann auch in Rovaniemi in Nordfinnland studiert werden,der kleinsten der drei Fakultäten. Hartnäckige Bestrebungen derUniversität Joensuu, in Ostfinnland eine vierte finnische Rechtsfa-kultät einrichten zu dürfen, sind bis dato erfolglos geblieben.

14 Seit 1989 sind die Studienanfänger und seit 1992 die Universitäts-absolventen mehrheitlich weiblichen Geschlechts. Eine feste Quoteder Studienplätze ist für ein Studium in schwedischer Sprache reser-viert, an der Universität Helsinki in 2005 etwa 12 %.

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196 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

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nur 14,4 % und in Turku 17,5 % der Bewerber tatsächlich dasStudium der Rechtswissenschaften aufnehmen.15 Damit bliebüber 80 % der Schulabgänger, die sich für ein Jurastudium be-worben hatten, das Wunschstudium versagt.16 Es ist nicht un-gewöhnlich, dass Bewerber die Prüfung erst im dritten odervierten Versuch bestehen. Der Inhalt der Eingangsprüfung istjuristischer Art, so dass sich Interessenten bereits vor Aufnahmedes Studiums umfassende juristische Kenntnisse aneignen müs-sen. Ein Teil der Aufgaben beinhaltet die Lösung von Rechtsfäl-len aus verschiedenen Rechtsgebieten einschließlich der hierzunotwendigen rechtsmethodischen Falllösungstechnik. Aufgrunddieser Vorverlagerung der Notwendigkeit juristischen Wissens-erwerbs in die voruniversitäre Stage hat sich in Finnland einMarkt privater Institute herausgebildet, die gegen recht kost-spielige Gebühren Vorbereitungskurse für die universitären Ein-gangsprüfungen anbieten. Diese Kommerzialisierung des Zu-gangs zu den Universitäten wird verbreitet kritisiert, ist aber alsimmanenter Bestandteil des Systems gegenwärtig alternativlos.

Nach der Eingangsprüfung sind weitere selektive Zwischen-oder Abschlussexamina nicht vorgesehen. Vielmehr sammelndie Studierenden credit points. Das Erreichen einer Mindest-zahl von credit points und die Anfertigung einer Magisterarbeitführen ohne weitere förmliche Prüfung zum Erwerb des Mas-tertitels. Seit Anfang der 1980er Jahre17 liegt die Zahl der Uni-versitätsabgänger, die diesen Titel erwerben, jährlich zwischen380 und 520.18 Geht man von einem Mittelwert von 450 Ab-gängern aus, kommt in Finnland pro Jahr auf 11.500 Einwoh-ner ein Absolvent eines juristischen Studiums. Zum Vergleich:In Deutschland liegt der Vergleichswert bei 8.200 Einwohnernpro Absolvent und damit bei 140 %.

Aus dem Vergleich der Studienplätze (ca. 520) und der jährli-chen Absolventenzahlen (ca. 450) folgt, dass in Finnland eineextrem niedrige Studienabbrecherquote von nur wenig mehrals 10 % festzustellen ist.19 In Deutschland liegt die Studienab-brecherquote im Studiengang Rechtswissenschaften bei rund27 %.20 Dieser erhebliche Unterschied beim Studienerfolg lässtsich nicht nur auf die fehlende Selektionswirkung eines erstenStaatsexamens, an dem in Deutschland ein gewisser Prozent-satz der Studierenden endgültig scheitert, zurückführen, son-dern dürfte auch in der höheren Motivation der Studierendenin Finnland begründet sein, die aufgrund der strengen Auswahl

im voruniversitären Bereich bereits unmittelbar zu Beginn ihrerAusbildung eine Elite herausbilden.

2. Postuniversitäre Ausbildung

Der universitären Ausbildung schließt sich in Finnland keineformalisierte, einheitliche berufspraktische Ausbildung an.

Der finnische Anwaltsverband verlangt als Kriterium für dieAufnahme in den Verband und damit für den Erwerb des An-waltstitels eine vierjährige berufspraktische Ausbildung. Vordiesem Hintergrund absolvieren viele Universitätsabgänger zu-nächst eine einjährige „Auskultantur“ (hovioikeudenauskultant-ti) als Gerichtspraktikant, die auch von künftigen Richtern zudurchlaufen ist. Während dieser Zeit ist der Gerichtspraktikantmit hilfsrichterlichen Aufgaben betraut. Die Funktionsfähigkeitdes finnischen Gerichtswesens hängt in gewissem Maße vonder Tätigkeit dieser Gerichtspraktikanten ab, da diese selbst-ständig u.a. Prozess-, Register- und Strafbefehlssachen bearbei-ten. Der Gerichtspraktikant hat zudem eine bestimmte Anzahlvon Sitzungstagen eigenverantwortlich durchzuführen. DieAusbildungszeit endet ohne förmliche Prüfung mit der Verlei-hung des Titels „Varatuomari“ (Hilfsrichter), der auch vonRechtsanwälten gerne geführt wird.

Alternativ ist auch denkbar, dass der künftige Rechtsanwalt ineinem Unternehmen, in einer staatlichen Einrichtung, selbst-ständig als nicht-anwaltlicher Rechtsdienstleister oder als An-gestellter eines Mitglieds des Anwaltsverbandes berufsprakti-sche Erfahrungen sammelt.21 Nach insgesamt vier Jahrenberufspraktischer Tätigkeit kann sich der Jurist um die Aufnah-me in den Anwaltsverband bewerben. Notwendig hierfür istdas Bestehen einer Anwaltsprüfung, die zumeist gegen Endeder vierjährigen Ausbildungszeit abgelegt wird. Sie besteht auseinem dreistündigen schriftlichen Examen, das mehrmals jähr-lich in Helsinki abgenommen wird. Die Inhalte beschränkensich auf anwaltsrechtliche und berufsethische Fragestellungen.

IV. Rechtsdienstleistungsmarkt

1. Unregulierter außerforensischer Markt

Finnland kennt kein Rechtsdienstleistungsmonopol zu Gunsteneiner verfassten Anwaltschaft. Rechtsdienstleistungen dürfenvielmehr von jedermann erbracht werden. Die rechtsdienstleis-tende Tätigkeit wird vor diesem Hintergrund auch nicht ohneweiteres den freien Berufen zugeordnet, sondern nimmt einemerkwürdige Zwitterstellung zwischen Gewerbe und freiemBeruf ein. Der Rechtsanwalt sieht sich aufgrund dieser Aus-gangslage theoretisch sowohl der Konkurrenz von juristisch ge-schulten nicht-anwaltlichen Rechtsdienstleistern als auch vonnicht formal qualifizierten Rechtsdienstleistern ausgesetzt. Fak-tisch teilen sich allerdings den RechtsdienstleistungsmarktRechtsanwaltskanzleien (ca. 2000 Juristen), nicht-anwaltlicheJuristen (lakiasiaintomisto, ca. 700) und die staatlichen Rechts-hilfebüros (ca. 230 Juristen), da Rechtsdienstleister ohne juristi-sche Ausbildung nur selten zu finden sind. Eine gewisse Rollespielen in Finnland auch die von Nicht-Juristen erbrachten „be-gleitenden“ Rechtsdienstleistungen. Insbesondere Banken (imBereich Grundstücks- und Erbrecht), Unternehmensberater undGewerkschaften bieten Rechtsdienstleistungen an und bewer-ben diese zum Teil auch.22

15 Im Jahr 1993 lag der Vergleichswert landesweit bei 17 %, vgl. Rei-mers/Enders, JuS 1993, 791.

16 In Helsinki bewarben sich 1.548 Schulabgänger um einen Studien-platz. 1.249 von ihnen unterzogen sich dem Eingangsexamen, auf-grund dessen schließlich 223 Studenten zugelassen wurden. In Tur-ku waren die Vergleichszahl 736 Bewerber, 594 Prüflinge und 130zugelassene Studenten (Quelle: Oikeuspoliittinen tutkimuslaitos so-wie Universität Helsinki). Für die Universität Rovaniemi konntenvom Verf. keine Zahlen ermittelt werden. Die Zahlen für die Univer-sität Helsinki umfassen auch die Bewerber, die ihr Studium bis zumBachelor-Grad in Vaasa absolvieren und sodann nach Helsinkiwechseln.

17 1920er Jahre: ca. 10 p.a., 1940er Jahre: 100, 1950er Jahre 150,1960er Jahre 200, 1970er Jahre: 350. 1984 gab es die ersten Absol-venten an der einige Jahre zuvor neu gegründeten Fakultät Rovanie-mi in Lappland. Lässt man das Wachstum durch die Einrichtung die-ser Fakultät, die vor allem der Aufwertung des strukturschwachenfinnischen Nordens dient, außer Acht, hat sich die Zahl der Absol-venten an den beiden Traditionsuniversitäten Turku und Helsinkiseit den 1970er Jahren praktisch nicht mehr erhöht.

18 Innerhalb dieser Spanne ist kein kontinuierliches Wachstum zu ver-zeichnen. Der Höchstwert stammt aus dem Jahr 2001, der Tiefstwertaus 1996. 55 bis 60 % der Absolventen studieren an der UniversitätHelsinki.

19 Der Wert ist geschätzt, da keine unmittelbaren VergleichszahlenStudienanfänger/Abgänger vorliegen.

20 Untersuchung des Hochschul-Informations-Systems (HIS) Hanno-ver, http://www.bmbf.de/pub/studienabbruchstudie_2002.pdf

21 Um Mitglied des Anwaltsverbands werden zu können, müssen je-doch zumindest zwei Jahre in einer Funktion verbracht werden, dieanwaltstypische Rechtsdienstleistungen mit sich bringt.

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Kilian, Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission

2. Eingeschränkte forensische Monopolrechte

Die vorstehend beschriebene Wettbewerbssituation galt bis vorkurzem auch für das forensische Tätigkeitsfeld. Seit einer Ge-setzesnovelle im Jahr 2002 darf die gerichtliche Vertretung abernur noch von Inhabern eines juristischen Universitätsabschlus-ses übernommen werden. Zuvor war insbesondere von derRichterschaft bemängelt worden, dass nicht-anwaltliche Partei-vertreter die Anliegen ihrer Mandanten mangels Kompetenzhäufig irreparabel schädigen.23 Hintergrund dieser Verschär-fung war eine Prozessrechtsreform des Jahres 1993, in derenZuge das Verfahrensrecht erheblich verkompliziert wordenwar. Seitdem war die Quote nicht-anwaltlich vertretener Partei-en zwar bereits zurückgegangen, aber immer noch so hoch,dass eine gesetzgeberische Intervention für unverzichtbar er-achtet wurde, um den Schutz der rechtlichen Interessen derBürger zu gewährleisten. Im Vorfeld der Reform des Jahres2002 war diskutiert worden, die gerichtliche Vertretung nurMitgliedern des Anwaltsverbands zu gestatten. Eine entspre-chende Einengung der Wahlmöglichkeiten der Rechtsuchen-den wurde allerdings für unvereinbar mit den Bürgerrechten er-achtet.

In diesem insoweit partiell monopolisierten Markt der forensi-schen Vertretung hat die Anwaltschaft einen Marktanteil von46 %.24 13 % der Parteien werden von Mitarbeitern staatlicherRechtshilfebüros vertreten, 18 % von nicht-anwaltlichenRechtsdienstleistern. Acht Prozent der Parteien agieren ohnerechtlichen Beistand.25 Bemerkenswert ist insofern, dass derbereinigte Marktanteil der nicht-juristischen Rechtsdienstleis-ter exakt ihrem Anteil am Anbietermarkt entspricht (23 %),während der Anteil der Rechtsanwälte unterdurchschnittlich(60 % vs. 68 %) und jener der staatlichen Rechtshilfebüros(deutlich) überdurchschnittlich (8 % vs. 16 %) ist. Die Rechts-anwaltschaft fällt in einem Bereich, der in vielen Ländern zuGunsten der Anwaltschaft vollständig monopolisiert ist und tra-ditionell als ihre Domäne angesehen wird, der Prozessvertre-tung, zum Teil recht deutlich gegenüber den vom Staat zugelas-senen Wettbewerbern ab. Der überproportionale Marktanteilder Rechtshilfebüros geht interessanterweise nicht zu Lastender nicht-anwaltlichen Rechtsdienstleister, sondern praktischvollständig zu Lasten der Rechtsanwaltschaft.

3. Rechtsanwälte im Staatsdienst

Eine finnische Besonderheit sind die rund 220 im System derstaatlichen Kostenhilfe tätigen Juristen (Yleisiä Oikeusavusta-jia), von denen etwa die Hälfte gleichzeitig auch Mitglied desRechtsanwaltsverbands ist. Diese Rechtsdienstleister entfaltenTätigkeiten, die in den meisten Rechtsordnungen, so auch inDeutschland, von Rechtsanwälten erbracht werden: Sie über-nehmen staatlich finanzierte Mandate von bedürftigen Bürgernim Rahmen dessen, was nach deutschem Verständnis Prozess-kosten- und Beratungshilfe ist. Da 75 % der finnischen Bevöl-

kerung aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenslagegrundsätzlich hilfsberechtigt sind, decken diese Juristen einenerheblichen Teil der rechtlichen Bedürfnisse natürlicher Perso-nen in Finnland ab. Darüber hinaus dürfen die staatlichenRechtshilfebüros im Rahmen freier Kapazitäten auch „private“Mandate annehmen, d.h. solche, die in vollem Umfang vomBürger finanziert werden. Sie machten zuletzt zwischen6–7 % des Gesamtaufkommens der staatlichen Rechtshilfe-büros aus.

Besser verständlich ist die Bedeutung der im System der staatli-chen Kostenhilfe tätigen Juristen für den finnischen Rechts-dienstleistungsmarkt, wenn man ihre Zahl von 220 in Bezug zuden deutschen Gegebenheiten setzt: Bei 3.000 Personen, die inFinnland nach deutschem Verständnis anwaltliche Rechts-dienstleistungen erbringen, macht diese Gruppe der im Systemder staatlichen Kostenhilfe tätigen Juristen rund 7,5 % aus. InDeutschland würde ein solcher Anteil bei 140.000 Rechtsan-wälten 10.500 Personen entsprechen, die auf Kosten des Fiskuszu Lasten der freien Anwaltschaft Rechtsdienstleistungen instaatlichen Rechtshilfebüros erbringen. Fiskalisch betrachtetliefe dies auf eine jährliche Belastung der Länderhaushalte vonmehr als 420 Mio. Euro hinaus, wenn man für jede dieser Stel-len eine Beschäftigung in einem dem höheren Dienst entspre-chenden Angestelltenverhältnis (BAT IIa) zu Grunde legen wür-de. Im Vergleich hierzu: Die aktuelle Belastung der öffentli-chen Haushalte mit Zahlungen für Beiordnungen und Bera-tungshilfe lag – nach Abzug der Eigenbeteiligungen der Bürger– im Jahr 2004 in etwa in dieser Größenordnung von 420 Mio.Euro.26

4. Mandantenwahrnehmung und -zufriedenheit

Eine interessante rechtstatsächliche Beobachtung ist, dass derfinnische Durchschnittsbürger den Unterschied zwischen ei-nem Rechtsanwalt und einem nicht-anwaltlichen Rechts-dienstleister verbreitet nicht wahrnimmt bzw. diesen nicht er-klären kann. Dies ergibt sich sowohl aus Bevölkerungsbefra-gungen als auch aus Einschätzungen des Rechtsanwaltsver-bands. Der finnischen Rechtsanwaltschaft ist es in diesemMarktsegment augenscheinlich nicht gelungen, eine Allein-stellungsposition zu erlangen, wie sie sie in gewisser Weise imBereich der Beratung institutioneller Mandanten erlangenkonnte. Soweit überhaupt seitens der Nachfrager differenziertwird, leidet die Anwaltschaft unter der verbreiteten Wahrneh-mung, dass Rechtsanwälte teurer seien als sonstige Rechts-dienstleister. Alleinstellungsmerkmale wie das Bestehen einerHaftpflichtversicherung oder der Schutz durch Berufsaus-übungsregeln des Anwaltsverbandes können ersichtlich nichtin einer Weise kommuniziert werden, dass die Preiswürdigkeitder anwaltlichen Dienstleistung seitens der Bevölkerung zu-treffend eingeordnet wird.

Auch die Mandantenzufriedenheit unterscheidet sich nicht inAbhängigkeit davon, ob der Rechtsuchende von einemRechtsanwalt, einem nicht-anwaltlichen Rechtsdienstleisteroder einem Mitarbeiter eines staatlichen Rechtshilfebüros be-raten worden ist: Bei allen drei Gruppen äußern ca. 90 % derMandanten, dass sie mit der erbrachten Leistung zufriedensind. 75 % gehen davon aus, dass die Inanspruchnahme einesjuristischen Dienstleisters die Rechtsdurchsetzung optimierthat.

22 Die Mitglieder des finnischen Rechtsanwaltsverbandes sind 2004befragt worden, ob sie die Wettbewerbssituation für angespannterals in der Vergangenheit halten. Dies wurde mit einem Wert von 3.7auf einer Skala von 1 (nein) bis 5 (ja) deutlich überwiegend bejaht.59 % der Befragten gaben an, sich verstärktem Wettbewerb durchnicht-anwaltliche Dienstleister ausgesetzt zu sehen, 43 % durch diestaatlichen Rechtshilfebüros. 40 % beklagten verschärften Wettbe-werb mit Unternehmensberatern und Notaren.

23 Sevón, European Lawyer, May 2004, S. 5.24 Litmala, a.a.O., S. 180. Die Zahlen wurden erhoben durch die Be-

fragung von Anwälten danach, wer in Gerichtsverfahren auf der Ge-genseite agiert. Für 15 % der Verfahren konnte diesbezüglich keineAussage getroffen werden.

25 Litmala, a.a.O., S. 180.

26 Kilian, Prozesskostenhilfe, Beratungshilfe, Pflichtverteidigung – Ger-man Legal Aid, in: Legal Aid Foundation (ed.), Legal Aid Fundamen-tals And Future Developments, Taipeh 2005, S. 269 ff.

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Kilian, Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission

Trotz dieser verbreiteten Zufriedenheit gehen beim Anwaltsver-band pro Jahr rund 300 Beschwerden über Mitglieder ein, wei-tere 100 Beschwerden richten sich an das Justizministerium.27

Dies entspricht in etwa einer Quote von einer Beschwerde jevier Anwälten. Beschwerden über nicht-anwaltliche Dienstleis-ter (und Rechtsanwälte) können an den Verbraucherschutzver-band gerichtet werden; dort gehen pro Jahr weitere 200 Be-schwerden ein. Die Zahl der Beschwerden bei diesen drei Stel-len (rund 600) scheint angesichts einer Gruppe von rund 3.000Rechtsdienstleistern vergleichsweise hoch. Er entspräche aufdeutsche Verhältnisse übertragen einer Zahl von fast 30.000Beschwerden pro Jahr.28 Allerdings ist festzustellen, dass einGroßteil der Beschwerden sachlich unbegründet ist.

V. Zugang zum Recht

1. Rechtsverfolgungskosten

Das finnische Recht kennt keine Tarifierung der anwaltlichenVergütung.29 Die Kosten einer Rechtsverfolgung sind dahernicht ohne weiteres prognostizierbar, da diese im Bereich derAnwaltskosten zumeist rein input-basiert sind. Statistisch be-trachtet liegt der durchschnittliche Gegenstandswert einesamtsgerichtlichen Verfahrens in Finnland bei 14.812 Euro. Dieskorrespondiert mit durchschnittlichen Rechtsverfolgungskostenvon 4.880 Euro für den Kläger und 4.261 Euro für den Beklag-ten.30 Diesem Kostenrisiko von 9.141 Euro steht für den identi-schen Gegenstandswert in Deutschland ein Vergleichswert von4.955,14 Euro gegenüber. Finnland vergleichbare Rechtsverfol-gungskosten fallen in Deutschland erst ab einem Streitwert vonüber 45.000 Euro an. Dieser Vergleich belegt, dass in Finnlanddie Rechtsverfolgungskosten bei niedrigen und mittleren Streit-werten signifikant höher sind als in Deutschland. Dies beruhtim Kern auf einer fehlenden Regulierung der anwaltlichen Ver-gütung, da die Gerichtskosten in Finnland relativ niedrig sind.Ausdruck der reinen Marktsteuerung der Rechtsverfolgungskos-ten ist zudem, dass die Kosten in einem Zehnjahresraum von1994 bis 2004 in Finnland für Kläger um 65 % und für Beklagteum 50 % gestiegen sind.31 Die staatliche Kostenkontrolle durchdas Tarifgesetz hat in Deutschland im Vergleichszeitraum einedurchschnittliche Erhöhung der Rechtsverfolgungskosten von14 % bis 20 % gebracht (je nachdem, ob die Rechtsanwalt-schaft oder Versicherer rechnen), resultierend aus der Einmaler-höhung mit Ablösung der BRAGO durch das RVG.

Für die Verfolgung geringwertiger Ansprüche haben diese ver-gleichsweise hohen Rechtsverfolgungskosten Auswirkungen,weil dem finnischen Recht eine dem deutschen Recht ver-gleichbare Kostenerstattung zu Gunsten des Obsiegenden un-bekannt ist. Zwar trägt der Unterlegene die Gerichts- und imGrundsatz auch die Anwaltskosten, soweit sie zur Rechtsverfol-gung angemessen und erforderlich waren. Die von den Anwäl-ten vor der Urteilsverkündung überreichten Honorarnoten wer-den von den Gerichten jedoch regelmäßig ganz erheblich ge-kürzt. Zwar ist eine Verbesserung durch eine Reform der Pro-zessordnung im Jahr 1993 zu verzeichnen, da die Gerichte

nunmehr die Kostenentscheidung begründen müssen. Eine vol-le Erstattung bleibt jedoch nach wie vor die Ausnahme.32

2. Staatliche Kostenhilfe

Staatliche Kostenhilfe wird in Finnland nicht nur durch die Re-finanzierung von Mandaten erbracht, die von selbstständigenRechtsanwälten übernommen werden. Finnland folgt vielmehrdem weltweit verbreiteten sog. „mixed model“, das als zweiteSäule die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch staatli-che Rechtshilfeeinrichtungen vorsieht. In forensischen Manda-ten hat der kostenhilfeberechtigte Bürger ein Recht auf freieAnwaltswahl. In sonstigen Mandaten ist Kostenhilfe nur zu er-langen, wenn das Mandat in einem der staatlichen Kostenhilfe-büros abgewickelt wird. In Gerichtsverfahren wird ein Maxi-mum von 100 Arbeitsstunden vergütet.33 Erst ab einem einsetz-baren Einkommen von 650 Euro bzw. 1.100 Euro wird Kosten-hilfe ohne Eigenbeteiligung gewährt; dies ist allerdings in fast2/3 aller Mandate der Fall. Insgesamt haben seit einer Reformim Jahr 2002 rund 75 % aller Finnen Anspruch auf staatlicheKostenhilfe (zuvor 45 %). Vor diesem Hintergrund werden proJahr rund 70.000 Mandate staatlich finanziert.

Ein Element des dualen Systems sind die in Finnland existieren-den 66 staatlichen Rechtshilfebüros. Sie sind zumeist in Ge-meinden angesiedelt, in denen es ein Amtsgericht gibt. Zusätz-lich zu den 66 Rechtshilfebüros werden 112 Zweigstellen un-terhalten, in denen Mandanten betreut werden. Insgesamt ver-fügen die staatlichen Rechtshilfebüros über 480 Mitarbeiter,mit 220 Mitarbeitern sind davon fast die Hälfte Volljuristen.Die Kosten für das System der staatlichen Kostenhilfe liegen seitmehreren Jahren bei rund 22 Mio. Euro p.a. In den staatlichenRechtshilfebüros werden sämtliche Anträge auf Prozesskosten-hilfe bearbeitet, auch jene, die schließlich auf Wunsch derMandanten an selbstständige Rechtsanwälte gelangen. Im Jahr2004 wurden in den staatlichen Rechtshilfebüros 53.766 Fällebearbeitet.34

Hierneben treten in einem „mixed model“ staatlich finanzierteRechtsdienstleistungen, die von selbstständigen Rechtsanwäl-ten erbracht werden. Entsprechende Zahlungen an Rechtsan-wälte beliefen sich im Jahr 2004 auf rund 32,4 Mio. Euro.35 Fi-nanziert wurden 33.117 Mandate, davon 79 % vor den Amts-und 17 % vor den Appellationsgerichten. In diesen Verfahrenbetrug der durchschnittliche Aufwand 873 Euro. Die per capitaAusgaben für legal aid betragen in Finnland rund 10,38 Euro.Die Pro-Kopf-Ausgaben liegen damit bei 166 % des fürDeutschland ermittelten Wertes: Der deutsche Fiskus wendetpro Jahr 6,23 Euro per capita für Beiordnungen und Beratungs-hilfe auf.

3. Rechtsschutzversicherungen

Rechtsschutzversicherungen werden in Finnland seit 1968 an-geboten, zumeist in Form eines Zusatzes zu einer sonstigenSchadensversicherung. Sie sind daher recht weit verbreitet.Ebenso wie in Deutschland muss eine Police als Vermögens-wert eingesetzt werden, bevor staatliche Kostenhilfe in An-

27 Vgl. Litmala, a.a.O., S. 151 ff.28 Empirisches Material für Deutschland existiert nicht.29 Bis 1992 hat der finnische Anwaltsverband für seine Mitglieder Ge-

bührenempfehlungen herausgegeben, die allerdings aus kartell-rechtlichen Gründen aufgrund des Wettbewerbsgesetzes aus demJahr 1992 aufgegeben werden mussten, Kilian, ZVersWiss 1999,23 ff.

30 Ervasti, Disputes In District Courts – An Empirical Study Of DisputesAnd Legal Costs, Helsinki 2005.

31 Ervasti, a.a.O.

32 Hierzu: Pretzell, a.a.O., S. 172.33 Bei einem einsetzbaren Einkommen von mehr als 1.400 Euro (Ledi-

ger) bzw. 2.400 Euro (Ehepaare) wird keine Kostenhilfe gewährt.34 32 % beschränkten sich auf eine Beratung. Je 24 % betrafen den

Entwurf eines Dokuments bzw. ein Gerichtsverfahren. Mehr als dieHälfte der Fälle hatte Familien- oder Erbrecht zum Gegenstand,rund ein Sechstel Strafverfahren.

35 Der Stundenlohn in einem staatlich finanzierten Mandat beträgt seitJuni 2004 91 Euro/h.

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 199

Kilian, Finnland: Eine evidenz-basierte Annäherung an den Klassenprimus der Europäischen Kommission

spruch genommen werden kann. Eine weitere Parallele zu dendeutschen Gegebenheiten ist, dass Familiensachen nicht versi-chert sind. Sie machen einen Großteil der durch staatliche Kos-tenhilfe finanzierten Mandate aus.

Trotz des fehlenden Rechtsdienstleistungsmonopols habensich die finnischen Rechtsschutzversicherer für die sog. indi-rekte Rechtsschutzversicherung entschieden. Ohne eigene Be-fassung mit dem Verfahren ersetzen die Versicherungen dieKosten des Rechtsbeistands. Die Rechtsabteilungen der Versi-cherungsgesellschaften haben daher im Wesentlichen überwa-chende und nur eingeschränkt beratende Funktion.36 Die Ver-sicherungsnehmer sind durch Zusatzklauseln in den Versiche-rungsbedingungen verpflichtet, für die Rechtsverfolgung einenAnwalt in Anspruch zu nehmen, der unter der Aufsicht des fin-nischen Anwaltsbundes arbeitet oder gleichwertig „juristischqualifiziert” ist bzw. bei einem derart ausgewiesenen Rechts-anwalt angestellt ist.37 Die Wirkungsweise der Rechtsschutz-versicherungen ist in Finnland allerdings in zweifacher Weiseeingeschränkt: Zum einen deckt sie nicht die Kosten des Geg-ners bei einem Unterliegen vor Gericht. Zwar wird in Finnlandfaktisch nur ein gewisser Anteil der beim Obsiegenden ange-fallenen Kosten erstattet, gleichwohl ist eine völlige Schad-losstellung durch die Rechtsschutzversicherung nicht gewähr-leistet.38 Noch gravierender ist, dass zusätzlich zu einemSelbstbehalt die vom Rechtsschutzversicherer dem Versiche-rungsnehmer zu erstattenden Kosten bedingungsgemäß aufrund 8.400 Euro begrenzt sind. Eine solche Kappungsgrenzeist Ausdruck einer fehlenden Regulierung der anwaltlichenVergütung insgesamt und Input-Basierung der marktüblichenHonorare, die eine andere Form der Kostenkontrolle nicht ge-statten.39

Legt man die durchschnittlichen Kosten eines Gerichtsverfah-rens in Finnland zu Grunde, ergibt sich damit, dass Rechts-schutzversicherungen, anders als in Deutschland, nur einenBruchteil der Kosten einer gerichtlichen Rechtsverfolgung ab-decken, eine privatwirtschaftliche, den Staatshaushalt entlas-tende Vorsorge in Sachen Rechtsverfolgungskosten nur sehreingeschränkt wirksam ist. Sowohl der Verzicht auf die Regu-lierung des Marktes schlechthin als auch auf die Vergütung derMarkteilnehmer zwingt zu korrigierenden Eingriffen seitens derVersicherungsunternehmen, welche die Attraktivität des Versi-cherungsprodukts im Vergleich zu den deutschen Gegebenhei-ten entwertet.

VI. Ausblick

Eine evidenz-basierte Annäherung an den finnischen Rechts-dienstleistungsmarkt führt zu der Erkenntnis, dass sich die Situ-ation der Rechtsdienstleister in Finnland grundlegend von denVerhältnissen in Deutschland unterscheidet. Darüber, ob dieseUnterschiede tatsächlich ein im Vergleich zu Deutschlanddeutlich positiveres Gesamturteil zulassen, lässt sich trefflichstreiten:

Das finnische Rechtswesen kommt nicht mit weniger Juristenaus als Deutschland, die Verteilung der Juristen auf die verschie-denen Sektoren (Anwaltschaft, Privatwirtschaft, Justiz, Behörden)weicht lediglich stark voneinander ab. Das finnische Rechtswe-sen stützt sich wesentlich stärker auf Juristen, die in staatlich fi-nanzierten Funktionen tätig sind. Darüber hinaus ist die „Staats-quote“ nicht nur in unmittelbar staatsnahen Funktionen in Exe-kutive und Judikative deutlich höher: Es ist auch eine staatlicheIntervention im Markt der privaten Rechtsdienstleistungen fest-zustellen, da der finnische Staat ein kostspieliges System staatli-cher Rechtshilfeeinrichtungen unterhält, die einen spürbarenAnteil am Gesamtmarkt haben. Aus diesen Einrichtungen, demSystem der Kostenhilfe im Allgemeinen und der Vielzahl der inStaatsdiensten beschäftigten Juristen folgen erhebliche fiskali-sche Aufwendungen. Die gleichwohl grundsätzlich beschränk-ten Aufnahmekapazitäten des staatlichen Sektors führen nicht zueinem Expansionsdruck auf dem privaten Sektor, da die Gesamt-zahl der Juristen durch eine strikte Kapazitätssteuerung auf derEbene der universitären Ausbildung kontrolliert wird.

Der Markt privater Rechtsdienstleistungen ist in Finnland inden vergangenen Jahren re-reguliert worden, indem für eine fo-rensische Tätigkeit eine juristische Qualifikation verlangt wird.Der Anwaltschaft ist es nicht gelungen, den Vorbehaltsbereichnoch weiter zu verengen. Außerhalb des Vorbehaltsbereichshaben juristisch nicht qualifizierte Rechtsdienstleister gleich-wohl keine spürbaren Marktanteile erlangen können. Rechts-anwälte konkurrieren im Gesamtmarkt vor allem mit zweiWettbewerbern, staatlichen Rechtshilfeeinrichtungen undnicht-anwaltlichen Rechtsdienstleistern. Hier ist es ihnen imBereich der nicht-institutionellen Mandantschaft nicht gelun-gen, aus der Anwaltsfunktion überlegene Marktchancen zu rea-lisieren. Maßgeblich scheint hierfür eine – in anderen, ver-gleichbaren Märkten in diesem Maße nicht anzutreffende –schwach ausgeprägte Differenzierung seitens der Bevölkerungzwischen den verschiedenen Anbietern zu sein.

Für die Bevölkerung bedeutet der Verzicht auf Regulierung imBereich der anwaltlichen Vergütung, dass die Rechtsverfolgungbei geringwertigen Ansprüchen häufig unökonomisch ist, dabereits auf der amtsgerichtlichen Ebene erhebliche Kosten an-fallen. Eine eigenverantwortliche Absicherung gegen entspre-chende Kostenrisiken durch Versicherungen ist zwar grundsätz-lich möglich. Allerdings leiden Versicherungsmodelle unter derfehlenden Regulierung, so dass Versicherer ihre insofern unkal-kulierbaren Risiken durch strikte Kappungsgrenzen beim Kos-tenersatz kontrollieren müssen. Zugleich leistet sich der Staatum den Preis eines akzeptablen Zugangs zum Recht ein imVergleich zu Deutschland deutlich kostspieligeres System staat-licher Kostenhilfe.

Was ist also Ergebnis dieser rechtstatsächlichen Betrachtungen?

Die Verhältnisse in Finnland sind grundlegend anders undnicht notwendig besser als in Deutschland. Einen perfektenMarkt juristischer Dienstleistungen kann es nicht geben. Vortei-le in einem Bereich müssen mit Nachteilen in anderen Berei-chen, etwa bei der Höhe der Rechtsverfolgungskosten, demZugang zum Recht oder zur juristischen Ausbildung, sowie beiden fiskalischen Aufwendungen für staatliche Bedienstete oderdem System staatlicher Kostenhilfe erkauft werden.

Die sprichwörtliche Weisheit „Es ist nicht alles Gold, wasglänzt ...“ bestätigt sich insofern auch hier – für die deutschenKritiker der EU-Kommission sollte dies allerdings kein Anlasszu Selbstzufriedenheit sein: Der nur selten zitierte zweite Halb-satz des Hebbel’schen Aphorismus lautet „... aber es glänztauch nicht alles, was Gold ist.“40

36 Arti, Rechtsschutz in Europa 1984/3, S. 8, 10.37 Arti, Rechtsschutz in Europa 1984/3, S. 8, 1338 Hierzu: Pretzell, a.a.O., S. 172.39 Zwar ist auch die staatliche Kostenhilfe aus diesem Grunde be-

grenzt. Entsprechende Steuerung wird hier aber nicht durch eineBegrenzung des Kosten-, sondern des Zeitvolumens (max. 100 Zeit-stunden) herbeigeführt. Unter Zugrundelegung des durchschnittli-chen Stundensatzes finnischer Rechtsanwälte ist die staatliche Kos-tenhilfe daher deutlich weitreichender als die Kostenerstattungdurch Rechtsschutzversicherungen. 40 Christian Friedrich Hebbel, Tagebücher.

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200 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Kriegler, Consumerism at the Expense of the Lawyer’s Core Values

Although I am honoured and privileged to be afforded an op-portunity to address this august gathering of colleagues fromaround the world, I am not a little daunted. My brief is a heavyone, namely to set the scene – and the tone – for the confe-rence proceedings over the next two days.

Let me start by commending the IBA for having created the BarIssues Commission to focus the attention and talents of the or-ganised legal profession world-wide on the major issues con-fronting lawyers in the diverse societies in which they function.Let me also commend the Bar Issues Commission, in turn, fororganising this timely conference of bar leaders to reflect onthe place and role of lawyers in society and to devise cohesivestrategies and specific programmes to address the challengespresented by the demands and pressures of what has come tobe termed consumerism.

This opening session of the conference is to concentrate on thepreservation of the values of the legal profession in the face ofthe particular challenge posed by the Clementi Report.1 Then,logically, the conference will proceed to examine the veryreason that of organised bodies of lawyers exist, and how bestthey can survive. Tomorrow the conference is scheduled tolook more closely at four interrelated topics: First, admissionqualifications; then the relationship between professionalbodies of lawyers and their respective national governments,followed by a review of current challenges at the internationallevel; and finally the President of the IBA will refocus attentionon the value system of lawyers and their internationalcommitment to the Rule of Law.

Complacent democracies have forgotten the essential qualitythat distinguishes the law (and its practitioners) from other oc-cupations. I therefore make no apologies for commencing withsome truths that may have become rusty.

Absent a functioning system of laws, a society must wither. Lawis the vital spark of democracy and lawyers are the generatorsand conductors of this spark. This holds good for all societies: itis equally true in America and in Zimbabwe; and it applieswith equal force to the high street solicitor and the high courtjudge. Since Hammurabi, the role of law and the calling of itsservants has been to provide the binding sinews of the bodypolitic. Over the millennia law fulfilled this vital social func-tion, reducing chaos to order, reconciling adversaries, resolvingdisputes, redressing wrongs and holding merchants to their bar-

gains. The last two centuries have seen a change. Law has assu-med a political dimension. Respect for the law, general accep-tance of its hegemony, came to be seen as having a broader sta-bilising influence in society.

There was yet another change of emphasis when the bitter les-sons of World War II were driven home. The world, having wit-nessed the trappings of legality being used to camouflage tyran-ny, resolved to elevate law above men, to subject governmentsto the ultimate discipline of universally binding rules andnorms. The Universal Declaration of Human Rights, to whichsome pay no more than pious lip-service, nevertheless came tobe increasingly accepted as laying down valid and enforceableuniversal norms. And although the Declaration long remainedlargely aspirational, the dignity of the individual and the Ruleof Law became, at least in principle, universally accepted co-rollaries. International human rights instruments and enforce-ment mechanisms were established and their influence, over ti-me, spilled over into the municipal law of many countries.

The consequent demand that governments respect the rightsand freedoms of the governed and that this be vouchsafed byestablishing and maintaining independent, competent and cre-dible judiciaries threw the spotlight on to the legal profession.Concomitantly there was universal recognition that such a judi-ciary needed the sustenance and support of a legal professionno less independent, competent and credible. This gave rise tointernational professional bodies of lawyers such as the IBAand the International Commission of Jurists, and a host of regio-nal associations of practising lawyers.

Nothing that I have said thus far is in the least original. It is trite.Yet, I remain unapologetic for relating it. I believe there is apressing need to restate these truisms loudly and clearly. Theprecipitating reason for raising the topic is the appearance ofthe Clementi Report – but, sadly, as I and many others from avariety of jurisdictions can testify first-hand, it is by no meansthe only reason for reflecting on the crucial importance of pre-serving the independence of the legal profession.

I am acutely aware that I am a visitor, a guest. My public com-ments should therefore be restrained by common courtesy.Common sense, too, counsels restraint, for one stumbles at thevery threshold when trying to comment on this wonderfulcountry’s public affairs: the time-worn institutions and arcaneterminology of the United Kingdom (itself a term that needssome understanding) remain impenetrable mysteries for thosewho have not grown up here. Yet the issues raised in the Cle-menti Report and the recent response of Her Majesty’s govern-ment2 are of universal concern to the organised legal professi-on. Indeed, they are of greater concern to those for whom theRule of Law and protection of human rights are treasured no-

1 Die Pläne der englischen Regierung zur Reform der jurististischen Be-rufe haben, wie der nachstehende Beitrag zeigt, auch im Bereich descommon law für erhebliche Unruhe gesorgt. Johann Kriegler ist einerder führenden Juristen Südafrikas. Als Vorsitzender der Kommissionzur Durchführung der ersten freien Wahlen hatte er wesentlichen An-teil am Übergang vom Apartheid-Regime zur Demokratie. Er war so-dann 9 Jahre Richter am neu gegründeten Verfassungsgericht der Re-publik Südafrika. Mit seiner freundlichen Genehmigung veröffentli-chen wir seine vor Vertretern der internationalen Anwaltschaft gehal-tene Rede im Originaltext.

1 Review of the regulatory framework for legal services in England andWales, Final Report, December 2004, by Sir David Clementi.

2 The government response, however, hardly surprising inasmuch asthe appointment of the Clementi Commission and its fairly prescripti-ve terms of reference were already clear pointers to the government’sthoughts on the topic.

CONSUMERISM AT THE EXPENSE OF THE LAWYER’S CORE VALUES

A reconstruction of a paper delivered at the Bar Leaders’ Conference of the International BarAssociation, held at the Law Society offices, Chancery Lane, London on Wednesday 24 May 2006

By Johann Kriegler*

*

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Kriegler, Consumerism at the Expense of the Lawyer’s Core Values

velties; and we ask how this could happen under the Mother ofParliaments, at the birthplace of the Rule of Law.

One can understand (and support) ministers seeking exceptio-nal powers at times when the state itself is imperilled. One cango further. One can imagine a “9/11” or Tube bombings, pos-sibly even drug wars or an epidemic of organised crime de-manding an extraordinary reaction. Taking exceptional execu-tive powers to cope with such a national crisis, albeit not ne-cessarily one threatening the life of a nation, would be unpala-table yet tolerable. But it must be a true crisis, the interferencewith the Rule of Law must be short-term, ad hoc, of limitedscope and commensurate with the threat.

None of that can be said of the Clementi recommendations.There is no crisis, no emergency, no time limit, no focused tar-get. What the Report envisages3 is carefully planned electivesurgery to attain a perceived social benefit.

The use of the royal commission mechanism for political endsis only too familiar. It is a marvellous political device. While itmay have been invented by the British, I assure you that it wasperfected by the apartheid regime. It was and remains muchbeloved of politicians and bureaucrats in my country, not leastbecause it enables the political mandator to manipulate theoutcome of the enquiry. At the very least, it gains time, allo-wing the dust to settle and public interest to wane and usuallysaving those in power serious public embarrassment. From theoutset the executive crafts the terms of reference to its likingand carefully tailors the ambit of the enquiry. It then providesadministrative, investigative and logistical back-up and has thefinal say as to the timing and extent of any release of the report.Ultimately, if all else fails, the report can simply be shelved. Bythen the heat is off, vociferous opposition has subsided and sui-table counter-measures (political or otherwise) have been putin place.

The Clementi Report presents an interesting case study. The ca-sus belli was ideally suited to its purpose. The target was a pri-vileged profession the members of which are generally percei-ved to be elitist, old-fashioned and well-to-do. And, of course,consumer protection has a populist ring to it, as good as mo-therhood or apple pie. Consumer protection is a politically cor-rect cause that enjoys everyone’s support – though most peopleare not quite sure what it entails. Consumer protection and itskindred buzzwords have a modern, reformist ring to them: “re-gulatory framework”, “competition” and “innovation”.4 Thelanguage used by the Department of Constitutional Affairs in itsJuly 2003 report5 to damn the legal profession was as carefullychosen: “outdated, inflexible, over-complex and insufficientlyaccountable or transparent”. These are not facts, merely value-laden and emotively charged expressions of opinion masquera-ding as findings of fact. One could, on the selfsame data, havereplaced these terms with “time-honoured, principled, nuan-ced and unobtrusive or self-effacing ”.6

We live in the era of TV interviews. Complex matters are over-simplified. Pastel shades become comic-book garish. Politici-ans, spin doctors and journalists have a penchant for showy,flashy sound-bites, have ready answers to complex questionsand quick fixes for age-old social ills. We have a case in pointhere. The legal profession evolved domestic governance me-chanisms over many centuries, amending here and adaptingthere as the exigencies demanded. Different areas of specialisa-tion presented their own peculiar problems and the solutionsthat were devised and the regulatory systems that developednaturally differed. Then, recently, the Law Society fell behind inhandling complaints by lay clients against solicitors.7 The De-partment of Constitutional Affairs produced a condemnatoryreport and the Review was commissioned.8 The Terms of Refe-rence are significant not so much for what is said, but for how itis said. Thus, when the Terms of Reference speak of an “inde-pendent” regulatory framework this does not mean indepen-dent of governmental control, as you and I would ordinarilyunderstand: “independent in representing the public and con-sumer interest” actually means free of control by the professi-on, even counter to its interest. By like token, when the Termsof Reference speak of an “independent legal sector” they deno-te the private, non-governmental sector and not a sector freefrom outside control.

This use of language is evident in the Final Report too, as is thefondness for value-laden words. Thus there are findings that“the current system is flawed”, “the governance structures areinappropriate for the regulatory tasks they face”, there is an“over-complex and inconsistent system of oversight regulatoryarrangements” with “no clear objectives and principles that un-derlie this regulatory system” which pays “insufficient regard tothe interests of consumers”. One can but marvel that the legalprofession managed to survive for so long.

No purpose would be served by analysing the reasoning in theFinal Report. We know what initiated it and we know that theUK government has accepted the bulk of its recommendationsand intends implementing them soon. In any event, this confe-rence is not concerned with the domestic affairs of a particularjurisdiction but with their wider implications for the legal pro-fession around the world.

Viewed in that light, the most ominous outcome of the Cle-menti Report is the proposed creation of a body from outsidethe legal profession, appointed by the ministry, to be called theLegal Services Board (with an ancillary to be called, somewhatinaptly yet prophetically, the Office for Legal Complaints) to“regulate” the legal profession in England and Wales. The exis-ting governing bodies of the various branches of the professionare to be formally stripped of their regulatory powers but willbe allowed to continue exercising these functions under dele-gated authority from the Legal Services Board. They will alsocontinue to control the professional conduct of their respectivemembers and to exercise concomitant disciplinary jurisdictionover them. Although these changes may appear to be relativelysmall, that is an illusion. They are in fact fundamental. I list afew:

• The legal profession in England and Wales, with its proudtradition of excellence, the exemplar of umpteen offshootsaround the English-speaking world, is to be brought to go-vernmental heel. Henceforth it will no longer control and re-gulate its own affairs. The ultimate power over all the profes-

3 Echoing the terms of reference, which called for a review: “To consi-der what regulatory framework would best promote competition, in-novation and the public consumer interest in an efficient, effectiveand independent legal sector. “To recommend a framework whichwill be independent in representing the public and consumer inte-rest, comprehensive, accountable, consistent, flexible, transparent,and no more restrictive or burdensome than is clearly justified …”

4 Direct quotations from Clementi’s Terms of Reference or Final Reportare italicised.

5 This report was the forerunner that set the stage for the subsequentReview. Indeed, Sir David says quite bluntly in para 3 on p. 1 of hisreport: “Nothing that I have learnt during the 18 month period of myReview has caused me to doubt the broad validity of the Govern-ment’s conclusion.”

6 In my country the magic words on the strength of which anything canbe sanctified or condemned are “transformation” and “racist”.

7 There was no evidence of any failure by the Bar in this respect. Onthe contrary, there have been extensive reforms, especially since1997, to enable the Bar to deal expeditiously, transparently and im-partially with complaints against barristers.

8 See footnote 5 above.

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202 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Kriegler, Consumerism at the Expense of the Lawyer’s Core Values

sional legal institutions in this illustrious jurisdiction will vestin an administrative agency appointed by and answerable togovernment.

• Experience developed over centuries of slow refinement ofthe profession’s governing bodies is to be jettisoned in favourof quasi-governmental control by a brand-new non-professi-onal body.

• The active, invaluable and often mutually beneficial involve-ment of the judiciary in preserving the admission standards,norms of conduct and professional values of English andWelsh lawyers is to be materially attenuated, if not lost. In itsstead there will “regulation” by a body of governmental ap-pointees whose loyalty is not to the administration of justicebut to “consumers”.

• Thousands of highly skilled professional hours expended byforemost legal practitioners in training, supervising, guiding,developing and disciplining newcomers to the professionwill be seriously jeopardised, if not lost.

• Not only this irreplaceable wealth of knowledge is at stake. Itis a proud tradition that these services are provided bothfreely and gratis by the senior practitioners concerned.Heaven knows whence the replacements are to come and atwhose cost.

• In addition there will the cost of the new regulatory andcomplaints structures that will have to be found. The profes-sion will initially bear this cost but the ultimate burden willrest with the consumer – all this purportedly in the pursuit ofconsumer protection.

So much for the predictable disadvantages of these proposals.Let us examine the prospects of their attaining their stated ob-jectives The Bar’s Independent Complaints Commissioner, aninformed and wholly impartial observer, expressed the fear9

that the Bar’s affairs would be “falling into a black hole of go-vernmental management” and warned that one should “standby for targets, performance standards, manuals, protocols, re-ports, returns, stake holders”. There is, sadly, no reason for meto disagree. On the contrary, on the basis of my experience inmy own country, I would not only anticipate these known con-sequences of bureaucratic control but would expect to hear ofany number of workshops, colloquia, conferences and retreatsfor “consultation” with “stake holders” and “role players”, themost notable product of which would be wasteful expenditureof public funds.

More importantly, one must ask what grounds exist for confi-dence that the new super-regulator and its complaints arm aregoing to promote “competition”, “innovation” and the rest ofthe grocery list of desiderata foreshadowed in the Terms of Re-ference, such as “flexibility”, “transparency” and “accountabili-ty”. These qualities, it will be recalled, were found to be la-cking in the legal profession’s current institutions but would beestablished by the introduction of the new regulatory frame-work. This, so it was said, would “promote consumer interestsin an efficient, effective and independent legal sector”. It is, ofcourse, possible that the superimposition of a bureaucraticstructure will promote a better, more cost-effective and consu-mer-friendly service as envisaged by the Clementi Report. Butthis would be a world first. It is even possible that the interven-tion of a quasi-governmental agency would promote competiti-on and innovation in a functioning and flourishing professionalfield. I would, however, not think that the prospects are particu-larly good.

My prognosis, I readily admit, is based on no more than thetrack record of the legal profession in the United Kingdom. Thepicture, as I see it, is quite simple. England and Wales havesome 100 000 lawyers of various sub-categories specialising ineach and every conceivable field of law. They have for manyyears provided highly skilled legal services to knowledgeableconsumers around the world. To this day – and for good reason– businessmen, bankers, shippers, insurers, construction engi-neers and their expert advisors who are negotiating internatio-nal transactions often nominate England as their jurisdiction ofchoice should a dispute between them require adjudication.

It can confidently be ventured that within a five-mile radius ofthis hall there are at least a dozen firms of world-class solicitorsand patent or trademark agents who within their ranks havespecialists who could more than hold their own anywhere inthe world. English barristers are, of course, world-renownedand their services are sought far beyond their country’s borders.At the same time – predictably – the English judiciary remainsthe envy of many jurisdictions. The judgments of the superiorcourts of this country are cited with deference wherever busi-nessmen turn to litigation, not only in common law jurisdic-tions but wherever commerce and law interact. This is what in-dependent, freely competing, self-regulating professional bo-dies of English solicitors, barristers, patent and trademarkagents have built and maintained. Manifestly they have earnedthe universal respect, even the admiration, of their peers andhave passed the acid test: their services are in demand amongsophisticated users of legal services world-wide. Why shouldthere be any radical change? In my language we say, “Don’tscratch where it doesn’t itch.”

I have further and more profound misgivings about this “consu-mer-focused” perception of the practice of law, a perceptionthat seems to lie at the core of the thinking behind the Terms ofReference and the Report. Lawyers in private practice do notsell a commodity. Nor do they merely provide a professionalservice for reward. Lawyers, as distinct from other professionalpractitioners, play a quasi-constitutional role, over and abovetheir purely professional business of giving legal advice to cli-ents. What distinguishes lawyers is that they also form an inte-gral and indispensable component of the administration of ju-stice. This is particularly important in common-law jurisdic-tions following the adversary system of litigation, where thelawyers largely drive litigation and where the quality of justiceis directly related to the quality of the legal representation en-joyed by the litigants.

Furthermore, the judgments of English courts, the writings ofEnglish jurisprudents and the services of the country’s practi-sing lawyers have for as long as I can remember played a rolein the constitutional and human rights discourse of many fledg-ling democracies. The Rule of Law is the guiding principle.That is clear enough. But the peculiar genius of the Englishcourts is that they give concrete, practical substance to this ab-straction. Without the springboard of a justiciable Bill of Rights,English lawyers created, developed and refined a body of legalsafeguards for the individual against the state, largely under thebanner of judicial review of governmental action. English jud-ges are steeped in a culture of independent thinking, under-standing government and its ways but maintaining a healthydistance. This mindset is, in turn, nurtured by a legal professionjealous of its traditions of free speech and open competitionbetween fiercely independent practitioners. How can this pro-posed brave new external regulator of the legal profession, ap-pointed by and accountable to government, committed to pro-moting the interests of consumers at large rather than to the ad-ministration of justice, continue promoting the Rule of Law?9 See the Commissioner’s 2005 annual report.

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Dolce, Italien: Erfolgshonorar zugelassen – Gebührenordnung aufgegeben

This special relationship between the legal profession and theRule of Law seems to have been discounted by those who seekto subject the profession to governmental control. The legalprofession and its components are not corporations where theappointment of non-executive directors has to counteract unde-sirable boardroom dealings. In any event, the organised legalprofession in this country has for centuries been subjected to ju-dicial scrutiny. The current proposals envisage severing theseexisting regulatory links between the Bench and the profession.Presumably the authorities are unconcerned that their proposalswill put an end to the unique symbiosis and reciprocal supportenjoyed by the English Bench and its legal practitioners.

I suspect that, notwithstanding these gloomy portents, the legalprofession in England and Wales will meet these challenges totheir independence. After all, the Law Society and the General

Bar Council between them represent the overwhelming majori-ty of legal practitioners. They also include within their rankssome of the finest brains and the most astute tacticians that areto be found. They will no doubt offer stiff resistance to thethreat to commodify legal practice.

They need to be reminded, however, that it is not only theirown professional interests that are at stake. The United King-dom still sets the pace for many former British colonies and de-pendencies. Indeed, at this very time government in my coun-try and in at least one of its neighbours has employed “consu-mer protection” as a stalking horse to undermine the functionalindependence of the legal profession. If the organised legalprofession in England and Wales were to be brought undergovernmental control the fall-out for many of us elsewhere inthe English speaking world could be disastrous.

Am 4.7.2006 hat der italienische Senat das GesetzesdekretNr. 223, in der italienischen Öffentlichkeit als „Decreto Bersa-ni“ bekannt, endgültig angenommen. Dem Minister für diewirtschaftliche Entwicklung, Giulio Bersani, ist es mit Art. 2 sei-nes Dekretes gelungen, die gesamte italienische Anwaltschaftim Protest zu einigen. Art. 2, Ziff. 1 a) lautet in deutscher Über-setzung:

Dringende Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbes imBereich der freien Berufe

1. In Übereinstimmung mit den gemeinschaftlichen Prinzipiendes freien Wettbewerbs und der Freizügigkeit der Personen undDienstleistungen, sowie um den Verbrauchern eine effektiveWahlmöglichkeit für die Ausübung der eigenen Rechte und ei-nes Vergleichs der im Markt angebotenen Dienstleistungen zugewährleisten, werden mit Inkrafttreten des vorliegenden Ge-setzes die rechtlichen Vorschriften abgeschafft, die in Bezugauf die freiberuflichen und intellektuellen Tätigkeiten Folgen-des vorsehen:

a) die Festsetzung von Fest- oder Mindestgebühren oder auchdas Verbot, Vergütungen zu vereinbaren, die an das Erreichender verfolgten Ziele gebunden sind ...

In den folgenden Unterabschnitten b) und c) werden das Wer-beverbot teilweise aufgehoben sowie das Verbot, sich unterFreiberuflern zu interdisziplinären Gesellschaften zusammen-zuschließen; in Zukunft wird ein italienischer Anwalt mit seinerSpezialisierung werben und sich mit Wirtschaftsprüfern zur ge-meinsamen Berufsausübung zusammenschließen dürfen. InAbsatz 3 wird den Vertretungen der einzelnen Berufsgruppeneine Frist zum 31.12.2006 gesetzt, ihr Standesrecht entspre-chend anzupassen.

Die italienische Anwaltschaft hat die faktische Abschaffung derGebührenordnung und die Zulassung des Erfolgshonorars fasteinhellig abgelehnt. Noch mit einem offenen Schreiben vom1.7.2006 hat Prof. Guido Alpa, Präsident des Consiglio Nazio-nale Forense – ein Organ, das sich mit der Bundesrechtsan-waltskammer vergleichen lässt –, den neu gewählten Staatsprä-sidenten Giorgio Napolitano beschworen, das Gesetz nicht zuunterzeichnen.1 Es würde gegen Art. 152 der Charta der Grund-

rechte der Europäischen Union und gegen Art. 243 der italieni-schen Verfassung verstoßen.

Der Staatspräsident hat sich von der behaupteten Verfassungs-widrigkeit des Gesetzes nicht überzeugen lassen und hat dasGesetz unterzeichnet. Die italienische Anwaltschaft hat mit ei-nem nationalen Streik reagiert und hofft weiterhin auf Nach-besserungen.

Die Befürworter des Gesetzes, so die nationalen Verbraucher-verbände, sehen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfülltund in der Abschaffung der Mindesttarife eine Maßnahme, diedem Wettbewerb und der größeren Markttransparenz dient.Die Zulassung eines Erfolgshonorars wird begrüßt, da damitder Zugang zur Vertretung wirtschaftlicher werden würde.Auch die Zulassung der Werbung würde dem Informations-interesse des Verbrauchers Rechnung tragen.4

Der Consiglio Nazionale Forense vertritt eine andere Auffas-sung und hat zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bei dem

1 Das Schreiben ist auf der Homepage des Consiglio Nazionale Foren-se enthalten (www.consiglionazionaleforense.it).

2 Artikel 15:Berufsfreiheit und das Recht, zu arbeiten(1) Jede Person hat das Recht, zu arbeiten und einen frei gewähltenoder angenommenen Beruf auszuüben.(2) Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger haben die Freiheit, injedem Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, zu arbeiten, sich niederzulas-sen oder Dienstleistungen zu erbringen.(3) Die Staatsangehörigen dritter Länder, die im Hoheitsgebiet derMitgliedstaaten arbeiten dürfen, haben Anspruch auf Arbeitsbedin-gungen, die denen der Unionsbürgerinnen und Unionsbürger ent-sprechen.

3 Artikel 24:Jedermann kann zum Schutz der eigenen Rechte und seiner legitimenInteressen vor Gericht ziehen. Die Verteidigung ist ein nicht einzu-schränkendes Recht in jedem Stand des Verfahrens und in jedemRechtszug. Den nicht Vermögenden sind, durch entsprechende Insti-tute, die Mittel zuzusichern, vor jeder Gerichtsbarkeit zu klagen undsich verteidigen zu können.(Das Gesetz setzt die Bedingungen und die Verfahren zur Wiedergut-machung von Irrtümern der Gerichte fest.)

4 Siehe „Letera aperta agli Avvocati“ der italienischen Verbraucherver-bände auf www.helpconsumatori.it.petizione.php.

Italien: Erfolgshonorar zugelassen – Gebührenordnung aufgegeben

Rechtsanwalt und Avvocato Dr. Rodolfo Dolce, Frankfurt a.M.

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204 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren von Rechtssystemen

italienischen Staatsrechtslehrer Paolo Ridola ein Gutachten inAuftrag gegeben. Dieses kommt zu dem Schluss, dass das Ge-setz aus formalen wie aus materiellen Gründen verfassungs-widrig ist.

Zunächst hätten die Vorschriften nicht im Wege eines Geset-zesdekretes erlassen werden dürfen, da dieses nach Art. 77 deritalienischen Verfassung der Regelung von dringend regelungs-bedürftigen Sachverhalten vorbehalten sei, die das gewöhnli-che Gesetzgebungsverfahren nicht durchlaufen könnten. Da-von könne bei der Gebührenordnung der Rechtsanwälte nichtdie Rede sein, da hier schon seit Jahren ein Diskussionsprozesszwischen allen beteiligten Interessenvertretern im Gange sei,wie man den Vorgaben der Kommission und der nationalenKartellbehörde (so genannte „Autorità Anti-Trust“) bestmöglichnachkommen könne, ohne die Funktionsfähigkeit der Anwalt-schaft zu gefährden. Man verweist in diesem Zusammenhangauf eine Mitteilung der Kommission 405/2005, in der festge-stellt wird, dass in Italien ein Prozess der Analyse stattfinde, derin naher Zukunft zu einer substantiellen Reform führen würde.Dieser Prozess, der unter der Beteiligung der Rechtsanwalts-kammern in Gang gekommen war, sei durch das Gesetzes-dekret abrupt unterbrochen worden.

Materiell weise das Gutachten mehrere Rechtsverletzungenauf. Zunächst habe das Dekret das Selbstverwaltungsrecht derAnwaltschaft verletzt, insbesondere indem es den Rechtsan-waltskammern hoheitlich Fristen setzt, das eigene Standesrechtan die Gesetzeslage anzupassen. Es handele sich hierbei um ei-nen unzulässigen Eingriff in die Verbandsautonomie, eine derSäulen des pluralistischen Rechtsstaates, die durch Art. 2 deritalienischen Verfassung geschützt ist.

Auch Art. 18 der italienischen Verfassung, der die freie Entfal-tungsmöglichkeit der Vereine und Verbände unter Verfassungs-schutz stellt, sei verletzt worden, wobei klargestellt wird, dassauch Körperschaften mit so genannten Zwangsmitgliedern die-sen Schutz in der italienischen Rechtsprechung genießen wür-den.

Eine weitere materielle Verletzung würde sich im Zusammen-hang mit der von der Verfassung in Art. 24 garantierten Gewäh-rung einer effektiven Rechtsverteidigung ergeben, die – wie dasitalienische Verfassungsgericht zuletzt in einer Entscheidungaus dem Jahr 20015 erklärt hat – nur dann gewährleistet ist,wenn der Rechtsanwalt effektiv in die Lage gesetzt wird, dasMandat angemessen auszuführen. Dabei müssen rein gewerb-lich orientierte Erwägungen wie die der frei verhandelbarenGebühren und die des freien Wettbewerbs gegenüber derrechtsstaatlichen Garantie einer funktionierenden Verteidigung

zurücktreten. Dieses höhere Rechtsgut wird dabei mit dem deröffentlichen Gesundheit verglichen, deren Freiberufler undKammern sind in Art. 2 Ziff. 3 ausdrücklich vom Anwendungs-bereich des Gesetzesdekretes herausgenommen wurden. DieGebührenordnungen der Ärzte sind weiterhin verbindlich.

Ziel der Rechtsanwaltschaft ist es, ebenfalls von der Anwen-dung des Gesetzesdekretes Bersani ausgenommen zu werden.Man möchte sich nicht mit anderen Berufsgruppen auf demDienstleistungsmarkt vergleichen lassen, solange man einenverfassungsrechtlich geschützten Auftrag erfüllt.

Die italienische Öffentlichkeit hat für die Aufregung, die dieAnwaltschaft erfasst hat, nur wenig Interesse. Von dem nationa-len Streik wurde in den führenden Tageszeitungen nur im Zu-sammenhang mit den Auswirkungen auf mögliche Mafiapro-zesse berichtet. Die Anwälte selbst beklagen ihr schlechtesImage in der Öffentlichkeit, in der sie als manchmal unum-gängliches Übel angesehen werden und nicht als echte Retterin der Not.6

Die Vorschriften des Decreto Bersani werden auch Auswirkun-gen auf den deutschen Rechtsmarkt haben. Nach OLG Frank-furt ist es grundsätzlich zulässig, in Deutschland ein Erfolgsho-norar zu vereinbaren, wenn ein bestimmter Auslandsbezug ge-geben ist.7 Die dem Erfolgshonorar entgegenstehende Vor-schrift des § 49b Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung stehe nurFällen mit hinreichendem Inlandsbezug entgegen; diesen wirdman bei der Regulierung eines italienischen Verkehrsunfallesdurch einen italienischen Rechtsanwalt, der in der Regel italie-nisches Recht vor einem italienischen Richter gegen eine italie-nische Beklagte anwendet, nicht annehmen können. Deutscheordre public-Erwägungen stehen dem jedenfalls nicht entge-gen.8

In Deutschland gibt es mittlerweile viele Kanzleien, in denen inItalien zugelassene Rechtsanwälte beschäftigt sind. Italienkommt als großer Handelspartner, aber auch als erstes Urlaubs-land Deutschland immer näher. Verkehrsunfälle, die Deutschein Italien erleiden, können in Deutschland von einem italieni-schen Anwalt in Zukunft unter Absprache eines Erfolgshonorarsakquiriert werden. Dass Schmerzensgeldansprüche in Italieneher amerikanischen als deutschen Maßstäben entsprechen, istbekannt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass in Deutschland innaher Zukunft ein Großteil der Mandatierungen für italienischeAnwälte im Deliktsbereich unter Absprache eines Erfolgshono-rars erfolgen wird.

5 Nr. 189/2001.

6 Siehe u. a. Zaina, Decreto Bersani, liberalizzazione della professionedi avvocato, v. 5.7.2006 auf www.overlex.com.7OLG Frankfurt a.M. v. 1.3.2000 – 9U 83/99, IPRax 2002, S. 3999.8Vgl. OLG Frankfurt a.M. Ebenda, und Anmerkung Krapfl, IPRax2002, S. 380 ff.

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren von Rechtssystemen

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Rechtsberufen und dem allgemeinenInteresse an der Funktionsweise der Rechtssysteme

Das Europäische Parlament,

– in Kenntnis der UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle derRechtsanwälte vom 7.9.1990,

– in Kenntnis der Empfehlung des Europarats Rec (2000) 21vom 25.10.2000 über die Freiheit der Ausübung des Rechts-anwaltsberufs,

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 205

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren von Rechtssystemen

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18.1.1994 zurLage und Organisation des Notarstands in der Gemein-schaft1,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5.4.2001 zu ver-bindlichen Honoraren für gewisse freie Berufe, vor allemRechtsanwälte, und der besonderen Rolle und Stellung derfreien Berufe in der modernen Gesellschaft2,

– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16.12.2003 zuMarktregelungen und Wettbewerbsregeln für die freien Beru-fe3,

– in Kenntnis der Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung desfreien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte4,

– in Kenntnis der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 16.2.1998 zur Erleichterung derständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem ande-ren Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworbenwurde5,

– in Kenntnis der Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht beiStreitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festle-gung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskos-tenhilfe in derartigen Streitsachen6,

– in Kenntnis der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Par-laments und des Rates vom 7.9.2005 über die Anerkennungvon Berufsqualifikationen7,

– unter Hinweis auf die legislative Entschließung vom16.2.2006 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi-schen Parlaments und des Rates über Dienstleistungen imBinnenmarkt8,

– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission „freiberuf-liche Dienstleistungen – Raum für weitere Reformen“ vom5.9.2005 (KOM(2005)0405),

– unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Ge-richtshofs zum Wettbewerbsrecht und zum freien Dienstleis-tungsverkehr in der Gemeinschaft, unter besonderer Berück-sichtigung der nationalen Vorschriften über Mindesthono-rare,

– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Ge-meinschaften Folgendes anerkannt hat:

– Unabhängigkeit, Verhinderung von Interessenkonflikten undBerufsgeheimnisse/Vertraulichkeit sind Grundwerte desRechtsberufs, die als Erwägungen von öffentlichem Interessegelten können;

– Regelungen zum Schutz von Grundwerten sind für die sach-gemäße Ausübung des Rechtsberufs erforderlich, und zwartrotz der inhärenten restriktiven Wirkungen auf den Wettbe-werb, die daraus entstehen könnten;

– der Zweck des Grundsatzes des freien Dienstleistungsver-kehrs, angewandt auf die Rechtsberufe, ist es, die Öffnungder nationalen Märkte durch die den Dienstleistern und ih-

ren Mandanten gebotene Möglichkeit zu fördern, voll undganz vom Binnenmarkt der Gemeinschaft zu profitieren,

B. in der Erwägung, dass jede Reform der Rechtsberufe weit rei-chende Konsequenzen hat, die sich über das Wettbewerbsrechthinaus in den Bereich Freiheit, Sicherheit und Justiz und gene-reller auf den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in der Europäi-schen Union erstrecken;

C. in der Erwägung, dass die UN-Grundprinzipien betreffenddie Rolle der Rechtsanwälte vom 7.9.1990 Folgendes vorse-hen:

– die Rechtsanwälte haben das Recht berufliche Selbstverwal-tungsverbände zu gründen und sich solchen anzuschließen,um ihre Interessen zu vertreten, ihre Fort- und Weiterbildungzu fördern und ihre berufliche Integrität zu schützen. DerVorstand eines Berufsverbandes ist von dessen Mitgliedernzu wählen und hat seine Aufgaben ohne äußere Einfluss-nahme wahrzunehmen,

– Berufsverbände von Rechtsanwälten haben bei der Wahrungberuflicher Verhaltensregeln und Ehrenpflichten eine ent-scheidende Rolle zu spielen, indem sie ihre Mitglieder vorVerfolgung und unangemessenen Einschränkungen und Be-einträchtigungen schützen, rechtliche Dienstleistungen zu-gunsten aller darauf angewiesenen Personen erbringen undmit Regierungs- und sonstigen Einrichtungen zusammen-arbeiten, um die Gerechtigkeit und das öffentliche Interessezu fördern,

– Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte müssen vor einemvon der Anwaltschaft geschaffenen unparteiischen Diszipli-narausschuss, vor einer unabhängigen, durch Gesetz ge-schaffenen Instanz oder vor einem Gericht stattfinden undunterliegen einer unabhängigen gerichtlichen Überprüfung,

D. in der Erwägung, dass ein angemessener Schutz der Men-schenrechte und Grundfreiheiten – wirtschaftliche, soziale undkulturelle oder zivile und politische –, auf den alle PersonenAnspruch haben, erfordert, dass alle Personen effektiven Zu-gang zu Rechtsberatung- und -vertretung durch einen unabhän-gigen Rechtsberuf haben,

E. in der Erwägung, dass die Pflichten der Angehörigen derRechtsberufe, ihre Unabhängigkeit zu wahren, Interessenkon-flikte zu vermeiden und die Vertraulichkeit der Mandanten zurespektieren, besonders gefährdet sind, wenn sie ermächtigtsind, ihren Beruf in einer Organisation auszuüben, die es Frei-beruflern, die nicht den Rechtsberufen angehören, erlaubt,Kontrolle über die Angelegenheiten der Organisation durch Ka-pitalinvestitionen oder auf andere Weise auszuüben oder zuteilen, oder im Falle von multidisziplinären Partnerschaften mitFreiberuflern, die nicht an gleichwertige berufliche Verpflich-tungen gebunden sind,

F. in der Erwägung, dass sich ungeregelter Preiswettbewerbzwischen den Angehörigen der Rechtsberufe, der zu einer Ver-ringerung der Qualität der Dienstleistung führt, nachteilig aufdie Verbraucher auswirkt,

G. in der Erwägung, dass der Markt an Rechtsdienstleistungendurch eine asymmetrische Information von Rechtsanwältenund Verbrauchern – einschließlich kleiner und mittlerer Unter-nehmen – gekennzeichnet ist, da Letztere nicht über die not-wendigen Kriterien verfügen, um die Qualität der Dienstleis-tungen zu beurteilen,

H. in der Erwägung, dass die Bedeutung ethischen Verhaltens,der Aufrechterhaltung der Vertraulichkeit mit den Mandantenund eines hohen Maßes an Spezialwissen die Organisation vonSystemen der Selbstkontrolle erfordert, wie z.B. diejenigen, dieheute von den Rechtsberufsorganen unterhalten werden,

1 ABl. C 44 v. 14.2.1994, S. 36.2 ABl. C 21 E v. 24.1.2002, S. 364.3 ABl. C 91 E v. 15.4.2004, S. 126.4 ABl. L 78 v. 26.3.1977, S. 17.5 ABl. L 77 v. 14.3.1998, S. 36.6 ABl. L 26 v. 31.1.2003, S. 41.7 ABl. L 255 v. 30.9.2005, S. 22.8 P6_TA(2006)0061.

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206 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Rechtsberufe und allgemeines Interesse am Funktionieren von Rechtssystemen

I. unter Hinweis darauf, dass Notare von den Mitgliedstaatenals öffentliche Beamte ernannt werden, deren Aufgaben dieAusarbeitung amtlicher Dokumente umfassen, denen besonde-re Beweiskraft zukommt und die sofort vollstreckbar sind,

J. in der Erwägung, dass die Notare umfassende Ermittlungs-und Überprüfungsaufgaben für den Staat in Angelegenheitenübernehmen, die sich auf außergerichtlichen Rechtsschutz be-ziehen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gesell-schaftsrecht – in einigen Fällen unter Gemeinschaftsrecht – unddass sie im Rahmen dieser Arbeit einer disziplinarischen Über-wachung durch die zuständigen Mitgliedstaaten unterworfensind, die mit der vergleichbar ist, die für Richter und Beamtegilt,

K. unter Hinweis darauf, dass die teilweise Delegierung der Au-torität des Staates ein ursprüngliches Element im Zusammen-hang mit der Ausübung des Berufs des Notars ist, dass er tat-sächlich auf regulärer Basis ausgeübt wird und einen Großteilder Aktivitäten eines Notars darstellt,

1. erkennt uneingeschränkt die wichtige Rolle an, die dieRechtsberufe in einer demokratischen Gesellschaft spielen, umdie Achtung der Grundrechte, die Rechtsstaatlichkeit und dieSicherheit bei der Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten,wenn Rechtsanwälte Mandanten vor Gericht vertreten und ver-teidigen und auch wenn sie ihren Mandaten Rechtsbeistandleisten;

2. bekräftigt die Positionen, die es in seinen Entschließungenvom 18.1.1994 und 5.4.2001 sowie seinem Standpunkt vom16.12.2003 eingenommen hat;

3. verweist auf die hohen Qualifikationen, die für den Zugangzu den Rechtsberufen erforderlich sind, die Notwendigkeit,diese Qualifikationen zu schützen, die die Rechtsberufe im In-teresse der europäischen Bürgerinnen und Bürger kennzeich-nen, und die Notwendigkeit, ein besonderes Verhältnis herzu-stellen, das auf Vertrauen zwischen den Angehörigen derRechtsberufe und ihren Mandanten beruht;

4. bekräftigt die Bedeutung von Vorschriften, die notwendigsind, um die Unabhängigkeit, Kompetenz, Integrität und Ver-antwortung der Angehörigen der Rechtsberufe zu gewährleis-ten, um somit die Qualität ihrer Dienstleistungen zum Nutzenihre Mandanten und der Gesellschaft im Allgemeinen zu ga-rantieren und das öffentliche Interesse zu wahren;

5. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission anerkennt, dassReformen am besten auf nationaler Ebene durchgeführt werdenund dass die Behörden der Mitgliedstaaten, insbesondere dieGesetzgebungsorgane, am besten in der Lage sind, um die Vor-schriften auszuarbeiten, die für die Rechtsberufe gelten;

6. weist darauf hin, dass der Gerichtshof einen Ermessensspiel-raum des nationalen Gesetzgebers sowie von Berufsverbändenund -organen anerkannt hat, als er beschlossen hat, was ange-messen und notwendig ist, um die sachgemäße Ausübung derRechtsberufe in einem Mitgliedstaat zu schützen;

7. stellt fest, dass jede Art von Tätigkeit eines Berufsorgans ge-sondert betrachtet werden muss, so dass die Wettbewerbs-regeln auf den Verband nur dann angewandt werden, wenn erausschließlich im Interesse seiner Mitglieder handelt, undnicht, wenn er im allgemeinen Interesse handelt;

8. erinnert die Kommission daran, dass das Ziel der Regelnüber Rechtsberatung und -vertretung der Schutz der breiten Öf-fentlichkeit, die Sicherstellung des Rechts auf Verteidigung undZugang zur Justiz sowie die Sicherheit bei der Rechtsanwen-dung ist, und dass sie aus diesen Gründen nicht auf den Wis-sens- und Ausbildungsstand des Mandanten zugeschnitten seinkann;

9. ermuntert Berufsverbände, Organisationen und Vereinigun-gen der Rechtsberufe, Verhaltenskodexe auf europäischer Ebe-ne aufzustellen, einschließlich Regeln betreffend die Organisa-tion, Qualifikationen, Berufsethik, Überwachung, Haftung undKommunikationen, damit die endgültigen Rechtsnutzer mit dennotwendigen Garantien betreffend Integrität und Erfahrung ver-sehen werden;

10. fordert die Kommission auf, die spezifische Rolle derRechtsberufe in einer Gesellschaft zu berücksichtigen, die vonRechtsstaatlichkeit geprägt wird, und eine gründliche Analysedarüber vorzunehmen, wie die Märkte für Rechtsdienstleistun-gen funktionieren, wenn die Kommission den Grundsatz „we-niger Regulierung ist bessere Regulierung“ fördert;

11. fordert die Kommission auf, die Wettbewerbsregeln gege-benenfalls in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung desGerichtshofes anzuwenden;

12. ist der Auffassung, dass die öffentlichen Interessen, die denWettbewerbsgrundsätzen der Europäischen Union übergeord-net sind im Rechtssystem desjenigen Mitgliedstaats zu findensind, in dem die einschlägigen Regeln angenommen werdenoder ihre Wirkungen zeigen, und dass es so etwas wie einePrüfung der öffentlichen Interessen der Europäischen Union,wie auch immer definiert, nicht gibt;

13. fordert die Kommission auf, das EU-Wettbewerbsrechtnicht auf Angelegenheiten anzuwenden, die innerhalb des EU-Verfassungsrahmens der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaatenüberlassen bleiben, wie z.B. Zugang zur Justiz, was Themenumfasst wie z.B. Honorartabellen, die von den Gerichten ange-wandt werden, um Rechtsanwaltshonorare zu liquidieren;

14. betont, dass früher bestehende Behinderungen der Nieder-lassungsfreiheit und der Freiheit, Dienstleistungen der Rechts-berufe zu erbringen, theoretisch erfolgreich von den Richtlinien1977/249/EWG, 98/5/EG und 2005/36/EG beseitigt wurden;verweist jedoch darauf, dass die Überprüfung in zwei Jahrenstattfinden wird, und erwartet mit Interesse diese gründlicheBewertung;

15. ist der Auffassung, dass Honorartabellen oder andere ver-bindliche Tarife für Rechtsanwälte und die Rechtsberufe, auchfür außergerichtliche Dienstleistungen, nicht gegen die Artikel10 und 81 des Vertrags verstoßen, vorausgesetzt, ihre Annahmeist durch die Verfolgung eines legitimen öffentlichen Interessesgerechtfertigt und die Mitgliedstaaten überwachen aktiv die Be-teiligung von Privatunternehmen am Entscheidungsprozess;

16. ist der Auffassung, dass Artikel 49 des Vertrags und dieRichtlinien 2005/36/EG und 77/249/EG die Anwendung desGrundsatzes des Bestimmungslandes auf Honorartabellen undverbindliche Honorare für Rechtsanwälte und andere Rechts-berufe ermöglichen;

17. ist der Auffassung, dass Artikel 45 des Vertrags vollständigauf den Beruf des Notars als solchen anwendbar ist;

18. fordert die Kommission auf, sorgfältig die Grundsätze undBedenken zu prüfen, die in dieser Entschließung zum Ausdruckkommen, wenn sie die Vorschriften über die Ausübung derRechtsberufe in den Mitgliedstaaten analysiert;

19. ermutigt berufsständische Organisationen, ihre Tätigkeitenim Bereich der Prozesskostenhilfe weiter auszubauen, um si-cherzustellen, dass jedermann Anspruch auf Rechtsbeistandund Vertretung hat;

20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung derKommission zu übermitteln.

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 207

Mayer/Lindemann, Zum Stand des Verfahrens zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

I. Allgemeines

Viele Mitgliedstaaten haben vereinfachte zivilrechtliche Verfah-ren für Bagatellsachen eingeführt,1 da der Zeit- und Kostenauf-wand sowie die Komplexitäten, die mit dem Rechtswegverbunden sind, nicht unbedingt proportional zur Höhe derForderung abnehmen. In Deutschland handelt es sich um dasVerfahren gemäß § 495a ZPO. Hiernach kann das Gericht seinVerfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streit-wert 600 Euro nicht übersteigt.

Da die Hindernisse für ein schnelles Urteil mit geringen Kostenin grenzüberschreitenden Fällen zunehmen, soll ein europäi-sches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt wer-den. Die Kommission hat daher im März 20052 einen Vor-schlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments unddes Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für ge-ringfügige Forderungen vorgelegt. Ziel eines solchen europäi-schen Verfahrens ist der erleichterte Zugang zur Justiz, dennmit dem angestrebten Verfahren soll eine einfachere, schnelle-re und kostengünstigere Streitbeilegung in Verfahren mit gerin-gen Streitwerten in Handels- und Zivilsachen ermöglicht wer-den. Weiter ist Ziel der Verordnung, die Zwischenverfahren alsVoraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung der inanderen Mitgliedstaaten in solchen Verfahren ergangenenEntscheidungen zu beseitigen. Die Entscheidung ist also, un-beschadet eines möglichen Rechtsmittels und ohne dass eineSicherheitsleistung erbracht werden muss, grundsätzlich sofortvollstreckbar.

II. Weitgehende Einigung

Auf der letzten Tagung des Rates für Justiz und Inneres im Juli2006 wurde bereits eine Einigung in wichtigen Schlüsselfragendes VO-Entwurfes erzielt.

1. Anwendungsbereich

Eine Einigung wurde hinsichtlich des Anwendungsbereichs er-zielt, nämlich die Begrenzung auf grenzüberschreitende Sach-verhalte und damit der Ausschluss innerstaatlicher Streitigkei-ten. Ein grenzüberschreitender Sachverhalt im Sinne dieserVerordnung liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ihrenWohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mit-gliedstaat als dem des befassten Gerichts hat.3 Für Gesellschaf-

ten und juristische Personen gilt ihr satzungsmäßiger Sitz, ihreHauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung.4

Das Verfahren soll nicht auf Steuer- und Zollsachen, verwal-tungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staatesfür Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Aus-übung hoheitlicher Rechte anwendbar sein.

Außerdem soll das Verfahren nicht im Arbeits- und Unterhalts-recht sowie in Räumungsklagen bei Miet- und Pachtverträgenanwendbar sein. Auch die Verletzung der Privatsphäre oder derPersönlichkeitsrechte, einschließlich Verleumdung, soll nichtunter diese Verordnung fallen.

In einem Erwägungsgrund wird darauf hingewiesen, dass esden Mitgliedstaaten freisteht, bei Sachverhalten, die außerhalbdes Anwendungsbereichs der Verordnung liegen, ein gleich-artiges Verfahren anzuwenden. Im Übrigen gilt, dass das euro-päische Verfahren für geringfügige Forderungen den Rechts-suchenden dabei als eine Alternative zu den in den Mitglied-staaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren zur Verfügungsteht.

2. Schriftlichkeit des Verfahrens und mündliche Verhandlung

Das Verfahren wird schriftlich durchgeführt, es sei denn, eineder Parteien5 stellt den Antrag auf mündliche Verhandlung,oder das Gericht hält eine mündliche Verhandlung für erforder-lich. Das Gericht kann einen solchen Antrag ablehnen, wennes der Auffassung ist, dass in Anbetracht der Umstände des Fal-les ein faires Verfahren offensichtlich auch ohne mündlicheVerhandlung sichergestellt werden kann. Die Ablehnung mussschriftlich begründet werden, soll nach Auffassung des Bericht-erstatters6 aber aus Zeit- und Kostengründen nicht anfechtbarsein. Zeitgründe ergeben sich aus der Tatsache, dass das Ver-fahren in ca. 6 Monaten zu einem Urteil kommen soll. Kosten-gründe können sich aus der Tatsache ergeben, dass keinemündliche Verhandlung mit einer griechischen Partei inSchweden stattfinden soll, wenn dies offensichtlich nicht erfor-derlich ist. Die Ratsversion regelt eine mögliche Anfechtungnicht.

3. Rechtsanwalt oder sonstiger Rechtsbeistand

Geklärt werden konnte auch die Frage nach der rechtsanwaltli-chen Vertretung. Diese sollte nach dem Kommissionsvorschlagnicht zwingend erforderlich sein. Einige Mitgliedstaaten sehenaber eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt zwingend vor.7

Dies wird nun nicht der Fall sein. Die Vertretung durch einenRechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand und alle damit zu-sammenhängenden Fragen sollten den Mitgliedstaaten überlas-sen bleiben.

1 Deutschland, Spanien, Frankreich, Irland, Schweden, VereinigtesKönigreich.

2 KOM (2005) 87.3 Art. 59 der Verordnung EG Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtli-

chen Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung vonEntscheidungen in Zivil- und Handelssachen.

4 Art. 60 der Verordnung EG Nr. 44/2001.5 Oder beider Parteien.6 Der Autor.7 Österreich.

Zum Stand des Verfahrens über den Vorschlag für eine Verordnung desEuropäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen

Verfahrens für geringfügige Forderungen

Rechtsanwalt Prof. Dr. Hans-Peter Mayer,* Mitglied des Europäischen Parlaments,Rechtsanwältin Julia Lindemann, Referentin

* Prof. Dr. Mayer ist im Rechtsausschuss des Europäischen ParlamentsBerichterstatter für den besprochenen Verordnungsvorschlag.

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208 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Mayer/Lindemann, Zum Stand des Verfahrens zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

In diesem Zusammenhang steht auch die Frage nach der Tra-gung der Kosten der obsiegenden Partei. Es besteht Einigkeitdarüber, dass diese grundsätzlich von der unterlegenen Parteigetragen werden sollen, sofern dies nicht unbillig oder unver-hältnismäßig ist.8

Unklar ist die Definition von „unbillig“ oder „unverhältnismä-ßig“. Der Berichterstatter hat in seinem Bericht vorgeschlagen,dass das Gericht eine Kostenentscheidung nach Billigkeitserwä-gungen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes tref-fen muss. Der Ratsentwurf spricht davon, dass das Gericht derobsiegenden Partei keine Erstattung der Kosten zuspricht, dienicht notwendig waren oder in keinem Verhältnis zu der Forde-rung stehen. Die Kosten des Verfahrens selbst sollen nach demeinzelstaatlichen Recht festgelegt werden.

Problematisch ist auch, dass der Kommissionsvorschlag vor-sieht, dass, wenn es sich bei der unterliegenden Partei um einenatürliche Person handelt, die nicht durch einen Rechtsanwaltoder sonstigen Rechtsbeistand vertreten wird, diese nicht ver-pflichtet ist, die Gebühren des Rechtsanwalts oder Rechtsbei-standes der anderen Partei zu erstatten. Sowohl der Ratstext alsauch der Parlamentstext sehen eine Streichung dieses Absatzesvor, da gerade in Hinblick auf den Auslandsbezug jede Partei,ohne die Kosten fürchten zu müssen, einen Anwalt in Anspruchnehmen können soll.

Auch hinsichtlich der Rechtsmittelinstanz sieht der Vorschlagkeinen Anwaltszwang vor. Der Berichterstatter vertritt die Auf-fassung, dass es sinnvoll ist, die Fragen des Vertretungsrechts,der Zulassung und Durchführung von Berufung und Revisionden Mitgliedstaaten und deren nationalem Recht zu überlassen.

III. Knackpunkte des Verordnungsvorschlags

Trotz einer weitgehenden Einigung verbleiben noch Bereichedes Vorschlags, über die ein gemeinsamer Konsens noch nichterzielt werden konnte.

1. Streitwertgrenze

Hinsichtlich des Streitwertes sieht der Kommissionsvorschlageine Streitwertgrenze für eine auf Zahlung oder eine nicht aufZahlung gerichtete Forderung von 2.000 Euro vor. Im Rat undauch im Europäischen Parlament wurde diese Grenze heftigdiskutiert. So stehen sich beispielsweise nationale Streitwert-grenzen bei bereits existierenden Verfahren für geringfügigeForderungen von in Deutschland bis 600 Euro9 und in Englandund Wales bis ca. 7.426 Euro10 gegenüber.11 Vorgeschlagenwurde teilweise eine sog. „Korridorlösung“, dass heißt, denMitgliedstaaten soll überlassen werden, das Verfahren zwi-schen einem Korridor von 500 und 5.000 Euro anzuwenden.Hierbei handelt es sich um einen deutschen Vorschlag, wel-cher jedoch im Rat mehrheitlich abgelehnt wurde und auchseitens des Berichterstatters und der Mehrheit der Abgeordne-ten abgelehnt wird. Dies findet seinen Grund in der Tatsache,dass dann in allen 25 Mitgliedstaaten verschiedene Streitwert-grenzen gelten würden, die teilweise erheblich voneinanderabweichen, was zu einer Rechtsunsicherheit beim Bürger füh-ren und es auch Rechtsbeiständen und Richtern erschwerenwürde, das Verfahren anzuwenden. Der Rat hat es bisher in

seinen Beratungen bei der festen Grenze von 2.000 Euro ab-züglich aller Zinsen, Ausgaben und Auslagen belassen, obwohlauch diese Höhe heftig umstritten war. Die Streitwertgrenzevon 2.000 Euro war Grund für eine deutsche Stimmenthaltungim Rat. Deutschland hatte sich wegen § 495a ZPO für eineStreitwertgrenze von 1.000 Euro ausgesprochen. Es ist davonauszugehen, dass sich auch das Europäische Parlament aufeine Streitwertgrenze von 2.000 Euro einigen wird.

2. Gegenforderung/Widerklage

Probleme bereitet nach wie vor die Frage, wie eine Gegenfor-derung oder Widerklage bzw. eine Aufrechnung zu behandelnist, wenn diese zu einer Überschreitung der Streitwertgrenzeführt. Nach dem Ratsvorschlag sollte der Begriff der „Gegenfor-derung“ im Sinne des Artikels 6 Absatz 3 der Verordnung (EG)Nr. 44/200112 als Gegenforderung verstanden werden, die aufdenselben Vertrag oder Sachverhalt wie der Antrag selbst ge-stützt wird, vor dem Gericht, bei dem der Antrag selbst anhän-gig ist. Für den Berichterstatter ist von Bedeutung, dass eine et-waige Widerklage, keine Gegenforderung, vom Gericht zuge-lassen werden kann, wenn dies das Verfahren nicht unange-messen verzögert. Es wird weiterhin die Auffassung vertreten,dass es sich dabei auch um eine Aufrechnung aus einem ande-ren Rechtsverhältnis handeln kann. Entscheidend dürfte sein,dass das Verfahren bei Überschreitung der Streitwertgrenzenicht nach dem europäischen Verfahren für geringfügige Forde-rungen, sondern nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Mit-gliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, weiter be-handelt wird. Dies gilt für Forderung und für Widerklage.

3. Sprachenregelung und Formulare

Die Sprachenregelung wurde an das Europäische Mahnverfah-ren angelehnt. So soll das Antragsformular, die Antwort, eineetwaige Gegenforderung, die etwaige Antwort auf eine Gegen-forderung und eine etwaige Beschreibung zweckdienlicher Be-weismittel in der Sprache des Gerichts vorgelegt werden. Wer-den dem Gericht weitere Schriftstücke in einer anderen Spra-che als der Verfahrenssprache vorgelegt, so kann das Gerichtnur dann eine Übersetzung der betreffenden Schriftstücke an-fordern, wenn die Übersetzung für den Erlass des Urteils erfor-derlich erscheint. Der Richter hat folglich auch hierbei einensehr hohen Ermessensspielraum.

Hat eine Partei die Annahme eines Schriftstücks verweigert,weil es nicht in einer Sprache, die der Empfänger versteht, oderder Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats, oder – wenn esin diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – der Amts-sprache oder einer der Sprachen des Ortes, an dem die Zustel-lung erfolgen soll oder an den das Schriftstück gesandt werdensoll, abgefasst ist, so setzt das Gericht die andere Partei davonin Kenntnis, damit diese eine Übersetzung des Schriftstücksbeibringt.

Die Sprachenregelung hat engen Bezug zu den Formularen, diein der Sprache des Gerichts vorgelegt werden müssen. Da dieFormulare in allen Mitgliedstaaten gleich aussehen und aufge-baut sein müssen und überwiegend durch einfaches Ankreuzenausfüllbar sind, dürfte dies die Anwendung erleichtern. Darü-ber hinaus müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausfüllung derFormulare Hilfestellung anbieten.

Die Formulare wurden im August 2006 umfassend überarbei-tet, da der Kommissionsvorschlag diese relativ knapp gestaltethat. Der Kläger soll nunmehr durch Ankreuzen angeben, wo-mit er die Zuständigkeit des Gerichts begründet und inwieweitsich der grenzüberschreitende Bezug ergibt. Letztere werden

8 Bei dieser Regelung handelt es sich um die mehrheitliche Ansichtder Mitgliedstaaten, nicht jedoch in Irland, Belgien, Spanien.

9 § 495a ZPO.10 5.000 Pfund nach dem englischen Verfahren.11 Deutschland hat den geringsten Streitwert bei einem solchen Ver-

fahren, Schottland hat Verfahren bis 2.470 Euro, Irland 1.270 Euro,Schweden 2.038 Euro, Spanien 3.005 Euro, Nordirland bei 3.294Euro, in Frankreich liegt die Streitwertgrenze bei 3.811 Euro. 12 v. 22.12.2000.

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 209

Schümann, „Als das widersprüchliche Leben in das andere wechselte“

sich aus unterschiedlichen Wohnsitzen bzw. Niederlassungenergeben. Beide Fragen waren bisher noch nicht vorgesehen.

Der Kläger muss neben der Angabe, wie er die Gerichtsgebüh-ren zu begleichen beabsichtigt, nunmehr auch seine Bankver-bindung angeben, damit der Antragsgegner zur Begleichungseiner Schuld direkte Angaben hat. Er muss ferner angeben,wie sich die Forderung zusammensetzt, ob er Zinsen oder Ver-fahrenskosten erstattet haben will und mit welchen Beweismit-teln er die Forderung begründen möchte. In seinem Antrag soller angeben, ob er eine mündliche Verhandlung wünscht undwarum.

Das Antwortformular des Antragsgegners wurde ebenfalls umdie Frage nach einer mündlichen Verhandlung inklusive Be-gründung, die Frage nach den beabsichtigten Gegenbeweismit-teln sowie die Angabe, ob man die Verfahrenskosten erstattethaben möchte, ergänzt.

Des Weiteren wurde ein neues Formular geschaffen. So gibt esnunmehr für das Gericht ein einheitliches Formblatt zur Auffor-derung zur Vervollständigung und/oder Berichtigung des An-tragsformulars.

4. Verhandlung und Beweisaufnahme

Das Gericht kann eine Verhandlung vorbehaltlich der nationa-len Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem es ansässigist, im Wege einer Video-Konferenz oder mit anderen Mittelnder Kommunikationstechnologie abhalten, wenn die entspre-chenden technischen Mittel verfügbar sind. Im Zusammenhangmit Verhandlungen und der Beweisaufnahme sollen dieMitgliedstaaten den Einsatz der modernen Kommunikati-onstechnologie fördern. Das Gericht soll sich für die einfachs-ten und kostengünstigsten Mittel der Beweisaufnahme ent-scheiden. Es kann nach eigenem Ermessen die Beweismittelund den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen und die Be-weisaufnahme mittels Telefon, schriftlicher Aussage sowie Au-dio-, Video- oder E-Mailkonferenz zulassen. So ist beispiels-weise eine Beweisaufnahme mittels schriftlicher Aussagen vonZeugen, Sachverständigen oder Parteien möglich, was zu er-heblichen Einsparungen sowohl an Kosten als auch an Zeitführt. Beachtet werden müssen seitens des Gerichts selbstver-ständlich die technischen Möglichkeiten der Parteien.

Umstritten war auch die Beweisaufnahme durch einen Sach-verständigen, da diese laut dem Kommissionsvorschlag nur inAusnahmefällen vorgesehen war, nämlich wenn dies für dieEntscheidung unerlässlich ist. Der Rat hat nunmehr formuliert,dass das Gericht Sachverständigenbeweise oder mündlicheAussagen nur dann zulassen kann, wenn dies für sein Urteil er-forderlich ist. Nach der Ratsversion soll das Gericht die dafürentstehenden Kosten tragen. Die Frage ist, ob dies nicht bei allden leeren Haushaltskassen dazu führt, dass Sachverständigen-

beweise nur noch im absoluten „Notfall“, und damit kaumnoch, angeordnet werden. Zumindest führt dies aber dazu,dass nicht die Partei die Kosten tragen und sich nicht hiervonabschrecken lassen muss.

IV. Ausblick

Im Februar 2006 hat der Europaabgeordnete und RechtsanwaltMayer seinen Bericht vorgelegt. Dieser sollte eigentlich imRechtsausschuss längst abgestimmt sein. Aufgrund der ver-schiedenen Zivilprozessordnungen der Mitgliedstaaten, derverschiedenen Systeme für Verfahren dieser Art bzw. auf deranderen Seite des Nichtvorhandenseins solcher, wird das The-ma aber insbesondere im Rat seit Mai 2005 heftig diskutiert. ImJuni 2006 hat der Rat für Justiz und Inneres auf der Basis einesKompromisspaketes des österreichischen Ratsvorsitzes Einver-nehmen über die allgemeine Ausrichtung des Verordnungsent-wurfes zur Einführung eines europäischen Verfahrens für ge-ringfügige Forderungen erzielt. Jedoch besprach der zuständigeAusschuss Mitte Juli 2006 noch einmal die im Rat eigentlichbereits abgeschlossenen Erwägungsgründe.

Darüber hinaus stellt sich im Rat die bis Ende August angekün-digte Abschließung der Beratung über die Verfahrensstandard-formulare als schwieriger als erwartet dar, weil die Mitglied-staaten sehr unterschiedliche Vorstellungen von deren Formund Inhalt haben, und sich diesbezüglich auch die Frage derSprachenregelung stellt. In Anbetracht der Tatsache, dass dieFormulare benutzerfreundlich, praktisch und einfach ausfüllbarsein sollen, wurden neue Formulare entworfen. In weiterenRatssitzungen wird seit dem 15. September erörtert, ob dieseEntwürfe tatsächlich für alle Mitgliedstaaten tragfähig sind.

Die genannten Verzögerungen sind der Grund dafür, warumder Bericht des Abgeordneten im Rechtsauschuss noch nichtabgestimmt wurde. Dies begründet sich damit, dass es nochimmer möglich ist, mit dem Rat einen gemeinsamen Konsenszu finden, welcher vom Europäischen Parlament insbesondereim Hinblick auf das sich bereits in der zweiten Lesung befindli-che Europäische Mahnverfahren angestrebt wird. Das Europäi-sche Mahnverfahren entstammt dem gleichen Grünbuch wiedas Verfahren für geringfügige Forderungen und beinhaltet teil-weise die gleichen oder ähnliche Regelungsfelder, wie bei-spielsweise die Definition, die rechtliche Einordnung und dieFeststellung des Vorliegens grenzüberschreitender Sachverhal-te, die Berechnung von Fristen, die Anerkennung und Vollstre-ckung eines Urteils, um nur einige Punkte zu nennen.

Sollte der Rat nunmehr zu einer Einigung kommen, so ist eineendgültige Ratsversion Ende September zu erwarten. Es könn-ten dann die erforderlichen Schritte im Europäischen Parlamenteingeleitet werden, um über den Text inklusive annehmbarerRatsvorschläge zu den Formularen Ende Oktober im Rechtsaus-schuss abzustimmen.

„Als das widersprüchliche Leben in das andere wechselte“

Rechtsanwalt Dietrich Schümann, Ehrenpräsident der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern, Parchim, anlässlich der 6. Altpräsidentenkonferenz vom 2.–3.6.2006 in Wismar

Mit seinem Ausscheiden als Präsident der BRAK suchte Dr.Eberhard Haas einen Weg, um das kollegiale Verhältnis unterden ehemaligen Kammerpräsidenten zu pflegen. So wurde er

zum Wegbereiter der Altpräsidentenkonferenz (AprèsKo), dieeinmal jährlich auf Einladung des Altpräsidenten einer Rechts-anwaltskammer in wechselnden Orten zusammentrifft.

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210 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Schümann, „Als das widersprüchliche Leben in das andere wechselte“

Die AprèsKo beschäftigt sich mit Problemen der Anwaltschaft,aber sie dient auch der Geselligkeit. Ihr gehören gegenwärtig52 Mitglieder an.

Im Zentrum der diesjährigen Tagung stand ein Referat des Prä-sidenten des Landesverfassungsgerichts und Präsidenten desLandgerichts Rostock, Herrn Dr. Hückstädt, zum Thema:„Recht und Rechtsstaat – Erwartungen in den neuen Bundes-ländern“.

Bereits zuvor bei der Begrüßung hatte sich der frühere Präsi-dent der RAK Mecklenburg-Vorpommern und jetzige Ehrenprä-sident an seine ganz persönliche Geschichte in der DDR erin-nert. Nur wer weiß, woher er kommt, weiß auch, wohin er ge-hen soll.

Die AprèsKo im vergangenen Jahr war ein Blick in die Zukunft.Die heutige AprèsKo wird weitgehend von Erinnerungen be-stimmt sein. Dies gibt mir die Gelegenheit, mich noch einmalmit einigen Gedanken zum Leben in der DDR zu äußern.

Es ist die psychische Belastung, die das Leben in einem totalitä-ren Regime auslöst. Die Ambivalenz dieses Lebens, das zu ver-stehen selbst mir heute schwer fällt. Mancher versucht, seineVergangenheit zu verdrängen.

Ich denke, nur das Hinsehen macht uns frei. Es öffnet den Blickauf positive Erinnerungen, die unsere Lebensgeschichte sind.

Ich gehöre einer Generation an, die die Folgen von zwei Dikta-turen überwinden musste. 1945 brach eine Welt zusammen.Wir waren eine Kriegsgeneration, aber Dank unserer Jugendnicht ausgeblutet. Man versprach uns einen Weg in eine demo-kratische Zukunft. Ich erinnere mich gern an diese Zeit. Jederkonnte seinen Neigungen folgen. Wir lasen, was Wolfgang Le-onhard und Ralph Giordano damals bei uns veröffentlichten.Es klang überzeugend. Auch ich war von marxistischen Gedan-ken beeinflusst.

Uns standen nach dem Abitur alle Wege offen. Wir waren dieGeneration, die der neue Staat gewinnen wollte. Er förderte un-sere Ausbildung durch Stipendien.

Den Weg in eine neue Diktatur verschleierte er durch Verspre-chungen, denen wir glaubten. Es war eine der großen Lebens-lügen der DDR.

Ich hatte das Glück, im Alter von 25 Jahren Anwalt zu werden.Dies war bei der Bevölkerung der DDR ein Berufsstand mit ho-hem Ansehen. Wir hatten eine relative Unabhängigkeit und eingutes Einkommen. Ich gehöre zu der Juristengeneration, dieihre Ausbildung durch erfahrene Hochschullehrer erhielt, aberauch den Übergang in die politisch orientierte Ausbildung er-lebte. Aus unserer Generation kamen später führende Juristender DDR. Wir hatten eine Sprache. Dies gab Sicherheit in dertäglichen Arbeit.

Die DDR verstand sich als Arbeiter- und Bauernstaat im Bünd-nis mit der Intelligenz, der sie gewisse Privilegien gewährte.Wir Anwälte gehörten trotz akademischer Ausbildung nicht da-zu. Dies sagt etwas über die Rolle der Anwaltschaft aus derSicht der Herrschenden in der Ulbricht-Ära. Wir galten als eingesellschaftlich nicht notwendiger Beruf.

Geändert hat es sich erst in der Ära Honecker. Bei der geringenZahl der Anwälte blieben wir doch weiterhin politisch bedeu-tungslos.

Über die Schwierigkeiten in unserem Beruf habe ich geschrie-ben. Etwas anderes ist es, die eigene Biographie in eine schwie-rige Zeit einzuordnen.

Ich will mit einigen Gedanken versuchen, Ihnen meinen Ein-druck von unserem Leben zu vermitteln.

Anwälte in einem totalitären System müssen sich für Zivilcou-rage entscheiden, wenn sie das Vertrauen der Mandanten er-werben wollen. Sie sind mehr als ein Rechtsberater. Wir habenuns nie gegen das System gewandt, sondern nur versucht, es zuverändern.

In den Jahren 1953/54 erfolgte der Aufbau der Kollegien derRechtsanwälte. Wenige alte Anwälte traten dem Kollegium bei.Sie waren unsere Vorbilder und standen für Zuverlässigkeit,Fairness und Kollegialität.

In den folgenden Jahren bis zum Bau der Mauer haben vieleAnwälte die DDR verlassen. Auch meine Frau und ich haben1960 einen solchen Schritt überlegt. Wir haben uns für diemecklenburgische Heimat, nicht für die DDR, entschieden. DieEntscheidung habe ich nicht bedauert.

Als Mitglied eines Kollegiums der Rechtsanwälte hatten wir imLaufe der Jahre eine gewisse privilegierte Stellung und es gabeinen menschlichen Zusammenhalt zwischen uns. Dennochwar man mit seinen politischen Äußerungen zurückhaltend.

Das Kammersystem, das uns die Freiheit der Advokatur sichert,war dem Sozialismus fremd. Die Kollegien erhielten aber Auf-gaben der Selbstverwaltung. Darin lag ihre Bedeutung. Im Ver-gleich zur übrigen osteuropäischen Anwaltschaft waren wirwie ein Fremdkörper im sozialistischen System. Dies stand inunmittelbarem Zusammenhang mit der Zweiteilung unseresVaterlandes.

Beide Systeme befanden sich im Wettbewerb. Wir galten alsein Nachweis für Rechtsstaatlichkeit in der DDR. Die Kollegienwurden 1990 aufgelöst, weil sie mit dem Kammersystem derAnwaltschaft unvereinbar sind.

Unter den Bedingungen der DDR hätte ich sie nicht missenwollen. Durch die Übertragung der Zulassung auf das Kollegi-um waren wir in den folgenden Jahren in der Lage, eine leis-tungsfähige Anwaltschaft zu entwickeln. Wer von uns als An-walt zugelassen wurde, der hatte einen Universitätsabschlussals Diplomjurist und eine solide Anwaltsausbildung erhalten.Er war auf den Beruf besser vorbereitet als die heutigen Asses-soren.

Ich war 1955 das erste Mitglied im Kollegium Schwerin, dasnach der Hochschulreform in einphasiger Ausbildung sein Exa-men gemacht hatte. Als 1964 der Vorsitzende des KollegiumsSchwerin, ein alter sozialdemokratischer Rechtsanwalt, aus Al-tersgründen ausscheiden wollte, hatte er mich zu seinemNachfolger vorgesehen. Die Mitgliedschaft in der SED war Vo-raussetzung, denn die Vorsitzenden der Kollegien waren sog.Nomenklaturkader. Ich lehnte ab. Er hatte Verständnis.

Das Leben in der DDR hat auch mich janusköpfig gemacht. Ichweiß, dass man in einer Diktatur nicht frei von fremden Einflüs-sen ist. In einer solchen Funktion gibt es Gewissenskonflikte,die man nicht beherrscht. Niemand ist gegen den Alltag im-mun. So blieb ich – parteilos – ein Mann der zweiten Reihe.Auch hier konnte ich manches für den Berufsstand bewirkenund junge Kollegen auf den Beruf vorbereiten.

Den berufsrechtlichen Fragen galt immer mein besonderes In-teresse. Mitte der 60er Jahre trat der Oberkirchenrat an michheran und wollte mich in die „Kammer für Amtszucht“ (ehema-liges Kirchengericht) berufen. Ungewöhnlich für ein Mitglieddes Kollegiums der Rechtsanwälte, das nach damaliger Auffas-sung als ein sozialistisches Anwaltskollektiv angesehen wurde.

Als juristischer Beisitzer glaubte ich mich frei von Zwängen.Auch das war ein Irrtum. Es gab neue Gewissenskonflikte, dieihre Ursache in der Teilung Deutschlands hatten. Pastoren, diedie DDR verlassen hatten, wurden disziplinarrechtlich zur Ver-

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 211

Schümann, „Als das widersprüchliche Leben in das andere wechselte“

antwortung gezogen. Aus der Sicht der Kirche verstehe ich esheute. Damals nicht. So gab ich diese Tätigkeit wieder auf. Fürmich war es aber eine interessante Zeit, in der ich zu Fragenberuflicher Pflichten aus anderer Sicht neue Gedanken auf-nahm.

In der Phase des Machtwechsels von Ulbricht auf Honecker be-kam die DDR – und mit ihr die Justiz – ein neues Gesicht. Eswar eine neue Generation von Richtern herangewachsen. DieJustiz wurde berechenbarer und unsere Tätigkeit leichter.

Die gesamten Lebensbedingungen für die Bevölkerung verbes-serten sich. Aber die neue Wirtschaftspolitik führte zum An-wachsen der Verschuldung der DDR. Honecker konnte seineVersprechungen zur Verbesserung der Lebenslage nicht einhal-ten. Mit der Ausweisung von Biermann starb dann auch nochdie Hoffnung auf Liberalisierung der Kulturpolitik. In den 70erJahren gab es Zuckerbrot. In den 80er Jahren folgte die Peit-sche.

An Ereignisse wie im Jahre 1989 habe ich nie gedacht. Die Bür-ger der DDR besetzten die Botschaft in Prag und flohen überUngarn. Den ersten Exitus hatte Ulbricht 1961 mit der Mauervereitelt. Am 3.10.1989 schloss Honecker die Grenze zurCSSR. Der Bankrott der DDR konnte nicht offensichtlicher wer-den.

Wir erkannten die Schwäche des Systems und wagten ein offe-nes Wort. Wir wollten die DDR verändern und stürzten dasSystem, weil sich die Sprache befreit hatte. Die Vergangenheithatte sich selbst gerichtet.

Die Ereignisse überschlugen sich. Die Kollegien der Rechtsan-wälte lösten sich im Sommer 1990 auf. Die Zahl der Anwältestieg sprunghaft an. Viele Juristen, die in ihrem bisherigen Berufkeine Perspektive sahen oder die politisch belastet waren,suchten Unterschlupf in der Anwaltschaft.

In den letzten Monaten des Bestehens der DDR erteilte das Jus-tizministerium „Blankozulassungen“. Auch an Offiziere desMfS mit juristischer Hochschulausbildung. Uns von ihnen zutrennen scheiterte später an der Rechtsprechung.

Am 1.12.1990 konstituierte sich die RechtsanwaltskammerMecklenburg-Vorpommern. Im Februar 1991 traf ich erstmaligmit Ihnen in Frankfurt zusammen. Ich kam mit Herzklopfen,denn viele von Ihnen wussten nichts von uns. Ich bin sicher,dass sich mancher fragte: ‚Sind das wirklich Anwälte?’.

Die Anwaltschaft im Dritten Reich war weder im Osten nochim Westen je ein ernsthaftes Thema gewesen. So fehlte oft dieVorstellung über die Möglichkeiten anwaltlicher Tätigkeit in ei-nem totalitären System. Dies zu untersuchen haben auch wirbisher versäumt. Es sind 45 Jahre ostdeutsche Anwaltsgeschich-te, für die es bald keine Zeitzeugen mehr gibt.

Für mich begann 1990 das Nachdenken. Wer war ich – einmecklenburgischer Kleinstadtadvokat, der nun die Anwaltschaftseines Bundeslandes repräsentieren sollte. Heute weiß ich, dieKoordinaten meines Denkens haben sich nicht verändert.

Meine Haltung zu beruflichen Rechten und Pflichten ist gleichgeblieben. Mein Leben änderte sich. Ich wurde nicht anders.

Sie haben mir über die ersten Begegnungsängste hinweg gehol-fen. Ich stand immer zu meiner Vergangenheit. Das heißt nicht:zu einer fehlerfreien Vergangenheit. Ich bekenne mich zu einerAnpassung an ein System, das mir im Inneren zuwiderlief. Esbot mir aber auch Vorteile, die ich gern nutzte.

Staatliche Reaktionen in einer Diktatur sind unberechenbar. Sodrohte mir 1984 der Entzug der Zulassung, weil ich mit politi-schen Mitteln Umweltprobleme öffentlich gemacht hatte. DieStasi kam zu einer Aussprache in unser Haus und meldete den

Vorgang dem Justizministerium mit dem für mich bedeutungs-vollen Zusatz, dass mein Grundanliegen begründet sei. Soblieb es bei einer Ermahnung. Dies kann man so nüchtern be-richten. Für mich waren es drei Wochen schlafloser Nächteund Angst um den Beruf, denn den Inhalt des Berichtes der Sta-si kannte ich nicht. Ich hatte nur die Vorladung des Ministeri-ums. Sie ließ Böses ahnen.

Ich glaubte, dass es niemandem gelungen sei, mir in die Kartenzu sehen. Seit Einsicht meiner Akte bei der Gauck-Behördeweiß ich, dass dies ein Irrtum war. Vieles war banal. Einigesaber brisant.

Als das Leben unserer Familie ein neues Gesicht bekam, warich bereits 60-jährig. Wir hatten in der DDR ein Leben geführt,das ich durchaus als lebenswert ansehe. Mit der beruflichenAnpassung an das System schwindet auch ein Stück politischerDistanz. Oft hat das Glück an unserer Seite gestanden.

Nun tauchten wir in eine nie gekannte Freiheit ein. Wir sam-melten neue Erfahrungen. Positive und negative. Im Kreise derKammerpräsidenten und der BRAK waren es die positiven.Hier erlebte ich die schönste Zeit meines 46-jährigen Berufsle-bens.

Sie alle haben mir mit praktischen Hinweisen beim Aufbau derKammer geholfen. Ich musste nur zuhören und lernen. Erstma-lig konnte ich etwas gestalten.

Wichtiger war es, dass Sie uns fünf ostdeutsche Kammerpräsi-denten als Kollegen akzeptierten. Nicht nur in den Hauptver-sammlungen, sondern in vielen Einzelgesprächen kamen wiruns näher. Wir sind Juristen mit unterschiedlicher Ausbildung.Unsere Arbeit dient gleichen Zielen und Bemühungen. Siewird vom gleichen Berufsethos getragen.

Wir sprachen auch über unsere politischen Schwierigkeiten.Viele DDR-Bürger litten unter gebrochenen Biographien. Ver-gessen wir nicht, dass es auch immer Bürger gab, die an dasGute im Sozialismus glaubten und sich in der DDR heimischund geborgen fühlten. Jeder von uns befand sich auf der Suchenach sich selbst und wir alle mussten unser Weltbild ordnen.Wer hier geboren war, der ist in einem anderen Wertesystemaufgewachsen.

Sie haben uns zugehört, aber uns nie belehrt. So konnten wirdie Auseinandersetzung mit dem politischen Erbe der DDR un-beeinflusst unter uns führen. Meinen Freund Werner Reimersund mich – aber auch die anderen ostdeutschen Kammerpräsi-denten – hat es gestärkt. Dies ist ein Verdienst, das Ihnen viel-leicht gar nicht in allen Fällen so bewusst geworden ist.

Es ist uns gelungen, gnadenlose Richter und Staatsanwälte vonunserem Beruf fernzuhalten. Mühsam haben wir um eine Posi-tion zu Anwälten gerungen, die mit dem MfS kooperiert haben.Einige wurden erpresst, andere taten es freiwillig. Es war nureine kleine Anzahl. Wir sind zu Ergebnissen gelangt, zu denenich auch heute noch stehe.

Meine Damen und Herren, spätere Generationen mögen dieFrage beantworten, wie unser Verhalten zu werten ist. Ich kannoffen über die Vergangenheit sprechen, denn wir schämen unsdieser Vergangenheit nicht. In vielen Gesprächen mit Ihnenfand ich meinen Standpunkt bestätigt. Für mich war es derwichtigste Teil des Zusammenwachsens der Anwaltschaft. Er istauch die Grundlage für manche Freundschaft, die zwischenuns gewachsen ist.

Ich bin dankbar, dass diese Tagung mir die Gelegenheit gibt,Ihnen etwas über meine persönlichen Empfindungen zu be-richten.

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212 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

Die nachfolgende Begründung für die Änderung der §§ 7, 6Abs. 2 (BRAK-Mitt. 2005, 273) und § 3 BORA (BRAK-Mitt.2006, 79) nach § 11 der Geschäftsordnung der Satzungsver-sammlung ist von den jeweiligen Ausschüssen 2 und 4 derSatzungsversammlung erarbeitet worden. Der Begründungs-text dient als ergänzende Arbeitshilfe zur Auslegung und An-wendung der neuen zentralen Vorschriften der Berufsord-nung.

Zu § 7 BORA:

Die Vorschrift des § 7 beruht auf der durch § 59b Abs. 2 Nr. 3BRAO verliehenen Satzungskompetenz. Sie dient dazu, denZugang des rechtsuchenden Bürgers zum Recht zu verbes-sern, Verbraucherrechte zu stärken und die Qualität der an-waltlichen Dienstleistung im Interesse der Rechtspflege zusichern sowie irreführende anwaltliche Werbeaussagen zuvermeiden.

Im Einzelnen:

§ 7 Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit

(1) Unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen darf Teilberei-che der Berufstätigkeit nur benennen, wer seinen Angabenentsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die in der Ausbil-dung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonsti-ger Weise erworben wurden. Wer qualifizierende Zusätze ver-wendet, muss zusätzlich über entsprechende theoretischeKenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheb-lichem Umfang tätig gewesen sein.

Begründung:

Die Neufassung der Bestimmung gibt die bisher verbindlicheVerwendung der Begriffe „Interessenschwerpunkt“ und „Tätig-keitsschwerpunkt“ für die Werbung des Rechtsanwalts mit Teil-bereichen der Berufstätigkeit auf. Sie stellt es dem Rechtsanwaltnunmehr frei, auf Teilbereiche seiner Berufstätigkeit und auf dieden entsprechenden Angaben zu Grunde liegende Qualifizie-rung (z.B. durch Lehrgänge, Aufbaustudiengänge, langjährigeFachpraxis) hinzuweisen, ohne dass die Berufsordnung inso-weit eine zahlenmäßige oder terminologische Beschränkungvorgibt.

Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass

� sich die „Stufenleiter“ Interessenschwerpunkt – Tätigkeits-schwerpunkt – Fachanwalt im Rechtsverkehr nicht durchge-setzt hat;

� die durch die Rechtsprechung (zuletzt noch BVerfG, Be-schluss vom 28.7.2004, 1 BVR 159/04) eingetretene Unsi-cherheit zum Geltungsbereich des § 7 BORA a.F. beseitigtwird;

� dem Monitum des BVerfG auf Berücksichtigung der Recht-sprechung des Straßburger Gerichtshofs für Menschenrechte

zum Werberecht der freien Berufe durch eine weitgehendeLiberalisierung des Werberechts der Rechtsanwälte Rech-nung zu tragen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.11.2002,1 BVR 1965/02, BRAK-Mitt. 2003, 19).

§ 7 Abs. 1 Satz 1 befasst sich mit der Angabe von Teilbereichender Berufstätigkeit ohne Verwendung qualifizierender Zusätze.Mit Satz 1 Halbsatz 2 soll im Interesse des Verbraucherschutzessichergestellt werden, dass die in der Werbung herausgestelltenAngaben zutreffen. Letztere sind daher nur zulässig, wenn siedurch Kenntnisse gerechtfertigt werden, die der werbende An-walt auf dem betreffenden Teilrechtsgebiet erworben hat. DieArt des Erwerbs solcher Kenntnisse wird nicht vorgegeben, siemüssen aber nachweisbar vorhanden sein. Die Rechtsanwalts-kammern können im Rahmen der ihnen obliegenden Berufs-aufsicht entsprechende Darlegungen und Nachweise verlan-gen.

§ 7 Abs. 1 Satz 2 befasst sich mit der Verwendung qualifizie-render Zusätze. Wer also in der Werbung herausgestellteRechtsgebiete mit wertenden Hinweisen auf seine persönlicheQualifikation versieht, mithin qualifizierende Zusätze verwen-det (z.B. Spezialist, Spezialgebiet, Experte o.Ä.), muss zusätz-lich „entsprechende“, d.h. seine Angaben rechtfertigende theo-retische Kenntnisse besitzen und auf dem betreffenden Gebietin erheblichem Umfang tätig gewesen sein.

Die damit geforderte praktische Erfahrung muss nicht zwin-gend aus anwaltlicher Tätigkeit resultieren, sondern kann auchin anderweitiger Berufstätigkeit auf dem betreffenden Gebieterworben worden sein.

Auf eine nähere Definition des „erheblichen Umfangs“ wurdeverzichtet, da nur im Einzelfall von den Rechtsanwaltskam-mern oder den damit befassten Gerichten beurteilt werdenkann, ob der durch die Art der Werbung beeinflusste Erwar-tungshorizont der beteiligten Verkehrskreise durch die prakti-sche Erfahrung des Werbenden erfüllt wird.

Der Rechtsanwalt darf also zu Teilbereichen der Berufstätigkeitnur solche Angaben machen, die seinen Kenntnissen undpraktischen Erfahrungen entsprechen. Je intensiver er Teilbe-reiche seiner Berufstätigkeit werbend herausstellt, desto fun-dierter müssen seine Kenntnisse und praktischen Erfahrungensein.

Durch die Zulassung detaillierter Angaben zur Spezialisierungsoll dem Verbraucher das Auffinden eines geeigneten Rechts-anwalts und damit der Zugang zum Recht erleichtert werden.Durch den Verzicht auf terminologische Vorgaben sowie einezahlenmäßige Beschränkung wird ein größtmöglicher Freiraumdes Anwalts für die Gestaltung seiner Werbung eröffnet.

(2) Benennungen nach Absatz 1 sind unzulässig, soweit sie dieGefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begrün-den oder sonst irreführend sind.

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

Gern hätte ich es auch Herrn Jensen, Herrn Löwer, Herrn vonBülow, Herrn Kirchhoff und Herrn Bissel gesagt. Fünf Männer,die ich zu schätzen gelernt habe. Werner Reimers und SiegfriedMetz hätten mir, dessen bin ich sicher, zugestimmt. Aber dasSchicksal hat es anders entschieden.

Ihnen, meine Damen und Herren, danken meine Frau und ichfür die vielen gemeinsamen Stunden in Ihrem Kreise, in demwir uns sehr wohlfühlen.

Mein Wunsch an Sie: Behalten Sie Mecklenburg-Vorpommernin guter Erinnerung.

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 213

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

Begründung:

Die Bestimmung soll generell irreführende Angaben und insbe-sondere irreführende Annäherungen an den Begriff des Fachan-walts in der Anwaltswerbung verhindern. Der Verbraucher sollverlässlich zwischen den auf eigener Einschätzung des Anwaltsberuhenden Angaben des § 7 Abs. 1 und der von den Kam-mern nach § 43c BRAO i.V.m. den Bestimmungen der FAO ge-prüften Fachanwaltsbezeichnungen unterscheiden können.

Bei der Vielgestaltigkeit möglicher Angaben erwies sich einekasuistische Regelung als unzweckmäßig. Deshalb wurde be-wusst eine allgemeine Formulierung gewählt, deren Ausfüllungdurch typischerweise eine Täuschungsgefahr hevorrufendeFallgestaltungen der Spruchpraxis der Kammervorstände undder Rechtsprechung überlassen bleibt.

(3) Die vorstehenden Regelungen gelten für Berufsausübungs-gemeinschaften nach § 9 entsprechend.

Begründung:

Auch Berufsausübungsgemeinschaften als solche sollen dieMöglichkeit erhalten, Rechtsgebiete, auf denen ihre Mitgliederentsprechende Kenntnisse (und praktische Erfahrungen) besit-zen, werbend herauszustellen. Mit dieser Bestimmung wirdklargestellt, dass sich § 7 nicht nur an den einzelnen Rechtsan-walt richtet, sondern auch für Werbeangaben entsprechend he-ranzuziehen ist, mit denen Berufsausübungsgemeinschaften alssolche für ihre Praxis werben.

Konkrete Vorgaben für die Werbung einer Berufsausübungsge-meinschaft macht Abs. 3 nicht. Die Regelung lässt also offen,wie viele Mitglieder einer Berufsausübungsgemeinschaft dieentsprechenden Kenntnisse (und praktischen Erfahrungen) nachAbs. 1 haben müssen oder wie hoch beispielsweise das Man-datsaufkommen einer Berufsausübungsgemeinschaft sein muss,um zulässigerweise mit Angaben nach Abs. 1 zu werben. Einekasuistische Regelung schien angesichts der Vielzahl möglicherGestaltungen und der extrem unterschiedlichen Mitgliederzah-len von Berufsausübungsgemeinschaften als nicht tunlich.Wirbt aber eine Berufsausübungsgemeinschaft als solche mitAngaben nach Abs. 1, dann sind die entsprechenden Kenntnis-se (und praktischen Erfahrungen) von denjenigen Mitgliedernder Berufsausübungsgemeinschaft notfalls darzulegen undnachzuweisen, die diese Kenntnisse (und praktischen Erfahrun-gen) für sich in Anspruch nehmen.

Zu § 6 Abs. 2 BORA:

Da § 7 Abs. 1 n.F. keine Beschränkungen für wahrheitsgemäßeAngaben über Teilbereiche der Berufstätigkeit mehr vorsieht,hat § 6 Abs. 2 den tatbestandlichen Anknüpfungspunkt verlo-ren. Die Vorschrift war daher zu streichen. Die nach § 7 Abs. 1n.F. zulässigen Angaben unterliegen damit keinen Beschrän-kungen hinsichtlich des für die Anwaltswerbung eingesetztenMediums.

§ 3 BORA:

§ 3 Widerstreitende Interessen, Versagung der Berufstätigkeit

(1) Der Rechtsanwalt darf nicht tätig werden, wenn er eineandere Partei in derselben Rechtssache im widerstreitendenInteresse bereits beraten oder vertreten hat oder mit dieserRechtssache in sonstiger Weise im Sinne der §§ 45, 46 Bun-desrechtsanwaltsordnung beruflich befasst war.

Begründung:

Die vorstehende Regelung beruht auf der Satzungskompetenzdes § 59b Abs. 2 Nr. 1e) BRAO und konkretisiert die Grund-pflicht des § 43a Abs. 4 BRAO, wonach der Rechtsanwalt kei-ne widerstreitenden Interessen vertreten darf. Die Norm be-

zieht sich auf den einzelnen Rechtsanwalt und präzisiert dieGrundpflicht dahin, dass auch die bloße Beratung (als Ele-ment der Vertretung) in derselben Rechtssache im widerstrei-tenden Interesse ein Tätigkeitsverbot auslöst. Abs. 1 verbietetdie gleichzeitige oder zeitlich aufeinander folgende kollidie-rende Beratung oder Vertretung in derselben Rechtssache. Diebisherigen Worte „gleich in welcher Funktion“ sind gestrichenworden, weil sie von vornherein jede Einzelfallabwägung eli-minieren und jeden auch noch so kleinen Interessenkonfliktetwa durch eine über einige Jahre zurückliegende Gutach-tensäußerung eines Referendars einschließen würden, wenner später einmal als Rechtsanwalt auf der Gegenseite steht. Einderart strikter Ausschluss der Einzelfallabwägung kann nachder Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 3 Abs. 2BORA (BVerfGE 108, 150) nicht mehr aufrechterhalten blei-ben. Frühere Beratungstätigkeit durch Referendare oderRechtsassessoren aus Rechtsabteilungen hindert auch nachder Neufassung diese in ihrer neuen Rolle als Rechtsanwalt,konträren Rechtsrat zu erteilen oder konträre Rechtsberatungbzw. konträre Rechtsvertretung zu betreiben. Der mit der Er-stellung der Klage beauftragte Referendar kann also nichtnach erfolgter Anwaltszulassung den Beklagten vertreten.Dies folgt aus dem Verweis auf die Befassungstatbestände des§ 45 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, der sich nicht auf die Ausnahme-rechtsfolge (Nichtgeltung des Tätigkeitsverbots bei Beendi-gung der außeranwaltlichen Tätigkeit) erstreckt. Lediglich län-ger zurückliegende Gelegenheitstätigkeiten lösen kein Tätig-keitsverbot mehr aus.

Bei der (vermeintlich) einverständlichen Ehescheidung durcheinen beide Partner beratenden oder vertretenden Rechtsanwaltist nach der Eherechtsreform 1976 immer noch nichthöchstrichterlich geklärt, ob dies Parteiverrat nach § 356 StGBdarstellt (vgl. aber OLG Karlsruhe NJW 2002, 3561 und Erb,Parteiverrat [2004], S. 227 ff.). Die einverständliche Eheschei-dung durch einen beide Ehepartner vertretenden Rechtsanwaltempfiehlt sich schon aus anderen Gründen nicht. Erfährt derRechtsanwalt etwa von einem Ehepartner, dass weiteres, demanderen Ehepartner unbekanntes Einkommen oder Vermögenvorhanden ist, hindert die Verschwiegenheitspflicht die Weiter-gabe dieser Information an den anderen Ehepartner, so dass derRechtsanwalt diesen Ehepartner entgegen seiner Verpflichtungaus dem Anwaltsvertrag kaum interessengerecht vertreten unddamit eine Haftung auslösen kann. Dieser Konflikt ließe sichnur ausnahmsweise lösen, z.B. wenn beide Ehepartner zuGunsten des jeweils anderen und in Kenntnis der Rechtsfolgenden Rechtsanwalt von der Verschwiegenheitsverpflichtung ent-binden.

Das Verbot des Abs. 1 gilt auch für alle mit ihm in derselbenBerufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcherRechts- oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte.Satz 1 gilt nicht, wenn sich im Einzelfall die betroffenen Man-danten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassenderInformation mit der Vertretung ausdrücklich einverstanden er-klärt haben und Belange der Rechtspflege nicht entgegenste-hen. Information und Einverständniserklärung sollen in Text-form erfolgen.

Begründung:

Die sog. einfache Sozietätserstreckung folgt nach h.A. grund-sätzlich durch Gesetzesauslegung aus § 43a Abs. 4 BRAO. Die-se ist vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 108, 150) nichtbeanstandet worden. Aus dem Vorstehenden ergibt sich dieKompetenz der Satzungsversammlung nach § 59b Abs. 2 Nr. 1e) BRAO. Das Bundesverfassungsgericht hat § 3 Abs. 2 a.F.nicht wegen fehlender Satzungsermächtigung für nichtig er-

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214 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

klärt, sondern wegen des Eingriffs in die Berufsfreiheit durchein striktes Tätigkeitsverbot ohne Einzelabwägungsmöglichkeit.Diese verfassungsrechtlich gebotene Möglichkeit der Einzelfall-abwägung wird jetzt eröffnet.

Abs. 2 Satz 1 erstreckt zunächst entsprechend der vorgenann-ten Gesetzesauslegung das Verbot der Wahrnehmung wider-streitender Interessen grundsätzlich auf alle in derselben Be-rufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich welcher Rechts-oder Organisationsform verbundenen Rechtsanwälte. Die Er-streckung gilt also auch für Partner einer Partnerschaftsgesell-schaft oder Rechtsanwälte in einer Rechtsanwaltsgesellschaft.Die echte Bürogemeinschaft ist einbezogen, weil bei der ge-meinsamen Nutzung von EDV und Telekommunikation die Ge-fahr zu groß ist, dass der den Gegner beratende oder vertreten-de Rechtsanwalt nahezu zwangsläufig Gelegenheit hat, aufdiesen Kommunikationsmedien eingehende nicht für ihn be-stimmte Schreiben der Gegenseite zur Kenntnis zu nehmen.Die gleichzeitige oder zeitlich aufeinander folgende Beratungoder Vertretung widerstreitender Interessen innerhalb einer Be-rufsausübungsgemeinschaft ist daher dem Grundsatz nach ver-boten. Die Vertretung mehrerer Beschuldigter einer Straftatdurch mehrere Rechtsanwälte einer Berufsausübungsgemein-schaft bleibt so lange möglich, wie die Interessen parallel lau-fen, etwa wenn alle schweigen oder gleich lautende einandernicht widersprechende Einlassungen abgeben. Weil sich dieVerteidigungsstrategie aber jederzeit ändern kann, kann es sichvon vornherein empfehlen, das Verfahren nach Abs. 2 Satz 2durchzuführen. Ändert sich später die Verteidigungsstrategiemit der Folge, dass die Interessen nunmehr widerstreiten, bleibtnoch zu prüfen, ob die Einverständniserklärung unter diesenUmständen fortgilt und ob der fortgeführten Verteidigung in-nerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft Belange derRechtspflege entgegenstehen (dazu Begründung zu Abs. 2Satz 2). Stehen Belange der Rechtspflege einer Fortführung derVerteidigung innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaftentgegen, löst dies ein Tätigkeitsverbot aus mit der Folge, dassjedenfalls ab diesem Zeitpunkt nach § 134 BGB keine Vergü-tungsansprüche mehr entstehen können und nach Abs. 4 alleMandate zu beenden sind.

Abs. 2 Satz 2 ist neu. Unter den dort genannten Voraussetzun-gen ermöglicht er die verfassungsrechtlich gebotene Einzelfall-abwägung, die dazu führen kann, dass die in Satz 1 ausgespro-chene Sozietätserstreckung zurückzunehmen ist, mit der Folge,dass die Vertretung mehrerer Mandanten mit widerstreitendenInteressen innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft zuläs-sig ist. Der für allgemeine Berufs- und Grundpflichten zuständi-ge Ausschuss 4 der Satzungsversammlung hatte ursprünglichfolgende Fassung erwogen:

Das Verbot des Abs. 1 gilt auch für alle mit ihm in dersel-ben Berufsausübungs- oder Bürogemeinschaft gleich wel-cher Rechts- oder Organisationsform (Anwaltskanzlei) ver-bundenen Rechtsanwälte. Satz 1 gilt nicht, wenn sich imEinzelfall die betroffenen Mandanten in den widerstreiten-den Mandaten nach umfassender schriftlicher Informationmit der Vertretung ausdrücklich einverstanden erklärt habenund Belange der Rechtspflege, die die unabhängige, ver-schwiegene und geradlinige Wahrnehmung der Mandan-teninteressen durch den Rechtsanwalt voraussetzt, nichtentgegenstehen.

Die betroffenen Mandanten in dem widerstreitenden Mandatmüssen umfassend informiert werden und mit der Vertretungdurch Angehörige derselben Berufsausübungsgemeinschaftausdrücklich einverstanden sein. Information und Einverständ-niserklärung sollen in Textform (schriftlich oder per E-Mail) er-

folgen. Dies empfiehlt sich schon aus Beweisgründen, falls spä-ter die Beratung oder Vertretung widerstreitender Interessen in-nerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft durch einen odermehrere Mandanten anders als ursprünglich eingeschätzt undbeanstandet wird. Die Satzungsversammlung hat jedoch davonabgesehen, zwingend Information und Einverständniserklärungin Textform zu fordern, damit reine Formverstöße bei materiellbedenkenfreier Beratung oder Vertretung keine Sanktionen aus-lösen. Die Mandanten müssen wahrheitsgemäß und so voll-ständig über die Interessenkollisionslage aufgeklärt werden,dass sie die daraus resultierenden Folgen und Gefahren ein-schätzen können. Dabei ist nach Abs. 5 zu beachten, dass dieVerschwiegenheitspflicht auch bei dieser umfassenden Infor-mation gilt. Könnte die erforderliche umfassende Aufklärungüber die Konfliktsituation nur durch Preisgabe geheimhaltungs-bedürftiger Informationen erfolgen, muss sie unterbleiben mitder Folge, dass dann eine Beratung oder Vertretung in den wi-derstreitenden Mandaten durch Angehörige derselben Berufs-ausübungsgemeinschaft nicht möglich ist. Im Regelfall dürftedie erforderliche umfassende Aufklärung jedoch mit dem Auf-zeigen abstrakter Gefahren möglich sein, ohne dass der jeweilsanderen Seite geheimhaltungsbedürftige Informationen preis-gegeben werden müssten. Bei einer einverständlichen Schei-dung durch zwei Anwälte derselben Berufsausübungsgemein-schaft etwa dürfte der Hinweis ausreichen, dass von einer ein-verständlichen Scheidung nur auf der Basis der vorliegendenInformationen durch die Mandanten ausgegangen werden kön-ne, aber etwa unterhaltsrelevantes einseitig verschwiegenesEinkommen oder Vermögen jederzeit aus der einverständlichenScheidung eine streitige Scheidung machen könne.

Die Wahrnehmung widerstreitender Interessen innerhalb einerBerufsausübungsgemeinschaft setzt aber nicht nur umfassendeInformation und Einverständniserklärungen der betroffenenMandanten voraus. Der Beratung oder Vertretung dürfen auchkeine Belange der Rechtspflege entgegenstehen. Die ursprüng-lich erwogene Fassung definierte Belange der Rechtspflege alssolche, die die unabhängige, verschwiegene und geradlinigeWahrnehmung der Mandanteninteressen durch den Rechtsan-walt voraussetzen. Damit wurde auf eine Formulierung aus derEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 3 Abs. 2BORA zurückgegriffen. Bei inhaltlicher Übereinstimmung mitdieser Definition hielt es die Satzungsversammlung jedochnicht für sinnvoll, diese Definition als Auslegung des Normtex-tes in diesen selbst aufzunehmen. Abs. 2 Satz 2 enthält alsonicht nur den übereinstimmenden Willen der betroffenen Man-danten als subjektive Komponente, sondern darüber hinaus inden Belangen der Rechtspflege ein objektives Korrektiv. Belan-ge der Rechtspflege, die die unabhängige, verschwiegene undgeradlinige Wahrnehmung der Mandanteninteressen durch denRechtsanwalt voraussetzen, können nicht nur im gerichtlichenVerfahren, sondern auch im außergerichtlichen Bereich einerWahrnehmung widerstreitender Interessen durch unterschied-liche Rechtsanwälte derselben Berufsausübungsgemeinschaftentgegenstehen, auch wenn sie dort in der Regel grundsätzlichein geringeres Gewicht haben werden.

Fallgruppen und konkretere Beurteilungsmaßstäbe werden sicherst im Laufe der Zeit herausbilden lassen. Dabei wird esWechselwirkungen zwischen der Art des Interessenkonfliktes(z.B. total oder partiell, aktuell oder potenziell), dem Grad derGefährdung anwaltlicher Grundpflichten (z.B. der Wahrungder Verschwiegenheit), der Schutzbedürftigkeit der Mandanten(das Einverständnis eines großen Unternehmens mit eigenerRechtsabteilung trägt weiter als das einer Privatperson ohneeinschlägige Vorbildung oder Erfahrung) und anderer relevan-

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BRAK-Mitt. 5/2006 Aufsätze 215

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

ter Parameter geben. Ist beispielsweise innerhalb einer Berufs-ausübungsgemeinschaft am gleichen Ort die Gefahr groß, dassder Berater oder Vertreter des Gegners gewollt oder ungewolltgeheimhaltungsbedürftige Informationen des Gegners erlangt,etwa beim abendlichen Blick in die Faxeingänge, könnte diesallein schon trotz vorliegender Einverständniserklärungen derBeratung oder Vertretung entgegenstehen. Umgekehrt bedeutetdies, dass Belange der Rechtspflege in der Regel nicht entge-genstehen, wenn widerstreitende Beratungsmandate von räum-lich verschiedenen Büros derselben Berufsausübungsgemein-schaft geführt werden und überzeugende faktische Vorkehrun-gen zur Wahrung der Vertraulichkeit (sog. Chinese Walls) ge-troffen worden sind, sei es aus freien Stücken, sei es, weil dieMandanten davon ihre Zustimmungserklärungen abhängig ge-macht haben. Ein widerstreitendes Beratungsmandat kanndann also mit Blick auf die Belange der Rechtspflege zwischenden Büros derselben Berufsausübungsgemeinschaft in Ham-burg und München geführt werden, nicht aber innerhalb derMünchner oder Hamburger Kanzlei. Bei Prozessmandatenwird den Belangen der Rechtspflege – Anwälte aus derselbenBerufsausübungsgemeinschaft treten vor Gericht gegeneinan-der auf – tendenziell größeres Gewicht zukommen als bei wi-derstreitenden Beratungsmandaten. Der „schmutzige Schei-dungskrieg“ oder die Verteidigung zu Lasten des anderen Be-schuldigten werden im Regelfall nach wie vor innerhalb einesBüros nicht zulässig sein. Bricht die ursprünglich gleichgerich-tete Verteidigungsstrategie mit parallelen Interessen auf undverteidigt sich der eine Beschuldigte zu Lasten des anderen Be-schuldigten, stehen Belange der Rechtspflege der Fortführungbeider Mandate entgegen. Hiervon zu unterscheiden ist derFall, dass ein Belastungsgefälle bereits bei Übernahme beiderMandate bestand. Hat sich etwa der eine Beschuldigte ohneanwaltlichen Beistand bei der Polizei zu einer den anderen be-lastenden Aussage entschlossen und nimmt der so Belastetedies hin, stehen Belange der Rechtspflege einer Vertretung in-nerhalb eines Büros nicht entgegen; es fehlt insoweit an wider-streitenden Interessen. Belange der Rechtspflege sind bei derVertretung mehrerer Bieter in einem Verkaufsverfahren (sog. Li-mited Auctions) durch unterschiedliche Teams (mit ChineseWalls) einer Berufsausübungsgemeinschaft jedenfalls dannnicht tangiert, wenn die Teams räumlich getrennt arbeiten, wo-bei neben der Aufklärungspflicht gegenüber den Mandantenhier insbesondere auf die Beachtung der Verschwiegenheits-pflicht gemäß Abs. 5 hinzuweisen ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für den Fall, dass derRechtsanwalt von einer Berufsausübungs- oder Bürogemein-schaft zu einer anderen Berufsausübungs- oder Bürogemein-schaft wechselt.

Begründung:

Abs. 3 regelt durch Verweis auf Absatz 1 und Absatz 2 den Falldes Wechsels eines Berufsträgers in eine andere Berufsaus-übungsgesellschaft, kurz Kanzleiwechsel genannt. Berät odervertritt die abgebende Kanzlei den Gegner eines Mandanten deraufnehmenden Kanzlei, so „infiziert“ der Kanzleiwechsler dieaufnehmende Kanzlei mit der Folge eines Tätigkeitsverbots, sodass die aufnehmende Kanzlei ihr Mandat grundsätzlich zu be-enden hat. Zwar unterliegt der Kanzleiwechsler weiterhin derVerschwiegenheitspflicht und darf in der aufnehmenden Kanzleikeine geheimhaltungsbedürftigen Informationen aus konfligie-renden Mandaten der abgebenden Kanzlei preisgeben und giltinsoweit die Vermutung berufsrechtlich korrekten Verhaltens.Der Mandant der abgebenden Kanzlei wird jedoch typischer-weise argwöhnen, dass der Kanzleiwechsler geheimhaltungsbe-dürftige Informationen in die aufnehmende Anwaltskanzlei sei-

nes Gegners transportiert, zumal die Informationsflüsse inner-halb der Kanzlei des Gegners für ihn intransparent sind, so dasser eine Verschlechterung seiner Rechtsposition stets auf den un-zulässigen Transfer geheimhaltungsbedürftiger Informationenzurückführen wird. Diese Erschütterung in das Vertrauen der An-waltschaft als Institution rechtfertigt es, grundsätzlich ein Tätig-keitsverbot der aufnehmenden Kanzlei vorzusehen, wenn wi-derstreitende Interessen zwischen abgebender und aufnehmen-der Kanzlei vertreten werden und ein Kanzleiwechsel eines Be-rufsträgers zwischen diesen Kanzleien stattfindet. Das Tätigkeits-verbot trifft dabei die aufnehmende Kanzlei, denn nur so kannder Transport geheimhaltungsbedürftiger Informationen zumGegner aus Sicht des Mandanten der abgebenden Kanzlei ver-hindert werden. Die aufnehmende Kanzlei muss deshalb grund-sätzlich abwägen, ob ihr das Mandat oder der neue wechselndeBerufsträger wichtiger sind. Ein Tätigkeitsverbot auf Seiten derabgebenden Kanzlei ist nicht gerechtfertigt, weil deren Mandantkeine Möglichkeit hat, durch einen Anwaltswechsel das Abwan-dern geheimhaltungsbedürftiger Informationen zu verhindern.Ist der Kanzleiwechsel erfolgt, sind aus Sicht des Mandanten derabgebenden Kanzlei die Gefährdungen durch etwaigen unzuläs-sigen Informationstransfer unwiderruflich eingetreten.

Vorstehendes gilt sowohl für den Kanzleiwechsler, der in demdie Interessenkollision auslösenden Mandat in der abgebendenKanzlei selbst beraten oder vertreten hat, als auch für den nachAbsatz 2 Satz 1 bloß mitverpflichteten Kanzleiwechsler, der dasMandat in der abgebenden Kanzlei nicht bearbeitet hat. Aucher kann aus dem Mandat geheimhaltungsbedürftige Informatio-nen erlangt haben, die er aus Sicht des Mandanten nunmehr indie Kanzlei des Gegners mitnimmt. Dies kann etwa der Fallsein bei Urlaubsvertretung, Befassung mit Teilaspekten desMandats oder auch bei zufälliger Kenntniserlangung beim Mit-tagsgespräch. Auslöser eines Tätigkeitsverbotes kann anderer-seits aber stets nur die konkrete nahe liegende Möglichkeit derErlangung geheimhaltungsbedürftiger Informationen sein. Wirddas die Interessenkollision auslösende Mandat beispielsweisezwischen zwei großen überörtlichen Sozietäten und dort inden Büros in Hamburg (Sozietät I) und München (Sozietät II)geführt, so steht dem Kanzleiwechsel eines Berufsträgers ausdem Berliner Büro der Sozietät II in das Hamburger Büro derSozietät I § 3 Abs. 3 BORA nicht entgegen.

Im Falle des Kanzleiwechsels besteht allerdings auch hier ent-sprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu§ 3 Abs. 2 BORA a.F. die Möglichkeit, gem. § 3 Abs. 2 Satz 2BORA n.F. nach umfassender Information und Aufklärung dieausdrückliche Zustimmung der Mandanten zum Kanzleiwech-sel herbeizuführen. Erforderlich ist aber nur die Zustimmungdes Mandanten der abgebenden Kanzlei, weil er den Kanzlei-wechsel nicht verhindern kann und nur er befürchten muss,dass seine geheimhaltungsbedürftigen Informationen zum Geg-ner gelangen könnten. Nur der Mandant der abgebendenKanzlei ist „betroffener Mandant“ im Sinne von Abs. 2 Satz 2.Der Mandant der aufnehmenden Kanzlei hat keinen legitimenGrund, den Wechsel eines früheren Anwalts der Gegenseite in„seine“ Kanzlei zu verhindern. Sollten gleichwohl vereinzelteFallkonstellationen auftauchen, bei denen der Mandant deraufnehmenden Kanzlei sich dagegen wehren möchte, dass derfrühere Anwalt des Gegners nunmehr verpflichtet ist, sich fürihn einzusetzen, so kann der Mandant der aufnehmendenKanzlei jederzeit das Mandat kündigen und eine andere Be-rufsausübungsgemeinschaft beauftragen.

Der Ausschuss 4 der 3. Satzungsversammlung hatte ursprüng-lich folgende Fassung von § 3 Abs. 3 für die Fälle des Kanzlei-wechsels vorgesehen:

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216 Aufsätze BRAK-Mitt. 5/2006

Begründung für die Änderungen der §§ 7, 6 Abs. 2 und § 3 BORA

„Will der Rechtsanwalt von einer Anwaltskanzlei in eine an-dere wechseln, so gilt:

a) Die abgebende und die aufnehmende Anwaltskanzlei ha-ben unverzüglich alle Mandate festzustellen, in denen sieMandanten im widerstreitenden Interesse vertreten, es seidenn, es kommt nicht in Betracht, dass der Rechtsanwalt indiesen Mandaten vertreten (§ 43a Abs. 4 BRAO) oder inso-weit geheimhaltungsbedürftige Informationen erlangt hat.

b) Der Rechtsanwalt hat sich gegenüber der abgebenden undder aufnehmenden Anwaltskanzlei vor Eintritt in die aufneh-mende Anwaltskanzlei umfassend schriftlich darüber zu er-klären, ob und inwieweit er in widerstreitenden Mandatenvertreten oder geheimhaltungsbedürftige Informationen er-langt hat.

c) Die abgebende und die aufnehmende Anwaltskanzlei ha-ben ihre Mandanten in den widerstreitenden Mandaten ge-mäß lit a) und b) unter Berücksichtigung der Erklärungen desRechtsanwalts umfassend schriftlich über den Wechsel sowiedarüber zu informieren, ob und inwieweit der Rechtsanwaltin diesen Mandaten vertreten oder geheimhaltungsbedürftigeInformationen erlangt hat. Im letztgenannten Fall hat die ab-gebende Anwaltskanzlei ihren Mandanten um unverzüglicheMitteilung zu bitten, ob er der Fortführung des Mandates deraufnehmenden Anwaltskanzlei widerspricht.

d) Hat der Rechtsanwalt in dem widerstreitenden Mandat beider abgebenden Anwaltskanzlei den Mandanten vertreten,hat die aufnehmende Anwaltskanzlei das Mandat nach demWechsel niederzulegen. Dies gilt nicht, wenn die Mandan-ten der abgebenden und der aufnehmenden Anwaltskanzleider Fortführung ausdrücklich zustimmen und die Niederle-gung nicht durch Belange der Rechtspflege, die auf die unab-hängige, verschwiegene und geradlinige Wahrnehmung derMandanteninteressen durch den Rechtsanwalt angewiesenist, geboten ist.

e) Hat der Rechtsanwalt, ohne selbst vertreten zu haben, ge-heimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Mandatsver-hältnis bei der abgebenden Anwaltskanzlei erlangt und hatder Mandant der abgebenden Anwaltskanzlei der Fortfüh-rung des Mandates der aufnehmenden Anwaltskanzlei wi-dersprochen, so hat die aufnehmende Anwaltskanzlei dasMandat niederzulegen.

f) Sofern die aufnehmende Anwaltskanzlei das widerstreiten-de Mandat gemäß lit d) und e) nach dem Wechsel zulässiger-weise fortführt, ist der Rechtsanwalt von der Bearbeitung die-ses Mandates bei der aufnehmenden Anwaltskanzlei ausge-schlossen.

Dieser Normvorschlag beschrieb mit hohem Detailgrad dasVerfahren bei Fällen des Kanzleiwechsels. Ausschuss 4 undSatzungsversammlung haben letztlich davon abgesehen, dieseVerhaltensempfehlung zu einem Disziplinartatbestand zu erhe-ben. Neben Kritik, dass eine solche Regelung zu starr undbürokratisch sei, war hierfür die Erwägung ausschlaggebend,dass bei materiell-rechtlich richtiger Lösung der Interessenkolli-sionslage der bloße Verstoß gegen Verfahrensvorschriften nichtsanktioniert werden soll. Trotzdem mag dieser Vorschlag imEinzelfall hilfreiche Anregungen für ein sinnvolles Verfahrengeben.

Die in lit. f) ursprünglich vorgesehene Regelung, wonach derKanzleiwechsler, der das die Interessenkollision auslösendeMandat in der abgebenden Kanzlei selbst geführt hat, nicht inder aufnehmenden Kanzlei das gegnerische Mandat überneh-men darf, ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 1 BORA.

(4) Wer erkennt, dass er entgegen den Absätzen 1 bis 3 tätigist, hat unverzüglich seinen Mandanten davon zu unterrichtenund alle Mandate in derselben Rechtssache zu beenden.

Begründung:

Absatz 4 postuliert die Pflicht zur Niederlegung aller Mandate,in denen eine Interessenkollisionslage aufgetreten ist und nichtdurch Mandantenzustimmung behoben werden konnte. DiePflicht zur Niederlegung aller an der Interessenkollisionslagebeteiligten Mandate ist beim Einzelanwalt, der widerstreitendeInteressen vertritt, unmittelbare Folge des Tätigkeitsverbots. Beider Erstreckung auf Berufsausübungsgemeinschaften in Abs. 2erfolgt sie aus der Erstreckung, wodurch das Tätigkeitsverbotjeden Berufsträger in der Berufsausübungsgemeinschaft trifft,wenn er mit den die Interessenkollision begründenden Manda-ten befasst ist. Im Falle des Kanzleiwechsels gilt die Pflicht zurNiederlegung aller an der Interessenkollision beteiligten Man-date nur für die aufnehmende Kanzlei, weil nur sie bei Aufnah-me des Kanzleiwechslers und Fortführung der Mandate wider-streitende Interessen wahrnehmen würde.

(5) Die vorstehenden Regelungen lassen die Verpflichtung zurVerschwiegenheit unberührt.

Begründung:

Absatz 5 ruft in Erinnerung, dass nicht nur im Mandat (d.h. ge-gebenenfalls bei der Wahrnehmung der widerstreitenden Inte-ressen), sondern auch schon bei der Prüfung und Lösung vonInteressenkollisionslagen die Verschwiegenheitspflicht einzu-halten ist. Das trifft in erster Linie die umfassende Aufklärungnach Abs. 2 Satz 2. Lässt sich die Aufklärung ohne Verstoß ge-gen die Verschwiegenheitspflicht nicht durchführen und erteiltder Mandant insoweit auch keine begrenzte Entbindung vonder Verschwiegenheitsverpflichtung, so kann die umfassendeAufklärung nicht durchgeführt werden mit der Folge, dass dieMandantenzustimmung nicht eingeholt werden kann und diean der Interessenkollision beteiligten Mandate nicht übernom-men bzw. fortgeführt werden können. Bei für Mandanten wirt-schaftlich bedeutsamen Verfahren kommt es vor, dass die dasMandat nach außen hin führende Kanzlei auf Wunsch desMandanten heimlich von einer weiteren Kanzlei in ihrer Tätig-keit überprüft wird („Mandat hinter dem Mandat“ oder „Spie-gelmandat“). Diese Kontrolle der „Hauptkanzlei“ durch eine„Überprüfungskanzlei“ möchte der Mandant meist nicht der„Hauptkanzlei“ offenbaren. Bei einer solchen Fallkonstellationist der Wechsel eines Berufsträgers aus der Kanzlei des Gegnersdes Mandanten in die „Überprüfungskanzlei“ nicht möglich,weil die abgebende Kanzlei nicht darüber informiert werdenkann, dass der Gegner der abgebenden Kanzlei heimlich vonder aufnehmenden Kanzlei laufend über die Korrektheit der Tä-tigkeit der „Hauptkanzlei“ beraten wird. Die abgebende Kanz-lei hat damit keine Möglichkeit, ihren Mandanten darüber zuinformieren, dass der ausscheidende Berufsträger zu einerKanzlei wechselt, die auf der Gegenseite tätig ist. Der ausschei-dende Berufsträger darf deshalb nicht in die zweite Anwalts-kanzlei des Gegners, die „Überprüfungskanzlei“ wechseln, essei denn, der Mandant der „Überprüfungskanzlei“ entbindetdiese von der Verschwiegenheitspflicht, so dass sie ihre Tätig-keit für den Gegner der abgebenden Kanzlei offenbaren darf.Der umgekehrte Fall des Kanzleiwechsels eines Berufsträgersaus der „Überprüfungskanzlei“ in die Anwaltskanzlei des Geg-ners des Mandanten ist dagegen unproblematisch, weil die ab-gebende „Überprüfungskanzlei“ ihren Mandanten darüber in-formieren muss, dass ein Berufsträger zur Kanzlei des Gegnerszu wechseln beabsichtigt und der Mandant folglich diesemWechsel widersprechen kann mit der Folge, dass die aufneh-mende Kanzlei das Mandat niederlegen muss.

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BRAK-Mitt. 5/2006 Pflichten und Haftung des Anwalts 217

Das aktuelle Urteil

Das aktuelle Urteil

Keine (Schein-)Sozienhaftung bei nicht anwaltstypischerTätigkeit

Das Mitglied einer Scheinsozietät haftet nicht für Vertragsverlet-zungen aus einem Treuhandvertrag, wenn der vom sachbearbei-tenden Rechtsanwalt übernommene Treuhandauftrag keineanwaltstypische Tätigkeit darstellt.

Eine anwaltstypische Tätigkeit liegt dann nicht vor, wenn es demMandanten bei Abschluss des Treuhandvertrages ersichtlich nurauf die reine Vermögensbetreuung ankam und mit dem Treuhand-vertrag keine rechtsberatenden Tätigkeiten verbunden sind bzw.diese derartig in den Hintergrund treten, dass ihnen keine eigen-ständige Bedeutung zukommt. (Leitsätze des Gerichts)

Eine Zurechnung deliktischen Verhaltens gem. § 31 BGB analogfindet bei bloßen Scheinsozietäten nicht statt, da eine Rechts-scheinshaftung eine vertragliche oder vorvertragliche Rechtsbe-ziehung voraussetzt. (eigener Leitsatz)

OLG Celle, Urt. vom 31.5.2006 – 3 U 14/06, OLGR Celle 2006,611

Besprechung:

Besonders interessant an der ansonsten eher einzelfallbezoge-nen Entscheidung ist der vom Gericht selbst in der Online-Datenbank der Niedersächsischen Oberlandesgerichte (http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/index.php4) veröffentlich-te erste Leitsatz, wonach es für die Frage der gesamtschuldneri-schen Haftung von Sozien bzw. Scheinsozien darauf ankom-men kann, ob die vertraglich übernommene Tätigkeit eineanwaltstypische Tätigkeit ist oder nicht.

Zum Sachverhalt: Der Mandant machte Schadensersatzansprü-che wegen Verletzung eines Treuhandvertrages geltend, den erauf neutralem Papier mit einer Anwältin abgeschlossen hatte.Diese war durch Verwendung eines gemeinsamen Kanzlei-briefbogens mit einer anderen Anwältin zu einer Scheinsozietätverbunden. Die Anwältin, mit der der Mandant den Treuhand-vertrag geschlossen hatte, veruntreute die treuhänderisch ver-walteten Gelder und wurde wegen Veruntreuung und Betrugauch in anderen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahrenund zehn Monaten verurteilt. Der Mandant nahm daraufhin die(Schein-)Sozia auf Schadensersatz in Anspruch und verkündeteder untreuen Anwältin den Streit. Er machte geltend, es habesich um ein Anwaltsmandat gehandelt, das mit der Sozietätzustande gekommen sei. Inhalt des Mandats sei nicht nur diereine treuhänderische Tätigkeit, sondern auch eine rechtsbera-tende Tätigkeit (Prüfung des Treuhandauftrags und eines Darle-hensvertrages) gewesen. Er habe eine schriftliche Vollmachtlautend auf die Sozietät, vertreten durch die Streitverkündete,erteilt. Er habe sich vor der Auftragserteilung über die Seriositätder Kanzlei und deren Haftpflichtversicherung erkundigt, weiler den Vertrag mit der Sozietät insgesamt habe abschließenwollen.

Die beklagte Anwältin machte geltend, die Streitverkündete seikeine Sozia, sondern ihre Angestellte gewesen. Diese habeohne ihr Wissen gehandelt. Es habe sich um ein Einzelmandatmit der Streitverkündeten gehandelt. Der Treuhandvertrag seiausschließlich mit dieser abgeschlossen worden und sehe einerein vermögensverwaltende Tätigkeit und keine Rechtsberatungvor. Die Echtheit der in Kopie vorgelegten Vollmacht wurdebestritten.

Schon das Landgericht Lüneburg hatte erstinstanzlich die Klagemit der Begründung abgewiesen, es habe sich um ein Einzel-mandat mit der Streitverkündeten gehandelt. Dies wurde vomOLG Celle bestätigt. Das OLG entschied, dass die Pflichtverlet-zungen der Streitverkündeten der beklagten Anwältin nichtzugerechnet werden könnten. Es gab zutreffend die allgemeineRechtsprechung wieder, wonach grundsätzlich im Zweifel einMandat der Sozietät und nicht bloß einzelnen Mitgliedernerteilt werde und wonach für Schadensersatzansprüche dieSozietät als rechtsfähige BGB-Gesellschaft sowie analog § 128HGB akzessorisch die Sozien mit ihrem Privatvermögen haftenund dass diese persönliche Haftung auch bloße Scheinsozienim Wege der Rechtsscheinhaftung treffe (BGH, NJW 1971,1801; NJW 1999, 3040; NJW 2001, 1056).

Diese Grundsätze kämen vorliegend jedoch nicht zum Tragen,weil es sich bei dem Treuhandvertrag nicht um eine anwaltsty-pische Tätigkeit handle, sondern um eine bloße Vermögensbe-treuung, die auch von Nicht-Anwälten vorgenommen werdenkönne, so dass es sich nicht um ein Anwaltsmandat handle(BGH, NJW 1999, 3040), weswegen die Annahme eines Ein-zelmandats nahe liege (so auch schon BGH, NJW-RR 1988,1299). Den Vortrag des Klägers, es sei auch eine Rechtsbera-tung erteilt worden, hielt das OLG für unbeachtlich, da es ihmersichtlich und vorrangig darum gegangen sei, mit Hilfe dertreuhänderischen Mittelverwaltung die Auszahlung eines Dar-lehens von dritter Seite zu erlangen. Eine etwaige rechtlicheBeratung trete angesichts dessen jedenfalls so weit in den Hin-tergrund, dass ihr keine eigenständige Beratung zukomme.Änderungen des Treuhandvertrages beträfen ohnehin nur dasVerhältnis zwischen den Parteien des Vertrages und stelltendaher keine rechtliche Beratung des Klägers durch die Streitver-kündete als Anwältin dar.

Aufgrund einer Gesamtbetrachtung sei nicht vom Regelfall aus-zugehen, wonach ein Mandat einer Sozietät insgesamt erteiltwerde. So sei insbesondere der Treuhandvertrag nicht auf demKanzleipapier mit dem gemeinsamen Briefkopf, sondern aufneutralem Papier geschrieben worden und nenne als Treuhän-derin ausschließlich die Streitverkündete und nicht (auch) dieBeklagte. Bei dem im Treuhandvertrag genannte Anderkontohandle es sich auch nicht um das auf dem Kanzleibriefbogenangegebene Kanzleikonto. Für die Echtheit der nur in Kopievorgelegten Vollmacht für die Sozietät habe der Kläger keinenBeweis angetreten und auch nicht das Original vorgelegt. Inder Korrespondenz habe der Kläger auch immer nur die Streit-verkündete als Treuhänderin bezeichnet. Die Kündigung des

Pflichten und Haftung des Anwalts

Rechtsanwältin Antje Jungk und Rechtsanwalt Bertin Chab,Allianz Versicherungs-AG, München,

Rechtsanwalt Holger Grams

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218 Pflichten und Haftung des Anwalts BRAK-Mitt. 5/2006

Rechtsprechungsleitsätze

Treuhandvertrages durch den Kläger sei auch nicht an dieAdresse der Kanzlei erfolgt, sondern an die neue Adresse derStreitverkündeten.

Auch aus dem Vortrag der Beklagten, wonach die Streitverkün-dete ihre Angestellte gewesen sei, und den sich der Klägerhilfsweise zu eigen gemacht hatte, ergebe sich nichts anderes.Eine Haftungszurechnung über § 278 BGB scheitere bereitsdaran, dass die Streitverkündete nach den oben dargestelltenFeststellungen des OLG gerade nicht aufgrund eines zwischendem Kläger und der Beklagten zustande gekommenen Vertrags-verhältnisses, sondern aufgrund eines eigenen Vertragsverhält-nisses tätig geworden sei.

Eine Haftungszurechnung scheide auch nach Deliktsrecht aus.Zwar komme eine Zurechnung deliktischen Handelns einesSozius zu Lasten der Sozietät analog § 31 BGB grundsätzlich inBetracht (BGH, NJW 2003, 1445). Dies gelte jedoch nicht beiVorliegen einer bloßen Scheinsozietät, da die von der Recht-sprechung entwickelte Rechtsscheinshaftung eine vertraglicheoder vorvertragliche Rechtsbeziehung mit der (Schein-)Sozietätvoraussetze, die hier gerade nicht gegeben sei. Für das Vorlie-gen einer echten Sozietät habe der Kläger den ihm obliegendenBeweis nicht erbracht.

Außerdem läge auch die weitere Voraussetzung einer Haf-tungszurechnung nach § 31 BGB, nämlich die Schadensverur-sachung durch ein Organ (bzw. hier einen Sozius) in Ausübungeiner ihm zustehenden Verrichtung, nicht vor. Die Art undWeise der Bearbeitung des Treuhandauftrages durch die Streit-verkündete (die im Urteil näher ausgeführt wird) habe erkenn-bar weit außerhalb des Rahmens des eigentlichen Aufgaben-kreises einer Sozia einer Anwaltskanzlei gelegen.

Schließlich scheide auch eine Haftung der Beklagten nach§ 831 BGB aus, da die Streitverkündete bei ihrer Treuhandtätig-keit nicht als Verrichtungsgehilfin der Beklagten tätig gewordensei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die Streitverkün-dete im Rahmen der ihr von der Beklagten anvertrauten Aufga-ben bewegt hätte.

Das Urteil ist zu begrüßen. Es schränkt die – weiterhin erhebli-chen – Risiken von Sozien und Scheinsozien zumindest beinicht anwaltstypischer Tätigkeit und bei einem außerhalb desRahmens der üblichen Aufgaben eines Anwalts liegenden delik-tischen Verhalten in interessengerechter Weise ein wenig ein.

Rechtsanwalt Holger Grams

Rechtsprechungsleitsätze

Prüfung Deckungssumme Rechtsschutzversicherung, Mit-verschulden des Mandanten bei Fehlinformation, „An-waltsgemeinschaft“ ist Scheinsozietät1. Der für § 51b 1. Alt. BRAO maßgebliche Schadenseintritt liegtbei Prozesskostenschäden in der Verwirklichung des erstenGebührentatbestandes.

2. Eine Sekundärhaftung entfällt mit der Beauftragung andererAnwälte gerade auch wegen der Regressfrage, wenn zumindestdie Möglichkeit besteht, dass gegen diese ein (primärer) Regress-anspruch besteht.

3. Bereits vor der Beauftragung eines Berufungsanwalts zur Über-prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung hat der erstinstanz-liche Anwalt jedenfalls dann zu prüfen, ob die Deckungssummezur Durchführung des Berufungsverfahrens ausreicht, wenn erzuvor mit der Einholung einer Kostendeckungszusage betraut warund in Anbetracht der im Einzelfall in Rede stehenden Rechtsver-

folgung mit hohen Streitwerten (hier: Arzthaftungsklage einesberufsunfähig gewordenen Architekten) zumindest begründeteZweifel an einem Enderfolg der Partei ohne von ihr selbst zusätz-lich aufzubringenden Kostenaufwand haben musste.

4. Eine zuvor bei Beginn des Prozesses fehlerhaft erteilte Informa-tion über die Höhe von Verdienstausfallschäden, die nach Beendi-gung des ersten Rechtszuges zu einem hohen, die Deckungs-summe bereits in 1. Instanz erschöpfenden Streitwert geführt hat,begründet kein zurechenbares Mitverschulden bezüglich derinfolge der Beauftragung des Berufungsanwalts entstandenen Kos-ten des zweiten Rechtszuges.

� Die Bezeichnung „Anwaltsgemeinschaft“ erweckt nach außenden Anschein einer Sozietät. (eigener Leitsatz)

� Ein einschlägiger Tätigkeitsschwerpunkt führt nicht zurBegründung eines Einzelmandats. (eigener Leitsatz)

OLG Hamm, Urt. v. 2.3.2006 – 28 U 135/05

Anmerkung:

Die beiden ersten Leitsätze entsprechen gefestigter BGH-Recht-sprechung. Leitsatz 1.: z.B. BGH, NJW 1995, 2039; Leitsatz 2.:BGH, NJW-RR 1996, 313; NJW 2003, 822. Zu Leitsatz 2. ist zuerläutern, dass die neuen Anwälte den Mandanten nicht überRegressansprüche gegen die erste Kanzlei belehrt haben.Daher besteht die Möglichkeit, dass die neuen Anwälte gegen-über dem Mandanten selbst haften. Diese Möglichkeit reichtaus, den Sekundäranspruch gegen den ersten Anwalt entfallenzu lassen.

Leitsatz 3. statuiert eine Ausnahme zu der st. Rspr., dass derAnwalt den Mandanten nicht über die in einem Prozess anfal-lenden Kosten belehren muss (z.B. BGH, NJW 1998, 136 und3486). Wenn der Anwalt die Einholung der Kostendeckungszu-sage der Rechtsschutzversicherung übernommen hat und dieAusschöpfung der Deckungssumme aufgrund der Höhe desStreitwerts (Arzthaftungsprozess für einen berufsunfähig gewor-denen Freiberufler) und begründeter Zweifel an einem Erfolg inder Hauptsache nahe liegt, könne ein Hinweis geboten sein.Die Überprüfung der Höhe der Deckungssumme müsse derAnwalt in einem solchen Fall aus eigener Initiative veranlassen.Der Hinweis müsse erteilt werden, bevor der Anwalt einenanderen Anwalt mit der Prüfung der Erfolgsaussichten der Beru-fung beauftragt, wenn gerade durch die Durchführung derBerufung die Deckungssumme überschritten wird.

Leitsatz 4. betrifft die Frage des Mitverschuldens des Mandan-ten, wenn er seinem Anwalt fehlerhafte Informationen erteilt.Der Mandant hatte dem Anwalt fehlerhafte Informationenerteilt, die zu einem überhöhten Streitwert führten. Diesbegründet aber nach Ansicht des OLG kein Mitverschulden desMandanten an den von ihm zu tragenden Kosten, da derAnwalt unabhängig davon die Überschreitung der Deckungs-summe der Rechtsschutzversicherung durch das Berufungsver-fahren hätte erkennen und verhindern können. Dieser Fehlerwar von der fehlerhaften Information durch den Mandantenunabhängig und begründete daher kein Mitverschulden.

Das Urteil enthält zwei weitere interessante Punkte, die nicht inden Leitsätzen des Gerichts erscheinen: Zum einen stellt dasOLG Hamm fest, dass die Verwendung des Begriffes „Anwalts-gemeinschaft“ auf dem Kanzleibriefkopf nicht geeignet ist, diegesamtschuldnerische Rechtsscheinshaftung aller auf dem Brief-kopf auftretenden Anwälte (st. Rspr. seit BGH, NJW 1971, 1801)entfallen zu lassen (ebenso zum Begriff „Kanzleigemeinschaft“OLG Köln, NJW-RR 2004, 279 = BRAK-Mitt. 2003, 121).

Zum anderen schiebt das OLG dem Versuch der neben demmandatsbearbeitenden Anwalt mitverklagten Anwälte, der(Schein-)Sozienhaftung dadurch zu entgehen, aus einem ein-schlägigen Tätigkeitsschwerpunkt (Arzthaftung) des mandats-bearbeitenden Anwalts ein Einzelmandat zu konstruieren,

Haftung

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BRAK-Mitt. 5/2006 Pflichten und Haftung des Anwalts 219

Rechtsprechungsleitsätze

einen Riegel vor. Ein solches Einzelmandat bedarf einer aus-drücklichen Vereinbarung; nicht einmal eine Einzelvollmachtreicht hierfür aus (BGH, NJW 1978, 996 und 1003).

Rechtsanwalt Holger Grams

„Notiert“-Vermerk in Akte reicht

Ist die Frist zur Berufungsbegründung richtig errechnet und derenEintragung im Fristenkalender des Anwaltsbüros in der Handakteals erledigt notiert, muss der Anwalt die Eintragung im Fristen-kalender nicht noch persönlich überprüfen.

BGH, Beschl. v. 14.6.2006 – IV ZB 18/05

Anmerkung:

Die Berufungsbegründungsfrist war versäumt worden, weil sievon der Bürovorsteherin zwar richtig berechnet und in der Akteals „notiert“ vermerkt, im Fristenkalender versehentlich abernicht eingetragen worden war. Das OLG kreidete dem Prozess-bevollmächtigten an, dass dieser anlässlich der Bearbeitung derAkte bei Vorfristvorlage die Eintragung des Fristablaufs imFristenkalender hätte kontrollieren müssen.

Der Senat weist zutreffend darauf hin, dass eine derart weit rei-chende Verpflichtung im Rahmen der „beiläufigen Fristenprü-fung“ nach st. Rspr. des BGH nicht besteht. Die Fristberech-nung als solche muss der RA überprüfen. Er darf aber daraufvertrauen, dass die Frist nicht nur in der Akte, sondern auch imKalender notiert ist, wenn sich dies aus der Akte ergibt. Dervorgeschriebene Ablauf ist so, dass zunächst die Frist in derAkte vermerkt wird, anschließend in den Kalender eingetragenund als letztes dies in der Akte durch den Vermerk „notiert“festgehalten wird. Wenn dennoch ein Fehler passiert, so ist diesnicht dem Anwalt zuzurechnen. Die zulässige Einschaltungvon Bürokräften bei der Fristüberwachung würde sonst, so derSenat, weitgehend sinnlos.

Rechtsanwältin Antje Jungk

Zurechnung anwaltlichen Verschuldens

Bestellt der Prozessbevollmächtigte einer Partei für diese einenBevollmächtigten für die höhere Instanz, so enthält die Erteilungder Instanzvollmacht zugleich – gegebenenfalls stillschweigend –die Begründung eines Vertragsverhältnisses zur Partei. Das Ver-schulden des auf diese Weise beauftragten Anwalts, der das Man-dat angenommen hat, ist der Partei gem. § 85 Abs. 2 ZPO zuzu-rechnen.

BGH, Versäumnisurt. v. 15.3.2006 – XII ZR 138/01, NJW 2006,2334

Anmerkung:

Der alte Spruch, dass viele Köche den Brei verderben, ist sichernicht immer richtig, im Kern aber durchaus berechtigt. Das istaber noch lange nicht die einzige Lehre, die aus dem VU desBGH zu ziehen ist. Um die Sache zu verstehen, sind die zeitli-chen Ereignisse in der Chronologie zunächst einmal genau zuerfassen.

Ein familienrechtliches Verbundurteil wurde dem erstinstanz-lich tätigen Prozessbevollmächtigten (RA E) am 20.7.2000zugestellt. Dieser legte Berufung ein unter dem 18.8.2000 undstellte zugleich einen Verlängerungsantrag; das Gericht verlän-gerte die Frist zur Begründung daraufhin bis zum 15.11.2000.Schon am 16.10.2000 legte aber der erstinstanzlich tätige Pro-zessbevollmächtigte das Mandat nieder. Die dann eingeschal-

tete Anwältin A brach sich unmittelbar nach Mandatsannahmeein Bein, so dass sie das Mandat gleich wieder niederlegenmusste. Der Mandant blieb anschließend bei der weiterenAnwaltssuche erfolglos, weshalb RA E noch einmal vermittelteund nun für den Mandanten RA B beauftragte. Inzwischen warder Fristablauf nahe gerückt, so dass RA B zunächst einmal nureine Fristverlängerung um einen weiteren Monat beantragenkonnte. Obwohl er die besonderen Umstände darlegte, ver-fügte das Gericht, dass einer Verlängerung die fehlende Anhö-rung der gegnerischen Partei und die Terminierungsreife bzgl.der Berufung der Gegenseite entgegenstehe. Obwohl der Geg-ner sich einen Tag nach Fristablauf mit der Verlängerung ein-verstanden erklärte, wurde die Berufung schließlich mangelsrechtzeitiger Begründung mit Beschluss vom 20.11., zugestelltam 23.11., zurückgewiesen. RA B legte dann am 7.12. dasMandat nieder.

Der Mandant gab sich damit aber nicht zufrieden, er ließ einenweiteren Anwalt am 19.12.2000 Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand beantragen und die Berufung begründen. Das OLGwies den Antrag zurück mit der Begründung, die zweiwöchigeWiedereinsetzungsfrist sei schon am 7.12.2000 abgelaufen.

Der BGH beließ es im Kern dabei, dass der Wiedereinsetzungs-antrag schon an der Versäumung der Wiedereinsetzungsfristscheitern müsse, begründete aber etwas anders. Das Beru-fungsgericht hatte vertreten, dass eine lückenlose Vertretungdes Mandanten gem. § 87 Abs. 2 ZPO bestand. Der BGH korri-giert diese Auffassung und weist darauf hin, dass § 85 Abs. 2ZPO nur dann greift, wenn das Auftragsverhältnis tatsächlichbesteht, was nicht allein über die Vorschrift des § 87 Abs. 2ZPO fingiert werden kann. Ein schuldhaftes Verhalten nachMandatsbeendigung könne der Partei nicht mehr gem. § 85Abs. 2 ZPO zugerechnet werden, § 87 Abs. 2 ZPO ist also einereine Zustellungsvorschrift. Zur Mandatierung des Kollegen Bwar RA E im Rahmen seiner Vollmachten allerdings befugt,§ 81 ZPO. RA B ist auch tatsächlich tätig gewesen und konntesich nicht darauf zurückziehen, das Mandat überhaupt nurunter der Prämisse einer ausreichenden Fristverlängerung füh-ren zu wollen. Was der BGH ihm dann vorhält, ist die Tatsa-che, dass er das Mandat just am 7.12.2000 niederlegte, als dieWiedereinsetzungsfrist ablief. Das war eine Kündigung zurUnzeit und ein schuldhaftes Verhalten. Exakt dieses musstesich der Mandant dann schließlich auch zurechnen lassen.

Aus Mandantensicht bleibt die Lehre, dass die Entscheidungüber die Durchführung eines Rechtsmittels nicht unnötig langehinausgezögert werden sollte und mehrfache Anwaltswechselsich in dieser Zeit besonders ungünstig auswirken können. FürAnwälte gilt im Prinzip das Gleiche. Völlig zu Recht weist derBGH in seiner Entscheidung darauf hin, dass der zuletzt tätigeAnwalt die Berufung doch durchaus rasch begründen konnte.Bevor also weit reichende Fristverlängerungen beantragt wer-den und in der gewonnenen Zeit dann kaum etwas passiert,sollte man überlegen, ob man nicht kurzfristig die Sache selbstvorwärts bringt. Dem Mandanten ist damit ebenso gedient wieder Arbeitsökonomie.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Berufungsbegründungsfrist nach PKH

Der Lauf der Berufungsbegründungsfrist beginnt auch dann nachMaßgabe des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wenn der Rechtsmittel-führer wegen Kostenarmut um Prozesskostenhilfe nachsucht unddeshalb an der Einhaltung dieser Frist gehindert ist. Seit demInkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.August 2004 (BGBl. I S. 2198) steht ihm in diesen Fällen nachWegfall des Hindernisses die Wiedereinsetzungsfrist von einem

Fristen

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220 Personalien BRAK-Mitt. 5/2006

Rechtsprechungsleitsätze

Monat zur Verfügung, innerhalb derer die versäumte Prozess-handlung nachzuholen ist (Abgrenzung zum Beschluss vom9.7.2003 – XII ZB 147/02 – NJW 2003, 3275).

BGH, Beschl. v. 29.6.2006 – III ZA 7/06

Anmerkung:

Mit dem Thema hat sich diese Rubrik bereits in zwei Folgen in2003 beschäftigt (BRAK-Mitt. 2003, 163 und 221). Die Umstel-lung der Frist, innerhalb derer eine Berufung zu begründen ist,erfolgte mit der ZPO-Reform vom 27.7.2001 (BGBl. I, S. 1887).Neu war die Berechnung ab Zustellung des erstinstanzlichenUrteils ohne Abhängigkeit von der Berufungseinlegung. InPKH-Fällen konnte das regelmäßig zu einer Benachteiligungder unbemittelten Partei führen, was den BGH seinerzeit zueiner verfassungskonformen Auslegung des § 236 Abs. 2 ZPOa.F. bewog. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber mit dem imLeitsatz zitierten Justizmodernisierungsgesetz durch eine Erwei-terung des § 234 Abs. 1 ZPO eine Lösung herbeigeführt, indemeinfach die Wiedereinsetzungsfrist verlängert wurde.

Vorliegend hatte die Klägerin gegen das ihr am 17.8.2005zugestellte Urteil am 15.9. Berufung eingelegt und etwas späterPKH für die Durchführung der Berufung beantragt. Außerdemwurde auf Fristverlängerung der Begründungsfrist geachtet, dasGericht hatte zuletzt eine Verlängerung bis zum 16.1.2006gewährt. Der die PKH versagende Beschluss des OLG wurdebereits am 21.12.2005 zugestellt. Der entscheidende Fehlerbestand nun darin, dass die Klägerin für eine Beschwerdegegen diese Entscheidung nochmals einen PKH-Antrag stellte,die ablehnende Entscheidung hierüber ging ihr am 2.2.2006zu, die Berufung wurde schließlich erst am 24.2.2006 begrün-det, verbunden mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in denvorigen Stand, dem das OLG nicht stattgab, so dass die Beru-fung als unzulässig verworfen wurde.

Auch vor dem BGH scheiterte die Klägerin. Der III. ZS siehtnach der Gesetzesänderung keinen Raum mehr für dieursprünglich in der Rspr. angebotenen Lösungswege. Der XII.ZS des BGH (XII ZB 147/02) hatte vor der Neufassung des§ 234 ZPO diesen verfassungskonform dahingehend ausgelegt,dass entweder die zweimonatige Begründungsfrist erst mitZustellung der Entscheidung über die PKH zu laufen beginnt

oder eine einmonatige Begründungsfrist ab Zustellung der Ent-scheidung über die Wiedereinsetzung bzgl. der Berufungsein-legung ausreicht. Das hätte hier aber auch allenfalls zu einerFristerstreckung bis zum 21.2.2006 (zwei Monate nach Zustel-lung des die PKH versagenden Beschlusses) geführt. Auch derPKH-Antrag, der sich auf eine Beschwerde gegen diese Ent-scheidung bezog, konnte nicht zu einer Verlängerung der Fristführen, denn das beabsichtigte Rechtsmittel war mangelsZulassung gar nicht statthaft, so dass insoweit auch mit PKHnicht gerechnet werden durfte.

Die Klägerin hätte also richtigerweise nach Zustellung des diePKH für die Berufung verwerfenden Beschlusses nur die Mög-lichkeit gehabt, die bereits eingelegte Berufung ohne PKH fort-zusetzen und diese bis zum Ende der noch offenen durch dasGericht verlängerten Frist zu begründen. Offen bleibt dabei, obeine Berufungsbegründung verbunden mit einem Wiedereinset-zungsantrag in Anwendung des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO auchnoch bis Montag, 23.1.2006, genügt hätte. Noch zur altenRechtslage hatte der IX. ZS (BGH, NJW 2004, 2902) keinenUnterschied gemacht, ob die Berufungsfrist bei der Bekannt-gabe der Entscheidung über die PKH noch offen war oder nicht.Ob das nach der Gesetzesänderung auch gilt, konnte der BGHhier offen lassen. Würde man allein auf die verlängerte unddamit noch offene Frist abstellen, wäre es riskant, in PKH-FällenVerlängerungsanträge zu stellen, da dies durchaus zu erhebli-chen Fristverkürzungen führen könnte – im Extremfall auf einenTag, wenn die verlängerte Frist am Tag nach Bekanntgabe derPKH-Entscheidung abläuft. Um nicht hier der unbemitteltenPartei durch die Hintertüre wieder erhebliche Nachteile zubescheren, wäre zumindest § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch dannanzuwenden, wenn die Frist bei Bekanntgabe der PKH-Ent-scheidung noch offen ist, aber früher als einen Monat danachabläuft. Wer darin keinen Wiedereinsetzungsfall erblickt, weildas Hindernis bereits vor Ablauf der Frist weggefallen ist,müsste darüber nachdenken, die Lösung, die der Gesetzgeberzu Behebung des Problems mit der Erweiterung des § 234Abs. 1 ZPO angeboten hat, als verfassungswidrig anzusehen,worüber aber dann wohl das BVerfG zu entscheiden hätte.

Rechtsanwalt Bertin Chab

Dr. Leo Elsbernd verstorben

Der Vorstand der RAK für den OberlandesgerichtsbezirkHamm trauert um Dr. Leo Elsbernd, Rechtsanwalt und Notara.D. in Münster (Westf.), Träger des Großen Verdienstkreuzes,des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und derEhrenmedaille der RAK Hamm.

Er verstarb am 11.7.2006 im Alter von 80 Jahren.

Mit Dr. Leo Elsbernd verliert die Anwaltschaft einen herausra-genden Repräsentanten, der ihre beruflichen Interessen in derTradition der freien Advokatur wertbewusst und verlässlich ver-treten hat.

Über drei Jahrzehnte, von 1971 bis 2002, war Dr. Leo ElsberndMitglied des Vorstandes der RAK Hamm. Im Jahre 1982 wurdeer zum Vizepräsidenten gewählt und übte dieses verantwor-

tungsvolle Amt bis zu seinem Ausscheiden aus dem Kammer-vorstand aus. Vom Vertrauen der Kollegenschaft getragen, warer zudem seit 1995 Mitglied der Satzungsversammlung bei derBRAK.

Dr. Leo Elsbernd hat mit großem Engagement und eindrucks-voller Geradlinigkeit die Entwicklung des anwaltlichen Berufs-rechts der letzten Jahre begleitet und geprägt. Mit hoher Sach-kunde und unter Zurückstellung eigener Belange hat er sichnachdrücklich für die Interessen des Berufsstandes eingesetzt.Sein Berufsethos, sein Pflichtbewusstsein und seine persönlicheAutorität waren vorbildlich.

RAuN a.D. Dr. Leo Elsbernd wird uns allen, die ihn kannten,unvergessen bleiben. Wir werden sein Andenken in Ehrenbewahren.

RAuN Dr. Dieter Finzel, Präsident der RAK Hamm

Personalien

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 221

Bundesverfassungsgericht

Schutz von anwaltlichen Kanzleiräumen durch das Grund-recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung

StPO § 102 Abs. 1, § 103c; StGB § 261; GG Art. 12, GG Art. 13*1. Maßnahmen, die geeignet sind, das Entstehen eines Vertrau-ensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant, dasunverzichtbare Grundlage einer effektiven Strafverteidigung ist,zu stören oder gar auszuschließen und Kollisionen zu erzeugen,die den Strafverteidiger daran hindern können, die Interessen sei-nes Mandanten wirksam zu vertreten, greifen in die Berufsaus-übungsfreiheit des Strafverteidigers ein.

*2. Die herausgehobene Bedeutung der unkontrollierten Berufsaus-übung gebietet die besonders sorgfältige Beachtung der Eingriffs-voraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

*3. Das Gewicht des Eingriffs verlangt Verdachtsmomente, dieüber vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen.Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sach-lich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung oderden schwer wiegenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheiteines RA nicht mehr finden lassen.

BVerfG, Beschl. v. 4.7.2006 – 2 BvR 950/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Zur Unabhängigkeit der Anwaltsgerichtsbarkeit

BRAO § 100, § 103 Abs. 2 Satz 1, § 104; § 223; GG Art. 101Abs. 1 Satz 2; EGV Art. 10, Art. 81*1. Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde eines RA dagegen,dass das OVG die seinen Zulassungsantrag ablehnende Entschei-dung dem EuGH nicht vorgelegt hat, bestehen bereits Zweifel ander Zulässigkeit, wenn versäumt worden ist, im Verfahren vordem OVG darzulegen, warum aus seiner Sicht Anlass für die Ein-leitung eines Vorabentscheidungsverfahrens bestand.*2. Die Rechtswegzuweisung an ein berufsständisches Gericht fürRechtsbehelfe gegen Entscheidungen, mit denen die RAK dieZulassung zu einem Gericht verweigert hat, würde nur dann inwettbewerbsrechtlicher Hinsicht auf gemeinschaftsrechtliche Ein-wände stoßen, wenn das Gericht gegenüber den Kammerorganennicht unabhängig wäre. In einem solchen Fall bestünde dieGefahr, dass die Kammer als Unternehmensvereinigung i.S.d.Art. 81 EG durch ihre Zulassungspraxis und die anschließendeinterne Kontrolle den Wettbewerb beschränkt.*3. Da AGH staatliche Gerichte sind und der Aufsicht durch dieLandesjustizverwaltungen unterliegen, sind diese unabhängig.Weitere Belege für die Unabhängigkeit sind die Besetzung derSenate mit zwei Berufsrichtern sowie die Unvereinbarkeit derehrenamtlichen Richtertätigkeit mit einer Funktion im Vorstandoder im Haupt- oder Nebenberuf einer RAK.BVerfG, Beschl. v. 26.6.2006 – 2 BvR 609/06Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Anmerkung der Redaktion:

Zum Antrag eines englischen Solicitors auf vorzeitige Zulas-sung zum OLG vgl. auch AGH Sachsen-Anhalt, BRAK-Mitt.2006, 175.

Berufsrechtliche Rechtsprechung

Bundesverfassungsgericht*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Anmerkung:

Der Nichtannahmebeschluss des BVerfG enthält einebedeutende Aussage zur Stärkung der unabhängigenAnwaltsgerichtsbarkeit und damit eine Bestätigung der exis-tierenden Selbstverwaltung der deutschen Anwaltschaft.

Ein niedergelassener europäischer RA begehrt die Zulassungzum OLG, ist allerdings noch nicht fünf Jahre an einemerstinstanzlichen deutschen Gericht zugelassen. Folgerichtigwird sein Antrag von der zuständigen RAK abgelehnt. Hier-gegen klagt der Anwalt vor dem VG, nicht vor dem eigent-lich zuständigen AGH. Er begründet sein Vorgehen damit,dass aus europarechtlichen Gründen die §§ 37 ff. BRAOunanwendbar seien und daher § 40 Abs. 1 VwGO einschlä-gig sei. In der Sache trägt er vor, dass die Nichtzulassungdurch die RAK gegen Art. 10, 81 EG-Vertrag verstieße, da erim Wettbewerb mit anderen europäischen und deutschenAnwaltskollegen benachteiligt sei.

Das VG verwies den Rechtsstreit nach § 17a Abs. 2 Satz 1GVG an den zuständigen AGH. Dagegen erhob der AnwaltBeschwerde zum OVG mit der Begründung, das VG habesich nicht mit seinem europarechtlichen Vortrag auseinan-der gesetzt und insoweit die Rechtsprechung des EuGHmissachtet. Das OVG wies die Beschwerde zurück und ließdie weitere Beschwerde nicht zu. Im Ergebnis seien dieRegelungen der BRAO europarechtskonform, insbesonderegewährleiste die Anwaltsgerichtsbarkeit eine unabhängigegerichtliche Kontrolle. Der AGH hat das Begehren des Ast.auf Zulassung zum OLG zwischenzeitlich vollumfänglichabgewiesen (vgl. BRAK-Mitt. 2006, 175).

In seiner Verfassungsbeschwerde rügt der europäischeAnwalt eine Verletzung seines Rechts auf den gesetzlichenRichter gem. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG mangels Vorlagezur Vorabentscheidung an den EuGH nach Art. 234 EG. ImErgebnis wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Ent-scheidung angenommen.

Im Wesentlichen rügt der Bf., dass sich das VG nicht mit sei-nem Vortrag zum Europarecht auseinander gesetzt hat. Ermeint, dass die in der BRAO geregelte Anwaltsgerichtsbar-keit nicht mit den Grundsätzen des europäischen Wettbe-werbsrechts vereinbar sei. Hier bezieht sich der beschwer-deführende europäische RA auf die Schlussanträge inSachen „Wouters“ (Rs. C-309/99). Generalanwalt Légererörtert in seinen Ausführungen zur Wettbewerbskonformi-tät von Tätigkeiten der RAKn, inwieweit der Staat Befugnissean Berufsorganisationen übertragen darf. Dabei entwickeltder Generalanwalt Kriterien, mit denen ein Ausgleich herge-stellt werden kann zwischen der Notwendigkeit, den freienBerufen gewisse Befugnisse zur Selbstregulierung zuzuer-kennen, und dem Erfordernis der Vermeidung möglicherwettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen, die mit sol-chen Befugnissen verbunden sind. Ein Kriterium betreffe dieden Berufsangehörigen offen stehenden Rechtsbehelfe. DieBerufsausübenden müssen zur Anfechtung der von denKammerorganen getroffenen Entscheidungen berechtigt

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222 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

sein, so dass sie gegen möglicherweise innerhalb desBerufsstands auftretende wettbewerbswidrige Verhaltens-weisen vorgehen können. Insoweit erscheint dem General-anwalt ein Rechtsbehelf vor den Kammerorganen nicht aus-reichend, um eine tatsächliche Überwachung durch dieBehörden zu gewährleisten. Eine solche Überwachung setztvielmehr voraus, dass die Berufsausübenden die Möglich-keit haben, die ordentlichen Gerichte, d.h. eine Gerichts-barkeit außerhalb des Berufsstands, anzurufen. Die gericht-liche Kontrolle darf sich dabei nicht nur auf Einzelfallent-scheidungen erstrecken, sondern muss auch Maßnahmenmit allgemeiner Geltung einbeziehen (Schlussanträge zuRs. 309/99, Slg. 2002, I-1577, Rdnr. 210 ff.). Im Falle „Wou-ters“ sah der Generalanwalt das Kriterium des Rechtsbehelfsals erfüllt an. In den Niederlanden besteht die Möglichkeit,die ordentlichen Gerichte anzurufen, um eine betreffendeEinzelfallentscheidung der Kammerorgane anzufechten. DerGeneralanwalt kam zu dem Ergebnis, dass den in den Nie-derlanden zugelassenen RAen gegen individuelle und allge-meine Entscheidungen der Kammerorgane ein wirksamerRechtsbehelf vor den ordentlichen Gerichten zur Verfügungstehe (Schlussanträge zu Rs. 309/99, Slg. 2002, I-1577,Rdnr. 227).Im vorliegenden Fall sah das BVerfG durch die unterblie-bene Vorlage des OVG an den EuGH keine Verletzung desRechts auf den gesetzlichen Richter gem. Art. 101 Abs. 1Satz 2 GG. Zwar habe der EuGH noch nicht über dieGemeinschaftskonformität abdrängender Rechtswegzuwei-sungen an berufsständische Gerichtshöfe zu entscheidengehabt (der EuGH hat die Überlegungen des Generalan-walts im Urteil „Wouters“ nicht aufgegriffen), eine Vorlagewar aber entbehrlich. Zu Recht habe das OVG die Art. 81,10 EG dahingehend ausgelegt, dass die Anwaltsgerichtsbar-

keit in Deutschland eine unabhängige Überprüfung vonKammerentscheidungen gewährleistet. Als staatlicheGerichte, so das BVerfG, sind die Anwaltsgerichtshöfe (vgl.§§ 100 ff. BRAO) unabhängig und verfolgen keine eigenenberufspolitischen Interessen. Sie unterliegen der Aufsichtdurch die Landesjustizverwaltungen (vgl. §§ 100 Abs. 1Satz 2, 92 Abs. 3 BRAO), die über die Besetzung entschei-den (vgl. §§ 101 Abs. 3, 102 Abs. 1, 103 Abs. 1 BRAO).Weitere Belege für die Unabhängigkeit, so das BVerfG,seien die Besetzung der Senate mit drei anwaltlichen Rich-tern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Berufsrich-tern (vgl. § 104 BRAO) sowie die Unvereinbarkeit derehrenamtlichen Richtertätigkeit mit einer Funktion im Vor-stand oder im Haupt- oder Nebenberuf einer RAK (vgl.§§ 103 Abs. 2 Satz 1, 94 Abs. 3 Satz 2 BRAO).

Die Entscheidung des BVerfG ist sehr zu begrüßen. Deutlichwird die unabhängige Kontrollinstanz der deutschenAnwaltsgerichtsbarkeit herausgearbeitet. Damit stellt sichdas BVerfG hinter die Anwaltsgerichtsbarkeit und die beste-hende Selbstverwaltung der Anwaltschaft. Das BVerfG siehtauch aus europarechtlicher Perspektive das Aufsichts- undDisziplinarsystem in Deutschland außerhalb des Kartellver-dachts. Etwaige Interessenkollisionen zwischen Regulativeund Interessenvertretung finden aufgrund der unabhängigenÜberprüfung von Kammerentscheidungen im Administrativ-und Disziplinarbereich nicht statt. Vor dem Hintergrund derin einigen Mitgliedstaaten der EU stattfindenden Reformendes Rechtsberatungsmarktes wegen Missständen der Selbst-verwaltung ist diese BVerfG-Entscheidung ein wichtigerMeilenstein zur Stärkung der deutschen Selbstverwaltung.

RA Dr. Wolfgang Eichele, LL.M., Geschäftsführer der BRAK,Berlin

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Zulassung – unvereinbare Angestelltentätigkeit bei einerBank

BRAO § 7 Nr. 8

*1. Eine Angestelltentätigkeit im Geschäftsbereich Vermögensbe-ratung (Private Banking) einer Bank ist mit dem Anwaltsberufgrundsätzlich unvereinbar.

*2. Da sich eine Rechtsberatung der Bankkunden in Bezug aufdessen Vermögensnachfolge vom Geschäftsinteresse der Bank,Kunden für die Anlage- und Dienstleistungsprodukte desGeschäftsbereichs Private Banking zu gewinnen, nicht trennenlässt, besteht die Gefahr von Interessenkollisionen.

*3. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass das Wissen, das derBerufsträger als RA aus der Beratung seiner Mandanten auch überderen Vermögensverhältnisse erlangt, dazu genutzt werdenkönnte, diesen eine Vermögensanlage bei der Bank zu empfehlen,die er als unabhängiger RA nicht empfehlen dürfte.

BGH, Beschl. v. 15.5.2006 – AnwZ (B) 41/05

Aus den Gründen:

[1] I. Der Ast. legte am 5.1.1990 die zweite juristische Staats-prüfung ab und trat am 15.1.1990 eine Anstellung bei derB…bank AG zunächst in S. und ab August 1994 in F. an. Seit

Juli 2002 ist er bei der B…bank AG W. im Bereich Private Ban-king als Fachbetreuer mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Erb-schafts- und Stiftungsmanagement und einer Fachausbildungzum „Certified Estate Planner“ beschäftigt.[2] Der Ast. beantragte bei der Agin. mit Schr. v. 20.10.2003die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und als RA bei dem AGund dem LG W. Die Agin. wies den Antrag mit Bescheid v.9.6.2004 zurück. Der AGH hat den Bescheid der Agin. aufge-hoben und die Agin. verpflichtet, den Ast. zur Rechtsanwalt-schaft und als RA beim LG und AG W. zuzulassen. Gegendiese Entscheidung wendet sich die Agin. mit ihrer sofortigenBeschwerde. Die Beteiligten haben im Beschwerdeverfahrenauf mündliche Verhandlung verzichtet.[3] II. Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 2 und 4 BRAO)und hat auch in der Sache Erfolg. Die Agin. hat dem Ast. dieZulassung zur Rechtanwaltschaft zu Recht nach § 7 Nr. 8 BRAOversagt. Die vom Ast. ausgeübte Tätigkeit als Angestellter imGeschäftsbereich Private Banking der B…bank ist entgegen derAuffassung des AGH mit dem Anwaltsberuf unvereinbar.[4] 1. Nach § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft zu versagen, wenn der Bewerber eine Tätigkeit ausübt,die mit dem Beruf des RA, insbesondere seiner Stellung alsunabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 223

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. DieRegelung greift in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1GG) ein, die grundsätzlich auch das Recht umfasst, mehrereBerufe zu wählen und nebeneinander auszuüben (BVerfGE 87,287, 316). Gegen die gesetzliche Beschränkung der Berufswahldurch die Zulassungsschranke in § 7 Nr. 8 BRAO bestehen vonVerfassungs wegen keine Bedenken; sie dient – ebenso wie dieentsprechende Vorschrift über den Widerruf der Zulassung in§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO – der Funktionsfähigkeit der Rechts-pflege (BVerfGE, a.a.O., 321). Das Ziel der Regelungen bestehtdarin, die fachliche Kompetenz und Integrität sowie ausrei-chenden Handlungsspielraum der RAe zu sichern sowie dienotwendigen Vertrauensgrundlagen der Rechtsanwaltschaft zuschützen (BVerfGE, a.a.O.). Daher kommt es bei der Frage derVereinbarkeit des Anwaltsberufs mit anderen Tätigkeiten nichtnur auf die Integrität des einzelnen Bewerbers und die Beson-derheiten seiner beruflichen Situation an; selbst wenn diese imEinzelfall durchaus günstig beurteilt werden könnten, soll darü-ber hinausgehend berücksichtigt werden, ob die Ausübung deszweiten Berufs beim rechtsuchenden Publikum begründeteZweifel an der Unabhängigkeit und Kompetenz eines RAwecken müsste und dadurch das Ansehen der Rechtsanwalt-schaft insgesamt in Mitleidenschaft gezogen würde (BVerfGE,a.a.O., 320 f.).

[5] Unabhängigkeit und Integrität eines RA sowie dessen maß-gebliche Orientierung am Recht und an den Interessen seinerMandanten können insbesondere bei einer erwerbswirtschaftli-chen Prägung des Zweitberufs gefährdet sein; Interessenkollisi-onen liegen vor allem dann nahe, wenn ein kaufmännischerBeruf die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die ausder rechtsberatenden Tätigkeit stammen (BVerfGE, a.a.O.,329).

Angesichts der Vielfalt kaufmän-nischer Betätigungen kommt esdarauf an, ob sich der erwerbs-wirtschaftlich ausgerichtete

Zweitberuf von dem Tätigkeitsfeld des RA, zumindest mit Hilfevon Berufsausübungsregelungen, unschwer trennen lässt oderob sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeich-net und nicht mit Hilfe von Berufsausübungsregelungen ban-nen lässt (BVerfGE, a.a.O., 330). Insoweit ist es Aufgabe derRspr., die denkbaren Gefahren für die Rechtspflege, die voneiner erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit des RA ausgehen, zuerfassen und je nach ihrer Wahrscheinlichkeit den verschiede-nen Berufsgruppen zuzuordnen (BVerfG, a.a.O.).

[6] 2. Nach Maßgabe dieser verfassungsrechtlichen Vorgabenhat die Agin. den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaftmit Recht zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des AGHist die Angestelltentätigkeit des Ast. bei der B…bank mit demAnwaltsberuf nicht vereinbar.

[7] a) Nach der Rspr. des BGH sind Tätigkeiten eines RA imVersicherungs-, Finanzdienstleistungs- und Maklergewerbei.d.R. mit dem Anwaltsberuf unvereinbar (Senatsbeschl. v.14.6.1993 – AnwZ [B] 15/93, BRAK-Mitt. 1994, 43; Senatsbe-schl. v. 13.2.1995 – AnwZ [B] 71/94, NJW 1995, 2357; Senats-beschl. v. 21.7.1997 – AnwZ [B] 15/97, BRAK-Mitt. 1997, 253;Senatsbeschl. v. 18.10.1999 – AnwZ [B] 97/98, BRAK-Mitt.2000, 43; Senatsbeschl. v. 13.10.2003 – AnwZ [B] 79/02, NJW2004, 212 = BRAK-Mitt. 2004, 79). Für die vom Ast. ausgeübteTätigkeit als Erbschafts- und Stiftungsmanager und „CertifiedEstate Planner“ im Geschäftsbereich Private Banking derB…bank gilt nichts anderes. Zwar hat der BGH in besondersgelagerten Einzelfällen eine Anwaltstätigkeit auch neben einerBeschäftigung in einem gewerblichen Unternehmen der obengenannten Art zugelassen, wenn der RA in seinem Zweitberufmit der akquisitorischen oder maklerischen Tätigkeit des betref-

fenden Unternehmens selbst nicht befasst war (vgl. Senatsbe-schl. v. 21.11.1994 – AnwZ [B] 44/94, NJW 1995, 1031 =BRAK-Mitt. 1995, 163; v. 11.12.1995 – AnwZ [B] 32/95, NJW1996, 2378 = BRAK-Mitt. 1996, 78 und v. 11.10.2000 – AnwZ[B] 54/99, BRAK-Mitt. 2001, 90). Ein solcher Fall liegt hierjedoch nicht vor.

[8] b) Das Aufgabengebiet des Ast. als Erbschafts- und Stif-tungsmanager gehört zum Geschäftsbereich Private Bankingder B…bank und ist eingebunden in die auf Gewinnerwirt-schaftung ausgerichtete Vermögensanlageberatung seitens derBank. Es zielt nach den vom Ast. vorgelegten Unterlagen aufeine ganzheitliche Beratung des Bankkunden in Bezug auf des-sen Vermögensnachfolge ab. Dem Ast. obliegt es, die Einkom-mens- und Vermögensverhältnisse des Kunden unter erbrecht-lichen und steuerlichen Gesichtspunkten zu begutachten undauf dieser Grundlage Handlungs- und Gestaltungsalternativenhinsichtlich letztwilliger Verfügungen, lebzeitiger Vermögens-übertragungen, der Sicherung der eigenen Belange des Kun-den, der Gründung von Gesellschaften und Stiftungen, zumnotwendigen Abgleich der getroffenen Erbfolgeregelung mitGesellschaftsverträgen und zur Ausarbeitung der erforderlichenVertrags- und Testamentsentwürfe vorzuschlagen. Der Ast.erhält die zu begutachtenden Fälle vom Kundenbetreuer über-tragen, der die Inhalte des Gutachtens an den Kunden weiter-gibt; im Einzelfall wird der Ast. zur fachlichen Erläuterung hin-zugezogen.

[9] Eine solche Rechtsberatung gegenüber den Bankkunden,die im Geschäftsinteresse der Bank vorgenommen wird, ist mitdem Anwaltsberuf unvereinbar. Zwar darf die Zulassung zurRechtsanwaltschaft nicht allein deshalb verweigert werden,weil der Berufsbewerber in seinem Zweitberuf als Angestellterverpflichtet ist, Dritte im Auftrag eines standesrechtlich unge-bundenen Arbeitgebers rechtlich zu beraten (BVerfGE, a.a.O.,Leits. 4). Ob die Beratungstätigkeit des Ast. bereits deshalb mitdem Anwaltsberuf nicht vereinbar ist, weil die Bank mit derRechtsberatung ihrer Kunden durch den Ast. das Rechtsbera-tungsgesetz umgeht, also verbotene Rechtsberatung betreibt(vgl. BVerfGE, a.a.O., 327), kann dahinstehen. Jedenfallsbesteht hier unter zwei Gesichtspunkten die Gefahr von Inte-ressenkollisionen, denen sich nicht durch Berufsausübungsre-gelungen begegnen lässt und die deshalb die Versagung derZulassung zur Rechtsanwaltschaft rechtfertigen.

[10] aa) Die dem Ast. obliegendeRechtsberatung des Bankkundenin Bezug auf dessen Vermögens-nachfolge lässt sich vom Ge-schäftsinteresse der Bank, Kunden für die Anlage- und Dienst-leistungsprodukte des Geschäftsbereichs Private Banking zugewinnen, nicht trennen. Das Beratungsangebot der Bank anihre Kunden gehört zum Vertriebskonzept der Bank. Zwar istder Ast. als Fachbetreuer mit dem Vertrieb der Bankprodukteselbst nicht befasst; dies ist Aufgabe der Kundenbetreuer. Dievom Ast. ausgesprochenen Handlungsempfehlungen bzgl. derVermögensnachfolge des Kunden dienen aber unmittelbar derakquisitorischen Tätigkeit der Kundenbetreuer, auch wenn derAst. selbst im Gegensatz zu den Kundenbetreuern nicht an Ver-triebszielen gemessen wird. Die Rechtsberatung durch den Ast.und die Anlageberatung durch den Kundenbetreuer gehenHand in Hand. Welche Anlage- und Dienstleistungsproduktefür den Kunden in Betracht kommen, hängt auch von den Vor-schlägen des Ast. zur rechtlichen Gestaltung der Vermögens-nachfolge des Kunden ab. Das Gutachten des Ast. versetzt dieKundenbetreuer in die Lage, Empfehlungen zugunsten der vonder Bank angebotenen Anlage- und Dienstleistungsprodukteauszusprechen, und fördert dadurch den Vertrieb dieser Pro-

Gefahr einerInteressenkollision

Geschäftsinteresseder Bank

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224 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

dukte. Zu diesem Zweck beschäftigt die Bank den Ast., unddazu ist er aufgrund seines Anstellungsvertrages auch verpflich-tet. Daraus folgt nicht, dass der Ast. die Kunden unsachgemäßzu beraten hätte – dies läge auch nicht im Interesse der Bank.Aufgrund der Eingebundenheit des Ast. in den Vertrieb derBankprodukte liegt aber die Gefahr auf der Hand, dass sich derAst. bei seinen Ratschlägen zur Regelung der Vermögensnach-folge des Kunden nicht nur von dessen Interessen, sondernauch von dem Interesse der Bank leiten lässt, die Regelung derVermögensnachfolge so zu beeinflussen, dass die Anlage- undDienstleistungsprodukte der Bank – etwa zur Verwaltung desVermögens einer nach dem Vorschlag des Ast. zu gründendenStiftung oder zur Sicherung der Altersversorgung des Kundenbis zum Erbfall – dem Kunden sinnvoll erscheinen.

[11] Eine derartige, vom Geschäftsinteresse der Bank nicht zutrennende und damit nicht unabhängige, sondern von einemfremden wirtschaftlichen Interesse mitbestimmte Rechtsbera-tung des Bankkunden durch einen hierfür angestellten Mitar-beiter der Bank ist – anders als etwa die Tätigkeit als Syndikusin der Rechtsabteilung der Bank – mit dem Berufsbild des RAund seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflegenicht vereinbar;

sie gefährdet darüber hinausauch das Vertrauen der Öffent-lichkeit in die Unabhängigkeitdes RA. Auch wenn die individu-elle Integrität des Ast. nicht in

Zweifel zu ziehen ist, kann seine im Interesse der Bank vorge-nommene Rechtsberatung beim rechtsuchenden Publikumbegründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit wecken unddadurch auch das Ansehen der Rechtsanwaltschaft insgesamtbeeinträchtigen (vgl. BVerfGE, a.a.O., 320 f.). Diese Gefahrliegt hier besonders deshalb nahe, weil bei einer Zulassung desAst. zur Rechtsanwaltschaft gegenüber dem Bankkunden derEindruck vermittelt würde, dass die von der Bank angeboteneRechtsberatung, da sie von einem RA ausgeführt wird, unab-hängig und allein vom Kundeninteresse geleitet sei. Dieser Ein-druck wäre jedoch objektiv nicht gerechtfertigt. Deshalbkönnte das Ansehen der Rechtsanwaltschaft Schaden leiden,wenn eine solche Beratungstätigkeit im Geschäftsinteresseeiner Bank – unter Inanspruchnahme des Ansehens desAnwaltsberufs – von einem zugelassenen RA neben seinerAnwaltstätigkeit ausgeübt werden dürfte.

[12] Dieser Gefahr lässt sich nicht durch Berufsausübungsrege-lungen begegnen. Sie würde insbesondere nicht dadurch aus-geräumt, dass der Ast. sich etwa verpflichtete, im Rahmen sei-ner rechtsberatenden Angestelltentätigkeit innerhalb der Banknicht als RA aufzutreten und sich als solcher nicht zu erkennenzu geben. Dies würde an dem zugrunde liegenden Interessen-konflikt, in dem sich der Ast. bei der Rechtsberatung der Bank-kunden befindet, nichts ändern. Auch würde die Unvereinbar-keit beider Tätigkeiten gerade durch eine derartige Selbstver-leugnung des RA deutlich werden, wenn diese als erforderlichanzusehen wäre, um die Verquickung des Anwaltsberufs mitdem im Dienst der Bank ausgeübten Zweitberuf zu verdecken.Im Übrigen wäre der Ast. an eine solche Selbstbeschränkung,wenn er als RA zugelassen ist, rechtlich nicht gebunden; ihreEinhaltung ist auch nicht überprüfbar.

[13] bb) Darüber hinaus besteht im Falle einer Zulassung desAst. zur Rechtsanwaltschaft die Gefahr, dass dieser das Wissen,das er als RA aus der Beratung seiner Mandanten auch überderen Vermögensverhältnisse erlangt, dazu nutzen könnte, sei-nen Mandanten eine Vermögensanlage bei der B…bank zuempfehlen, die er als unabhängiger RA nicht empfehlen dürfte(vgl. Senatsbeschl. v. 13.10.2003, a.a.O., unter II 2 a). Zwar

liegt bei Ausübung eines Zweitberufs eine Interessenkollision,die das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit gefährdenkönnte, nicht schon dann vor, wenn das Wissen aus der einenoder anderen Tätigkeit für die jeweils andere von Interesse undihr vorteilhaft ist (Senatsbeschl. v. 19.6.1995 – AnwZ [B] 4/95,BRAK-Mitt. 1995, 213; Senatsbeschl. v. 11.12.1995, a.a.O.).Erforderlich ist vielmehr, dass die zweitberufliche Tätigkeit desAnwalts bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise von Seitender Mandantschaft die Wahrscheinlichkeit von Pflichtenkollisi-onen nahe legt (Senatsbeschl. v. 19.6.1995, a.a.O. unter II 1 bbb; Senatsbeschl. v. 13.10.2003, a.a.O. unter II 2 b). So verhältes sich im vorliegenden Fall.

[[14] RAe erhalten bei der Ausü-bung ihres Berufs vielfach Kennt-nis von Geld- oder Immobilien-vermögen ihrer Mandanten (vgl.Senatsbeschl. v. 13.10.2003, a.a.O. unter II 2 a). Auch wennder Ast. als Fachbetreuer im Private Banking der B…bank selbstnicht an Vertriebszielen gemessen wird, liegt aufgrund der dar-gelegten Verflochtenheit seiner Angestelltentätigkeit mit demGeschäftsinteresse der Bank objektiv die Gefahr nahe, dass derAst., dessen persönliche Integrität nicht in Frage gestellt werdensoll, seinen Mandanten, die hierfür in Frage kommen, Anlage-und Dienstleistungsprodukte der Bank empfehlen könnte oderdass er die Kundenbetreuer, mit denen er zusammenarbeitet,auf solche Mandanten aufmerksam macht. Auch unter diesemGesichtspunkt verhält es sich hier anders als bei einem Bank-syndikus, der etwa im Rahmen seiner selbstständigen Anwalts-tätigkeit „nebenbei“ auch auf vorteilhafte Kredite oder Vermö-gensanlagen seiner Bank hinweisen könnte, ohne dass dabei –wie hier – ein Zusammenhang mit seinem Aufgabenbereichinnerhalb der Bank besteht (vgl. Senatsbeschl. v. 13.10.2003,a.a.O. unter II 2 b). Im vorliegenden Fall lässt sich dagegen auf-grund der Eingebundenheit des Ast. in das Private Banking derB…bank die Gefahr, dass der Ast. in einer daneben ausgeübtenAnwaltstätigkeit werbend auch für die Bank tätig wird, nichtvon der Hand weisen. Dass sich diese Gefahr und die damitverbundene Kollision zwischen den Pflichten des Ast., die ihmals RA gegenüber seinen Mandanten obliegen würden, undden Interessen der Bank, denen der Ast. aufgrund seinesAnstellungsvertrages verpflichtet ist, mit Berufsausübungsrege-lungen allein nicht beherrschen lässt, liegt auf der Hand.

Zulassung – Widerruf bei einem Kirchenbeamten aufLebenszeit

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 5*1. Der Wortlaut der Vorschrift des § 14 Abs. 2 Nr. 5 BRAO gibtkeinen Anhalt dafür, dass von dieser Regelung nur Beamte imstaatlichen Dienst erfasst werden. Darauf, ob und in welchemUmfang der Beamte im Einzelnen hoheitlich tätig wird, kommt esdaher grundsätzlich nicht an.

*2. Ein Kirchenbeamter unterliegt in den relevanten Kernberei-chen im Wesentlichen den gleichen Bindungen und Verpflichtun-gen wie ein Beamter im staatlichen Dienst. Insbesondere darf erdie Anwaltstätigkeit nur als genehmigungspflichtige Nebenbe-schäftigung ausüben.

BGH, Beschl. v. 15.5.2006 – AnwZ (B) 43/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Anmerkung der Redaktion:

Mit einer einstweiligen Anordnung ist die Vollziehung die-ses Beschlusses vom BVerfG ausgesetzt worden (1 BvR1887/06).

Gefährdung desVertrauens in dieUnabhängigkeit

Kenntnis vom Vermö-gen der Mandanten

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 225

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Zulassung – Versagung wegen vorheriger Anstellung alsBeamter auf Lebenszeit im gleichen Landgerichtsbezirk

BRAO § 20 Abs. 1 Nr. 1

*1. Angesichts einer über einen Zeitraum von 30 Jahren ausgeüb-ten Tätigkeit in der hervorgehobenen Stellung als Leiter desRechtsamts einer Stadt kann ein Rechtsuchender den Eindruckgewinnen, diese Person könne als nunmehr in derselben Stadtzugelassener RA für seine Mandanten mehr bewirken als andereRAe.

*2. Wirtschaftliche Nachteile, insbesondere der Umstand, dass esbei einer Zulassung in einem anderen LG-Bezirk nicht möglich ist,die Kanzleiräume in dem sich am früheren Dienstort befindlichenEigenheim einzurichten, sind nicht geeignet, eine Versagung alsunzumutbar erscheinen zu lassen.

BGH, Beschl. v. 15.5.2006 – AnwZ (B) 46/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Zulassung – unvereinbare Tätigkeit bei einer Rechtsschutz-versicherung

BRAO § 7 Nr. 8

*1. Interessenkollisionen, die die anwaltliche Unabhängigkeitgefährden, liegen nicht schon grundsätzlich dann vor, wenn dasWissen aus der einen Tätigkeit für die jeweils andere von Inter-esse und ihr vorteilhaft ist.

*2. Bei einem Angestellten eines Versicherungsunternehmensbesteht jedoch die Gefahr einer Interessenkollision, weil dieserbei einer anwaltlichen Beratung gerade typischerweise Informati-onen erhält, die für seine nichtanwaltliche Tätigkeit von Bedeu-tung sind.

*3. Dass der Angestellte nicht im eigenen Courtage-Interesse han-delt und etwaige Vertragsabschlüsse durch die – von ihm betreu-ten – Außendienstmitarbeiter der Konsortialpartner erfolgen,steht dem nicht entgegen.

BGH, Beschl. v. 15.5.2006 – AnwZ (B) 53/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Europäischer Rechtsanwalt – Zulassung zur deutschenRechtsanwaltschaft nach dreijähriger Tätigkeit

EuRAG § 11 Abs. 1, § 12

*1. Eine effektive Tätigkeit i.S.d. § 11 Abs. 1 EuRAG kann grund-sätzlich auch bei einer Teilzeitbeschäftigung – beispielsweiseeiner Tätigkeit an einer Universität an zwei Wochentagen – vor-liegen.

*2. Darüber hinaus kann nicht verlangt werden, dass der Anwaltselbstständig in dem Sinne tätig geworden ist, dass er alle Angele-genheiten vollständig allein bearbeitet hat. Insbesondere zuBeginn der Tätigkeit ist eine Beratung und Unterstützung durchdeutsche Kollegen möglich.

*3. Wegen des Fehlens jeglicher Überprüfung der Kenntnisse undFähigkeiten des Bewerbers muss jedoch die tatsächliche Tätigkeitein Mindestmaß an Rechtskenntnissen und anwaltlicher Erfahrunggewährleisten. Daher ist jeweils eine gewisse Anzahl an bearbei-teten Fällen unabdingbar. Wie hoch diese Zahl sein muss, kannnicht abstrakt festgelegt werden, sondern hängt auch vomUmfang der jeweiligen Angelegenheit ab sowie vom Anteil desAst. an der Bearbeitung.

Niedersächsischer AGH, Beschl. v. 27.7.2006 – AGH 14/05

Aus den Gründen:

I. Die Astin. begehrte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaftnach § 11 Abs. 1 EuRAG.

Die Astin. ist spanische RAin und seit dem ... 2000 Mitglied derRAK Madrid. Auf ihren Antrag wurde sie am ... 2001 in dieRAK aufgenommen und zugleich als europäische RAin gem.§ 4 Abs. 1 EuRAG i.V.m. § 18 Abs. 1 u. 2BRAO beim AG ...und beim LG ... zugelassen. Sie ist seit Ende des Jahres 2000 andrei Tagen in der Woche in der RA-Kanzlei ... beschäftigt, anzwei Tagen in der Woche ist sie als wissenschaftliche Mitarbei-terin an der Universität ... tätig. Im Jahr 2004 hat sie vom 1.3.bis 31.7. ein Praktikum beim Legal Service der EuropäischenKommission in Brüssel absolviert.

Mit Schr. v. 14.2.2005 hat die Astin. die Zulassung zur Rechts-anwaltschaft als deutsche Anwältin unter Beibehaltung derZulassung beim AG und LG ... beantragt. Dem Antrag war derNachweis der Haftpflichtversicherung sowie der Zahlung dererforderlichen Gebühr beigefügt; ferner hatte die Astin. bereitsmit Schr. v. 1.2.2005 eine Liste der von ihr im deutschen Rechtim Zeitraum November 2000 bis Januar 2005 bearbeitetenRechtssachen beigefügt. Die Liste umfasst 135 Ziffern.

Am 28.2.2005 fand in den Räumen der Kanzlei ... einGespräch zwischen ... von der RAK und der Astin. im Beiseinvon RA ... statt, bei dem neun Fälle aus der eingereichten Listeerörtert wurden. Am 2.3.2005 wurde die Astin. in einer Sitzungdes Präsidiums der RAK angehört. Unter dem 3.3.2005 wurdedie Astin. aufgefordert, eine Liste sämtlicher von ihr wahrge-nommener Gerichtstermine einzureichen sowie ihre Tätigkei-ten sowohl in anderen Referaten als auch in ihrem eigenenReferat genau darzulegen. Unter dem 12.4.2005 übersandtedie Astin. eine weitere Liste mit Fällen aus den Referaten vonKollegen, in denen sie tätig geworden war und führte zudemaus, es sei weder möglich, sämtliche entsprechenden Aktenherauszufinden, noch sei sie in der Lage, die Termine, die siebei Gericht wahrgenommen habe, zu rekonstruieren.

Mit Beschl. v. 24.5.2005 wies die Agin. den Antrag der Astin.auf Zulassung zur Rechtanwaltschaft gem. § 11 Abs. 1 EuRAGzurück. Zur Begründung führte sie an, die Astin. habe nichtnachgewiesen, dass sie mindestens drei Jahre effektiv undregelmäßig als niedergelassene europäische RAin in Deutsch-land auf dem Gebiet des deutschen Rechts einschließlich desGemeinschaftsrechts tätig gewesen sei. Es liege zwar eine drei-jährige Tätigkeit vor – ungeachtet der Unterbrechung durch dasPraktikum bei der Europäischen Kommission –, es bliebenallerdings Zweifel, ob sie eine effektive und regelmäßige Tätig-keit ausgeübt habe. Es lägen erhebliche Widersprüche in ihrerDarstellung über die Bearbeitung der einzelnen Angelegenhei-ten vor; ihr Anteil an den Bearbeitungen bleibe unklar. So habesie zunächst in der von ihr übersandten Fallliste stets das Wort„wir“ verwendet, später habe sie „ich“ angeführt. In ihrerAnhörung habe sich bei den stichprobenartig herangezogenenFällen nicht feststellen lassen, dass sie diese selbstständig bear-beitet habe, vielmehr sei ihr Anteil in vielen Fällen eher geringgewesen. Den ihr mit Schr. v. 3.3.2005 erteilten Auflagen seisie zum Teil nicht nachgekommen. Die Voraussetzungen des§ 11 EuRAG für eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft seiendanach nicht erfüllt.

Gegen diesen ihr am 25.5.2005 zugestellten Beschluss hat dieAstin. mit am 22.6.2005 bei Gericht eingegangenen SchriftsatzAntrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Sie ist der Ansicht, dass sie den Nachweis einer effektiven undregelmäßigen Tätigkeit geführt habe. Sie weist darauf hin, dassGrundlage des EuRAG die Richtlinie 98/5 des EuropäischenParlaments und des Rates v. 16.2.1998 ist. Nach Art. 10 Abs. 1dieser Richtlinie sei unter dem Begriff „effektive und regelmä-ßige Tätigkeit“ die tatsächliche Ausübung des Berufes ohne

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226 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Unterbrechung zu verstehen, dagegen sei nicht erforderlich,dass der Beruf selbstständig ausgeübt werde, auch einebestimmte Anzahl von Fällen sei nicht gefordert. Vorausset-zung sei nur, dass der RA in Deutschland aktiv am Berufslebendurch beratende und vertretende Tätigkeit teilnehme. Dabeireiche jegliche Betätigung im deutschen Recht, auch wenn sielediglich auf einem eng begrenzten Gebiet erfolge; auch eineTätigkeit ausschließlich im Gemeinschaftsrecht genüge denAnforderungen. Danach stelle auch die Tätigkeit der Astin. beider Europäischen Kommission in Brüssel eine effektive Tätig-keit im deutschen Recht dar.

Da die Astin. über drei Jahre lang an mindestens drei Tagen inder Woche in einer Kanzlei gearbeitet und eine Vielzahl vonFällen bearbeitet habe, liege die geforderte effektive und regel-mäßige Tätigkeit vor. Soweit die Astin. in ihrer Fallliste dasWort „wir“ verwendet habe, habe sie sich nach der entspre-chenden Formulierung in Schriftsätzen der Kanzlei gerichtet;dies bedeute nicht, dass sie die Sachen nicht allein bearbeitethabe. Die Beanstandungen der Agin. beträfen lediglich zwölfAkten aus dem Jahr 2004 und fünf Akten aus davor liegendenZeiträumen. Dies sei zum einen im Verhältnis zur Gesamtzahlder bearbeiteten Fälle ein geringer Teil, zum anderen sei dasJahr 2004 nicht mehr relevant, weil der Drei-Jahres-Zeitraumbereits Anfang des Jahres 2004 abgelaufen war. Die Agin. habeferner ermessensfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass sich dieAstin. zusätzlich zu ihrer Tätigkeit in der Kanzlei in erhebli-chem Umfang fortgebildet habe. Insoweit verweist die Astin.auf acht Teilnahmebescheinigungen für Fortbildungsveranstal-tungen auf verschiedenen Rechtsgebieten in den Jahren 2001bis 2005.

Die Astin. meint weiter, soweit § 12 EuRAG als Nachweis füreine effektive und regelmäßige Tätigkeit die Vorlage von Falllis-ten verlange, die nicht nur Zahl und Art der bearbeitetenRechtssachen, sondern Aktenzeichen, Gegenstand, Zeitraum,Umfang der Tätigkeit und Sachstand ausweisen müssten, ver-stoße das Gesetz gegen die Richtlinie 98/5.

Sie hat deshalb hilfsweise beantragt, das Verfahren auszusetzenund wegen dieser Problematik den EuGH anzurufen.

Darüber hinausgehende Angaben wie die Benennung vonGerichtsterminen könnten in keinem Fall verlangt werden.

Die Astin. hat beantragt, die Verfügung der RAK v. 24.5.2005,zugestellt am 25.5.2005, aufzuheben und dem gestelltenAntrag der Astin. auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gem.§ 11 Abs. 1 EuRAG stattzugeben, hilfsweise, unter Aufhebungder genannten Verfügung die Agin. zu verpflichten, die Astin.neu zu bescheiden unter Beachtung der Rechtsauffassung, wiesie sich aus der Entscheidung des AGH ergibt.

Die Agin. hat beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entschei-dung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, durch das EuRAG sei die Richtlinie 98/5des Europäischen Parlaments und des Rates ordnungsgemäßumgesetzt worden. Sie verweist auf eine Entscheidung desEuGH v. 7.11.2000 (EuZW 2000, 251), mit der eine Klage desGroßherzogtums Luxemburg gegen die Richtlinie abgewiesenwurde und in der es zur Begründung heißt, die Richtliniebefreie den EU-Anwalt nicht von der Pflicht, die für die Bear-beitung seiner Mandate erforderlichen Kenntnisse zu erwerben,sie ermögliche vielmehr dem Anwalt die schrittweise Integra-tion durch praktische Arbeit.

Die Agin. trägt vor, die Astin. habe den Nachweis ihrer Eignungdurch praktische Tätigkeit nicht erbracht. Eine effektive Tätig-keit liege nicht vor. Das Merkmal „effektiv“ bedeute nicht nurtatsächlich, sondern besitze Elemente der Nachhaltigkeit undder Erfolgs- bzw. Ergebnisbezogenheit. Dafür reichten rund100 Fälle in drei Jahren nicht aus. Die von der Astin. wahrge-

nommenen Fortbildungsveranstaltungen seien für eine Berufs-anfängerin normal und nicht besonders hervorzuheben.

In der mündlichen Verhandlung v. 14.11.2005 haben sich dieParteien dahingehend geeinigt, dass die Astin. Listen in Formder von der Agin. erstellten Vordrucke einreichen sollte mit dennach Abschluss der bereits vorgelegten Liste bis zum31.12.2005 maßgeblich bearbeiteten Fällen, und dass sie fernerzu der bereits vorgelegten Liste Angaben machen sollte, welchedieser Fälle sie im Wesentlichen maßgeblich selbst bearbeitethat sowie in welchen Fällen sie Gerichtstermine wahrgenom-men hat. Nach Vorlage der Listen sollte die Agin. binnen einerFrist von zwei Monaten den Antrag neu bescheiden.

Mit Schriftsatz v. 23.3.2006 hat die Agin. mitgeteilt, dass sie dieAstin., nachdem diese die Listen vorgelegt und die erforderli-chen Angaben gemacht hatte, in der Präsidiumssitzung v.22.3.2006 gem. § 11 Abs. 1 EuRAG zur Rechtsanwaltschaftzugelassen hat. Die entsprechende Urkunde wurde der Astin.am 29.3.2006 ausgehändigt. Daraufhin hat die Astin. denRechtsstreit für erledigt erklärt.

Inzwischen hat die Astin. zum 31.5.2006 auf ihre Rechte ausihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft verzichtet.

II. Nachdem die Agin. die Astin. zur Rechtsanwaltschaft zuge-lassen hat, hat sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt,was von Amts wegen festzustellen ist.

Nach Erledigung der Hauptsache ist über die Gerichtskosten inentsprechender Anwendung des § 91a ZPO zu entscheiden.Dabei ist im Wesentlichen auf den voraussichtlichen Ausgangdes Verfahrens abzustellen. Danach entspricht es billigemErmessen, der Astin. die Kosten aufzuerlegen. Denn ohne dievon ihr nachträglich erbrachten Informationen hätte ihr Antragvoraussichtlich keinen Erfolg gehabt.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EuRAGwird nach den Vorschriften der§§ 6 bis 42 BRAO zur Rechtsan-waltschaft zugelassen, wer einemindestens dreijährige effektive

und regelmäßige Tätigkeit als niedergelassener europäischerRA in Deutschland auf dem Gebiet des deutschen Rechts ein-schließlich des Gemeinschaftsrechts gem. § 12 EuRAG nach-weist. Nach § 11 Abs.1 Satz 2 EuRAG bedeutet effektive undregelmäßige Tätigkeit die tatsächliche Ausübung des Berufsohne Unterbrechung, wobei Unterbrechungen aufgrund vonEreignissen des täglichen Lebens außer Betracht bleiben. § 11Abs. 1 EuRAG stimmt hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzun-gen nahezu wortgleich mit Art. 10 Abs. 1 Satz 1 u. 2 der Richt-linie 98/5 EG des Europäischen Parlaments und des Rates v.16.2.1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des RA-Berufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem dieQualifikation erworben wurde (EG-Niederlassungsrichtlinie fürRechtsanwälte), überein. Artikel 10 Abs. 1 Satz 4 der Richtliniebestimmt, dass der RA als Nachweis für seine Tätigkeit derzuständigen Stelle des Aufnahmestaates alle zweckdienlichenInformationen und Dokumente, insbesondere über die Zahlund die Art der von ihm bearbeiteten Rechtssachen, vorzule-gen hat, und die zuständige Stelle des Aufnahmestaates ihndarüber hinaus auffordern kann, in mündlicher oder schriftli-cher Form zusätzliche klärende oder präzisierende Angaben zumachen. Soweit § 12 Abs. 2 EuRAG zum Nachweis der imdeutschen Recht bearbeiteten Rechtssachen die Vorlage vonFalllisten verlangt, die Aktenzeichen, Gegenstand, Zeitraum,Art und Umfang der Tätigkeit und den Sachstand enthaltenmüssen, ist dies durch Art. 10 der Richtlinie gedeckt. NachArt. 10 der Richtlinie sind „insbesondere“ Zahl und Art derbearbeiteten Rechtssachen anzugeben, dies schließt weitergehende Angaben, soweit sie zweckdienlich sind, nicht aus. ImErgebnis kann dies jedoch offen bleiben, denn die Astin. hat

Dreijährige effektiveund regelmäßige

Tätigkeit

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 227

Anwaltsgerichtliche Rechtsprechung

Falllisten mit den erforderlichen Angaben vorgelegt; in diesemPunkt gibt es auch keine Beanstandungen durch die Agin.

Die Astin. hatte jedoch die für die Zulassung erforderlicheeffektive und regelmäßige Tätigkeit in einem Zeitraum vonmindestens drei Jahren nicht nachgewiesen. Sie war zwarjedenfalls von Februar 2001 bis Februar 2004 ohne Unterbre-chung als niedergelassene europäische RAin auf dem Gebietdes deutschen Rechts tätig, diese Tätigkeit erfüllt jedoch nichtdie Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 EuRAG.

Eine effektive Tätigkeit im Sinnedieser Vorschrift kann allerdingsauch bei einer Teilzeitbeschäfti-gung vorliegen, so dass die Tätig-keit an der Universität ... an zwei Wochentagen der Annahme,es liege eine effektive Tätigkeit als RAin vor, nicht entgegen-steht. Darüber hinaus sind Erfolg oder Qualität der Arbeit zuüberprüfen. Es kann wohl auch nicht verlangt werden, dass derAnwalt selbstständig in dem Sinne tätig ist, dass er alle Angele-genheiten vollständig allein bearbeitet. Insbesondere zu Beginnder Tätigkeit dürfte Beratung und Unterstützung durch deut-sche Kollegen unerlässlich sein. Gefordert ist jedoch die tat-sächliche Ausübung des Berufs. Dabei ist zu beachten, dassdurch diese Tätigkeit der Nachweis erbracht werden soll, dassder Anwalt die Qualifikation besitzt, die es rechtfertigt, ihn imAufnahmestaat voll in den Berufsstand der Anwälte aufzuneh-men (vgl. Lörcher in Henssler/Prütting, BRAO, Kommentar,2. Aufl., § 11 EuRAG Rdnr. 12). In der amtlichen Begründungdes Regierungsentwurfs wurde zu dieser Frage ausgeführt, dassweiter gehende Anforderungen an Art, Intensität und Güte derTätigkeiten nicht festgelegt wurden, weil die anwaltliche Tätig-keit so vielseitig sei, dass dem eine abstrakt-generelle Aufstel-lung von Mindestanforderungen nicht gerecht werde (RegE,BR-Drucks. 567/99, 72). Gerade wegen des Fehlens jeglicherÜberprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Bewerbersmuss die tatsächliche Tätigkeit ein Mindestmaß an Rechts-kenntnissen und anwaltlicher Erfahrung gewährleisten (Henss-ler/Prütting, a.a.O., Rdnr. 13, m.w.N.).

Dafür ist eine gewisse Anzahl anbearbeiteten Fällen erforderlich.Dies folgt schon daraus, dass derAst. Anzahl und Art der von ihm

bearbeiteten Sachen darlegen muss. Wie hoch diese Zahl seinmuss, kann nicht abstrakt festgelegt werden, sondern hängtauch vom Umfang der jeweiligen Angelegenheit ab sowie vomAnteil des Ast. an der Bearbeitung. Die von der Astin. einge-reichte Fallliste weist für einen Zeitraum von Ende November2000 bis Januar 2005 135 Fälle auf. Für den maßgeblichenZeitraum bis Februar 2004 sind es 117 Ziffern. Dass einigeFälle bereits im November 2000, also vor der Zulassung derAstin. zur Rechtsanwaltschaft begonnen wurden, kann außerBetracht bleiben, da ein Teil dieser Angelegenheiten noch nachFebruar 2001 fortgeführt wurde. Dies bedeutet jedoch, dass proJahr durchschnittlich 39 Sachen bearbeitet wurden. Dabei han-delte es sich in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nichtum umfangreiche Tätigkeiten. Insbesondere im Jahr 2001 hatdie Astin. ganz überwiegend die Einziehung von unstreitigenForderungen betrieben, wobei die Anzahl der Fälle in diesemJahr am größten war. In den Folgejahren, in denen umfangrei-chere Angelegenheiten bearbeitet wurden, waren es 40 in2002 und nur 16 in 2003. Auch wenn die in anderen Referatenbearbeiteten Sachen, die die Astin. mit Schr. v. 12.4.2005 vor-gelegt hat, hinzugerechnet werden, ergeben sich nur elf wei-tere Sachen in 2003. Etwas anderes ergibt sich auch nicht,wenn zugunsten der Astin. das Jahr 2004 wegen ihres mehrmo-natigen Aufenthalts in Brüssel nur in geringem Umfang in derKanzlei tätig war.

Hinzu kommt, dass die Astin. offenbar einen Großteil derAngelegenheiten nicht allein bearbeitet hatte. Soweit sie inihrer Fallliste jeweils das Wort „wir“ verwendet, ist dies aller-dings ohne Bedeutung, weil sie diese Formulierung ausrei-chend erklärt hat. In ihrer Anhörung zu einzelnen Fällen hatsich jedoch ergeben, dass in vielen Fällen einige Schriftsätzeund sonstige Korrespondenz von RA ... gefertigt wurden, vgl.Aktenvermerk v. 28.2.2005, Bl. 101 – 103. In der laufendenNummer 83, Aktenzeichen .../02, wurde die Astin. nur zu Aus-bildungszwecken hinzugezogen. Soweit die Astin. darauf hin-weist, die Agin. habe mit letztlich 17 von 135 Fällen nur einengeringen Teil ihrer Sachen bemängelt, ist festzustellen, dassauch nur ein geringer Teil näher überprüft worden ist, nämlichneun Sachen bei der Besprechung in der Kanzlei am28.2.2005, wobei in sechs von diesen neun Fällen nur eingeringer Anteil der Astin. an Bearbeitung festgestellt werdenkonnte. Dies betrifft die laufenden Nummern 120, 88, 83, 74,130 und 108.

Soweit die Astin. angeführt hat, sie könne einzelne Tätigkeitenwie Sitzungsvertretungen und Arbeiten in anderen Dezernatennicht mehr rekonstruieren, geht dies zu ihren Lasten. Denn dieAstin. ist nach § 12 Abs. 1 EuRAG, der mit Art. 10 Abs. 1 derEG-Niederlassungsrichtlinie für Rechtsanwälte übereinstimmt,verpflichtet, die erforderlichen Nachweise zu erbringen. Es istauch nicht nachvollziehbar, dass sie hierüber keine Aufzeich-nungen geführt hat.

Die Teilnahme an acht Fortbildungsveranstaltungen in vier Jah-ren, von denen zwei erst in den Jahren 2004/2005 stattgefun-den haben und fünf nur eintägig waren, kann die fehlendepraktische Tätigkeit nicht ausgleichen.

Der Antrag wäre deshalb ohne die nachträglich erfolgtenNachweise zurückzuweisen gewesen, so dass der Astin. in ent-sprechender Anwendung des § 91a ZPO die Kosten aufzuerle-gen sind.

Zweigstellenverbot

BRAO § 27, § 28, § 29a: GG Art. 3, Art. 12

*1. Das Zweigstellenverbot steht der in Art. 12 GG geschütztenBerufsausübungsfreiheit entgegen, da es mit seinem Lokalisations-prinzip ein überholtes Berufsbild zugrunde legt, das nach heuti-gen Maßstäben kein verfassungsrechtlich anerkanntes Gemein-wohlziel mehr darstellen kann.

*2. Auch die jederzeitige Erreichbarkeit des RA in seiner Kanzleikann nach heutigen Maßstäben kein anerkanntes Gemeinwohlzielmehr darstellen, da unter Berücksichtigung des Standes der Kom-munikations- und Verkehrsmittel eine permanente Erreichbarkeiteines RA an jedem Ort per Telefax, Mobiltelefon, E-Mail- oderInternetzugang gegeben ist. Bereits über die Kanzleipflicht gem.§ 27 BRAO ist in ausreichender Weise sichergestellt, dass einAnwalt, der zukünftig an mehr als einem Standort tätig ist, fürseine Mandanten, Gerichte und Behörden tatsächlich erreichbarist.

*3. Das Festhalten an einem auf einzelne Staaten beschränktenNiederlassungsverbot innerhalb der durch Dienst- und Niederlas-sungsfreiheit geprägten Europäischen Union ist ebenfalls verfas-sungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

*4. Schließlich verstößt § 28 BRAO im Vergleich zu StB und WPgegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 GG.

Hamburgisches AnwG, Beschl. v. 27.3.2006 – EV 122/01

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Teilzeitbeschäftigungist ausreichend

Gewisse Anzahl anFällen erforderlich

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228 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung*Leitsatz der Redaktion (Orientierungssatz)

Anwaltsnotar – Berücksichtigung einer Fachanwaltsqualifi-kation im Auswahlverfahren

FAO § 4; BNotO § 6 Abs. 3*1. Es begegnet keinen Bedenken, wenn für das Bewerbungsver-fahren um eine Notarstelle grundsätzlich an einem modifiziertenPunktesystem festgehalten wird. Auch das BVerfG hat ein solchesPunktesystem prinzipiell nicht beanstandet. Es ist durch diegesetzlichen Auswahlkriterien des § 6 Abs. 3 BNotO gedeckt.

*2. Das Punktesystem kann den Anforderungen, die an einen indi-viduellen Leistungsvergleich zu stellen sind, jedoch niemals alleingenügen. Daher ist vor einer endgültigen Auswahl stets zu fragen,ob für die jeweiligen Bewerber Umstände ersichtlich sind, die indas an festen Kriterien (Examensnote, Dauer der anwaltlichenTätigkeit, theoretische Fortbildung, praktische Beurkundungser-fahrung) ausgerichtete Punktesystem keinen Eingang gefundenhaben, aber dennoch zu berücksichtigen sind, um die Kenntnisseund Fähigkeiten des Bewerbers zutreffend und vollständig zuerfassen.

*3. Die Tätigkeit als Fachanwalt kann Hinweise darauf geben,inwieweit der jeweilige Schwerpunkt der Anwaltstätigkeit „notar-näher“ oder „notarferner“ ausgestaltet ist. Allerdings kann diebloße Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung für sich alleinenicht genügen, um der anwaltlichen Tätigkeit ein „notarnahes“Gepräge zu geben. Die Fachanwaltsqualifikation muss vielmehrauf einem Gebiet erworben werden, das typischerweise denmateriellen Kernbereich notarieller Tätigkeit berührt. Das istjedenfalls für das Familienrecht, das Erbrecht, das Handels- undGesellschaftsrecht und das Steuerrecht zu bejahen.

*4. Lehrgänge, die i.S.d. § 4 FAO den Erwerb der besonderen the-oretischen Kenntnisse zum Ziel haben, die für die Fachanwaltsbe-zeichnung nachzuweisen sind, können nicht mit den Fortbil-dungsveranstaltungen gleichgesetzt werden, die der Vorbereitungauf den Zweitberuf des Anwaltsnotars dienen.

BGH, Beschl. v. 24.7.2006 – NotZ 11/06

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Vergütung – Terminsgebühr nach zweitem Versäumnisur-teil

RVG § 2 Abs. 2 Anlage 1 Nr. 3104; ZPO § 331 Abs. 3*1. Ist nach Erlass eines Versäumnisurteils und nach Einspruchdurch den Gegner dieser im darauf anberaumten Termin zurmündlichen Verhandlung weder erschienen noch ordnungsgemäßvertreten, so ist für die Terminsgebühr RVG VV Nr. 3104 einschlä-gig, so dass ein Gebührensatz von 1,2 festzusetzen ist.

*2. Aus dem Umstand, dass das erste Versäumnisurteil nach § 331Abs. 2 ZPO und damit nicht in einem Termin zur mündlichen Ver-handlung erging, ergibt sich nichts anderes.

BGH, Beschl. v. 7.6.2006 – VIII ZB 108/05

Aus den Gründen:

[1] I. Die Kl. hat ein Versäumnisurteil v. 18.1.2005 nach § 331Abs. 3 ZPO über eine Klageforderung v. 122.455,66 Euroerwirkt. Nachdem der Bekl. hiergegen Einspruch eingelegt und

Widerklage erhoben hatte, wodurch der Streitwert auf220.125,29 Euro erhöht worden ist, hat das LG einen Terminzur mündlichen Verhandlung anberaumt. Zu diesem Termin v.19.7.2005 ist der Bekl. nicht erschienen, und er hat sich auchnicht ordnungsgemäß vertreten lassen. Das LG hat antragsge-mäß zur Klageforderung ein zweites Versäumnisurteil und zurWiderklage ein erstes Versäumnisurteil erlassen. Im Kostenfest-setzungsverfahren hat das LG die anwaltliche Terminsgebührdes Prozessbevollmächtigten der Kl. lediglich gem. RVG VVNr. 3105 mit einem Satz von 0,5 aus dem höheren Streitwertfestgesetzt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde derKl., mit der sie die Festsetzung einer Terminsgebühr zu einemSatz von 1,2 nach RVG VV Nr. 3104 erreichen möchte, hat dasOLG, dessen Entscheidung in NJW 2006, 1527 f. abgedrucktist, zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelas-senen Rechtsbeschwerde verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter.

[2] II. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auchsonst zulässige Rechtsbeschwerde ist überwiegend begründet.Zu Recht begehrt die Kl. die Festsetzung ihrer Terminsgebührnach RVG VV Nr. 3104, soweit es sich bei der Entscheidung v.19.7.2005 um ein zweites Versäumnisurteil handelt.

[3] 1. Ist nach Erlass eines Ver-säumnisurteils und nach Ein-spruch durch den Gegner dieserim daraufhin anberaumten Ter-

min zur mündlichen Verhandlung weder erschienen noch ord-nungsgemäß vertreten, so ist nach einer Auffassung gleichwohldie ermäßigte Terminsgebühr nach RVG VV Nr. 3105 zuberechnen, auch wenn derselbe Prozessbevollmächtigte bereitsdas erste Versäumnisurteil erwirkt hat (Hansens, JurBüro 2004,243 ff., 251; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl., § 15 RVGRdnr. 20). Nach anderer Ansicht ist in einem solchen Fall fürdie Terminsgebühr RVG VV Nr. 3104 einschlägig, d.h., es istein Gebührensatz von 1,2 festzusetzen (OLG Celle, NJW 2005,1283 f.; OLG München, AGS 2006, 163 m. Anm. Schons; Zöl-ler/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 345 Rdnr. 7; Mayer in Mayer/Kroiß, RVG VV Nr. 3105 Rdnr. 3; nunmehr auch Hansens,Anm. zu LG Düsseldorf, RVGreport 2005, 474 f.).

[4] 2. Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Zwar ist demBeschwerdegericht darin zuzustimmen, dass der Wortlaut derNr. 3105 nicht eindeutig ist. Dennoch spricht eine darananknüpfende Auslegung gegen die Auffassung des Beschwer-degerichts. Denn das Wort „nur“ in Nr. 3105 wäre überflüssigund könnte gestrichen werden, wenn die Norm auch bei mehr-maligen Terminen einschlägig wäre. Auch die Entstehungsge-schichte der Vorschrift weist eher in diese Richtung. In derGesetzesbegründung zu Nr. 3105 heißt es (BT-Drucks. 15/1971, 212):

„Findet nur ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt undergeht daraufhin Versäumnisurteil, soll nur eine Terminsgebühri.H.v. 0,5 anfallen ... .“

[5] Es liegt nahe anzunehmen, der Gesetzgeber habe damitausdrücken wollen, wenn nur ein einziger Termin stattfinde,greife diese Vorschrift ein. Zudem stellt die Gesetzesbegrün-dung (a.a.O.) ausdrücklich fest, die verminderte Terminsgebührnach Nr. 3105 trage dem i.d.R. geringeren Aufwand des RA in

Höhe der Gebühr warbisher umstritten

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 229

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

diesen Fallkonstellationen Rechnung. Die Vorbereitung undPräsenz in einem zweiten Termin zur mündlichen Verhandlungübersteigt aber deutlich den von Nr. 3105 jedenfalls typischer-weise unterstellten Arbeitsaufwand des RA.

[6] Aus dem Umstand, dass das erste Versäumnisurteil nach§ 331 Abs. 3 ZPO und damit nicht in einem Termin zur münd-lichen Verhandlung erging, ergibt sich nichts anderes. AusNr. 3105 Abs. 1 Nr. 2 RVG VV folgt, dass ein nach § 331Abs. 3 ZPO erwirktes Versäumnisurteil hier nicht anders zubehandeln ist als ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 1 ZPO.[7] Die Terminsgebühr ist daher,soweit ein zweites Versäumnis-urteil erlassen ist, nach RVG VVNr. 3104 zu berechnen.[8] 3. Die Rechtsbeschwerde ist allerdings nur teilweisebegründet. Da das Urt. v. 19.7.2005 nur i.H.v. 122.455,66 Euroein zweites Versäumnisurteil ist, kann die anwaltliche Termins-gebühr nach RVG VV Nr. 3104 nicht aus dem Gegenstands-wert dieser Entscheidung errechnet werden. Die Gebühr fürden Termin v. 19.7.2005 ist vielmehr zunächst aus dem Streit-wert v. 122.455,66 Euro zu berechnen. Der sich daraus erge-bende Betrag ist sodann um die Hälfte der Differenz einfacherGebühren aus den Gegenstandswerten 220.125,29 Euro und122.455,66 Euro zu erhöhen. Die Gebühr aus dem höherenStreitwert beträgt 1.934 Euro, diejenige aus dem niedrigerenStreitwert 1.431 Euro. Die Differenz beider Werte ergibt 503Euro. Die Hälfte hiervon beträgt 251,50 Euro. Um den letztge-nannten Betrag ist die 1,2-Gebühr aus 122.455,66 Euro zuerhöhen: 1.717,20 Euro + 251,50 Euro = 1.968,70 Euro. DieserBetrag ist der Kl. als Terminsgebühr insgesamt von dem Bekl.zu erstatten.[9] 4. Die Rechtsbeschwerde der Kl. ist nach alledem teilweisezurückzuweisen. Die Kl. hatte als weitere Terminsgebühr1.605,30 Euro gefordert. Nachdem ihr bereits in den Vorinstan-zen 967 Euro zugesprochen wurden, stehen ihr noch weitere1.001,70 Euro nebst Zinsen zu.[10] Im Übrigen werden die Rechtsmittel der Kl. zurückgewie-sen.

Vergütung – Unterschreitung der gesetzlichen Vergütungs-ansprüche bei der Beauftragung eines Terminsvertreters

BRAO § 49b; BRAGO § 53; RVG § 5; UWG § 3, § 4 Nr. 11*1. RAen ist es grundsätzlich nicht gestattet, anderen Berufskolle-gen Mandate zur Terminsvertretung zu niedrigeren als dengesetzlichen Gebühren anzubieten.

*2. Dieser Grundsatz gilt jedoch nur, wenn der RA dem Berufskol-legen das Mandat im Namen des jeweiligen Mandanten angetragenhat. Erteilt dagegen der Prozessbevollmächtigte einem Terminsver-treter im eigenen Namen den Auftrag zur Terminswahrnehmung,dürfen niedrigere Gebühren vereinbart werden. In diesem Fall istauch eine Teilung der erstattungsfähigen Gebühren möglich.

BGH, Urt. v. 1.6.2006 – I ZR 268/03

Aus dem Tatbestand:

[1] Der Kl. ist RA mit Kanzleisitz in E. Der Bekl., der als RA ineiner Kanzlei in D. tätig ist, vertritt ständig die S-Unfallversiche-rung. Er wandte sich mit Schr. v. 20.9.2002 an den Kl. mit derBitte um Wahrnehmung des Termins in einem Rechtsstreit derS-Unfallversicherung vor dem AG E. In dem Schreiben heißt esu.a.:Wir bitten Sie, unsere ständige Mandantin, S-Unfallversiche-rung a.G., in obiger Angelegenheit zu vertreten und obigenTermin zur mündlichen Verhandlung für uns wahrzunehmen.

Des Weiteren bitten wir, dass die entstehenden Gebühren (ein-schl. § 26 BRAGO) – mit Ausnahme der Korrespondenzan-waltsgebühr, Kosten eines Unterbevollmächtigten pp., die übli-cherweise nicht als erstattungsfähig angesehen werden – zwi-schen uns geteilt werden.[2] Der Kl., der die Übernahme des Mandats ablehnte, ist derAuffassung, der Bekl. habe die Übertragung des Mandats voneiner unzulässigen Unterschreitung der Anwaltsgebührenabhängig gemacht und sich dadurch wettbewerbswidrig ver-halten.[3] Der Kl. hat beantragt, den Bekl. unter Androhung von Ord-nungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, RAen Termins-vertretungsmandate zu niedrigeren als den gesetzlichen in§§ 53 und 33 Abs. 3 BRAGO festgehaltenen Gebühren anzu-tragen oder zu erteilen.

[4] Der Bekl. ist der Klage entgegengetreten.[5] Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Bekl.ist ohne Erfolg geblieben.

[6] Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelas-sene Revision des Bekl., mit der er seinen Antrag auf Abwei-sung der Klage weiterverfolgt. Der Kl. beantragt, die Revisionzurückzuweisen.

Aus den Gründen:[7] I. Das Berufungsgericht hat das Unterlassungsbegehrennach § 1 UWG (a.F.) i.V.m. § 49b Abs. 1 BRAO für begründeterachtet. Hierzu hat es ausgeführt:

[8] Das Angebot des Bekl. zur Mandatsübernahme enthalte dasAnsinnen an den Kl., gegen eine unter den gesetzlichenGebühren liegende Vergütung tätig zu werden. Die Tätigkeiteines RA zu niedrigeren als den gesetzlichen Gebühren ver-stoße gegen § 49b Abs. 1 BRAO. Bereits der Vorschlag desBekl. zu einem solchen Verhalten sei wettbewerbsrechtlichunlauter. Dies gelte unabhängig davon, ob der Bekl. den Kl. imeigenen oder im Namen seiner Mandantin mit der Termins-wahrnehmung beauftragt habe. Das Gesetz lasse eine Unter-schreitung der Höhe der gesetzlichen Gebühren aufgrund per-sönlicher Merkmale nur im Rahmen des § 49b Abs. 1 Satz 2BRAO zu. Es räume einem RA nicht das Recht ein, die gesetzli-chen Gebühren für den Fall zu ermäßigen, dass ein anderer RAsein Auftraggeber sei. Die Wahrnehmung eines Termins zurmündlichen Verhandlung durch einen anderen als den sachbe-arbeitenden RA sei auch keine gemeinsame Bearbeitung einesAuftrags durch mehrere RAe i.S.v. § 49b Abs. 3 Satz 5 BRAO.

[9] II. Die Revision ist teilweise begründet.[10] Dem Kl. steht der geltend gemachte Unterlassungsan-spruch nach § 1 UWG a.F. und §§ 3, 4 Nr. 11, § 8 Abs. 1 UWGnur im zuerkannten Umfang zu. Der Bekl. hat einen Wettbe-werbsverstoß im Sinne dieser Vorschriften begangen, weil ermit seinem Schr. v. 20.9.2002 den Kl. dazu veranlassen wollte,die Vertretung der Mandantin zu geringeren als den in § 53BRAGO vorgesehenen Gebühren zu übernehmen.[11] 1. Die berufsrechtlichen Bestimmungen über Mindest-preise nach der BRAO, der BRAGO und dem RVG sind Vor-schriften, denen eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezo-gene Schutzfunktion zukommt. Sie sollen einen Preiswettbe-werb um Mandate und die mittelbare Vereinbarung vonErfolgshonoraren in gerichtlichen Verfahren verhindern (vgl.Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 12/4993, 31 zu§ 49b BRAO).

Bei derartigen Mindestpreisvor-schriften handelt es sich daherum Marktverhaltensregeln i.S.d.§ 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzungist wettbewerbswidrig i.S.v. § 1

RVG VV Nr. 3104

Mindestpreisvor-schriften sind Markt-

verhaltensregeln

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230 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

UWG a.F. und §§ 3, 4 Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 30.9.2004 – IZR 261/02, GRUR 2005, 433, 435 = WRP 2005, 598 – Tele-kanzlei; Urt. v. 30.9.2004 – I ZR 135/02, FamRZ 2005, 1086;zu der Mindestpreisvorschrift des § 4 Abs. 2 HOAI: BGH, Urt.v. 15.5.2003 – I ZR 292/00, GRUR 2003, 969, 970 = WRP2003, 1350 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen).

[12] 2. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Bekl.den Kl. im eigenen Namen oder im Namen der S-Unfallversi-cherung mit der Terminsvertretung beauftragt hat. Es hat ange-nommen, der Bekl. habe mit seinem Schr. v. 20.9.2002 demKl., unabhängig von der Frage, in wessen Namen die Mandats-erteilung erfolgte, die Terminsvertretung gegen eine Vergütungangetragen, durch die die Mindestgebühren nach der BRAGOunterschritten würden. Dieser Ansicht des Berufungsgerichtskann nicht beigetreten werden. Nur wenn der Bekl. – wovonim Streitfall auszugehen ist (vgl. Abschnitt II 3 b) – dem Kl. dieTerminsvertretung namens seiner Partei antrug, entsprachen diedem Kl. angebotenen Gebühren nicht der in § 53 BRAGO fürdie Terminsvertretung vorgesehenen Vergütung.[13] a) Der RA, dem die Partei oder mit deren Einverständnisder Prozessbevollmächtigte nur für die mündliche Verhandlungdie Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragenhat, erhält nach § 53 Satz 1 und Satz 3 BRAGO eine halbe Pro-zessgebühr und eine Verhandlungs- oder Erörterungsgebührund, soweit sich die Vertretung auch auf eine Beweisaufnahmeerstreckt, die Beweisgebühr.[14] Nach der Rspr. des Senats und der ganz überwiegendenMeinung im Schrifttum erhält der mit der Terminsvertretungbeauftragte RA die Gebühren des § 53 BRAGO entsprechenddem Wortlaut der Vorschrift nur, wenn ihm die Partei oder mitderen Einverständnis der Prozessbevollmächtigte die Vertre-tung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat.Erteilt dagegen der Prozessbe-vollmächtigte einem Terminsver-treter im eigenen Namen denAuftrag zur Terminswahrneh-mung, so wird kein Vertragsver-hältnis zwischen der Partei und dem Terminsvertreter begrün-det. Die Pflicht zur Entschädigung des Terminsvertreters richtetsich nach der internen Vereinbarung zwischen dem Termins-vertreter und dem Prozessbevollmächtigten, der für die Ansprü-che des Terminsvertreters einzustehen hat. Ein Verstoß gegen§ 49b Abs. 1 BRAO ist nicht gegeben, wenn der Terminsvertre-ter in einem derartigen Fall weniger als die in § 53 BRAGO vor-gesehenen Gebühren erhält, weil die Voraussetzungen dieserVorschrift – das übersieht das Berufungsgericht in seiner gegen-teiligen Entscheidung – nicht vorliegen (BGH, Urt. v. 29.6.2000– I ZR 122/98, GRUR 2001, 256, 257 = WRP 2001, 144 –Gebührenvereinbarung I; OLG Hamm AnwBl. 1978, 182, 183;Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 49b BRAO Rdnr. 41; Ditt-mann in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 49b BRAORdnr. 9; Kleine-Cosack, BRAO, 4. Aufl., § 49b Rdnr. 23; Kellerin Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 53 Rdnr. 5, § 33Rdnr. 27; Kilian, WuB VIII B, § 49b BRAO 1.01; ebenso zumRVG: N. Schneider in Gebauer/Schneider, RVG, 2. Aufl., § 5Rdnr. 17 ff.; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, RVG(2004), § 4 Rdnr. 203 f.; Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl.,§ 5 RVG Rdnr. 1; a.A. Henssler/Steinkraus, LM, § 1 UWGNr. 827; Praefcke, BRAK-Mitt. 2001, 142).[15] b) Soweit gegen die Rspr. des Senats Bedenken erhobenworden sind (vgl. Henssler/Steinkraus, LM, § 1 UWG Nr. 827,BI. 3; Praefcke, BRAK-Mitt. 2001, 142), wurden diese auf dieGefahr einer nicht ausreichenden Entlohnung des Terminsver-treters bei gleichwohl bestehendem Haftungsrisiko gestützt.Dass in der Anwaltschaft in einem ins Gewicht fallendenUmfang unangemessene Gebührenvereinbarungen zu Lastendes Terminsvertreters getroffen werden, haben aber weder der

Kl. konkret dargelegt noch das Berufungsgericht festgestellt.Vielmehr hat der Bekl. im vorliegenden Fall eine hälftigeGebührenteilung angeboten, die in derartigen Fällen weit ver-breiteter Übung entspricht und gegen die unter dem Gesichts-punkt der Angemessenheit im Regelfall keine Bedenken beste-hen (vgl. auch § 22 BORA zur hälftigen Teilung der Gebührenim Fall des § 49b Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BRAO).[16] c) Eine andere Beurteilung ist auch nicht anhand der nachdem Inkrafttreten des RVG v. 5.5.2004 seit dem 1.7.2004 gel-tenden Gesetzeslage geboten. Durch sie hat sich an der Unzu-lässigkeit einer Unterschreitung der gesetzlichen Gebühren beider Einschaltung eines Terminsvertreters im Namen der Parteiund an der Zulässigkeit einer Gebührenvereinbarung ohne Bin-dung an die Gebührentatbestände gem. Nr. 3401 und Nr. 3402des Vergütungsverzeichnisses der Anl. 1 zum RVG bei derBeauftragung des Terminsvertreters im Namen des Prozessbe-vollmächtigten nichts geändert.[17] Beauftragt der Prozessbevollmächtigte den Terminsvertre-ter im eigenen Namen, hat der Prozessbevollmächtigte nach§ 5 RVG einen Vergütungsanspruch nach dem RVG gegen dieeigene Partei.

Auch in diesem Fall kommt einVertragsverhältnis zwischen demTerminsvertreter und dem Pro-zessbevollmächtigten und nicht

mit der Partei zustande. Für die Verteilung der Vergütung ist diehierzu zwischen dem Terminsvertreter und dem Prozessbevoll-mächtigten getroffene interne Absprache ohne Bindung an diein Nr. 3401 und Nr. 3402 des Vergütungsverzeichnisses derAnl. 1 zum RVG vorgesehenen Gebühren maßgeblich (N.Schneider in Gebauer/Schneider, a.a.O., § 5 Rdnr. 17 ff.;Römermann in Hartung/Römermann, RVG, § 5 Rdnr. 53; Gött-lich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG, Stichwort: Terminsge-bühr des Teil 3, 7.7 Terminsanwalt; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, a.a.O., § 4 Rdnr. 203; Hartmann, a.a.O.,Anl. 1 zum RVG VV 3401 Rdnr. 3). In Ermangelung einer ent-sprechenden Vereinbarung ist regelmäßig eine hälftige Teilungder Gebühren angemessen (Hartmann, a.a.O., Anl. 1 zum RVGVV 3401 Rdnr. 3; vgl. auch § 22 BORA zum Anwendungsbe-reich des § 49b Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 BRAO).Diesem Ergebnis steht § 1 Abs. 1Satz 1 RVG nicht entgegen.Danach bemisst sich die Vergü-tung (Gebühren und Auslagen)für anwaltliche Tätigkeiten der RAinnen und RAe nach demRVG. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist auf das Ver-hältnis zwischen Anwalt und Mandant beschränkt. Denn dermit der Einführung von Mindestgebühren verfolgte Zweck,einen ruinösen Preiswettbewerb um Mandate zu verhindern,wird bei einer angemessenen Aufteilung der dem Prozessbe-vollmächtigten nach dem RVG zustehenden Vergütung nichtberührt. Auch der Entstehungsgeschichte des RVG ist nichtsdafür zu entnehmen, dass die zuvor bereits ohne Bindung an§ 53 BRAGO von der Rspr. als zulässig angesehene Gebühren-teilung abgeschafft werden sollte (vgl. Begründung zum Regie-rungsentwurf, BT-Drucks. 15/2403 Anl. I und BT-Drucks. 15/1971, 187 zu § 1 und 188 zu § 5 RVG sowie 218 zu VVNr. 3401).[18] Im Übrigen könnte eine sich erstmals aus dem RVG erge-bende Unzulässigkeit der in Rede stehenden Gebührenteilungzur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nicht herange-zogen werden, der – wie im Streitfall – aus einem Verhaltendes Bekl. vor Inkrafttreten des RVG hergeleitet wird (vgl. BGH,Urt. v. 9.11.2000 – I ZR 185/98, GRUR 2001, 348, 349 = WRP2001, 397 – Beratungsstelle im Nahbereich).[19] 3. Danach kommt es für die Frage, ob der Bekl. mit demAuftragsschr. v. 20.9.2002 den Kl. dazu veranlassen wollte,

Auftrag des Prozess-bevollmächtigten im

eigenen Namen

Kein Vertragsverhältnismit der Partei

Hälftige Teilung istangemessen

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 231

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

unter Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO, § 53 BRAGO eineunterhalb der gesetzlichen Gebühren liegende Vergütungsver-einbarung zu treffen, darauf an, ob die Terminsvertretung demKl. vom Bekl. im eigenen Namen oder im Namen der Mandan-tin angetragen worden ist.

[20] a) Die gebotene Auslegung des Schr. des Bekl. v. 20.9.2002hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen und die Frageoffen gelassen, in wessen Namen der Kl. mit der Terminsvertre-tung beauftragt werden sollte. Die Auslegung des Schr. v.20.9.2002 kann der Senat vornehmen, weil weitere tatsächlicheFeststellungen nicht zu erwarten sind und die Sache zurabschließenden Entscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO reif ist.

[21] b) Nach dem Wortlaut des Schr. v. 20.9.2002 sollte der Kl.die Mandantin des Bekl. vertreten. Daraus folgt, dass der Bekl.den Kl. nicht im eigenen Namen beauftragt, sondern namensder S-Unfallversicherung gehandelt hat. Dem Schreiben desBekl. ist auch nichts dafür zu entnehmen, dass er für eineGebührenforderung des Kl. persönlich einstehen wollte. Soweitder Kl. nach dem weiteren Inhalt des Schr. v. 20.9.2002 denTermin für das RA-Büro, dem der Bekl. angehört, wahrnehmensollte, folgt daraus keine Beauftragung im eigenen Namen, son-dern nur der Umfang der Übertragung des Mandats zur Ter-minsvertretung. Für das Ergebnis der Auslegung des Schr. v.20.9.2002 ist das weitere Schr. des Bekl. an den Kl. v.30.9.2002 ohne Bedeutung, weil dieses Schreiben der Abmah-nung des Kl. nachfolgte und nach der Rüge des Wettbewerbs-verstoßes nicht mehr geeignet ist, das nach seinem objektivenErklärungsinhalt zu beurteilende Schr. v. 20.9.2002 durcheinen Hinweis auf einen redaktionellen Fehler zu relativieren.

Insolvenzanfechtung von Vorschusszahlungen für anwalt-liche Beratungsleistungen

InsO § 130 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 133 Abs. 1, § 142;BRAGO § 16, § 17, § 18

1. Ist eine Angelegenheit beendigt, sind die dafür verdientenAnwaltsgebühren fällig, selbst wenn der Auftrag – der auch nochandere Angelegenheiten umfasst – insgesamt noch nicht erledigtist. Ein Vorschussanspruch besteht insoweit nicht mehr.

2. Soweit an einen RA Vorschusszahlungen in einer abgeschlosse-nen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsan-spruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind dieLeistungen inkongruent.

3. Erbringt ein RA Vorleistungen, die der inzwischen in der Krisebefindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt essich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Barge-schäft.

4. Hat der insolvente Mandant durch die Gewährung von Vor-schüssen vorgeleistet, gilt für das Vorliegen eines Bargeschäftsderselbe Maßstab wie bei einer Vorleistung des RA.

5. Wird ein Insolvenzeröffnungsantrag mit der Bitte eingereicht,das Insolvenzgericht möge dessen Bearbeitung noch kurzfristigzurückstellen, ist er dennoch bereits mit der Einreichung wirksamgestellt.

BGH, Urt. v. 13.4.2006 – IX ZR 158/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Zulässigkeit von Ranglisten in einem Handbuch überAnwaltskanzleien

UWG a.F. § 1, § 2 Abs. 1

Veröffentlicht ein Verlag in einer Publikation Ranglisten – nachRegion und Fachbereich –, in denen RAe nach Recherchen des

Verlags in einer Reihenfolge aufgrund einer subjektiven Einschät-zung ihrer Reputation aufgeführt werden, kann eine Absicht desVerlags nicht angenommen werden, den Wettbewerb der in denRanglisten angeführten RAe zu fördern.

BGH, Urt. v. 9.2.2006 – I ZR 124/03

Aus dem Tatbestand:

[1] Die Bekl. zu 1, deren Geschäftsführer die Bekl. zu 2 und 3sind, ist ein Verlag für juristische Informationen mit Sitz in K.Sie gibt seit 1998 ein Handbuch heraus, das nach Regionenund Rechtsgebieten untergliedert im Bereich des Wirtschafts-rechts tätige RA-Kanzleien in Ranglisten eingruppiert. DasHandbuch ist in einen redaktionellen Teil und einen Anzeigen-teil gegliedert. Der redaktionelle Teil enthält nach den Benut-zerhinweisen in einem nationalen Überblick eine Analyse desMarktes bundesweit und international tätiger Kanzleien, eineregionale Übersicht wichtiger Kanzleien in den verschiedenenRegionen und nach Rechtsgebieten geordnete Kapitel, indenen bundesweit tätige Kanzleien und RAe vorgestellt wer-den, die sich besonders auf das jeweilige Sachgebiet konzen-trieren.

[2] Die Handbücher der jeweiligen Jahrgänge enthalten ein-führende Informationen. In der Ausgabe 1998/99 des Hand-buchs heißt es auszugsweise wie folgt:

„Das vorliegende Handbuch ist vor allem für Mandanten undRechtsanwälte bestimmt und soll dazu beitragen, den zuneh-mend reicheren, aber auch unübersichtlicheren Markt anwaltli-cher Dienstleistungen für Wirtschaftsunternehmen transparen-ter zu machen. ...

Im Rahmen einer Recherchearbeit, die in diesem Umfang bis-her in Deutschland noch nicht unternommen worden ist, hatJuVe Hunderte von Interviews mit Akteuren am Markt – Anwäl-ten, Mandanten und juristischen Akademikern – geführt, umderen Wahrnehmung und Einschätzung des Marktes undbestimmter Kanzleien zu ermitteln. Dabei wurden Kanzleienunterschiedlichster Ausrichtung und Größe berücksichtigt,denen nur eines gemeinsam ist: Sie haben sich mit ihrer Arbeiteinen Namen gemacht. Die Größe einer Kanzlei allein ist alsokein Auswahlkriterium.

Im Einführungsteil am Anfang jedes Kapitels werden dieMarkttrends innerhalb einer ausgewählten Region oder einesbestimmten Rechtsbereichs analysiert (z.B. der Südwesten desLandes oder das Steuerrecht). Die Kanzleien, die laut unsererRecherche besondere Reputation genießen (eine zwar subjek-tive Einschätzung, die den Markt jedoch bedeutend prägt – ver-gleiche die Erläuterungen im Einführungskapitel), werdenjeweils im Anschluss in einer Rangfolge aufgelistet. Selbstver-ständlich praktizieren bundesweit bedeutend mehr Kanzleien,als in diesem Handbuch für die einzelnen Rechtsbereiche undRegionen aufgeführt werden.

Danach werden die Aktivitäten dieser Kanzleien in den ausge-wählten Regionen oder Rechtsbereichen erläutert und analy-siert. Gegebenenfalls werden auch Beispiele aus der Mandan-tenschaft gegeben.

In Rechtsbereichen, in denen der Ruf einzelner Anwälte vonBedeutung für den Markt ist, haben wir auch Tabellen bedeu-tender Persönlichkeiten angefertigt. Sie umfassen die Anwälte,die von Kollegen und Klientel besonders häufig empfohlenwerden.

Zu diesem Teil ein wichtiger Hinweis der Redaktion: Die vonder Redaktion getroffene Auswahl der Anwälte und Kanzleienist eine subjektive und reflektiert lediglich die Recherche derRedaktion. Der Verlag impliziert mit seiner Auswahl keineGeringerschätzung anderer, in diesem Handbuch nichtgenannter Anwälte und Kanzleien. Die Darstellung zu den aus-

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232 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

gewählten Kanzleien stellt keine Werbung dar und ist nichtkäuflich.

Die Redaktion hat größte Sorgfalt auf die genaue Wiedergabeder uns zur Verfügung gestellten Informationen gelegt, kannjedoch keine Verantwortung für die Qualität von Empfehlun-gen, für die fehlende Erwähnung oder für sonstige inhaltlicheFehler oder Irrtümer bei der Erstellung dieses Handbuchs über-nehmen.“

[3] In dem redaktionellen Teil sind im Rahmen der Darstel-lung der Regionen und der Rechtsgebiete Tabellen angeführt,in denen ausgesuchte RA-Kanzleien einzeln oder alphabe-tisch geordnet in einer Rangfolge aufgrund eines sog. „Kanz-leiranking“ aufgelistet sind. Im Anschluss an diese Tabellenheißt es jeweils:

„Die hier getroffene Auswahl der Kanzleien ist eine subjektiveund reflektiert lediglich die auf zahlreichen Interviews basie-rende Recherche der Redaktion. Der Verlag impliziert damitkeine Geringschätzung der anderen in diesem Gebiet tätigen,hier jedoch nicht genannten Kanzleien. Innerhalb der einzel-nen Gruppen sind die Kanzleien alphabetisch geordnet.“

[4] Die Handbücher der Bekl. zu 1 werden durch bezahlteAnzeigen von Kanzleien finanziert und im Wesentlichen kosten-los verteilt.

[5] Die Kl. sind RAe und Mitglieder einer überörtlichen Kanzlei.Sie halten die Rangeinstufungen, bei denen eine Vielzahl von imWirtschaftsrecht tätigen RA-Kanzleien keine Erwähnung findet,für wettbewerbswidrig. Sie haben geltend gemacht, objektiveMerkmale für die Reputation der Anwälte, auf denen die Einstu-fungen beruhten, gebe es nicht. Ein Qualitätsvergleich von RAensei unzulässig, weil nachprüfbare Kriterien fehlten und die in dieRangordnung nicht aufgenommenen Anwälte herabgesetzt wür-den. Die Ranglisten stellten unzulässige vergleichende Werbungdar, weil es an objektiven und nachprüfbaren Fakten fehle. Auchwerde der Verbraucher darüber irregeführt, dass es sich umobjektive Informationen handele. Die Beschränkung der Darstel-lungen im Handbuch auf wenige Kanzleien mit Schwerpunktauf Großkanzleien gefährde den Leistungswettbewerb.

[6] Die Kl. haben beantragt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unter-lassen, im geschäftlichen Verkehr Druckschriften über RAe oderWirtschaftskanzleien, insbesondere das Handbuch „Wirtschafts-kanzleien – Rechtsanwälte für Unternehmen“ zu verbreitenoder an der Ausstellung solcher Druckschriften mitzuwirkenoder für diese zu werben, sofern diese drucktechnisch und/oder farblich hervorgehobene Aufstellungen enthalten, indenen RAe oder Anwaltssozietäten für geographische Regionenund/oder für Rechtsbereiche in einer Rangfolge aufgelistet wer-den, bei der auf die Reputation der einzelnen Anwälte oderKanzleien Bezug genommen wird.

[7] Die Bekl. sind der Klage entgegengetreten. Sie haben vorge-tragen, ihre Informationen beruhten nicht nur auf Angaben derRAe, die in dem Handbuch Erwähnung fänden, sondern aufeiner Vielzahl von Interviews mit juristisch vorgebildeten Aka-demikern, Mandanten und ausländischen Kanzleien. Esbestehe kein Zusammenhang zwischen der Erteilung vonAnzeigenaufträgen einerseits und der Erwähnung im redaktio-nellen Teil sowie der Eingruppierung in die Ranglisten anderer-seits. Ein Verbot der Berichterstattung verstoße gegen die inArt. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Pressefreiheit.

[8] Das LG hat die Klage abgewiesen (LG München, ZIP 2000,1593). Auf die Berufung der Kl. hat das Berufungsgericht dieBekl. antragsgemäß verurteilt (OLG München, NJW 2001,1950). Der Senat hat die hiergegen gerichtete Revision durchBeschl. v. 21.2.2002 nicht angenommen. Auf die Verfassungs-beschwerde der Bekl. hat das BVerfG das Berufungsurteil unddie Entscheidung des Senats durch Beschl. v. 7.11.2002 aufge-hoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen

(WRP 2003, 69 = NJW 2003, 277). Das Berufungsgericht hatdie Berufung daraufhin zurückgewiesen (OLG München,GRUR 2003, 719 = NJW 2003, 1534).

[9] Dagegen richtet sich die (vom Berufungsgericht zugelas-sene) Revision der Kl. Die Bekl. beantragen, die Revisionzurückzuweisen.

Aus den Gründen:

[10] I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruchverneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:

[11] Ein Verstoß gegen § 2 UWG (a.F.) sei nicht gegeben. DieRanglisten seien keine vergleichende Werbung i.S.v. § 2 Abs. 1UWG (a.F.). Von dieser Vorschrift werde nur eine Werbungerfasst, die einen Mitbewerber oder die von diesem angebote-nen Waren oder Dienstleistungen erkennbar mache. Die Bekl.seien nicht Mitbewerber der in den Tabellen herausgehobenenAnwaltskanzleien.

[12] Der Unterlassungsanspruch folge auch nicht aus § 1 UWG(a.F.) oder § 3 UWG (a.F.). Das begehrte generelle Verbot vonRanglisten könnten die Kl. nicht verlangen. Es gehe über diekonkrete Verletzungsform durch Veröffentlichung in den Hand-büchern hinaus und sei nach der Entscheidung des BVerfGnicht erforderlich, wenn klarstellende Zusätze ausreichten, umIrreführungen auszuschließen. Danach seien Fallgestaltungendenkbar, bei denen Ranglisten mit hinreichend klarstellendenZusätzen zulässig seien.

[13] Das in dem umfassenden Unterlassungsbegehren alsMinus enthaltene Verbot der konkreten Verletzungsform seinicht gerechtfertigt. Eine auf § 1 UWG (a.F.) gestützte Ein-schränkung der Meinungsfreiheit setze nach der Entscheidungdes BVerfG auf den konkreten Fall bezogene Feststellungen zurGefährdung des Leistungswettbewerbs durch sittenwidrigesVerhalten voraus. Diese Feststellungen könnten auf der Grund-lage des Sach- und Streitstands nicht getroffen werden. Die inden Ranglisten enthaltenen wertenden Äußerungen unterfielendem Schutz der Meinungsfreiheit und dürften nur unter beson-deren Umständen beschränkt werden. Nicht ausreichend sei,dass für die Einordnung in die Ranglisten die Reputation derAnwaltskanzleien mitbestimmend sei.

[14] Eine wettbewerbsrechtliche Unlauterkeit lasse sich nichtaus der Vorspiegelung einer in Wirklichkeit nicht stattfinden-den redaktionellen Recherche herleiten. Aus der erstinstanzlichdurchgeführten Beweisaufnahme ergebe sich, dass bei der Her-stellung des Handbuchs nicht lediglich Informationen Dritterohne kritische Distanz in das Gewand eines redaktionellenBeitrags gekleidet würden. Eine Irreführung der angesproche-nen Verkehrskreise ergebe sich nicht aus einer fehlendenOffenlegung der Bewertungsgrundlagen der Einstufungen.Angesprochen werde durch das Handbuch ein Fachpublikum.Dieses sei aufgrund der beigefügten Erläuterungen zu einer kri-tischen Einschätzung der Ranglisten in der Lage. Dem Publi-kum werde nahe gebracht, dass die Ranglisten auf einer sub-jektiven Einschätzung einer Vielzahl von Mandanten, Anwältenund Akademikern aus dem In- und Ausland und der wiederumsubjektiven Übersetzung dieser Einschätzungen durch die Bekl.zu 1 beruhten. Es sei deshalb kein Raum für die Annahme, derVerkehr nehme an, die Ranglisten basierten auf objektiven Ver-gleichskriterien oder auch nur einer repräsentativen Erhebungaller relevanten Berufsgruppen. Auf die Behauptung der Kl., diebegünstigten Kanzleien würden Kopien der betreffenden Tabel-len ohne die erläuternden Hinweise verschicken, komme esnicht an. Es sei nicht dargetan, dass dieses Verhalten der Kanz-leien von den Bekl. veranlasst oder geduldet werde.

[15] Es lasse sich auch nicht feststellen, dass die Bekl. durch dieVeröffentlichung der Ranglisten in sittenwidriger Weise auf dieAufgabe von Inseraten hingewirkt hätten. Hierzu reiche das

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 233

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Interesse der Bekl. an der Akquisition von Anzeigenaufträgennicht aus. Nach dem unwiderlegten Vorbringen der Bekl.werde den RA-Kanzleien die Möglichkeit der Anzeigenschal-tung im zweiten Teil erst angeboten, wenn über die Berück-sichtigung im redaktionellen Teil entschieden sei.[16] Unerheblich sei, ob den RAen, die durch Interviews undSchaltung von Anzeigen an dem Erscheinen des Handbuchsmitwirkten, nach dem einschlägigen Werberecht die Erstellungder Tabellen verboten sei. Daraus folge nicht, dass den Bekl.,die die Pressefreiheit für sich in Anspruch nehmen könnten, einderartiges Verhalten zu untersagen sei.[17] Der mit der Platzierung in den Tabellen verbundene Wett-bewerbsvorsprung für die hierdurch herausgehobenen Kanz-leien, darunter viele Großkanzleien, sei nicht so gravierend,dass dies eine Beschränkung des Grundrechts der Meinungs-freiheit rechtfertigen könne.[18] Ein Verstoß gegen § 3 UWG (a.F.) sei nicht gegeben. Eshandele sich bei den Ranglisten nicht um Angaben im Sinnedieser Vorschrift, weil es sich nach den Feststellungen desBVerfG bei den in Rede stehenden Einstufungen um Wertur-teile handele.[19] II. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung desBerufungsgerichts, dass den Kl. der begehrte Unterlassungsan-spruch nicht zusteht, hält der revisionsrechtlichen Nachprü-fung stand.[20] 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, bei den bean-standeten Rangfolgetabellen handele es sich nicht um verglei-chende Werbung i.S.v. § 2 Abs. 1 UWG a.F. Dagegen wendetsich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

[21] a) Der Vertrieb und dieBewerbung der von der Bekl. zu1 herausgegebenen Handbüchermit den beanstandeten Ranglis-

ten stellt keine nach § 1 i.V.m. § 2 UWG a.F. unlautere verglei-chende Werbung dar.[22] Vergleichende Werbung ist nach § 2 Abs. 1 UWG a.F. jedeWerbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerberoder von einem Mitbewerber angebotene Waren oder Dienst-leistungen erkennbar macht. Durch die Vorschrift ist Art. 2Nr. 2a der Richtlinie 84/450/EWG des Rates v. 10.9.1984 überirreführende und vergleichende Werbung (ABI. EG Nr. L 250,17) in der durch die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Par-laments und des Rates v. 6.10.1997 (ABI. EG Nr. L 290, 18)geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 84/450/EWG)umgesetzt worden. Der Begriff der vergleichenden Werbungnach § 2 Abs. 1 UWG a.F. ist daher richtlinienkonform auszu-legen. Werbung ist nach Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 84/450/EWG jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewer-bes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatzvon Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, ein-schließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungenzu fördern. Vergleichende Werbung i.S.v. § 2 Abs. 1 UWG a.F.setzt danach neben der objektiven Eignung, den Absatz vonWaren oder Dienstleistungen einer Person zum Nachteil eineranderen zu begünstigen, in subjektiver Hinsicht zusätzlich dieAbsicht voraus, den eigenen oder fremden Wettbewerb zumNachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nichtvöllig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. BGHZ136, 111, 117 – Kaffeebohne; BGH, Urt. v. 17.1.2002 – I ZR161/99, GRUR 2002, 633, 635 = WRP 2002, 828 – Hormoner-satztherapie).[23] b) Von einer Absicht derBekl., den Wettbewerb der inden Ranglisten genannten RA-Kanzleien zu Lasten derjenigenRAe zu fördern, die in den Listen

nicht oder an weniger herausgehobener Stelle angeführt sind,ist – worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist – imStreitfall nicht auszugehen. Die objektive Eignung des Verhal-tens der Bekl., den Absatz der Dienstleistungen von RA-Kanz-leien zu fördern, die in den Ranglisten erwähnt werden,begründet wegen des den Bekl. zukommenden allgemeinenPresseprivilegs nach Art. 5 Abs. 1 GG keine Vermutung füreine Wettbewerbsabsicht (vgl. BGH, Urt. v. 10.11.1994 – I ZR216/92, GRUR 1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 – DubiosesGeschäftsgebaren; Urt. v. 13.4.2000 – 1 ZR 282/97, GRUR2000, 703, 706 = WRP 2000, 1243 – Mattscheibe). Vielmehrbedarf es in Fällen, in denen keine Vermutung für das Vorlie-gen einer Wettbewerbsförderungsabsicht besteht, der Feststel-lung konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmungder publizistischen Aufgabe die Absicht des Presseorgans, eige-nen oder fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nureine notwendigerweise begleitende Rolle gespielt hat (BGH,Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 196/94, GRUR 1997, 912, 913 = WRP1997, 1048 – Die Besten I; Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95,GRUR 1997, 914, 915 = WRP 1997, 1051 – Die Besten II).

[24] aa) Eine Absicht der Bekl., den Wettbewerb der Bekl. zu 1im Verlagsgeschäft zu fördern, hat vorliegend allerdings außerBetracht zu bleiben. Die Kl. werden durch eine Förderung desVerlagsgeschäfts der Bekl. zu 1 in ihrer Rechtsstellung nichtbetroffen (BGH, Urt. v. 12.6.1997 – I ZR 36/95, GRUR 1998,167, 168 = WRP 1998, 48 – Restaurantführer).

[25] bb) Es kommt entscheidend darauf an, ob die Bekl. in derAbsicht handelten, den Wettbewerb der in den Ranglistenangeführten RA-Kanzleien über das mit der Wahrnehmungihrer publizistischen Aufgabe notwendigerweise verbundeneMaß hinaus zu fördern. Davon ist das Berufungsgericht unterBezugnahme auf seine erste Entscheidung ausgegangen. Es hatangenommen, die von den Bekl. vorgenommene Ranggrup-peneinteilung stelle eine Anpreisung dieser RA-Kanzleien miteinem hohen Werbeeffekt dar, die den Rahmen einer sachli-chen Information über die Spezialisierung und die Qualifika-tion der Anwaltskanzleien verlasse. Es handele sich um einewettbewerbsrechtlich ins Gewicht fallende Begleiterscheinungder journalistischen Berichterstattung. Die Absicht, den frem-den Wettbewerb zu fördern, werde besonders deutlich durchdie Kombination von redaktionellem Teil und den als „Kanzlei-profile“ und „Partnerprofile“ bezeichneten bezahlten Anzeigenim zweiten Teil. Auch wenn kein unmittelbarer Zusammen-hang zwischen einem Anzeigenauftrag und der Rangeinstufungbestehe, könne nicht außer Betracht bleiben, dass die Handbü-cher überwiegend unentgeltlich vertrieben würden und dieBekl. deshalb ein ureigenstes wirtschaftliches Interesse daranhätten, größere zahlungskräftige Anwaltskanzleien in die Ran-kinglisten aufzunehmen. Die Förderung des Wettbewerbs derin den Listen angeführten Kanzleien wirke sich dadurch aufden wirtschaftlichen Erfolg des Handbuchs aus, was keine not-wendige Begleiterscheinung der journalistischen Berichterstat-tung sei.

[26] Diesen Ausführungen des Berufungsgerichts kann nichtzugestimmt werden.

[27] Die Aufnahme von zuvor im redaktionellen Teil bespro-chener RA-Kanzleien in Ranglisten ist bei der konkreten Art derDarstellung und unter Berücksichtigung der erläuternden Hin-weise keine übermäßig anpreisende Darstellung, mit der dieBekl. den Boden sachlicher Information verlassen. Die Zusam-menfassung des Inhalts eines jeweiligen Abschnitts einer Publi-kation durch graphische Hervorhebung – sei es vorangestelltoder im Anschluss an den Text – ist eine bei Presseerzeugnissennicht unübliche Darstellung. Den hiermit verbundenen Werbe-effekt relativieren die Bekl. mit dem jeder Rangliste folgendenausdrücklichen Hinweis auf die Subjektivität der Einschätzung.

Keine unlautere ver-gleichende Werbung

Keine einseitigeFörderung einzelner

Kanzleien

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234 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Verstärkt wird dies noch durchdie Erläuterungen in der Einlei-tung der Handbücher, in denendie Bekl. die nur wertende Ein-schätzung der Reihenfolge noch-

mals hervorheben. Daraus wird deutlich, dass die Aufnahmeund Einordnung der RAe und Kanzleien in die Ranglisten aufeiner zweifach subjektiven Einschätzung beruhen. In einemersten Schritt geben die auf dem Markt Handelnden ihre eigeneEinschätzung ab. In einem zweiten Schritt erfolgt eine ebenfallssubjektive Umsetzung dieser wertenden Einschätzungen durchdie Bekl. zu 1. Das Berufungsgericht hat in anderem Zusam-menhang zudem rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die angespro-chenen Verkehrskreise, bei denen es sich um ein Fachpublikumhandelt, zu einer kritischen Würdigung der Ranglisten auf-grund der von den Bekl. gegebenen Erläuterungen in der Lagesind. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten,die Grundlagen für die Einstufung der Ranglisten seien nur sehrallgemein gehalten. Es fehlten nähere Angaben zu der Anzahlder geführten Gespräche und der ausgesprochenen Empfehlun-gen und dazu, dass die Empfehlungen nicht nur auf Erklärun-gen befreundeter RAe beruhten. Dahingehende Informationenkönnen die angesprochenen Verkehrskreise aber, wie das Beru-fungsgericht zutreffend angenommen hat, den erläuterndenHinweisen zum Zustandekommen der Ranglisten entnehmen.[28] Eine Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, folgt auchnicht aus einem besonderen Interesse der Bekl., zahlungskräf-tige Anwaltskanzleien in die Ranglisten aufzunehmen, umderen Bereitschaft zu erhöhen, Anzeigen zu schalten. Anzei-genfinanzierte Medien sind regelmäßig darauf angewiesen, diewerbenden Verkehrskreise zur Schaltung von Anzeigen zu ver-anlassen (vgl. BVerfG, WRP 2003, 69, 71). Diesem weit ver-breiteten allgemeinen Interesse bei der Herausgabe von Publi-kationen ist für sich genommen nichts dafür zu entnehmen,dass beim Erstellen der Rangliste ein Handeln zur Förderungfremden Wettbewerbs vorliegt. Dass die Bekl. die Aufnahme indie Ranglisten in irgendeiner Weise mit dem Anzeigengeschäftverknüpfen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Gegen-teiliges wird auch von der Revision nicht geltend gemacht.[29] 2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch dagegen,dass das Berufungsgericht eine wettbewerbsrechtliche Unlau-terkeit der Ranglisten in den Handbüchern nach § 1 UWG a.F.mit der Begründung verneint hat, eine Gefährdung des Leis-tungswettbewerbs habe nicht konkret festgestellt werden kön-nen. Ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UWG a.F. scheidetschon deshalb aus, weil die notwendige Wettbewerbsförde-rungsabsicht fehlt. Das Vorliegen dieser Absicht ist unerlässli-ches Erfordernis eines Unterlassungsanspruchs nach § 1 UWGa.F. (vgl. BGH, Urt. v. 22.5.1986 – I ZR 72/84, GRUR 1986,898, 899 – Frank der Tat; BGHZ 136, 111, 117 – Kaffeebohne;BGH, Urt. v. 19.2.1998 – I ZR 120/95, GRUR 1998, 947, 948 =WRP 1998, 595 – AZUBI ’94).[30] Aus denselben Gründen scheidet auch ein Unterlassungs-anspruch wegen irreführender Werbung nach § 3 UWG a.F.aus.[31] 3. Den Kl. steht der geltend gemachte Unterlassungsan-spruch auch nicht entsprechend § 1004 BGB i.V.m. § 1 UWGa.F., § 43b BRAO, § 6 BORA aufgrund einer Haftung der Bekl.als Störer zu. Für eine unzulässige Selbstdarstellung einzelnerRAe können die Bekl. nicht zur Verantwortung gezogen wer-den.[32] a) Auch wer ohne Wettbewerbsförderungsabsicht undohne Verschulden an dem Wettbewerbsverstoß eines Drittenbeteiligt ist, kann als Störer zur Unterlassung verpflichtet sein,wenn er in zurechenbarer Weise an der Herbeiführung derrechtswidrigen Beeinträchtigung mitwirkt. Von Dritten, die einerechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr

Handeln unterstützen, darf jedoch durch eine Störerhaftungnichts Unzumutbares verlangt werden. Die Haftung als Störersetzt daher die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. DieBeurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten waroder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Ein-zelfalls, wobei die Funktion und Aufgabenstellung des als Störerin Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung des-jenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittel-bar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind(BGHZ 158, 236, 251 – Internet-Versteigerung; 158, 343, 350 –Schöner Wetten). Im Hinblick auf das den Bekl. zukommendePrivileg des Art. 5 GG, zur Erfüllung eines allgemeinen Informa-tionsinteresses beizutragen, sind an die ihnen obliegenden Prü-fungspflichten keine zu strengen Anforderungen zu stellen. DieStörerhaftung kann deshalb im Ergebnis zu keiner weiterrei-chenden Haftung der Bekl. führen als die Beurteilung ihresHandelns unter dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsförde-rungsabsicht (s.o.). Eine Haftung der Bekl. nach den Grundsät-zen zur Störerhaftung im Wettbewerbsrecht besteht nicht.

[33] b) Eine Verletzung von Verhaltenspflichten durch die Bekl.scheidet im Streitfall aus. Das Sachlichkeitsgebot der § 43bBRAO, § 6 Abs. 1 BORA, das sich mit der Zulässigkeit anwaltli-cher Werbung befasst, richtet sich ausschließlich an RAe undnicht an Dritte. Die Einhaltung der Vorschriften obliegt denRAen in eigener Verantwortung. Die Bekl. konnten sich daraufverlassen, dass die von ihnen angesprochenen RAe eigenstän-dig prüfen, ob ihre Mitwirkung an der Erstellung der Ranglistenmit den berufsrechtlichen Werbevorschriften vereinbar ist, undihre Mitarbeit an der Veröffentlichung der Ranglisten verwei-gern, wenn diese nicht ohne Verstoß gegen das Sachlichkeits-gebot möglich ist.

Wirksamkeit von Prozesshandlungen eines ehemaligenRechtsanwalts

BRAO § 36 Abs. 2; ZPO § 78, § 91, § 104

1. Für die sofortige Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungs-beschluss des Rechtspflegers besteht kein Anwaltszwang.

2. Prozesshandlungen, die ein ehemaliger RA nach dem Verlustseiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und der Löschung in derListe der zugelassenen Anwälte für die Partei vornimmt, sind imParteiprozess nicht allein wegen der beendeten Zulassungunwirksam (Abgrenzung zu BGHZ 98, 325). Es bleibt offen, obmit dem Ende der Zulassung auch die einem RA erteilte Prozess-vollmacht erlischt. Die Partei kann dessen – unterstellt vollmacht-lose – weitere Prozessführung jedenfalls mit Rückwirkung geneh-migen.

3. Der obsiegenden Partei steht ein Anspruch auf Erstattung derihr entstandenen RA-Kosten gem. § 91 ZPO ausnahmsweise nichtzu, wenn für die Bestellung eines RA kein Anlass mehr bestand,weil das Gericht bereits eine Verwerfung des vom Gegner einge-legten Rechtsbehelfs angekündigt hatte.

BGH, Beschl. v. 26.1.2006 – III ZB 63/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Eignungsprognose bei der Bestellung von Anwaltsnotaren

BNotO § 6; AVNot Bremen

*1. Das BVerfG hat mit seiner Entscheidung v. 20.4.2004 (BRAK-Mitt. 2004, 179) das von den Landesjustizverwaltungen in denjeweiligen Verwaltungsvorschriften praktizierte Punktesystemnicht bereits von der Methodik her für verfassungswidrig erklärt.Vielmehr ist gerügt worden, dass die Verwaltungspraxis und dieRspr. die spezifische fachliche Eignung für das Amt des Notars im

Hinweis aufSubjektivität derEinschätzungen

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 235

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Verhältnis zur allgemeinen Befähigung für juristische Berufe undzu den Erfahrungen aus dem Anwaltsberuf zu gering gewichtethat.

*2. Die vom BVerfG missbilligte Ungleichgewichtung zwischenden verschiedenen Eignungskriterien ist durch die Neufassung derAVNot Bremen in verfassungsgemäßer Weise beseitigt worden.

Hanseatisches OLG Bremen, Beschl. v. 17.8.2006 – 2 Not 5/2006

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Werbung eines Anwaltsnotars

BNotO § 29, § 67; GG Art. 12*1. Es stellt keine unzulässige Werbung dar, wenn ein Anwalts-notar in einem kirchlichen Gemeindebrief unter der Überschrift„Anwaltliche Hilfe?“ neben seinem Namen die Berufsbezeich-nungen „Rechtsanwalt und Notar“ verwendet.

*2. Einem Notar kann innerhalb einer Werbung, die klar erkenn-bar nur auf seine anwaltliche Tätigkeit abzielt, nicht untersagtwerden, seine vollständige Berufsbezeichnung mit Namen anzu-geben.

*3. Richtet sich die Werbung ausdrücklich nur auf die anwaltlicheTätigkeit, ist es auch nicht zu beanstanden, wenn zugleich Tätig-keitsschwerpunkte angegeben werden (hier Familien-, Medizin-und Erbrecht).

OLG Celle, Beschl. v. 19.6.2006 – Not 9/06

Aus den Gründen:

I. Der am ... 1946 geborene Ast. ist seit dem 27.11.1979 als RAzugelassen. Am 13.3.1995 wurde er zum Notar bestellt. Er hatseinen Kanzlei- und Dienstsitz in B. Disziplinarrechtlich ist erbisher nicht in Erscheinung getreten.

In der Herbstausgabe 2005 des Gemeindebriefes der Ev.-luth.Kirchengemeinde St. P. in B. erschien eine Anzeige des Notarsmit folgendem Inhalt (BI. 4 f. d.A. I T 39 R… [UA I]):

„Anwaltliche Hilfe?

Rechtsanwalt & Notar

W. R.

Tätigkeitsschwerpunkte:Familien-, Medizin- und Erbrecht

L…, … B…Tel. …/ Fax … (Privat: K…, Tel. …)“

Am 26.10.2005 leitete der Präsident des LG B. gegen denNotar ein Vorermittlungsverfahren wegen des Verdachts einesDienstvergehens infolge unzulässiger Werbung nach § 29Abs. 1 BNotO ein (BI. 1–3 d.A. I T 39 R… [UA I]). Der Notarerklärte am 2.11.2005, er werde bzgl. des Anzeigentextes inZukunft dafür Sorge tragen, dass dieser keinen Hinweis auf dasNotariat mehr enthalte. Ferner werde er künftig an andererStelle keine Werbeanzeigen schalten, die eine andere Berufs-bezeichnung als RA beinhalteten (BI. 6 f. d.A. I T 39 R…[UA I]).

Mit Verfügung v. 7.11.2005 sprach der Präsident des LG B.gegen den Notar eine Missbilligung gem. § 94 Abs. 1 BNotOunter gleichzeitiger Einstellung des Vorermittlungsverfahrensaus (BI. 9 f. d.A. I T 39 R… [UA I]). Zur Begründung führte eraus, die Anzeige stelle eine unzulässige Werbung nach § 29Abs. 1 BNotO dar, weil dieser kein begründeter Anlasszugrunde gelegen und sie lediglich allgemein dazu gedienthabe, auf den Notar aufmerksam zu machen. Soweit der Notarals RA geringeren Werbebeschränkungen unterliege, gelte diesnur dann, wenn er nicht zugleich auf das Notariat hinweise.Da bereits eine unzulässige Werbung in der B. Zeitung v.12.4.2003 beanstandet worden sei, habe auf die Pflichtwidrig-

keit des Handelns durch eine Missbilligung hingewiesen wer-den müssen.

Gegen diese ihm am 10.11.2005 zugestellte Verfügung (BI. 13d.A. I T 39 R… [UA I]) legte der Notar mit Schr. v. 11.11.2005,eingegangen am 14.11.2005, Beschwerde ein (BI. 11 f. d.A. I T39 R… [UA I]). Hierzu machte er geltend, der Inhalt derAnzeige wende sich nach ihrer Aufmachung ausschließlich anein Publikum, das anwaltlicher Hilfe bedürfe. Die Nennungseiner vollständigen Berufsbezeichnung sei nicht zu beanstan-den, zumal er diese auch bei Bearbeitung rein anwaltlicherMandate auf dem Briefkopf seiner Kanzlei verwende.

Mit Verfügung v. 23.3.2006 wies der Präsident des OLG B. dieBeschwerde zurück (BI. 11 f. d.A. 4 R 335 SH I). Die Anzeigeverstoße gegen das Werbeverbot des § 29 Abs. 1 BNotO, weilsie dazu geeignet und bestimmt gewesen sei, nicht nur einPublikum anzusprechen, das anwaltlicher Hilfe bedürfe, son-dern zugleich einen Personenkreis, der einen Notar für eineAmtshandlung benötige. Unmittelbar in der folgenden Zeilenach der Fragestellung werde nämlich vor der Namensnen-nung und in einer größeren Schrift auf den „Rechtsanwalt &Notar“ hingewiesen. Es handele sich deshalb nicht lediglichum die vollständige Angabe einer Berufsbezeichnung. DasSchalten einer Anzeige diene auch ausschließlich dem Zweck,Mandate zu gewinnen und vermittele den mit dem Amt desNotars unvereinbaren Eindruck der Gewerblichkeit. Hierdurchunterscheide die Anzeige sich in der Verwendung von Brief-papier, bei dem die sachliche Information des Mandanten imVordergrund stehe.

Gegen diese ihm am 31.3.2006 zugestellte Verfügung (BI. 13d.A. 4 R 335 SH I) richtet sich der Antrag auf gerichtliche Ent-scheidung des Notars v. 27.4.2006, eingegangen beim OLGCelle am 2.5.2006 (BI. 1–4 d.A.). Zur Begründung führt derNotar aus, ein Fall unzulässiger Werbung nach § 29 Abs. 1BNotO liege nicht vor. Die Überschriftenzeile der Anzeigeweise eindeutig nur auf seine anwaltliche Tätigkeit hin. Fernersei es nicht zu beanstanden und üblich, dass er seine korrekteBerufsbezeichnung RA und Notar seinem Namen vorangestellthabe. Soweit unterschiedliche Schrifttypen verwendet wordenseien, sei dies ohne seine Anweisung alleine durch die Redak-tion der Zeitschrift erfolgt. Inhaltlich ergebe sich aus derAnzeige durch ihre Überschrift sowie den Hinweis auf Tätig-keitsschwerpunkte, die es nur bei dem RA gebe, eindeutig, dasses hier nur um die anwaltliche Tätigkeit gegangen sei. Es seiauch kein Unterschied zu der Nutzung von Briefpapier undVisitenkarten zu erkennen, in denen ebenfalls die Berufs-bezeichnung Notar auftauche.

Der Ast. beantragt (BI. 1 d.A.), den angefochtenen Bescheid mitder zugrunde liegenden Disziplinarverfügung des Präsidentendes LG B. v. 7.11.2005, soweit darin ein Dienstvergehen festge-stellt worden ist, aufzuheben.

Der Ag. beantragt (BI. 14 f. d.A.), den Antrag des Notars aufgerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen.

Er beruft sich darauf, die Anzeige stelle eine unzulässige werbe-wirksame Selbstdarstellung auch in Bezug auf das Notaramt dar,weil aus der Sicht eines die Unterschiede zwischen RA undNotar nicht kennenden Adressaten die Angabe beider Tätig-keitsbezeichnungen als eine umfassende Anpreisung derDienstleistungsmöglichkeiten des Inserenten anzusehen sei. Diean die örtliche Kirchengemeinde gerichtete Anzeige erscheinein ihrer Wirkung als eine Art Direktmarketing, das von denAdressaten als aufdringlich empfunden werden könne. Die Her-ausstellung des Angebots „Anwaltliche Hilfe?“ wirke reißerischund erwecke den Eindruck, der Notar sei nur an der Erhöhungseiner Einnahmen interessiert. Ein besonderer Anlass für ein all-gemeines Herantreten an Rechtsuchende, wie durch die Richtli-nienempfehlungen der BNotK gefordert, liege nicht vor.

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236 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

II. Der Antrag ist zulässig und begründet.

1. Gem. § 94 Abs. 2 Satz 5 BNotO kann gegen die Entschei-dung, mit der eine Beschwerde gegen die Missbilligung desVerhaltens des Notars zurückgewiesen wird, die Entscheidungdes OLG als Disziplinargericht für Notare beantragt werden.Für das Verfahren gelten gem. § 94 Abs. 2 Satz 6 BNotO dieVorschriften des § 75 Abs. 5 Satz 2 bis 4 BNotO entsprechend.Gem. § 75 Abs. 5 Satz 2 bis 4 BNotO entscheidet der Notar-senat nach den Vorschriften über die für Landesjustizbeamtegeltenden Vorschriften auch über den Antrag des Notars aufgerichtliche Entscheidung über eine Missbilligungsverfügung.Dieser Antrag muss innerhalb eines Monats nach Zustellungder Entscheidung der Beschwerdeinstanz eingereicht undbegründet werden. Diese Frist ist hier gewahrt, da die Be-schwerdeentscheidung des OLG B. dem Notar am 31.3.2006zugestellt wurde und dieser mit am 2.5.2006 eingegangenenSchriftsatz den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellthat. Über den Antrag kann ohne mündliche Verhandlung ent-schieden werden (§ 32 Abs. 5 NDO i.V.m. § 96 Satz 1 BNotO).Von dieser Möglichkeit macht der Senat Gebrauch, da derSachverhalt hinreichend geklärt ist und kein Beteiligter einemündliche Verhandlung beantragt hat.

2. Der Antrag ist auch begründet. In der Veröffentlichung derAnzeige in der Herbstausgabe 2005 des Gemeindebriefes derEv.-luth. Kirchengemeinde St. P. zu B. liegt keine unzulässigeWerbung nach § 29 BNotO und damit kein Dienstvergehen,welches eine Missbilligung rechtfertigen könnte. Gem. § 29Abs. 1 BNotO hat der Notar jedes gewerbliche Verhalten, ins-besondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Wer-bung zu unterlassen. Nach § 29 Abs. 2 BNotO darf eine demNotar in Ansehung seiner Tätigkeiten nach § 8 BNotO erlaubteWerbung sich nicht auf seine Tätigkeit als Notar erstrecken.

a) Grundsätzlich gilt auch für den Notar, der einen „staatlichgebundenen“ Beruf ausübt, die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1GG (BVerfGE 73, 280, 292; Beschl. v. 8.3.2005 – 1 BvR 2561/03 –, in: NJW 2005, 1483 zu B I 1; Beschl. v. 24.11.2005 – 1BvR 1870/04 –, in: NJW 2006, 359 zu II 1 a; Schippel, BNotO,7. Aufl., § 29 Rdnr. 1 f.). Dieses Grundrecht schützt auch dieberufliche Außendarstellung des Grundrechtsträgers ein-schließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seinerDienste. Gleichwohl ist die in § 29 Abs. 1 BNotO enthalteneBeschränkung grundsätzlich als flankierende Maßnahme zurSicherung einer ordnungsgemäßen Berufsausübung der Notaregerechtfertigt (BVerfG, NJW 2005, 1483, zu B I 3 a) aa)). Aller-dings muss es sich um eine inhaltlich berufswidrige oder sonstirreführende Werbung handeln und das Werbeverbot darfinhaltlich nicht die Grenzen der verfassungsrechtlichen Zumut-barkeit der Einschränkung der Berufsausübung übersteigen.Amtswidrig ist eine Werbung nur dann, wenn sie die ordnungs-gemäße Berufsausübung des Notars in Frage stellt. Ferner istjeder Grundrechtseingriff – sei es durch gesetzliche Regelun-gen, sei es durch Einzelmaßnahmen der Dienstaufsicht – nurdann gerechtfertigt, wenn er durch hinreichende Gründe desGemeinwohls gerechtfertigt ist, das gewählte Mittel zur Errei-chung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich ist undbei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffsund dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzeder Zumutbarkeit noch gewahrt ist.

Auf dieser Grundlage hat das BVerfG § 29 Abs. 3 Satz 1 BNotOals mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar angesehen, soweitAnwaltsnotaren in überörtlichen Sozietäten untersagt wird, dieAmtsbezeichnung als Notar auf Geschäftspapieren anzugeben,die nicht von der Geschäftsstelle des Notars aus versandt wer-den (NJW 2005, 1483). Ferner hat es keine unzulässige Wer-bung i.S.v. § 29 Abs. 1 BNotO angenommen, wenn ein NotarAnschrift und Telefonnummer seiner Geschäftsstelle in einemörtlichen Telefonbuch veröffentlichen lässt, das nicht auch für

den Ort seines Amtssitzes, sondern ausschließlich für eineGemeinde herausgegeben wird, die außerhalb seines Amtsbe-reiches liegt (NJW 2006, 359 unter Aufhebung des Beschl. desBGH v. 12.7.2004 – NotZ 6/04 –, in: NJW 2004, 2974).Als unzulässig anzusehen ist demgegenüber jedes Verhaltendes Notars, das den Eindruck erwecken könnte, seine Unpartei-lichkeit und Unabhängigkeit werde durch ein gewerbliches,gewinnorientiertes Marktverhalten beeinflusst (Beschl. desBGH v. 16.7.2001 – NotZ 12/01 –, in: NJW-RR 2002, 58;Beschl. des Senats v. 25.11.2003 – Not 27/03 – zur Frage derZulässigkeit der Führung von mehreren Namens- und Amts-schildern zur Kennzeichnung der Notariatsgeschäftsstelle;Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 4. Aufl., § 29 Rdnr. 6). Nichtgestattet ist hierbei insbesondere ein reklamehaftes Verhaltendes Notars, das keinen Sachbezug zu der notariellen Tätigkeithat (Beschl. des Senats v. 16.11.2001 – Not 28/01 –, in: Nds.Rpfl. 2002, 284).

Ob dieser bloße Eindruck derGewerblichkeit und des rekla-mehaften Herausstellens vorliegt,richtet sich nicht nach der Sichteines Fachjuristen, sondern es ist

auf die Sichtweise desjenigen abzustellen, an den sich die Wer-bung richtet und auf dessen Vorstellungswelt sie Einfluss habensoll (Beschl. des Senats v. 15.1.2001 – Not 12/00 –, in: NJW-RR2001, 1721). Das ist die Sichtweise derjenigen, die bei der Ver-folgung ihrer rechtlichen Interessen auf sachverständige Hilfezurückgreifen möchten, ohne von vornherein das sichere Wis-sen mitzubringen, ob sie hierfür einen Notar oder einen RAbenötigen.Soweit der Notar – wie hier – zugleich als RA tätig ist, hat er imRahmen anwaltlicher Werbung darauf zu achten, dass hier-durch nicht die für den Notar geltenden Grenzen der Werbungüberschritten werden (Arndt/Lerch/Sandkühler, § 29 Rdnr. 16;Schippel, § 29 Rdnr. 19). Insbesondere kommen dem Notar beieiner einheitlich gestalteten Werbung nicht etwa deswegengrößere Werbebefugnisse zu, weil er zugleich RA ist und inso-weit Werbung in größerem Umfang zulässig ist als bei einemNotar (vgl. hierzu § 29 Abs. 2 BNotO).Zur Ausfüllung des Begriffs der unzulässigen Werbung nach§ 29 BNotO können gem. § 67 Abs. 2 Satz 3 Ziff. 7 BNotO dieNotarkammern Richtlinien erlassen. Die Richtlinienempfeh-lung der BNotK (veröffentlicht in DNotZ 1999, 259, 261 f.; fer-ner Schippel, a.a.O., Rdnr. 8–15) sieht zu VII 1.3 vor, dass einVerhalten des Notars insbesondere dann unzulässig ist, wennes auf die Erteilung eines bestimmten Auftrags oder Gewinnungeines bestimmten Auftraggebers gerichtet ist, es den Eindruckder Gewerblichkeit vermittelt, insbesondere den Notar oderseine Dienste reklamehaft herausstellt,

� es eine wertende Selbstdarstellung des Notars oder seinerDienste enthält,

� der Notar ohne besonderen Anlass allgemein an Rechtsu-chende herantritt,

� es sich um eine irreführende Werbung handelt.Soweit es speziell um Anzeigen geht, dürfen diese nicht durchForm, Inhalt, Häufigkeit oder auf sonstige Weise der amtswidri-gen Werbung dienen (VII 1.4 der Richtlinienempfehlung;Arndt/Lerch/Sandkühler, a.a.O., Rdnr. 11). Wenn Anzeigen desNotars dagegen keine werbende Selbstdarstellung enthalten,den Eindruck der Gewerblichkeit nicht vermitteln und in Form,Inhalt und Häufigkeit nicht der amtswidrigen Werbung dienen,sind sie ihm erlaubt (Schippel, a.a.O., Rdnr. 13).b) Auf dieser Grundlage ist hier nicht von einer amtspflichtwid-rigen Werbung des Notars auszugehen. Sie stellt sich vielmehrim Ergebnis lediglich als Werbung für die anwaltliche Tätigkeitdar, bei der der ergänzenden Berufsbezeichnung als RA und

Eindruck derGewerblichkeit ist

nicht gestattet

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 237

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Notar kein entscheidendes Gepräge im Sinne einer amtswidri-gen Notarwerbung zukommt. Zunächst ist die Anzeige bereitsoptisch nicht als besonders hervorstechend oder reißerischanzusehen. Sie hat insgesamt lediglich ein Format von 6 x 4,5cm und ist in der entsprechenden Seite des Gemeindebriefesneben einem Artikel und fünf weiteren Anzeigen erschienen. Inder Überschrift, die von der Schriftgröße und dem Fettdruckbesonders hervorgehoben ist, wird die Frage nach „AnwaltlicheHilfe?“ gestellt. Bereits hierdurch kommt unmissverständlichzum Ausdruck, dass der Notar gerade keine Anpreisung auchseiner notariellen Tätigkeit anbietet, sondern lediglich auf seineanwaltliche Hilfe verweist. Diese optisch hervorgehobeneÜberschrift spricht deshalb bereits dagegen, dass es sich hierüberhaupt um Werbung auch für das Notariat handelt.Zwar folgt dann in der nächsten Zeile der in einer kleinerenSchriftgröße fettgedruckte Hinweis auf „Rechtsanwalt undNotar“ sowie in der dritten Zeile in einer wiederum kleinerenSchriftgröße der Name des Ast. Auch einem unbefangenenLeser, der zunächst durch die Überschrift „Anwaltliche Hilfe?“zum Weiterlesen animiert wird, wird deshalb nicht verborgenbleiben, dass der hier genannte RA zugleich Notar ist. Es istdeshalb nicht von vornherein auszuschließen, dass ein derarti-ger Leser, der sich zunächst für anwaltliche Dienstleistungeninteressiert, beim Weiterlesen auch den Hinweis auf zusätzli-che notarielle Tätigkeiten des RA erhält und sich ebenfalls fürdiese interessieren wird. Das ist indessen nur ein hinzuneh-mender Nebeneffekt der zulässigen Anwaltswerbung.Insbesondere war der Notar hiernicht etwa verpflichtet, bei derAnzeige seinen Notartitel, der zuseiner vollständigen Berufsbe-zeichnung gehört (§ 2 Satz 2BNotO), wegzulassen. Zutreffend hat bereits das BVerfG in sei-ner Entscheidung zu § 29 Abs. 3 Satz 1 BNotO darauf hinge-wiesen, die Regelung zur Verwendung unterschiedlicherGeschäftspapiere innerhalb einer überörtlichen Sozietät führezu einer erheblichen Belastung des Notars, weil sie demAnwaltsnotar die Angabe der Amtsbezeichnung untersage, dieer bei seiner Berufsausübung grundsätzlich führen dürfe (NJW2005, 1483 zu B I 3 b) cc) (1)). Dieses damit unter bestimmtenVoraussetzungen geforderte Verschweigen der eigenen berufli-chen Qualifikation stelle einen empfindlichen Eingriff in dieBerufsfreiheit dar, weil es zur Folge habe, dass die notariellenLeistungen nur eingeschränkt angeboten und von den Rechtsu-chenden nur eingeschränkt nachgefragt werden können. Vorallem sei es nicht auszuschließen, dass die fehlenden Angabenzu dem Notaramt Zweifel an der Seriosität des RA wecken unddamit auch die Ausübung dieses Berufs beeinträchtigen könn-ten. So könne etwa ein Mandant, der von dem Notaramtwusste, wegen eines Briefbogens, in dem die Amtsbezeichnungnicht angegeben wird, den Eindruck gewinnen, der betreffendeRA habe sein Notaramt möglicherweise aufgrund von Verfeh-lungen verloren.Diese Überlegungen sind auch auf den vorliegenden Fall über-tragbar. Gerade bei der Anzeige in einem kirchlichen Gemein-debrief, der als Adressaten lediglich die Kirchenmitglieder ineinem örtlich begrenzten Umfeld hat, besteht die Gefahr, dassdie Leser, denen der in derselben Stadt ansässige Notar mögli-cherweise persönlich bekannt ist, zu dem unzutreffendenSchluss verleitet werden, der Notar habe sein Amt verloren undsie könnten diesen nicht mehr wegen notarieller Dienstleistun-gen aufsuchen. Eine derartige Einschränkung seiner auch nota-riellen Berufstätigkeit muss der Notar nicht hinnehmen, zumalsie für ihn noch mit einer weitergehenden Rufschädigung ver-bunden sein kann, wenn etwa innerhalb des örtlichen Rah-mens gar der unzutreffende Eindruck erweckt wird, der Notarhabe sein Amt wegen irgendwelcher Verfehlungen gegen sei-nen Willen verloren.

Dem Notar kann es deshalb innerhalb einer Werbung, die klarerkennbar nur auf seine anwaltliche Tätigkeit abzielt, nichtuntersagt werden, seine vollständige Berufsbezeichnung mitNamen anzugeben. In diesem Zusammenhang spielt es füreinen durchschnittlichen Leser dann auch keine entscheidendeRolle mehr, ob in der Anzeige zunächst die vollständige Berufs-bezeichnung und dann der Name oder umgekehrt angegebenwird. Auch den geringfügigen Unterschieden der Schriftgrößekommt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Bedeu-tung zu. Es fehlt nämlich jedenfalls an einer optisch gerade aufdas Notaramt abstellenden Gestaltung der Anzeige, da dieÜberschrift ersichtlich alleine auf anwaltliche Hilfe abstellt.

Jedenfalls im Ergebnis nicht zubeanstanden ist es ferner, dass inder Anzeige anschließend alsTätigkeitsschwerpunkte Fami-lien-, Medizin- und Erbrecht

genannt werden. Grundsätzlich darf allerdings die dem RAerlaubte werbende Angabe von Interessen- und Tätigkeits-schwerpunkten nicht den Eindruck erwecken, sie gelte auch fürdie notarielle Amtstätigkeit (Beschl. des Senats v. 15.1.2001 –Not 12/00 –, in: NJW-RR 2001, 1721; Arndt/Lerch/Sandkühler,a.a.O., Rdnr. 16; großzügiger Schippel, a.a.O., Rdnr. 1). Einederartige amtswidrige Eigendarstellung steht nämlich imWiderspruch zu den gesetzlichen Vorgaben, wonach der Notarzum einen sein Amt auf bestimmte Rechtsgebiete beschränkt(§§ 20–22 BNotO) und zum anderen dort uneingeschränkt tätigwerden muss. Durch die unterschiedslose Angabe von Interes-sen- und Tätigkeitsschwerpunkten für den anwaltlichen undnotariellen Bereich besteht nämlich zum einen die Gefahr, dassder Notar Tätigkeitsschwerpunkte angibt, die von vornhereinalleine in den anwaltlichen Bereich fallen, er aber zum ande-ren aus seiner notariellen Tätigkeit nur einige Bereiche der in§§ 20–22 BNotO geregelten Aufgaben herausgreift und so derEindruck erweckt wird, er sei für die übrigen Bereiche nichthinreichend qualifiziert oder an diesen nicht interessiert.I.d.R. ist es deshalb erforderlich, dass der RA und Notar bei derAngabe von Interessenschwerpunkten klarstellt, dass diese sichalleine auf seine anwaltliche Tätigkeit beziehen. Zwar fehlt eshieran vorliegend, da nur unterschiedslos die drei Schwer-punktbereiche angegeben werden, wobei Medizinrecht vonvornherein nur eine anwaltliche Tätigkeit betrifft, Familien- undErbrecht dagegen auch unter den Katalog der §§ 20–22 BeurkGfallen, diesen aber nicht abschließend erfassen. Diese fehlendeKlarstellung wird aber dadurch ausgeglichen, dass die Über-schrift der Anzeige eindeutig einen Hinweis auf eine bloßanwaltliche Tätigkeit enthält, mit der geworben werden soll,während die anschließende Angabe RA und Notar lediglichder zulässigen vollständigen Berufsbezeichnung dient (s.o.).Auch ein nicht informierter Leser wird deshalb, wenn hier aucheine größere Deutlichkeit in der Darstellung wünschenswertwäre, die Anzeige nur so verstehen dürfen, dass lediglich fürdie anwaltliche Tätigkeit geworben wird und klargestellt wer-den soll, auf welchen Gebieten der RA eine besondere Schwer-punktsetzung entfaltet hat.Durch die Anzeige wird ferner in keiner Weise die Bereitschaftdes Notars signalisiert, unter Verletzung seiner AmtspflichtenUrkundstätigkeiten außerhalb seines Amtsbereichs (§ 10aBNotO) oder außerhalb seines Amtsbezirks (§ 11 BNotO) aus-zuüben. Abgesehen davon, dass es sich – wie oben dargelegt –ohnehin lediglich um eine anwaltliche Werbung handelt, dieallenfalls für das Notariat einen hinzunehmenden Nebeneffekthaben kann, fehlt es an jeden Anhaltspunkten dafür, dass derNotar durch die Anzeige in einem lokalen Gemeindebrief einerKirchengemeinde in B., wo er seinen Amtssitz hat, in irgendei-ner Form signalisieren würde, er sei auch bereit, Urkundstätig-keit außerhalb dieses Bezirks auszuüben. Wenn das BVerfGbereits die Veröffentlichung in einem Telefonbuch für zulässig

Angabe des Notar-titels ist rechtmäßig

Angabe von Tätig-keitsschwerpunkten

ist zulässig

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238 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

gehalten hat, das ausschließlich einen Bereich außerhalb desAmtssitzes des Notars betrifft, weil alleine hierdurch nichtunterstellt werden könne, der Notar signalisiere damit seineBereitschaft, Urkundstätigkeiten außerhalb seines Amtsbereichsoder -bezirks vorzunehmen (NJW 2006, 359), so gilt das erstrecht, wenn die Veröffentlichung wie hier nur mit der Zielrich-tung auf einen ganz beschränkten örtlichen Adressatenkreisinnerhalb des Amtsbereichs des Notars erfolgt.Schließlich erweckt auch weder der Inhalt noch die äußereGestaltung der Anzeige für den unbefangenen Leser den Ein-druck, der Notar wolle seine Angebote reißerisch herausstellenund ihm komme es in erster Linie auf die Erhöhung seiner Ein-nahmen an.Insoweit unterscheidet sich derSachverhalt in wesentlichenPunkten von der Fallgestaltung,die dem Beschl. des Senats v.15.1.2001 zugrunde lag und indem eine unzulässige Werbung angenommen wurde (Not 12/00, in: NJW-RR 2001, 1721). In jenem Fall war in der Anzeigeunter den Überschriften „Sie suchen Ihr Recht – Wir sind für Sieda“ und „Wir unterstützen Sie gern in allen Rechtsfragen“ mitdem anschließenden Zusatz „Rechtsanwalts- und Notarkanz-lei“ eine Veröffentlichung erfolgt, die in der linken Spalte derAnzeige verschiedene Rechtsprobleme aufführte, während inder rechten Spalte die Mitglieder der Sozietät genannt wurden,wobei an erster Stelle der Notar mit der Bezeichnung „Rechts-anwalt und Notar“ sowie verschiedenen Interessenschwer-punkten auftauchte. In diesem Fall ließen weder die Über-schrift der Anzeige oder die links aufgeführten Fragen zu ein-zelnen Rechtsproblemen noch schließlich die rechts angegebe-nen Interessenschwerpunkte des RA und Notars erkennen, dasssich die Werbung alleine auf anwaltliche Leistungenbeschränkte. Hier konnte auch für den unbefangenen Leserohne weiteres der Eindruck entstehen, dass werbend unter-schiedslos anwaltliche und notarielle Dienstleistungen angebo-ten wurden, was noch durch den weiteren Zusatz „Wir unter-stützen Sie gerne in allen Rechtsfragen, damit Ihrem Rechteffektiv zur Geltung verholfen wird“ hervorgehoben wurde.

Demgegenüber ist die hier zu beurteilende Anzeige nicht nurhinsichtlich ihrer Größe, des Inhalts und der optischen Aufma-chung deutlich zurückhaltender gestaltet, sondern weist durchdie Überschrift klar erkennbar drauf hin, dass lediglich anwalt-liche Hilfe angeboten wird. Von einer reißerischen Aufma-chung kann bei der Anzeige, die bis auf die plakativ gestalteteÜberschrift lediglich Sachaussagen enthält, nicht gesprochenwerden. Ein gewisser optischer Anreiz durch Wortwahl undGestaltung der Überschrift ist aber dann nicht zu beanstanden,wenn diese sich auf die anwaltliche Tätigkeit beschränkt undder Zusatz „Notar“ lediglich der Klarstellung bzgl. der vollstän-digen Amts- und Berufsbezeichnung dient.

c) Liegt somit bereits kein Verstoß gegen § 29 BNotO vor, so istergänzend darauf hinzuweisen, dass selbst bei einem unter-stellten Dienstvergehen unter dem Gesichtspunkt der Verhält-nismäßigkeit im engeren Sinne keine Missbilligung in Betrachtkommen dürfte. Der Notar übt sein Amt seit nunmehr mehr als10 Jahren aus, ohne dass er – soweit ersichtlich – bisher diszi-plinarrechtlich in Erscheinung getreten wäre. Auch wenn in derMissbilligungsverfügung des Präsidenten des LG B. darauf hin-gewiesen wird, es sei bereits einmal eine unzulässige Werbungin der B. Zeitung v. 12.4.2003 beanstandet worden (wobei Ein-zelheiten hierzu sich aus den Akten nicht ergeben), muss inRechnung gestellt werden, dass der Notar bereits unmittelbarnach der Bekanntmachung der Einleitungsverfügung v.26.10.2005 durch Schr. v. 2.11.2005 erklärt hat, er habe bereitsdurch ein Schreiben an die Redaktion des Gemeindebriefesdafür Sorge getragen, dass der Anzeigentext für die nächste

Ausgabe modifiziert und keinen Hinweis auf das Notariat mehrenthalten werde. Ferner werde er auch künftig keine Anzeigenschalten, die eine andere Berufsbezeichnung als „Rechtsan-walt“ beinhalteten. Angesichts dieser Erklärung des Notars, beider nicht ersichtlich ist, dass er sich an diese nicht gehaltenhätte, bestand für eine Missbilligung nach § 94 BNotO keineVeranlassung mehr.

Aufgabe eines Abwicklers

BRAO § 55

*Der Abwickler einer RA-Kanzlei darf keine Aufträge fortführen,die einem früheren RA nach dem Verlust von dessen Zulassungerteilt wurden.

OLG Oldenburg, Urt. v. 19.12.2005 – 11 U 74/05

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Nichtigkeit eines Prozessfinanzierungsvertrages

StGB § 203 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 134

*1. Ein Prozessfinanzierungsvertrag, der die Beitreibung eineranwaltlichen Honorarforderung zum Gegenstand hat, ist ohneausdrückliche Einwilligung des Mandanten nach § 134 BGB i.V.m.§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB nichtig.

*2. Durch einen Prozessfinanzierungsvertrag wird keine (stille)Innengesellschaft bürgerlichen Rechts begründet. Die Grundsätzeder fehlerhaften Gesellschaft sind auf einen Prozessfinanzierungs-vertrag nicht anwendbar.

LG Bonn, Urt. v. 25.8.2006 – 15 O 198/06

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

Werbung mit absolutem Spezialistentum

BRAO § 43b; BORA § 6, § 7 a.F.; UWG § 3, § 4 Nr. 11

*1. Unter einem Spezialisten versteht der Rechtsuchende einenRA, der noch wesentlich stärker auf ein Fachgebiet konzentriertist als derjenige, der Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkteangibt oder sogar die Fachanwaltsqualifikation innehat.

*2. Eine Behauptung, die Kanzlei verliere höchst selten bei juristi-schen Auseinandersetzungen, ist irreführend, da diese Äußerungfür den Rechtsuchenden nicht überprüfbar ist.

LG Kiel, Urt. v. 31.5.2006 – 14 O 25/06

Aus dem Tatbestand:

Der Kl. nimmt den Bekl. auf Unterlassung berufs- und wettbe-werbswidriger Äußerungen in Anspruch.

Beide Parteien sind RAe in … Am 28.10.2005 wurde in dereinzigen Tageszeitung, dem „…“, nach einem Gespräch desRedakteurs mit dem Bekl. ein Artikel über die Kanzlei des Bekl.veröffentlicht. Der unter der Überschrift „Anzeige“ abgefassteArtikel enthielt u.a. folgende Aussagen des Bekl.:

„Jeder Anwalt meiner Kanzlei ist ein absoluter Spezialist undbearbeitet ausschließlich Fälle, die sein Rechtsgebiet betreffen.Mit dem Resultat, dass die Kanzlei höchst selten bei juristi-schen Auseinandersetzungen verliert.“

Neben dem Artikel – ebenfalls unter der oben bezeichnetenÜberschrift – befindet sich eine Werbeanzeige unter Bezeich-nung der zum damaligen Zeitpunkt in der Kanzlei des Bekl.tätigen RAe. Bzgl. der Einzelheiten wird auf die Anl. K1 (BI. 11d.A.) verwiesen.

Keine reißerischeHerausstellung der

Tätigkeit

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BRAK-Mitt. 5/2006 Berufsrechtliche Rechtsprechung 239

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

Der Redakteur des „…“ leitete den von ihm nach einem mitdem Bekl. am 25.10.2005 geführten Gespräch verfassten Text,der – vorbehaltlich einer möglichen Kürzung – veröffentlichtwerden sollte, dem Bekl. zu. Der Bekl. führt seit ca. 5 Jahreneine eigene Kanzlei, in der zum Zeitpunkt der Veröffentlichungdes Artikels insgesamt 6 RAe tätig waren. In der Anzeige v.28.10.2005 werden den RAen einzelne Tätigkeits- bzw. Inte-ressenschwerpunkte zugeordnet. Diese sind z.T. nicht identischmit denjenigen, die auf der Homepage bzw. dem Briefkopf derKanzlei und im Telefonbuch „…“ vermerkt sind.Als Reaktion auf diesen Zeitungsartikel mahnte der Kl. denBekl. mit Schr. v. 24.11.2005 ab und forderte ihn auf, eine straf-bewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unter-zeichnen. Dabei entstanden dem Kl. Kosten i.H.v. Euro 911,00,deren Erstattung er nunmehr in Höhe der nicht von der Anrech-nung erfassten Hälfte zzgl. der Auslagenpauschale, insgesamtEuro 465,50 verlangt. Der Bekl. lehnte die Unterzeichnung derUnterlassungsverpflichtung mit Schr. v. 1.12.2005 ab.

Der Kl. ist der Auffassung, dass die in dem Zeitungsartikel wie-dergegebenen Äußerungen des Bekl. über seine Kanzlei falschund damit irreführend seien. Die in der Kanzlei tätigen RAe …dürften nicht als Spezialisten bezeichnet werden, da sie z.T.erst seit kurzer Zeit als RA zugelassen seien und sich, wie einVergleich zwischen der Anzeige und der Homepage ergebe,nicht nur mit einem Rechtsgebiet beschäftigten. Der Hinweis,die Kanzlei „verliere höchst selten“, sei „ins Blaue“ hineinabgegeben, ein Vergleichsmaßstab werde nicht genannt.Erlaubt sei nur eine sachgerechte Werbung, kein reklamehaftesAnpreisen, wie hier geschehen.

Der Kl. hat zunächst angekündigt, in der mündlichen Verhand-lung die Anträge aus der Klagschrift v. 2.3.2006 (BI. 1/2 d.A.)zu stellen. Er hat in der mündlichen Verhandlung den Antragzu 1.d) zurückgenommen und bzgl. der Anträge zu 1.a) bis 1.c)erklärt, dass es heißen müsse: ... zu unterlassen, im Wettbe-werb handelnd, folgende Aussagen zu tätigen.

Der Kl. beantragt, den Bekl. zu verurteilen,1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlungfälligen Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00, ersatzweiseOrdnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wie-derholungsfall bis zu 2 Jahren, zu unterlassen, im Wettbewerbhandelnd, folgende Aussagen zu tätigen:

a) Jeder Anwalt der Kanzlei … sei ein absoluter Spezialist und/oderb) jeder Anwalt der Kanzlei … bearbeite ausschließlich Fälle,die sein Fachgebiet betreffen und/oderc) die Kanzlei … verliere höchst selten bei juristischen Aus-einandersetzungen.

2. an ihn Euro 465,50 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatzseit dem 19.3.2006 zu zahlen.

Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.Er ist der Auffassung, zur Abgabe der Unterlassungserklärungnicht verpflichtet zu sein, da der Anzeigentext nicht von ihmselbst, sondern von dem zuständigen Redakteur des „…“ ver-fasst worden sei. Er habe nur ein Interview gegeben undsowohl die Formulierung als auch die Länge des Artikels demRedakteur überlassen. Damit liege keine bewusste und zielge-richtete Werbung vor. Für eine solche bedürfe es auch einerEntgeltlichkeit, die hier – unstreitig – nicht vorliege. Die Formu-lierung „Jeder Anwalt meiner Kanzlei ist ein absoluter Spezia-list“ sei weder falsch noch irreführend. Der Begriff des Spezia-listen sei nicht nur dazu geeignet, einen Anwalt dadurch wer-bewirksam darzustellen, dass dieser in einem Rechtsgebietüber herausragende Kenntnisse und Berufserfahrung verfüge,sondern auch dazu, die Öffentlichkeit darüber zu informieren,dass ein bestimmter Anwalt nicht Generalist, sondern Spezialist

im weiteren Sinne sei, sich also für eine bestimmte Profilierungentschlossen habe. Die Textstelle sei im Gesamtzusammen-hang zu lesen. Die Bezeichnung „Spezialist“ werde lediglichzur Beschreibung des Kanzleikonzeptes verwendet, das daraufaufbaue, dass sämtliche bei ihm, dem Bekl., beschäftigten RAeüber eine Profilierung verfügten. Der Klagantrag zu 1.a) sei zuunbestimmt. Die Textstelle „die Kanzlei verliere höchst seltenbei juristischen Auseinandersetzungen“ beruhe nicht auf einerseiner, des Bekl., Äußerungen. Er habe in dem Interview ledig-lich angeführt, dass er selbst in den letzten zwei Jahren nur inzwei Angelegenheiten unterlegen gewesen sei. Diese Aussagehabe der Redakteur in seiner journalistischen Freiheit auf diegesamte Kanzlei übertragen. Es handele sich, wenn überhaupt,lediglich um einen Bagatellverstoß, der die Erheblichkeits-schwelle des § 3 UWG nicht erreiche.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vortrages beiderParteien wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagenverwiesen.

Aus den Gründen:

Die Klage ist, soweit die Anträge in der mündlichen Verhand-lung noch weiter verfolgt wurden, zulässig und begründet.

1. Anträge zu 1.a) und b):

a) Die Aussagen im Rahmen des unter der Überschrift„Geballte juristische Kompetenz“ dargestellten Artikels, jederAnwalt der Kanzlei des Bekl. sei ein absoluter Spezialist undbearbeite nur Fälle, die sein Fachgebiet betreffen, sind irrefüh-rend. Bei diesen Aussagen handelt es sich um solche des Bekl.Der zuständige Redakteur des „…“ hatte, nachdem der Ver-such, mehrere Kanzleien in … zu Werbemaßnahmen zu veran-lassen, gescheitert war, mit dem Bekl. am 25.10.2005 einGespräch geführt und ihm anschließend den Text, der in derTageszeitung veröffentlicht werden sollte, zur Genehmigungvorgelegt. Der Bekl. hat diese Genehmigung erteilt. Er wird imText wörtlich zitiert. Indem er diese Passage nicht beanstandetund keine Änderungen verlangt hat, handelt es sich um eineAussage, die er selbst getätigt hat.

Die Äußerungen des Bekl. sind irreführend und damit unlauteri.S.d. § 3 UWG. Irreführend ist eine Angabe, wenn sie bei denAdressaten eine Vorstellung erzeugt, die mit den wirklichenVerhältnissen nicht im Einklang steht (Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Tatsachen- und Wettbewerbsrecht,24. Aufl., 2006, § 5 UWG Rdnr. 2.66). Von dem Zeitungsarti-kel werden rechtsuchende Bürger angesprochen. Diese habeni.d.R. keine Vorkenntnisse über die Spezifizierung und Aus-zeichnungen eines RA. Durch die Aussagen in dem Zeitungsar-tikel, dass in der Kanzlei „absolute Spezialisten“ tätig sind, dieausschließlich Fälle, die ihr Fachgebiet betreffen, bearbeiten,wird bei dem durchschnittlichen Leser der Eindruck erweckt,dass die RAe dieser Kanzlei über höhere Auszeichnungen undQualifizierungen verfügen als andere Anwälte. Die erzeugteVorstellung des angesprochenen Rechtskreises stimmt mit denwirklichen Verhältnissen nicht überein. Die in der Kanzlei desBekl. seinerzeit beschäftigten RAe werden unzutreffend als„absolute Spezialisten“ bezeichnet.

Unter dem Begriff des Spezialis-ten wird eine Person verstanden,die die Inanspruchnahme inMaterien außerhalb ihres Spezi-

algebietes weitgehend ablehnt (BVerfG, NJW 2004, 2656 f.)und insofern noch wesentlich stärker auf ein Fachgebiet kon-zentriert ist als derjenige, der Interessen- und Tätigkeitsschwer-punkte angibt oder sogar die Fachanwaltsqualifikation inne hat.Diese Voraussetzungen treffen nicht auf alle seinerzeit in derKanzlei des Bekl. tätigen RAe zu. So war der RA … zum Zeit-punkt der Veröffentlichung erst ca. 1 Jahr überhaupt als RA

„AbsoluteSpezialisten“

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240 Berufsrechtliche Rechtsprechung BRAK-Mitt. 5/2006

Weitere berufsrechtliche Rechtsprechung

tätig. RA … war ausweislich des auf der Homepage veröffent-lichten Werdegangs nach dem 2. Staatsexamen zunächst fürein Versicherungsunternehmen in … tätig, anschließend in derRechtsabteilung einer technischen Landesoberbehörde. Erwurde erst zum 1.10.2005 Mitglied der RA-Kanzlei des Bekl.Auch RA … verfügte im Oktober 2005 lediglich über eineBerufserfahrung von ca. 1 Jahr. Die genannten Anwälte kon-zentrierten sich offensichtlich auch nicht auf nur ein Fachgebietund lehnten auch nicht die Inanspruchnahme in anderen Mate-rien außerhalb ihres Spezialgebietes ab. RA …, dem im Rah-men der Anzeige v. 28.10.2005 der Interessenschwerpunkt„Mietrecht“ zugeordnet wird, bearbeitet ausweislich derHomepage auch das Dezernat „Verwaltungsrecht“. RA …, dersich vor dem 1.10.2005 offensichtlich noch nicht mit demFamilienrecht befasst hatte, gibt im Rahmen der Homepage alsweiteren Tätigkeitsschwerpunkt das Verkehrsrecht an. Für RA… wird als weiterer Interessenschwerpunkt das Steuerrechtgenannt. RA …, dessen Interessenschwerpunkt ausweislich derAnzeige v. 28.10.2005 das Strafrecht ist, hat ausweislich derHomepage als weiteren Interessenschwerpunkt das Arbeits-recht gewählt.

Die genannten Anwälte verfügenweder über eine langjährigeBerufserfahrung, noch ist beiihnen gewährleistet, dass sie sichausschließlich um ein Fachgebiet kümmern und Mandate ausanderen ablehnen. Insofern ist die Aussage des Bekl., jederAnwalt seiner Kanzlei sei ein absoluter Spezialist und bearbeiteausschließlich Fälle, die sein Fachgebiet betreffen, falsch undsomit irreführend.

b) Die Äußerungen des Bekl. stellen zudem eine unlautereWettbewerbshandlung gem. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG dar. Nach § 4Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vor-schrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Inte-resse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Gem.§ 43b BRAO ist dem RA Werbung nur erlaubt, soweit sie überdie berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrich-tet. Nicht mit der Stellung eines RA ist eine Aussage vereinbar,die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt undmit der eigentlichen Leistung des Anwalts und dem unabding-baren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandates nichtsmehr zu tun hat (Köhler in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm,a.a.O., § 4 Rdnr. 1185). § 43b BRAO wird durch die §§ 6 bis10 BORA konkretisiert.

Die bezeichneten Aussagen des Bekl. sind unsachlich und ver-stoßen gegen die genannten Normen.

Seine Äußerung, in seiner Kanz-lei arbeiteten „absolute Spezia-listen“, ist mit § 7 BORA,wonach als Teilbereiche neben

dem Fachanwalt nur Interessen- und Tätigkeitsschwerpunktegenannt werden dürfen, nicht vereinbar. Wer Anwälte seinerKanzlei als „absolute Spezialisten“ bezeichnet, preist zudemderen Können reklamehaft an, ohne dass – wie dargelegt – dieLeistung des Anwalts eine solche Bezeichnung rechtfertigt.

Auch die Aussage, dass die Anwälte ausschließlich Fälle bear-beiten, die deren Fachgebiet betreffen, verstößt gegen § 6Abs. 1 BORA. Danach darf der RA über seine Dienstleistungund seine Person nur informieren, soweit die Angaben sachlichunterrichten. Nach § 6 Abs. 4 BORA darf ein RA nicht daranmitwirken, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihmselbst verboten ist. Eine unsachliche Werbung ist bereits dannanzunehmen, wenn die Informationen für den Adressaten kei-nen objektiv nachprüfbaren Inhalt haben. Das ist hier der Fall.Denn es ist hier für den rechtsuchenden Bürger in … nichtnachprüfbar, ob tatsächlich die RAe aus der Kanzlei des Bekl.

ausschließlich Fälle aus einem bestimmten Rechtsgebiet über-nehmen. Zudem bearbeiten die bei dem Bekl. tätigen RAe aus-weislich der Homepage neben Fällen aus dem bezeichnetenFachgebiet auch solche aus anderen Rechtsgebieten.

2. Auch der Anspruch bzgl. des Antrages zu 1.c) folgt aus §§ 3,4 Nr. 11 UWG. Die Aussage, die Kanzlei verliere höchst seltenbei juristischen Auseinandersetzungen, ist irreführend. DieÄußerung ist für den Leser nicht nachprüfbar. Der Bekl. räumtselbst ein, dass er eine Erfolgsquote allein auf sein Dezernatbezogen hat. Er habe im Rahmen des Verkehrsrechts in denletzten Jahren nur 2 gerichtliche Auseinandersetzungen verlo-ren. Die Fassung des Redakteurs bezieht sich jedoch auf alleDezernate der Kanzlei. Der Bekl. hat keine Veranlassung gese-hen, den ihm zur Genehmigung vorgelegten Text in diesemPunkt zu beanstanden und zu korrigieren. Insofern ist ihm, wieoben bereits dargelegt, der Hinweis im Rahmen des Berichtesals eigene Aussage zuzurechnen. Offensichtlich gibt es für dieanderen Dezernate keinen Maßstab, an dem eine Erfolgsquotegemessen wird. Es gibt keine Statistiken über Erfolg und Misser-folg von Prozessen. Dann aber durfte der Bekl. nicht sagen,dass seine Kanzlei (insgesamt) höchst selten verliere.

Bzgl. dieser Aussage liegen ebenfalls die Voraussetzungen der§§ 3, 4 Nr. 11 UWG vor. Die Äußerung ist gem. § 6 Abs. 1BORA unsachlich. Sie beinhaltet ein reklamehaftes Anpreisenund hat mit der Leistung eines Anwalts nichts zu tun. Es wirdein Erfolg suggeriert, der sich nur auf ein bestimmtes Dezernatbezieht. Im Übrigen ist die Angabe von Erfolgszahlung nach§ 6 Abs. 3 BORA unzulässig.

3. Der durch den Zeitungsartikel bewirkte Nachteil für die Mit-bewerber und die Verbraucher ist nicht nur unerheblich, § 3UWG. Unerheblich ist der Nachteil nur dann, wenn ein durch-schnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Markt-teilnehmer ihm keine Bedeutung beimisst (Köhler in: Hefer-mehl/Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 3 Rdnr. 54). Dies trifft hiernicht zu. Denn durch den Zeitungsartikel gewinnt der Leserden Eindruck, dass den RAen der Kanzlei des Bekl. höhereAuszeichnungen aufgrund besserer Qualifikationen verliehenworden sind und die Erfolgsquote höher ist als in den anderenKanzleien. Die Nachfrageentscheidung des Lesers wird wesent-lich beeinflusst. Hinzu kommt, dass die Aussage des Bekl. inder einzigen Tageszeitung im Raum … veröffentlicht worden istund der Kreis der rechtsuchenden Bürger beschränkt ist.

4. Entgegen der Auffassung des Bekl. ist eine Wiederholungsge-fahr i.S.d. § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG gegeben. Die Wiederho-lungsgefahr wird bei einem verwirkten Rechtsverstoß vermutet.Diese Vermutung ist nicht widerlegt. Der Bekl. hat sich gewei-gert, die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unter-zeichnen. Zudem rechtfertigt und verteidigt er seine gewähltenÄußerungen ausdrücklich.

5. Dem Kl. steht auch ein Anspruch auf Zahlung i.H.v. Euro413,90 zu. Der Anspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 2UWG. Nach dieser Norm kann der Ersatz der erforderlichenAufwendungen verlangt werden, wenn die zuvor erfolgteAbmahnung berechtigt war. Die Abmahnung des Kl. war hin-sichtlich der Anträge zu 1.a) bis c) berechtigt. Allerdings wardas in Antrag 1.d) beanstandete Verhalten wegen des Wahr-heitsgehaltes der Aussage des Bekl. nicht wettbewerbswidrig.Da die Abmahnung nur hinsichtlich 3 von 4 beanstandetenÄußerungen berechtigt war, mindert sich der dem Kl. zu erstat-tende Ersatzanspruch entsprechend um 1/4. Es ist von einemStreitwert von Euro 25.000,00 auszugehen, die Verfahrensge-bühr beträgt Euro 891,00. Unter Berücksichtigung der gem.Ziff. 2400 VV RVG anzurechnenden hälftigen Gebühr, deroben bezeichneten Minderung sowie der Auslagenpauschalegem. Ziff. 7001 VV RVG ergibt sich ein Zahlungsbetrag vonEuro 354,13.

Keine langjährigeBerufserfahrung

UnsachlicheÄußerung

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� Termin-/Fristen- undWiedervorlagenverwaltung

� Zeitwirtschaft und Zeitmanagement,Projektverwaltung

� Personalzeiterfassung sowiePersonalzeitüberwachung

� Marken- undGeschmacksmusterverwaltung

� Zwangsvollstreckung undForderungsabrechnung

� BRAGO/RVG-Abrechnungssystemmit autom. Fakturierung

� Urkunden- und Anderkonten-verwaltung incl. Festgelder

� KOSTO-Abrechnungssystemmit autom. Fakturierung

� Buchhaltung mit offenerPostenverwaltung und Kostenstellen

� Kreditorensystem mit Banken-Clearing, Soll-Ist-Vergleich

� Büromaterial-, Literatur- undAnlagenverwaltung

� Textintegration (Office 2000/XP/2003), Dokumenten-managementsystem (DMS)

� Überörtliche Anbindung viaISDN/GSM/UMTS über VPN möglich

� Elektronische Signatur und Zeit-stempel über Signaturportal

SyncLine [email protected] � www.syncframe.de

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XVIII BRAK-Mitt. 5/2006

(Fortsetzung von Seite X)

Aktuelle Hinweise

punkt liegt im Berufsrecht der Rechtsan-wälte und freien Berufe. Hierzu hat erzahlreiche Beiträge veröffentlicht. U.a.:Römermann/Hartung, AnwaltlichesBerufsrecht; in Hartung, AnwaltlicheBerufsordnung, 3. Aufl. (C. H. Beck,München), in Henssler/Streck, Hand-buch des Sozietätsrechts; Entwicklungenund Tendenzen bei Anwaltsgesell-schaften (Otto Schmidt, Köln). Er ist fer-ner Gründungsmitglied der Arbeits-gemeinschaft Anwaltsmanagement imDAV.

Die Referate werden jeweils von einemModerator begleitet.

Moderatoren sind:

Prof. Dr. Bernd Heinrich von der Hum-boldt-Universität zu Berlin. Er hält denLehrstuhl für Strafrecht, Strafprozess-recht und Urheberrecht.

Dr. Wolf-Georg Freiherr v. Rechenberg,Rechtsanwalt/Steuerberater aus Berlin.Er ist Vorsitzender des Vereins derFreunde und Förderer des Instituts fürAnwaltsrecht an der Humboldt-Univer-sität zu Berlin e.V. und Partner in derSozietät CMS Hasche Sigle. mit Tätig-keitsschwerpunkten in den BereichenGesellschaftsrecht, M & A sowie Nach-folge & Vermögen.

Prof. Dr. Reinhard Singer von der Hum-boldt-Universität zu Berlin. Er ist Ge-schäftsführender Direktor des Institutsfür Anwaltsrecht an der Humboldt-Uni-versität zu Berlin und hält den Lehrstuhlfür Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht,Anwaltsrecht, Familienrecht und Rechts-soziologie.

Karl-Michael Schmidt, Rechtsanwalt ausBerlin und Geschäftsführer des Institutsfür Anwaltsrecht.

Das Programm im Einzelnen:

9.00 Uhr Begrüßung durch Prof. Dr.Reinhard Singer, Geschäfts-führender Direktor desInstituts für Anwaltsrecht ander Humboldt-Universitätzu Berlin.

9.10 Uhr Eröffnung durch RAuN Dr.Bernhard Dombek, Präsi-dent der Bundesrechtsan-waltskammer, und RAin Dr.Margarete Gräfin v. Galen,Präsidentin der Rechtsan-waltskammer Berlin.

9.30 Uhr Vortrag RiBGH Dr. HansGerhard Ganter: „AktuelleJudikatur des IX. Senates desBGH zur Anwaltshaftung“.

Moderation: RA/StB Dr.Wolf-Georg Frhr. v. Rechen-berg.

10.30 Uhr Vortrag RA Christian Dahns:„Die Außendarstellung derSozietät“.Moderation: RA/StB Dr.Wolf-Georg Frhr. v. Rechen-berg.

11.30 Uhr Kaffeepause

11.45 Uhr Vortrag VRi’inBGH Dr.Katharina Deppert: „Aktu-elle Judikatur des Anwalts-senates des BGH zumanwaltlichen Berufsrecht“.Moderation: Prof. Dr. Rein-hard Singer.

12.45 Uhr Mittagspause, optionalesitalienisches Buffet imRestaurant „12 Apostel“(nicht im Tagungsbeitragenthalten).

14.30 Uhr Vortrag Prof. Dr. Dr. Alexan-der Ignor „Berufsethik desRechtsanwalts“.Moderation: Prof. Dr. BerndHeinrich.

15.30 Uhr Kaffeepause

15.45 Uhr Vortrag RA Dr. VolkerRömermann: „Rechtsbera-tungsmarkt im Umbruch –das neue Rechtsdienstleis-tungsgesetz“.

Moderation: RA Karl-Michael Schmidt.

17.00 Uhr Schlusswort von Prof. Dr.Reinhard Singer.

Tagungsbeitrag:

Für die Teilnahme an der Tagung wirdein Beitrag von 100 Euro erhoben. Darinsind die Tagungsunterlagen sowie derPausenkaffee enthalten. Für die Mitglie-der des Fördervereins des Instituts fürAnwaltsrecht an der Humboldt-Univer-sität zu Berlin ist der Tagungsbeitrag auf50,00 Euro ermäßigt. Rechtsreferendareund Studenten können für einen Beitragvon 20,00 Euro teilnehmen.

Anmeldung:

Anmelden kann man sich per E-Mail,Post, Fax oder Telefon beim Institut fürAnwaltsrecht:

Institut für Anwaltsrecht an der Hum-boldt-Universität zu Berlin; Unter denLinden 6, D-10099 Berlin, Tel. (0 30)20 93 35 78 Fax (0 30) 20 93 35 77,[email protected]

Sollten Sie noch mehr über das Pro-gramm und die Arbeit des Instituts fürAnwaltsrecht an der Humboldt-Univer-

sität zu Berlin erfahren wollen, könnenSie dessen Homepage unter: www.rewi.hu-berlin.de/jura/inst/ifa/ besuchen.

Crashkurs Europarecht desCentrums für Europarecht an

der Universität Passau e.V.(CEP)

Das CEP veranstaltet am 16./17.11.2006einen Crashkurs Europarecht auf SchlossNeuburg bei Passau. Dieses Fortbil-dungsseminar richtet sich an Juristenaller Berufsfelder, die in ihrer täglichenPraxis mit der stetig wachsenden Bedeu-tung des Europarechts konfrontiert wer-den. In den Seminarblöcken 1–3 werdendie Grundlagen des Europarechts ver-mittelt. Im Rahmen des Seminarblocks 4erhalten die Teilnehmer die Möglichkeit,einen für sie besonders relevantenBereich zu vertiefen. Zur Wahl stehendie Grundfreiheiten des EG-Vertrages,das EG-Kartellrecht, das EG-Beihilfen-und Vergaberecht sowie das Verhältnisvon EG-Binnenmarktrecht und Steuer-recht. Referieren werden Prof. Dr. M.Schweitzer (Universität Passau), Dr. M.Selmayr (Europäische Kommission, Brüs-sel), Rechtsanwalt Dr. H.-G. Kamann(Mayer Brown Rowe & Maw LLP, Frank-furt a.M.), Rechtsanwalt Dr. M. Raible,MALD (Gleiss Lutz, Stuttgart), Wiss. Ass.S. Ahlers (Universität Passau), Wiss. Mit.K. Peters (Universität Passau), Rechtsan-walt Dr. Y. Bock, LL.M. eur. (SiemensAG, Offenbach), Rechtsanwalt Dr. M.Fraas (Taylor Wessing, Berlin). Der Teil-nahmebeitrag beträgt € 450,–.

Interessenten wenden sich bitte an dasCentrum für Europarecht an der Univer-sität Passau e.V. (CEP), GeschäftsführerinMarina Schuldheis, LL.M., Innstraße 39,94032 Passau, Tel.: 08 51/5 09-23 36,Fax: -2332, [email protected], www.cep-passau.eu.

UIA-Kongress 2006 vom31.10. bis 4.11.2006 in

Salvador de Bahia

Der 50. UIA-Kongress wird dieses Jahrvom 31.10. bis 4.11.2006 in Salvadorde Bahia stattfinden. Die Hauptthemendes Kongresses werden „Environmentallaw and sustainable development: therole of the lawyer“, „Globalisation ofcompanies in the world economy: busi-ness strategies and legal solutions in

(Fortsetzung Seite XX)

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XIX

Halt! Warten Sie lieber auf den neuen Zöller.Der Durchblick nach den großen Reformen im Zivilprozessrecht kommt mit einem neuen Zöller.Sie sollten ihn jetzt schon mal bestellen. Bei Ihrer Buchhandlung oder www.der-neue-zoeller.deZöller, Zivilprozessordnung, 26. Auflage, gbd. ca. 155,– € [D]. ET November. ISBN 3-504-47015-1

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XX BRAK-Mitt. 5/2006

developing a new foreign market“ und„Basic Human Rights: what every lawyerneeds to know about human rights law“sein.Anmeldungen und weitere Informatio-nen unterE-Mail: [email protected],Internet: www.uianet.org.

Master-StudiengangMediation an der

Europa-Universität ViadrinaFrankfurt (Oder)

Im April 2007 beginnt an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)der dritte Jahrgang des Master-Studien-gangs Mediation, der in Kooperationmit dem Institut für Anwaltsrecht an derHumboldt-Universität zu Berlin ange-boten wird. Der postgraduale undinterdisziplinäre Studiengang umfasstsowohl eine vollständige praktischeMediationsausbildung als auch die sys-tematische theoretische Reflexion derMaterie. Das Studium erstreckt sichüber drei Semester und schließt mitdem akademischen Grad „Master ofArts“ (M.A.) ab. Das Lehrangebotbesteht aus internetbasierten Fern-sowie Präsenzmodulen und kannberufsbegleitend wahrgenommen wer-den. Ab dem Ende des zweiten Semes-ters erfolgt eine Spezialisierung in denBereichen Familie, Wirtschaft, Verwal-tung und Internationales Konfliktma-nagement. Die Bewerbungsfrist für die52 kostenpflichtigen Studienplätze läuftbis zum 31.10.2006. Nähere Informati-onen sind unter www.master-mediation.euv-ffo.de abrufbar.

Veranstaltungsbericht8. Soldan-Tagung am

29./30.06.2006 in Hannover

Einmal jährlich lädt die Hans-Soldan-Stiftung, die sich der Entwicklung derAus- und Fortbildung der Rechtsanwälteund Notare verschrieben hat, zu einerTagung, um aktuelle Themen in deranwaltsorientierten Juristenausbildungmit den relevanten Beteiligten und Inter-essierten zu diskutieren. In diesem Jahrfand die 8. Soldan-Tagung in Hannoverstatt. Mitveranstalter waren die RAKCelle, der Förderverein für anwaltsorien-

Vermischtes

tierte Ausbildung an der UniversitätHannover sowie das dortige Institut fürProzessrecht und anwaltsorientierte Aus-bildung. Die Tagung war mit über 200Teilnehmern so gut besucht wie nochnie, fast die Hälfte der juristischen Fakul-täten war vertreten. Ein Novum der dies-jährigen Tagung war der Begrüßungs-abend mit einer einführenden Podiums-diskussion zum Thema „Anwaltsorien-tierte Ausbildung im juristischen Stu-dium unter Mitwirkung der Anwalt-schaft“. Am folgenden Tag standen zweiThemen zur Debatte. Zunächst wurdendie Auswirkungen des Bologna-Prozes-ses auf das juristische Studium und dieanwaltsorientierte Juristenausbildungdiskutiert. Die Vorträge zu diesemThema hielten Prof. Dr. Barbara Dauner-Lieb, Universität Köln, und Prof. Dr.Peter M. Huber, Vorsitzender des Deut-schen Juristen-Fakultäten-Tags (DJFT),Universität München. In gewohnt leben-digem Vortragsstil stellte Dauner-Liebdie aus ihrer Sicht problematischen Fak-toren der reformierten Universitätsaus-bildung dar. Die Spezialisierung setze zufrüh im Studium an, in der Schwer-punktsbereichsausbildung und -prüfunghabe man mit „Kuschelnoten“ mancherUniversitäten zu kämpfen, außerdembefasse man sich zu viel mit den sogenannten soft-skills. Wenn der Bolo-gna-Prozess in Deutschland nicht umge-setzt werde, drohe den juristischenFakultäten sowohl inneruniversitär alsauch auf europäischer Ebene Isolation,so Dauner-Lieb. Die Umsetzung des Pro-zesses auch in der juristischen Ausbil-dung sei nicht zu verhindern. Deshalbplädierte sie für eine offene Diskussion.Dauner-Lieb vertrat das „3+2“-Modell,also die Einführung eines 3-jährigen Stu-diums mit dem Abschluss Bachelor oflaw (LLB) und eines zweijähriges Auf-bau-Studiums zum Master of law (LLM).Durch dieses Modell könne man dieSpartenausbildung im Vorbereitungs-dienst abwenden, da es weniger Absol-venten des Master-Studiums gebenwerde als dies momentan nach dem ers-ten Staatsexamen der Fall sei. Prof. Dr.Huber bewertete die Chancen, die Über-tragung des Bologna-Prozesses auf diejuristische Ausbildung abzuwenden,optimistischer. Seiner Einschätzung nachmache sich in vielen Ländern, die dasSystem bereits anwendeten, Ernüchte-rung breit. Auch der DJFT beschäftigesich aber mit einer möglichen Umset-zung. Eine Arbeitsgruppe des DJFT habeein Modell für die parallele Einführungvon konsekutiven Studiengängen nebendem Staatsexamen-Studiengang erarbei-tet. Hinsichtlich der jetzigen Studiensitu-ation erklärte er, dass die Universitätenmit den Reformen bereits belastet seien.Positiv an der jetzigen Ausbildung sei,

dass deutsche Jura-Absolventen durchdas Staatsexamen im Ausland den Rufhätten, belastbar zu sein. Ein Mangel derheutigen Ausbildung sei, dass so vieleStudenten zum Repetitor gingen, wasallerdings auch in anderen Ländern derFall sei. Dr. Jens Jeep, Notarassessor,Hamburg, sah den Bologna-Prozess alseine Chance für die Juristenausbildungund stellte das von ihm entwickelte Kon-zept vor. Die notwendigen Qualifikatio-nen eines Syndikusanwalts aus Sicht derWirtschaft erläuterte Dr. zur Nedden,Leiter der Rechtsabteilung der Continen-tal AG. Einig waren sich alle Referentenin dem Punkt, dass das Staatsexamen alsQualitätsfaktor auf jeden Fall auch ineinem neuem Studiensystem erhaltenbleiben müsse. RA Peter Ströbel, Vorsit-zender des Ausschusses zur Reform derAnwaltsausbildung der BRAK, stellteanschließend den Teilnehmern derTagung die Ergebnisse der BRAK-Umfrage zur Umsetzung der anwaltsori-entierten Ausbildung an den Universitä-ten vor.

Zweites Hauptthema der Tagung war„Die Anwaltsklausur im Spiegel der Prü-fungspraxis“. Die Präsidentin des Lan-desjustizprüfungsamtes Baden-Württem-berg, Cornelia Horz, berichtete über denstatus quo. Die Studierenden täten sichmit den neuen Klausurtypen sehrschwer. Die Mitwirkung der Anwalt-schaft bewertete sie insgesamt sehr posi-tiv. Probleme gebe es aber bei der Klau-surenkorrektur durch die Anwaltschaft.Hier beschränke sich das Engagementauf einzelne Anwälte. Horz plädiertedafür, sich an der Universität darauf zubeschränken, Grundfertigkeiten zu ver-mitteln. Intensiviert werden müssten dieanwaltsorientierten Lehrinhalte dann inder verlängerten Rechtsanwaltsstationim Referendariat. Rechtsanwalt Prof. Dr.Benno Heussen, Berlin, schilderte, wel-che Themenkomplexe und Prüfungsar-ten nach seiner Auffassung für die uni-versitäre und staatliche Anwaltsklausurin Frage kämen. Am Nachmittag fandendie Workshops zum Thema „Anwalts-klausuren im Zivilrecht, Strafrecht undÖffentlichen Recht“ statt. Hier stelltesich heraus, dass es noch keine verfestig-ten Typen von Anwaltsklausuren gibt,eine Tatsache, die die Studierendennaturgemäß verunsichert. Das Ergebnisder Workshops war, dass die Umsetzungdes Anwaltsbezugs in Inhalt und Formim Zivilrecht am einfachsten, im Straf-recht wegen der fehlenden Gestaltungs-möglichkeiten im materiell-rechtlichenBereich und der eingeschränkten Kennt-nisse der Studierenden im Strafprozess-recht am schwierigsten erscheint.

Rechtsanwältin Anabel von Preuschen,Berlin

Aktuelle Hinweise

(Fortsetzung von Seite XVIII)

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Ursache erfolgloser Vollstreckungsmaßnahmen ist nicht immer nur, dassbeim Schuldner „nichts zu holen“ ist. Nicht selten fehlt einfach das spezielleKnow-how.

Erfolgreiche Zwangsvollstreckung setzt mehr als notwendigesGrundwissen voraus, nämlich vertiefte Kenntnisse der Rechtsgrundlagenund der Erfahrungen und Feinheiten der Praxis!

Das Handbuch vermittelt dieses Wissen für das gesamte Zwangsvoll-streckungsrecht! Weil die Immobiliarvollstreckung umfassende Kenntnisseim Sachen- und materiellen/formellen Grundbuchrecht und bei der Grundstücks-bewertung verlangt, gibt es den besonderen Abschnitt Grundstück undGrundbuch. Mit Blick auf das anwaltliche Mandat werden auch Haftungs-probleme und Vergütungsfragen aufgezeigt.

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Prof. Dipl.-Rpfl. Udo Hintzen undRichter am OLG Hans-Joachim Wolf

(November) 2006; LXXVI und 1.453 Seiten,gebunden im Schuber

128,–O [D] / 202,– sFrISBN-10: 3-7694-0990-6

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Know-how, Know|how [no:’hau, auch ’no:...],das;-[s] <engl.> (Wissen, wie man eine Sachepraktisch verwirklicht od. anwendet)

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� Allg. Verfahrensvoraussetzungen

� Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung

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� Vollstreckung wg. Herausgabe, Duldung, Unterlassung

sowie Abgabe von Willenserklärungen

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� Zwangssicherungshypothek

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� Kosten der Zwangsvollstreckung

� Muster

sowie Anhang mit GVGA [Auszug], ZwVwV, Adressen (NATO-Verbindungs- und Kontaktstellen).

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XXII

Zum dritten Mal:Im Mietrecht

Anwalts erste Wahl.

Lützenkirchen (Hrsg.) Anwalts-Handbuch MietrechtHerausgegeben von RA Dr. Klaus Lützenkirchen.Bearbeitet von 13 erfahrenen Praktikern im Mietrecht.3. Auflage 2006, rd. 2.100 Seiten Lexikonformat, gbd.129,– € [D]. ISBN 3-504-18049-8

Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-943Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Lützenkirchen (Hrsg.) Anwalts-Handbuch Mietrecht 3. Auflage,gbd. 129,– € [D]. Erscheint im November 2006. ISBN 3-504-18049-8

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Vom ersten Gespräch bis zur Ge-bührenabrechnung wird Ihnen allesan die Hand gegeben, was Sie brau-chen, um die Interessen Ihrer Klien-tel optimal durchzusetzen. In mate-rieller wie in prozessualer Hinsicht.Ob als Vermieter- oder Mieteranwalt.

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hänge werden mit anschaulichenBeispielen verdeutlicht. Tabellen inABC-Form erleichtern Ihnen den Um-gang mit der ausufernden Kasuistik.Und es gibt wieder jede Menge Tippsder praxiserfahrenen Autoren zurjeweils richtigen Strategie und Taktik.

Das Werk wurde in großen Teilengrundlegend überarbeitet, um neueKapitel erweitert und rundum aufden aktuellen Stand gebracht.

Ob Sie sich mit alltäglichen Miet-rechtsproblemen oder komplizierten,haftungsträchtigen Gestaltungsfragenauseinander setzen müssen – dasHandbuch zeigt Ihnen immer, wie´sgemacht wird.

Anwalts-Handbuch Mietrecht. DritteAuflage. Für Rechtsanwälte erste Wahl.Leseprobe? www.otto-schmidt.de

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XXIII

Reform des Unterhaltsrechtsund neueste BGH-Rechtsprechung

Richterin am AG Birgit Niepmann, Köln • Richter am OLG Dr. Frank Klinkhammer, DüsseldorfRA/FAFamR Jörn Hauß, Duisburg

Zeitablauf 13.45 - 18.00 Uhr

Teilnahmegebühr195,– €

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Anmeldung Per Fax / www.otto-schmidt.de/seminare

29. November 2006 in Köln (Niepmann/Hauß)DOMICIL büro & serviceMagnusstraße 13, 50672 KölnSeminar-Nr.: 56.2015.00

7. März 2007 in Düsseldorf (Klinkhammer/Hauß)Best Western Hotel SavoyOststraße 128, 40210 DüsseldorfSeminar-Nr.: 57.2001.00

Fax und fertig! 0221 93738-969

Gerüstet sein für die Reform des Unterhaltsrechts –das ist die Zielsetzung dieses Seminars. Im WechselgesprächAnwalt – Richter werden die Referenten, erfahrene Praktikerdes Unterhaltsrechts, die Grundzüge der Reform und die imVorfeld dazu bereits ergangene aktuelle Rechtsprechung desBundesgerichtshofs mit ihren Auswirkungen auf die anwaltli-che Beratungspraxis darstellen. Profitieren Sie von diesemfachkundigen Dialog!

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• Ehegattenunterhalt– Trennungsunterhalt– Nachehelichenunterhalt

• Kindesunterhalt– Minderjährigenunterhalt– Volljährigenunterhalt

• Mangelfälle

• Rangfragen

• Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt

Vorweggenommene Reform –Aktuelle Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht

• Kindergeldanrechnung im Volljährigenunterhalt,BGH v. 26. Oktober 2005 – XII ZR 34/03

• Wechselmodell und Kindesunterhalt,BGH v. 21.Dezember 2005 – XII ZR 126/03

• Selbstbehalt und Leistungsfähigkeit beim Ehegatten-unterhalt, BGH v. 15. März 2006 – XII ZR 30/04

• Dauer des Unterhaltsanspruchs wegen Pflege undErziehung eines nichtehelich geborenen Kindes,BGH v. 5. Juli 2006 – XII ZR 11/04

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Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Schneider Die Klage im Zivilprozess 2. Auflage, gbd. 69,80 € [D]ISBN 3-504-47078-X

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Wie gut ein Anwalt ist, zeigt sich,wenn er die Ansprüche seinerKlientel auch durchzusetzen ver-steht. Aber erfolgreiche Prozess-führung lernt man nicht in derAusbildung. Die lernt man ausdem Buch des Herrn KollegenSchneider, der einer der erfahrens-ten Prozessrechtspraktiker ist.

In gutem Deutsch, in kurzen,klaren Sätzen erklärt er Ihnen,worauf es bei der Entstehungeiner Klageschrift ankommt.Ausführlich behandelt werdendabei zum Beispiel: Vorprozessu-aler Schriftverkehr, Kontakt mitMandanten und Dritten. Klage-begründung, das Markenzeichenjedes guten Anwalts. Klageantrag,von dem Zulässigkeit und Be-

gründetheit abhängen können.Streitverkündung, deren Ver-säumung häufig zu Regressan-sprüchen führt. Streitwertermitt-lung, das A und O für Ihre Ver-gütung. Präklusionsrecht, das oftden Prozessausgang bestimmt.Beweisrecht, das so risikoreichund fehlerträchtig ist.

Anschauliche Beispiele, Schrift-satzmuster, Tipps zu Strategieund Taktik, Hinweise auf Fehler-quellen und Haftungsfallen helfenIhnen, das Ganze richtig in diePraxis umzusetzen.

Das Buch ist eine unbedingtePflichtlektüre für jeden jungenAnwalt und alle Referendare, ausder selbst alte Hasen noch waslernen können.

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„Große Klasse!”RA Hans Reinold Horst

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Ende gut,alles gut.

Mues/Eisenbeis/Legerlotz/Laber Handbuch zumKündigungsrecht Von RA Werner M. Mues, RAErnst Eisenbeis, RA Christoph Legerlotz und RA Dr.Jörg Laber. 1.410 Seiten Lexikonformat, 2005, gbd.98,80 € [D]. ISBN 3-504-42655-1

Bestellschein ausfüllen und faxen (02 21) 9 37 38-943Ja, ich bestelle mit 14-tägigem Rückgaberecht Mues/Eisenbeis/Legerlotz/Laber Handbuch zum Kündigungsrechtgbd. 98,80 € [D]. ISBN 3-504-42655-1

B e s t e l l e n S i e b e i I h r e r B u c h h a n d l u n g o d e r b e i m Ve r l a g D r. O t t o S c h m i d t · P o s t f a c h 5 1 1 0 2 6 · 5 0 9 4 6 K ö l n

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten,in denen massenhaft Arbeitsplätzeabgebaut werden, sind Kündigungund Kündigungsschutz für jedenRechtsberater – ob auf Arbeitgeber-oder Arbeitnehmerseite – ein ganzzentrales Thema.

Auf über 1.400 Seiten beantwor-ten Ihnen erfahrene Fachanwälte fürArbeitsrecht in diesem Handbuchdetailliert und praxisgerecht alleFragen, die mit der Kündigung vonArbeitsverhältnissen im Zusammen-hang stehen.

Bei den einzelnen Kündigungs-arten wird der Schwerpunkt bewusstauf die betriebsbedingte Kündigunggelegt, weil das der derzeitigen Situ-ation am Arbeitsmarkt entspricht.Neben den rein arbeitsrechtlichenAspekten werden auch die steuer-

und sozialversicherungsrechtlichenKonsequenzen hinreichend gewür-digt, die bei der Beendigung einesArbeitsverhältnisses regelmäßig zumTragen kommen.

Dem Kündigungsschutzprozess istein eigenes Kapitel gewidmet, dasSie mit Strategie und Taktik der Pro-zessführung vertraut macht. Undbei allen Kündigungskonstellationenwird ausführlich auf die jeweiligeDarlegungs- und Beweislast der Par-teien eingegangen.

Zu allem gibt es praktische Bei-spiele, rechtssichere Formulierungs-vorschläge und Hinweise auf typi-sche Fehlerquellen.

Ende gut, alles gut. Mit dem Hand-buch zum Kündigungsrecht. Über-zeugen Sie sich selbst. Mit einer Lese-probe bei www.otto-schmidt.de

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